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Synopse 872 Schwefel-Austauschreaktionen bei der hydrierenden Vergasung von Kohlen Klaus J. Huttinger und Werner Kraut3" Herrn Professor Dr. Erich Fitzer zurn 60. Geburtstag Kohlen enthalten sowohl organisch als auch anorganisch gebunde- nen Schwefel. Die rnit dem Schwefel verbundenen Probleme bei der Verbrennung der Kohle sind wohlbekannt, ebenso neuere Entwick- lungen rnit einer in-situ-Bindung des Schwefels wie beispielsweise bei der Wirbelschichtfeuerung rnit Kalk- oder Dolomit-Zusatz. Bei der Hochtemperaturbehandlung der Kohlen in inerter oder reduzieren- der Atmosphiire wird der vorwiegend heterozyklisch gebundene, organische Schwefel teilweise in das Kohlenstoff-Gitter eingebaut und hllt sich dort bis zu Temperaturen von iiber 1500°C. Der anorganisch gebundene Schwefel liegt in Kohlen vorwiegend in Form der Eisendisulfide Pyrit und Markasit vor. Diese werden bei Temperatureinwirkung oberhalb 500 bis 600°C zum Monosulfid zersetzt. An der Reduktion des FeS besteht speziell bei der hydrierenden Vergasung ein Interesse, da das metallische Eisen einen ausgezeichneten Katalysator der Methan-Bildungsreaktion darstellt [I ,2]. Die katalytische Wirkung des in den Kohlemineralen vorliegen- den, mineralischen Eisens nach Reduktion rnit Wasserstoff wurde eindeutig nachgewiesen [3,4]. Die vorliegende Arbeit befaBt sich rnit Reaktionsmoglichkeiten zur Reduktion des FeS in Wasserstoff-AtmosphHre, vor allem in Gegenwart der Alkali- und Erdalkali-Metalle bzw. deren Carbonate un,d Oxide. Einige dieser Elemente sind in den mineralischen Kohlebestandteilen enthalten, teilweise direkt als Mineral wie der Kalkspat. Diese Metalle besitzen rnit wenigen Ausnahmen eine groBere Affinitiit zum Schwefel als das Eisen. Konkret untersucht wurde demzufolge, inwieweit diese Metalle als Schwefel-Flnger wirken und damit die FeS-Reduktion in Wasserstoff-Atmosphiire. beschleunigen konnen. Hierzu wurden thermodynamische Berechnungen iiber die Reduk- tion sowohl von reinem FeS als auch in Gegenwart lquimolarer Mengen von Carbonaten und Oxiden der Alkali- und Erdalkali- Metalle, jeweils in Wasserstoff, durchgefuhrt. Das Gleichgewicht der FeS-Reduktion ist nahezu temperaturunabhgngig. Die A G-Werte fur die Reaktionen mit den relevanten Alkali- und Erdalkalioxiden Na,O, K,O und CaO sind jedoch negativ. Daraus leitet sich die Moglichkeit einer Schwefel-Austauschreaktion zwischen FeS und den erwiihnten Oxiden rnit HIS als Schwefel-Ubertriiger ab. Diese Reaktion ist als chemische Transportreaktion aufzufassen. Im Falle der Carbonate sind wegen der Carbonat-Zersetzung rein thermody- namisch Mindesttemperaturen von 700 bis 1 000 K notwendig, damit die Schwefel-Austauschreaktionen ablaufen konnen. Thermogravimetrische Untersuchungen in stromendem Wasserstoff bei linearem Temperaturanstieg bestiitigen die oberlegungen aus den thermodynamischen Berechnungen, sofern man die Unterschiede zwischen einem abgeschlossenen System, das den thermodynami- schen Berechnungen zugrunde liegt, und einem offenen bzw. Stromungssystem beriicksichtigt. Reines FeS ist in stromendem Wasserstoff bei Erreichen der Maximaltemperatur von 1 000°C ca. zu 85% reduziert; in Gegenwart von CaO oder CaCO, ist dieser Vorgang zwischen 600 und 700°C abgeschlossen, wobei kein H2S im Produktgas enthalten ist, Die Reaktionen lassen sich durch folgende stochiometrische Gleichungen beschreiben : FeS H, - 7 Fe + H,S, H, + Fe + CaS + H,O, FeS + CaO (3) FeS + CaCO, H* + Fe + CaS + CO, + H,O. Die Reaktionen mit den entsprechenden Verbindungen des Magne- siums fuhren nicht zum MgS, so daB der Schwefel als H2S entweichen muB. REM- und ESMA- Untersuchungen an Original- und teilvergasten Kohlen liefern die Information, daD in ersteren der anorganische Schwefel praktisch ausschlieBlich rnit Eisen assoziiert ist, in keinem Abb. 1. Grube Leopold. ESMA eines Querschnitts von vergaster Kohle aus der *. Prof. Dr.-Ing. K.J. Hiitringer und Dip1.-Chem. W. Kraup, Institut fur ChemischeTechnik, Universitiit Karlsruhe, Kaiserstr. 12,7500 Karlsru he. Abb 2. Kohle aus der Grube Leopold. REM und ESMAeines Querschnittes von nicht behandelter 122 Chem.-1ng.-Tech. 53 (1981) Nr. 2, S. 122- 123 0 Verlag Chemie. GmbH, D-6940 Weinheim 1981 0009-256X/81/0202-0122$02.50/0

