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Alternativer Risikotransfer Seminararbeit aus Finanz- und Versicherungsmathematik Lisa Wagner, 0952016 29. Februar 2012 1

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Alternativer Risikotransfer

Seminararbeit aus Finanz- und Versicherungsmathematik

Lisa Wagner, 0952016

29. Februar 2012

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Inhaltsverzeichnis

1 Risikomanagement 31.1 Risiko und Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.1.1 Beispiel eines Risikoprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Risikokonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 Alternativer Risikotransfermarkt und dessen Beteiligte 92.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2 Geschichte des Alternativen Risikotransfermarktes . . . . . . . . . . 92.3 Hauptteilnehmer des ART-Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3 Beispiele von ART 133.1 Captives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.1.1 Geschichte der Captives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.1.2 Vorteile und Kosten/Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.1.3 Fallbeispiel: Gründung eines Captives in Bermuda . . . . . . 153.1.4 Formen von Captives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.1.5 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.2 Verbriefungen in der Versicherungswirtschaft . . . . . . . . . . . . . 193.2.1 Trigger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.2.2 Tranches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.2.3 Peril . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.2.4 Beispiel: Katastrophenbonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

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1 Risikomanagement

In der Versicherungsbranche ist Risikomanagement ein wichtiger Bestandteil, dadurch das Unterschreiben eines Versicherungsvertrages auf der Versicherungsun-ternehmerseite ein Risiko entsteht. Dieses kann anhand von Methoden aus demRisikomanagement ausgeglichen werden.

1.1 Risiko und Risikomanagement

Risiko ist laut Definition:

• uncertainty associated with a future outcome or event

1

(Unsicherheit eines zukünftigen Ereignisses)

• expected variance in profits, losses, or cash flows

2

(Die erwartete Varianz von Schäden, Zahlungsflüssen und Gewinnen)

Risiken können bei Firmen Produktrückrufaktionen, Geschäftsunterbrechungen,(nicht) katastrophenartige Schadensfälle und noch vieles mehr sein.Um solche Risiken einschätzen zu können, betreiben die Versicherungen Risikoma-nagement, dessen Prozess meistens folgendermaßen abläuft:

• Risikoerkennung (risk identification):Identifizieren und definieren von bereits vorhandenen oder auch zukünftigenRisiken einer Firma. Definieren von Antworten auf Fragen wie: In welchenGebieten oder Situationen liegt eine höhere Risikowahrscheinlichkeit vor?

• Risikobewertung (risk quantification):Bestimmung der finanziellen Auswirkungen, die die Risiken auf bestimmteKonzernteile haben können. Solche Risiken werden anhand von finanzma-thematischen und versicherungtechnischen Methoden oder auch Simulationberechnet.

• Risikomanagement (risk management):Überprüfung, ob die Gefährdung beibehalten, vergrößert oder entfernt wer-den soll. Das hängt von den finanziellen Ressourcen der Firma, von denErwartungen des Eigentümers und von den Kosten verglichen mit den darausresultierenden Vorteilen ab.

1BANKS, E.: S. 32BANKS, E.: S. 3

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• Risikokontrolle (risk monitoring):Kontrollieren der bereits vorhandenen Risiken und regelmäßiges Informierender Vorstände (ist aber abhängig von der Art des Risikos, bei Aktienkurse:täglich, Naturkatastrophengebiete: selten). Eine weitere Aufgabe der Risiko-kontrolle besteht darin, Feedback über die getroffenen Entscheidungen desRisikomanagements zu geben.

1.1.1 Beispiel eines Risikoprozesses

Risikoerkennung: Firma produziert in den USA, verkauft aber in Japan. Sie istdem ständigen Wechselkurs zwischen Dollar und Yen ausgesetzt.

Risikobewertung: Sucht die bestmögliche Antwort auf die Frage, inwieweit dieFirma durch den Wechselkurs Dollar und Yen gewinnen kann.

