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SCHULE und BERATUNG Fachinformationen aus der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Neue Apfelsorten im Streuobstbau Bayerisches Bio-Siegel Die Zahlstelle Bayern im Fokus der Prüfinstanzen Gemeinsam gegen Lebensmittelverschwendung 12/2017

SCHULE und BERATUNG - stmelf.bayern.de · 6. SUB 12/2017 Pflanzen BaU . Pflanzenbau. Die neue Düngeverordnung. von DR. MaTTHIaS WenDlanD, KOnRaD OffenbeRGeR und MaRIa bRanDl: Seit

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SCHULE und BERATUNG

Fachinformationen aus der

Landwirt schafts verwaltung

in Bayern

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

→ Neue Apfelsorten im Streuobstbau → Bayerisches Bio-Siegel → Die Zahlstelle Bayern im Fokus der Prüfinstanzen → Gemeinsam gegen Lebensmittelverschwendung

12/2017

INHALT

PFLANZENBAU

ENERGIE

LÄNDLICHER RAUM

BILDUNG

MARKT

BLICK ÜBER DEN TELLERRAND

FÖRDERUNG

ERNÄHRUNGSBILDUNG

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INHALT

5 Vorwort

6 Die neue Düngeverordnung 11 Ergebnisse von zwei bayerischen Phosphordüngungsversuchen zu Dauergrünland

16 Schultage für Energiewirte – Viertägiges Seminar am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Almesbach 19 Das NAWAREUM in Straubing – Ein neues naturkundliches Erlebnismuseum entsteht 21 Kurzinfo: Biokraftstoffe sparen mehr Treibhausgasemissionen ein 22 Emissionen von Ethanolkraftstoffen im Straßenverkehr 26 Aufbereitung von Holzhackschnitzeln – Qualitätsverbesserung durch Siebung und Trocknung

30 Neue Apfelsorten im Streuobstbau – Ergebnisse eines Langzeitversuchs der LWG 35 Kurzinfo: Streuobstanbau im Landkreis Rosenheim – neue LfL-Information 36 Produktionsintegrierte Kompensation auf wechselnden Flächen – Bilanz der Bayerischen KulturLandStiftung nach drei Jahren Umsetzungspraxis 39 Nahversorgung im ländlichen Raum – Dorfladen und Prunothek Absberg im Fränkischen Seenland 41 Langfristige Strategien zur Bienengesundheit

44 Landtechnik 4.0 – Seminar Landtechnik der Landwirtschaftsschulen neu konzipiert 45 Kurzinfo: 13 neue Landwirtschaftsobersekretäre erhielten Ernennungsurkunden 46 Gewusst wie: Daumenkino erstellen – Videos aus Einzelbildern für den Unterricht 47 Haushaltsnahe Dienstleistungen für Pflegebedürftige – Schulung von Referentinnen

49 Bayerisches Bio-Siegel 54 Eine Landkarte der Zukunft – Die „Zukunftstage Lebensmittel“ in Kulmbach 57 CETA im Vormarsch – Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada vorläufig in Kraft getreten 58 Kurzinfo: Spürbar höhere Preise 2017 für Butter und Molkereiprodukte

59 Weinbau-Technikerklasse in Südafrika – Herausforderungen von morgen schon heute begegnen 62 Zwischen globalisierten Märkten und regionalen Ansprüchen – Die IALB/EUFRAS-Konferenz in Münster sucht neue Wege für die Landwirtschaft 65 Kurzinfo: Führungsakademie lernt Tatarstan kennen – Praktikant Lenar Shagivaliev stellt seine Heimat vor

66 Die Zahlstelle Bayern im Fokus der Prüfinstanzen – Aufgaben der Prüfinstanzen bei Fördermaßnahmen gemäß EU-Recht 69 ELER Förderperiode 2007 bis 2013 – Was bewirkten die Fördermittel für LEADER? 74 Kurzinfo: CC-Verstöße im Jahresvergleich

76 Gemeinsam gegen Lebensmittelverschwendung – Die Tafeln retten LebensmittelERNÄHRUNGSBILDUNG

78 „Wo kommt mein Essen her?“ – Besonderheiten der 5. Bayerischen Ernährungstage 80 Die Philosophie einer guten Verpflegung – Bayerische Leitlinien Kita- und Schulverpflegung

In der Geborgenheit der Familie Weihnachten zu feiern, ist in der heutigen Zeit das schönste aller Geschenke.

Roswitha Bloch

(Foto: Bayerische Staatsforsten)

VORWORT

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Leserinnen und Leser,

ein bewegtes Jahr neigt sich langsam dem Ende zu. Der Blick zurück zeigt, viel ist wieder passiert und gemeinsam haben wir zahlreiche Hürden gemeistert.

Im März konnten wir beispielsweise im breiten Schulterschluss mit Erzeugern, Wasser-versorgern, Verbänden und Institutionen einen Pakt zum Boden- und Gewässerschutz im Freistaat schließen. Als Ausfluss daraus haben wir die Zahl der Wasserberater erhöht, das Thema zum Schwerpunkt bei der Öffentlichkeitsarbeit gemacht, ein großes Netz an Demonstrationsbetrieben aufgebaut und die Initiative boden:ständig als dauerhaf-tes Angebot unserer Ämter für Ländliche Entwicklung fortgeführt. Alles Schritte, um der Gesellschaft zu verdeutlichen, dass wir dieses sensible Thema sehr ernst nehmen und gemeinsam mit den Landwirten an praktischen Lösungswegen arbeiten. Inten-siv beschäftigt haben uns auch mehrere Tage Spätfrost im April. Sie haben für große Schäden im Wein- und Obstbau gesorgt. Über ein extra aufgelegtes Frosthilfepro-gramm ist es gelungen, die Ertragseinbußen für die Betroffenen abzumildern. Kurze Zeit später hat uns im August das Sturmtief „Kolle“ drastisch vor Augen geführt, dass der Klimawandel mit seinen zunehmenden Extremwetterereignissen nicht mehr weg zu diskutieren ist. Innerhalb von 20 Minuten wurde die Arbeit mehrerer Generationen von Waldbesitzern in den Landkreisen Passau und Freyung-Grafenau sowie in Teilen Mittelfrankens zunichte gemacht. Schon wenige Tage danach konnten wir den Betrof-fenen mit finanziellen Hilfen, mit logistischer Unterstützung und mit organisatorischen Weichenstellungen zur Seite stehen. Die Räumung der Sturmflächen und die anschlie-ßende Wiederaufforstung werden uns bei der Unterstützung der Waldbesitzer über die nächsten Jahre fordern. Um unsere Wälder in Bayern noch rascher als bisher fit für den Klimawandel zu machen, haben wir im gleichen Zug die Waldumbauoffensive 2030 gestartet. Mit dem Kompetenzzentrum Tier in Grub, dem Kompetenzzentrum für Hauswirtschaft in Triesdorf, dem Forschungs- und Innovationszentrum Ruhstorf oder dem Bündnis „Wir retten Lebensmittel“ haben wir darüber hinaus bundesweit einzigartige Leuchtturmprojekte auf den Weg gebracht.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich könnte die Aufzählung unserer gemein-samen Arbeit sicher noch seitenlang fortführen, doch darum geht´s nicht. Ich möchte mich bei Ihnen allen ganz herzlich für Ihren großartigen Einsatz und Ihre tatkräftige Unterstützung im Jahr 2017 bedanken. Genießen Sie die kommenden Feiertage im Kreise Ihrer Lieben, spannen Sie aus und erholen Sie sich. Schöpfen Sie auch Kraft, damit wir im kommenden Jahr wieder gemeinsam für eine positive Zukunft unserer Heimat anpacken können – für unsere Landwirte, unsere Waldbesitzer und alle Men-schen im ländlichen Raum.

HELMUT BRUNNER BAYERISCHER STAATSMINISTER FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN

Vorwort

6 SUB 12/2017

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Die neue Düngeverordnungvon DR. MaTTHIaS WenDlanD, KOnRaD OffenbeRGeR und MaRIa bRanDl: Seit 2. Juni 2017 ist die neue Düngeverordnung in Kraft. Sie dient der Umsetzung der Nitrat-richtlinie der EU, unterstützt mit verschiedenen Regelungen jedoch auch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und der NEC-Richtlinie. Die folgenden Ausführungen erläutern die „Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der „guten fachlichen Praxis beim Düngen“, soweit die Umsetzung bisher bekannt ist. Einige Regelungen werden noch bundesweit dis-kutiert. Die Verordnung wird kurz „Düngeverordnung“ bzw. „DüV“ genannt.

Düngeplanung Vor einer ausbringung wesentlicher nährstoffmengen (mehr als 50 kg Stickstoff oder 30 kg Phosphat je Hektar und Jahr) muss die notwendige Düngemenge anhand des Stick-stoff- und Phosphatbedarfs des Pflanzenbestands, der auf der fläche steht bzw. stehen wird, ermittelt werden. Diese Düngebedarfsermittlung ist sowohl vor einer organischen als auch vor einer mineralischen Düngung notwendig. Sie muss für jede Kultur und für jeden Schlag bzw. jede bewirt-schaftungseinheit durchgeführt werden. Die Düngebedarfs-ermittlung für acker und Grünland muss jeweils schriftlich nach einem vorgegebenen Schema erfolgen. Weitere detail-lierte erläuterungen werden derzeit erarbeitet.

Übergangsregelung für Herbst 2017für ackerkulturen (Wintergerste, Winterraps und zwischen-frucht) sowie Grünland gilt: Sofern eine Düngung im Herbst 2017 zulässig ist (Sperrzeiten beachten) und durchgeführt wird, ist es ausreichend, wenn die aufgebrachten Mengen aufgezeichnet werden. eine ausführliche ermittlung des Düngebedarfs ist hierfür erst vor der ersten Gabe im früh-jahr 2018 erforderlich. für zwischenfrüchte, Wintergerste und Winterraps ist also im Herbst 2017 keine Düngebedarfs-ermittlung notwendig (Weitere Regelungen zur Herbstaus-bringung siehe Sperrfristen).

Regelungen zur Ausbringungbei der Düngung sind die ausbringverbote aufgrund des bodenzustands und die abstandsregelungen zu Gewäs-sern zu beachten. zudem ist eine ausbringung von or-ganischen Düngemitteln nur mit einer zugelassenen Ge-rätetechnik und unter einhaltung der einarbeitungszeit möglich.

Aufbringungsverbote aufgrund des Bodenzustands auf überschwemmten, wassergesättigten, gefrorenen oder schneebedeckten böden ist das aufbringen von stickstoff- oder phosphathaltigen Düngemitteln, bodenhilfsstoffen,

Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln untersagt. Davon abweichend dürfen jedoch im frühjahr auf gefrorenem bo-den bis zu 60 kg pro Hektar Gesamtstickstoff (Gesamt-n) gedüngt werden, wenn

→ der boden tagsüber aufnahmefähig wird und → keine abschwemmgefahr in oberirdische Gewässer

oder benachbarte flächen besteht und → die fläche mit Wintergetreide oder winterharten

zwischenfrüchten oder mehrjährigem feldfutter-bau oder Grünland bestellt ist.

bei schneebedecktem boden ist, unabhängig von der Schneehöhe, eine Düngung generell verboten.

Abstand zu Oberflächengewässern bei der Düngung sind ein direkter eintrag und ein ab-schwemmen von nährstoffen in Gewässer zu vermeiden. aus diesem Grund gibt die Düngeverordnung Mindestab-stände zu Oberflächengewässern vor. Die Mindestabstände gelten für die ausbringung von stickstoff- und phosphathal-tigen mineralischen und organischen Düngemitteln.

Die breite des düngefreien Streifens zwischen bö-schungsoberkante des oberirdischen Gewässers und

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→ bild: neue Regelungen zur ausbringung von organischen Düngemit-

teln (foto: lorenz Heigl).

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Düngerausbringfläche hängt von der Gelände-neigung und ausbringtechnik ab.

bei flächen, die weniger als zehn Prozent neigung aufweisen, ist ein abstand von vier Me-tern zur böschungsoberkante einzuhalten (siehe Abbildung 1).

Dieser abstand kann auf einen Meter redu-ziert werden, wenn Geräte benutzt werden, bei denen die arbeitsbreite gleich der Streubreite ist. bei der ausbringung von flüssigem Wirtschafts-dünger trifft das für jede Technik zu, die die Gülle streifenförmig auf dem boden ausbringt. bei der ausbringung von Mineraldünger ist das für Mi-neraldüngerstreuer mit einer Grenzstreueinrich-tung der fall.

Das aufbringen von Düngemitteln innerhalb des letzten Meters zur böschungsoberkante ist verboten. es darf kein Dünger in dem einen Meter breiten Streifen liegen.

bei acker- und Grünlandflächen, die in den ersten 20 Metern zur böschungsoberkante mehr als zehn Prozent Hangneigung aufweisen, darf in den ersten fünf Metern zur böschungsoberkante kein Dünger ausgebracht wer-den. es darf kein Dünger in dem fünf Meter breiten Strei-fen liegen.

In den weiteren 15 Metern ist auf ackerflächen eine Dün-gung nur unter folgenden bedingungen erlaubt:

→ auf unbestellten ackerflächen wird der Dünger so-fort eingearbeitet.

→ auf bestellten ackerflächen mit Reihenkultur mit ei-nem Reihenabstand von 45 zentimetern und mehr ist eine entwickelte untersaat vorhanden oder der Dünger wird sofort eingearbeitet.

→ auf bestellten ackerflächen ohne Reihenkultur ist eine hinreichende bestandsentwicklung vorhan-den.

→ auf der bestellten ackerfläche wurde ein Mulch- oder Direktsaatverfahren angewendet.

Einarbeitungsfrist von organischen Düngemitteln Organische Düngemittel, die einen Trockensubstanzgehalt von über zwei Prozent und einen wesentlichen Gehalt an verfügbarem Stickstoff besitzen, müssen unverzüglich nach ihrer ausbringung eingearbeitet werden. Dies trifft zum beispiel auf Gülle und biogasgärrest (fest und flüssig) zu. nach beginn des aufbringens muss die einarbeitung spä-testens nach vier Stunden erfolgen.

Von der einarbeitungsfrist sind folgende Düngemittel ausgenommen:

→ festmist von Huftieren oder Klauentieren, → Kompost,

→ organische oder organisch-mineralische Dünge-mittel mit einem festgestellten Trockensubstanz (TS)-Gehalt von weniger als zwei Prozent.

Regelungen für HarnstoffHarnstoff ohne ureasehemmer darf ab 2020 nur noch auf unbestelltes ackerland ausgebracht und muss unverzüglich eingearbeitet werden. auf bestellten flächen darf nur noch Harnstoff mit ureasehemmer verwendet werden.

Vorgeschriebene Gerätetechnik ab 2020 müssen flüssige organische Düngemittel, die einen wesentlichen Gehalt an verfügbarem Stickstoff haben (z. b. Gülle), auf bestelltes ackerland streifenförmig aufgebracht oder direkt in den boden eingebracht werden. für Grünland oder feldgras gelten die Vorgaben ab 2025. Derzeit werden folgende ausnahmen diskutiert:

für Grünland und mehrjährigen feldfutterbau ist die streifenförmige ablage nicht notwendig, wenn das Grün-land in mehr als 30 Prozent der fläche (fID) eine Hangnei-gung von über 20 Prozent aufweist.

Der einsatz von Hochdruckseitenverteilern ist nur auf Grünland mit einer Hangneigung von mehr als 35 Prozent erlaubt, wenn gleichzeitig folgende bedingungen zutref-fen:

→ maximal zwei Gaben pro Jahr, → maximal fünf Prozent TS, → abstandsauflage von zehn Meter zur böschungs-

oberkante von Gewässern.

aus agrarstrukturellen belangen ist es derzeit auch vorgese-hen, betriebe mit weniger als 15 Hektar landwirtschaftlich genutzter fläche von der Pflicht zur streifenförmigen ablage auszunehmen.

→ abbildung 1: abstand zu Oberflächengewässer bei flächen mit einer neigung

unter zehn Prozent

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bei der Grenze von weniger als 15 Hektar landwirtschaft-lich genutzter fläche bleiben folgende flächen unberück-sichtigt:

→ flächen, auf denen nur zierpflanzen oder Weih-nachtsbaumkulturen angebaut werden, baum-schul-, Rebschul-, Strauchbeeren- und baumobstflä-chen, nicht im ertrag stehende Dauerkulturflächen des Wein- oder Obstbaus sowie flächen, die der erzeugung schnellwüchsiger forstgehölze zur ener-getischen nutzung dienen,

→ flächen mit ausschließlicher Weidehaltung bei ei-nem jährlichen Stickstoffanfall (Stickstoffausschei-dung) an Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft von bis zu 100 Kilogramm Stickstoff je Hektar, wenn keine zusätzliche Stickstoffdüngung erfolgt,

→ Grünlandflächen mit einer Hangneigung über 20 Prozent auf mehr als 30 Prozent der fläche.

Obergrenze 170 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr Über organische Düngemittel aller art dürfen im Durch-schnitt der landwirtschaftlich genutzten fläche eines betrie-bes maximal 170 kg Stickstoff je Hektar ausgebracht werden.

nach „neuer“ Düngeverordnung sind bei der berech-nung der 170 kg Grenze alle organischen Düngemittel (auch biogasgärreste, Kompost, Klärschlamm etc.) zu berücksichti-gen. Mineraldünger, die in organische Dünger eingemischt werden, müssen ebenfalls berücksichtigt werden. bei Kom-post darf die ausgebrachte Menge auf drei Jahre verteilt werden. für das Kalenderjahr 2017 (1. Januar bis 31. Dezem-ber) erfolgt die berechnung noch nach den Vorgaben der „alten“ Düngeverordnung.

ab 2018 müssen bei der berechnung der 170 kg Grenze die Vorgaben der „neuen“ Düngever-ordnung berücksichtigt werden. ein entsprechendes Programm wird ab 2018 auf der Homepage der landes-anstalt für landwirtschaft (lfl) zur Ver-fügung gestellt.

aber Vorsicht: bei Schweinen hat sich die Verlustanrechnung der Stall- und lagerverluste geändert. bisher durften bei Haltung auf Gülle 30 Pro-zent Verluste abgezogen werden, jetzt nur noch 20 Prozent. Dementspre-chend reduziert sich die mögliche anzahl der zu haltenden Schweine je Hektar. Wenn ein betrieb bereits jetzt nahe an der 170 kg Grenze war, sollte er möglichst bald neue berechnungen nach der neuen Düngeverordnung durchführen.

Sperrfristen mit Verbot der Düngerausbringung Das Düngen von acker- und Grünland ist nur in bestimmten zeiträumen und zu bestimmten Kulturen erlaubt. In den so-genannten Sperrfristen ist das Düngen verboten.

Die Sperrfristen gelten für alle Dünger, die einen wesent-lichen Gehalt an Stickstoff (über 1,5 Prozent Stickstoff in der TS) enthalten. Dies betrifft also nicht nur die organischen Dünger, wie z. b. Gülle und Mist oder Klärschlamm, sondern auch die mineralischen Dünger.

für feldgemüse ist die Sperrfrist vom 1. Dezember bis 31.  Januar. für festmist von Huf- oder Klauentieren und Kompost ist die Sperrfrist für alle flächen vom 15. Dezem-ber bis zum 15. Januar.

Sperrfrist im Ackerlandauf ackerland beginnt die Sperrfrist generell nach der ernte der letzten Hauptfrucht und dauert bis einschließlich 31. Ja-nuar. Hauptfrucht ist grundsätzlich die frucht, die im Mehr-fachantrag angegeben ist. es kann jedoch auch eine Kul-tur sein, die vor dem 1. august gesät wurde und noch im ansaatjahr geerntet wird (z. b. ackergras nach Getreidevor-frucht) oder eine Kultur, die bis zum 15. September gesät wurde und im Herbst sowie im frühjahr des folgejahres ge-erntet wird. folgende ausnahmen gibt es (wenn ein Dünge-bedarf gegeben ist):

→ zu zwischenfrüchten und Winterraps dürfen bis zu 30 kg ammonium- bzw. 60 kg Gesamtstickstoff pro Hektar bis ende September gedüngt werden, wenn die Saat bis 15. September erfolgt.

→ zu Wintergerste nach einer Getreidevorfrucht dür-fen bis zu 30 kg ammonium- bzw. 60 kg Gesamt-stickstoff pro Hektar bis ende September gedüngt

→ abbildung 2: abstandsbreite zu Gewässer mit Hangneigung der fläche über zehn Prozent

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werden, wenn die Saat bis ende September erfolgt.

→ Mehrjähriger feldfutterbau hat die gleiche Sperrfrist wie Grünland, wenn die aussaat bzw. ernte der Deckfrucht vor 15. Mai stattgefunden hat.

Sperrfrist auf Grünland und Feldfutter bauDie Sperrfrist für Grünland und ackerland mit mehrjährigem feldfutterbau (Definition nach Mehrfachantrag: Saat vor 15. Mai und mindestens zwei Hauptnutzungsjahre) beginnt am 1. november und dauert bis einschließlich 31. Januar.

Die Sperrfrist für Grünland und mehrjährigen feldfut-terbau kann um zwei oder vier Wochen nach hinten ver-schoben werden. Die Dauer der Sperrfrist von drei Monaten bleibt dabei unverändert.

Die Sperrfrist bei zwei Wochen-Verschiebung dauert dann vom 15. november bis einschließlich 14. februar, bei vier Wochen-Verschiebung vom 29. november bis ein-schließlich 28. februar.

Die Vorgehensweise der Verschiebung bleibt wie folgt: Die Verschiebung muss jährlich vom Kreisverband des bayerischen bauernverbands für den jeweiligen land-kreis beim zuständigen fachzentrum für agrarökolo-gie beantragt werden. Das zuständige fachzentrum für agrarökologie am amt für ernährung, landwirtschaft und forsten entscheidet über die Verschiebung und den Ver-schiebungszeitraum nach regionaltypischen Gegebenhei-ten. Insbesondere Witterung oder beginn und ende des Pflanzenwachstums sowie ziele des boden- und des Ge-wässerschutzes werden dabei herangezogen. Die fachzen-tren für agrarökologie können im falle der Genehmigung in der allgemeinverfügung weitere auflagen festsetzen

So können beispielsweise bestimmte Gebiete innerhalb ei-nes landkreises von der Verschiebung ausgeschlossen wer-den, wenn die regionalen Gegebenheiten in einem land-kreis sehr unterschiedlich sind.

NährstoffvergleichIm nährstoffvergleich werden die nährstoffströme eines be-triebs dargestellt. für das Kalenderjahr 2017 bzw. für das Wirtschaftsjahr 2016/17 kann der nährstoffvergleich noch nach der „alten“ Düngeverordnung berechnet werden. Der Rechengang der neuen Düngeverordnung muss erst-mals für das Kalenderjahr 2018 bzw. für das Wirtschaftsjahr 2017/18 verwendet werden. Die lfl wird im laufe des Jahres 2018 dafür ein Programm zu Verfügung stellen.

folgende Hinweise sind zu beachten: → betriebe, die Wiederkäuer halten, müssen die plau-

sibilisierte bilanz rechnen. → ab 2018 müssen viehstarke betriebe, viehhaltende

betriebe und biogasanlagen, die zusätzlich noch Wirtschaftsdünger aufnehmen, zusätzlich eine Stoffstrombilanz rechnen. Die genauen Vorgaben dazu sind noch nicht bekannt.

→ Die erlaubten bilanzüberschüsse werden ab 2018 bei Stickstoff auf 50 kg/ha und Jahr und bei Phosphat auf 10 kg/ha und Jahr gesenkt.

Lagerkapazitäten bis Ende 2019 Wirtschaftsdünger und Gärreste, die in einem betrieb erzeugt werden, müssen dort über festgesetzte zeiten gelagert wer-den können. Der betrieb benötigt dazu nachweisbar eine entsprechend große und ordnungsgemäße lagerkapazität.

→ Tabelle: Sperrfristen für die ausbringung von Düngemitteln

Dünger nutzungnach ernte der letzten

Hauptfrucht

Okt. nov. Dez. Jan. feb.

alle Düngemittel außer festmist undKomposte

acker

Grundsätzlich

ausn

ahm

en

acke

r

zwischenfrucht* max. 30/60

W-Raps max. 30/60

W-Gerste** max. 30/60

mehrjähriger feldfutterbau

Grünland (ohne Verschiebung)

Gemüse

festmist*** und Komposte

alle flächen

* unter der Voraussetzung, dass der Samenanteil (Körner/m²) der leguminosen max. 50 Prozent beträgt. zwischenfrüchte mit einem leguminosenanteil > 50 Prozent haben keinen Düngebedarf.** nach Getreidevorfrucht*** festmist von Huf- und Klauentieren (Rind, Schwein, Pferd, Schaf, …)

ausbringverbot

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falls die notwendige lagerkapazität im eigenen betrieb nicht vorhanden ist, können lagerstätten durch schriftliche vertragliche Vereinbarungen gepachtet und nachgewiesen werden.

flüssige Wirtschaftsdünger sowie flüssige und feste Gär-reste benötigen bis 2019 sechs Monate lagerkapazität. Das fassungsvermögen des lagerraums berechnet sich zum ei-nen aus dem anfall an flüssigen Wirtschaftsdüngern bzw. festen und flüssigen Gärresten, zum anderen aus den anfal-lenden Mengen an Silagesickersäften und niederschlags-wasser, soweit diese in die lagerstätte eingeleitet werden.

für Tiere, die im zeitraum vom 1. Oktober bis 1. april des folgejahres nicht im Stall stehen, fällt (zeitweise) kein flüssi-ger Wirtschaftsdünger an.

Die notwendige lagerkapazität für Gülle und Jauche kann für tierhaltende betriebe mit dem von der lfl bereit-gestelltem excelprogramm berechnet werden. Derzeit ste-hen nur die Programme bis zum Kalenderjahr 2017 zur Ver-fügung. ab 2018 wird das Programm für das Kalenderjahr 2018 in Internet bereitgestellt.

für flüssige und feste Gärreste wird ebenfalls ab 2018 ein Programm verfügbar sein.

betriebe mit festmist von Huf- und Klauentieren müssen für festmist eine lagerkapazität von mindestens einem Mo-nat nachweisen können.

ab 2018 wird von der lfl auch für festmist ein Programm zur berechnung der lagerkapazität angeboten. eine feld-randlagerung ist weiterhin möglich, wird jedoch nicht als lagerkapazität anerkannt.

leere Siloanlagen können, wenn sie die Voraussetzun-gen einer gesicherten lagerung erfüllen, für festmist, feste Gärreste und Komposte verwendet werden.

Lagerkapazitäten ab 2020betriebe mit mehr als drei Großvieheinheiten pro Hektar oder ohne eigene ausbringflächen müssen für flüssige Wirt-schaftsdünger und Gärreste (flüssig und fest) neun Monate lagerkapazität nachweisen.

bei gewerblichen biogasanlagen, bei denen die Verfü-gungsberechtigten über eigene ausbringflächen verfügen, werden diese bei der berechnung der lagerkapazitäten be-rücksichtigt. Wenn eine anlage z. b. 50 Prozent des anfal-lenden Gärrestes auf eigenen flächen verwerten kann, sind dafür nur sechs Monate lagerkapazität notwendig. für den Gesamtbetrieb würden sich somit 7,5 Monate lagerraum ergeben.

für festmist und Komposte beträgt die notwendige lager-kapazität mindestens zwei Monate. Die entsprechenden be-rechnungsprogramme stehen ab 2018 im Internet zur Ver-fügung.

Wie eingangs angesprochen, ist die umsetzung der neuen Düngeverordnung in einigen Punkten noch nicht endgültig abgestimmt. Darum handelt es sich bei den er-läuterungen um einen zwischenstand zum november 2017, der laufend aktualisiert wird. Der aktuelle Stand ist auf der Homepage der lfl (www.lfl.bayern.de/iab/duengung/) ab-rufbar.

DR. MATTHIAS WENDLANDKONRAD OFFENBERGERMARIA BRANDLBaYeRISCHe lanDeSanSTalT fÜR lanDWIRTSCHafT InSTITUT fÜR aGRaRÖKOlOGIe – DÜ[email protected]@[email protected]

Die neue Düngeverordnung stellt zusammen mit dem Düngegesetz (DüngG) und der Verordnung über anlagen zum umgang mit wassergefährdenden Stoffen (awSV) die neue gesetzliche basis für den umgang und die anwen-dung von Düngemitteln dar. ein ziel ist dabei die Vermin-derung von stofflichen Risiken für unsere Gewässer, um eine Verbesserung des zustands nach Wasserrahmenricht-linie herbeizuführen.

Mit dem Wasserpakt trägt bayern durch zusätzliche weiter-gehende Maßnahmen auf freiwilliger basis zu einer schnel-leren zielerreichung bei. Gelingen kann das nur, wenn alle an einem Strang ziehen. umso erfreulicher ist es, dass der bayerische landesverband für Gartenbau und landes-pflege e. V. vor kurzem als 15. Partner dem Wasserpakt bei-getreten ist. Der Verband vertritt über 3 250 Gartenbauver-eine und dabei mehr als 542 000 Mitglieder bayernweit.

Infobox: Gemeinsames Ziel ist der Gewässerschutz

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Ergebnisse von zwei bayerischen Phosphordüngungsversuchen zu Dauergrünland

von DR. MICHael DIePOlDeR und SVen RaSCHbaCHeR: Langjährige Düngungsversuche im Grünland sind für die laufende Aktualisierung von Basisdaten und fachlichen Beratungs-grundlagen von großer Bedeutung. Nachfolgend werden Ergebnisse von zwei P-Düngungs-versuchen (Phosphor-Düngungsversuchen) in unterschiedlichen Grünlandregionen Bayerns vorgestellt und diskutiert. Sie zeigen u. a., dass bei Wiesen mit unterschiedlicher Bestands-zusammensetzung selbst bei ähnlich hohem Ertragspotenzial sowie gleicher Nutzungsinten-sität Unterschiede beim mittleren P-Gehalt des Futters und damit bei der P-Abfuhr bestehen. Sie zeigen zudem auch, dass bei niedriger P-Versorgung des Bodens hohe Erträge sowie für die Pflanzen- und Tierernährung optimale P-Gehalte erzielt werden können. Dies auch, wenn die jährlich zugeführte P-Düngung mehrjährig deutlich unter der P-Abfuhr durch das Ernte-gut liegt. Fehlende P-Düngung führt dagegen zu deutlichen Mindererträgen und suboptima-len P-Gehalten des Futters.

Einfluss der Düngung auf Boden und FutterPhosphor ist für die Pflanze und das Tier ein lebenswich-tiges element sowie aktuell im fokus von Gewässerschutz und fachrecht (Düngeverordnung). Verbunden damit ist eine aktualisierung von basisdaten und fachlichen Vorga-ben. Hierbei kommt spezifischen Pflanzenbauversuchen eine wichtige bedeutung zu. In zwei auf Dauergrünland 2003 angelegten bayerischen Düngungsversuchen wird un-tersucht, welchen einfluss eine Düngung mit unterschied-lichen Phosphatformen und Phosphatmengen auf den Cal-Phosphatgehalt des bodens, die Qualität des Pflan-zenbestands (futterwertzahl), den Trockenmasse-ertrag und den mittleren P-Gehalt im futter hat, speziell wenn die bodenuntersuchung zu Versuchsbeginn nur eine niedrige Phosphatversorgung (Gehaltsklasse b) aufweist. Die Versuchsergebnisse ergänzen arbeiten von GReIneR eT al. (2010) bzw. bayerische Monitorin-gergebnisse (DIePOlDeR eT al., 2016; DIePOl-DeR unD RaSCH baCHeR, 2016) und sollen dazu beitragen faustzahlen zur Kalkulation der P-ab-fuhr bzw. der P-Düngung von Wirtschaftsgrün-land zu überprüfen bzw. weiter zu optimieren.

Material und Methoden → Versuch im allgäu: ein Versuch wird seit

2003 im allgäuer alpenvorland am Spi-talhof/Kempten (730 m über nn; mitt-lerer jährlicher niederschlag 1 300 mm) auf einer natürlichen weidelgrasbetonten

Wiese mit vier Schnitten durchgeführt. als boden-typ liegt eine braunerde-Parabraunerde auf einer würmeiszeitlichen Jungmoräne vor, bodenart ist schluffiger lehm. Der Humusgehalt in 0 bis 10 cm Tiefe beträgt 7,3 Prozent, der pH CaCl2-Wert liegt mit 4,9 im sehr sauren bereich (im unterboden pH 5,3 bis 5,5). zu Versuchsbeginn lagen die nährstoff-gehalte des bodens bei 7 mg P2O5 Cal, bzw. 12 mg K2OCal pro 100 g boden.

→ Versuch im bayerischen Wald: Der zweite Ver-such wurde von 2003 bis 2010 in Maierhofen im westlichen Vorwald des bayerischen Waldes im landkreis Straubing (450 m über nn; mitt-lerer jährlicher niederschlag 850 mm) auf einer

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→ Tabelle 1: Düngevarianten (nährstoffangaben in kg/ha)

Variante P2O5 n K2O

1 Ohne P-Düngung (Kontrolle) 0

4 x

50

als

KaS

300

zum

1.

auf

wuc

hs

als

Korn

kali

2 Superphosphat zum 1. aufwuchs

50

3 100

4 Teilaufgeschlossenes Phosphat 1) zum 1. aufwuchs

50

5 100

6 Weicherdiges Rohphosphat 1) zum 1. aufwuchs

50

7 100

8 2) 4 x 25 m³/ha Rindergülle (4,6 Prozent TS, Prallteller)

4 x 25 4 x 63 4 x 68

1) am Spitalhof „novaphos“, in Maierhofen; „novaphos“ und „Cederan“2) Güllevariante 8: nur am Standort Spitalhof

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Wiesenfuchsschwanzwiese mit i. d. R. vier Schnit-ten pro Jahr durchgeführt. aufgrund von Trocken-schäden des Versuchs im Jahr 2003 wurde dieses bei der auswertung der erträge, XP- und P-Gehalte von der Verrechnung ausgeschlossen. als boden-typ liegt ein Ranker auf Tiefengestein vor, boden-art ist sandiger lehm. zu Versuchsbeginn lagen in 0 bis 10 cm Tiefe ein Humusgehalt von 3,5 Prozent, ein pHCaCl2-Wert von ca. 5,0 sowie pro 100 g boden nährstoffgehalte von 5 mg P2O5 Cal, 8 mg K2O Cal und 16 mg Mg CaCl2 vor.

beide Versuche wurden nach statistischen Grundsätzen als exaktversuche angelegt. Die Versuchsvarianten sind in Tabelle 1 dargestellt.

neben einer Kontrollvariante (1) ohne P-Düngung und einer Güllevariante (8; nur allgäuer Standort) erfolgte die P-Düngung bei sechs weiteren Versuchsgliedern (2 bis 7) ausschließlich mineralisch.

es wurden drei P-Düngerarten (Super-P, teilaufgeschlos-senes P, weicherdiges Rohphosphat) mit unterschiedlichem aufschluss bzw. unterschiedlicher löslichkeit in je zwei P-Stufen geprüft. Dabei beträgt die Düngung der reduzier-ten Stufe (50 kg P2O5/ha) die Hälfte der vor Versuchsbeginn nach bisherigen faustzahlen (WenDlanD eT al., 2012) ver-anschlagten P-abfuhr. Der P-Gehalt der aufwüchse wurde nasschemisch nach bzw. in anlehung an Vorgaben des VDlufa (2011) untersucht.

Botanik der Pflanzenbestände und mittlere Futter-wertzahlenDie botanische ausprägung der Pflanzenbestände unter-scheidet sich auf beiden Standorten deutlich voneinander. Dies betrifft sowohl die artenzahl als auch die anteile an Gras arten bzw. artengruppen (Gräser, Kräuter und legumi-nosen) in der frischmasse (Tabelle 2, 3). Kennzeichnend für den Standort Spitalhof ist ein artenärmerer bestand mit ei-nem wesentlich höherem Grasanteil gegenüber dem Stand-ort Maierhofen, welcher deutlich mehr Kräuter und etwas mehr leguminosen aufweist. Die Höhe der P-Düngung be-einflusste die artenzahl, den Gräser- bzw. Kräuteranteil und den anteil des leitgrases in der frischmasse in Maierhofen (Tabelle 3) stärker als am Spitalhof (Tabelle 2). Dort zeigte sich im mehrjährigen Mittel nur ein geringfügiger effekt zwischen der Variante P0 und den gedüngten Varianten, jedoch fielen keine unterschiede zwischen P50 und P100 auf. Die nur am Spi-talhof vorhandene Güllevariante weist einen gegenüber den Varianten mit rein mineralischer Düngung etwas höheren le-guminosen- sowie einen leicht geringeren Gräseranteil auf.

aus futterbaulich botanischer Sicht liegt am Spitalhof ein gegenüber Maierhofen hochwertigerer Pflanzenbestand vor, dies geht aus dem Vergleich der mittleren futterwertzahlen (Ø fWz, siehe Tabelle 4, 5) hervor. auf beiden Standorten hatte fehlende P-Düngung (P0) eine niedrigere fWz gegenüber den P-gedüngten Varianten zur folge. Während jedoch am Spitalhof unterschiedliche P-Mengen bzw. P-formen kaum zu einer Differenzierung der fWz führten (Tabelle 4), war in

→ Tabelle 2: Spitalhof – botanische zusammensetzung der Pflanzenbestände (nach Klapp & Stählin, 1936) in abhängigkeit von der Höhe der

P-Düngung; Mittel der Jahre 2003, 2006, 2010

arten- zahl

Prozent in der frischmasse 1. aufwuchs

Deutsches Weidelgras

Gem. Rispe

Σ Gräser

Σ Kräuter

Σ leguminosen

P 0 15,4 59 8 72 26 2

P 50 [Ø Var. 2, 4, 6] 16,2 63 9 77 22 1

P 100 [Ø Var 3, 5, 7] 15,7 64 8 78 20 2

P Gülle 14,8 57 11 74 20 6

→ Tabelle 3: Maierhofen – botanische zusammensetzung der Pflanzenbestände (nach Klapp & Stählin, 1936) in abhängigkeit von der Höhe der

P-Düngung; Mittel der Jahre 2003, 2005, 2007, 2010

arten- zahl

Prozent in der frischmasse 1. aufwuchs

Wiesen- fuchsschw.

Knaul-gras

Σ Gräser

Σ Kräuter

Σ leguminosen

P 0 24,5 14 8 44 48 8

P 50 [Ø Var. 2, 4, 6] 23,2 24 10 56 37 7

P 100 [Ø Var 3, 5, 7] 20,5 29 11 61 32 7

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PflanzenBaU

Pfla

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→ abbildung: entwicklungen der TM-erträge bei unterschiedlicher Höhe der P-Düngung (P50 = Ø Varianten 2, 4, 6; P100 = Ø Varianten 3, 5, 7; zudem

P100 über Gülle) an den Standorten Spitalhof (links) und Maierhofen (rechts)

150 140 130 120 110

_100 CU.c: 90 -::!!!: 80 1-- 70"C -cn 60 � 50 W 40

30 -•·ohne P -.-P 50 .... P100 --P 100 Gülle

20 10

0 -, 1 2 3 5 6 7 4

Versuchsjahr

150 140 130 120 110

_ 100 CU

90 -::!!!: 80 1-- 70- 60CU 50w 40

302010

0

', ,,', ... ---------�-�

- ,, ----------------�'"'•-'�'--------

1 2 3

-.-P 50 .... p 100

4 Versuchsjahr

5 6 7

→ Tabelle 4: Mittlere futterwertzahl (fWz), Trockenmasse-ertrag, mittlerer Rohprotein (XP)- und P-Gehalt im aufwuchs der Varianten am Standort

Spitalhof

Variante Ø fWz1)TM-ertrag2)

(dt TM/ha)Ø XP3) Ø P3)

(g/kg TM)

1 Kontrolle 6,74 101,6 163 2,95

2 P 50 Super-P 6,97 110,4 156 3,85

3 P 100 Super-P 6,99 112,9 156 4,16

4 P 50 teilaufg. P 6,90 110,1 154 3,43

5 P 100 teilaufg. P 6,99 112,0 151 3,82

6 P 50 w. Roh-P 6,82 109,5 159 3,41

7 P 100 w. Roh-P 6,95 111,5 153 3,58

8 P 100 Gülle 6,92 109,6 165 3,72

1) Mittel aus bonituren von drei Jahren, futterwertzahl nach Klapp et al., 1953 2) Mittel aus sieben Jahren; GD 5 % = 4,7 dt/ha3) Mittel aus sechs Jahren, ertragsanteile der Schnitte berücksichtigt

→ Tabelle 5: Mittlere futterwertzahl (fWz), Trockenmasse-ertrag, mittlerer Rohprotein (XP)- und P-Gehalt im aufwuchs der Varianten am Standort

Maierhofen

Variante Ø fWz1)TM-ertrag2)

(dt TM/ha)Ø XP3) Ø P3)

(g/kg TM)

1 Kontrolle 5,79 98,3 149 2,41

2 P 50 Super-P 5,90 112,9 148 3,11

3 P 100 Super-P 6,29 117,3 143 3,53

4 P 50 teilaufg. P 6,26 113,2 143 3,07

5 P 100 teilaufg. P 6,26 121,5 146 3,26

6 P 50 w. Roh-P 6,00 117,9 147 2,99

7 P 100 w. Roh-P 6,25 116,7 146 2,96

1) Mittel aus bonituren von vier Jahren, futterwertzahl nach Klapp et al., 1953 2) Mittel aus sieben Jahren (2004 bis 2010)3) nach ertragsanteil gewichtete Mittel von sieben Jahren (2004 bis 2010); GD 5 % = 4,7 dt TM /ha; ca. 5 g XP/kg TM; ca. 0,2 g P/kg TM

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PflanzenBaU

Pfla

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Maierhofen (Tabelle 5) zumindest im Trend bei zwei P-formen ein leichter anstieg der fzW von P50 zu P100 erkennbar.