Schwefel-Austauschreaktionen bei der hydrierenden Vergasung von Kohlen

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Synopse 872

Schwefel-Austauschreaktionen bei der hydrierenden Vergasung von Kohlen

Klaus J. Huttinger und Werner Kraut3"

Herrn Professor Dr. Erich Fitzer zurn 60. Geburtstag

Kohlen enthalten sowohl organisch als auch anorganisch gebunde- nen Schwefel. Die rnit dem Schwefel verbundenen Probleme bei der Verbrennung der Kohle sind wohlbekannt, ebenso neuere Entwick- lungen rnit einer in-situ-Bindung des Schwefels wie beispielsweise bei der Wirbelschichtfeuerung rnit Kalk- oder Dolomit-Zusatz. Bei der Hochtemperaturbehandlung der Kohlen in inerter oder reduzieren- der Atmosphiire wird der vorwiegend heterozyklisch gebundene, organische Schwefel teilweise in das Kohlenstoff-Gitter eingebaut und hllt sich dort bis zu Temperaturen von iiber 1500°C. Der anorganisch gebundene Schwefel liegt in Kohlen vorwiegend in Form der Eisendisulfide Pyrit und Markasit vor. Diese werden bei Temperatureinwirkung oberhalb 500 bis 600°C zum Monosulfid zersetzt. An der Reduktion des FeS besteht speziell bei der hydrierenden Vergasung ein Interesse, da das metallische Eisen einen ausgezeichneten Katalysator der Methan-Bildungsreaktion darstellt [I ,2]. Die katalytische Wirkung des in den Kohlemineralen vorliegen- den, mineralischen Eisens nach Reduktion rnit Wasserstoff wurde eindeutig nachgewiesen [3,4]. Die vorliegende Arbeit befaBt sich rnit Reaktionsmoglichkeiten zur Reduktion des FeS in Wasserstoff-AtmosphHre, vor allem in Gegenwart der Alkali- und Erdalkali-Metalle bzw. deren Carbonate un,d Oxide. Einige dieser Elemente sind in den mineralischen Kohlebestandteilen enthalten, teilweise direkt als Mineral wie der Kalkspat. Diese Metalle besitzen rnit wenigen Ausnahmen eine groBere Affinitiit zum Schwefel als das Eisen. Konkret untersucht wurde demzufolge, inwieweit diese Metalle als Schwefel-Flnger wirken und damit die FeS-Reduktion in Wasserstoff-Atmosphiire. beschleunigen konnen. Hierzu wurden thermodynamische Berechnungen iiber die Reduk- tion sowohl von reinem FeS als auch in Gegenwart lquimolarer Mengen von Carbonaten und Oxiden der Alkali- und Erdalkali- Metalle, jeweils in Wasserstoff, durchgefuhrt. Das Gleichgewicht der FeS-Reduktion ist nahezu temperaturunabhgngig. Die A G-Werte fur die Reaktionen mit den relevanten Alkali- und Erdalkalioxiden Na,O, K,O und CaO sind jedoch negativ. Daraus leitet sich die Moglichkeit einer Schwefel-Austauschreaktion zwischen FeS und den erwiihnten Oxiden rnit HIS als Schwefel-Ubertriiger ab. Diese Reaktion ist als chemische Transportreaktion aufzufassen. Im Falle der Carbonate sind wegen der Carbonat-Zersetzung rein thermody- namisch Mindesttemperaturen von 700 bis 1 000 K notwendig, damit die Schwefel-Austauschreaktionen ablaufen konnen. Thermogravimetrische Untersuchungen in stromendem Wasserstoff bei linearem Temperaturanstieg bestiitigen die oberlegungen aus den thermodynamischen Berechnungen, sofern man die Unterschiede zwischen einem abgeschlossenen System, das den thermodynami- schen Berechnungen zugrunde liegt, und einem offenen bzw. Stromungssystem beriicksichtigt. Reines FeS ist in stromendem Wasserstoff bei Erreichen der Maximaltemperatur von 1 000°C ca. zu 85% reduziert; in Gegenwart von CaO oder CaCO, ist dieser Vorgang zwischen 600 und 700°C abgeschlossen, wobei kein H2S im Produktgas enthalten ist, Die Reaktionen lassen sich durch folgende