Risikomanagement: Sucht die bestmögliche Antwort auf die Frage, ob man dasRisiko des Gewinnens und Verlierens durch die ständige Wechselkursänderungbeibehalten will oder nicht.

Risikokontrolle: Muss dem Vorstand über den täglichen Wechselkurs Auskunftgeben.

Es gibt drei Methoden des Risikomanagements:

• Schadenskontrolle (loss control):Trifft Sicherheitsvorkehrungen, um die Bedrohung eines speziellen Risikoszu reduzieren. Die Vorteile müssen mit den resultierenden Kosten verglichenwerden, um schließlich zu entscheiden, ob die Investition rentabel wäre. Indiesem Fall werden Gefährdungen eher beibehalten als abgebrochen.

• Schadensfinanzierung (loss financing):Setzt sich aus Transferierung (transfer) beziehungsweise Absicherung (he-ding) von Gefährdungen und den Selbstbehalt (retention) zusammen. Essoll die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln wahren und eruieren, welcheForm von Absicherung finanziell am Sinnvollsten ist. Dabei kommt es oft zuMischformen, was zum Grundstein des ART-Marktes führt. Unter Schadens-finanzierungsmaßnahmen fallen zum Beispiel firmeneigene Versicherungen.

• Risikoreduzierung (risk reduction):Wenn Schadenskontrolle- und Schadensfinanzierungsmethoden nicht ausrei-chen, kommt es zu Methoden der Risikoreduzierung. Diese können einenteilweisen oder vollständigen Abbruch oder auch eine Risikostreuung der

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Gefährdung durch Zusammenschlüsse von mehreren unabhängigen Risikenbeinhalten.

!

Auftreten/!Schwierigkeitsgrad!

niedrig! hoch!

selten! Gefährdung!beibehalten! Kandidat!für!loss!financing!

oft! Anpassung!durch!Selbstbehalt!

Vermeidung!

Abbildung 1: Generelle Risikomanagement Betrachtungen; BANKS, E.: S. 11

1.2 Risikokonzepte

Erwartungswert und Varianz:

Mittels vergangener Daten/Erfahrungen, Simulationsmethoden oder statistischenAbschätzungen wird eine Schadensverteilung (Normalverteilung) erzeugt. Ihr Er-wartungswert ist äquivalent zum erwarteten Schaden und ihre Varianz gibt an, wieweit das Risiko vom Erwartungswert abweichen kann. Je höher die Varianz ist,umso risikoreicher ist die Gefährdung.Die Standardabweichung ist wichtig, wenn man die Wahrscheinlichkeit, dass eineBeobachtung in einem speziellen Bereich von Werten liegt, betrachten will. Hatman nämlich eine Normalverteilung mit einer Standardabweichung von ±1, dannwird die Beobachtung zu 68% in dem Intervall auftreten. Somit kann man eineSchadensverteilung konstruieren, die mögliche Schäden von risikoreichen Geschäftenbestimmt. Hiermit kann man auch die Wahrscheinlichkeit eines Ruins kalkulieren.Die statistische Schadensvorhersage ist ein wichtiger Bestandteil im Risikomanage-ment und kann mit Wahrscheinlichkeitsanalyse, Regressionsanalyse und Schadens-

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verteilungsanalyse gehandhabt werden.

Risikoabneigung (risk aversion):

Risikoabgeneigt sind Firmen, die mehr Geld für Sicherheit ausgeben und dafürweniger Risiko eingehen wollen. Solche Unternehmen, die keine Bereitschaft habenein großes Risiko einzugehen, kann man anhand ihrer Anzahl an Versicherungenbestimmen und auch dadurch, dass sie meistens nur Risiken eingehen, die einenhohen Erwartungswert haben.

Nutzfunktion: der gewichtete durchschnittliche Nutzwert abgeleitet von einer be-stimmten Aktivität.