TM-Erträgeauf beiden Standorten schwankten die TM-erträge (Trocken-masse ertrag pro Hektar) zwischen den Jahren stark, wobei fehlende P-Düngung meist zu deutlichen ertragseinbußen führte. Die Differenz zwischen P0 und Pgedüngt fiel in Maierho-fen höher als am Spitalhof aus und nahm zudem auf dem Standort im bayer. Wald im zeitverlauf eher zu (Abbildung). zwischen P50 und P100 zeigten sich dagegen keine (Spitalhof ) bzw. nur geringfügige (Maierhofen) ertragsunterschiede.

am Spitalhof bestanden bei den P-gedüngten Varianten (Var. 2 bis 8) weder hinsichtlich der P-Menge noch der P-form signifikante ertragsunterschiede (Tabelle 4). Im 7-jährigen Mit-tel lag der TM-ertrag bei fehlender P-Düngung (P0) um durch-schnittlich 9  Prozent niedriger als bei einer Düngung mit 100 kg P2O5/ha (P100). Diese Differenz war in Maierhofen mit rund 17 Prozent fast doppelt so hoch. zudem wurden auf die-sem Standort bei voll- bzw. teilaufgeschlossenem Phosphat

bei der höheren Düngerstufe signifikant höhere TM-erträge erzielt (Tabelle 5), was jedoch nicht für Rohphosphat zutraf.

beide Standorte zeigen insgesamt ein sehr hohes er-tragsniveau bei hochwertigen Pflanzenbeständen. Dies trotz der (sehr) sauren bodenverhältnissen um ca. pH 5,0.

Rohprotein- und P-Gehalte in der Pflanzeauf der Weidelgraswiese am Spitalhof wurden bei gleicher nutzungsintensität und weitgehend ähnlichen TM-erträgen höhere Rohprotein- und P-Gehalte als auf der Wiesenfuchs-schwanzwiese in Maierhofen gemessen (Tabelle 4, 5). Dies ist ein Hinweis darauf, dass aus rein fachlicher Sicht auch der Wiesentyp idealerweise bei der Düngebedarfsermittlung im Grünland berücksichtigung finden sollte, wie es u. a. in bay-ern bis 2017 der fall war (WenDlanD eT al., 2012).

Während sich auf beiden Standorten kein direkter zu-sammenhang zwischen der P-Versorgung und dem Roh-proteingehalt ableiten lässt, zeigen sich teilweise deutliche effekte der art und Höhe der P-Düngung auf den mittleren P-Gehalt im futter. Dieser liegt auf beiden Standorten bei

→ Tabelle 6: Kalkulierte P-abfuhren1) und mittlere Cal-Phosphatgehalte in 0 bis 5, 5 bis 10 und 10 bis 20 cm Tiefe2) am Spitalhof

VarianteP-abfuhr kalkuliert

(kg P2O5/dt TM)

Cal-Phosphatgehalt boden (mg P2O5/100 g b.)

0 bis 5 cm 5 bis 10 cm 10 bis 20 cm

1 Kontrolle 69 7 5 4

2 P 50 Super-P 97 11 7 4

3 P 100 Super-P 108 14 9 5

4 P 50 teilaufg. P 86 9 6 4

5 P 100 teilaufg. P 98 12 7 4

6 P 50 w. Roh-P 86 9 5 3

7 P 100 w. Roh-P 91 11 6 4

8 P 100 Gülle 93 11 7 4

1) Kalkuliert aus mittlerem ertrag und mittlerem P-Gehalt 2) Mittel aus 12 bodenprobennahmen im sieben-jährigen untersuchungszeitraum

→ Tabelle 7: P-abfuhren1) und mittlere Cal-Phosphatgehalte in 0 bis 5, 5 bis 10 und 10 bis 20 cm Tiefe2) in Maierhofen

VarianteP-abfuhr kalkuliert

(kg P2O5/dt TM)

Cal-Phosphatgehalt boden (mg P2O5/100 g b.)

0 bis 5 cm 5 bis 10 cm 10 bis 20 cm

1 Kontrolle 54 5 2 1

2 P 50 Super-P 81 8 3 1

3 P 100 Super-P 96 17 5 2

4 P 50 teilaufg. P 81 8 3 2

5 P 100 teilaufg. P 91 11 4 1

6 P 50 w. Roh-P 81 7 3 1

7 P 100 w. Roh-P 80 8 2 1

1) Mittel aus sieben Versuchsjahren (2004 bis 2010) ; GD 5 % = 8,0 kg P2O5/ha 2) Mittel aus elf bodenprobennahmen im zeitraum 2003 bis 2010

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PflanzenBaU

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Kontrollvariante 1 (P0) deutlich unter dem Wert der P-ge-düngten Varianten. In Maierhofen wurde im falle fehlender P-Düngung ein hinsichtlich Pflanzen- und Tierernährung ge-wünschter Richtwert von ca. 3,0 g P/kg TM deutlich unter-schritten (Tabelle 5).

bei den gedüngten Varianten zeigt sich am Spitalhof im Trend eine zunahme des P-Gehalts in abhängigkeit von der P-Düngungshöhe und der Wasserlöslichkeit des P-Dün-gers; dabei liegen die mittleren P-Gehalte der aufwüchse bei ca. 3,4 bis 4,2 g P/kg TM (Tabelle 4). auch der Standort Mai-erhofen (Tabelle 5) zeigt bei einer Spannweite von ca. 3,0 bis 3,5 g P/kg TM im Trend eine zunahme der P-Gehalte in ab-hängigkeit von Wasserlöslichkeit des P-Düngers und der ge-düngten P-Menge – letzteres allerdings nicht beim einsatz von Rohphosphat. Insgesamt ergibt sich damit zwischen P50 und P100 ein eng begrenzter effekt (<0,2 bis 0,4 g P/kg TM) der P-Menge auf den P-Gehalt.

P-Abfuhren und P-Gehalte im BodenSowohl bei der Kontrollvariante 1 als auch bei den ge-düngten Varianten lag die P-abfuhr am Spitalhof meist deutlich über den Werten in Maierhofen (Tabelle 6, 7). auf beiden Standorten wurde bei sauren bodenverhältnissen (pH  ca.  5,0) auch weicherdiges Rohphosphat in P-ertrag umgesetzt. allerdings zeigte sich hier bei der höheren Dün-gungsstufe gegenüber reduzierter Düngung nur eine sehr niedrige bzw. überhaupt keine P-umsetzung, woraus ge-rade in Maierhofen ein deutlicher P-Überhang von 20 kg P2O5 bei der höheren Düngungsstufe resultierte.

eine Differenzierung der mittleren P-Gehalte im boden war vor allem in 0 bis 5 cm Tiefe, dagegen nicht mehr unter 10 cm erkennbar. Dies bestätigt den Sinn der für Grünland-bo-denproben empfohlenen beprobungstiefe von 0 bis 10 cm.

Absenkung der Untergrenze gerechtfertigtaus dem Vergleich der beiden Düngeversuche ergeben sich folgende Schlussfolgerungen: auch bei niedriger P-Versor-gung des bodens (Gehaltsklasse b) können hohe TM-erträge sowie für die Pflanzen- bzw. Tierernährung optimale P-Ge-halte erzielt werden. Dies auch, wenn die jährlich zugeführte P-Düngung mehrjährig deutlich unter P-abfuhr durch das erntegut liegt. Die bayerischen Versuchsergebnisse ergän-zen mitteldeutsche untersuchungen von GReIneR eT al., (2010) und geben u. a. einen Hinweis darauf, dass für Grün-land eine absenkung der untergrenze der Gehaltsklasse „C“ gerechtfertigt ist.

DanksagungDie autoren danken den Mitarbeitern des lVfz Spitalhof und der Versuchsstelle Steinach des aelf Deggendorf, der abteilung Qualitätssicherung und untersuchungswesen so-wie dem Sachgebiet Versuchswesen und biometrie an der

bayerischen landesanstalt für landwirtschaft (lfl) in frei-sing und dem fachzentrum analytik der landesanstalt für Wein und Gartenbau (lWG) in Veitshöchheim.

LiteraturaMbeRGeR, a. (2015): Pflanzenernährung, 4. auflage, Verlag

eugen ulmer, Stuttgart.DIePOlDeR, M., RaSCHbaCHeR, S. (2016): Phosphorgehalte

von Grünlandaufwüchsen auf bayerischen Praxisflä-chen. „Schule und beratung“, Heft 11-12/2016, Seite 34 – 38, bayerisches Staatsministerium für ernährung, landwirtschaft und forsten.

DIePOlDeR, M., HeInz, S., KuHn, G., RaSCHbaCHeR, S. (2016): ertrags- und nährstoffmonitoring Grünland bayern. „Schule und beratung“, Heft 9-10/2016, Sei-ten 27 – 30, bayerisches Staatsministerium für ernäh-rung, landwirtschaft und forsten.

GReIneR, b., SCHuPPenIeS, R., HeRTWIG, f., HOCHbeRG, H., RIeHl, G. (2010): ergebnisse aus zwölfjährigen Phos-phor- und Kaliumdüngungsversuchen auf Grünland. VDlufa-Schriftenreihe bd. 66, Kongressbd. 2010 Kiel, VDlufa-Verlag, Darmstadt, Seite 157 – 158.

KlaPP, e., STÄHlIn, a. (1936): Standorte, Pflanzengesell-schaften und leistung des Grünlandes. buch, ul-mer-Verlag, Stuttgart.

KlaPP, e., bOeKeR, P., KÖnIG, f., STÄHlIn, a. (1953): Wertzah-len der Grünlandpflanzen. Verlag Schaper, Hannover. Das Grünland 5: 2 Seiten.

VeRbanD DeuTSCHeR lanDWIRTSCHafTlICHeR un-TeRSuCHunGS- unD fORSCHunGSanSTalTen (VDlufa) (Hrsg.) (2011): Handbuch der landwirt-schaftlichen Versuchs- und untersuchungsmethodik (VDlufa-Methodenbuch), bd. VII. umweltanalytik, 4. auflage 2011, einschließlich 1. ergänzungsliefe-rung 2014: 2.1.1 nassaufschluss unter Druck, bzw. 2.2.2.6: bestimmung von ausgewählten elementen in pflanzlichem Material und futtermitteln mit opti-scher emissionsspektroskopie und induktiv gekop-peltem Plasma (ICP-OeS); VDlufa-Verlag, Darmstadt.

WenDlanD, M., DIePOlDeR, M., CaPRIel, P. (2012): leit-faden für die Düngung von acker- und Grünland. 10. unveränderte auflage 2012 (mit aktualisiertem anhang). lfl-Information. bayerische landesanstalt für landwirtschaft (lfl), freising-Weihenstephan.

DR. MICHAEL DIEPOLDERSVEN RASCHBACHERBaYeRISCHe lanDeSanSTalT fÜR lanDWIRTSCHafT InSTITUT fÜR ÖKOlOGISCHen lanDBaU, BODenKUlTUR UnD [email protected]@lfl.bayern.de

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Schultage für Energiewirte Viertägiges Seminar am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Almesbach

von HELMUT KOnrAD: Durch die gezielte Förderung der erneuerbaren Energien in Deutsch-land investierten viele Landwirte in Photovoltaik und Biogas oder in Energieeinsparmaßnah-men. Um diese Thematik auch in der Landwirtschaftsschule praktisch zu bearbeiten, fand heuer erstmals ein viertägiges Seminar für das zweite Semester der Landwirtschaftsschulen statt, das jetzigen und künftigen Energiewirten fachliche Unterstützung geben soll für Inves-titionen in erneuerbare Energien und die Reduzierung des Energieverbrauchs.

nachdem das Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum (LVFZ) für Milchviehhaltung Almesbach seit mehreren Jahren in verschiedene Bereiche der erneuerbaren Energien inves-tiert hatte, lag es nahe, dieses Konzept für Sommersemes-ter-Schultage zu nutzen. Dr. Michael Karrer vom Schulreferat des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bat das LVFZ, ein viertägiges Energie-Seminar zu entwickeln und durchzuführen. Unterstützung gab es dazu von den Fachzentren für Diversifizierung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten neumarkt i. d. OPf. und Uffenheim, dem institut für Landtechnik und Tierhal-tung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising, von CArMEn e. V. und vom Technologie- und Förderzentrum in Straubing.

Begrenzte Teilnehmerzahl – großer AndrangDie per E-Mail an alle Landwirtschaftsschulen versandte Ein-ladung mit den informationen über inhalte und Ablauf des Seminars führten zu vielen Anmeldungen. Wegen der be-grenzten Seminarplätze und der eingeschränkt verfügba-ren internatsplätze, aber auch aus pädagogischen gründen wurde die maximale Teilnehmerzahl auf 20 festgelegt; man wollte erst einmal Erfahrungen sammeln.

Das im Windhund-Verfahren ausgeschriebene Semi-nar war binnen weniger Tage ausgebucht. 20 Teilnehmer aus sechs Landwirtschaftsschulen (Landshut, Pfaffenhofen, nab burg, Schweinfurt, Erding und Wertingen) wurden in das Pionier-Seminar vom 8. bis 11. Mai 2017 aufgenommen. Zum Kennenlernen stellten sich die Studierenden vor und beschrieben ihre Hofstellen über googlemap und Beamer. Unter dem Motto: „Mein Haus, mein Hof, meine Energie“ erklärten sie ihre Energieerzeugung und ihren Energiever-brauch mit Zahlen an der Pinnwand. Dabei zeigte sich sehr schnell, dass ausgesprochen erfahrene Energiewirte im Se-minar waren, v. a. Biogaserzeuger.

Energiecheck im VorfeldDer nachmittag des ersten Tages war für einen Energie-check vorgesehen. Dazu hatte Josef neiber vom institut für

Landtechnik und Tierhaltung der LfL den Fragebogen zur Energieeffizienz vorbereitet und von den Studierenden im Vorfeld ausfüllen und nach Almesbach schicken lassen. Es stellte sich aber heraus, dass die Fragebögen nicht zu den Teilnehmern passten, da die Fragen und die Auswertung schwerpunktmäßig auf tierhaltende Betriebe zugeschnit-ten sind. Durch den hohen Anteil an Biogasbetrieben in der gruppe war deshalb der nutzen für die Teilnehmer begrenzt.

Energieeinsparpotenziale auslotenDer zweite Tag befasste sich mit Energieeinsparpotenzia-len, wobei in einer gruppenarbeit das vorhandene Wissen der Studierenden abgefragt wurde. Hermann Willfahrt vom Fachzentrum für Diversifizierung in Uffenheim zeigte an ei-ner Vielzahl von Beispielen, welche konkreten Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden und berichtete aus seinem umfangreichen Erfahrungsschatz. Weitere inhalte waren die rentabilität von Energieeinsparmaßnahmen und das Ener-gieeffizienzprogramm des Bundes, das für Landwirte bei ver-schiedenen investitionen ein sehr lukratives Programm ist.

Biogas beleuchtenDer nachmittag galt dann dem Thema Biogas. Wegen des unterschiedlichen Vorwissens wurde die gruppe aufgeteilt

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→ Bild 1: Vorstellung der Studierenden-Betriebe unter dem Motto „Mein

Haus, mein Hof, meine Energie“ (beide Fotos: iris Prey, FBZ Almesbach).

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in investitionswillige und in Biogasbetreiber, wobei in gruppe  1 nur vier Teilnehmer waren. Für sie wurde der Schwerpunkt auf kleine Biogasanlagen gelegt. Die Biogas-anlagenbetreiber befassten sich inhaltlich mit Optimie-rungsmaßnahmen an bestehenden Anlagen, BHKW-Tausch, Substrataufbereitung, rührtechnik, Flexibilisierung und dem EEg 2017.

Johannes rösel und Edgar geitner vom Fachzentrum für Diversifizierung in neumarkt i. d. Opf. gaben umfangreiche informationen und wertvolle Tipps weiter.

Wärme, Stromspeicher und Elektromobilität Der dritte Tag begann mit dem Thema Wärme – also mit Holzheizungen, Blockheizkraftwerken, Wärmenetzen und

Kilian Landes• ich hatte gedacht, Biogasanlagen würden ausführlicher thematisiert. Dabei kam es relativ wenig vor. Aber es war

gut so, es war vielfältig, es gab viele andere Themen. Für meinen Betrieb gab es viele treffende Themenblöcke. • So möchte ich mir jetzt informationen suchen, ob ein Austausch der Stalllampen durch LED-Lampen rentabel

wäre.• Am letzten Tag waren die E-Autos sehr interessant und spannend. Wir haben den momentanen Entwick-

lungsstand und die Zukunft besprochen. Das Beste war, dass wir selber probefahren durften, um ein Feeling dafür zu bekommen, wie ein E-Auto fährt.

• Verbesserungsvorschlag: zielgruppenorientiert je zwei Tage für Milchvieh, Schweine oder Biogasanlagen ausschreiben; extra also ein umfangreiches Seminar für Biogasanlagen. Das wird in der ganzen Ausbildung kaum angeboten und ist ein Defizit.

Johannes Attenberger• Mir hat es gut gefallen. Es war ein lockerer Umgang im Unterricht und auch untereinander.• gut fand ich, dass wir die Batterien, Wärme durch Hackschnitzel, Photovoltaik, Biogasanlage und E-Autos

sehen konnten und wo die Zukunft hingeht.• Wichtig wäre, dass man im Ordner alle Skripte ausgedruckt bekommt, damit man sich notizen machen kann

und die infos am Anfang zum Mitnehmen hat!• insgesamt war es super und passt.

Benedikt Apfelböck• Die Praxisbeispiele waren sehr gut (Mischwagen, Autos)• Die Arbeit am Computer war nicht gut, denn der Vergleich war schlecht zu ziehen, da er auf Milchvieh bezogen

war.• Unsere Lehrer haben die Leute mit Schweinen zu Schweineseminaren, Milchviehhalter zu rinderseminaren

und Biogasbetriebe zu diesem Seminar geschickt.• Das Essen war sehr gut, besser als man es von Kantinen gewohnt ist.

Florian Gratz• ich hatte mir einen Biogaslehrgang erwartet. Stattdessen war es allgemein und für die Themen, an denen

man mehr interesse hatte, war zu wenig Zeit.• Verbesserungsvorschlag: spezielles Biogasseminar und das ausbauen oder allgemein ausschreiben.• Die referenten sind sehr kompetent und voll auf die Fragen eingegangen. • in Almesbach ist es sehr praxisnah, weil man so viel anschauen kann und die Lehrer hatten alle einen

direkten Bezug zu den Themen.

Christoph Mühlbauer• in der Schule war es als Biogasseminar ausgeschrieben. Es war aber zur Überschrift des Seminars passend

vorbereitet und die Themen haben somit zum Hauptthema „Erneuerbare Energien“ gepasst. • Das Essen war super.

Infobox: Meinungen der Studierenden

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Wärmepumpen. LandSchafftEnergie-Mitarbeiterin Kathrin Bruhn vom Technologie- und Förderzentrum in Straubing zeigte dazu verschiedene relevante Lösungen auf.

Anschließend gaben Franziska Materne und Vanessa Sigel von CArMEn e. V. einen fundierten Überblick über die verschiedenen Bauarten von Stromspeichern, stellten die Marktübersicht der Batteriespeichersysteme vor und ließen die Studierenden drei exemplarisch ausgewählte Speicher beurteilen. Eine rege Diskussion ergab sich aus der renta-bilitätsberechnung der Speicher. Die Aussichten der geräte-steuerung über smart grid stieß bei den meisten auf Skepsis. Die nutzung dieser Technik im landwirtschaftlichen Betrieb war den meisten in der Funktion und hinsichtlich der Mani-pulation der Daten von außen noch zu unsicher.

Übereinstimmend wurde von allen Teilnehmern der letzte Tag als Highlight des Seminars gewertet. Eine theo-retische Einführung in das Thema Elektro-Mobilität gab es zunächst von Hubert Meierhofer von CArMEn e. V. Er gab einen Marktüberblick über verschiedene Modelle, über die Problematik unterschiedlicher Steckertypen und das Pro-blem fehlender Ladesäulen.

Für den praktischen Teil hatten vier Weidener Autofirmen Elektro-PKWs (inklusive Firmenvertreter zur Erklärung der Fahrzeuge) zur Verfügung gestellt: einen E-golf von Volks-wagen, einen i 3 von BMW, einen Kangoo von renault und einen Leaf von nissan. Wegen der knappen Zeit wurden die informationen zu den einzelnen Fahrzeugen nicht vor, son-dern während der Probefahrten gegeben. Dabei wurden die Unterschiede in der Ausstattung und in der Alltagstauglich-keit, besonders aber im Beschleunigungsverhalten, schnell deutlich.

Eigens für den Schultag hatte eine Landtechnikfirma ihren neu entwickelten und elektrisch betriebenen Selbst-fahr-Futtermischwagen als Ausstellungsobjekt zur Verfü-gung gestellt. Während die einen im Elektro-PKW unterwegs waren, erhielten die restlichen Studierenden informationen

zum Mischwagen. Durch rotation hatte jeder gelegenheit alle Fahrzeuge zu testen und zu beurteilen.

Wegen der konkreten Möglichkeit vor Ort wurden alle Themenblöcke mit einer Besichtigung der Almesbacher An-lagen abgeschlossen. Außerdem hatten die Studierenden zum Abschluss eines jeden Tages ein Testat zu schreiben. Die Benotungen wurden an die entsprechenden Schulen weitergeleitet, so dass den Studierenden das Seminar auf die notwendigen 15 Schultage des Sommersemesters an-gerechnet werden kann.

Was bleibt festzuhalten?Der Bedarf ist groß. Mit zunehmender Bedeutung der Ener-giegewinnung in den Studierenden-Betrieben muss diese Thematik auch in das fachpraktische Semester der Landwirt-schaftsschule Eingang finden. Bis zu den nächsten Schulta-gen sind offene Fragen zu klären.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Energie-seminar – abgesehen von einer Unschärfe bei der Definition der Zielgruppe – den Bedarf der Studierenden gut getroffen hat. Die von den Teilnehmern angeregten Verbesserungs-möglichkeiten (siehe Infobox) sollten umgesetzt werden.

HELMUT KONRADBAYEriSCHE LAnDESAnSTALT FÜr LAnDWirTSCHAFT LEHr-, VErSUCHS- UnD FACHZEnTrUM FÜr MiLCHViEHHALTUng [email protected]

Wenn jeder auf seinem Platz das Beste tut, wird es in der Welt bald besser aussehen.

Adolph Kolping

→ Bild 2: Die Studierenden vor den Elektro-PKWs und dem elektrisch angetriebenen Futtermischwagen, zusammen mit Firmenvertretern und referenten.

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Das NAWAREUM in StraubingEin neues naturkundliches Erlebnismuseum entsteht

von Dr. LUTZ EngELSKirCHEn: Als neue Einrichtung des Technologie- und Förder zentrums (TFZ) in Straubing wird das NAWAREUM die Zukunftsthemen Erneuerbare Energien und Nachwachsende Rohstoffe einer breiten Öffentlichkeit verständlich nahebringen. „NAWA-REUM“ ist ein Wortspiel mit Nachwachsenden Rohstoffen und Regenerativen Energien im Museum. Ein umfassendes Beratungs- und Veranstaltungsprogramm sowie pädago gische Programme und Führungen zu aktuellen Themen erschließen die Dauerausstellung, die Wechselausstellungen und einen großen Schau- und Lehrgarten.

Klima-, ressourcenschutz und der Umbau der Energie- und rohstoffversorgung mit dem Ziel einer langfristigen Siche-rung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sind eine Jahr-hundert-Herausforderung für die gesamte gesellschaft. Um diesem langfristig angelegten gesellschaftlichen Bildungs-auftrag gerecht zu werden, errichtet der Freistaat Bayern in Straubing das nAWArEUM als Erlebnisort und Beratungs-zentrum. Das nAWArEUM wird mit einer großen Daueraus-stellung, wechselnden Sonderausstellungen, Pädagogik, Be-ratungsangeboten und Events die Story dieser Entwicklung anschaulich, positiv und handlungsorientiert darstellen.

Seine Zielgruppen sind die breite Öffentlichkeit, insbe-sondere auch Kinder und Schulen, und im Weiteren umset-zungswillige Akteure und Multiplikatoren. Der Freistaat geht hier voran: in dieser Form wird das nAWArEUM im deutsch-sprachigen raum ein Alleinstellungsmerkmal haben. Das Vorhaben wird von den Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie mit insgesamt 25 Mil-lionen Euro finanziert. Es ist beim Technologie- und Förder-zentrum (TFZ) in Straubing angesiedelt und entsteht in enger Kooperation mit C.A.r.M.E.n. e. V. und dem gemein-samen Beratungsnetzwerk LandSchafftEnergie.

Die ArchitekturDas nAWArEUM wird nach den Qualitätsstandards natur-kundlicher Museen eingerichtet. Die Ausstellung ist über drei Etagen geplant, eine aufwendige innenarchitektur und

die den einzelnen Ausstellungsabteilungen angepasste szenografische gestaltung erzeugen für die Besucher span-nende Erlebnis-räume. Das gebäude selbst ist oberhalb des Kellergeschosses, von wenigen dem Brandschutz dienen-den Einbauten aus Beton abgesehen, als Holzbau ausge-führt. Die Fassade wird geprägt von einer installation aus freistehenden Holzstämmen, die das Motiv des Waldes und des nachwachsenden rohstoffs Holz zitieren. Eine Beson-derheit des neubaus ist seine nachhaltige gebäudetechnik – so entsprechen die energetischen Standards des neubaus denen eines Passivhauses. Für die Energieversorgung des nAWArEUM werden Photovoltaik, Solarthermie und geo-thermie als regenerative Quellen herangezogen, auch steht ein Anschluss an das vorhandene Biomasseheizwerk des TFZ zur Verfügung. Dabei werden geothermie und Solarthermie über eine Absorptionskälteanlage auch zur Klimatisierung des gebäudes genutzt. Das gebäude selbst und seine in-novative Technik werden als Exponate durch einen eigenen informationspfad erschlossen.

Acht Ausstellungseinheiten Die Ausstellung ist als eine aus der Vergangenheit in die Zu-kunft weisende Erzählung konzipiert. Sie beginnt mit einem intro, einer Bestandsaufnahme am Ende des kohlenstoffba-sierten industriezeitalters, die viele Fragen an die gestaltung der Zukunft aufwirft. Die erste Ausstellungseinheit wirft ei-nen Blick zurück in die Erdgeschichte, zeigt, wie Kohle, Öl und gas entstanden sind und wie der Mensch sich diese

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→ Abbildung 1: Ansicht der Südfassade des nAWArEUM. Quelle: Doemges Architekten.

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fossilen Kohlenstoffressourcen zu nutze gemacht hat – mit Folgen für die Erde. Als Lösungsmög-lichkeit wird die Modernisierung hin zu einer, auf erneuerbaren ressourcen und Energien basie-renden, nachhaltigen Ökonomie (Bioökonomie) aufgezeigt.

Die zweite Ausstellungseinheit richtet den Blick auf die zukünftige Versorgung mit organi-schen (also kohlenstoffbasierten) rohstoffen und Produkten, die aus nachwachsender Biomasse ge-wonnen werden (siehe Bild 1). Damit startet der Kohlenstoffpfad der Ausstellung. in der dritten Ausstellungseinheit wird der Einsatz dieser Bio-masse als nahrungs- bzw. Futtermittel als erste und wichtigste nutzungspriorität thematisiert und greift inhaltlich auch die Debatte um mögli-che Flächen- bzw. Produktkonkurrenzen auf. Die vierte Ausstellungseinheit greift die fortschrei-tenden Optionen einer hochentwickelten Wirt-schaft auf, umzusteigen auf nachwachsende Koh-lenstoffressourcen. Hier werden die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Produkten aus nachwachsenden rohstoffen (stoffliche nutzung) veranschaulicht. Die mittel- bis langfristige Ab-kehr von der auf nutzung fossiler Kohlenstoff-quellen (Kohle, Öl, Erdgas) sowie auf atomarer Energie basierenden Ökonomie erfordert auch eine neuausrichtung der Energiebasis von Wirt-schaft und gesellschaft. Da die nachwachsenden Kohlenstoffressourcen (Bioenergie), aber auch die nicht kohlenstoffgebundenen erneuerbaren Energien (Windkraft, Solarenergie und Wasser-kraft) nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, wird es ein „weiter so, aber erneuerbar“ ohne Um-denken nicht geben.

Diese neuausrichtung wird in der fünften Ausstellungseinheit beschrieben (siehe Bild 2). Hier werden der sparsame Umgang mit Ener-gie, die Optionen der erneuerbaren Energien, aber auch deren intelligente Vernetzung aufge-zeigt. Soll ein hohes Wohlstandsniveau dauer-haft gewahrt sein, wird in allen Bereichen des Lebens eine sparsame und effiziente ressour-cennutzung eine zentrale rolle spielen: Die sich hieraus ergebenden Handlungsoptionen wer-den in der sechsten Ausstellungseinheit darge-legt. Einen Blick in die Zukunft wagt die siebte Ausstellungseinheit: Sie nimmt die Besucher mit auf eine reise ins Jahr 2050. Den Kern der Aus-stellung, um den der gesamte rundweg sichtbar kreist, bildet die achte Ausstellungseinheit. Sie

→ Bild 1: Blick in die begehbare Pflanzenzelle. Hier wird die Photosynthese anschaulich

erläutert. Quelle: Holzer Kobler Architekturen.

→ Bild 2: Blick in die Ausstellungeinheit zu den Erneuerbaren Energien, hier:

Wasserkraft. Quelle: Holzer Kobler Architekturen.

→ Bild 3: Blick in den innenhof mit der Ausstellungseinheit 8 als rauminstallation.

Quelle: Holzer Kobler Architekturen.

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stellt – von allen anderen Abteilungen aus sichtbar – die Motivation und den Bezugspunkt für den Umbau unse-rer Energie- und rohstoffversorgung dar: Das langfristige Bewahren der Lebensgrundlagen, also den Schutz unse-res Planeten und des Klimas (siehe Bild 3). Ergänzt wird der Ausstellungsrundweg durch die dezentralen Stationen des informationspfades Holzbau, der die neunte Ausstellungs-einheit bildet.

Vorlaufbetrieb ab 2017 Der neubau des nAWArEUM wird 2020 fertiggestellt. Be-reits seit Mitte 2017 ist das nAWArEUM mit dem Vorlaufbe-trieb präsent. Dieser richtet sich an die breite Öffentlichkeit und zeigt schon vor der Eröffnung des nAWArEUM alle The-men und Angebote im „Miniaturformat“. Ziel ist, das Haus als neuen Bildungsanbieter vorzustellen, in der region und darüber hinaus zu verankern und mit Kooperationspart-nern zu vernetzen. Hierzu ist im Straubinger Stadtzentrum das „Schaufenster nAWArEUM“ als Veranstaltungsort ein-gerichtet worden. Es wendet sich mit einem vielseitigen Jahresprogramm an die breite Öffentlichkeit und – weil das nAWArEUM ab 2020 als außerschulischer Lernort kon-zipiert ist – wartet schon jetzt mit einem pädagogischen Angebot für Schulen der Primärstufe sowie der Sekundar-stufen i und ii auf. im Sommer wurde beispielsweise die Sonderausstellung „gradwanderung“ der Deutschen Kli-mastiftung gezeigt: Anschauliche Exponate verdeutlich-ten, was der Klimawandel auf unserer Erde bewirkt. ins-gesamt nahmen über 300 Kinder an den pädagogischen Programmen teil (siehe Bild 4).

Weitere informationen zum nAWArEUM, zum Jahrespro-gramm und zum aktuellen Angebot für Schulklassen und Er-wachsene stehen unter www.nawareum.de zur Verfügung.

DR. LUTZ ENGELSKIRCHENTECHnOLOgiE- UnD FÖrDErZEnTrUM iM KOMPETEnZZEnTrUM FÜr nACHWACHSEnDE [email protected]

→ Bild 4: „Schaufenster nAWArEUM“ in der Fraunhoferstraße 8 in

Straubing (Foto: Ulrich Eidenschink, TFZ)

Die gesamteinsparung an Treibhausgas-emissionen aller in Deutschland in Verkehr gebrachten Biokraftstoffe hat im vergange-nen Jahr gegenüber 2015 zugenommen. Wie aus dem aktuellen Evaluations- und Er-fahrungsbericht 2016 der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) her-vorgeht, wurden dadurch fast 77 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber fossilen Kraftstoffen eingespart; das waren sieben Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Der Einsatz von Biokraftstoffen sorgte somit für die Vermeidung von 7,3 Mio. t CO2-Äqui-valent, die bei der Verbrennung nur fossiler Brennstoffe entstanden wären. im Berichts-jahr wurden laut BLE 3,3 Mio. t Biokraft-stoffe in Deutschland in Verkehr gebracht. Das entspricht einem Energiegehalt von 113 528 TJ und damit ungefähr der Vorjah-resmenge. rund 72 Prozent davon wurden

Biokraftstoffe sparen mehr Treibhausgasemissionen ein

aus rohstoffen aus der EU hergestellt; das waren allerdings zehn Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Dagegen stieg die Bedeutung von rohstoffen aus Amerika und Asien. Die wichtigsten Ausgangsstoffe aller Biokraftstoffarten waren Abfälle und reststoffe sowie raps, Palmöl, Mais und Weizen. Mit knapp 66 Prozent entfiel der größte Anteil bei den Biokraftstoffen auf Biodiesel (FAME), der zu 43,5 Prozent aus Abfällen und reststoffen hergestellt wurde. Ein Jahr zuvor war raps noch der anteilig wichtigste Ausgangsstoff für Biodiesel. Der zweitwichtigste Biokraftstoff war Bioetha-nol mit einem Anteil von 27 Prozent. Die am häufigsten eingesetzten Ausgangsstoffe bei der Bioethanolherstellung waren Mais und Weizen mit einem Anteil von insgesamt 65 Prozent. Unterdessen vervierfachte sich die aus Zuckerrohr produzierte Menge an

Bioethanol fast, während sich die Menge aus Zuckerrüben nahezu halbierte. An dritter Stelle der Biokraftstoffarten stan-den hydrierte Pflanzenöle (HVO) mit sechs Prozent. Sie wurden hauptsächlich aus Palmöl sowie aus Abfällen und reststoffen erzeugt. Wie die BLE mit Blick auf flüssige Biobrennstoffe ausführte, wurde hier für 32 010 TJ eine Vergütung nach dem Erneu-erbare-Energien-gesetz (EEg) beantragt. Davon waren 88 Prozent Dicklauge aus der Zellstoffindustrie und knapp zwölf Prozent Pflanzenöle. Die gesamteinsparung der Treibhausgasemissionen aller Biobrenn-stoffe belief sich auf knapp 94 Prozent ge-genüber fossilen Brennstoffen. Durch ihren Einsatz wurden rund 2,7 Mio. t CO2-Äquiva-lent vermieden; im Vorjahr waren es noch 2,8  Mio. t CO2-Äquivalent (www.ble.de).

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Emissionen von Ethanolkraftstoffen im StraßenverkehrE5-, E10- und E85-Kraftstoff im Flexible-Fuel-Vehicle

von MAXiMiLiAn FrAnKL, gEOrg HUBEr und Dr. EDgAr rEMMELE: Das Technologie- und Förderzentrum (TFZ) in Straubing betrieb ein Flexible-Fuel-Vehicle mit den Ethanol-Kraft-stoffen E5, E10 und E85 im realen Straßenverkehr, erfasste und verglich dabei die Emissionen mit Hilfe eines portablen Emissionsmesssystems. Beim Einsatz des E85-Kraftstoffs mit 85 Vo-lumenprozent Ethanol und 15 Volumenprozent Benzin waren die Emissionswerte deutlich geringer als beim Betrieb der beiden anderen Testkraftstoffe E5 und E10. Beim Einsatz von E85 im Flexible-fuel-Vehicle lagen gegenüber dem Betrieb mit E5 nicht nur die Treibhausgase niedriger; auch Kohlenmonoxid-Emissionen sanken um bis zu 43 Prozent und die Stickstoff-oxid-Emissionen um bis zu 32 Prozent.

Seit den 1960-er Jahren unterliegen Abgase zum Schutz von Luftqualität und gesundheit einer gesetzlichen re-gulierung [1]. Trotz stetig verschärfter EU-Abgasgrenzwerte konnte der Aus-stoß von limitierten Emissionen wie Stickstoffoxiden oder Partikeln in den letzten 15 Jahren v. a. in innenstädten kaum weiter reduziert werden [5]. Prüf-standmessungen reichen zur alleinigen Bewertung der Emissionen eines PKW im täglichen Betrieb nicht aus, es müs-sen daher auch Daten bei Fahrten im realen Straßenverkehr mit Hilfe portab-ler Emissionsmessgeräte (PEMS) erfasst werden.

neben gesundheitsschädlichen Emissionen gilt es auch Treibhausgase zu reduzieren. Dazu können beispielsweise Biokraftstoffe zu fossilen Otto- und Dieselkraftstoffen beigemischt wer-den. So wurden ab dem Jahr 2006 die Kraftstoffe E5, E10 und B7 eingeführt [3]. Daneben können Biokraftstoffe in höheren Konzentrationen nur in speziell angepassten Fahr-zeugen verwendet werden. Zu diesen Fahrzeugen zählen sogenannte Flexible-Fuel-Vehicle (FFV), die mit einem Etha-nolgehalt von bis zu 85 Prozent im Ottokraftstoff betrieben werden können [3].

Ethanolkraftstoffe und portable EmissionsmessungBei verschiedenen Emissionsmessungen mit unterschied-lichen Prüfstandszyklen konnten bereits geringere Emissi-

onen beim Betrieb von FFV mit hohen Ethanolgehalten im Ottokraftstoff gemessen werden [2][6].

Das TFZ startete daher ein Vorhaben mit dem Ziel, diese Erkenntnisse im realen Straßenbetrieb zu überprüfen und realemissionsdaten eines FFV beim Betrieb mit Etha-nolkraftstoffen zu sammeln. Dazu wurden die Emissions-komponenten Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2), Stickstoffoxide (nOx) und Partikelmasse (PM) mit Hilfe ei-nes PEMS (siehe Bild 1) beim Betrieb des Fahrzeugs mit den Ethanol-Kraftstoffen E5, E10 und E85 unter Kaltstart- und Warmstartbedingungen erfasst und verglichen. Das Vorge-hen richtet sich nach den EU-Vorgaben der Verordnungen 427/2016 und 646/2016. Die Auswertung der rohdaten

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→ Bild 1: Flexible-Fuel-Vehicle mit portablem Emissionsmesssystem (Foto: TFZ).

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erfolgte zum einen nach der in den genannten Verordnun-gen vorgegebenen Moving-Average-Window-Methode (MAW), zum anderen über die Berechnung eines einfachen arithmetischen Mittelwerts (MW). Es wurden nicht nur die entfernungsspezifischen Emissionen in gramm pro Kilome-ter (g/km) bzw. Milligramm pro Kilometer (mg/km) für eine ganze Messfahrt ermittelt, sondern auch die einzelnen Be-triebsarten, die sich in Stadt-, Landstraßen- und Autobahn-betrieb aufteilen, näher betrachtet. [4]

Entfernungsspezifische Kraftstoffemissionen im VergleichBeim Einsatz von E5- und E10-Kraftstoff zeigten sich zwi-schen beiden Kraftstoffen hinsichtlich ihrer CO-, CO2- und

nOx-Emissionen meist keine signifikanten Unterschiede. Dahingegen ließen sich im Betrieb mit E85-Kraftstoff deut-lich geringere Emissionen als bei den beiden anderen Kraft-stoffen feststellen. Die Ergebnisse aus den beiden Berech-nungsmethoden, MAW und MW, unterschieden sich nur in ihren absoluten Werten. Der Betrieb mit E85-Kraftstoff brachte bei beiden Methoden deutlich geringere Emissio-nen als bei Verwendung der beiden anderen Testkraftstoffe hervor. Die größten Emissionsunterschiede zeigten sich un-ter Warmstartbedingungen. So wurden beim Einsatz von E85 gegenüber dem Betrieb mit E5 beim vorliegenden Test-fahrzeug im Mittel um bis zu 43 Prozent geringere CO-Emis-sionen, 32 Prozent geringere nOx-Emissionen und 6 Prozent geringere CO2-Emissionen gemessen (siehe Abbildung 1) [4].