stochiometrische Gleichungen beschreiben :

FeS H, - 7 Fe + H,S,

H, + Fe + CaS + H,O, FeS + CaO

(3) FeS + CaCO, H* + Fe + CaS + CO, + H,O.

Die Reaktionen mit den entsprechenden Verbindungen des Magne- siums fuhren nicht zum MgS, so daB der Schwefel als H2S entweichen muB. REM- und ESMA- Untersuchungen an Original- und teilvergasten Kohlen liefern die Information, daD in ersteren der anorganische Schwefel praktisch ausschlieBlich rnit Eisen assoziiert ist, in keinem

Abb. 1. Grube Leopold.

ESMA eines Querschnitts von vergaster Kohle aus der

*. Prof. Dr.-Ing. K . J . Hiitringer und Dip1.-Chem. W . Kraup, Institut fur ChemischeTechnik, Universitiit Karlsruhe, Kaiserstr. 12,7500 Karlsru he.

Abb 2 . Kohle aus der Grube Leopold.

REM und ESMAeines Querschnittes von nicht behandelter

122 Chem.-1ng.-Tech. 53 (1981) Nr. 2 , S . 122- 123 0 Verlag Chemie. GmbH, D-6940 Weinheim 1981 0009-256X/81/0202-0122$02.50/0

Abb. 3. aus der Grube Leopold.

Fall jedoch mit den Alkali- bzw. Erdalkali-Metallen. Nach Teilverga- sung wird Schwefel dagegen zusammrn mit Calcium und Kalium gefunden, w5hrend Bereichedieser Art unmittelbar von element:irem Eisen umgeben sind. Abb. 1 sol1 eine Vorstellung uber diesen

REM und ESMA eines Querschnittes von vergaster Kohle

Sachverhalt vermifteln. Siimtliche Ergebnisse unterstreichen, da13 Schwefel-Austauschreak- tionen zwischen FeS und den Alkali- bzw. Erdalkali-Verbindungen im Sinne einer chemischen Transportreaktion mit HZS als Schwefel- Ubertriger miiglich sind. Sie konnen durch lokale Gleichgewichts- verschiebungen die Triebkraft zur Reduktion des FeS zu metalli- schem Eisen erhijhen. Wird FeS beschleunigt reduziert, so vermag das Eisen die Methan-Bildung bei der hydrierenden Vergasung der Kohlen zu einem friiheren Zeitpunkt zu kataiysieren.

Die Arbeit wurde durch Mittel des BMFT unterstiitzt. Eingegangen am 17. Oktober 1980

[l] Hahn, R.; Hiittinger, K. J . : Chem.-Ing.-Tech.50 (1978)Nr. 12, S.

[2] Schleicher. P. : Dissertation, Universitit Karlsruhe 1980. [3] Hiittinger, K . J.; Kirrmann, H. : Erdol Kohle Erdgas Petrochem.

[4] Hiittinger, K . J . ; KrauJ3, W.: Fuel, im Druck.

Schiiisselworte: Kohlevergasung, Wasserstoff, Schwefel, Katalyse, Eisen, mineralische Kohlebestandteile.

954.

33 (1980) S. 267.

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Chem.-1ng.-Tech. 53 (1981) Nr. 2, S. 122-123 123