Risikoabgeneigte Firmen haben eine konkave Nutzfunktion. Sie wollen so lan-ge Risikoschutz bezahlen bis der Erwartungswert des erwarteten Schadens niedrigerals die Risikoprämie ist. Sie wollen lieber mehr Geld für Risikovermeidung zahlenals den Wohlstand in Gefahr bringen. Eine risikoreiche Firma hat eine konvexeFunktion. Für sie gilt, dass der Grenznutzen von Besitz/Reichtum steigt, wennBesitz/Reichtum steigt.

Risikotransfer und der Versicherungsmechanismus:

Risikotransfer (Umlagerung von Gefährdungen): Eine Partei zahlt einer zweitenPartei einen bestimmten Betrag (Risikoprämie) und ist dafür bei zukünftigenSchäden abgesichert.

Versicherungsvertrag: Übereinstimmung zweier Parteien (Versicherer, Versiche-rungsnehmer), die Prämien gegen Schadensauszahlung bei Eintreten des Versiche-rungsfalles austauschen.Wenn ein Versicherer ein großes Porfolio an ähnlichen Polizzen hat, steigt seineFähigkeit die Anzahl der Schäden zu schätzen. Dieses basiert auf:

• Gesetz der großen Zahlen: Wenn die Anzahl der Teilnehmer (N) groß wird,dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Durchschnitt den Erwartungswertherankommt größer.

• Zentraler Grenzwertsatz: Wenn die Anzahl der Teilnehmer (N) groß wird,dann nähert sich die Verteilung des durchschnittlichen Ergebnisses der Nor-malverteilung an.

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Es gibt Summenversicherung (Lebensversicherung) und Schadensversicherung (Feu-erversicherung). Außerdem kann man noch zwischen einer Vollversicherung (derganze Gegenstand wird versichert) und einer Bruchteilversicherung (Gegenstandwird teilweise versichert, bei Eintritt des Schadens bekommt man das Verhältnisausbezahlt) unterscheiden. Ob eine Vollversicherung oder eine Bruchteilversiche-rung sinnvoll ist, kann man sich anhand der Nutzfunktion, der Kosten/GewinnBewertung und der Erwartungswert-Varianz Analyse berechnen.

Diversifikation und Risikokumulation (diversification and risk pooling):

Diversifikation: Risikostreuung durch Erweiterung des Angebots (steht im Ge-gensatz zur Monostruktur)

Markowitz Theorie (Portfolio Theorie): Die positive Auswirkung von Diversifikati-on auf das Risiko und dem möglichen Gewinn im gesamten Portfolio.Aussage: Wenn man korrelierte Risiken miteinander addiert, kann es zur Aufhebungverschiedener Risiken kommen.

Risikokumulation:

• Zusammenschluss von unabhängigen Risiken kann das Gesamtrisiko reduzie-ren. Hierbei kommt es zwar zu keiner Veränderung des erwarteten Schadens,aber zur Veränderung der Standardabweichung.

• Zusammenschluss beruht auf Korrelation, um zu messen, welche Beziehungdie Zufallsvariabeln (Beispiel: Versicherungspolizzen) zueinander haben. Esgilt: Umso stärker die Risiken zueinander korreliert sind, desto weniger findeteine Risikoreduzierung statt.

Hedging:

Hedging ist das Transferieren von nicht-versicherbaren Risiken. Derivate oderandere finanzielle Transaktionen, die ihren Wert durch den Markt erhalten, werdengebraucht um finanzielle Risiken zu hedgen. Entweder auf der Börse oder außerhalb(over-the-counter-market).Es ist ein optionales und kein versichertes Interesse, daher kann man aus demVertrag auch Gewinn schöpfen.

Subjektives Risiko (moral hazard), Negative Risikoauslese (adverse se-lection) und Basisrisiko:

Subjektives Risiko: Nach Abschluss eines Versicherungsvertrages kümmert sich

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der Versicherungsnehmer weniger darum, ob beim versicherten Interesse ein Scha-densfall eintritt oder nicht, da er den Schaden ersetzt bekommen würde. Um daszu verhindern führen Versicherungen Selbstbehalt und Polizzengrenzen ein. Subjek-tives Risiko kann auch in der Prämie inbegriffen sein.