Kraftstoffbezeichnung:

Kraftstoffe an der Tankstelle• Diese handelsüblichen Kraftstoffsorten können in Deutschland einen Biokraftstoffanteil enthalten:

Benzin: E5 („Super“, „Super Plus“) E10 („Super E10“, „Super Plus E10“) Diesel: B7 („Diesel“)

• Die Kennzeichnung und Qualität von Kraftstoffen wird übergeordnet in der 10. Bundesimmissionsschutzverordnung (10. BimSchV) geregelt.

• Die darin genannten normen geben die maximal mögliche Biokraftstoffbeimischung und die Kraftstoffqualität vor, z. B.: Benzin: Din En 228 Diesel: Din En 590 Ethanolkraftstoff E85: norm-Entwurf Din En 15293 (gemäß: 10. BimSchV §6: Din En 51625)

Quellen: FACHAgEnTUr nACHWACHSEnDE rOHSTOFFE E. V. (Fnr) (2014): Biokraftstoffe. gülzow: Fachagentur nachwachsende rohstoffe e. V. (Fnr). 60 Seiten

BUnDESMiniSTEriUM FÜr UMWELT, nATUrSCHUTZ, BAU UnD rEAKTOrSiCHErHEiT (2014): Zehnte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualität von Kraft- und Brennstoffen – 10. BimSchV) vom 8. Oktober 2010, die durch Artikel 1 der Verordnung am 1. Dezember 2014 (BgBi. i., Seite 1 890) geändert worden ist. Bundesgesetzblatt, Teil 1, nr. 55, Seite 1 801 – 1 919

Infobox: Kraftstoffe im Überblick

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Bei den Partikelmasseemissionen war aufgrund großer Schwankungsbreiten in den Ergebnissen kein signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Kraftstoffen erkenn-bar. Tendenziell waren die PM-Emissionen beim Einsatz von E85-Kraftstoff geringer als bei den beiden anderen Testkraft-stoffen (siehe Abbildung 1) [4].

Es wurden auch die Emissionen in-nerhalb der Betriebsarten Stadt, Land-straße und Autobahn verglichen. Da-bei konnten im Landstraßenbetrieb die geringsten und im Autobahnbe-trieb die höchsten Emissionen festge-stellt werden. in allen Betriebsarten waren die Emissionen beim Einsatz von E85 am geringsten [4].

Ursachen unterschiedlichen Emissionsverhaltensneben den Emissionsmesswerten wur-den auch wichtige Fahrzeugsignale wie Motorlast, Motordrehzahl oder der Lambdawert über die On-Board-Diag-nose-Schnittstelle des Fahrzeugs er-fasst. Mit Hilfe dieser Daten und ei-

ner detaillierten Betrachtung der Einzelwerte wurde nach den Ursachen für das voneinander abweichende Emissi-onsverhalten des Fahrzeugs beim Betrieb mit den unter-schiedlichen Kraftstoffen gesucht. Die geringeren Emis-sionen beim E85-Betrieb gegenüber dem Einsatz der anderen Kraftstoffe wurden maßgeblich von bestimmten

→ Abbildung 1: Emissionsminderungspotenzial von E10 und E85 gegenüber E5 bei Straßenfahrten eines FFV mit und ohne Berücksichtigung des

Kaltstarts und Vergleich zweier Auswertemethoden (Moving-Average Window-Methode, Mittelwertmethode) [4]

-60

-50

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Kaltstart MAW (n=3) Kaltstart MW (n=3) Warmstart MAW (n=3) Warmstart MW (n=3)

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Kaltstart MAW (n=3) Kaltstart MW (n=3) Warmstart MAW (n=3) Warmstart MW (n=3)

E10 E85-60

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%CO2

Kaltstart MAW (n=3) Kaltstart MW (n=3) Warmstart MAW (n=3) Warmstart MW (n=3)

E10 E85 °C °C °C

→ Abbildung 2: Partikelmasseemissionen eines FFV mit und ohne Berücksichtigung des Kaltstarts [4]

0,0

0,5

1,0

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mg/km

Kaltstart (n=3) Warmstart (n=3)

E5 E10 E85

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Emissionsspitzenwerten hervorgerufen, die bei jeder Fahrt an den gleichen Streckenpunkten auftraten und unter-schiedliche Ursachen haben. Bei den ersten beiden Stre-ckenpunkten handelt es sich jeweils um eine Autobahnauf-fahrt, bei der beschleunigt wurde und u. a. die Motorlast stark anstieg. in der dritten Fahrsituation erhöhte sich die Motorlast aufgrund einer längeren Steigung. Der Motor-lastanstieg führte z. B. zu einem unterschiedlich stark absin-kenden Lambdawert je eingesetztem Kraftstoff und somit zu unterschiedlichen CO-Emissionen. im Fall der nOx-Emissi-onen ergaben sich aus der erhöhten Motorlast je nach Kraft-stoffwahl unterschiedliche Verbrennungstemperaturen, die sich auf die Stickstoffoxidbildung auswirkten. in den ein-zelnen Betriebsarten konnte u. a. für die unterschiedlichen CO2-Emissionen eine jeweils andere Fahrweise je Betriebsart, wie z. B. mehr Stop-and-go-Verkehr im Stadtbetrieb als auf der Landstraße, als beeinflussendes Kriterium identifiziert werden. [4]

Fazit und AusblickSowohl bei Auswertung der gesamten Fahrt als auch bei getrennter Auswertung der drei Betriebsarten wurden beim Testfahrzeug mit E85-Kraftstoff geringere CO-, CO2- und nOx-Emissionen als beim Betrieb mit E5 oder E10 gemessen. Dadurch konnten die bereits in anderen Studien bei Prüf-standmessungen gewonnen Erkenntnisse bei diesem FFV im realen Straßenverkehr bestätigt werden. in weiteren Un-tersuchungen ist es erforderlich, Kraftstoffe mit einem Etha-nolgehalt zwischen zehn Prozent und 85 Prozent an diesem und weiteren Fahrzeugen zu testen. Dadurch kann geklärt werden, welchen Beitrag Biokraftstoffe zur reduktion von gefährlichen Schadstoffen wie Stickstoffoxiden oder Parti-keln leisten können.

Literatur [1] BASSHUYSEn, r. V. (2013): Ottomotor mit Direkteinsprit-

zung-Verfahren, Systeme, Entwicklung, Potenziale. 3. aktual. u. erw. Auflage. Wiesbaden: Springer-Vie-weg. iSBn: 978-3-658-01407-0. 476 Seiten.

[2] DArDiOTiS, C.; FOnTArAS, g.; MArOTTA, A.; MArTini, g.; MAnFrEDi, U. (2015): Emissions of modern light duty ethanol flex-fuel vehicles over different opera-ting and environmental conditions. in: Fuel. Jg. 140. DOi: 10.1016/j.fuel.2014.09.085. Seite 531 – 540.

[3] FACHAgEnTUr nACHWACHSEnDE rOHSTOFFE E. V. (Fnr) (2014): Biokraftstoffe. gülzow: Fachagentur nachwachsende rohstoffe e. V. (Fnr). 60 Seiten.

[4] Frankl, M. (2017): realemissionen eines Flexible-Fuel- Vehicles beim Betrieb mit ethanolhaltigen Kraftstof-fen. Straubing. Eigenverlag. 123 Seiten.

[5] Minkos, A.; Dauert, U.; Feigenspan, S.; Kessinger, S. (2017): Luftqualität, vorläufige Auswertung. in: UBA Hinter-grund – Für Mensch & Umwelt, Dessau-roßlau. Um-weltbundesamt. 22 Seiten. Stand: Januar 2017.

[6] SUArEZ-BErTOA, r.; ZArDini, A.; KEUKEn, H.; ASTOrgA, C. (2015): impact of ethanol containing gasoline blends on emissions from a flex-fuel vehicle tested over the Worldwide Harmonized Light duty Test Cycle (WLTC). Fuel. Jg. 143. Seite 173 – 182.

MAXIMILIAN FRANKLGEORG HUBER DR. EDGAR REMMELETECHnOLOgiE- UnD FÖrDErZEnTrUM iM KOMPETEnZ ZEnTrUM FÜr nACHWACHSEnDE rOHSTOFFE (TFZ)[email protected]@[email protected]

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Aufbereitung von HolzhackschnitzelnQualitätsverbesserung durch Siebung und Trocknung

von Dr. DAniEL KUPTZ: Holzhackschnitzel werden aus einer Vielzahl an Rohmaterialien und Prozessketten hergestellt. Die Brennstoffqualität schwankt dabei mitunter erheblich. Je nach Feuerung ist eine hohe, gleichbleibende Brennstoffqualität allerdings die Voraussetzung für einen störungsfreien und emissionsarmen Betrieb. Im Rahmen des Verbundprojekts „qualiS“ wurde geprüft, inwieweit die Qualität von Hackschnitzeln durch Siebung und Trocknung der Brennstoffe verbessert werden kann. Daneben wurden Empfehlungen für ein betriebsinter-nes Qualitätsmanagement bei der Hackschnitzelproduktion erstellt.

Holzhackschnitzel werden aus einer Vielzahl an rohmateri-alien und Prozessketten hergestellt (Abbildung 1) [1] [2] [3]. Unterschieden wird zunächst hinsichtlich der Baumart, dem Sortiment oder der Herkunft. So fallen Holzhackschnitzel z. B. bei der Holzernte im Wald als Waldrestholz oder Energie-rundholz (d. h. als grob entastetes, dünnes, für die stoffliche nutzung wenig interessantes Stammholz niedriger Qualität) an. Weitere Quellen für Hackschnitzel sind reststoffe aus der Säge- oder der holzverarbeitenden industrie (Sägerestholz, industrierestholz), der Landschaftspflege sowie der Pflege

von Verkehrswegen, öffentlichen Parks und privaten grün-anlagen. Weiterhin werden Brennstoffe gezielt durch Pflan-zung schnellwachsender Baumarten (z. B. Pappel, Weide) auf Ackerflächen in sogenannten Kurzumtriebsplantagen (KUP) angebaut [3]. Schlussendlich fallen Hackschnitzel bei der Entsorgung von Altholz an.

Die Vielzahl der rohmaterialien hat einen großen Ein-fluss auf die Brennstoffqualität. Je nach Herkunft des Mate-rials schwanken z. B. der Wassergehalt, der Aschegehalt oder der gehalt an verbrennungskritischen inhaltsstoffen [1] [4].

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→ Abbildung 1: Schematische Darstellung von Produktionswegen für Holzhackschnitzel (Beispiel)Folie 1

Prozesskette Hackschnitzelproduktion (Beispiel)

Kuptz15 B Ku 074

Holzernte

Trocknung

Hacken

Siebung

Lagerung

Sägewerk

Kurzumtrieb

Straßen- undLandschaftspflege

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neben dem rohmaterial hat die Prozesskette, z. B. die verwendete Hackertechnik (z. B. Trommel-, Scheibenrad- und Schneckenhacker), die Maschineneinstellungen bei der Produktion (z. B. die Messerschärfe, die Lochweite von Prall-sieben, das Austragssystem) und die Arbeitsweise im Feld einen Einfluss auf die Brennstoffqualität. Die eingesetzte Ma-schine beeinflusst dabei v. a. physikalische Parameter wie den Feinanteil, die durchschnittliche Hackschnitzelgröße, den Anteil an Überlängen oder die Partikelform [1].

Welche Brennstoffqualität wird benötigt?Die tatsächlich benötigte Brennstoffqualität hängt von dem Kessel ab, in welchem die Hackschnitzel eingesetzt werden sollen [4] [5]. Vor allem Hackschnitzelkessel < 100 kW, die als häusliche Kleinfeuerungsanlagen im ländlichen raum stark verbreitet sind, aber auch mittelgroße, meist kommu-nale Heizwerke < 1 MW, sind für den störungsfreien und emissionsarmen Betrieb auf eine gleichbleibende, defi-nierte Brennstoffqualität angewiesen. Für jede Feuerung sind dabei die Brennstoffvorgaben des Kesselherstellers zu beachten.

Der Einfluss der Brennstoffqualität auf die Verbrennung ist vielfältig [4]: Hohe Wassergehalte können z. B. je nach Anlage zu einer unvollständigen Verbrennung führen. Da-bei entstehen Emissionen an CO oder rußpartikel. Beides kann wiederum dazu führen, dass die Emissionsgrenzwerte für Staub und CO der 1. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (1. BimSchV, [6]) bei der zweijährig wiederkehrenden Messung durch den Schorn-stein feger/die Schornsteinfegerin nicht eingehalten wer-den.

Staubentwicklung und StörungenAuch der Stickstoffgehalt im Brennstoff beeinflusst das Emissionsverhalten der Anlagen, da er direkt für die Emis-sionen an Stickstoffoxiden (nOX) verantwortlich ist [4] [5] [7]. Diese sind vor allem für Heizwerke ab 1 MW relevant, da hier die nOX-grenzwerte der TA-Luft, bzw. zukünftig der 43. BimSchV, eingehalten werden müssen. Andere ver-brennungskritische inhaltsstoffe können zu einer erhöhten Feinstaubfreisetzung (z. B. Kalium), zur Bildung von Schla-cke (z. B. Kalium, Silizium) oder zu Korrosion der Anlagen (z. B. Chlor) führen [4]. Hohe Feinanteile und Überlängen im Brennstoff bedingen dagegen z. B. die Staubentwicklung und Brückenbildung beim Lageraustrag oder mechanische Störungen der Förderschnecken.

Brennstoffparameter im Zertifikat festgehaltenAls Hilfestellung für die Praxis wurden international gültige normen (Din En iSO 17225-4 [8]) und darauf aufbauende Zertifikate (z. B. Enplus Holzhackschnitzel [9]) entwickelt, in

denen die wesentlichen Brennstoffparameter in einzelnen Spezifikationen zusammengefasst wurden. An diesen Spe-zifikationen können sich Brennstoffproduzenten, Kesselher-steller und Anlagenbetreiber orientieren, um eine optimale Brennstoffqualität für die jeweilige Anlage herzustellen, zu definieren und einzusetzen. Allerdings besitzen land- und forstwirtschaftliche Betreiber privater Hackschnitzelheizun-gen häufig eigene Waldflächen und stellen ihre Brennstoffe selbst her. Sie kaufen daher selten nach iSO-norm-Vorgaben ein oder verlangen die Vorlage eines Hackschnitzelzertifi-kats. gerade aber für den Eigenverbrauch in kleindimensio-nierten Kesseln ist der Einsatz einer hohen Brennstoffquali-tät besonders relevant.

Fallstudien zur AufbereitungDie Brennstoffqualität von Hackschnitzeln kann durch se-kundäre Aufbereitungsmaßnahmen, z.  B. durch Siebung und Trocknung, verbessert werden. Dies wurde durch das Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für nachwachsende rohstoffe (TFZ) und durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) im Teilvor-haben 2 des über das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Verbundprojekts „qua-liS – Brennstoffqualifizierung und Qualitätssicherung in der Hackschnitzelproduktion“ im rahmen von insgesamt sechs Praxisfallstudien analysiert (siehe Tabelle 1).

Die Ergebnisse der Fallstudien werden im Folgenden auszugsweise wiedergegeben (siehe Tabelle 2). Die vollstän-digen Ergebnisse sind detailliert im „Handbuch zum Quali-tätsmanagement von Holzhackschnitzeln“ dargestellt [10].

Technische Trocknung für sicheren WassergehaltUm einen definierten, niedrigen Wassergehalt sicherzustellen bietet sich die technische Trocknung von Hackschnitzeln an (siehe Fallstudie 1, 2, 4 und 6, in Tabelle 2). Mit diesen Verfahren konnte im rahmen der im Projekt „qualiS“ untersuchten Fall-studien der Wassergehalt frischer Waldrestholzhackschnitzel zuverlässig auf Werte ≤ 15 m-% reduziert werden [10].

→ Tabelle 1: Trocknungs- und Siebtechniken in den Fallstudien im

Projekt „qualiS“

Fall-studie

Trocknung Siebung

1 Wälzbett-Trockner Sternsieb/Schwingsieb

2 Containertrocknung Sternsieb

3 Mietentrocknung Trommelsieb

4 Schubbodentrockner –

5 Mietentrocknung Sternsieb

6 Bandtrockner Schwingsieb/ Trommelsieb

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Trocknungstechniken und deren EffizienzBei der technischen Trocknung wird warme, trockene Luft durch bewegtes oder unbewegtes Schüttgut geleitet. Hierzu wird häufig kostengünstige Abwärme von Biogasanlagen genutzt. Als Trocknungstechnik sind v. a. Satztrockner, z. B. auf Containerbasis, in der Praxis weit verbreitet [10]. Beim Einsatz von Satztrocknern ist auf eine gute Homogenisie-rung der Hackschnitzel nach der Trocknung zu achten, z. B. mittels radlader beim Umschlag der Brennstoffe, damit ein einheitlicher Wassergehalt über die gesamte Charge sicher-gestellt wird. neben der Satztrocknung finden sich in der Praxis auch kontinuierlich laufende Trocknungsarten, z. B. Band-, Trommel- oder Wälzbetttrockner. Der kontinuierliche Betrieb erlaubt dabei die homogene Trocknung auf einen genauen Zielwassergehalt, bedeutet aber meistens höhere investitionskosten in die Trocknungstechnik.

Trocknen verursacht KostenDie technische Trocknung von Hackschnitzeln stellt ei-nen Kostenfaktor dar. Ausschlaggebend für eine effiziente Trocknung sind eine gute Auslastung der Anlagen und die Vermeidung von unnötig hohen Energieverbräuchen, z. B. durch die Wahl einer passenden gebläseleistung [1] [10]. Auch sollte die Trocknungsdauer nur so lang wie nötig sein, z. B. zur Erreichung des gewünschten Zielwassergehalts, um unnötige Trocknerlaufzeiten und damit verbundene Kosten zu vermeiden.

Alternative Trocknungsverfahren, z.  B. die Trocknung im ungehackten Holzpolter oder in Lagermieten, können ebenfalls den Wassergehalt reduzieren [1] [4] [10] [11]. Eine garantie, welcher Wassergehalt dabei erreicht wird, kann jedoch nur eingeschränkt gegeben werden, da der Trock-

nungserfolg z. B. von dem zu lagernden Material, von der Witterung und von der Lagerdauer abhängig ist. Bei der La-gerung im Holzpolter sind zudem die Waldschutzsituation (z. B. Brutstätten für den Borkenkäfer), bei der Lagerung in Mieten dagegen Trockenmasseverluste durch biologische Abbauprozesse und die gefahr von Selbstentzündung bei zu hohen Schüttungen (> 3 m) zu beachten.

Siebung reduziert Asche, Feinanteile und Inhaltsstoffeneben der technischen Trocknung findet die Siebung von Hackschnitzeln zunehmend Anwendung in der Praxis. Ein-gesetzt werden mobile sowie stationäre Trommel-, Stern- und Schwingsiebe (siehe Bild, [10]). im Projekt „qualiS“ konn-ten je nach eingesetzter Siebtechnik der Feinanteil und die Überlängen, sowie der Aschegehalt und die gehalte an ver-brennungskritischen inhaltsstoffen (z. B. Kalium, Stickstoff)

→ Tabelle 2: Auszug der Ergebnisse zur Brennstoffqualität aus den Fallstudien zum Projekt „qualiS“

FallstudieWassergehalt

(m-%)Aschegehalt

(m-%, wf)Feinanteil

(m-%)Stickstoff (m-%, wf)

Kalium (mg/kg, wf )

1 Ausgangsmaterial 41,7 3,0 15,3 0,32 1 320

Endprodukt 12,8 1,4 2,5 0,23 970

2 Ausgangsmaterial 51,0 7,4 17,7 0,47 1 790

Endprodukt 13,2 1,9 2,6 0,20 1 170

3 Ausgangsmaterial 41,2 1,3 17,2 0,24 1 330

Endprodukt* 42,9 1,0 3,4 0,20 1 020

4 Ausgangsmaterial 42,0 1,7 19,3 0,34 1 430

Endprodukt** 7,1 1,4 18,3 0,30 1 170

5 Ausgangsmaterial 42,5 3,7 9,6 0,34 2 380

Endprodukt* 39,1 3,0 4,3 0,33 2 090

6 Ausgangsmaterial 48,1 5,3 18,3 0,36 2 040

Endprodukt 15,2 1,7 1,0 0,19 1 490

* nur Siebung dargestellt ** nur Trocknung dargestellt wf wasserfrei

→ Bild: Siebung von Hackschnitzeln mittels Trommelsieb (qualiS-Fallstu-

die 3) (Foto: Dr. Daniel Kuptz).

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Anleitung und Handbuch für mehr QualitätVor allem für Brennstoffproduzenten bietet sich die Etab-lierung eines Qualitätsmanagementsystems an. Eine Anlei-tung für dessen Umsetzung wurde im Projekt „qualiS“ erar-beitet. Sie enthält unter anderem die Definition kritischer Kontrollpunkte entlang der Prozesskette und das Vorgehen zur gewinnung repräsentativer Teilproben, aber auch die Handhabung vereinfachter Messmethoden. Diese Anleitung findet sich im frisch erschienenen „Handbuch zum Qualitäts-management für Holzhackschnitzel“ [10].

Literatur beim Autor.

DR. DANIEL KUPTZTECHnOLOgiE- UnD FÖrDErZEnTrUM iM KOMPETEnZZEnTrUM FÜr nACHWACHSEnDE [email protected]

Weiterführende Literatur zur Hackschnitzelproduktion findet sich auf der Homepage des TFZ (www.tfz.bayern.de) unter Festbrennstoffe Publikationen:• TFZ-Bericht 40: Optimale Bereitstellungsverfahren

für Holzhackschnitzel• TFZ-Bericht 46: Qualität von Holzhackschnitzeln

aus Bayern• TFZ-Bericht 52: Schnellbestimmung des

Wassergehalts von Holzhackschnitzeln• TFZ-Bericht 55: Lagerung von Holzhackschnitzeln • TFZ-Bericht 56: Hackschnitzel aus dem Kurzumtrieb

(in Vorbereitung)• TFZ-Merkblatt: Qualitätshackschnitzel nach

Din En iSO 17225-4

Sowie die unter TFZ-Beteiligung erstellten Fnr-Publi kationen:• Handbuch zum Qualitätsmanagement von

Holzhackschnitzeln• Handbuch Bioenergie Kleinanlagen• Hackschnitzelheizungen – Was muss aktuell

beachtet werden?

Infobox: TFZ-Publikationen zur Hackschnitzel-produktion

teils deutlich reduziert werden (vgl. Fallstudie 1, 2, 3, 5 und 6 in Tabelle 2). Dabei hielten die produzierten Brennstoffe nach Siebung und Trocknung regelmäßig die Anforde-rungen der Spezifikationen nach Din En iSO 17225-4 so-wie nach aktuellen Zertifikaten für Holzhackschnitzel (z. B. Enplus) ein.

Auch die Siebung stellt als zusätzlicher Arbeitsschritt ei-nen Kostenfaktor dar. Ausschlaggebend für niedrige Sieb-kosten sind die gute Auslastung der Siebanlage im Jahres-verlauf (z. B. durch die Siebung verschiedener Produkte), aber auch sinnvolle Verwertungsmöglichkeiten für das aus-gesiebte Material, d. h. für die anfallenden feinen und gro-ben Fraktionen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besserZur Beurteilung der Brennstoffqualität stehen Produzen-ten, Händler und Kunden mehrere Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung. Während sich einige der Qualitätsparameter wie der Aschegehalt oder der Anteil verbrennungskritischer inhaltsstoffe nur schwer ohne Laboranalyse einschätzen lassen (z. B. über Sichtprüfung der Sortimente), können der Wassergehalt, die Feinanteile oder Überlängen verhältnis-mäßig genau bestimmt werden. Für den Wassergehalt exis-tiert eine reihe an gravimetrisch und elektrisch messenden Schnellbestimmungsmethoden auf dem Markt [12]. Diese Messgeräte erreichen selten die Messgenauigkeit gängiger Labormethoden nach Din En iSO norm (d. h. Trocknung im Trockenschrank über 24 h); sie sind daher für Abrechnungs-zwecke nur bedingt geeignet. Für eine grobe Einschätzung des Wassergehalts typischer Hackschnitzelsortimente für das interne Qualitätsmanagement ist ihre Messgenauigkeit aber ausreichend. Alternativ kann die Labormessung im Tro-ckenschrank mit handelsüblichen Haushaltsöfen durchge-führt werden [10]. Hierbei sind jedoch zusätzliche Sicher-heitsempfehlungen, z. B. bezüglich des Brandschutzes, zu beachten.

Wassergehalt und PartikelgrößeDie Partikelgrößenverteilung (Feinanteile, Überlängen) von Hackschnitzeln kann durch eine vereinfachte Handsiebung mit Standardsieben hinreichend genau bestimmt werden [10]. Auch hier erreicht die vom Praktiker anwendbare Me-thode nicht die genauigkeit des im Labor angewendeten normbestimmungsverfahrens, erlaubt aber erneut eine grobe Bewertung der Brennstoffe, die über eine reine Sicht-prüfung hinausgeht. Ausschlaggebend für die Bestimmung des Wassergehalts und der Partikelgröße ist neben der Mess-genauigkeit der angewendeten Messmethoden eine reprä-sentativ über die gesamte Charge gewonnene Hackschnit-zelprobe.

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Neue Apfelsorten im StreuobstbauErgebnisse eines Langzeitversuchs der LWG

von MARTIN DEGENBECK: Bei einem Langzeitversuch der Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) wurden an verschiedenen Standorten in Unterfranken zwi-schen 1998 und 2004 insgesamt 29 neue Apfelsorten im Vergleich mit „alten“ Sorten (Anbau vor 1940) gepflanzt, um deren Eignung für den extensiven Streuobstbau auf Hochstamm zu testen. Viele der neuen Sorten waren als mehrfachresistent beworben worden. Nach 18 Jah-ren Versuchsdauer zeigt sich, dass einige neue Sorten wie Florina oder Reka durchaus eine wichtige Ergänzung zum bewährten Sortiment darstellen. Die Krankheitsresistenz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Leider ist die Schorfresistenz mittlerweile durchbrochen. Einige im Erwerbsanbau vorzügliche Sorten wie Pinova kommen auf Hochstamm und mit extensiver Pflege nicht zurecht. Andere Sorten mit hervorragender Fruchtqualität, wie etwa Gerlinde, erfüllen wegen ihrer Wuchseigenschaften nicht die Anforderungen des Streuobstbaus.

Für den Streuobstbau eignen sich starkwüchsige, möglichst ertragreiche Sorten, die robust bzw. wenig krankheitsanfällig sind und gleichzeitig wenig Pflege brauchen. In den letzten 30 Jahren sind zahlreiche neue Apfelsorten auf den Markt gekom-men, die zu Versuchsbeginn mehr oder weniger ausgeprägte Resistenzen gegen Schorf, Mehltau und andere Krankheiten aufweisen und durch gute Fruchteigenschaften überzeugen. Die bis 1999 veröffentlichten Versuchsergebnisse bezogen sich allerdings hauptsächlich auf den Erwerbsanbau mit schwach wachsenden Unterlagen, vorwiegend für die Verwendung als Tafelobst. Auch spätere Publikationen befassen sich kaum mit dem Streuobstbau. Es stellt sich nun die Frage, ob diese neuen Sorten auch eine zukunftsweisende Alternative für den exten-siven Streuobstbau auf Hochstamm darstellen.

An sieben Standorten in Unterfranken wurden in den Jahren 1998 bis 2004 insgesamt 437  Hochstamm-Apfel-bäume gepflanzt, 252 mit neuen Sorten (davon 50 Prozent erst 2004 gepflanzt) und 185 mit alten, bewährten Sorten. Die Standortqualität reicht vom sehr guten Ackerstandort in Kürnach bis zu schwachen Grünlandstandorten in Heustreu und Großbardorf. Durch den breiten Standortquerschnitt und die mehr oder weniger extensive Pflege sind die Ergebnisse insgesamt für durchschnittliche Streuobstbestände in der Feldflur gut verwertbar. Getestet werden elf Re- und sieben Pi-Sorten aus Dresden-Pillnitz, fünf tschechische Sorten und drei Sorten aus Ahrensburg, dazu drei sonstige Sorten. Zu Vergleichszwecken wurden bewährte Apfelsorten gepflanzt.

Höhe, Kronenbreite und StammumfangIm 16. Standjahr lag der Gravensteiner bei allen Messwer-ten an der Spitze, gefolgt von den bewährten Sorten Rhei-nischer Bohnapfel und Goldrenette von Blenheim. Dann folgt mit Reka die erste neue Sorte. In der Spitzengruppe bei den Wuchsparametern etablierten sich außerdem die neuen Sorten Retina und Resista. Im zehnten Standjahr wa-ren neben der bewähren Sorte Schöner von Nordhausen die neuen Sorten Rosana und Ahra die wuchsstärksten; in der Spitzengruppe lagen mit Florina, Topaz, Resista und Reka weitere neue Sorten. Bei Rosana stehen alle drei verbliebe-nen Bäume auf dem besten Standort in Kürnach, wo mit Ab-stand die besten Zuwächse aller Standorte erzielt werden, weshalb diese Sorte „zu gut“ abschneidet. Dies trifft auch auf einige alte Sorten zu. Vergleicht man die neuen Sorten ins-gesamt mit den bewährten Sorten, ist eine etwas geringere Wuchsleistung der neueren Sorten festzustellen.

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→ Bild 1: Versuchsstandort Rottershausen am 1. September 2016:

deutliche Sortenunterschiede im Wuchs; von links Reanda, Resista und

Reka (alle Fotos: Martin Degenbeck).

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→ Bild 3: Retina, ein schmackhafter Frühapfel,

eine Bereicherung für das Streuobstsorti-

ment.

→ Bild 4: Relinda eignet sich besonders für die

Saftproduktion.

Vorsprung alter Sorten in der VitalitätDer extrem heiße und trockene Sommer 2003 hat den alt-bewährten Sorten einen deutlichen Vorsprung in der Vita-lität eingebracht, der bis heute weiter vorhanden ist. 2016 ist der Rheinische Bohnapfel Spitzenreiter bei der Vitalität, gleichauf liegt Rosana, gefolgt von Florina. Wie in den Vor-jahren liegen auch 2016 Reka und Retina in der Spitzen-gruppe. Gute Vitalitätsbonituren bekommen regelmäßig die neuen Sorten Saturn, Teser und Topaz. Relinda, Rewena, Ahra und Ahrista sind dagegen gegenüber 2008 leicht ab-gefallen, liegen aber immer noch bei „gut“.

Neue Sorten bei Ertrag und Fruchtqualität vornBonitiert wurde in diesem Versuch die sortenspezifische Fruchtqualität für den jeweiligen Verwertungszweck, es erfolgte also keine analytische Prüfung. Im Versuchsver-lauf zeigte sich erwartungsgemäß ein deutlich früherer Er-

tragseintritt der meisten neuen Sorten im Vergleich zu den bewährten Sorten. Die besten Ertragsbonituren erzielte Re-sista, übrigens die einzige Sorte, bei der alle Bäume in allen Jahren Äpfel trugen. Es folgen Ahrista, Rewena, Relinda und erst dann mit Hilde die erste alte Sorte. Florina folgt auf Platz zehn, Reka auf zwölf. Unter den „Top 15“ sind elf neue Sor-ten und nur vier bewährte. Bezüglich Fruchtqualität ist fest-zuhalten, dass mit Ausnahme der Pi-Sorten die neuen Sorten tendenziell besser abschnitten als die bewährten Sorten. An der Spitze liegt Ahrista, gefolgt von Rosana, Rheinischer Win-terrambur, Rheinischer Bohnapfel, Gravensteiner und Retina.

Befall mit Schorf und MehltauSämtliche Pi-Sorten zeigten von Versuchsbeginn an bei feuchter Witterung und entsprechendem Infektionsdruck mehr oder weniger gravierenden Schorfbefall. Pilot war noch am geringsten betroffen. Piflora ist über den ganzen

→ Tabelle 1: „Top 10“ in Höhe, Kronenbreite und Stammumfang, 16. Standjahr (* neue Sorten)

Höhe cm Kronenbreite cm Stammumfang cm

Gravensteiner 638 Gravensteiner 650 Gravensteiner 59

Reka* 610 Goldrenette von Blenheim 640 Rheinischer Bohnapfel 54

Rheinischer Bohnapfel 607 Rheinischer Bohnapfel 610 Goldrenette von Blenheim 50

Hilde 590 Dülmener Rosenapfel 585 Reka* 49

Dülmener Rosenapfel 590 Reka* 541 Hilde 49

Goldrenette von Blenheim 550 Retina* 528 Retina* 49

Ahra* 550 Kaiser Wilhelm 515 Ahrista* 49

Pikkolo* 547 Hilde 505 Kaiser Wilhelm 48

Kaiser Wilhelm 535 Florina* 496 Florina* 48

Resista* 535 Pirella/Pirol* 475 Dülmener Rosenapfel 46

Pilot* 46

Mittelwert 509 464 42

Mittelwert alte Sorten 518 491 44

Mittelwert neue Sorten 502 443 41

→ Bild 2: Florina, sortentypisch violett beduftet,

war im Versuch die beste der neuen Sorten

und eignet sich sehr gut für den Streuobstbau.

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Versuchszeitraum die am häufigs-ten befallene Sorte, gefolgt vom Roten Trie-rer Wein apfel und Pinova. 2009 trat erstmals bei den vermeintlich schorfresistenten Sorten verein-zelt und gering-fügig Schorf auf, der sich in den Folgejahren, ins-besondere 2013 und am stärksten 2016, immer mas-siver zeigte. 2016

war nur Renora schorffrei, alle anderen „resistenten“ Sorten schwach bis mittel befallen, wenngleich meistens nicht alle Bäume. Starken Schorfbefall verzeichneten Remo, Relinda und Rewena (jeweils an einem Baum). Insgesamt ist die Wi-derstandsfähigkeit gegenüber Schorf bei den sogenannten „resistenten“ Sorten nach wie vor deutlich höher als bei den Pi-Sorten und vielen alten Sorten.

Mehltau trat bei Ahrista in geringem Umfang in fast allen Versuchsjahren auf, bei Ahra, Angold, Florina, Pinova und Pi-lot mehrfach sowie bei Regine, Reka, Remo, Retina, Rosana, Pikkolo, Piflora und Topaz vereinzelt. Insgesamt war auf den Versuchsflächen Mehltau kein größeres Problem.

Bewertung der VersuchsergebnisseDie Schorfresistenz ist mittlerweile in ganz Mitteleuropa durchbrochen. Das Problem ist, dass man bei der Apfelzüch-tung einseitig auf die monogene Resistenzquelle Malus flori-bunda gesetzt hat (18 der 22 resistenten Sorten im Versuch). Bei unpassender Witterung und entsprechendem Befalls-druck, der in typischen Streuobstwiesen unvermeidbar ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Schorfpilz die Resis-tenz „knackt“ und sich dieser Schorftyp rasant ausbreitet. Doch selbst die Sorten mit digener (Reka) und polygener Resistenz (Reglindis, Angold und Teser) sind mittlerweile von Schorf befallen.

Hierbei wird ein grundsätzliches Problem der modernen Apfelzüchtung offenkundig: Fast alle seit 1920 für den Er-werbsanbau gezüchteten Apfelsorten gehen auf die sechs relativ krankheitsanfälligen „Stammsorten“ Golden Delici-ous, Cox Orange, Jonathan, McIntosh, Red Delicious und James Grieve zurück, auch alle neuen Sorten im Test. Zum Teil sind diese Sorten sogar mehrfach im Stammbaum ver-treten, etwa bei Topaz (zweimal Golden Delicious, zweimal

James Grieve, einmal McIntosh und einmal Jonathan), aber auch bei Resista, Ahra und Ahrista. Mit Golden Delicious ist eine einzige Sorte an über der Hälfte der Apfelzüchtungen beteiligt, die extrem schorfanfällig ist.

Auch beim EU-Projekt „Gemeinsam gegen Feuerbrand“ (2007 bis 2011), an dem die LWG maßgeblich beteiligt war, hat sich gezeigt, dass es gegen diese Bakterienkrankheit „resistente“ Sorten eigentlich nicht gibt. Bei Infektionsver-suchen im Gewächshaus trat Feuerbrand auch bei allen im Feld scheinbar gesunden Sorten auf, so dass man besser von feuerbrandtoleranten Sorten spricht, z. B. Rheinischer Bohnapfel, Florina und sämtliche Re-Sorten, während etwa Topaz hoch anfällig ist.

Für Streuobstbau empfehlenswerte SortenDie französische Sorte Florina, bereits seit 1977 im Handel, erzielte im Versuch in fast allen Kategorien Spitzenwerte, also sowohl in punkto Wuchsleistung als auch hinsicht-lich Vitalität und Fruchtqualität. Die attraktive Wintersorte ist schorf- und feuerbrandtolerant und gering anfällig für Mehltau. Geschmacklich ist die Sorte wegen des geringen Säuregehalts eher durchschnittlich. Insgesamt ist Florina für Streuobstwiesen sehr gut geeignet.

In unserem Versuch schnitt von den Re-Sorten Reka, ein Abkömmling von James Grieve, insgesamt auch am besten ab. Es ist eine sehr saftige und ertrag reiche Spätsommersorte, wenig anfällig für Mehltau und für Feuerbrand. Al-lerdings neigt sie zur Alternanz. Anfangs bildet die Sorte auffäl-lig steil aufrechte Triebe, die erst nach etwa 12 bis 15 Jahren stärker in die Breite ge-hen. Reka eignet sich als Tafelapfel, aber auch für die Kelterei.

Relinda und Retina lagen von der Wuchsleistung her im Versuch anfangs deut-lich unter dem Durchschnitt der

→ Bild 5: Noch im zehnten Standjahr zeigt Reka

auffällig steiles Triebwachstum.

→ Tabelle 2: „Top 20“ Vitalität 2016

(* neue Sorten)

Rang Sorte

1 Rheinischer Bohnapfel

1 Rosana*

3 Florina*

4 Roter Boskoop

4 Schöner von Nordhausen

6 Maunzenapfel

6 Welschisner

8 Dülmener Rosenapfel

9 Goldrenette von Blenheim

10 Hauxapfel

10 Retina*

12 Saturn*

13 Danziger Kantapfel

14 Brauner Matapfel

14 Gravensteiner

14 Hilde

14 Kaiser Wilhelm

14 Ontario

14 Reka*

14 Teser (TSR 29)*

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bewährten Sorten, haben aber im Laufe der Jahre aufgeholt; Retina liegt im 16. Standjahr beim Stammumfang auf Platz vier und bei der Kronenbreite auf Platz fünf. Bei der Vitalitäts-bonitur erreichte Retina 2016 Platz zehn. Für die beiden Sor-ten sprechen ihre Fruchtqualität und ihre Gesundheit. Retina ist eine wohlschmeckende, attraktive Spätsommersorte mit hohem und gleichmäßigem Ertrag, weitgehend schorftole-rant und nur gering anfällig für Mehltau und Feuerbrand so-wie Blütenfrost. Relinda trägt ebenfalls reich und regelmäßig (Rang vier in der Ertragsbonitur), eignet sich auf Grund der Inhaltsstoffe (gutes Zucker-Säure-Verhältnis, hohe Saftaus-beute) sehr gut für die Verarbeitung zu Saft bis in den April hi-nein. Sie ist weitgehend schorftolerant, gering anfällig gegen-über Mehltau und gering bis mittel gegenüber Feuerbrand.

Bedingt empfehlenswerte SortenZwölf weitere Sorten weisen deutliche Schwächen auf, kön-nen aber noch mit Abstrichen für den Streuobstbau emp-fohlen werden. Es handelt sich dabei zunächst um die vier Re-Sorten Reglindis, Reanda, Renora und Rewena. Diese er-reichten zwar nur durchschnittliche Zuwachswerte, ebenso nur mittlere Vitalitätsbonituren, können aber durch gute und regelmäßige Erträge sowie gute Fruchtqualitäten über-zeugen. Ein wichtiger Vorteil dieser Sorten ist neben der ge-ringen Anfälligkeit für Schorf und Mehltau heutzutage die hohe Feuerbrandtoleranz. Rewena und besonders Reanda benötigen aber konsequenten Erziehungsschnitt. Reanda ist nicht nur ein großfruchtiger Tafelapfel mit Genussreife bis Februar, sondern eignet sich auch zur Saftgewinnung. Rewena ist ebenso lange verwendbar, eignet sich aber vor-nehmlich zur Saftgewinnung. Große Früchte von Reanda neigen zu Stippe. Reanda und Rewena eignen sich sowohl als Tafelapfel als auch zur Saftgewinnung und sind nur ge-ring anfällig für die wesentlichen Apfelkrankheiten.