Negative Risikoauslese: Unterschätzen von Risiko durch asymmetrische Informatio-nen. Versicherer kann nicht zwischen verschiedene Risikoklassen unterscheiden. Erpreist zum Beispiel zu viel/wenig Risikoschutz zu einem bestimmten Preis an. Dieskann zum Überschuss von Schäden oder Teuerung des Geschäfts führen.

Basisrisiko: trifft bei Derivatverträgen/Versicherungsverträgen ein, wenn eine Firmaversucht, eine bestimmte Gefährdung mit einer Vollmacht zu schützen, die nichtwirklich mit dem potentiellen Schaden übereinstimmt. Dafür ist ein Vertrag miteinem Basisrisiko billiger als einer, wo Gefährdung und möglicher Schaden perfektübereinstimmen. Meistens haben Derivatverträge ein Basisrisiko und Versicherungs-verträge nicht.

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2 Alternativer Risikotransfermarkt und dessen Be-

teiligte

2.1 Definitionen

Alternativer Risikotransfermarkt:

combined risk management marketplace for innovative insurance and

capital market solutions

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(Verbundener Risikomanagementmarktplatz für innovative Versiche-rungen und Kapitalmarktlösungen.)

Alternativer Risikotransfer:

a product, channel or solution that transfers risk exposures between the

insurance and capital markets to achieve stated risk management goals

4

(Ein Produkt, Weg oder Lösung, das Risikogefährdungen zwischenVersicherer und Kapitalmarkt transferiert, um Risikomanagementzielezu erfüllen.)

Alternativer Risikotransfer kann in drei Kategorien unterteilt werden:

• Products: Instrumente, die gebraucht werden, um ein definiertes Risikomana-gementziel zu erfüllen

• Vehicles: Wege, die gebraucht werden, um Risikomanagementziele zu erfüllen

• Solutions: Breitgefächerte Programme, die verschiedene Instrumente odervehicles brauchen, um Risikogefährdungen zu managen

2.2 Geschichte des Alternativen Risikotransfermarktes

In den letzten Jahrzehnten wurde der Versicherungsmarkt immer komplizierterund auch die Anzahl an Naturkatastrophen ist gewachsen. Als Resultat entwickeltesich der Alternative Risikotransfermarkt, der Lösungen abseits der klassischen Erst-und Rückversicherung bietet.Es ist nicht eindeutig, wann genau sich der ART-Markt eingebürgert hat, da dieEntwicklung stufenweise stattgefunden hat und bis heute noch nicht vollständig

3BANKS, E.: S.494BANKS, E.: S.49

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ausgereift ist. In den 1960er Jahren war es aber der verbreitete Einsatz von Capti-ves5, der den Anfang machte. In den 1980-1990er Jahren entwickelten sich immermehr Risikofinanzierungslösungen und die Finite Risk Reinsurance6. Später kam eszum Miteinbeziehen des Kapitalmarktes in Form von Versicherungsverbriefungen.Die Einführung des ART-Marktes war auch ein Nutzen im Risikomanagement, dadie Kombination von Marktzyklen, Produktinnovation und Deregulation eine neueArt des Risikomanagementmechanismus eingeführt hat, der multi-risk Produkte,Sicherheiten und versicherungsähnliche Derivate beinhaltet. Auch Einflussfaktorendes Risikomanagements wie Firmenwertmaximierung und Marktzyklen/kapazitätenhaben den ART-Markt beeinflusst und vergrößert. Da zum Beispiel die Firmen-wertmaximierung immer mehr kritisiert wird, steht man anderen Risikolösungenoffener als je zuvor gegenüber. Auch das Anwachsen an Kreditinstrumenten, derKreditdimension von Risikomanagement, unversicherbaren Risiken wie Terrorismus,komplexe Indikatoren, komplizierte Haftung/Gerichtsverfahren und Zahlungsunfä-higkeit fordern Lösungen im Alternativen Risikotransfermarkt.Der ART-Markt ist global, so findet man Captives und Versicherungsverbriefungenauf der ganzen Welt. Jedoch gibt es auch Gebiete wie Risiko Retention Gruppenoder multi-trigger Produkte, die nur in der USA Anwendung finden.

2.3 Hauptteilnehmer des ART-Marktes

Hauptteilnehmer sind Endverbraucher, Investoren, Broker/Agenten und die zweiwichtigsten, nämlich die Versicherer/Rückversicherer und Finanzinstitutionen.

Versicherer und Rückversicherer:

Stellen Risikokapazität anhand von traditionellen Versicherungsanlagen wie Haft-pflicht, Gesundheit, Kfz -Versicherung bereit. Sie sind außerdem einer der wichtigs-ten Teilnehmer des ART-Marktes. Sie erfinden und vermarkten neue ART-Produkte,lösen (ihre eigenen) Risikogefahren anhand von ART-Mechanismen und investierenFonds von Versicherungsnehmer in ART-verbundene Anleihen (Katastrophenanlei-hen, Kredittransferinstrumente).Die Gesellschaftsform einer Versicherung/Rückversicherung ist meistens eine Ak-tiengesellschaft. In der Vergangenheit gab es auch viele Gesellschaften auf Ge-genseitigkeit. Da das Ziel des Risikomanagments ist, Kapital zu erhöhen, wurdendiese oftmals fusioniert und auch zu Aktiengesellschaften umgeformt. Das größteVersicherungsunternehmen der Welt ist die ”Allianz SE”7 und das größte Rückver-

5Captive: Selbstversicherungsunternehmen eines Betriebs6Oberbegriff davon: Finanzrückversicherung7SE: Societas Europea

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sicherungsunternehmen die ”Munich Re”8.

Finanzinstitutionen:

Wie Versicherungsunternehmen erfinden und managen sie finanzielle Risiken. IhreAufgaben sind neue Kreditmöglichkeiten und Anleihen zu finden, Aktien zu han-deln, Risiko und Gesundheitsmanagement anzubieten und Ratgeber für finanzielleAngelegenheiten zu sein. Finanzinstitutionen verbinden sich mit Versicherungenzum Beispiel bei Versicherungsverbriefungen wie Katastrophenbonds.

Endverbraucher:

Brauchen Risikolösungen um ihren Firmenwert zu maximieren und ihre Insol-venzgefahr zu minimieren. Viele Firmen, vor allem kleinere, verwenden weiterhintraditionelle Märkte wie die Versicherung, ohne zu bemerken, dass vielleicht alterna-tive Lösungen die besseren Varianten wären. Sie bekommen aber auch nicht genugAufmerksamkeit von Brokern oder Agenten, die Firmen auf alternative Lösungenhinweisen. Große Firmen hingegen, wenden solche Möglichkeiten bereits an. Esgibt sehr viele Sektoren, wo ART Mechanismen von Vorteil sein können, wie zumBeispiel in der Autoindustrie, Medien und Energie. Es können auch Versicherungenund Finanzinstitutionen Endverbraucher sein, wenn sie die von ihnen gestaltenenART-Lösungen für ihr eigenes Risikomanagement verwenden.

Investoren und Verfügungsteller von Kapital:

Sind notwendig, damit der ART-Markt überhaupt funktioniert, da sie das Kapitalzur Verfügung stellen. Zur Kategorie Investor gehören Versicherer, Rückversiche-rer, Banken, Investementfonds, Pensionsfonds und Hedgefonds. Fonds stellen ihrKapital vor allem für Kreditrisiken, Katastrophenrisiken und Wetterrisiken zurVerfügung. Versicherer investieren vor allem in Kreditrisiken, da diese mit denanderen Anlagevermögen im Schaden- und Unfallportfolio unkorreliert sind.