Die beiden Ah-rensburger Sorten Ahra und Ahrista sind im Versuchs-verlauf sowohl hinsichtlich der Vitalitätsbonitur als auch bei den Zuwachswerten etwas zurückge-fallen. Bei Ahrista, einem Abkömm-ling von Elstar, wurden nach wie vor die besten Fruchtqualitäten und der zweit-höchste Ertrags-wert aller Sorten bonitiert. Es handelt sich um eine sehr at-traktive Frühherbstsorte mit guter Tafelqualität, saftig und aromatisch, die auch noch zur Saftherstellung geeignet ist. Sie ist gering anfällig für Schorf sowie mittel anfällig für Mehl-tau und Feuerbrand. Ahra ist eine aromatische Herbstsorte, etwas weniger saftig als Ahrista, deren Geschmack an die Goldparmäne erinnert. Sie eignet sich vorwiegend als Tafelap-fel, ist ziemlich schorffest und mittel anfällig für Feuerbrand. Probleme bereitet unter Umständen die mittlere Mehltau-anfälligkeit mit der damit bei dieser Sorte verbundenen star-ken Fruchtberostung. Bei beiden Sorten, im Versuch mit früh einsetzendem, hohem Ertrag, neigen übergroße Früchte zu Stippe.

Die bekannteste tschechische Sorte aus der Resistenz-züchtung ist Topaz, ein allgemein anerkannter Spitzen-Ta-felapfel und ein sehr guter Mostapfel, der im Versuch auf

Hochstamm zwar nicht die erhofften Fruchtqualitäten erreicht hat, jedoch in punkto Wuchsleistung mit den be-währten Sorten mithalten kann und eine gute Vitalitätsbonitur erzielte. We-gen der hohen Anfälligkeit gegenüber Feuerbrand sowie der Anfälligkeit ge-genüber Mehltau und Kragenfäule kann die Sorte heute nur noch bedingt für den extensiven Streuobstbau emp-fohlen werden.

Die schorftolerante Sorte Resista erreichte nicht ganz die Wuchsleis-tung der bewährten Sorten. Sie er-zielte aber die beste Ertragsbonitur aller Sorten. Die geschmacklich gute Sorte eignet sich sowohl als Tafelapfel

→ Bild 6: Die Pi-Sorten sind wegen ihrer

Krankheitsanfälligkeit für Streuobstbau

wenig geeignet, hier im Bild Pirella mit

stärkerem Schorfbefall.

→ Tabelle 3: Bewertung der Eignung getesteter neuer Sorten für den extensiven Streuobstbau

EmpfehlenswertBedingt

empfehlenswertEher nicht

empfehlenswertNicht

empfehlenswert

FlorinaRekaVr

RelindaRetina

AhristaAhra

ReglindisVA

ReandaRenoraRewenaResistaRosana

RubinolaTopazSaturnTeserVA

PilotPirella/Pirol

RebellaRemo

PifloraPikkoloPingoPiros

PinovaRegine

ResiGerlinde

Resistenzquellen: Vr (Malus pumila, digen), VA (Antonowka, polygen), alle anderen außer den Pi-Sorten Vf (Malus floribunda, monogen)

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→ Tabelle 4: Empfehlenswerte neue schorftolerante Apfelsorten

Sorte Pflückreife Genussreife/ Lagerfähigkeit

Beschreibung

Florina Anfang Oktober Mitte Oktober/ bis Januar

Wuchs stark, mittelgroße. Violett beduftete Frucht, saftig, feinzellig, süß mit wenig Säure. Knapp reif ernten ( mehr Säure). Hohe Erträge, leicht alternierend. Mehltau möglich.

Reka Mitte September September bis Oktober

Wuchs stark, in den ersten Jahren steile Triebe. Ertragreicher, sehr saftiger Kelterapfel, auch als Tafelapfel geeignet.

Retina Mitte bis Ende August sofort/ ca. 2 bis 3 Wochen

Wuchs stark bis sehr stark. Große, rotbackige Frucht; saftiger Tafelapfel, sehr robust.

Relinda Mitte Oktober November bis April Wuchs mittel bis stark. Hohe und regelmäßige Erträge. Saftiger, mittel-großer Kelterapfel für die späte Verarbeitung, in warmen Lagen auch als Tafelobst.

als auch zur Saftgewinnung und ist bis März lagerfähig. Re-sista ist zudem gering anfällig für Mehltau.

Rosana und Rubinola wurden erst 2004 hinzugenom-men. Während Rubinola unterdurchschnittlich wuchs und nur auf mäßige Vitalitätsbonituren kam, erreichte Rosana im zehnten Standjahr Spitzenwerte, was mit den überwie-gend günstigen Standortbedingungen erklärbar ist. Auch die Fruchtqualität erzielte den zweitbesten Boniturwert al-ler Sorten. Die weitere Entwicklung dieses bis Dezember genießbaren Tafelapfels bleibt abzuwarten. Rubinola weist zwar eine passable Fruchtqualität auf (Tafelapfel, bis März verwendbar), ist aber problematisch im Wuchs, für den Streuobstbau somit etwas kritisch zu sehen.

Die schorftoleranten Sorten Saturn und Teser, 2004 neu hinzugekommen, blieben in der Wüchsigkeit hinter den be-währten Sorten zurück. Allerdings kam Saturn bei der Vitali-tätsbonitur 2016 auf Rang zwölf und Teser auf Rang 14. Bei der Boniturnote für die Fruchtqualität erreichte Saturn Rang acht und Teser Rang zwölf. Saturn ist ein saftiger Herbstapfel ohne besonders gute Werte bei den Inhaltstoffen. Teser ist geschmacklich mittelmäßig, zeigte sich im Versuch jedoch als sehr schorftolerant.

Hinweise für die PraxisInsgesamt betrachtet sind die Re-Sorten mit ihrer hohen Krankheitstoleranz gerade in Zeiten des sich ausbreitenden Feuerbrandbefalls eine wichtige Ergänzung des Streuobst-sortiments mit früh einsetzenden, hohen und meist regel-mäßigen Erträgen. Eventuell ließe sich die Wuchsleistung über die Verwendung der feuerbrandtoleranten Stammbild-nersorte Schneiderapfel verbessern. Die von der Fruchtqua-lität früher als eher durchschnittlich eingestuften Re-Sorten verdienen heute deshalb größere Beachtung, während die anfälligeren Pi-Sorten für den Streuobstbau wohl weitge-hend ausscheiden.

Florina und Reka haben im Versuch bisher überzeugt und sind für Streuobstwiesen empfehlenswert, mit kleinen

Abstrichen außerdem die Frühsorte Retina und Relinda. Die sehr guten Ergebnisse von Rosana müssen sich noch an streuobsttypischen schlechteren Standorten bestätigen. Unter den für diesen Zweck bedingt geeigneten Sorten sind weniger die Tafelsorten von Interesse, sondern eher jene, die hohe und gleichmäßige Erträge bringen und sich gut für die Verarbeitung zu Saft eignen. Das wären etwa Resista, Reanda und Rewena, eventuell noch Renora und Reglindis. Diese Sorten punkten auch durch ihre geringe Alternanz. Der meist deutlich frühere Ertragseintritt dieser Sorten im Vergleich zum bewährten Sortiment bringt Probleme bei der Kronenerziehung mit sich, so dass bei starkem Behang in den ersten Standjahren eine manuelle Ausdünnung sinn-voll wäre.

Der Vertrieb der Ahrensburger und Pillnitzer Sorten wird mittlerweile über artevos organisiert (siehe www.artevos.de), wobei sich die Sorten Ahra, Reka, Renora, Resi, Regine, Pingo und Piflora mangels Nachfrage bzw. Qualitätsmängeln zur Zeit nicht mehr im Standardangebot der in diesem Verbund zusammengeschlossenen Obstbaumschulen befinden. In-teressenten müssen sich diese Sorten gegebenenfalls an-derweitig beschaffen. Ratsam erscheint nach wie vor, auf Streuobstwiesen schwerpunktmäßig bewährte Apfelsorten zu pflanzen, auch als Beitrag zur Erhaltung der genetischen Vielfalt beim Kernobst, und 10 bis 20 Prozent der Gesamt-stückzahl neue Sorten beizumischen.

MARTIN DEGENBECKBaYeriSche LandeSanSTaLT FÜr WeinBaU Und [email protected]

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Im Landkreis Rosenheim spielt der Streuobstanbau traditionsgemäß eine große Rolle und gehört zum Land-schaftsbild des oberbayerischen Voralpenlandes. Doch welches Aus-maß hat der Streuobstanbau tatsäch-lich und wie sieht seine Zukunft aus? Die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) stellt in ihrer neuen Veröffentli-chung „Streuobstanbau im Landkreis Rosenheim“ eine aussagekräftige Momentaufnahme zur Verfügung.

Im Rahmen des Projektes „Produkt- und Qualitätsoffensive“ befragten die Baum-warte des Landkreises Rosenheim mehr als 2 500 Streuobstwiesenbesitzer und liefer-ten der LfL die Daten für die Auswertung. Diese einzigartige Erhebung zeigt, wie viele Streuobstbäume im Untersuchungs-gebiet stehen, wie deren Entwicklungs-zustand ist und wer die Bestände pflegt. Zusätzlich gaben die Besitzer Auskunft über die Verwertung ihrer Ernte zu Saft und anderen hochwertigen Produkten.

Zunächst wirken 66 800 gezählte Streu-obst bäume erstaunlich viel. Im Schnitt sind dies jedoch nur 1,5 Bäume je Hek-tar Landwirtschaftliche Fläche. Bei einem Flächenpotenzial von knapp 240 Hektar (0,93 Prozent der verfügbaren Fläche) spielt

Streuobstanbau im Landkreis Rosenheim – neue LfL-Information

Streuobst gegen-über anderen land-wirtschaftlichen Kulturen eine un-tergeordnete Rolle. Gut zwei Drittel der Bäume gehö-ren zum Kernobst, woraus vor allem Säfte zur Eigenver-sorgung gepresst werden. Allerdings hat Steinobst ei-nen überraschend hohen Anteil! Die Entwicklungszu-stände der erfass-ten Bäume sind unterschiedlich: Knapp die Hälfte sind im Voller-trag, die andere Hälfte zeigt zu- und abnehmendes Er-tragspotenzial, wo-bei die Bäume mit abnehmendem Er-trag leicht überwie-gen. Verschwindet Streuobst langsam?

Drei Besitzergruppen kümmern sich um die Streuobstwiesen: Rund 45 Prozent der

Bäume werden von Vollerwerbs-, 29 Pro-zent von Nebenerwerbslandwirten und 26 Prozent von privaten Besitzern be-wirtschaftet. Insbesondere Letztere sind offensichtlich an der Weiterführung des Streuobstanbaus interessiert. Damit wan-delt sich der Streuobstanbau von einer landwirtschaftlichen Produktionsweise zu einer gesellschaftlichen Aufgabe, die Beiträge zum Landschaftsbild, zur Ver-sorgung mit heimischen Produkten und zur Identifikation mit der Region leistet.

Die vollständige LfL-Information „Streuobstanbau im Landkreis Rosen-heim“ ist im Internet unter folgendem Link abrufbar: www.lfl.bayern.de/pu-blikationen/informationen/170874

Monika Simon, LfL→ Bild: Streuobstwiese zur Blütezeit (Foto: Dr. Peter Sutor, LfL).

→ Abbildung: Streuobstbäume je Gemeinde im Landkreis Rosenheim

2013 (Grafik: Dr. Peter Sutor, LfL)

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Produktionsintegrierte Kompensation auf wechselnden Flächen Bilanz der Bayerischen KulturLandStiftung nach drei Jahren Umsetzungspraxis

von DOMINIK HIMMLER: Um größere Bauvorhaben und deren Eingriffe in Natur und Land-schaft zu „heilen“, müssen diese nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 13 ff.) in geeigneter Art und Weise kompensiert werden. In erster Linie eignen sich hierzu landwirtschaftliche Nutzflächen, da sie aufgrund ihrer meist intensiven Bewirtschaftung ein erhöhtes Potenzial an Aufwertbarkeit im Sinne des Naturschutzes vorweisen können.

Seit September  2014 ermöglicht die Bayerische Kompensationsverordnung den erforderlichen Ausgleich über so-genannte Produktionsintegrierte Kom-pensationsmaßnahmen (BayKompV) auf wechselnden Flächen, besonders dann, wenn land- und forstwirtschaft-liche Flächen vom Eingriff beeinträch-tigt werden. Die nun mögliche und ziel-gerichtete Integration von Leistungen für den Naturschutz in die Produktions-abläufe und -konzepte landwirtschaft-licher Betriebe unter Bewahrung des Eigentums bietet eine weitere Möglich-keit neben den bereits bestehenden Flächenkompensationsmodellen flexi-ble Konzepte aufzustellen, um den kom-menden Erfordernissen in der Zukunft gerecht zu werden.

Produktionsintegrierte Maßnah-men (PiK) wie der extensive Acker-bau, Ackerrandstreifen, Blüh- und Brachestreifen, Ler-chen- und Kiebitzfenster etc. sind Maßnahmen, welche auf wechselnden Flächen umgesetzt werden können. Diese werden im Regelfall durch die „institutionelle Si-cherung“ nach §9 BayKompV gesichert. Bis dato über-nimmt die Bayerische KulturLandStiftung (BKLS) in zehn Projekten für Eingriffsverursacher die „institutionelle Si-cherung“ von PiK-Maßnahmen auf wechselnden Flächen und betreut somit 82  Hektar Maßnahmen bayernweit. Rund 90  Prozent hiervon resultieren aus artenschutz-rechtlichen Kompensationserfordernissen (CEF/FCS). Ins-gesamt 50 Bewirtschaftungsverträge zur Sicherung der Kompensationsmaßnahmen wurden in den letzten ein-einhalb Jahren abgeschlossen.

Institutionelle Sicherung – Schritt I: „Theorie“ Die Erfahrungen der Praxisprojekte haben gezeigt, dass es wichtig ist, bereits in der Planungsphase gemeinsam mit dem Vorhabenträger und dessen beauftragten Planungs-büro während der Erstellung des Landschaftspflegerischen Begleitplanes (LBP) zusammenzuarbeiten. Besonders im Hinblick auf die Analyse der vorgefundenen agrarstruktu-rellen Belange vermag die Kooperation von Planer und der BKLS die valide und frühzeitige Abschätzung, welche Rah-menbedingungen in der Agrarstruktur vorzufinden sind. So kann gemeinsam mit den Genehmigungsbehörden (Höhere und Untere Naturschutzbehörde, Planfeststellungsbehör-den) und den örtlichen Ämtern für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten ein rechtsicheres Konzept erarbeitet

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→ Abbildung 1: Arbeitsweise der Bayerischen KulturLandStiftung

Institutionelle Sicherung

Kompensationsvertrag • Umfang• Maßnahmen• Bewertung• Vergütung

BKLS Eignung durch… - Leistungsfähigkeit-fachl.Qualifikation

- Zuverlässigkeit

Flächen-eigentümer/

Bewirtschafter

Genehmigungs- fachbehörde

Vorhabenträger/ Planungsbüro

dokumentiert

Institutionelle Sicherung: • jährliche Kontrolle• Berichterstattung• Pflegemanagement• Vertragsverlängerung• Meldung

betreut und honoriert

Quelle: Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, verändert 2014

Bewirtschaftervertrag • PiK- Maßnahme• Auflagen• Laufzeit (5 Jahre)• Vergütung

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werden, welches langfristig umgesetzt werden kann. Hierzu zählt auch die transparente Berechnung der Vergütungs-sätze für die Leistung der Bewirtschafter vor Ort. Diese sind nicht generell bayernweit übertragbar und müssen für jede Agrarstruktur speziell berechnet werden.

Mit der Unterzeichnung des Kompensationsvertrages übergibt der Vorhabenträger das Projektmanagement und somit die langfristige Realisierung der PiK-Maßnahmen auf wechselnden Flächen an die BKLS. Hierbei werden entweder befristete Verträge mit dem Eingriffsverursacher geschlos-sen, welche nach rund fünf Jahren verlängert werden, oder die BKLS übernimmt die Verantwortung für bis zu 25 Jahre im Voraus. Letzteres verschafft dem Eingriffsverursacher und auch dem Projektmanagement vor Ort Planungssicherheit. Für private Eingriffsverursacher ist letztere Variante obliga-torisch.

Institutionelle Sicherung – Schritt II: „Praxis“Gemeinsam und kooperativ wird in Gesprä-chen mit den Bewirtschaftern landwirtschaftli-cher Nutzflächen die vorgefundene Agrarstruk-tur analysiert. Unter Angaben der Landnutzer wird schnell ersichtlich, welche Rahmenbedin-gungen vorzufinden sind. Hier kann es nun hel-fen, die Theorie nochmals durch die Praxis zu validieren und den festzusetzenden LBP zu er-gänzen und somit qualitativ zu verbessern (z. B. Suchraumgrößen, Abstandskriterien zu Verti-kalstrukturen etc.). Unter Beachtung der regio-nalen Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen Agrarstruktur wird nun ein PiK-Maßnahmen-konzept aufgestellt, Bewirtschaftungsverträge mit den Landnutzern werden geschlossen. Diese müssen mindestens fünf Jahre andauern.

Im fünften Jahr werden sie verlängert oder ent-standene Lücken durch neue Partner besetzt. In der Folge ist es von enormer Bedeutung, Suchräume für PiK-Maßnahmen zu definieren, welche genügend Flexibilität zulassen, um aus einem Pool an potenziellen Vertragspartnern zu schöpfen. Erfahrungsgemäß sollten hierbei die geforderten PiK-Maßnahmen fünf Prozent der Fläche des Gesamtsuchraumes nicht über-schreiten, um eine dauerhafte Gewährleistung zu verfolgen. Die kontinuierliche Beratung ist bei der Planung und Ausführung der Garant für die gemeinsame Umsetzung dieser Maß-nahmen. Die jährliche Dokumentation und Meldung der Flächen an das Ökoflächenkatas-ter und an die Bewilligungsbehörde führt dazu, dass die PiK-Maßnahme auf wechselnden Flä-chen die höchste Transparenz und ein weitrei-

chendes Qualitätsmanagement erhält.

Projekt Neubau der Schleuse KriegenbrunnFür den Neubau der Schleuse bei Kriegenbrunn wurden im Jahr 2013 mit dem Eingriffsverursacher die ersten Gesprä-che geführt, um in einer Agrarstruktur, welche zum einen durch Infrastrukturmaßnahmen der Bahn, des Main-Do-nau-Kanals und der Autobahn A3 von allen Seiten beengt ist, ein passgenaues PiK-Konzept zu erarbeiten. Die land-wirtschaftliche Produktion ist sehr heterogen. Der Anbau von Winterweizen und -gerste, Körnermais, Raps, Zucker-rübe bis hin zum Gemüse sind hier vorzufinden. Gemein-sam mit dem beauftragten Planungsbüro und der Hö-heren Naturschutzbehörde Mittelfranken wurde für die Feldlerche, das Rebhuhn und den Kiebitz über die Agrar-struktur ein weit verzweigtes Netz an PiK-Maßnahmen auf

→ Bild 1: Blühstreifen mit autochthonem Saatgut (21 Meter) (alle Fotos: Bayerische

KulturLandStiftung).

→ Bild 2: Extensiver Ackerbau (Winterweizen) mit dreifachem Reihenstand mit

Kiebitzinsel; Juli 2017.

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wechselnden Flächen beschrieben, welches a) durch ihre Verteilung im Raum mehr Effektivität für den Biotopver-bund erwirkt und b) qualitativ hochwertig ausgestaltet ist (z. B. autochthones Saatgut bei Blühstreifen, Kombinati-onsbrachen etc.). Somit wurde mit einem niedrigen Flä-chenbedarf die Kompensation im Jahr 2015 umgesetzt. Die jährlichen Monitoringergebnisse zeigen, dass bis dato keine weiteren Ausgleichserfordernisse zusätzlich nötig werden (http://www.bayerischekulturlandstiftung.de/vi-deo-kriegenbrunn-2016).

Projekt Hochwasserschutz Niederalteich Der Hochwasserschutz entlang der Donau in Niederbay-ern hat seit den Ereignissen im Jahr 2013 mehr denn je an Bedeutung gewonnen. Auch in Niederalteich werden seit 2017 Schutzmaßnahmen ergriffen, um die Gemeinde vor Extremereignissen zu schützen. Der Neubau der tech-nischen Schutzmaßnahmen an der Donau führt zu Ein-griffen in die bestehende Landschaft und beeinträchtigt in Folge die Entwicklung bedrohter Feldvogelarten wie Kiebitz und Feldlerche. Auf Basis von PiK-Maßnahmen auf wechselnden Flächen werden mit den ortsansässi-gen Landwirten derzeit 36 Hektar Maßnahmen, wie der extensive Ackerbau in weiter Reihe mit Kiebitzfenstern, Brach- und Blühflächen, umgesetzt. Eine intensive Bera-tung aller interessierten Landwirte ist von großer Bedeu-tung. Jährlich finden hierzu Feldbegehungen gemeinsam mit dem Auftraggeber, der Höheren Naturschutzbehörde, der Gruppe Landwirtschaft und Forsten der Regierung und den Partnern vor Ort statt, um die Maßnahmen auf ihre naturschutzfachliche Wirksamkeit zu eruieren und die landwirtschaftliche Praktikabilität zu beschreiben. Dieser gegenseitige Diskussionsprozess führt zur Neu-entwicklung von Maßnahmen, die für die Agrarstruktur und den Naturschutz von großer Bedeutung sind (http://www.bayerischekulturlandstiftung.de/video-niederal-teich-2016).

Neubau und Erweiterung von Erwerbsgärtnereien Die BayKompV ist verbindlich für Bauvorhaben im Außen-bereich. Oftmals sind hier ebenfalls artenschutzrechtliche Aspekte zu beachten. Auch hier ist es möglich, PiK-Maß-nahmen auf wechselnden Flächen umzusetzen, wenn sie für den Eingriffsverursacher als eine attraktive Möglichkeit zur Kompensation in Frage kommen. Hierfür wird bei Maß-nahmen in Mittelfranken und Oberbayern in einer ersten Vorabanalyse gemeinsam mit dem Eingriffsverursacher eine Kostenkalkulation durchgeführt, welche auf den geforder-ten Kompensationszeitraum gemünzt ist.

Ausblick in die ZukunftDie Produktionsintegrierte Kompensation auf wechselnden Flächen ist eine Chance für Naturschutz und Landwirtschaft, gemeinsam und regional Ausgleichserfordernisse zu bewäl-tigen (vgl. „SuB“ 8/9 2017; Seite 39 – 41). Die Praxiserfahrun-gen zeigen, dass:

→ die Betrachtung der Agrarstruktur, → die Festlegung der Suchräume, → die Ausgestaltung des PiK-Maßnahmenportfolios, → die regionsspezifische Ermittlung der Vergütungs-

sätze der Vertragspartner und → die stete Beratung der Landwirte vor Ort

wichtig sind, um eine nachhaltige Umsetzung zu gewähr-leisten. Auch im Sinne der Erhaltung und Förderung unserer Biodiversität kann sie einen großen Beitrag leisten, durch Vernetzungsstrukturen in der intensiven Agrarlandschaft zu punkten. Gerade aber auch in der Bauleitplanung nach dem Baugesetzbuch sollten nun weitere Anstrengungen unter-nommen werden, dieses neue Instrument in die Praxis zu überführen. Dafür sprechen die positiven Effekte für den Naturschutz, wie auch das weitreichende Engagement und Interesse der Landwirte PiK-Maßnahmen auf wechselnden Flächen umzusetzen.

DOMINIK HIMMLERGeSchäFTSFÜhrer der BaYeriSchen KULTUrLandSTiFTUnGdominik.himmler@bayerischekulturlandstiftung.de

→ Bild 3: Blühstreifen im Gärtnereibetrieb.

• Kein Flächenankauf nötig• Keine Eintragungen von Grunddienstbarkeiten• Erhaltung des Ackerstatus (Mehrfachantrag)• Möglichkeit der Rotation (Fruchtfolge)• Sicherung durch Institution („Institutionelle Sicherung“)• Vertragsabschluss mit Landnutzer (mindestens fünf Jahre)• Wertschöpfung in der Region

Infobox: PiK auf wechselnden Flächen – Das Wesentliche auf einen Blick

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Nahversorgung im ländlichen RaumDorfladen und Prunothek Absberg im Fränkischen Seenland

von URSULA UHLMANN: Der Strukturwandel im ländlichen Raum macht auch vor Nahver­sorgungseinrichtungen nicht halt. In vielen Dörfern wird die Versorgung mit Gütern des täg­lichen Bedarfs besonders für die ältere, nicht­mobile Bevölkerung zum Problem. Allerdings macht sich vielerorts auch Aufbruchstimmung breit. Engagierte Bürgerinnen und Bürger machen sich daran, mit Unterstützung der Dorferneuerung genossenschaftlich organisierte Dorfläden zu gründen. Staatsminister Brunner informierte sich über ein erfolgreiches Projekt in Absberg im Fränkischen Seenland.

So war es auch im 809 Einwohner zählenden Markt Absberg, Landkreis Weißenburg-Gunzen-hausen. Die statistischen Prognosen für diesen Landkreis gehen davon aus, dass die Bevölke-rung von 2015 bis 2035 zwar nahezu gleich blei-ben wird. Nach Altersgruppen wird jedoch die Zahl der unter 18-Jährigen um über 7 Prozent, die der 18- bis 65-Jährigen sogar um rund 12 Pro-zent abnehmen, während gleichzeitig die der über 65-Jährigen um 41 Prozent zunehmen wird. Diese Zahlen sind alarmierend! Aber der Trend wird kurz- bis mittelfristig nicht umkehrbar sein. Deshalb stellten und stellen sich die Fragen: Was können die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger tun, um diesen negativen Trend zu bewäl-tigen, und wie können die vielen alten Menschen, die oft in Ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ver-sorgt werden?

Zukunft durch Integrierte Ländliche EntwicklungAbsberg liegt am kleinen Brombachsee und damit mitten im touristisch geprägten „Fränkischen Seenland“. Gemein-sam mit elf benachbarten Gemeinden hat sich der Markt zur Integrierten Ländlichen Entwicklung „Fränkisches Seen-land – Hahnenkamm“ zusammengeschlossen. Dies ist eine der drei Integrierten Ländlichen Entwicklungen, die in enger Abstimmung mit dem Landkreis und den Kommunen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gegründet wurden. Ihr Planungsraum erstreckt sich über rund 1 000 Quadrat-kilometer mit circa 95 000 Menschen in 28 Städten, Märkten und Gemeinden. Auch die Gemeinde Auhausen des Land-kreises Donau-Ries ist Kooperationsmitglied.

Großer Wert wurde bei den Integrierten Ländlichen Ent-wicklungen darauf gelegt, dass die regionalen Strategien in einem Bottom-up-Prozess entstehen. Denn nur so erhalten

sie die erforderliche Akzeptanz von der Entwicklung bis zur Umsetzung.

DorfladenIn Absberg stand die um 1850 errichtete, denkmalgeschützte Dorfschule lange Zeit leer. Aus dem Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzept wurde gemeinsam mit den Bürgerin-nen und Bürgern das Projekt „Sanierung und Umbau des ehemaligen Schulhauses“ in Absberg entwickelt.

Die Idee der Nahversorgung ist in der Bevölkerung von Absberg tief verwurzelt. Dies zeigt einerseits das Engagement der Gemeinde beim barrierefreien Umbau des Gebäudes, andererseits aber auch das bürgerschaftli-che Engagement, das die genossenschaftliche Basis des La-dens trägt: 180 Mitglieder haben insgesamt 202 Anteile ge-zeichnet und schultern damit einen Warenbestand im Wert von rund 27 000 Euro. Die Genossenschaft „Dorfladen Markt

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→ Bild 1: Der Dorfladen in Absberg im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gun-

zenhausen (Foto: Maximilian Scheifele, ALE Mittelfranken).

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Absberg eG“ versorgt seit November 2014 Bürger und Ur-lauber mit Produkten des täglichen Bedarfs, vorwiegend aus regionaler Produktion, wie Fritz Menhorn von der Dorfl aden Markt Absberg eG erläuterte. Bereits im Jahr 2016 habe die „Dorfladen Markt Absberg eG“ schwarze Zahlen geschrie-ben.

Zudem wurden zehn außerlandwirtschaftliche Arbeits-plätze neu geschaffen. Dass der Dorfladen nicht nur für Ein-käufe rege genutzt wird, sondern mit dem angegliederten Bistro auch eine wichtige soziale Funktion erfüllt und als Kommunikationszentrum im Ort dient, wurde auch wäh-rend des Besuchs deutlich. Der Dorfladen steigert allerdings nicht nur die Lebensqualität im Markt Absberg, sondern strahlt durch die Vermarktung regionaler Produkte weit in die Region. Zudem konnte die regionale Wertschöpfung er-höht und die touristische Infrastruktur im Fränkischen Seen-land verbessert werden.

PrunothekNach dem Besuch im Dorfladen folgte ein Abstecher zu Europas erster „Prunothek“ im ersten Stock des Gebäudes. In dieser konnten die Besucher die Kirsch-Erzeugnisse der genossenschaftlichen Manufaktur „Echt Brombachseer“ verkosten. Die Genossenschaft hat sich die Vermarktung von rund 30 alten regionalen Kirschensorten auf die Fahne geschrieben, die durch ihre geringere Transport- und La-gerfähigkeit für den Handel nicht mehr attraktiv waren. Die Brombachseer Kirschen haben in der Prunothek eine Heimat gefunden. Dort werden ihre Werte für die Kultur-landschaft, ihre Wertschöpfung für die Region und ihre Wertschätzung als neuer regionaler Imageträger in das öffentliche Bewusstsein gehoben. Der Aspekt „Schützen durch Nützen“ wurde auch durch die Auszeichnung als „Pro-jekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ in diesem Frühjahr bestätigt.

Dorferneuerung wird weiter gestärkt„Dorfläden sind neben der Versorgung mit Gütern des täg-lichen Bedarfs wichtige Kommunikationszentren für die Menschen im Dorf und Ausdruck einer intakten Dorfge-meinschaft. Damit wird die Innenentwicklung der Dörfer gestärkt, die Versorgungssituation verbessert und der Ab-satz regionaler Produkte unterstützt“, so Minister Brunner. „Um solche Projekte noch besser unterstützen zu können, haben wir in diesem Jahr die Förderung von Kleinstunter-nehmen der Grundversorgung in die Dorferneuerung auf-genommen.“, unterstrich der Minister. Von der Verbesse-rung der Dorferneuerungsförderung profitieren Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von unter zwei Millionen Euro – ihnen waren staatliche Zu-schüsse bislang weitgehend verwehrt. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Gelder dafür eingesetzt werden, die Bedürfnisse der Menschen mit Gütern oder Dienstleis-tungen des wiederkehrenden Bedarfs zu decken – was etwa für die Nahversorgung, die Instandhaltung von Gebäuden oder Gesundheits- und Pflegedienstleistungen gilt.

Beim abschließenden Gespräch in der Prunothek be-tonte der Minister: „Sie haben unsere Angebote zur Stärkung der ländlichen Räume in vorbildlicher Weise kombiniert und eingesetzt: Dorfladen und Prunothek wurden aus dem Kon-zept der Integrierten Ländlichen Entwicklung entwickelt und über die Dorferneuerung umgesetzt. Die Botschaft, die heute von Absberg ausgeht, lautet: Es lohnt sich, das eigene Lebensumfeld mitzugestalten. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass Ihr Dorfladen zur Nachahmung anregt.“

URSULA UHLMANNamT FÜr LändLiche enTWicKLUnG [email protected]

→ Bild 2: Fritz Menhorn war eine treibende Kraft beim Entstehen des

Dorfladens und erläuterte den Besuchern das Konzept (Foto: Nicolas

Armer, StMELF).

→ Bild 3: Zum Abschluss seines Informationsbesuchs ließ sich Minister

Brunner den „Echt Brombachseer“ schmecken (Foto: Nicolas Armer,

StMELF).

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Langfristige Strategien zur Bienengesundheit

von GERHARD MÜLLER-ENGLER: Die Förderung der Bienengesundheit im Allgemeinen ist alles andere als eine einfache Sache. Die einzelnen Ursachen und deren Beseitigung sind nur in manchen Publikationen oder an Stammtischen die Lösung aller Probleme. Verbesserun-gen bringen nur mehrgleisige und langfristige Ansätze unter Mitwirkung aller Akteure in der Imkerei, in der Landwirtschaft und der Gesellschaft. Das Ziel wäre dann erreicht, wenn den Honigbienen auch ohne menschliche Eingriffe ein Überleben möglich wäre.

Die Honigbiene als einziges Bestäuberinsekt, das als Staat überwintert und deshalb bereits im Frühjahr zahlenmäßig stark präsent ist, spielt in der Landwirtschaft und natürlich im besonderen Maße im Naturhaushalt eine große Rolle.

Daneben liefert die Biene Honig als wertvolles Nahrungs­mittel. Dieser wird bei uns sehr nachhaltig produziert. Des­halb sollte es auch unser Ziel sein, den Bedarf möglichst aus eigener Produktion zu decken. Derzeit werden circa 75 Pro­zent des in Deutschland konsumierten Honigs importiert.

Mit Bienenmonitoring wissen, was los ist!Die Biene ist ein Bioindikator, der sehr gut Umweltbedingun­gen anzeigen kann. Ein Bienenvolk bildet die Bedingungen im Flugkreis von bis zu drei Kilometern ab. Nur die fortlau­fende Beobachtung über mehrere Jahre ermöglicht aber eine schlüssige Beurteilung, ob die Umwelt bienenfreundlich ist. Geht es den Bienen gut, kann davon ausgegangen wer­den, dass auch für viele andere blüten­besuchende Insekten positive Voraus­setzungen herrschen.

Diese Aufgabe übernimmt das deutsche Bienenmonitoring, geför­dert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Mitar­beiter der Bieneninstitute besuchen regelmäßig private Bienenstände im ganzen Bundesgebiet und untersu­chen und beproben die Bienenvölker. Die Ergebnisse geben Aufschluss über Verlustursachen, Parasiten­ und Keim­belastungen der Bienenvölker und ver­mitteln so auch einen Eindruck vom Zustand des Lebensraumes.

Im Bereich Pflanzenschutz unter­sucht das Fachinstitut für Bienenschutz vom Julius­Kühn­Institut Risiken und Schadfälle und arbeitet sie zusam­

men mit dem Pflanzenschutzdienst an den Ämtern für Er­nährung, Landwirtschaft und Forsten inhaltlich auf. Ziel ist es Verstöße zu ahnden und bei Bedarf Zulassungskriterien nach zu justieren. Das Friedrich­Löffler­Institut beobachtet das Tierseuchengeschehen und gibt bei Bedarf Leitlinien für die Vollzugsbehörden (meist Veterinärämter) heraus. Es steht als nationales Referenzlabor für weitere Untersu­chungseinrichtungen zur Verfügung.

Eine wichtige Rolle bei der Beobachtung von Verände­rungen spielt natürlich auch der Imker selbst. Kein Bestäu­berinsekt wird so flächendeckend kontrolliert wie die Ho­nigbiene, da in den meisten Fällen jedem Volk ein Imker zur Seite steht. Unterstützende Maßnahmen durch den Staat finden deshalb gerade hier statt. In der Ausbildung und Beratung wird vermittelt, wie die Anzeichen im scheinba­ren Chaos eines Bienenvolkes zu interpretieren sind. Die staatliche Fachberatung steht den Imkern kostenlos und

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→ Bild 1: Artenreiche Ansaaten wie die Veitshöchheimer Bienenweide können die Nektar­ und

Pollenversorgung von Wild­ und Honigbienen verbessern (alle Fotos: Institut für Bienenkunde

und Imkerei).

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flächendeckend mit Beratung und Schulungen zur Seite. Das Institut für Bienenkunde und Imkerei an der Bay­erischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau bietet Spezial­ und In­tensivkurse an. Auch die Imkervereine leisten mit ihren ehrenamtlichen Mul­tiplikatoren und Schulungsprogram­men einen wertvollen Beitrag bei der Vermittlung von Fachwissen.

Staatliche Stellen, wie das Institut für Bienenkunde und Imkerei in Veits­höchheim, oder geförderte Einrich­tungen, wie der Bienengesundheits­dienst, unterstützen die Imker darüber hinaus bei weitergehenden Fragen zur Bienengesundheit oder Produktqua­lität mit Untersuchungen in ihren La­boren.

Das Bienenmonitoring, die gesetz­lichen Vorgaben bei Pflanzenschutz und Tierseuchen sowie die Beobachtungen durch gut ausgebildete Imker ergeben so ein facettenreiches Bild. Die Verbreitung von Parasiten und Krankheitserregern durch Warenströme, aber auch durch klimatische Verän­derungen sowie Veränderungen in der Landnutzung zei­gen sich als neue Herausforderungen für unsere Bienen, die maßgeblichen Einfluss auf die Bienengesundheit neh­men können.

Lebensraum für Bienen verbessernZur Verbesserung der Bienengesund­heit gibt es zwei Ansatzpunkte: die Umwelt und die Biene selbst. Zum einen soll durch gezielte Maßnah­men der Lebensraum für die Bienen verbessert werden. Hier gibt es eine Reihe von Projekten, die mittlerweile auch in der Bevölkerung einen Um­denkprozess angestoßen haben.

Vielfältige Bienenweiden (siehe Bild  1) durch das Kulturlandschafts­programm und Greening­Maßnahmen der Landwirte, Energiegewinnung aus Blühmischungen, insektenfreundliche Kübelbepflanzungen (siehe Bild 2) und vieles mehr stellen Mosaiksteine für ei­nen abwechslungsreichen Lebensraum dar. Vom Balkonkastenbesitzer bis zum Landwirt kann jeder hier seinen Beitrag

leisten. Hinter all diesen Projekten steckt immer auch viel Entwicklungsarbeit, die als Investition in die Zukunft ver­standen werden muss.

Aber auch beim Pflanzenschutz wird versucht mögliche negative Auswirkungen auf die Bienen zu reduzieren (siehe Bild 3). Sensiblere Zulassungsprüfungen, die nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch zunehmend nachteilige Effekte auf die Bienen berücksichtigen, und eine intensivere Über­wachung der Anwendung sollen einen besseren Interessen­ausgleich ermöglichen.

→ Bild 2: Beet und Balkon bieten Möglichkeiten, Lebensräume für Bienen zu schaffen. Viele Küchen­

kräuter sind attraktiv im Balkonkasten und bereichern den Speisezettel – nicht nur für Bienen.

→ Bild 3: Neue Techniken wie der Einsatz von Dropleg­Systemen reduzieren den Wirkstoffeintrag

in Bienenvölker, wenn während der Blüte z. B. Raps behandelt wird.

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Anpassung der Biene durch gezielte Zucht Eine bessere Anpassung kann aber auch auf Seite der Bie­nen erfolgen. Die Zeiträume einer natürlichen Adaptation liegen oftmals weit über dem menschlichen Lebenshori­zont. Durch den Aufbau von effektiven Zuchtstrukturen und der Entwicklung von neuen Zuchtparametern wird

deshalb versucht, auf züchterischem Wege eine schnellere Anpassung der Honigbienen an ihre Umwelt zu erreichen. Die Fortschritte im Zuchtmerkmal „Bruthygieneverhalten“ geben hier durchaus Grund zur Hoffnung, eine krankheits­resistentere Biene zu züchten. Doch auch bei der Zucht ist langfristiges Denken wichtig. Da wir heute noch nicht ab­sehen können, welchen Gefahren unsere Bienen in Zukunft ausgesetzt sein werden, gilt es gerade in der Zuchtarbeit die verfügbaren Ressourcen – besser gesagt die genetische Vielfalt – zu bewahren. Der Erhalt und die Förderung von zahlreichen Belegstelleneinrichtungen (Zuchteinrichtun­gen für die Anpaarung der Bienenköniginnen), die flächen­deckend über Bayern verteilt sind, ist hierbei ein wichtiger Grundbaustein.

Der Imker als Stabilisierungsfaktor Die genannten Strategien greifen jedoch nicht sofort, son­dern sind langfristig angelegt. Deshalb sind auch kurzfris­tige Maßnahmen notwendig.

Durch den engen Kontakt zu seinen Bienen erkennt der Imker am schnellsten Störungen in der Bienengesund­heit und kann auch oftmals unmittelbar gegensteuern. Eine Varroabehandlung nach Feststellung einer hohen Mil­ben­Belastung (siehe Bild 4, 5) ist ein solcher Eingriff. Diese Soforthilfe kann jedoch nur bei Bienenvölkern in mensch­licher Obhut erfolgen.

Eine stabile Bienenpopulation auf heutigem Niveau ohne menschliche Hilfe wäre zwar wünschenswert, wird aber derzeit als nicht realistisch angesehen. Die Imker grei­fen deshalb stabilisierend in das System ein und helfen den Bienen durch standardmäßige Eingriffe zu überleben. Die Varroabehandlung im Sommer oder eine regelmäßige Wa­benerneuerung zur Vermeidung einer Anreicherung von Keimen und Rückständen können hier als Beispiel genannt werden.

Trotz dieser Maßnahmen treten immer wieder auch Ver­luste auf, die von den Bienen nur schwer verkraftet werden können. Weil unsere Bienenpopulation von vielen Imkern getragen wird, können diese bisher aber immer wieder aus­geglichen werden. Die regelmäßige Vermehrung von Bie­nenvölkern durch die ortsfesten Imker ist ein zentraler, nicht zu unterschätzender Beitrag zur Stabilisierung der Gesamt­population.

GERHARD MÜLLER-ENGLERLandeSanSTaLT FÜr WeinBaU Und [email protected]

→ Bild 4: Die Kontrolle der Varroamilbe erfolgt durch einen Bodenschie­

ber. Dieser wird in den Bienenkasten eingeschoben und die herabfal­

lenden Milben in festgelegten Zeitintervallen gezählt.

→ Bild 5: Die Varroamilbe lebt auf der erwachsenen Biene und vermehrt

sich auf der Bienenbrut – dies erschwert die Behandlung, denn diese

trifft auch immer die Biene.

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Landtechnik 4.0Seminar landtechnik der landwirtschaftsschulen neu konzipiert

von HAnS VETTER: Seit der letzten Überarbeitung der Inhalte des Landtechnikseminars sind annähernd 15 Jahre vergangen. Seitdem haben sich mit der gezielten Entwicklung der Bayerischen Landwirtschaftsschulen hin zu Meisterschulen Inhalte und Niveau verändert. Die Studierenden durchlaufen in ihrer Berufsausbildung bereits einschlägige Lehrgänge an den Landmaschinenschulen und hinterfragen kritisch den Zusatznutzen des Landtechnik-seminars. Auch die Lehrkräfte suchen angesichts der enormen Verdichtung der Lerninhalte nach Möglichkeiten, Zeitreserven zu erschließen. Dazu kommt eine rasante Entwicklung der Landtechnik in Richtung neuer Informationstechnologien und Vernetzung: Stichwort Land-wirtschaft 4.0. Auch weiter verschärfte Auflagen- und Dokumentationsverpflichtungen für unsere Bauern sind im Grunde ohne Nutzung von IT und Vernetzung nicht mehr erfüllbar.

der leiter des Schulreferates im Bayerischen Staatsminis-terium für Ernährung, landwirtschaft und Forsten, dr. Mi-chael Karrer, initiierte im Frühjahr 2016 eine Arbeitsgruppe

aus Schulleitern, die gemeinsam mit den leitern aller Bay-erischen landmaschinenschulen eine einvernehmliche neukonzeption der inhalte erarbeitete. unter leitung von

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Seminarthemen Richtstunden

Landtechnik der Zukunft: Trends, Entwicklungen 2

Smart Farming/Digitalisierung 8

• Maschinensteuerung: Wird in jedem Themenbereich integrativ an der Maschine behandelt: isobus, load-Sensing• Parallelfahrsysteme: Präsentation und Fahrübung mit John deere, Claas, Trimble (Fendt, CnH)• dokumentation auf der Maschine und Übertragung der dateien: Bluetooth, Stick/Speicherkarte, Mobiltelefonie • datenverarbeitung im Betrieb („Smart Farming“) Ackerschlagkarteien, Erstellen von Job-descriptions, allgemeine

dokumentation• Einpflegen der Feldstücke aus dem Mehrfachantrag und dokumentation (exemplarisch)

Ressourcenschutz (landtechnische Möglichkeiten) 10

• Erosionsschutzprävention und Bodenschutz: Bodenbearbeitung und Saat/Pflanzung (Säverfahren, Mulchsaat, direktsaat, Controlled Traffic; Verminderung von Bodendruck)

• Kraftstoffsparende Fahrweisen (Feld und Straße)• Bedarfsgerechte n-düngung: n-Sensoren• Mineraldüngerstreuer: Bauformen, Streutechnik, Rand- und grenzstreueinrichtung• gewässerschutz: Randstreifenprogramme: Stallmist- und Kompoststreuer • güllebehandlung und -ausbringung• Pflanzenschutzgeräte: Bauformen und Einsatzbereiche von Pflanzenschutzspritzen, Abdrift-Minderung,

Teilbreitenschaltung

Verkehrs- und Fahrersicherheit, „Fahrerknigge“ 6

• ladung- und Transportsicherheit: Vorschriften, Zurrmittel, Zurrpunkte• Verkehrssicherheit: Kenntlichmachung, Bremsverhalten, Sichtfeld bei Anbaugeräten, Abbiegezeiten mit Anhängern

und Anbaugeräten• Fahrerknigge (Basis M. gehring, KBM e. V.)

Regionale und betriebliche Schwerpunkte 8

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Infobox: Neukonzeption des Seminars Landtechnik

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Hans Vetter vom Amt für Ernährung, landwirtschaft und Forsten (AElF) Coburg arbeiteten Herbert lang, AElF Schweinfurt, Josef Konrad, AElF Pfaffenhofen, Stefan gab-ler, AElF Weilheim, und Josef groß, AElF Straubing, in der Arbeitsgruppe mit. das Ergebnis (siehe Infobox) wurde in der Schulleiterbesprechung 2017 vorgestellt und nach kurzer diskussion akzeptiert und unterstützt.

Highlights des neuen Seminarsdie unterrichtseinheit „Regionale und betriebliche Schwer-punkte“ schafft Freiraum für besondere inhalte, abhängig von Region und Semesterstruktur. die Schulen müssen sich, was die Themenfestlegung betrifft, rechtzeitig mit den lei-tern der landmaschinenschulen abstimmen. die unter-richtseinheit „Verkehrs- und Fahrersicherheit“ dient der ge-fahrenprävention. im Bereich „Ressourcenschutz“ werden landtechnische Antworten auf die verschärfte Auflagensi-tuation (Stichwort: Wasserrahmenrichtlinie, Bodenschutz-recht, Pflanzenschutzrecht) gegeben. nachdem die leiter der landmaschinenschulen informell eng mit landtech-nikunternehmen vernetzt sind, kennen sie deren aktuelle Entwicklungsprojekte, Trends und Forschungsvorhaben. in der unterrichtseinheit „landtechnik der Zukunft: Trends, Entwicklungen“ werden sie unseren Studierenden darüber berichten – sicher auch ein kleines Highlight des neuen landtechnikseminars.

Aus den Rückmeldungen einiger Kollegen war unver-ständnis über den Wegfall des Projektes „Betriebsspezifische investitionsentscheidung und Projektpräsentation“ zu ent-nehmen. die Arbeitsgruppe begründet diesen Einschnitt mit den inhalten der Wirtschafter-Arbeit und der Frage, ob das gesamte Semester zu einer kurzen Projektpräsentation an der landmaschinenschule bleiben muss.

Für ein ausgelagertes landtechnikseminar ist das Vor-handensein didaktisch triftiger gründe eine zwingende Voraussetzung. Außerdem muss dieses Seminar zu einer weiteren Aufwertung der landwirtschaftsschule als Meis-terschule führen. diese primären Zielsetzungen hat sich die Arbeitsgruppe intern gegeben. Bei einer richtigen didak-tischen und methodischen umsetzung des dargestellten lehrplans wird dieses Ziel auch erreicht – davon jedenfalls geht die Arbeitsgruppe aus.

HANS VETTERAMT FÜR ERnÄHRUng, lAndWiRTSCHAFT Und FORSTEn [email protected]

Ministerialrat Thomas Höckmeier über-reichte am 28. September 2017 im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, landwirtschaft und Forsten

13 neue Landwirtschaftsobersekretäre erhielten Ernennungsurkunden

→ Bild: (erste Reihe von links): Monika Eck, Franziska Wagner, Tamara Stocker, Alexander Wölfel,

Christian Haspelhuber, Helmut Ramesberger, (zweite Reihe von links): daniel Schmidt, dandy

Schneider, Fabian Baumgart, Stefan Resch, Markus Kreitmeier, (dritte Reihe von links): Hubert

Büchl, Alexander Kirchner (Foto: Tamara Stocker, AElF Krumbach).

in München den insgesamt 13 neuen landwirtschaftsobersekretären in feier lichem Rahmen die Er nennungs-urkunden.

Helmut Ramesberger gab vor den Beam-ten auf Probe und den Ehrengästen einen kurzen Rückblick über die vergangene Ausbildungszeit von zwölf Monaten und erläuterte die lerninhalte. die fünf bes-ten Anwärter der laufbahn im deutschen Beamtenrecht für den mittleren dienst, Qualifikationsebene 2 (QE2) wurden vom Ministerialrat in seiner Ansprache beson-ders hervorgehoben. das notenspektrum reichte von sehr guten 1,9 bis 3,5. Wäh-rend der urkundenverleihung wurden auch die neuen dienstorte der landwirt-schaftsobersekretäre in Bayern bekannt gegeben. Einige Ämter können sich dem-nächst über tatkräftige Verstärkung in den Abteilungen freuen.

Tamara Stocker, AELF Krumbach

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→ Bild 1: Mit dem kostenfreien Programm Movie Maker lassen sich Einzelbilder schnell zu

Stop-Motion-Videos zusammenfügen.

→ Bild 2: Auf der internetseite http://www.stopmotiontutorials.com/ finden Sie umfangreiche

informationen zum Erstellen von Stop-Motion-Videos.

Gewusst wie: Daumenkino erstellen – Videos aus Einzelbildern für den Unterricht

Aufeinander folgende Arbeitsschritte werden fotografiert. Die Einzelbilder werden mit einer Software zu einem so genannten Stop-Motion-Video zusam-mengefügt. Als mp4-Datei haben die Filme einen geringen Dateiumfang. Sie können als Lernmittel auch für Unter-richtszwecke eingesetzt werden.

Was sind Stop-Motion-Videos?Aus Einzelbildern zusammengesetzte Filme – früher als „daumenkino“ bekannt – wer-den als Stop-Motion-Video bezeichnet. Sie eignen sich zur dokumentation festgeleg-ter Handlungsabläufe. Beispiele für den unterricht sind z. B. die Zubereitung von nahrungsmitteln, Wäschepflege, gehölz-pflanzung, Maschinenwartung. Auf der Seite www.stopmotiontutorials.com/ gibt es Hinweise für Anfänger und Fortgeschrit-tene.

Einsatzmöglichkeitendurch Einzelbilder ist eine Konzentration auf Wesentliches möglich. Beschriftungen wie Titel, Abspann, untertitel steigern das Verständnis. die Filme können als lernhilfe

beliebig oft angeschaut und angehalten werden. Bei Bedarf können die Filme auch bei YouTube veröffentlicht werden. im mp4-Format ist der dateiumfang gering, verschiedene Qualitätsstufen und datei-größen sind möglich. Anders als Power-point-dateien werden die Filme ohne Pro-gramminstallation auch auf Mobilgeräten wiedergegeben. Prinzipiell kann man die Einzelbilder mit einer geeigneten App auch

auf dem Mobilgerät zu einem Video zu-sammenfügen. Kostenfreie Apps enthalten jedoch häufig Werbung. Sehr gute Erfah-rungen gibt es mit dem leicht zu bedienen-den Programm Movie Maker von Microsoft. die Menüführung ist weitgehend selbster-klärend. die Software ist kostenfrei, bietet umfangreiche Bearbeitungsmöglichkeiten und steht zur installation durch die iuK-Be-auftragten zur Verfügung.

Tipps• Stativ verwenden• Selbstauslöser vermeidet Ver wackeln • auf gute Ausleuchtung achten,

Tageslicht bevorzugen, Schatten vermeiden

• auf störende gegenstände im Aufnahmebereich achten

• Möglichkeit, vom fertigen Ergebnis rückwärts zu arbeiten, z. B. beim Tisch decken

• Musikuntermalung möglich, Ablen-kung und gEMA-Rechte beachten

unterrichtsbeispiele von Stop-Motion- Videos finden Sie im Portal für lehrkräfte.

Peter Weyman, FüAk

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Haushaltsnahe Dienstleistungen für PflegebedürftigeSchulung von Referentinnen

von JudiTH REglER-KEiTEl: Haushaltsnahe Dienstleistungen dienen der Unterstützung im Alltag. Ab Pflegegrad 1 besteht für diese Entlastungsleistungen nach der aktuellen Pflege-gesetzgebung ein Erstattungsanspruch von 125 Euro pro Monat. Pflegebedürftige erhalten diese Erstattung jedoch nur, wenn der Dienstleistungsanbieter eine nach Landesrecht gere-gelte Anerkennung vorweisen kann. Voraussetzung für diese Anerkennung ist unter ande-rem, dass die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter eine 40-stündige Schulung besucht haben. Derzeit werden von verschiedenen Trägern Referentinnen und Referenten für die Schulung der hauswirtschaftlichen Inhalte gesucht. Das Fortbildungszentrum Triesdorf qualifizierte 60 Referentinnen und erfasste diese in einer Adressdatei.

das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, landwirt-schaft und Forsten (StMElF) fördert zwei Projekte „Aufbau ei-nes dienstleistungszentrums für haushaltsnahe Angebote“ in Kommunen mit der Zielsetzung, Erkenntnisse bezüglich der erforderlichen Anpassung der Aus- und Fortbildungs-inhalte sowie zur Finanzierbarkeit und Qualitätssicherung zu gewinnen. in diesen Modellkommunen zeigte sich bald der Bedarf an hauswirtschaftlichen Schulungen für poten-

zielle Mitarbeiterinnen, aber auch für die Ehrenamtlichen der Kooperationspartner „nachbarschaftshilfe“ in Erkheim bzw. Mehrgenerationenhaus in Weidenbach.

Rechtliche Grundlagennach der aktuellen Pflegegesetzgebung können Personen ab Pflegegrad 1 haushaltsnahe dienstleistungen in An-spruch nehmen und sich die Kosten bis zu einer Höhe von

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Infobox: Empfehlungen des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN

Referat Bildung und Schulwesen in der Hauswirtschaft

Seite 1 von 2

Ludwigstraße 2 80539 München Telefon 089 2182-0 [email protected] www.stmelf.bayern.de

Empfehlungen zur Qualifizierung entsprechend § 82 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b AVSG für haushaltsnahe Dienstleistun-gen(40 Schulungseinheiten)

Inhalte zum Umgang mit pflegebedürftigen und demenzkranken Menschen (20 UE)

entsprechend den Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes und des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen e.V. vom 02.02.2015.

Referenten/innen für diese Inhalte sind Fachkräfte, die den Anforderungen zur Schu-lung ehrenamtlicher Alltags- und Pflegebegleiter und ehrenamtlich Tätiger bei Betreu-ungsangeboten entsprechen. (entsprechend „Hinweise zum Vollzug von Teil 8 Abschnitt 5 bis 8 AVSG“)

Schulungs-einheiten

Inhalte

4 UE Basiswissen über Krankheits-/Behinderungsbilder der zu betreuenden Menschen und Behandlungsformen

6 UE Basiswissen über die Pflege der zu betreuenden Menschen

3 UEWahrnehmung des sozialen Umfeldes, v.a. der Situation der pflegenden Angehörigen,und des bestehenden Hilfe- und Unterstützungsbedarfs

2 UE Umgang mit pflegebedürftigen Menschen

5 UE

Kommunikation und Gesprächsführung

Nur für ehrenamtliche Helfern und Helferinnen: Selbstmanagement im Kontext des ehrenamtlichen Engagements Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen

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Hauswirtschaftliche Inhalte (20 UE) Referenten/innen für die Themenbereiche sind Fachkräfte, die eine Berufsausbildung oder Fortbildung in der Hauswirtschaft haben. (entsprechend „Hinweise zum Vollzug von Teil 8 Abschnitt 5 bis 8 AVSG“) Schulungs-einheiten Inhalte

2 UE

Biografiearbeit und hauswirtschaftliche Betreuung Biografiearbeit v.a. hinsichtlich

- Ernährung, Wohnen - Feste und Feiern im Jahreskreis

Hauswirtschaftliche Betreuung - Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten

8 UE

Hygiene im Privathaushalt Grundlagen der Hygiene Hygiene

- bei Einkauf, Lebensmittellagerung und Vorratshaltung - bei der Speisenzubereitung - bei der Reinigung - bei der Wäschepflege

Desinfektion - Notwendigkeit - Arten und Verfahren

1 UE

Gesundheitsschutz der Mitarbeiter Schutz vor übertragbaren Krankheiten (Personalhygiene) Ergonomisches Arbeiten Hautschutz

2 UE

Unfallverhütung Sicherheit der Mitarbeiter Verringerung der Unfallgefahren im Haushalt (Stürze, Brandge-

fahr, Vergiftungen)

4 UE Reinigung im Privathaushalt

Reinigungsverfahren, Reinigungsmittel Material- und Umweltschonung

3 UE Ernährung im Alter

Grundlagen der Seniorenernährung Ernährung bei Demenz Beeinträchtigungen bei der Nahrungsaufnahme

Diese Inhalte sind durch laufende Schulungen zu vertiefen.

Stand: 20.06.2016

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125 Euro pro Monat von ihrer Pflegekasse erstatten lassen. Entscheidend ist jedoch, dass der dienstleistungsanbie-ter eine Anerkennung seines Angebotes durch das Zent-rum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth erhal-ten hat. Auch zugelassenen Pflegedienste benötigen seit 1. Januar 2017 diese Anerkennung durch das ZBFS, um An-gebote zur unterstützung im Alltag mit der Pflegekasse ab-rechnen zu können. Voraussetzung für diese Anerkennung ist unter anderem der nachweis, dass die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter an einer 40-stündigen Schulung (hauswirt-schaftliche inhalte und inhalte zum umgang mit pflegebe-dürftigen und demenzkranken Menschen) teilgenommen haben. die inhalte dieser Schulung wurden vom StMElF in Abstimmung mit dem zuständigen Referat des Bayerischen Staatsministeriums für gesundheit und Pflege als Empfeh-lung zusammengestellt (siehe Infobox). die hauswirtschaft-lichen inhalte müssen von einer hauswirtschaftlichen Fach-kraft vermittelt werden.

Enorme Nachfrage nach Schulung das Fortbildungszentrum Triesdorf hat in Zusammenarbeit mit den Projektkräften in Erkheim und Weidenbach Schu-lungsunterlagen für diese hauswirtschaftlichen inhalte erarbeitet und über die Ämter für Ernährung, landwirt-schaft und Forsten interessierte zu einer Referentenschu-lung nach Triesdorf eingeladen. die nachfrage war enorm. 60 Hauswirtschafterinnen und Meisterinnen aus ganz Bay-ern erhielten eine Zusage. Etwa 30 interessentinnen wurden vorgemerkt für weitere Schulungen, die vom Bayerischen landesausschuss Hauswirtschaft (BaylaH) und im März 2018 vom Amt für Ernährung, landwirtschaft und Forsten Mindelheim angeboten werden.

Aktuelle Fachinformationenin der Referentenschulung erhielten die Teilnehmerinnen aktuelle informationen zur Pflegegesetzgebung aus haus-wirtschaftlicher Sicht, methodische Empfehlungen und Schulungsgrundsätze sowie fachliche informationen zu Bio-grafiearbeit, Hygiene, Hautschutz, gesundheitsschutz, un-fallverhütung und Ernährung im Alter mit vielen Broschüren, Beispielen und Anschauungsmaterialien.

die 42-seitige Schulungsunterlage wurde vorgestellt und auf eine Kurzfassung hingewiesen, die dann zur Stoff-sicherung an die eigenen Schulungsteilnehmer ausgegeben werden kann.

Trotz der hohen Teilnehmerzahl war es möglich, die in-dividuellen Erfahrungen auszutauschen und sich kennen zu lernen. Ermöglicht wurde diese Kontaktaufnahme durch eine Bayernlandkarte (siehe Bild), in die jede Teilnehmerin ein vorbereitetes namensfähnchen stecken konnte. die Rückmeldungen zur Veranstaltung waren durchweg posi-

tiv, vor allem das Schulungskompendium wird als wichtige unterstützung gesehen.

Erstellung einer ReferentendateiAbschließend konnten sich die Teilnehmerinnen in eine Referentendatei aufnehmen lassen, die dann an die Äm-ter für Ernährung, landwirtschaft und Forsten sowie an verschiedene Träger von Schulungen versandt wurde, z. B. an Caritas, Malteser Hilfsdienst e. V., diakonie und Rotes Kreuz. Auch der BaylaH erhält diese Referentenliste, da er mit der deutschen Alzheimer gesellschaft, landesverband Bayern, diesbezüglich eine Kooperation vereinbart hat. das Sachgebiet 2.1 an den Ämtern für Ernährung, landwirt-schaft und Forsten erhielt in letzter Zeit von verschiedenen Weiterbildungsträgern vermehrt Anfragen nach möglichen Referentinnen für hauswirtschaftliche Schulungsinhalte. diese können nun mit den Kontaktdaten geschulter Refe-rentinnen beantwortet werden.

JUDITH REGLER-KEITELFORTBildUngSZEnTRUM HAUSWiRTSCHAFT [email protected]

→ Bild: Bayernlandkarte mit namensfähnchen (Foto: Michaela Schülein).

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Bayerisches Bio-SiegelBio und regio: Hand in Hand statt entweder – oder

von Dr. MICHaEL LÜDkE und PrOF. Dr. rICHarD BaLLING: Auch und häufig gerade beim Kauf von Bio-Lebensmitteln hat die regionale Herkunft einen hohen Stellenwert. Mit dem neuen Bayerischen Bio-Siegel gibt die Bayerische Staatsregierung den Marktbeteiligten eine Möglichkeit an die Hand, gegenüber dem Verbraucher eine höhere Qualität von Bio-Erzeug-nissen und die Herkunft der Rohstoffe sowie deren Verarbeitung sichtbar zu machen. Knapp zwei Jahre nach seiner Einführung hat sich das Qualitätssiegel bereits gut am Markt etabliert. Seine Sichtbarkeit und Signalwirkung trägt maßgeblich zur öffentlichen Wahrnehmung und erfolgreichen Entwicklung des Landesprogramms „BioRegio Bayern 2020“ bei.

Innerhalb der Europäischen Union stellt der Markt für Bio-Lebensmittel einen wichtigen Wachstumsbereich dar, der in den letzten Jahren von einem konstant zunehmenden Einzelhandelsmarkt und steigenden ausgaben der privaten Haushalte geprägt war. Zwar zeichnen sich in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU Unterschiede ab, der deutsche Markt trägt aber wesentlich zu dieser positiven Entwicklung bei. So haben die deutschen Haushalte im vergangenen Jahr insgesamt 9,48 Milliarden (Mrd.) Euro für Bio-Lebensmittel und -Getränke ausgegeben. Dies bedeutet einen Zuwachs von knapp zehn Prozent gegenüber 2015. Wesentlich wurde diese Umsatzsteigerung durch die Vollsortimenter des Le-bensmitteleinzelhandels (LEH) und ihre entsprechend aus-gebauten Sortimente getragen: Die betreffenden Umsätze stiegen um fast 15 Prozent auf insgesamt 5,45 Mrd. Euro. Damit erreicht der LEH einen anteil von 58 Prozent am Bio-Markt [1].

trotz dieser positiven Entwicklungen ist – sowohl auf Ebene der EU als auch in Deutschland – festzustellen, dass die Öko-Erzeugung hinter dem Nachfragewachstum des Marktes für Bio-Lebensmittel zurückbleibt. In der konse-quenz bedeutet dies, dass die Zunahme der Nachfrage nur durch steigende Importe gedeckt werden kann und die hei-mische Öko-Landwirtschaft nicht in dem ausmaß von der dargestellten positiven Marktentwicklung profitieren kann, wie es nachfragebezogen möglich wäre. Zwar ist Bayern im Ökobereich gut aufgestellt: Mit 8 800 landwirtschaftlichen Ökobetrieben und einer ökologisch bewirtschafteten Fläche von 280 000 Hektar nimmt der Freistaat bundesweit den Spitzenplatz ein. auch bei der Verarbeitung von Ökoerzeug-nissen konnte in den letzten Jahren ein deutlicher anstieg auf rund 3 150 Unternehmen verzeichnet werden. Dennoch bleibt auch in Bayern die Produktion noch teilweise weit hin-ter der Nachfrage zurück. Um diese künftig stärker aus hei-mischer, regionaler Produktion decken zu können, hat die Bayerische Staatsregierung 2012 deshalb das Landespro-gramm „Bioregio Bayern 2020“ ins Leben gerufen. Ein brei-

tes Maßnahmenpaket aus den Bereichen Bildung, Beratung, Förderung, Vermarktung und Forschung soll dazu beitragen, die Erzeugung von Bio-Produkten aus Bayern bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln.

Bedeutung von Regionalitätregionalität besitzt als kaufbestimmender Faktor bei vielen Verbrauchern einen hohen Stellenwert, der in den letzten Jahren noch weiter zugenommen hat. So gaben beispiels-weise im rahmen der vom Bundesministerium für Ernäh-rung und Landwirtschaft (BMEL) in auftrag gegebenen und im Januar 2017 veröffentlichten Studie „Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2017“ insgesamt 73 Pro-zent der Befragten an, Wert auf regionale Lebensmittel zu legen. 35 Prozent orientieren sich dabei an „bestimmten Sie-geln“. Vor allem im Freistaat genießen regionale Produkte hohes ansehen: Die repräsentative Umfrage des kompe-tenzzentrums für Ernährung (kErn) in diesem Jahr im auf-trag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) zeigt auf, dass rund 60 Prozent der Bayern Lebensmitteln aus der region oder dem Freistaat großes Vertrauen entgegenbringen.

Gerade bei vielen käufern von Bio-Produkten gehört „regionalität“ mit kurzen Wegen und nachvollziehbaren Strukturen zum ökologischen kontext und besitzt deshalb einen hohen Stellenwert. aufgrund des starken Wachstums der Nachfrage auf der einen und des deutlich geringeren Zuwachses der Eigenerzeugung auf der anderen Seite kam es gerade auf dem Ökomarkt zu einem regelrechten Glo-balisierungsschub. Gefördert wurde diese Internationali-sierung der Warenströme durch die zunehmende Verlage-rung der Bio-Einkaufsstätten in die Großbetriebsformen des Lebensmittelhandels: alle namhaften Vollsortimenter und Discounter haben inzwischen ein breites angebot an Bio-Lebensmitteln und signalisieren mit ihren Bio-Han-delsmarken entsprechende Produktkompetenz. Erzeu-gung und Verarbeitung der entsprechenden Lebensmittel

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werden für konsumenten fast zwangsweise zunehmend anonymer, die Skepsis in Sachen Glaubwürdigkeit von Bio-Produkten ist hoch. Dies kann auch auf den bayeri-schen Markt übertragen werden, denn die Erfahrungen aus vielen Projekten zeigen, dass sich der Wunsch nach regionalität auch im Segment der Bio-Lebensmittel, be-dingt durch den teilweise geringen Selbstversorgungs-grad in Bayern und die wachsende Warenzufuhr, in den letzten Jahren verstärkt hat. als Orientierung dienen auch im Bio-Bereich entsprechende Siegel. So gaben beispiels-weise im rahmen der genannten BMEL-Studie 58 Prozent der Frauen und 39 Prozent der Männer an, sie würden spe-ziell auch auf Bio-Siegel achten.

Kennzeichnung von Bio-ProduktenDie kennzeichnung von Bio-Produkten wird derzeit durch die für den Bio-Bereich gültigen EU-Verordnungen 834/2007 und 889/2008 geregelt. So darf ein Lebensmittel dann als „Bio“ oder „Öko“ bezeichnet werden, wenn mindestens 95 Prozent seiner landwirtschaftlichen Zutaten aus ökolo-gischer Erzeugung stammen. Zudem ist festgelegt, dass alle in den Mitgliedstaaten der EU erzeugten oder verarbeiteten Bio-Lebensmittel mit dem Bio-Logo der Europäischen Union gekennzeichnet werden müssen. Verpflichtend wird hierbei auch eine geografische Herkunftsangabe der Zutaten vorge-schrieben: „EU-Landwirtschaft“ (sofern mindestens 98 Pro-zent der landwirtschaftlichen Zutaten aus der EU stammen), „Nicht-EU-Landwirtschaft“ (wenn mindestens 98 Prozent der landwirtschaftlichen Zutaten aus Nicht-EU-Ländern stam-men) oder „EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft“ (für alle anderen Produkte). Der Bezug auf ein bestimmtes Herkunftsland (z. B. Deutschland) ist möglich, wenn mindestens 98 Prozent der landwirtschaftlichen Zutaten aus diesem Land stammen. Eine weitere, kleinräumigere kennzeichnungsmöglichkeit, wie sie von Verbrauchern oftmals gewünscht wird, sehen die entsprechenden EU-Verordnungen nicht vor.

In Deutschland bot das im Jahr 2002 vom Bundesminis-terium geschaffene sechseckige Bio-Siegel eine kennzeich-nungsalternative zum (damaligen) EU-Siegel – mit denselben

Inhalten. Dieses kann weiter für alle Produkte ver-wendet werden, die entsprechend der EG-Öko-Ver-ordnung erzeugt, verarbeitet oder in die EU im-portiert worden sind. Gemäß den EU-Bestimmun-gen hinsichtlich

eines freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union steht dieses Siegel allen offen, die Bio-Produkte ver-markten. Eine Herkunftsaussage oder weitergehende Qua-litätsaussagen sind damit nicht verbunden. Ende Juli 2017 nutzten noch über 4 900 Unternehmen diese zusätzliche na-tionale kennzeichnungsmöglichkeit auf rund 77 200 Produk-ten [2]. Große Verbreitung haben auch die Verbandszeichen der Bioverbände. Deren Bestimmungen sind in einigen Punk-ten im Vergleich zu den EU-Gesetzen weitergehend. Eine zu-sätzliche Orientierung bieten die entsprechenden Marken der Hersteller von Bio-Produkten sowie des LEH.

Bayerische Bio-Kennzeichnungauf Grund von immer mehr Marken und Zeichen ist es für Verbraucher aber nicht immer einfach, Phantasiezeichen von inhaltlich aussagekräftigen und neutral kontrollierten Zeichen zu unterscheiden und gerade eine glaubwürdige aussage zur Herkunft bzw. regionalität zu erhalten. Für die Bayerische Staatsregierung besitzt die Vermarktung regi-onaler Produkte, gerade in Verbindung mit Qualitätsstan-dards, schon seit langem einen hohen Stellenwert und wird durch eine Vielzahl an Maßnahmen unterstützt. So wurde im Bio-Bereich bereits im Jahr 1996 das Qualitäts- und Her-kunftssicherungszeichen „Öko-Qualität, garantiert aus Bay-ern“ eingeführt. Die im Jahr 2001 durch die in kraft getre-tene EU-Werbeleitlinie erforderliche Neukonzeption hatte das von der EU-kommission im Jahr 2003 genehmigte Pro-gramm „Öko-Qualität garantiert – Bayern“ zum Ergebnis. Dieses wurde zwischenzeitlich immer wieder an die geän-derten EU-anforderungen angepasst. aufgrund der insge-samt aber eher verhaltenen kennzeichnung von Produkten mit dem Siegel durch die Unternehmen, hatte es nur einen geringen Bekanntheitsgrad.

Im kontext des Landesprogramms „Bioregio Bay-ern 2020“ kommt der Sichtbarkeit regionaler Bio-Pro-dukte eine wichtige Bedeutung zu. Im rahmen des ers-ten „runden tisches Bioregio 2020“ im März 2014 im StMELF wurde deshalb, zusammen mit allen Beteiligten der Bio-Wertschöpfungskette, beschlossen, ein neues Bayerisches Bio-Zeichen zu gestalten und nach der erfor-derlichen Notifizierung durch die EU-kommission in den Markt einzuführen. Die zu diesem Zweck ins Leben geru-fene arbeitsgruppe „Verbraucherinformation und kenn-zeichnung“ erarbeitete die Grundlagen für einen ent-sprechenden Logoentwurf. Im Vergleich zum bisherigen Bayerischen Öko-Zeichen wurde hierbei die „sperrige“ und eher fachorientierte Bezeichnung „Öko“ durch die im Markt übliche und anerkannte Bezeichnung „Bio“ ersetzt. Zudem wurde Wert auf eine augenfällige und moderne Gestaltung gelegt, um das Siegel von bereits am Markt befindlichen Zeichen zu unterscheiden und einen hohen Wiedererken-nungswert zu garantieren.

→ abbildung 1: „Neues Bayerisches Bio-Siegel“

(Quelle: StMELF)

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ProgrammbestimmungenFür Qualitätsprogramme der einzelnen Mitgliedstaaten kann die EU-kommission staatliche Beihilfen genehmigen, sofern eine höhere Qualität im Vordergrund steht und der Herkunft nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Nach einem intensiven Genehmigungsverfahren wurde das neue Bay-erische Bio-Siegel mit Beschluss der EU-kommission vom 31. august 2015 sowie Berichtigungen vom 15. Oktober 2015 notifiziert. Wesentlicher Punkt war dabei die Offenheit des Programms für alle Unternehmen der Land- und Ernährungs-wirtschaft sowie des Handels für den Bereich Lebensmittel in den EU-Mitgliedstaaten, die sich verpflichten, die Programm-bestimmungen einzuhalten. Diese Forderung beinhaltet auch das Bereitstellen entsprechender Logovarianten für alle EU-Mit-gliedstaaten sowie alle deutschen Bundesländer, die zudem im rahmen von Informationskampagnen kommuniziert werden müssen. Dazu gehören auch englischsprachige Informationen zum Programm im Internet. Zudem muss für Produkte, die zwar die höheren Qualitätsstandards einhalten, deren rohstoffe und Verarbeitung aber nicht lückenlos einer bestimmten region zu-geordnet werden können, eine entsprechende Logo-Variante in grüner Farbe angeboten werden, die keinen Herkunftsnach-weis beinhaltet.

Durch das Bayerische Bio-Siegel möchte ich die wachsende Nachfrage nach Bio auf regionale Produkte und regionale Vermarktung lenken.

Staatsminister Helmut Brunner

SystemaufbauHinsichtlich des Systemaufbaus hat man sich an dem bereits seit 2002 am Markt befindlichen und sich sehr erfolgreich ent-wickelnden bayerischen Qualitäts- und Herkunftssicherungs-programm im konventionellen Bereich „Geprüfte Qualität – Bayern“ orientiert. träger des Bayerischen Bio-Siegels ist der Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsminis-terium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF). Die Lizenz zur Nutzung des Zeichens kann auf antrag an Or-ganisationen, Verbände oder Zusammenschlüsse im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft vergeben werden, welche die Einhaltung der Programmbestimmungen und die Durch-führung der erforderlichen Prüfungen gewährleisten können (Lizenznehmer). aktuell sind drei Lizenznehmer zugelassen:

→ Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e. V. (LVÖ),

→ Landwirtschaftliche Qualitätssicherung Bayern GmbH (LQB),

→ Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e. V. (LVBM).

Das recht zur Führung des Zeichens wird nach Prüfung der Voraussetzungen durch den Lizenznehmer (bzw. durch von diesen beauftragte unabhängige und zertifizierte kon-trollstellen) an Unternehmen der Landwirtschaft für direkt an Endverbraucher vermarktete Erzeugnisse, an Unterneh-men der Ernährungswirtschaft sowie des Handels verliehen (Zeichennutzer). Um die Neutralität und Objektivität der Programmbestimmungen und der kontrollen zu gewährleis-ten, werden die Lizenznehmer und die Zertifizierungsstellen

• Der gesamte landwirtschaftliche Betrieb (pflanzliche und tierische Erzeugung) muss auf der Grundlage der EG-Öko-VO bewirtschaftet werden.

• auf den ackerflächen müssen mindestens 20 Prozent Leguminosen in der Fruchtfolge angebaut werden.

• Im Sommer müssen bei Wiederkäuern erhebliche anteile des Grundfutters aus Grünfutter bestehen. ausschließliche Silagefütterung ist nicht gestattet.

• Für Schweine und Geflügel gelten folgende tierbe-satz-Obergrenzen pro Hektar: Mastschweineplätze: zehn; Legehennen: 140; Masthähnchen: 280; Junghennen: 280; Mastenten: 210; Mastputen: 140; Mastgänse: 280; Zuchtsauen: 6,5; Ferkel: 74

• Es darf kein frischer, getrockneter oder kompostierter Geflügelmist verwendet werden und keine tierischen Exkremente (Gülle, Jauche etc.) aus konventioneller Erzeugung zugekauft werden.

• kompostierte oder fermentierte Haushaltsabfälle dürfen nur verwendet werden, wenn für diese zusätzliche Öko-Güte sicherungskriterien vorliegen.

• Es dürfen keine Produkte oder Nebenprodukte tierischen Ursprungs in der Düngung verwendet werden (ausnahme: Huf-, Haar- und Hornmehl).

• Der Zukauf von organischen Düngern ist auf maximal 40 kilogramm Stickstoff pro Hektar beschränkt; ausgenommen sind Gartenbau und Dauerkulturen.

• Bei Einsatz von kupferpräparaten ist die Wirkstoff-menge auf maximal drei kilogramm pro Hektar und Jahr begrenzt (bei Hopfenanbau: maximal vier kilogramm pro Hektar und Jahr).

• Im Gemüsebau (außer bei der Sprossenerzeugung) sind erdenlose kulturverfahren nicht erlaubt.

• Mindestens 50 Prozent der Futtermittel müssen auf dem eigenen Betrieb oder in festen Futter-/Mistko-operationen erzeugt werden (ausnahmen gelten für kleinerzeuger mit Beständen unter 1 000 Legehen-nen, 30 Zuchtsauen, 60 Mastschweineplätzen oder zehn Pferden).

Infobox: Qualitätskriterien Bio-Siegel

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von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) als neutrale staatliche Behörde überwacht (Systemkont-rolle). Bei der Weiterentwicklung der Programminhalte und bei grundlegenden Programmentscheidungen wird der Zei-chenträger durch den Lenkungsausschuss unterstützt. Die-ses beratende Fachgremium setzt sich aus Vertretern des Zeichenträgers, der Systemkontrolle, der Lizenznehmer, der Zeichennutzer, des Berufsstandes sowie den Verbraucher-verbänden zusammen.

QualitätskriterienBei der ausarbeitung der Standards für das neue Bayeri-sche Bio-Siegel wurde die ganze Wertschöpfungskette von den Öko-Landwirten über Lebensmittelverarbeiter und Le-bensmittelhandel bis hin zu den Verbraucherverbänden und dem Bund Naturschutz eingebunden. als Ergebnis basie-ren die höheren Qualitätskriterien auf den Bestimmungen der vier Öko-Landbauverbände in Bayern (Biokreis, Bioland, Demeter und Naturland). Hierdurch ist sichergestellt, dass die zentrale anforderung der EU-kommission der höheren Qualität erfüllt und gleichzeitig die Möglichkeit einer breiten rohstoffbasis gegeben ist.

Durchgängigkeit der WertschöpfungsketteEntsprechende Untersuchungen und Umfragen zu regio-nalen Qualitätssiegel belegen immer wieder, dass die Ver-braucher eine Durchgängigkeit der Wertschöpfungskette erwarten und fordern. Sofern – wie im Vorhergehenden bereits dargestellt – ein entsprechender Bezug in der kom-munikation eine untergeordnete Bedeutung besitzt, steht dieser Verbraucherwunsch im Einklang mit dem EU-recht. Bei der konzeption und ausgestaltung wurde, gerade auch im Hinblick auf die Genehmigung durch die EU-kommis-sion, auf die Herkunftsregelungen des aMa-Biosiegels zurückgegriffen, zumal sich dessen regelungen auch be-reits in der Praxis bewährt hatten. So sieht das Bayerische Bio-Siegel vor:

→ Monoprodukte stammen zur Gänze aus der Her-kunftsregion.

→ Nicht verarbeitete pflanzliche agrarerzeugnisse müssen während der gesamten Vegetationsperiode bzw. Wachstumsdauer auf den regionalen anbau-flächen gewachsen sein.

→ Bei Fleisch darf das Zeichen nur dann verwendet werden, wenn die tiere in der im Zeichen genann-ten region geboren und anschließend in einem landwirtschaftlichen Betrieb dieser region gehal-ten und/oder gemästet wurden.

→ auch die Verarbeitung und Verpackung muss in Be-triebseinheiten erfolgen, die sich in der durch das Zeichen bestimmten region befinden.

Einzelfallbezogene AusnahmeregelungenDie ausgestaltung der Programmbestimmungen trägt zu-dem der Situation der Nichtverfügbarkeit verschiedener Bio-rohstoffe sowie Bio-Verarbeitungsstufen rechnung. Bei verarbeiteten Erzeugnissen aus mehr als einer Zutat besteht deshalb in begründeten Einzelfällen die Möglichkeit, eine einzelfallbezogene ausnahmegenehmigung von den eben angeführten Herkunftsanforderungen zu erhalten: Dies betrifft Zutaten pflanzlichen Ursprungs bis zu einem men-genmäßigen toleranzbereich von höchstens einem Drit-tel des Produkts und sogenannte untergeordnete Zutaten tierischen Ursprungs wie beispielsweise Naturdärme oder Gelatinen, die nicht aus Bayern stammen. Grundlegende Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Zutaten in der Her-kunftsregion nicht, nicht regelmäßig oder nicht in marktre-levanter Menge erzeugt werden können. auch die Verar-beitung und Verpackung kann in ausnahmefällen in einer anderen region als im Zeichen genannt erfolgen, sofern die höheren Vorgaben der Programmbestimmungen gegeben sind und die betreffenden Betriebseinheiten durch nach EU-recht zugelassenen Öko-kontrollstellen zertifiziert wurden.

Möglichen einzelfallbezogenen regelungen liegen im-mer auf den konkreten Sachverhalt bezogene fundierte und verantwortungsbasierte Beurteilungen in Bezug auf die Nichtverfügbarkeit entsprechender rohstoffe bzw. Ver-arbeitungsstufen zugrunde. Diese werden von der zustän-digen Systemkontrolle an der LfL in abstimmung mit den betreffenden Lizenznehmern sowie dem Zeichenträger ge-troffen und sind generell zeitlich befristet bzw. nur solange gültig, wie die nachgewiesene Nichtverfügbarkeit der be-treffenden Zutaten bzw. Verarbeitungsstufen besteht. auf den Etiketten ist jeweils anzugeben, welche Zutaten nicht aus Bayern stammen bzw. welche Verarbeitungsschritte au-ßerhalb Bayerns stattgefunden haben.

Bisher wurden von den Lizenznehmern 22 anträge bei der Systemkontrolle eingereicht. Von diesen wurden 14 an-träge genehmigt, die vor allem folgende komponenten be-treffen: Backmittel, Branntweinessig bzw. Essig, Brotgewürze bzw. Gewürze (kleinstzutaten), Fenchel, koriander, kümmel und Oliven. Vier der bisher eingereichten anträge wurden abgelehnt, vier weitere befinden sich derzeit in Bearbeitung.

Bereits 115 Nutzer des neuen Bio-Siegelsknapp zwei Jahre nach der Markteinführung des neuen Bayerischen Bio-Siegels nutzen bereits 115  Unterneh-men (inklusive LEH) für über 900  artikel die neue kenn-zeichnungsmöglichkeit. Hierunter befinden sich auch die größte Bio-Molkerei, die größte Bio-Bäckerei und die größte Bio-Brauerei Deutschlands. Dies zeigt, dass das neue Quali-tätszeichen von den Marktbeteiligten sehr gut angenommen wird. Die mit dem Bayerischen Bio-Siegel gekennzeichneten

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Produkte decken eine breite Produktpalette ab: Von Gemüse und kräutern über Mehl und Backwaren, Fleisch- und Wurst-waren sowie Fisch bis hin zu Molkereiprodukten und Geträn-ken. Derzeit lassen sich ca. 37 Prozent der insgesamt sie-gelfähigen Erzeugnisse dem Segment „Getreide, Mehl und Backwaren“ sowie 26 Prozent dem Bereich „kräuter“ zuord-nen. Einen geringeren anteil nehmen derzeit noch artikel in den Bereichen „Milch und Milcherzeugnisse“ (5 Prozent) so-wie „Fleisch und Wurstwaren“ (3 Prozent) ein. In den beiden letztgenannten kategorien besteht sicherlich noch Poten-zial, das es zukünftig von den Marktbeteiligten noch geziel-ter zu nutzen gilt. Gegenüber Mai 2016 (28 Prozent) ist die Bekanntheit des Zeichens aktuell auf 45 Prozent gestiegen.

knapp zwei Jahre nach der Einführung kann man feststellen, dass das Bayerische Bio-Sie-gel bei den Beteiligten der Bio-Wertschöp-fungskette zu einem steigenden Bewusstsein für rohstoffe aus Bayern geführt hat.

Staatsminister Helmut Brunner

Resonanz des Handelsauch der LEH hat das große Potenzial erkannt, mit dem Bay-erischen Bio-Siegel den kunden eine schnelle und einfache Identifikation heimischer Bio-Produkte zu ermöglichen. Von anfang an bekundete der LEH starkes Interesse am Siegel. Hierdurch war es möglich, zeitnah nach der Notifizierung durch die EU-kommission entsprechende Maßnahmen auch in den Einzelhandelsgeschäften umzusetzen und erste Bay-erische-Bio-Siegel-Produkte schon anfang Dezember 2015 einzuführen.

auch in weiteren Bereichen hat das neue Bayerische Bio-Siegel bereits Signalwirkungen entfaltet. So wurde bei-spielsweise im rahmen einer neuen Beschaffungsleitlinie der Stadt München im vergangenen Jahr Bio und zugleich regional als neuer „Goldstandard“ festgelegt. Das Bayerische Bio-Siegel dient hier als Orientierungshilfe. Und auch in der Gemeinschaftsverpflegung hat die neue kennzeichnungs-möglichkeit schon Fuß gefasst. So bietet das Studentenwerk München entsprechend gekennzeichnete Gerichte in den Mensen in München und Freising an. Zudem wurden auf dem Münchner Oktoberfest in diesem Jahr Bio-Hähnchen erstmalig mit dem Bayerischen Bio-Siegel ausgezeichnet.

FazitBei der konzeption und Entwicklung des Bayerischen Bio-Siegels mussten eine Vielzahl von auf- und ausbauhür-den genommen werden, die im Wesentlichen aus der Forde-rung der EU-kommission hinsichtlich „Nichtdiskriminierung

von auslands-ware“ und der teil-weise sehr engen Marktversorgung mit regionaler Ware resultieren. Die sehr posi-tive Entwicklung des Bayerischen Bio-Siegels seit seiner Einführung im Herbst  2015 zeigt, dass es von allen Marktbetei-ligten aktiv getra-gen und gut vom Verbraucher an-genommen wird. Hierzu tragen auch die Informa-tions- und absatz-förderungsmaßnahmen der alp Bayern, wie beispielsweise die Website www.biosiegel.bayern, sowie aktivitäten im rahmen der Messe Biofach oder der Br radltour, maßgeb-lich bei. Bei der Verbreitung der neuen kennzeichnungs-möglichkeit kommt auch dem Fach- und Lebensmittelein-zelhandel eine wichtige Schlüsselfunktion zu. Gleichzeitig bietet die Vermarktung regionaler Bio-Produkte diesem na-türlich entsprechende Profilierungschancen: Herkunft und damit verknüpft transparenz und Vertrauen werden beim kauf von Lebensmitteln zu immer bedeutenderen kriterien, für die mehrere Studien eine Mehrzahlungsbereitschaft der Verbraucher belegen. rückmeldungen aus der Branche zei-gen zudem, dass damit einzelne Produzenten für die Han-delspartner weniger leicht austauschbar werden, Lieferbe-ziehungen stabilisiert werden und zusätzliche Leistungen möglich wurden.

Literatur[1] aMI (Hrsg.), Markt Bilanz Öko-Landbau 2017[2] https://www.oekolandbau.de/bio-siegel/

DR. MICHAEL LÜDKEPROF. DR. RICHARD BALLINGBaYErISCHES StaatSMINIStErIUM FÜr ErNÄHrUNG, LaNDWIrtSCHaFt UND FOrStEN [email protected]@stmelf.bayern.de

→ abbildung 2: Flyer des LEH mit Bio-Siegel-

produkten

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Eine Landkarte der ZukunftDie „Zukunftstage Lebensmittel“ in kulmbach

von NOra BÖrGEr, Dr. SONJa VILEI und Dr. SIMON rEItMEIEr: Trends erkennen, Nischen besetzen, Innovationen vorantreiben – das ist das Erfolgsrezept für die Ernährungswirt-schaft. Um der Zukunft einen Schritt voraus zu sein, ist es wichtig eine Vision zu entwickeln und Branchen- und Konsumtrends frühzeitig zu erkennen. Die vom Cluster Ernährung ini-tiierten „Zukunftstage Lebensmittel“ zeigten auf, welche Entwicklungen im Ernährungsbe-reich in den nächsten Jahren denkbar und wahrscheinlich sind. Experten haben dazu vorab unterschiedliche Szenarien entwickelt, die in Kulmbach diskutiert, bewertet und weiterentwi-ckelt wurden.

Der Cluster Ernährung hat gemeinsam mit dem Max rub-ner-Institut und dem kErn vom 19. bis 20. Oktober 2017 durch die „Zukunftstage Lebensmittel“ geführt. Zwei tage lang stand die Zukunft (oder vielmehr „standen die Zu-künfte“ in Form von acht verschiedenen, eigens entwickel-ten Szenarien) der Ernährungswirtschaft im Mittelpunkt. Die Veranstaltung richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter aus Ernährungshandwerk, Ernährungswirtschaft, Lebens-mittelwissenschaften, Verbraucherorganisationen und Po-litik.

Die Zukunft der Ernährungswirtschaft 2030an den beiden Veranstaltungstagen standen die Zukunfts-chancen der bayerischen und deutschen Ernährungswirt-schaft im Fokus. Ernährungsminister Helmut Brunner er-öffnete die „Zukunftstage Lebensmittel“ am Donnerstag, den 19. Oktober 2017 in kulmbach. Er wies darauf hin, dass kulmbach ein idealer Ort in Bayern sei, um eine Veranstal-tung wie die „Zukunftstage Lebensmittel“ durchzuführen: Mit der Genussakademie Bayern, die vom Cluster Ernäh-rung geleitet wird, und mit der lebendigen tradition des Ernährungshandwerks im Brau-, Bäcker- und Fleischer-handwerk.

Was will der Verbraucher?Prof. Dr. Franz-theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stif-tung, und Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bun-desvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V., lieferten Denkanstöße als keynote-Speaker. Gottwald erin-nerte daran, dass es bei Zukunftsfragen um unser aller Ver-antwortung für die Zukunft geht und wir uns fragen müssen, wo wir „zwischen Ist und Soll“ stehen. Für Christoph Minhoff ist die Zukunft in der Ernährungsindustrie digital, ethisch, ästhetisch und schnell: Der typische Verbraucher will alles, will aber, dass es moralisch einwandfrei ist, und er will es möglichst sofort.

Die Ernährungswirtschaft heuteUm besser abschätzen zu können, wo die bayerische Ernäh-rungswirtschaft steht, wurde für die „Zukunftstage Lebens-mittel“ ein Branchenreport erstellt.

Uns war es wichtig, ein möglichst reales Bild der bayerischen Ernährungsbranche mit ihren regionalen Besonderheiten zu erstellen,

erklärte Dr. Volker Ebert.

Wo liegen Bayerns Stärken und Schwächen? Und welchen Chancen und risiken stehen bayerische Ernährungsun-ternehmen gegenüber? Dr. Volker Ebert, aFC Consulting Group, nahm Stellung zu diesen Fragen und lieferte den aktuellen Überblick zu Branchentrends und Entwicklungen der letzten Jahre.

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→ Bild 1: Staatsminister Helmut Brunner eröffnet die „Zukunftstage

Lebensmittel 2017“ (beide Fotos: Parot/Cluster Ernährung).

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Acht mögliche ZukünfteDr. alexander Fink von der ScMI aG (Scenario Management International aG) stellte schließlich das kernstück der Ver-anstaltung vor: die acht eigens für die „Zukunftstage Le-bensmittel“ entwickelten Szenarien. Für ihn war wichtig, dass es nicht „die eine“ Zukunft gibt, weswegen Progno-sen, die er als Blick in den rückspiegel bezeichnete, auch so häufig danebenliegen. „Szenarien unterscheiden sich von trendprognosen anhand von zwei Denkweisen. Sie suchen nicht nach „der einen, exakten Zukunft“, sondern stellen gezielt mehrere, alternative Zukunftsmöglichkeiten dar. Man spricht deshalb von zukunftsoffenem Denken“, so Dr. alexander Fink. Stattdessen ist es das Ziel von Szena-rien, über Zukunft nachzudenken, ohne sie vorhersagen zu wollen – oder vielmehr, über mögliche „Zukünfte“ nachzu-denken. Ein Satz von Szenarien, wie sie für die Zukunfts-tage entwickelt wurden, bildet eine (mögliche) Landkarte der Zukunft. Dabei gilt es, vernetzt zu denken, mögliche treiber zu identifizieren und sich zu fragen, wie diese zusammenhängen.

Live-Chat mit Bewertung der SzenarienBeim Zukunftsmarkt im Foyer der Dr.-Stammber-ger-Halle mit Flying Buffet konnten die teilneh-menden sich ein fundiertes Bild zu den einzel-nen Szenarien machen: Was ist für ein jeweiliges Szenario bezeichnend? Welche gesellschaftlichen oder ökonomischen Parameter sind für eine sol-che Entwicklung ausschlaggebend?

Die Live-Bewertung bot zudem die Gelegen-heit, nicht nur die unterschiedlichen Zukunftsbilder direkt vergleichen zu können, sondern auch eine persönliche Einschätzung hinsichtlich Wunschwelt oder Wirklichkeit abzugeben. am ehesten erwartet wurden vom Publikum die Szenarien 05 (Global&-Fair-Szenario), 03 (Digitalisierungs-Szenario) so-wie 04 (Export-Szenario). Bei der Wahl des persön-lichen Wunschszenarios fiel die Wahl der meisten auf 06 (regionales Vielfaltsszenario) oder auch 05,

wobei auch digitale aspekte, wie sie bei 03 im Vordergrund stehen, geschätzt wurden (siehe Abbildung).

Szenarien als Denkwerkzeuge für die Zukunftsplanungam zweiten tag folgte die Übertragung der Szenarien auf das eigene Unternehmen. Die teilnehmer konnten sich hier für einen themenschwerpunkt entscheiden. Im „Zukunfts-raum 1“ ging es um Verbrauchermotive, Herkunft und Qua-litätsvorgaben. Bäckermeister andreas Fickenscher und regionalexpertin Heike Zeller stellten sich der Frage: „Wie steuern Vielfalt und Individualität das konsumverhalten?“ Oder anders ausgedrückt: Welche art kunden sind bereit, für aufwendig hergestellte Produkte angemessene Preise zu zahlen? Prof. Dr. richard Balling, referatsleitung „Markt und Qualitätspolitik, Pflanzliche Märkte“ am StMELF, beschrieb, welche Bedeutung regulierung und Herkunft für den Le-bensmittelmarkt haben. „Es ist doch irgendwie paradox – einerseits wollen wir so frei sein wie irgend möglich, ande-rerseits nimmt der Wunsch nach mehr regulierung durch Seite des Staates zu, wie die Wahl des Wunschszenario 06 zeigt.“ Der Sternekoch Felix Schneider flankierte Prof. Bal-ling und berichtete über seine Umsetzung von Herkunft und Saisonalität in seinem küchenkonzept. abschließend widmete sich Cathrin Brandes, agentur tidbits, dem Einfluss von Wertvorstellungen der Verbraucher auf Produkt- und Preisgestaltung. Sie stellte zudem aktuelle Food-trends vor und ging auch auf Vielfalt ein. Wichtig ist bei allen trends, wie Fermentation, oder Megatrends wie regionalität, das „Warum“, nicht mehr nur das „Was“.

Wer sich für Investitionstreiber, kapitalgeber sowie Handels abkommen interessierte, entschied sich für den

→ Bild 2: Live-Bewertung der Zukunftsszenarien durch die teilnehmenden.

→ abbildung: Landkarte der Zukunft

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„Zukunftsraum 2“. referenten aus Praxis und Politik lieferten hier antworten auf die Fragen: „In welcher Wechselwirkung stehen Umfeld und Innovationsprozesse?“, „Wie werden In-novationen finanziert?“, und „Welche auswirkungen haben Freihandel oder Protektionismus auf agrar- und Lebensmit-telmärkte?“ „Das thema Innovation war ein gut diskutiertes thema in unserer runde“, betonte Dr. Wolfram Schaecke, Leitung des referats ressortforschung und Innovation am StMELF. Er widmete sich gemeinsam mit Christian Oppitz, Geschäftsführer im Bereich Marketing & Vertrieb der Molkerei Gropper und Szenario-teammitglied, den „Innovationstrei-bern der Zukunft“. Stephan Becker-Sonnenschein, ehemalig Geschäftsführer des Vereins „Die Lebensmittelwirtschaft e. V.“, heute Geschäftsführer von BESO & Partner, sowie Dr. Gerhard Justinger vom BMEL, referat Forschung und Innovation, nah-men Stellung dazu, von wem und in welcher Form Innovati-onen finanziert werden. Die auswirkungen von Handelsab-kommen besprach Dr. Peter Sutor, Leitung des Instituts für Ernährungswirtschaft und Märkte an der LfL. „Zukünftig wird es wichtig sein, die auslandsmärkte zu bedienen und die ge-fühlten Qualitätseigenschaften der regionalmärkte nicht zu vergessen. Mit den Maßnahmen GQ-Bayern, Biosiegel und Premiumstrategien sind hier wichtige Bausteine zur abbil-dung ergänzender Qualitäten gesetzt worden“, so Dr. Sutor.

Dr. alexander Fink und Christian Michl, Senior Berater an der ScMI aG, gingen zum abschluss von tag 2 in beiden Zu-künftsräumen noch einmal auf die Bedeutung der Szenarien ein – auch für kleine Unternehmen, die in einem regionalen kontext agieren, zumal diese häufig flexibler sind. Bei den Szenarien geht es nicht um die Größe des Unternehmens, sondern um die art des Denkens.

Frische Ideen in Nord- und SüdbayernDer Cluster Ernährung hat in den letzten Jahren ein umfang-reiches Innovationsprogramm mit dem Namen ENNOVa-tION entwickelt. Die „Zukunftstage Lebensmittel“ sind teil der ENNOVatION-Forum-aktivitäten und richten sich an ein bran-chenübergreifendes Publikum. Ergänzend dazu gibt es bran-chenspezifische Veranstaltungsreihen, die sich gezielt an die jeweiligen Ernährungsgewerke richten. Wie die „Zukunftstage Lebensmittel“ stoßen auch diese Veranstaltungen neue Ideen und Innovationen an. Die angebote werden wechselnd in Nord- und Südbayern angeboten. 2016 fanden das „Fleischforum 2020“ in augsburg und das „1. Bierforum Bayern“ in Bayreuth statt. 2017 wurde das „2. Fleischforum Bayern“ in kulmbach ver-anstaltet. Zudem fand die auftaktveranstaltung, gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Lebensmittelindus-trie e. V. (BVE), zum thema „Nachhaltigkeitsstrategien für die bayerische Lebensmittelwirtschaft“ im Veranstaltungssaal des StMELF in München statt. Basierend darauf wurden Schulungen zur anwendung von Nachhaltigkeitsstrategien im eigenen Un-ternehmen in München und Bayreuth angeboten.

Das ENNOVatION-FoodLab, welches unter dem Dach der neu eröffneten Genussakademie in kulmbach beheimatet ist, bietet Experten aus der Lebensmittelwissenschaft sowie Gastronomen raum für frische Ideen und dank modernster küchentechnik auch das nötige Equipment, um Produkt-innovationen zu entwickeln. Zudem kann man sich in den regelmäßig stattfindenden Fördersprechstunden zu aktuel-len Förderprogrammen beraten lassen.

Ein Vorgeschmack auf die ZukunftDie angebote und aktivitäten werden in den kommenden Jahren weiter ausgebaut. Beispielsweise findet im Frühjahr 2018 das 3. Fleischforum Bayern statt, diesmal wieder an der Fleischerschule in augsburg. „Besonders wichtig ist uns der austausch der unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Denn auch für die Zukunft wird die überregionale Vernet-zung zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik entschei-dend sein“, so Dr. Simon reitmeier, Geschäftsführer des Clus-ter Ernährung.

Die ENNOVatION-angebote richten sich an interessierte Personen aus Ernährungshandwerk und -unternehmen. Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind herzlich dazu eingeladen, ihren kontakten die Weiterbildungsseminare im Ernährungshandwerk der region anzubieten.

Literatur[1] artikel „Zukunft isst jetzt“,

„SuB“ Heft 4-5/2016

NORA BÖRGER DR. SONJA VILEI DR. SIMON REITMEIER kOMPEtENZZENtraUM FÜr ErNÄHrUNG [email protected] [email protected] [email protected]

Der „Branchenreport Ernährungswirtschaft Bayern 2017“ sowie die Szenariobroschüre „Die Zukunft der Ernährungs-wirtschaft“ können unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.cluster-bayern-ernaehrung.de/inno-vation/innovationsveranstaltungen/zukunftstage-lebens-mittel.html

Link zu den Innovationsangeboten des Cluster Ernährung und ENNOVatIONhttps://www.cluster-bayern-ernaehrung.de/innovation.html

Infobox: Links

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CETA im VormarschWirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit kanada vorläufig in kraft getreten

von FLOrIaN SCHLOSSBErGEr: Die Verhandlungen zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) wurden im Herbst 2014 offiziell beendet. Aufgrund der Kritik an einzelnen Kapiteln wurde das Abkommen auch nach dem offiziellen Ende im Nachgang weiterverhandelt. Im Herbst 2016 unterzeichneten die EU und die kanadische Regierung den Vertrag mit den Änderungen. Auch wenn CETA noch von den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss, ist seit September 2017 das Abkommen mit zahlreichen Bestimmungen zu Handels- und Zoll-erleichterungen vorläufig in Kraft getreten.

Ziel des abkommens ist es, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und kanada zu intensivieren, den Handel mit Waren und Dienstleistungen deutlich anzukurbeln und neue Investitionsmöglichkeiten zu schaffen. Eine bedeutende In-tention des CEta ist es dabei, die Zölle zwischen der EU und kanada zum größten teil abzuschaffen. Neben dem Zollab-bau für die meisten – 99 Prozent – Industrie- und agrargü-ter und dem abbau nichttarifärer bzw. technischer Handels-hemmnisse, z. B. abweichende Normen, technische regeln und Vorschriften, befasst sich ein teil des abkommens mit dem Schutz geistigen Eigentums, z. B. Patenten, Marken, Mus-tern, Urheberrechten oder geografischen angaben und wei-tere. Dem jeweiligen Vertragspartner soll außerdem ein ver-besserter Zugang zu den öffentlichen ausschreibungen des anderen ermöglicht werden, um gegenseitige Investitionen in der region des Vertragspartners zu erleichtern.

Nachverhandlung stärkt Transparenz der ISDS-Verfahren Nach dem offiziellen Ende der Verhandlungen im Septem-ber 2014 wurden einige gravierende Nachverhandlungen zum CEta durchgeführt und im Frühjahr 2016 die offizielle Endfassung des Vertragstextes durch die EU-kommission veröffentlicht. Wesentliche Nachverhandlungen betrafen die umstrittenen Passagen zum Investitionsschutz bzw. zu den unabhängigen Schiedsgerichtssystemen zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten (Investor-State-Dispute Settlement – ISDS). Diesbezüglich wurde (neben weiteren Schutzmöglichkeiten) das „right to regulate“ durch die Er-richtung eines ständigen Gerichtshofes mit 15 Mitgliedern bzw. Schiedsrichtern, die von kanada und der EU ernannt werden, die uneingeschränkte transparenz bzw. Öffentlich-keit der Verfahren und die Schaffung einer Berufungsinstanz stärker geregelt.

Nachdem alle regierungen der EU-Mitgliedstaaten, auch Belgiens, zugestimmt hatten, wurde das abkommen am

30. Oktober 2016 vom Europäischen rat, der Europäischen kommission und der kanadischen regierung unterzeichnet. am 15. Februar 2017 wurde dem CEta durch das Europäi-sche Parlament zugestimmt.

CEta wurde von der EU als gemischtes abkommen be-wertet, so dass es von sämtlichen 28 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss, damit es vollständig in kraft tritt. allerdings hatten sich im Juli 2017 auf dem G20-Gipfel in Hamburg der EU-kommissionspräsident Juncker und der kanadische Premierminister trudeau darauf verständigt, dass das abkommen mit großen teilkapiteln, die allein im EU-Zuständigkeitsbereich liegen, am 21. September 2017 vorläufig in kraft tritt. Dies hatte die Europäische kom-mission im Vorfeld mit den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten abgestimmt. Somit können seit Sep-tember 90 Prozent der Vereinbarungen des Freihandels-abkommens zwischen der EU und kanada umgesetzt wer-den. ausgenommen sind der Investitionsschutzteil sowie die Bereiche Finanzdienstleistungen, Steuern und geistiges Eigentum.

Zollabbau auch in der Landwirtschaft Ein wesentliches kapitel, das vorläufig in kraft ist, regelt den Zollabbau für Industrie- und agrargüter. auch in der Landwirtschaft sollen bei fast allen Produkten die Zölle ab-gebaut werden. Vereinbart wurde, dass bestehende agrar-zölle für 92,8 Prozent der kanadischen und 93,5 Prozent der EU-Zolllinien abgebaut werden, u. a. für Getreide, Obst- und Gemüsearten, Fisch, Verarbeitungsprodukte der Ernäh-rungswirtschaft sowie Weine und Spirituosen. Vom abbau ausgenommen bleiben Milchprodukte für den EU-Export nach kanada, sowie rind- und Schweinefleisch und Gemü-semais für den Import in die EU. Für diese Produkte wurde allerdings ein zollfreier Marktzugang für begrenzte Men-gen (Zollquoten) vereinbart. kanada wurden Exportquoten

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für 50 000 tonnen hormonfreies rindfleisch (inklusive der bisherigen Quoten von 4  162  tonnen), 75  000  tonnen Schweinefleisch (zusätzlich zu der bestehenden Quote von 4 625 tonnen), 3 000 tonnen Bisonfleisch und 8 000 ton-nen Gemüsemaiskonserven von der EU eingeräumt. Im Ge-genzug können von der EU nach kanada zusätzlich zollfrei 16 600 tonnen Qualitätskäse und 1 700 tonnen Industrie-käse exportiert werden. Beide Seiten haben Geflügel sowie Eier von einer Liberalisierung ausgenommen.

Seit dem 21. September 2017 wird begonnen, die Zölle für agrargüter abzubauen. Für einige agrargüter werden die Zollsätze stufenweise in mehreren (sechs bis acht) Jahren abgebaut (z. B. Weizen oberer Qualität) oder die verhandel-ten zoll freien Exportkontingente stufenweise in ihrem vollen Umfang eingeführt. Somit greifen beispielsweise die vollstän-digen kontingente für Zuckermais, rind-, kalb- und Schwei-nefleisch sowie käse erst im siebten Jahr nach der anwen-dung des abkommens. Die EU-käseausfuhren könnten sich beispielsweise also erst nach einer Übergangszeit von sechs Jahren verdoppeln. Sowohl zur Halbzeit als zum Ende der Einführung werden die Zollkontingente von den jeweiligen Vertragsparteien auf ihre Marktauswirkungen hin überprüft.

Geografische Herkunftsangaben anerkanntNeben dem Zollabbau werden im rahmen des CEta rund 145 geographische Herkunftsangaben von kanada aner-kannt. Dazu zählen neben 125 Herkunftsangaben zu Wei-nen und Spirituosen (nach artikel 23 trIPS – trade-related aspects of Intellectual Property rights) unter anderem „Mor-tadella Bologna“, „tiroler Speck“ und „Schwarzwälder Schin-ken“. Für Bayern erreichte die EU, dass u. a. die eingetrage-nen Namen „Münchner Bier“, „Bayerisches Bier“, „Nürnberger

Lebkuchen“ und „Nürnberger Bratwürste/Nürnberger rost-bratwürste“ (zumindest in der Originalbezeichnung) von ka-nada anerkannt werden. Somit darf beispielsweise nur dann ein Bier als „Bayerisches Bier“ vermarktet werden, wenn es tatsächlich in Bayern hergestellt und nach der entsprechen-den Spezifikation überprüft wurde.

EU-Lebensmittelstandards bleiben in Kraftalle kanadischen ausfuhren müssen den hohen rechtlichen EU-Lebensmittelstandards entsprechen, eine aufweichung der EU-weiten rechtlichen regelungen zur Herstellung von Lebensmitteln wurde im CEta nicht vereinbart. Unter an-derem müssen auch die rechtsvorschriften über gentech-nisch veränderte Organismen sowie antibiotika in der Le-bensmittelherstellung beachtet werden. Sofern es nach dem EU-recht erforderlich ist, muss die Einhaltung der europä-ischen Standards nachgewiesen werden.

Bis CEta bzw. das „Comprehensive Economic and trade agreement“ von sämtlichen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wird und somit endgültig in kraft treten kann, werden laut Experten voraussichtlich noch mehrere Jahre verstreichen.

Literatur beim autor.

FLORIAN SCHLOSSBERGERBaYErISCHE LaNDESaNStaLt FÜr LaNDWIrtSCHaFt INStItUt FÜr ErNÄHrUNGSWIrtSCHaFt UND MÄ[email protected]

Für Butter mussten die Verbraucher in Deutschland im September 2017 über 70 Prozent mehr als vor einem Jahr be-zahlen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Welternährungs-tags am 16. Oktober weiter mitteilt, stiegen die Verbraucherpreise auch für Molkereiprodukte mit + 15 Prozent im gleichen Zeitraum deutlich. Die stärksten Preisanstiege von jeweils etwa 30 Pro-zent gab es bei Sahne, Milch und Quark. auch käse und Joghurt kosteten durch die Preiserhöhungen in den letzten Mo-naten deutlich mehr als ein Jahr zuvor.

Spürbar höhere Preise 2017 für Butter und Molkereiprodukte

Die tendenz steigender Preise im Jahr 2017 für Butter und Molkereiprodukte zeigte sich nicht nur bei den Verbrau-chern, sondern auch auf den vorge-lagerten Wirtschaftsstufen in ähnli-chem ausmaß. Die Preise für Milch und Milch erzeugnisse lagen im august 2017 sowohl beim Import als auch bei den gewerblichen Erzeugern etwa 20 Pro-zent über dem Vorjahresmonat. Mit ab-stand deutlich teurer binnen Jahresfrist war auch hier die Butter (Importpreise: + 55 Prozent; Erzeugerpreise: + 82 Pro-zent). Die aktuellen Verteuerungen auf

der Erzeugerstufe werden offensichtlich an den Großhandel und letztendlich an den Endverbraucher weitergegeben.

Die Preisentwicklung häufig gekaufter Produkte für die Verbraucher zeigt der Preismonitor im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes. Bei den Nah-rungsmitteln wird hier die auffällige Preis-entwicklung für ausgewählte Produkte des täglichen Bedarfs, so auch für Butter, H-Milch und Schnittkäse, dargestellt.

Pressemitteilung Destatis

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Weinbau-Technikerklasse in SüdafrikaHerausforderungen von morgen schon heute begegnen

von DR. DANIEL HESSDÖRFER: Auch in der Sparte Weinbau und Oenologie sind internatio-nale Erfahrungen immer häufiger Teil des beruflichen Anforderungsprofils. Denn die Betriebe treten auf dem Weltmarkt zunehmend in Konkurrenz. Gerade junge Führungskräfte sollen internationale Erfahrungen sammeln und sich von interessanten Ideen und anderen Denk-weisen inspirieren lassen. Bei einer Exkursion nach Südafrika konnten die Veitshöchheimer Studierenden daher lehrreiche Einblicke in den erfolgreichen Weinbau unter heißen und trockenen Bedingungen erhalten und sich auf die künftigen klimatischen Veränderungen der heimischen Anbaugebiete einstimmen.

In der beruflichen Fortbildung stellen Exkursionen und längere Aufenthalte im Ausland eine hervorragende Mög-lichkeit dar, internationale Berufskom-petenzen zu erwerben. Deshalb bietet die Staatliche Meister- und Techniker-schule für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim den angehenden Tech-nikern verschiedene Möglichkeiten an, internationale Erfahrungen im Rahmen der Ausbildung zum staatlich geprüf-ten Techniker zu erwerben. Zwischen dem ersten und zweiten Schuljahr ha-ben die Studierenden die Gelegenheit, das Gelernte in einem zwei- bis dreimo-natigen Praktikum im Ausland umzu-setzen. Der praxisbezogene Lernauf-enthalt im europäischen Ausland wird mit Fördergeldern aus dem EU-Pro-gramm Erasmus+ finanziell unterstützt. Im ersten und im zweiten Schuljahr wird der Schulbesuch zusätzlich durch einwöchige Fachex-kursionen in ausländische Weinbauregionen ergänzt. Diese Exkursionen bieten für die Studierenden die Möglichkeit, beispielsweise Weinbautechniken unter anderen Anbaube-dingungen kennenzulernen.

Lernen beim Blick über den TellerrandVeränderte Traubenproduktionsbedingungen mit einer Er-höhung der Jahresdurchschnittstemperatur, einhergehend mit milden Wintern und zunehmend längeren Trockenpha-sen im Frühjahr und Sommer: Dies sind Themen, mit denen sich die angehenden Techniker zukünftig verstärkt beschäf-

tigen müssen. Dabei ist die Wasserversorgung der Reben, insbesondere in Steillagen mit geringerer Wasserspeicher-fähigkeit der Böden, sicherlich die größte klimawandelbe-dingte Herausforderung im Weinbau. Das Kerngebiet des Fränkischen Weinbaus ist mit durchschnittlich 550 Millime-ter Jahresniederschlag pro Quadratmeter bereits jetzt die trockenste Region Bayerns. Veränderte klimatische Bedin-gungen sorgen auch dafür, dass sich die Lebensbedingun-gen für Schädlinge und Krankheiten der Rebe ändern. So nehmen Schädigungen an Reben zu, die bisher nur aus süd-lichen Anbauregionen bekannt waren. Die Population ein-geschleppter Schädlinge, die aufgrund der milden Winter

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→ Bild 1: Gruppenfoto der Exkursionsteilnehmer mit dem Farm-Beauftragten (kniend in der

Gruppenmitte) der ARC-Weinbauversuchsflächen in Robertson (alle Fotos: LWG).

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nun bessere Überlebensbedingungen vorfinden, steigt da-bei ebenfalls. Wie erfolgreich Weinbau unter heißen und trockenen Bedingungen stattfinden kann, interessierte des-halb in diesem Jahr die Techniker-Abschlussklasse beson-ders.

Um diese Frage zu klären, starteten die Studierenden am 3. März 2017 zu einer zehntägigen Exkursion nach Süd-afrika in die Region um das Kap der Guten Hoffnung. Das Gebiet ist weithin bekannt für seinen sehr erfolgreichen Weinbau und das dazugehörige innovative Marketing. Auf der Liste der Aktivitäten stand natürlich auch die Besichti-gung verschiedener touristischer Sehenswürdig-keiten wie dem Tafelberg in Kapstadt oder dem Kap der Guten Hoffnung.

Weinbau in SüdafrikaDer Fokus der Fachexkursion lag jedoch auf der Erkundung des südafrikanischen Weinbaus mit all seinen Facetten. Hierfür besichtigte die Gruppe verschiedenste Weingüter wie z. B. Bui-tenverwachting in Constantia, dem ältesten Weinanbaugebiet von Südafrika. Mitte des 17. Jahrhunderts presste Jan van Riebeeck, ein nie-derländischer Kaufmann, den ersten Wein aus Kaptrauben. Der süße und schwere Constan-tia-Wein schmeckte auch in Europa und wurde von Napoleon, aber auch Otto von Bismarck, genossen. Das traditionsreiche Weingut wurde in den 1980er Jahren von einer deutschen Fa-milie neu aufgebaut und avancierte seitdem zu einem der erfolgreichsten Weingüter Südafri-

kas, direkt im Stadtgebiet der Millionenmetro-pole Kapstadt.

Dass unter den südafrikanischen Klimabedin-gungen auch sehr erfolgreich eine typische „Cool Climate“ Rebsorte wie Pinot Noir, in Deutschland unter den Namen Spätburgunder bekannt, an-gebaut werden kann, bestätigt seit vielen Jah-ren das Weingut Hamilton Russell. Im Hemel-en-Aarde Valley (Himmel und Erde Tal), einem kleinen Seitental nahe der Stadt Hermanus an der Walker Bay, befinden sich durch kühlende Winde des Pa-zifischen Ozeans perfekte Anbaubedingungen für diese international renommierte Rebsorte.

Im Jahr 2002 wurde hoch über Stellenbosch am Helshoogte Pass (Höllische Höhe Pass) das Weingut Tokara errichtet. Innovative Kellertech-nik und Architektur sowie eine edle Ausstattung machen Tokara sehenswert. Für die Studieren-den war das innovative betriebswirtschaftliche

Konzept des sehr erfolgreichen Weingutes von besonde-rem Interesse. Denn mit dem Anbau von Reben und Oli-venbäumen sowie der Führung eines eigenen Restaurants besticht Tokara durch eine hohe Diversifizierung im An-gebot von unterschiedlichen Produkten und Dienstleis-tungen.

Auch in Südafrika Trockenheit und Wassermangel Einen besonders intensiven Einblick in den südafrikanischen Weinbau bekamen die Studierenden beim Besuch des Agri-cultural Research Council (ARC) in Stellenbosch. Dabei stand

→ Bild 3: Die Studierenden inspizieren die traditionelle südafrikanische Reben-

erziehung. Die Buscherziehung ist ein System für schwach wachsende Reben in

niederschlagsarmen Weinbaugebieten. Es kann daher auf eine Unterstützung,

beispielsweise durch ein Drahtspalier, verzichtet werden.

→ Bild 2: Die angehenden Weinbautechniker besichtigten eine Versuchsfläche mit

verschiedenen Rebzeilen-Ausrichtungen. Dadurch soll die Weinqualität der

Rebsorte Shiraz in Abhängigkeit der Sonneneinstrahlung untersucht werden.

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Prof. Kobus Hunter, Wissenschaftler beim ARC und Dozent an der Universität Stellenbosch, allen Fra-gen der Studierenden Rede und Antwort. Zusätz-lich konnten die neuen Erfahrungen bei der Be-sichtigung der ARC-Weinbauversuchsflächen in Stellenbosch und Robertson vertieft werden. In diesem international renommierten Institut wer-den verschiedene Forschungsprojekte zur Op-timierung des Weinbaus unter heißen und tro-ckenen Anbaubedingungen bearbeitet und die Ergebnisse später den ansässigen Winzern zur Verfügung gestellt.

Auch in Sachen Klimawandel konnten die Studierenden viel erfahren. Durch weitaus zu geringe Winterniederschläge leidet die gesamte Kapregion derzeit unter Wassermangel, sodass die Bewässerung der Weinberge reduziert wer-den musste und vielerorts trockengestresste Reben zu sehen waren. In verschiedenen Ge-sprächen mit Fachkollegen erfuhren die Stu-dierenden, dass als Folge des Klimawandels die Winterniederschläge in der Kapregion geringer werden. Für die heimische Landwirtschaft wird diese Änderung der Niederschlagsverteilung große Folgen nach sich ziehen, denn die gesamte Wasserversorgung der Region wird nur mit Stau-seen, die sich über den Winter füllen, aufrecht-erhalten.

Bis zum Ende der Fachexkursion bekamen die angehenden Weinbautechniker einen inten-siven Einblick in den südafrikanischen Weinbau. In Anbetracht des starken Trockenstressjahres 2015 und der vorhergesagten, zukünftigen kli-matischen Veränderungen können sich die Re-benanbaubedingungen in Franken denen der Kapregion stark annähern. Dennoch konnten die Studierenden der Technikerklasse aus Veitshöch-heim erfahren, wie man trotz der klimatischen Be-dingungen einen erfolgreichen Weinbau betreibt, und wurden gleichzeitig aber auch für die kom-menden Herausforderungen sensibilisiert.

DR. DANIEL HESSDÖRFERBaYeriScHe landeSanSTalT Für WeinBaU Und [email protected]

• Weinbau seit dem 17. Jahrhundert;• siebtgrößter Weinhersteller der Welt (Anbaufläche rund 96 000

Hektar);• rund die Hälfte der Weinproduktion wird exportiert;• meist verbreitete Rebsorten für die Weinherstellung sind Chenin

blanc, Cabernet Sauvignon, Shiraz und Pinotage;• Anbaugebiet kämpft seit Jahren mit Rückgang des Niederschla-

ges; so gab es bereits 2016 einen 5-prozentigen Ernterückgang – die Prognosen für 2017 sehen nicht besser aus.

Infobox: Weinbau in Südafrika

→ Bild 5: Die sehr niedrigen Pegelstände der verschiedenen Stauseen verdeutlichen

die akute Wasserknappheit in der gesamten Kapregion. Das Bild zeigt den Berg

River Stausee nahe der Ortschaft Franschhoek.

→ Bild 4: Tokara – Delicatessen: Die Vinothek mit angeschlossenem Feinkostgeschäft

und Restaurant bietet eine ideale Möglichkeit zum Verweilen auf dem Weingut.

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Zwischen globalisierten Märkten und regionalen AnsprüchenDie IALB/EUFRAS-Konferenz in Münster sucht neue Wege für die Landwirtschaft

von ANDREA HOLLAND und SUSANNE MAYER: Im Spannungsfeld zwischen den globalen Märkten und den hohen Ansprüchen der Verbraucher und der Gesellschaft befindet sich die Landwirtschaft im Umbruch. Diesem Thema widmete sich im Juni diesen Jahres die Konfe-renz der Internationalen Organisation der land- und hauswirtschaftlichen Berater (IALB) in Münster. 360 Teilnehmer aus 14 Ländern kamen zur 56. IALB Konferenz. Sie diskutierten wie Beratung in Zukunft gelingen kann und informierten sich über die Besonderheiten von Land-wirtschaft und Beratung in Nordrhein-Westfalen.

Am 18. Juni 2017 begann die diesjährige fünftägige IALB-Ta-gung in Münster. Es war gleichzeitig auch die 6. EUFRAS-Ta-gung (European Forum for Agricultural and Rural Advisory Services). Für alle Interessierten bestand die Möglichkeit, die Tagung am Sonntag mit einer Stadtführung durch die Fahrradstadt Münster zu beginnen. Auf dem Stadtrundgang lernten die Teilnehmer die historische Innenstadt und ihre Geschichte kennen, aber auch, dass hier Fahrräder – auch Leetze genannt – sehr oft Vorrang haben vor anderen Ver-kehrsmitteln.

Münster liegt im Norden von Nordrhein-Westfalen (NRW), einem sehr vielfältigen und bevölkerungsreichen Bundesland. Dies ist eine der führenden Wirtschaftsregio-nen Deutschlands mit viel Industrie von Bayer in Leverku-sen bis CLAAS in Harsewinkel, aber auch vielen touristischen Angeboten. Die Landwirtschaft spielt ebenfalls eine große Rolle. Auch wenn nur noch 1,3 Prozent der Bevölkerung in landwirtschaftlichen Einzelunternehmen arbeiten, hat NRW die dritthöchsten Umsätze der Landwirtschaft hinter Nieder-sachsen und Bayern. Im Münsterland dominiert die Schwei-nehaltung. Jedes fünfte in Deutschland gemästete Schwein stammt aus NRW.

Verbraucherwunsch und WirklichkeitDie Tagung begann mit drei Fachvorträgen, die sich mit dem Thema Landwirtschaft und Beratung im Umbruch aus ver-schiedensten Perspektiven auseinander setzten. Den An-fang machte Jan Grossarth, Wirtschaftsredakteur der Frank-furter Allgemeinen Zeitung. Er beleuchtete das Thema unter dem Aspekt Verbraucherwunsch und Wirklichkeit. Die Ge-sellschaft stellt vielfältige Ansprüche an die Landwirtschaft. Es besteht ein großer Wunsch nach kleinen Betriebsstruk-turen, in denen eine nachhaltige und tierwohlorientierte

Nutztierhaltung umgesetzt wird. In der anschließenden Plenumsdiskussion erläuterte er, dass die Presse nicht völlig neutral sein kann, da jeder Journalist seine subjektive Wahr-nehmung hat. Doch gerade dadurch besteht die Chance, die aktuelle gesellschaftliche Stimmung einzufangen und entsprechend mit ihr umzugehen. Verbraucher wollen mitt-lerweile mehr als nur satt werden: Sie wollen Nachhaltigkeit leben und die Produktion ihrer Lebensmittel erleben. Darin besteht auch eine große Chance für die Landwirtschaft: der Dialog mit dem Verbraucher.

Veränderungen der Landwirtschaft in NRWPeter Spandau, Berater bei der Landwirtschaftskammer NRW, stellte den Strukturwandel in der Landwirtschaft in NRW in den letzten 20 Jahren vor. Von 110 000 Betrieben sind nur etwas über 30 000 geblieben. Vor allem die Zahl der viehhaltenden Betriebe ist gesunken, die Zahl der ge-haltenen Tiere pro Hektar ist hingegen stark gestiegen, vor allem in der Schweinehaltung. Trotz Leistungssteigerung und Betriebsvergrößerung konnten die meisten Betriebe ihr Realeinkommen nicht steigern. Parallel sehen sie sich mit wachsenden Anforderungen von Gesetzgebung und Gesellschaft konfrontiert. In diesem Spannungsfeld muss die Beratung, selbst im Wettbewerb stehend, helfen, neue individuelle Wege zu finden. Ein Weg für Politik und Bera-tung, mit den aktuellen Konflikten umzugehen, wäre eine Kombination aus veränderten Vorgaben und finanzieller Kompensation, um die Landwirtschaft tier- und umwelt-gerechter, aber auch wirtschaftlich tragfähig zu gestal-ten. Dabei muss auch der Verbraucher mit einbezogen werden. Die Kosten der Maßnahmen müssten vermittelt werden, um eine entsprechende Zahlungsbereitschaft zu wecken.

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Der Landwirt braucht VerlässlichkeitDer abschließende Fachvortrag kam von Martin Schulze Lohoff, Landwirt und Unternehmer mit Schwerpunkt Schweinemast und Energieerzeugung. Er berichtete von der Entwicklung seines eigenen Betriebes und sagte klar: Er sei mittlerweile eher Unternehmer als Landwirt. Er appel-lierte deutlich an die Politik, für verlässliche, planbare Rah-menbedingungen zu sorgen und dabei die oft sehr langen Investitions- und Umstellungszeiträume zu berücksichtigen.

Neue Konzepte entscheidenIm Workshop „Neue Wege in der Landwirtschaft gemeinsam mit den Verbrauchern“ diskutierten die Teilnehmer, wie Di-rektvermarkter ihre Nische finden können. Dabei wurden einige neue Ideen zur Verbesserung der Absatzwege gesam-melt. Zum Beispiel das Konzept der Marktschwärmer (siehe Infobox 1). Besonders betont wurde dabei, dass jeder Betrieb seinen eigenen individuellen Weg suchen muss. Beratung kann dabei unterstützen. Besonders wertvoll sind innovative Ideen des Betriebes ebenso wie guter Kundenkontakt und Alleinstellungsmerkmale.

Tierschutz versus TierwohlIm Workshop „Tierschutz Rind“ wurde in der Diskussion schnell ersichtlich, dass die Begriffe Tierschutz und Tier-wohl nicht synonym verwendet werden können. Tierschutz ist durch festgelegte Normen und Mindestanforderungen im Tierschutzgesetz und in der Tierschutz-Nutztierhal-tungs-Verordnung definiert. Gemessen werden kann dies an konkreten Tierschutzindikatoren, wie z. B. die Lebens-tagsleistung. Tierwohl hingegen geht darüber hinaus und bedeutet keine Einschränkungen in den Verhaltensmustern des Nutztieres. Allerdings gibt es bisher noch keine geeig-neten Indikatoren, anhand dieser Tierwohl bestätigt oder gemessen werden kann. Im Rahmen der Tierwohldebatte wird der Auslauf bzw. der Weidegang stark forciert. Dazu muss allerdings die jetzige (Hoch-)Leistungszucht bei den Rindern hinterfragt werden, da diese nur in geringem Maße mit Weidegang kompatibel ist.

Eine gemeinsame Erkenntnis der Workshops war, dass bisherige Beratungsempfehlungen laufend überdacht und hinterfragt werden sollten. Dabei hilft der verstärkte Aus-tausch zwischen vorhandenen Beraternetzwerken, auch über Landesgrenzen hinaus. Eine gute Möglichkeit hierfür bietet die IALB mit ihren jährlich stattfindenden Tagungen.

Landwirtschaft und Beratung in der Hellweg RegionInteressierte Teilnehmer besuchten den westfälischen Teil der Hellweg Region zwischen Geseke und Unna. Das Beson-dere am ersten Betrieb war, dass er durch eine Vollfusion ei-nes Ferkelerzeugers und eines Schweinemästers entstand. In der GbR, die aus den Betriebsleitern und ihren Söhnen be-steht, wird nun ein Schweinebetrieb mit teilgeschlossenem System und derzeit 670 Zuchtsauenplätzen und 1 300 Mast-plätzen, 220 Hektar Ackerbau und einer Biogasanlage mit 440 Kilowatt Leistung betrieben. Durch die Gründung der GbR blieben beide Höfe bestehen – eine Herausforderung für die Arbeitsorganisation. In diesem Fall spezialisierten sich die Arbeitskräfte auf wenige Aufgabenbereiche. Pro-bleme können dadurch früh genug im eigenen Aufgaben-gebiet erkannt und angegangen werden. Ein regelmäßiger gegenseitiger Austausch an Informationen und die Kom-munikation untereinander ist jedoch unerlässlich. Nachmit-tags wurde ein Legehennenbetrieb mit Schwerpunkt Ver-mehrungszucht und Konsumeiererzeugung besucht. Auf diesem Betrieb werden derzeit 105 000 Hennen gehalten. Laut Betriebsleiter braucht ein Betrieb in der heutigen Zeit ca. 70 000 Legehennen, um für einen Lebensmitteleinzel-händler, wie Rewe oder Aldi, interessant zu sein.

Erfolgreich im ÖkolandbauDer Ökolandbau in Nordrhein-Westfalen spielt mit knapp fünf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche eine eher untergeordnete Rolle, gewinnt jedoch in den letzten Jahren an Bedeutung. Für die ökologische Landwirtschaft stehen 14 Fachberater der Landwirtschaftskammer NRW zur Verfügung. Bei der Entwicklung des Biomarktes spielt der Naturkosthandel eine zentrale Rolle. Besichtigt wurde unter anderem die Firma Weiling, ein Großhandel für öko-logische Produkte aus der ganzen Welt, mit über 12 000 Ar-tikeln. Diese Ware wird von den beiden Logistikzentren der Firma Weiling in Coesfeld (NRW) und Lonsee (BW) täglich frisch an über 1 000 verschiedene Bioläden in ganz Deutsch-land geliefert. Darüber hinaus hat die Firma Weiling ihre ei-gene Bio Marke bioladen* mit über 40 Landwirten, die alle einem Bioverband angehören. Für diese Produkte bietet sie den Landwirten Verträge an, durch die eine Abnahme ge-sichert ist. Zum Abschluss wurde einer dieser Vertragspart-ner besichtigt: Der Betrieb Lesker baut 60 Hektar Gemüse im Freiland und unter Glas an. Vermarktet wird dieses u. a.

Anders als bei klassischen Märkten werden die Produkte bereits vorher online bestellt und bezahlt. Einmal pro Woche bringt der Landwirt dann seine Produkte für zwei Stunden zur Abholung in eine „Schwärmerei“, wo diese von den Verbrauchern abgeholt werden. https://laruchequiditoui.fr/de

Infobox 1: Marktschwärmer – eine moderne Form der Bauernmärkte

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über den Hofladen. Hier bestellt der Landwirt das ganze Sortiment, mit Ausnahme der eigenen Pro-dukte, über den Online-Shop der Firma Weiling.

Landservice – Erfolgreich auf regionalen MärktenDiese Lehrfahrt bot ein buntes Portfolio an Akti-vitätsfeldern des Landservices. Landservice bün-delt in NRW eine Fülle von landwirtschaftlichen Produkten und Dienstleistungen, von Direktver-marktung über Gastronomie und Urlaub bis hin zu erlebnisorientierten Angeboten. Die Landser-vice-Beratung bietet neben Einzel- und Grup-penberatungen auch Gemeinschaftsmarketing unter www.landservice.de. Mit diesem gemein-samen Überbegriff, den es in NRW und Hessen gibt, für verschiedene Arten der haushaltsnahen Diversifizierung kann ein effizientes Marketing erfolgen. Besichtigt werden konnte ein Reit- und Bewegungszentrum, das neben klassischem Reit-unterricht verschiedenste therapeutische Ange-bote vorhält. Eine gläserne Nudelproduktion, ein Bauernhofkaffee, ein Waldbauernhof mit Spiel-scheune und eine Gärtnerei mit großem Stau-dengarten zeigten die Möglichkeiten der Diver-sifizierung.

Tierhaltung im SpannungsfeldEine weitere Exkursion ging ins Westmünsterland. Die-ses wird stark landwirtschaftlich genutzt und steht dabei im Spannungsfeld zwischen intensiver Tierhaltung, Flä-chenknappheit, Gewässer- und Bodenschutz. Die Koopera-tion zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft im Ein-zugsgebiet der Stevertalsperre ist ein Beispiel, wie durch intensive Beratung und Zusammenarbeit aller Beteiligten ein Ausgleich zwischen den Belangen der Landwirtschaft und dem Interesse der Bevölkerung sowie der Wasserwirt-schaft erreicht werden kann. Der Besuch bei der Firma iglo im Rahmen der Exkursion hat gezeigt, dass Wirtschaftlich-keit und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein muss. Der schlagspezifische Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz-mitteln sorgt zusammen mit der persönlichen Beratung vor Ort für qualitativ hochwertige Produkte und sichert das Ein-kommen vieler Betriebe in der Region.

Abschluss und FazitDie Präsentation der Ergebnisse der einzelnen Workshops und eine Projekt- und Ideenbörse mit Poster Prämierung rundeten die Tagung ab. Von den vorgestellten verschie-densten Methoden und Unterstützungsmöglichkeiten für die Beratung wurde das Plakat der FüAk zum Aktantenmo-

dell mit dem Publikumspreis ausgezeichnet (Details: FüAktiv Juli 2017).

Die Tagung endete mit einem Vortrag von Bruder Paulus Terwitte vom Kapuzinerorden. Er zeigte einen ganz ande-ren Blickwinkel auf Beratung unter dem Titel: „Macht Euch die Erde untertan? Von der Freiheit, anders handeln zu kön-nen“ und plädierte dafür, sich bewusst zu machen, wo an-ders Handel möglich und sinnvoll ist. In anderen Worte: „Ich muss das jetzt nicht machen, aber ich kann.“

Die sieben frischgebackenen Landwirtschafts- und Haus-wirtschaftsrätinnen, die dieses Jahr zum ersten Mal an der IALB Tagung teilnahmen, waren sich einig, dass dies eine gute Möglichkeit ist, die Beratung und Landwirtschaft in anderen Regionen kennen zu lernen und sich mit anderen Beratern auszutauschen.

ANDREA HOLLAND SUSANNE MAYERaMT Für ernÄHrUnG, landWirTScHaFT Und FOrSTen [email protected]@aelf-an.bayern.de

https://www.ialb.org/index.php/aktuelles/110-ialb-tagung-2017

Infobox 2: Link zu allen Ergebnissen und Graphic Recordings

→ Die Ergebnisse der Workshops wurden am Schluss zusammengefasst

mit Graphic Recording. Andreas Gaertner, ein Partner der Kommunika-

tionslotsen, stellte die Ergebnisse graphisch dar.

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Tatarstan ist eine autonome Republik Russlands und Heimat von Lenar Sha-givaliev, Doktorand der Agrarwissen-schaften an der Universität in Kasan, der Hauptstadt des Landes. Im Som-mer 2017 absolvierte er ein zweimo-natiges Praktikum im mehr als 2 500 Kilometer entfernten Landshut.

An der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Fors-ten (FüAk) erweiterte er in der Abteilung Bildung seine Kenntnisse in den Berei-chen Pädagogik und Beratung. „Es war die beste Erfahrung für Sprache und viele weitere Kompetenzen“, zog er vor seiner Rückreise Bilanz. Unter anderem habe er an Seminaren zu Führungskompetenz und Beratungsmethodik teilgenommen, aber auch landwirtschaftliche Betriebe besucht. Begeistert berichtete er von ei-ner internationalen Tagung zur Landju-gendarbeit in Herrsching, bei der er unter anderem Bundeslandwirtschaftsminis-ter Christian Schmidt getroffen habe.

Mehrheit muslimisch Lenar Shagivaliev war es ein Anliegen, den Landshuter Kollegen Tatarstan nahezu-bringen. Dazu hatte er Ende August 2017 zu einem Vortrag eingeladen. Tatarstan liegt im östlichen Teil des europäischen Russlands. Dass das Zusammenleben

Führungsakademie lernt Tatarstan kennen – Praktikant Lenar Shagivaliev stellt seine Heimat vor

der Religionen unter den 3,7 Millionen Einwohnern funktioniert, dafür ist Sha-givaliev ein gutes Beispiel: Seine Mutter ist russisch-orthodox, der Vater Mus-lim, wie die Mehrheit der Bevölkerung.

Landwirtschaft in Tatarstan Über die Landwirtschaft, die mehr als sie-ben Prozent Anteil am Bruttoinlandspro-dukt hat, sagte er: „Betriebe mit 500 bis 1 000 Kühen sind bei uns keine Seltenheit.“ Kritische Stimmen zur Massentierhaltung gebe es kaum. Anders als in Deutschland sei zudem ökologische Landwirtschaft kein

Thema. Die 4 700 landwirtschaft-lichen Betriebe wirtschafteten konventionell. Hinzu kämen laut Shagivaliev 465 000 Familien, die zum Beispiel zwei Kühe halten und bis zu einen Hektar Land pflegen. „90 Pro-zent der Schafe des Landes leben auf diesen kleinen Familienbetrie-ben“, führte er

aus. Das Klima sei etwas kälter als hierzu-lande – eine ungünstige Bedingung für Silomais. Ansonsten baue man ähnliche Feldfrüchte wie in Deutschland an. Er selbst habe sich auf Linsen spezialisiert.

Besonders eigenständig Ingeborg Bauer, Präsidentin der FüAk, bedankte sich bei Lenar Shagivaliev für die Ausführungen. Lachend zog sie eine Parallele zu Bayern: „Tatarstan gilt un-ter den autonomen Republiken Russ-lands als besonders eigenständig.“

Praktikantenprogramm des Staatsministeriums Immer wieder absolvieren osteuropäi-sche Studenten oder Doktoranden an der FüAk ein Praktikum. Basis ist das Programm „Internationale Zusammen-arbeit Bayern – Russland zur praktischen Ausbildung von Studenten und jungen Spezialisten in Agrarunternehmen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Er-nährung, Landwirtschaft und Forsten. Es fördert die Kontakte zwischen Deutsch-land und Russland, die Völkerverstän-digung und den Kulturaustausch.

Barbarar Vetter, FüAk

→ Bild 2: Shagivaliev bedankte sich bei Präsidentin Ingeborg Bauer mit einem Präsent aus seiner

Heimatstadt Kasan.

→ Bild 1: Lenar Shagivaliev stellte seine Heimat Tatarstan den Landshuter

Kollegen vor (beide Fotos: Barbara Vetter, FüAk).

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Die Zahlstelle Bayern im Fokus der Prüfinstanzen Aufgaben der Prüfinstanzen bei Fördermaßnahmen gemäß eu-recht

von SuSAnne PLeTL: Die Zahlstelle Bayern – einschließlich aller nachgeordneten Organisati-onseinheiten – ist regelmäßig Prüfungen verschiedener externer und interner Instanzen unter-worfen, z. B. der Europäischen Kommission (EU-KOM) oder der Bescheinigenden Stelle. Dabei stellen sich die Fragen: Welche Prüfinstanzen gibt es? Welche Aufgaben haben sie und wie grei-fen sie ineinander? Vor dem Hintergrund, dass die Zahlstelle Bayern regelmäßig als sehr zuver-lässig bewertet wird und es keine größeren Anlastungen gibt, stellt dieser Beitrag die rechtliche Grundlage, die Aufgaben und die Auswirkungen der Prüfungen durch Prüfinstanzen vor.

die Zahlstelle Bayern ist für die recht- und ordnungsge-mäße umsetzung der von der europäischen Kommission (eu-KOM) genehmigten Fördermaßnahmen des europäi-schen garantiefonds für Landwirtschaft (egFL) und des eu-ropäischen Landwirtschaftsfonds für die entwicklung des ländlichen raums (eLer) in Bayern verantwortlich. die Zahl-stelle Bayern konnte bisher größere Anlastungen weitge-hend vermeiden, wozu das hohe engagement und der hohe Arbeitseinsatz aller mit der Abwicklung von eu-Fördermaß-nahmen betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maß-geblich beigetragen haben.

Zusammenspiel der PrüfinstanzenFür die gewährleistung eines korrekten und vorgabenkon-formen Fördervollzugs hinsichtlich der Aufgaben einer Zahl-stelle fordert die eu-KOM

→ eine Zuständige Behörde (ZB), → eine externe Prüfinstanz, die sogenannte Bescheini-

gende Stelle (BS), in Bayern die Firma deloitte gmbH, → einen internen revisionsdienst, der in Bayern von

der Stabsstelle Interner revisionsdienst/Prüfbe-hörde (IrP) im StMeLF wahrgenommen wird, und

→ ein laufendes Überwachungssystem durch interne Kontrolltätigkeiten innerhalb der Zahlstelle.

gleichzeitig wird die recht- und ordnungsgemäße umset-zung der eu-Vorgaben auch von der eu-KOM selbst geprüft. Als weitere externe Prüfinstanzen sind der europäische rechnungshof (eurH) und der Bayerische Oberste rech-nungshof (OrH) zu nennen.

die Zuständige Behörde ist eine einrichtung des Staats-ministeriums für ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMeLF). nur sie hat die Befugnis, die Abteilung P des StMeLF als eu-Zahlstelle zuzulassen. Ohne Zulassung darf die Zahlstelle eu-Maßnahmen nicht umsetzen und auszah-len. die Zuständige Behörde überwacht die Zahlstelle lau-

fend hinsichtlich der einhaltung der Zulassungskriterien, wobei keine direkten Prüfungen in der Abwicklung der eLer- und egFL-Maßnahmen stattfinden.

der Tätigkeitsbereich des OrH umfasst die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Freistaates Bayern, weswegen die Zahlstelle Bayern bei der Abwicklung der eu- Fördermaßnahmen nur indirekt bei kofinanzierten Maßnah-men oder im Personalbereich von Prüfungen des OrH be-troffen ist. deshalb werden ZB und OrH in diesem Artikel nicht näher erläutert.

die Abbildung zeigt die Zusammenhänge zwischen den genannten externen und internen Prüfinstanzen und dem laufenden Überwachungssystem der Zahlstelle Bayern.

Laufendes Überwachungssystem der Zahlstelle Rechtliche GrundlagenIn der delegierten Verordnung (eu) nr. 907/2014 der Kom-mission vom 11. März 2014 ist verankert, dass die Zahlstelle ein entsprechendes Überwachungssystem aufzubauen hat. In der Zahlstelle Bayern untergliedert sich die laufende Überwachung in eine Fachaufsicht der ersten und zweiten Stufe (siehe Abbildung).

Aufgaben und Auswirkung der Prüfungendie interne Überwachung/Fachaufsicht durch die Zahlstelle oder eine von ihr beauftragte einrichtung über Zahlstellen-mitarbeiter und nachgeordnete bzw. delegierte Stellen dient der Prüfung der recht- und ordnungsgemäßen erledigung von Zahlstellenaufgaben. die Fachaufsicht soll aber auch die zuständigen Stellen, verantwortlich für Verwaltungskontrol-len und Bewilligung, und den technischen Prüfdienst, ver-antwortlich für Vor-Ort-Kontrollen, beim korrekten Förder-vollzug unterstützen. der technische Prüfdienst hat keine Kontrollfunktion im System der Zahlstelle, sondern dient dazu, vor Ort zu überprüfen, ob die daten der Antragsteller korrekt sind.

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die einstufige Fachaufsicht über die zuständigen Stel-len der Abteilung für Förderwesen und Fachrecht (AFr) der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und dem Sachgebiet W4 der Landesanstalt für Weinbau und gartenbau (LWg) nimmt das referat P3 wahr. die Abteilung Förderung der Staatlichen Führungsakademie (FüAk) übt die Fachaufsicht der ersten Stufe über die 47 zuständigen Stellen der Abtei-lungen L1 Förderung der Ämter für ernährung, Landwirt-schaft und Forsten (ÄeLF) und über den technischen Prüf-dienst der sechs zuständigen ÄeLF aus.

Bei den Ämtern für Ländliche entwicklung (ÄLe) übt der Bereich Zentrale Aufgaben, Sachgebiet g2, die erste Stufe der Fachaufsicht über die sieben Sachgebiete F4 der ÄLe als zuständige Stellen und technischer Prüfdienst aus. In der zweiten Stufe überwacht die Abteilung P die ordnungsge-mäße durchführung der Fachaufsicht der ersten Stufe durch die Abteilung F der FüAk und durch Sg g2 des ALe Ober-bayern.

Finanzielle Auswirkungen – bezogen auf die Anlastun-gen – werden durch die Fachaufsicht nicht verursacht. die festgestellten Mängel sind jedoch von den geprüften einhei-ten entsprechend zu bearbeiten und die ausgesprochenen empfehlungen umzusetzen.

Interner Revisionsdienst/PrüfbehördeRechtliche GrundlagenAuch die einrichtung eines internen revisionsdienstes ist durch die delegierte Verordnung (eu) nr. 907/2014 der Kommission vom 11. März 2014 festgelegt. der interne revisionsdienst ist dem Zahlstellenleiter unmittelbar zugeordnet, wobei der interne revisionsdienst vollständig unabhängig agiert und über ein uneingeschränktes und lückenloses Informationsrecht verfügt.

Aufgaben und Auswirkung der Prüfungender interne revisionsdienst (Stabsstelle Interner revisions-dienst/Prüfbehörde IrP) überprüft, ob die Verfahrensabläufe in

der Zahlstelle gewährleisten, dass die ein-haltung der Vorschriften für die Zahlun-gen des egFL und des eLer überwacht wird, dass die Buchführung richtig und vollständig ist und sich auf dem neuesten Stand befindet. die Kontrollen können sich auf ausgewählte Maßnahmen und auf Stichproben von geschäftsvorgän-gen beschränken, sofern durch ein Prüf-programm sichergestellt wird, dass alle wichtigen Bereiche, darunter die für die Bewilligung zuständigen Abteilungen, innerhalb eines Zeitraums von höchstens fünf Jahren abgedeckt werden.

Mit ihrer Prüftätigkeit sichert die IrP die Qualität aller Prozessabläufe der Zahlstelle Bayern und trägt dazu bei, das risiko für Anlastungen seitens der eu möglichst gering zu halten. di-rekte finanzielle Auswirkungen entste-hen nicht dabei.

Bescheinigende Stelle Rechtliche Grundlagendie Zuständige Behörde des StMeLF hat gemäß Art. 1 und 2 der VO (eu) nr. 908/2014 die Pflicht eine Beschei-nigende Stelle (BS) zu beauftragen, die die Zahlstelle und den internen revisi-onsdienst überprüft. dies kann eine öf-fentlich-rechtliche oder privatrechtliche Prüfeinrichtung sein. die Zuständige Behörde hat seit Oktober 2011 im rah-men einer vertraglichen Vereinbarung die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft → Abbildung: das Zusammenspiel der Prüfinstanzen mit Fokus auf die Zahlstelle Bayern

Folie 1 Zahlstelle Bayern Prüfinstanzen / Referat P1 Bayerisches Staatsministerium für

Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Das Zusammenspiel der Prüfinstanzen mit Fokus auf die Zahlstelle Bayern

Interner Revisionsdienst/

Prüfbehörde (IRP)

Abteilung P Förderung und Zahlstelle, StMELF

Erste Fachaufsichtsstufe über zuständige Stellen

Zuständige Stellen: Bewilligung, Verwaltungskontrollen

Erste Fachaufsichtsstufe über zuständige Stellen und technischen Prüfdienst

Technischer Prüfdienst: Vor-Ort-Kontrollen

ÄELF: 6 Abt. L3.P

Zweite Fachaufsichtsstufe über erste Fachaufsichtsstufe

Zuständige Behörde (ZB)

FüAk: Abteilung F Förderung ALE Obb (BZA): SG G2

ÄELF: 47 Abt. L1, 9 FZ DuS, 4 FZ EIF

7 ÄLE: SG F4

LfL: AFR 2, 3 LWG: SG W4

7 ÄLE: SG F4

Zuständige Stellen: Bewilligung, Verwaltungskontrollen

Erste Fachaufsichtsstufe über zuständige Stellen und technischen Prüfdienst

FüAk: Abteilung F Förderung ALE Obb (BZA): SG G2

ÄELF: 47 Abt. L1, 9 FZ DuS, 4 FZ EIF

7 ÄLE: SG F4

LfL: AFR 2, 3 LWG: SG W4

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deloitte gmbH beauftragt. die BS ist in ihrer Funktion von der betreffenden Zahlstelle vollkommen unabhängig und wirkt gewissermaßen als „verlängerter Arm“ der eu-KOM vor Ort.

Aufgaben und Auswirkungen der Prüfungendie BS erstellt jedes Jahr einen Bericht (egFL und eLer), der der eu-KOM fristgerecht jährlich zum 15. Februar vorzule-gen ist. der Bericht enthält Feststellungen, Beanstandungen und empfehlungen, u. a. zu folgenden Themenbereichen [1]:

→ erfüllung der Zulassungskriterien durch die Zahlstelle; → gewährleistung, dass die Verfahren der Zahlstelle

für die Finanzierung der ausgezahlten Fördermaß-nahmen in Übereinstimmung mit den unionsvor-schriften erfolgen;

→ gewährleistung der recht- und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden geschäftsvorgänge;

→ umsetzung von entsprechenden empfehlungen z. B. der BS, eu-KOM und des eurH;

→ Übereinstimmung der Jahresrechnungen mit den Büchern und Aufzeichnungen der Zahlstelle;

→ vollständige, richtige und genaue Wiedergabe der Ausgabenübersichten der zulasten der Fonds finan-zierten Maßnahmen;

→ Schutz der finanziellen Interessen der union in Be-zug auf die wieder einzuziehenden Beträge.

die BS bewertet die einzelnen Themenbereiche nach einem vorgegebenen System von „unzuverlässig“ (entspricht der note eins) bis „sehr zuverlässig“ (entspricht der note vier). die Zahlstelle Bayern erhielt in den letzten zwei Jahren für die Abwicklung der egFL- und eLer-Fonds jeweils die ge-samtbewertung „sehr zuverlässig“.

Bei einer schlechteren Bewertung der BS, z. B. „teilweise zuverlässig“ (note zwei), hat die Zahlstelle mit einer ent-sprechenden Überprüfung durch die eu-KOM zu rechnen. Zudem müsste die Zahlstelle in diesem Fall sofort einen Ak-tionsplan aufstellen, der Maßnahmen beschreibt, wie die Mängel abgestellt bzw. das Kontrollsystem verbessert wird. Auf alle Fälle wäre bei einem „teilweise zuverlässigen“ Sys-tem eine akute Anlastungsgefahr bis hin zum Aussetzen der Zulassung der Zahlstelle gegeben, was zu einem Stopp der Auszahlungen an die Landwirte führen würde.

Europäische Kommission (EU-KOM)die europäische Kommission hat kraft Verordnung die Zustän-digkeit und Befugnis die Mitgliedstaaten mit ihren jeweiligen Zahlstellen, einschließlich der nachgeordneten Behörden, zu überprüfen. die eu-Kommission kontrolliert die Abwicklung aller Prozesse einschließlich der Vorgaben und der edV-Pro-gramme der Zahlstelle und der nachgeordneten Organisa-tionseinheiten an FüAk, LfL, LWg, ÄLe und ÄeLF. Zudem hat die eu-Kommission das recht, auch die Bescheinigende Stelle und den Internen revisionsdienst zu prüfen.

Problematisch wird es, wenn die eu-Kommission syste-matische Fehler feststellt. dann werden die geprüften Maß-nahmen für einen von der eu-KOM festgelegten Zeitraum, der unter umständen mehrere Jahre zurückreichen kann, mit einer pauschalen finanziellen Anlastung von in der regel fünf bis zehn Prozent belegt. Je nachdem, welche Maßnahme be-troffen ist, kann dies zu einem mehrstelligen Millionenbe-trag an rückzahlungen an die eu führen. Zusätzlich würde die eu-KOM die betroffene Zahlstelle in den Annual Acitivity report (AAr), der eine Zusammenstellung von Fehlerraten über zwei Prozent für jeden Fonds beinhaltet, mit aufneh-men. die eu-KOM errechnet die Fehlerrate auf der Basis der Fehlerquoten aus der Analyse der Kontrollstatistiken unter Berücksichtigung von diversen risikozuschlägen, sobald eine gefährdung der Fonds aus Sicht der eu-KOM gegeben ist. die Zahlstelle hat dazu entsprechende Stellungnahmen mit Be-schreibung der Abhilfemaßnahmen und dokumentationen vorzulegen, um weitere Anlastungen zu vermeiden.

Europäischer Rechnungshof (EuRH) [2]Rechtliche Grundlagen der eurH ist ein Organ der europäischen union. er nimmt seine Prüftätigkeit auf der grundlage von Art. 285 bis 287 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen union (Aeu-Vertrag) wahr. der Hof ist in seiner Funktion unabhän-gig von den von ihm geprüften Institutionen und Stellen und besitzt uneingeschränktes Informationsrecht.

Aufgaben und Auswirkungen der Prüfungendie Tätigkeit des eurH umfasst im Wesentlichen die Prüfung der rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Verwen-dung von einnahmen und Ausgaben der Institutionen der europäischen union. Somit werden alle Personen oder Or-ganisationen geprüft, die eu-Finanzmittel verwalten.

die ergebnisse der Prüfungen werden in einem jährli-chen Bericht zusammengestellt und im Amtsblatt der eu-ropäischen union veröffentlicht. dieser Bericht dient dem europäischen Parlament (eP) als Hilfsmittel der Haushalts-kontrolle und ist grundlage für die Haushaltsentlastung der eu-KOM durch das eP. Fällt der Bericht zufriedenstellend aus, legt der Hof der eu-KOM und dem eP eine Zuverlässigkeits-erklärung vor und bestätigt damit eine recht- und ordnungs-gemäße Bewirtschaftung von eu-Haushaltsmitteln.

Literatur [1] Artikel 5 bis 7 der durchführungsverordnung (eu)

nr. 908/2014 der Kommission vom 6. August 2014[2] http://www.eca.europa.eu/de/Pages/MissionAndrole.aspx

SUSANNE PLETL BAYerISCHeS STAATSMInISTerIUM FÜr ernÄHrUng, LAndWIrTSCHAFT Und [email protected]

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ELER Förderperiode 2007 bis 2013Was bewirkten die Fördermittel für LeAder?

von IrIS gerHArd, dr. MAnFred geISSendÖrFer, PHILIPP KAHL und TAnJA STrOBeL- unBeHAun: LEADER wurde 1991 ins Leben gerufen und bedeutet: Liaison entre les actions de développement de l‘économie rurale – auf Deutsch: Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft. LEADER ist obligatorischer Bestandteil der Pro-gramme des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums in Europa (ELER) und wird in Bayern unter dem Motto „Bürger gestalten ihre Heimat“ umge-setzt. Im Rahmen des Bayerischen Zukunftsprogramms für Agrarwirtschaft und Ländlicher Raum 2007 bis 2013 standen gut 70 Millionen Euro ELER-Mittel für LEADER zur Verfügung und auch im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2014 bis 2020 spielt LEADER wieder eine wichtige Rolle.

LeAder ist ein methodischer Ansatz, der es den Menschen vor Ort ermöglicht regionale Prozesse mitzugestalten und die region gemeinsam weiterzuentwickeln. das wichtigste Instrument zur umsetzung des LeAder-Ansatzes bei der ge-bietsentwicklung und der Beteiligung lokaler Vertreter an den entscheidungsprozessen ist die Lokale Aktionsgruppe (LAg). diese ist für die umsetzung der lokalen entwicklungs-strategie (LeS) in ihrem gebiet verantwortlich, die sie am Beginn einer jeden eu-Förderphase mit breiter Bürgerbe-teiligung vor Ort erstellt. Im rahmen dieser entwicklungs-strategie können Projekte gefördert werden.

Struktur der ELER-Programme die eLer-Programme in der Förderperiode 2007 bis 2013 waren in vier „Achsen“ eingeteilt, wobei die „LeAder-Achse“ thematisch übergreifend war (Abbildung 1). Für jede Achse musste ein vorgeschriebener Mindestanteil der verfügba-ren Mittel vorgesehen werden. Bei LeAder waren dies fünf Prozent der eLer-Mittel für Bayern.

Mit der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 gliederte sich die Struktur in sechs Prioritäten und drei Querschnitts-themen weiter auf (siehe Abbildung 2). Im unterschied zur vorangegangenen Förderperiode musste in der aktuellen nicht jede einzelne Priorität im eLer-Programm vorgesehen werden. ein Teil der bisher eLer-kofinanzierten bayerischen Fördermaßnahmen wird nun ausschließlich aus nationalen Mitteln finanziert (z. B. Flurneuordnung, Waldwirtschaftli-che- und Landschaftspflegemaßnahmen).

In der aktuellen Programmstruktur ist LeAder unter Pri-orität 6 programmiert, nicht mehr hervorgehoben als ei-gene Achse. Weil LeAder durch seine breite Zielsetzung weiterhin mit anderen Prioritäten verknüpft ist, bleibt der Querschnitts charakter der Maßnahme jedoch erhalten. Wie in der Vorperiode sollen auch 2014 bis 2020 mindestens fünf

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→ Abbildung 1: Struktur des eLer 2007 bis 2013 → Abbildung 2: Aufbau des eLer 2014 bis 2020 mit seinen sechs

Prioritäten und drei Querschnittsthemen

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Prozent der eLer-Mittel für die LeAder-Maßnahme einge-setzt werden. Kontinuität über die eu-Förderperioden hin-weg und damit Verlässlichkeit für die Förderempfänger ist für viele eLer-Maßnahmen sehr wichtig. Aus umweltschutz-fachlicher Sicht gilt das besonders auch für umwelt- und Kli-maschutzmaßnahmen. Aus diesen gründen wird versucht Maßnahmen trotz unterschiedlicher Achsen, Prioritäten und Zielzuordnungen über die Förderperioden hinweg mög-lichst ähnlich fortzuführen, wie Abbildung 3 der Maßnah-men in den verschiedenen Förderperioden zeigt.

LEADER: 20 Jahre von Versuchs- zur Transfer-PhaseWährend der „experimentierphase“ 1991 bis1993 beteiligten sich europaweit 217 regionen an LeAder. Zwischen 1994 und 1999 beschränkte sich der LeAder-Ansatz immer noch ausschließlich auf strukturschwache ländliche gebiete. Auf-grund der positiven ergebnisse umfasste das Programm in den Jahren 2000 bis 2006 schließlich alle Arten von länd-lichen gebieten. Im vierten Programmzeitraum (2007 bis

2013) wurde LeAder zum festen Bestandteil der eu-Politik zur entwicklung des ländlichen raums und wurde in diese vollständig integriert. Heute nutzen über 2 400 ländliche gebiete in den Mitgliedstaaten das LeAder-Konzept.

LEADER 2007 bis 2013 in Bayerndas Motto „Bürger gestalten ihre Heimat“ verdeutlicht, was für den LeAder-Ansatz prägend ist: regionale und lokale gestaltung und Mitbestimmung durch jene Akteure, die ihre region am besten kennen. durch die Initiierung einer akti-ven Bürgerbeteiligung (bottom-up-Ansatz) und einer ver-besserten interkommunalen Zusammenarbeit in Verbin-dung mit der Forderung nach neuartigen und vernetzten Lösungen kann LeAder wichtige Impulse setzen und Bei-träge zu den Zielen leisten (siehe Infobox 1).

Hohe Akzeptanz LeAder erfuhr schon in der Vergangenheit eine hohe nach-frage in den bayerischen regionen. dies führte dazu, dass in

→ Abbildung 3: Änderung der Maßnahmenzuordnung in den verschiedenen eLer-Förderperioden

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der Förderperiode 2007 bis 2013 in Bayern insgesamt 58 LAg ausgewählt wurden. damit umfassten die bayerischen LeA-der-gebiete 41 Prozent der Bevölkerung, 63 Prozent der Landesfläche und 62 Prozent der gemeinden und Städte. In den LeAder-gebieten lebten rund 5,1 Mio. einwohner auf einer Fläche von 44 250 Quadratkilometer. grundsätzliche Ziele des LeAder-Programms zur räumlichen reichweite wurden somit voll erreicht bzw. übertroffen.

In jeder dritten LAg war der Wirkungskreis deckungs-gleich mit einem Landkreis. der weitaus größere Teil der regionen wählte andere gebietsabgrenzungen. Mehr als 70 Prozent der LAg schätzten ihren Wirkungskreis jedoch als zweckmäßig ein. Jede zweite LAg lag vollständig bzw. teilweise im benachteiligten gebiet. Im Schnitt wiesen die regionen eine einwohnerdichte von 116 einwohnern pro Quadratkilometer auf. die Spannweite von 50 bis 337 ein-wohnern pro Quadratkilometer und eine stark unterschied-liche Finanzkraft zeigen jedoch, dass stark divergierende re-gionale Ausgangssituationen vorlagen.

Wesentliche Voraussetzung für eine Förderung über LeA-der war die erstellung eines regionalen entwicklungskon-zepts (reK). In diesem Konzept werden entwicklungsziele

und Handlungsfelder festgeschrieben und eine gebietsspe-zifische Strategie sowie geeignete Projekte formuliert. um eine „kritische Masse“ gewährleisten zu können, sollte der Bevölkerungsumfang der gebiete 150 000 einwohner nicht über- und die Schwelle von 25 000 einwohnern nicht un-terschreiten.

Partnerschaftlicher Entwicklungsansatz die LAg sind seit der Förderphase 2007 bis 2013 in einer rechtsform organisiert, die kommunale, wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure der region verknüpft. Wirt-schafts- und Sozialpartner sind mit mindestens 51 Prozent der Stimmen vertreten. Zusammen mit öffentlichen Vertre-tern bilden diese Akteure das entscheidungsgremium, das unter anderem die Auswahl der Projekte trifft. unterstüt-zung erhalten die LAg durch die LeAder-Koordinatoren. diese haben ihren Sitz an den Ämtern für ernährung, Land-wirtschaft und Forsten (AeLF) mit Fachzentren „diversifizie-rung und Strukturentwicklung“.

Im Förderzeitraum bis 2013 stand ein Finanzvolumen von 141 Mio. euro an öffentlichen Mitteln, davon 70,5 Mio. euro an eLer-Mitteln, zur Verfügung. Jedes LeAder-gebiet verfügte somit über einen Plafond von rund 1,2 Mio. euro eLer-Mittel. Bis 2013 wurden 1 430 Vorhaben mit gesamt-kosten in Höhe von 273,5 Mio. euro bewilligt. Bezogen auf die geplante Zahl von Vorhaben realisierten die LAg mit 166 Prozent und mit 113 Prozent (Zahl der Kooperationen) einen überdurchschnittlich hohen grad der anvisierten Ziele.

Profilierung durch Nutzung regionaler Besonderheitengemessen an der Höhe der Zuwendungen und der An-zahl der unterstützten Projekte stand in der Förderperiode

• umsetzung lokaler gebietsspezifischer entwicklungs-strategien mit integrierten Projekten,

• unterstützung ländlicher gebiete bei der Stärkung der regionalen Identität und regionalen Profilbildung,

• Beitrag zur Schaffung gebietsspezifischer Wett-bewerbsvorteile,

• Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Lösung demographischer Probleme,

• Inwertsetzung eigener (endogener) entwicklungs-potenziale,

• Aufbau von gebietsübergreifenden und transnatio-nalen Kooperationen,

• Aufbau, nutzung und Transfer von Know-how unter-stützen,

• Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, • Verbesserung der Chancengleichheit einschließlich

der Berücksichtigung der Belange von Jugendlichen, Senioren und Menschen mit Behinderung,

• erhöhung der regionalen Wertschöpfung und der Wettbewerbsfähigkeit,

• Beitrag zu ressourcenschonung und umweltschutz, • Beiträge zur erhaltung und Schaffung gleichwertiger

Lebensbedingungen,• Steigerung der Attraktivität der regionen.

Infobox 1: Ziele von LEADER

• Integrierte und sektorübergreifende Strategien in einem regionalen entwicklungskonzept für klar definierte, in sich kohärente ländliche gebiete,

• lokale Aktionsgruppen, die für die Ausarbeitung und umsetzung (bis 2013 reK, ab 2014 LeS) verant-wortlich sind,

• Aufbau von Partnerschaften und netzwerken durch das Zusammenwirken von Akteuren und Projekten aus verschiedenen Bereichen,

• umsetzung innovativer Konzepte bei der Projekt-auswahl und -umsetzung und

• durchführung gebietsübergreifender und bzw. oder transnationaler Kooperationsprojekte.

Infobox 2: Kern-Elemente des LEADER-Ansatzes

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2007 bis 2013 die Förderung des Tourismus an erster Stelle (40,4 Prozent) (siehe Abbildung 4), gefolgt von den Kosten für die Schaffung von dienstleistungseinrichtungen zur grund-versorgung für die ländliche Wirtschaft und der Bevölkerung (31,5 Prozent). Weitere Schwerpunkte der umsetzung waren Vorhaben zur erhaltung und Verbesserung des ländlichen erbes (21,6 Prozent) und die Kosten für Management und geschäftsführung der LAg (5,9 Prozent).

die durchschnittliche förderfähige Investitionssumme lag bei rund 142  000  euro je Projekt. die Spanne der durchschnittlichen Investitionssumme reichte von knapp 50 000 euro bis über 500 000 euro je Projekt.

Hinweise zur thematischen Schwerpunktsetzung der re-gionalen Vorhaben wurden mit Hilfe einer grunderhebung aller LAg erfasst. Aus den Antworten zur Frage, welche The-men in der Förderphase 2007 bis 2013 bearbeitet wurden, ließen sich unterschiedliche Schwerpunkte ermitteln (siehe Abbildung 5).

unter Mitwirkung der LAg wurden auch Projekte außer-halb des LeAder-Programms umgesetzt, z. B. im Zusam-menhang mit InTerreg-Strategien oder anderen regio-nalen entwicklungsschwerpunkten (demografiekonzepte, Breitbandausbau, naturschutzprojekte). die hierfür getätig-ten gesamtinvestitionen betrugen einer Sonderauswertung des bayerischen Staatsministeriums für ernährung, Land-wirtschaft und Forsten (StMeLF) zufolge rund 117 Mio. euro. Von 43 bayerischen LAg wurden in der Förderperiode 227 Kooperationsprojekte durchgeführt, an welchen kumuliert insgesamt 899 Partner teilnahmen. 682 der Kooperations-partner waren LAg auf bayerischem gebiet, 30 Kooperati-

onspartner kamen aus benachbarten Bundesländern und dem Ausland.

Ab 2014 starke Nachfrage und höhere Anforderungendie erfolge und positiven erfahrungen mit dem vorange-gangenen LeAder-Programm regten die nachfrage in der neuen Bewerbungsphase (2014 bis 2020) an. dies hatte zur Folge, dass teils entscheidungsträger auf gemeinde- und Landkreisebene die neugründung von LAg forcierten, teils schon bestehende LAg sich aus unterschiedlichsten grün-den neu organisierten, z. B. um sich zu vergrößern oder eine neue Trägerorganisation zu gründen. Schließlich wurden in der aktuellen Förderphase 68 Lokale Aktionsgruppen nach einem umfangreichen Auswahlverfahren anerkannt. Ihnen stehen rund 1,5 Mio. euro eLer-Mittel je LAg zur Verfügung. darin enthalten sind 400  000  euro für Kooperationspro-jekte und 1,1 Mio. euro für sonstige Projekte (einschließlich 250 000 euro für das LAg-Management). Bayernweit stehen für die umsetzung der entwicklungsstrategien aller loka-len gruppen ca. 111 Mio. euro an eLer- und Landesmitteln zur Verfügung. einschließlich der kommunalen Mittel sind 157 Mio. euro eingeplant. Bis zum 1. november 2017 wurden bereits 52,5 Mio. euro bewilligt und Auszahlungen in Höhe von 7 Mio. euro getätigt.

Insgesamt umfassen die bayerischen LeAder-gebieten in der aktuellen Förderphase 86 Prozent der Landesfläche und 58 Prozent der Bevölkerung. 30 LAg liegen im „raum mit besonderem Handlungsbedarf“. Somit wird LeAder nun fast flächendeckend in Bayern umgesetzt. eine Ausnahme bildet unter anderem der Ballungsraum um die Landes-hauptstadt München.

ein kontinuierliches Lernen und das Anpassen an aktuelle Herausforderun-gen – auch mit innovativen Ansätzen – sind typische Kennzeichen von LeA-der. der aktuelle Ansatz zielt auf Ko-operations- und netzwerkbildung zur Bündelung von Kräften innerhalb und zwischen LeAder-gebieten wie auch auf die Berücksichtigung der übergrei-fenden Themen „umwelt“, „Klima“ und „demographische entwicklung“ ab. ein großteil der bisher bewilligten wie auch gestarteten Projekte bewegt sich in den „klassischen“ LeAder-Bereichen Freizeit, Tourismus und Kultur, aber auch in den Bereichen Soziales und demographie sowie wirtschaftliche entwicklung. Viele der LAg-geschäfts-stellen sind aktiv an der entwicklung → Abbildung 4: Förderschwerpunkte LeAder (Quele: StMeLF, VAIF-daten Auszahlungen 2007 – 2015)

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sowie der gremien- und netzwerkarbeit anderer regiona-ler Konzepte beteiligt.

neben der Zahl der LAg haben sich weitere Änderun-gen bezüglich der Anforderungen an das LAg-Management ergeben. unter anderem sind in der lokalen entwicklungs-strategie klare Zielvorgaben, ein Aktionsplan sowie ein aus-sagekräftiges Monitoring und die evaluierung als wichtige Aufgabenbereiche hinzugekommen. Anhand von selbst ge-wählten und in der LeS festgeschriebenen Projektauswahl-kriterien entscheiden die LAg-gremien eigenständig darü-ber, welche Projekte über LeAder gefördert werden sollen. Außerdem können die regionen erstmals über das Projekt „Bürgerengagement“ selbst über ein kleines Budget frei ver-fügen. eine umfrage im rahmen der laufenden Bewertung des LeAder-Programms macht deutlich, dass die LAg in der regel gut mit den neuen Anforderungen zurechtkom-men. dennoch stellen auch die stark zugenommenen ver-waltungs- und fördertechnischen Ansprüche Hürden für die LAg dar, vor allem in der Beratung potenzieller Projektträger. um das Prinzip der Akteursbeteiligung und das Image von LeAder als flexibles Förderprogramm für ländliche gebiete erhalten zu können, sollte den Zielgruppen des Programms eine durchführung ihrer Ideen mit möglichst einfachen re-gelungen erleichtert werden.

die alles in allem positiven erfahrungen mit LeAder stär-ken nicht nur das lokale bzw. regionale Verantwortungsbe-

wusstsein für selbst gesteuertes entwicklungsengagement, sondern sie zeigen vor allem auch die Möglichkeiten der Anwendung subsidiärer Prinzipien der eu-Politik nachdrück-lich auf.

IRIS GERHARDBAYerISCHeS STAATSMInISTerIUM FÜr ernÄHrUng, LAndWIrTSCHAFT Und [email protected]. MANFRED GEISSENDÖRFER FOrSCHUngSgrUPPe [email protected] KAHLFOrSCHUngSgrUPPe [email protected] STROBEL-UNBEHAUNFOrSCHUngSgrUPPe [email protected]

→ Abbildung 5: Bearbeitete Schwerpunktthemen im Förderzeitraum 2007 bis 2013

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Naherholung, Freizeit- und Tourismusaktivitäten

Kultur, Kunst und „ländliches Erbe“

Vernetzung und Erfahrungsaustausch

Nachhaltigkeit

Image und Profilbildung der Region

Soziales Umfeld: Familien, Jugend, Frauen, Senioren

Demographie, Abwanderung, Alterung

Umwelt- und Naturschutz, Landschaft, Biodiversität

Kommunal-/Dorfentwicklung, ländliches Bauen

Landwirtschaft, lokale Produkte, Vermarktung

(Regenerative) Energien

Fachkräfte, Qualifizierung, Ausbildung

Existenzgründung

Regionales Handwerk

Teilnahme an regionalen Wettbewerben

Beschäftigung, neue Erwerbsfelder

sehr stark stark mittelmäßig gering überhaupt nicht

Quelle: Eigene Erhebung, ART 2014, n=58

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Der Prüfdienst hat jedes Jahr rund 1 000 Be-triebe systematisch auf die Einhaltung der Cross Compliance-Auflagen kontrolliert. ein Vergleich der Jahresergebnisse zeigt die entwick-lung der Verstöße bei Cross Compliance („grüner Bereich“) in den Jahren 2015 und 2016. Insgesamt gingen die Verstöße zurück, jedoch ist die dokumen-tation häufig nicht ausreichend. Hiervon werden im Folgenden ergebnisse zu den Bereichen nitrat, guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand (gLÖZ) und Pflanzenschutz dargestellt. In den Berei-chen Vogelschutz und Fauna-Flora-Habitat (FFH) gibt es bei den systematischen Kontrollen nur wenige Verstöße (< 10), d. h. die Landwirte gehen in der re-gel sorgfältig mit ihren Flächen in natura 2000-ge-bieten um.

Vergleich der verschiedenen KontrollbereicheIm Jahr 2016 zeigte sich durchweg ein rückgang bei den Verstößen, der zwar im Bereich von ca. 15 – 25 Prozent deutlich erscheint, aber nicht als Trendlinie zu sehen ist, sondern auf grund der geringen Fallzahlen eher innerhalb des Schwankungsbereichs liegt.

Nitratrichtlinie – Schwachstelle Dokumentationein großteil der Verstöße in beiden Jahren ist auf nicht vorhandene dokumentation zurückzuführen. Hierbei liegt der Schwerpunkt im Bereich der Ver-pflichtungen zur erstellung eines nährstoffvergleichs und in fehlenden unterlagen zur dokumentation des Stickstoffgehalts im Boden. Verstöße treten auch bei den ortsfesten Anlagen auf. Hierbei sind vor allem im Bereich der Festmistlagerstätten defizite festzustel-len. des Weiteren sind Abweichungen bei den ge-samtbetrieblichen Vorgaben wie eine Überschreitung der zulässigen Stickstoffmenge je ha (170 kg n-rege-lung) und zu knapper Lagerraum festgestellt worden.

Auflagenverstöße bei GLÖZ die Agrarzahlungen-Verpflichtungenverordnung (AgrarZahlVerpflV) regelt die grundsätze der erhal-tung der Flächen in einem guten landwirtschaftli-chen und ökologischen Zustand. der Schwerpunkt der Verstöße liegt hier bei den Verpflichtungen zum erosionsschutz, gefolgt von den Auflagenverstößen bei der Bodenbedeckung hinsichtlich einhaltung der Schutzperiode und Vorgaben zur Begrünung, sowie bei der Lagerung von Festmist in der Feldflur (grund-wasserschutz). die restlichen Verstöße finden sich ebenfalls im Bereich der Vorgaben zum grundwasser-schutz wieder.

CC-Verstöße im Jahresvergleich

→ Abbildung 1: Betriebe mit Verstößen bei systematischen Kontrollen 2015 und 2016

166

127

534543

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80

100

120

140

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2015 2016

Nitrat PSM GLÖZ

→ Abbildung 2: Verstöße im Bereich nitrat bei systematischen Kontrollen 2015 und 2016

62

51

37

2329

19

126 7 6

1 1

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41

21

1410

21

9

17

4 3

11

00

10

20

30

40

50

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70

2015 2016

→ Abbildung 3: Verstöße im Bereich gLÖZ bei systematischen Kontrollen 2015 und 2016

13

67

5

2 2 21

6

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1 10 0

12

0

2

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→ Abbildung 4: Verstöße im Bereich Pflanzenschutz bei systematischen Kontrollen

2015 und 2016

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1

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3

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5

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35

PSM-Aufzeichnungenunvollständig oder unrichtig

keine PSM-Aufzeichnungen Nichteinhaltung festgesetzterAnwendungsgebiete

Sonstige

2015 2016

Pflanzenschutzmittelrichtlinie – Defizite bei den AufzeichnungenIm Bereich der Pflanzenschutzmittelricht linie bein-halten die Verstöße nicht vorhandene bzw. unvoll-ständige/fehlerhafte Aufzeichnungen. da bei den systematischen Kontrollen bei nur rund 5 Prozent der Betriebe Verstöße zu verzeichnen sind, und dies im Bereich von dokumentationspflichten, spricht dies für einen verantwortungsvollen umgang der Landwirte mit diesem umweltsensiblen Thema.

Christian Geiger, StMELF

Die Vermessungsverwaltung plant histo-rische Bilddaten digital und zentral zur Verfügung zu stellen. Diese innovative Neuerung in der Landwirtschaftsver-waltung hatte Landwirtschaftsinspektor Klaus Rothenbücher durch einen Ver-besserungsvorschlag mit angestoßen.

Luftbilder, sogenannte digitale Ortho-photos (dOP), werden in der Landwirt-schaftsverwaltung für die Antragstellung, Förderung und Kontrollen eingesetzt. Bisher verwaltete jedes Amt insbeson-dere seine historischen dOP selbst. ein zentraler regionsübergreifender Zugriff auf die digitalen daten, wie Luftbilder oder Übersichtskarten auch über Jahr-zehnte zurück, war nicht möglich.

den Ämtern stehen im geografischen In-formationssystem zur Flächenverwaltung (LaFIS) über den WMS-dienst der Vermes-sungsverwaltung zentral aktuelle Luftbild-daten zur Verfügung. Klaus rothenbücher schlägt nun vor, dass im Zuge des weiteren Übergangs von LaFIS zu iBALIS historische

Digitaler zentraler Zugriff auf historische Bilddaten

dOP der einzelnen Jahre auch über den WMS-dienst zur Verfügung stehen sollen. google earth bietet bereits eine solche Funktion, in der die historischen Bilder ein-geblendet werden können. „dies ist eine gute und wichtige Idee, die, wenn sie um-gesetzt wird, viel Zeit spart“, meint rainer Schmachtenberger, Leitstelle Prüfdienst, an der Staatlichen Führungsakademie für ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

der Innovationsvorschlag von Klaus ro-thenbücher geht allerdings noch deutlich weiter. um Punktinformationen direkt am Feld abrufen zu können, sollten daten aus iBALIS den Landwirten und den Mitarbei-tern vor Ort über eine Handy-App inklusive Standortanzeige zur Verfügung gestellt werden. diese Punktinformationen sollten je nach Anwender alle förderrelevanten Inhalte auflisten (z. B. Auflage der Agrarum-weltmaßnahmen, greeningauflagen, Vor-gaben des Cross Compliance). In naher Zu-kunft könnten dann auch die Prüfer vor Ort auf die daten zugreifen und die Kontroller-gebnisse dokumentieren. eine iBALIS -APP

oder eine umprogrammierung von iBALIS für die Ansicht im Smartphone und zusätz-lich ein Button für «Standort» als naviga-tion wären hilfreich. Ob diese Wünsche alle restlos umgesetzt werden können und bis wann, steht allerdings noch nicht fest, da ein hoher Programmieraufwand erforderlich ist.

StMELF

→ Klaus rothenbücher hat seine Idee für einen

besseren Zugriff auf digitales Kartenmaterial

und Bildern aus der Vergangenheit als

Vorschlag eingebracht; einiges wird nun

umgesetzt.

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Gemeinsam gegen LebensmittelverschwendungDie Tafeln retten Lebensmittel

von DR. MALTE RUBACH und ELISABETH MENGELE-KLEY: Als Schirmherr der bayerischen Tafeln stattete Staatsminister Helmut Brunner stellvertretend der Tafel Kulmbach einen Be-such ab. Dort wurde eindrucksvoll vermittelt, mit welchem zivilgesellschaftlichen Engage-ment die Tafeln Lebensmittel für den guten Zweck retten, Lebensmittel wertschätzen und Verschwendung vermeiden. So lautet das Motto des von Staatsminister Helmut Brunner 2016 initiierten Bündnisses „Wir retten Lebensmittel!“. Von Beginn an dabei sind auch die Tafeln, die seit 2016 in dem neugegründeten Tafel Landesverband Bayern e. V. organisiert sind.

Stellvertretend für die weiteren 166 Tafeln in Bayern besuchte Staatsminis-ter Brunner die Kulmbacher Tafel, um sich vor Ort einen Eindruck von deren Arbeit zu verschaffen. Die Kulmbacher Tafel hat sich im Sommer 2004 als ein-getragener Verein unter Federführung der Gründungsvorsitzenden Barbara Hahn formiert. Als Unterstützer fun-gieren zahlreiche Firmen und Privat-personen aus der Region. Zudem en-gagiert sie sich mit Veranstaltungen in Bildungseinrichtungen und Schulen, um die Wertschätzung gegenüber Le-bensmitteln zu steigern.

Elfriede Höhn, Vorsitzende der Ta-fel Kulmbach, nennt Zahlen: Insge-samt mehr als 70 ehrenamtliche Helfer sind in bei der Kulmbacher Tafel aktiv und versorgen an jedem Ausgabetag regelmäßig etwa 160 Berechtigte und deren Angehörige.

Nach kurzer Einweisung war auch Staatsminister Hel-mut Brunner bereits voll in die Tafelausgabe integriert. Mit einer offiziellen „Tafel-Schürze“ ausgestattet verteilte der Minister mit vollen Händen Obst und Gemüse und ließ Augenmaß walten, wenn es auch mal „etwas mehr“ sein durfte. Die Tafelgäste überwanden ihre Berührungs-ängste daher schnell, und auch anfängliche Verständi-gungsschwierigkeiten mit den in letzter Zeit zunehmend aus Migrationsländern stammenden Tafelgästen wurden rasch behoben. Einige der Migranten unterstützen die Ta-

fel inzwischen ehrenamtlich und sind Helfer und Dolmet-scher zugleich.

Beeindruckt zeigte sich der Staatsminister von der ho-hen Professionalität der Tafelmitarbeiter, deren Qualitäts-ansprüche genauso hoch sind wie im Lebensmittelhandel, da auch die Tafeln als Marktteilnehmer den gesetzlichen Anforderungen der Lebensmittelüberwachung unterlie-gen.

Die Lebensmittel müssen daher in einwandfreiem Zustand sein und die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Was dem gesundheitlichen Schutz der Tafelgäste

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→ Bild 1: Staatsminister Helmut Brunner hilft bei der Tafelausgabe tatkräftig mit (alle Fotos: Nicolas

Armer, StMELF).

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dient, erfordert einen umso größeren Aufwand bei der Abholung der Lebensmittel. Kühlwägen und klimatisierte Lagermöglichkeiten für die Le-bensmittel sind daher unabdinglich.

Laut dem Tafel Bundesverband gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Spendern so gut, dass etwa 90 Prozent aller Lebensmittel-geschäfte regelmäßig Lebensmittel spenden. In Bayern belaufen sich die jährlichen Spenden laut der am Kompetenzzentrum für Ernährung durchgeführten Studie „Lebensmittelverluste und Wegwerfraten in Bayern“ auf gut 30 000 Tonnen. Der Tafel Landesverband Bayern schätzt sogar, dass bis zu 50 000 Tonnen Lebensmittel pro Jahr gerettet werden könnten, wenn die Ab-holung und Verteilung von Lebensmittelspen-den einer effizienter organisierten Logistik fol-gen könnte. Anstrengungen in diese Richtung sind im Landesentwicklungsplan des Tafel Lan-desverbandes Bayern e. V. vorgesehen und sollen das Ver-meidungspotenzial für Lebensmittelverluste noch weiter erhöhen.

Zukünftig soll die Arbeit der Tafeln auch im Bündnis „Wir retten Lebensmittel!“ weiter gestärkt werden. Daher hat das Bündnis zwei Maßnahmen beschlossen, die di-rekt den Tafeln und anderen karitativen Lebensmittelret-tern zu Gute kommen. Ein Wettbewerb soll deren Arbeit öffentlichkeitswirksam vorstellen und neue Sponsoren und Spender anziehen. Außerdem wird eine digitale An-

wendung erstellt werden, welche die Tafeln bei der Rou-tenplanung zur Abholung von Lebensmittelspenden un-terstützen soll.

Abschließend wurde bei dem Besuch von Staatsminis-ter Helmut Brunner, dem auch der Oberbürgermeister der Stadt Kulmbach Henry Schramm sowie Landrat Klaus-Peter Söllner gefolgt waren, eines klar: Lebensmittel sind Mittel zum Leben und der Überfluss auf der einen Seite sollte nicht dazu verleiten, sie auf der anderen Seite zu ver-schwenden.

DR. MALTE RUBACHELISABETH MENGELE-KLEYBAYEriSChES STAATSMiniSTEriUM FÜr ErnährUng, lAndWirTSChAFT Und [email protected]@stmelf.bayern.de

Die 166 bayerischen Tafeln retten im Jahr gut 30 000 Ton-nen Lebensmittel. Bayernweit helfen rund 5 000 Menschen im Ehrenamt bei den Tafeln aus und tragen damit zur Ver-sorgung von mehr als 200 000 Menschen bei.

Quelle: Tafel Landesverband Bayern e. V.

Infobox: Bayerische Tafeln

→ Bild 2: Das vielfältige Obst- und Gemüseangebot der Tafel Kulmbach. Die

Lebensmittel müssen in einwandfreiem Zustand sein.

→ Bild 3: Die Brotausgabe der Kulmbacher Tafel.

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Die Philosophie einer guten Verpflegung Bayerische Leitlinien Kita- und Schulverpflegung

von ANN-KATRIN HILLENBRAND: Die Mahlzeit in Kitas und Schulen ist auch Bildungszeit. Ein ausgewogenes Mittagessen prägt das Essverhalten, die Wertschätzung gegenüber Lebens-mitteln und die Esskultur nachhaltig. Abwechslungsreiche Gerichte, genussvoll zubereitet aus regionalen und saisonalen Zutaten, müssen deshalb auch für unsere Kinder zur Selbst-verständlichkeit werden. Gerade im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung besteht ein gro-ßes Potenzial und eine immense Verantwortung zugleich – alleine in Bayern nehmen mehr als 600 000 Kinder und Jugendliche die Verpflegung in Kitas und Schulen in Anspruch. Aus die-sem Grund hat das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Bayerischen Leitlinien Schulverpflegung und die Bayerischen Leitlinien Kitaverpflegung herausgegeben. Die Fachstelle Kita- und Schulverpflegung am Kompetenzzentrum für Er-nährung hat diese wissenschaftlich konzipiert und begleitet. Im Rahmen des Fachkongresses „Bayerische Leitlinien – Kita- und Schulverpflegung gemeinsam voranbringen“ wurden die Leitlinien zur Schulverpflegung offiziell vorgestellt. Zum Start des Kindergartenjahres folg-ten die Bayerischen Leitlinien zur Kitaverpflegung.

Mit den Bayerischen Leitlinien beschreibt das Ernährungsmi-nisterium das Verständnis einer guten Verpflegung. Hierfür liegen der DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung und der DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Ta-geseinrichtungen für Kinder zu Grunde. Doch die Leitlinien gehen mit den Leitgedanken Gesundheit, Wertschätzung, Nachhaltigkeit und Ökonomie darüber hinaus. Sie stellen dar, wie eine gesunde, qualitativ hochwertige, schmackhafte und zugleich wirtschaftliche Verpflegung aussieht. Die the-oretischen Überlegungen werden im zweiten Teil durch

praktische Tipps zur Umsetzung ergänzt. „Denn am Schluss müssen wir die PS auf die Straße bringen“, sagte Amtschef Hubert Bittlmayer anlässlich der Vorstellung der Leitlinien.

Träger, Speisenanbieter und Vertreter von Kitas und Schulen haben es gemeinsam in der hand, was Kinder und Jugendliche auf ihren Tellern finden.

Die Leitlinien bieten Anlass, sich mit der Verpflegungs-qualität vor Ort auseinan-derzusetzen und sich im Rahmen der jeweiligen Ge-gebenheiten Ziele zu set-zen – sei es der vermehrte Einsatz regionaler Produkte oder die Verbesserung der Akzeptanz des Mittagessens. „Das Wort ‚gemeinsam‘ ist mir hierbei besonders wich-tig“, betonte Bittlmayer in München. Und so habe man sich auch die Leitlinien nicht

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→ Bild 1: Komplett ausgebucht – 150 Teilnehmer verfolgten den Fachkongress (beide Fotos: KErn).

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alleine ausgedacht, sondern bewusst Vertreter betroffener Interessengruppen, Institutionen sowie des Kultus- und des Sozialministeriums eingeladen die Leitlinien gemeinsam zu gestalten.

„Mensch, es gibt noch viel zu tun“So das Fazit von Prof. Ulrike Arens-Azevedo nach ihrem Überblick zum aktuellen Stand der Kita- und Schulverpfle-gung in Deutschland. Studien zeigen folgende Ergebnisse: Struktur und Rahmenbedingungen in Kita und Schule sind unterschiedlich. Zwar überwiegt in beiden Bereichen das System der Warmverpflegung, doch existieren entschei-

dende Unterschiede hinsichtlich der Angebotsbreite, den Preisen, aber auch der Organisation. Einflussfak-toren auf die Akzeptanz und Qualität der Kita- und Schulverpflegung sind vielfältig – sie reichen von der Senso-rik über die Raumgestaltung bis hin zum Angebot von Maßnahmen der Ernährungsbildung. Bei der Analyse von Vier-Wochen-Speiseplänen der Kita- und Schulverpflegung wird deut-lich, dass die Anforderungen an das Speisenangebot gerade hinsichtlich Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse ver-besserungswürdig sind. Weitere Her-ausforderungen für Kitas und Schulen sind das Kostenmanagement, die Zu-friedenheit und Akzeptanz der Kinder

und Jugendlichen sowie das Platzangebot und die Attrak-tivität der Räume. Die spannende Frage ist: Wo stehen wir in zehn Jahren? Prof. Arens-Azevedo zeigte sich sehr zuver-sichtlich. Auch wenn eine flächendeckende Hilfestellung auf Grund der individuellen Gegebenheiten schwierig ist, haben die Verantwortlichen die Notwendigkeit erkannt, Gesundheitsförderung von klein an zu etablieren.

Das Thema liegt buchstäblich auf dem TischMahlzeiten sind Lernorte – Kita und Schule tragen zur Entwicklung einer Esskultur bei, und zwar über die Art und Weise, wie Mahlzeiten gestaltet werden. Wer, was, wo, wie,

mit wem und wann man isst sind ent-scheidende Faktoren. Dabei unter-schied Kariane Höhn in ihrem Beitrag zwischen drei Kompetenztypen – den „Essenlernern“, „Essenkönnern“ und „Essenkennenlernern“. Die verschie-denen Kompetenzstufen werden bei der Umstellung von der Brei- zur Fa-milienkost bis hin zur Schule durch-laufen. Während zunächst motorische und emotionale Fähigkeiten erwor-ben werden müssen, um die Mahlzeit genussvoll und sättigend alleine zu verzehren, steht später das Kennen-lernen neuer Speisen, Tischgemein-schaften und Abläufe an. Eine Vielzahl an Kompetenzen entwickelt sich also in der Bildungszeit „Mahlzeit“: physio-logische, fein-motorische, sinnliche, naturwissenschaftliche, sprachliche,

→ Bild 2: Amtschef Hubert Bittlmayer präsentiert die Bayerischen Leitlinien Schulverpflegung.

→ Abbildung: Die bayerischen Leitlinien beschreiben, was gute Verpflegung ausmacht.

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soziale, ökologische und organisatorische Kompetenzen. Höhn zeigte anschaulich und praxisnah, wie Mahlzeiten ent-wicklungsgerecht gestaltet werden können, so dass Motiva-tion, Selbsttätigkeit und Selbstwirksamkeit der Kinder best-möglich unterstützt werden können. Gerade in der Schule bieten die Themen „Schulmensa“ und „Ernährung“ darüber hinaus spannende Anknüpfungspunkte für fächerübergrei-fendes Lernen.

Schulverpflegung – eine ErfolgsgeschichteWie die Verpflegung von Kindern und Jugendlichen in der Praxis gelingt stellt Stefan Gerhardt, Koch und Betreiber zweier DGE-zertifizierter Zubereitungsküchen, täglich un-ter Beweis. Eindrücklich schilderte er, dass „gesund“ und „schmackhaft“ nicht im Widerspruch zueinander stehen. Der Kontakt und die Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler ist eines seiner Erfolgsrezepte. In Koch-AGs lernen die Kinder und Jugendlichen nicht nur den Umgang mit Le-bensmitteln kennen, sondern bereiten Gerichte zu, die sie zu Hause nachkochen können, aber auch auf dem Speiseplan in der Schulmensa finden – so kommen auch Spinatknödel an! Gerhardt appellierte nicht nur an die Ehre der Köche, sondern betonte auch die Fürsorgepflicht. Schule und Spei-senanbieter wollen mit gutem Essen begeistern. Wer sich dieses erweiterten Auftrags bewusst ist, gestaltet mehr als nur den Speiseplan – Schulessen soll Lust auf frisches, lecke-res und vollwertiges Essen machen.

die Kinder sollen sehen, was wir in der Küche machen.

Stefan gerhardt

Transparenz und klare Kommunikation gegenüber allen Be-teiligten sind ihm ein Anliegen.

Qualitätsansprüche haben ihren PreisKita- und Schulverpflegung soll qualitativ hochwertig, schmackhaft und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ausgewogen sein. Gleichzeitig muss der Preis für Eltern bezahlbar sein, um allen Kindern, ungeachtet ihrer sozia-len Herkunft, die Teilhabe zu ermöglichen. „Man kann den Bauch so schlecht kalkulieren“, stellte Prof. Arens-Azevedo in ihrem zweiten Beitrag zur Kostensituation fest. Kita- und Schulverpflegung können ganz unterschiedlich organisiert sein, von der Eigenbewirtschaftung der Mensa bis hin zur Warmanlieferung der Speisen. Dadurch fallen die Kosten für Ausstattung, Räume und Personal ganz unterschiedlich aus. Daneben beeinflussen die Anzahl der Essensteilnehmer, der

Angebotsumfang, das Leistungsspektrum und nicht zuletzt die Portionsgrößen die anfallenden Kosten. Bundesweite Studien haben die Preise für die Mittagsverpflegung ermit-telt, die die Eltern zahlen müssen. Im Durchschnitt betragen sie 2,42 Euro in Kitas bis hin zu 3,05 Euro an weiterführen-den Schulen. Im Süden Deutschlands liegen die Preise al-lerdings durchschnittlich höher. Doch der Betrag, den El-tern und Schüler für die Mahlzeiten zahlen, deckt oft nicht die tatsächlichen Gesamtkosten. Eine Vielzahl von Finanzie-rungskonzepten kennzeichnet die Kita- und Schulverpfle-gung. Sachaufwandsträger leisten u. a. direkte Zuschüsse oder indirekte Subventionen durch die Bereitstellung der Räumlichkeiten, des Mobiliars oder die Übernahme von Be-triebskosten.

Nicht allein der Preis ist entscheidend!Qualität und Wirtschaftlichkeit sind zwei Seiten einer Me-daille. Wer hochwertige Lebensmittel einkauft und diese sorgfältig zubereitet, kann dies nicht zu Billigpreisen tun. Bereits mit der Ausschreibung werden die Weichen für eine qualitätsvolle Verpflegung gestellt. Wie können Anforderun-gen an das Speisenangebot, ökologische und soziale Kri-terien rechtssicher in Ausschreibungsunterlagen verankert und im Vergabeverfahren bewertet werden? Diesen Fragen ging Dr. Bettina Ruhland am Nachmittag des Kongresstages nach. Leistungsbeschreibungen, Eignungskriterien und Zu-schlagskriterien sind Stellschrauben, über die qualitative, umweltbezogene und soziale Aspekte im Vergabeverfahren berücksichtigt werden können. „Die Leistungsbeschreibung ist das Herzstück der Vergabe“ lautete eine Botschaften von Frau Dr. Ruhland. Sie erfordert äußerste Sorgfalt, bietet je-doch die Möglichkeit, Mindestbedingungen und Anforde-rungen an die Speisenzusammensetzung zu formulieren. Zuschlagskriterien können neben dem Preis auch eine sen-sorische Qualitätsbewertung, das Umsetzungskonzept mit verschiedenen Unterkriterien, die Warmhaltezeiten oder ein Bio-Anteil der Speisen umfassen. Kontrollrechte und Be-richtspflichten, die im Vertrag definiert werden, erleichtern eine spätere Qualitätskontrolle.

Die Erfahrungen von Monika Fuchs, Stadt Ingolstadt, und Petra Kohring, Stadt München, verdeutlichten im Anschluss sehr verständlich die Möglichkeiten der Vergabepraxis.

ANN-KATRIN HILLENBRANDKOMPETEnZZEnTrUM FÜr ErnährUng [email protected]

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„Wo kommt mein Essen her?“ Besonderheiten der 5. Bayerischen Ernährungstage

von CHRISTINE RÖGER und NICOLETA CULIUC: Die 5. Bayerischen Ernährungstage organi-sierte das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) unter dem Motto „Wo kommt mein Essen her?“. Die Besonderheiten 2017 waren: Das Fachsymposium zum Thema „Wo kommt mein Essen her? – Transparenz vom Feld bis auf den Teller“, der „Erlebnistag der Ernährung“ mit Willi Weitzel, ein bayernweiter Fotowettbewerb mit anschließender Ausstellung im Museum Mensch & Natur in München sowie die bayernweiten Spaziergänge der Ernährung.

Ernährungsminister Helmut Brunner eröffnete im Rahmen des mit rund 150 Teilnehmenden ausgebuchten Fachsym-posiums „Wo kommt mein Essen her? – Transparenz vom Feld bis auf den Teller“ am 22. Juni 2017 die 5. Bayerischen Ernährungstage. Mit Ernährungsprojekten wie „La Semaine du Goût – Woche des Geschmacks“, „Nationale Ernährungs-interventionen aus der Schweiz“, „Projekt Schmatzi – Se-minarbäuerinnen“ und „Jamie Olivers Food Revolution“ präsentierten sich internationale Leuchtturmprojekte. Prof. Dr. Mirjam Jaquemoth von der Hochschule Weihen-stephan-Triesdorf stellte zwei Kooperationsprojekte vor: Strukturdaten der Gemeinschaftsverpflegung sowie eine Analyse von unterrichtsbegleitenden Materialien und Schul-büchern auf fachliche Richtigkeit.

Unter dem Titel „Zum Ernähren gehört Erklären“ fand eine Diskussion über das Thema Kommunikation in der Ernährungsbranche statt. Input dazu gab zum einen Prof. Dr. Peter Kenning von der Heinrich-Heine-Universi-

tät Düsseldorf mit seinem Vortrag „Was weiß der Verbrau-cher, was will er wissen? So viel Transparenz verträgt der Mensch“. Sophie Herr von der Verbraucherzentrale Bun-desverband e. V. stellte dazu das Portal Lebensmittelklar- heit.de vor.

Ernährung mit allen Sinnen erlebenDer Erlebnistag der Ernährung hatte insbesondere das breite Publikum im Sinn. Für alle Interessierten war am Sonntag, den 25. Juni, Ernährung im Schmuckhof des Bay-erischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) mit allen Sinnen erlebbar: An den Marktständen gaben Akteure aus erster Hand Einblicke in Herstellung und Wertschöpfungskette der Lebensmittel. Im Fokus standen dabei Lebensmittelhandwerk, Regiona-lität und Transparenz. Im Veranstaltungssaal des Ministeri-ums wurden den ganzen Tag über informative Vorträge zum Thema Ernährung und Herkunft der Lebensmittel geboten.

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→ Bild 1: Die Gewinner des Fotowettbewerbs „Wo kommt mein Essen her?“ (alle Fotos: KErn).

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Ein besonderer Gast an diesem Tag war Reporter und Welt-erforscher Willi Weitzel, bekannt aus der Sendung „Willi wills wissen“. Er fragte auf der Bühne bei Kindern und den Aus-stellenden nach, wo unser Essen herkommt.

Fotoausstellung „Wo kommt mein Essen her?“Im Vorfeld der 5. Bayerischen Ernährungstage lud KErn Ver-braucher zu einem Online-Fotowettbewerb zum Thema Herkunft und Herstellung der Lebensmittel ein. Die besten Bilder wurden anschließend in einer Fotoausstellung im Mu-seum „Mensch & Natur“ in München präsentiert. Das viel-fältige Spektrum reichte vom Blick in einen Melkstand über Ernteszenen oder Ansichten der Kulturlandschaft bis hin zur Darstellung eines globalisierten Lebensmittelmarkts.

Bayernweite Spaziergänge der ErnährungAuch bayernweit ließen sich Lebensmittel mit allen Sinnen bei „Spaziergängen der Ernährung“ erleben. Organisiert wurden diese vom 23. Juni bis zum 9. Juli von den 47 Ämtern

für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einschließlich der Fachzentren für Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung in Bayern. Je nach Ort besuchten interessierte Verbraucher ver-schiedene Stationen der Lebensmittelherstellung: So konn-ten sie vom Weizenfeld über die Mühle bis in die Backstube oder von der Milchkuh im Stall über die Molkerei bis hin zur Käsetheke dabei sein und vor Ort selbst erleben, wo das Essen herkommt.

CHRISTINE RÖGER NICOLETA CULIUC KOMPETEnZZEnTrUM FÜr Ernä[email protected]@kern.bayern.de

→ Bild 5: Willi Weitzel fragte auf der Bühne bei Kindern und den

Ausstellenden nach, wo unser Essen herkommt.

→ Bild 3: Anhand des Fahrradergometers probierten Besucher am

KErn-Stand aus, wie viele Bissen Lebensmittel sich in vier Minuten auf

dem Rad abtrainieren lassen.

→ Bild 4: Kinder informieren sich auf dem „Erlebnistag der Ernährung“ in

München, wie Lebensmittel hergestellt werden.

→ Bild 2: Die Gewinnerbilder und ein Teil der besten Bilder des Fotowett-

bewerbs „Wo kommt mein Essen her?“ wurden im Museum Mensch

und Natur in München ausgestellt.

Was seinen Schatten vorauswirft, hat Licht im Rücken.

Möge Erhofftes geschehen und Schwieriges glücken!

Möge, was Angst macht, gnädig enden! Möge gelingen tätigen Händen,

manches Dunkle ins Lichte zu wenden!

All unseren Freunden auf vielerlei Wegen

bringe das neue Jahr Freude und Segen!

Unbekannt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Autorinnen und Autoren,

für das in uns gesetzte Vertrauen bedanken wir uns sehr herzlich bei Ihnen

und wünschen Ihnen ein gnadenreiches Weihnachtsfest

und Glück und Segen für das Neue Jahr.

Ihr Team von „Schule und Beratung“

Angelika Spitzer Monika Maier Sylvia Maier

IMPRESSUM

Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenISSN: 0941-360X

Internet:www.stmelf.bayern.de/SuB

Abonnentenservice:Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenPorschestraße 5 a, 84030 Landshut, Telefon +49 871 9522-371, Fax +49 871 9522-399

Kontakt:Schriftleitung: Angelika SpitzerPorschestraße 5 a, 84030 Landshut, Telefon +49 871 9522-394, Fax +49 871 9522-399 [email protected]

Die in „Schule und Beratung“ namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung des Autors wieder. Eine Überprüfung auf fachliche Richtigkeit ist nicht erfolgt.

Redaktionsschluss für Heft 5-6/2018: 2. Februar 2017

Titelbild: Gewürzluiken (Foto: Walter Hartmann), siehe auch Beitrag „Neue Apfelsorten im Streuobstbau“ auf Seite 30