Versicherungsagenten und Broker:

Werden von Versicherungen gebraucht, um beim Abschließen und Beenden versiche-rungsähnlicher Geschäfte zu helfen. Zusätzlich nehmen Versicherungsagenten/brokereine beratende Funktion im Risikomanagement (auch: ART-Markt) ein, um komple-xe Risiken zu analysieren und den besten Risikoschutz zu finden. Sie sind außerdemAnsprechpartner bei Angelegenheiten, die sowohl Finanzsektor als auch Versiche-

8auch: ”Münchner Rück”

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rungssektor betreffen.Versicherungsagenten vertreten den Versicherer und dessen Interesse, von diesensie auch direkt bezahlt werden.Versicherungsbroker vertreten den Zedenten. Sie können zwar Anträge auf Versiche-rungsschutz werben und akzeptieren, jedoch brauchen diese immer einen Versicherer,der den Antrag zusätzlich akzeptiert, damit das Geschäft zustande kommt.

! Versicherer!Rückversicherer!

Finanzinstitutionen! Endverbraucher! Investor! Agent!Broker!

Produktentwicklung!✓! ✓!

! !✓!

Risikoberater!✓! ✓!

! !✓!

Risikokapital!(Anbieter)! ✓! ✓!

!✓!

!

Risikokapital!(Verbraucher)!

✓! ✓! ✓!! !

Abbildung 2: Übersicht der Teilnehmer des ART-Marktes und ihre Aufgabenberei-che; BANKS, E.: S. 58

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3 Beispiele von ART

3.1 Captives

Captives (lat. ”captivare” - gefangen nehmen: Versicherungsunternehmen ist voneinem Kunden abhängig9) sind eigenständige Rechtspersonen, in der Form ei-nes Erst- oder Rückversicherungsunternehmen, und werden von einem Nicht-Versicherungsunternehmen gegründet, um deren Risiken zu versichern. Im deutschenRaum spricht man auch von einer Selbstversicherung oder einer Eigenversicherung.

3.1.1 Geschichte der Captives

In den 1960er entwickelten sich die ersten Captives, als US-Unternehmen be-gannen eigene Versicherungsgesellschaften in Steueroasendomizilen wie Bermudazu betreiben. Danach kam es immer mehr zum Aufschwung, da diese zum TeilSteuerbegünstigungen, aber auch Kostenvorteile mit sich brachten. Vor allem diebegrenzte Verfügbarkeit von Haftpflichtdeckungen in der USA und das ständigeOptimieren des Risikomanagements und Suchen von alternativen Risikolösungenwaren Faktoren, die solche Eigenversicherungen vorantrieben.

Im Jahr 2003 gab es bereits 5000 Captives weltweit, die meisten Firmen habenaber ihre Standorte nicht im selben Land, sondern in bereits genannten Steu-eroasendomizilen oder auch Offshore-Domizilen. Wie der Name bereits erwähnt,werden in solchen Ländern niedrigere Steuern erhoben. Der Wahl des Ortes fürdie Gründung eines Captives hängt nämlich von den Versicherungs/Rückversiche-rungseinschränkungen, Kapital/Steueranforderungen, behördliche Anforderungen,Deckungskapitalanforderungen, Steuern, Prämien, politische Stabilität und Infra-struktur ab. Die meisten Captives werden von Firmen aus der USA gegründet,folgend sind asiatische Unternehmen. In Europa ist die Anzahl an Captives geringer.

9FLÄMIG, M.: S. 54

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Sitzland der Firma Sitzland des CaptivesUSA Bermuda, Cayman Inseln, Vermont

Deutschland Luxemburg, IrlandSchweiz Luxemburg, Irland

Frankreich Luxemburg, IrlandKanada Barbados, Bermuda, British ColumbiaAsien Singapur, Labuan

Tabelle 1: Die beliebtesten Captives-Sitzländer; BANKS, E.: S. 91

Sitzland des Captives Anzahl an Captives Anteil/Gesamt StandortstatusBermuda 1330 25.3% offshoreVermont 674 12.8% onshore

Cayman Islands 515 9.8% offshoreGuernsey 470 8.9% offshore

Luxembourg 260 4.9% onshoreBarbdos 260 4.9% offshoreIreland 215 4.1% offshore

British Virgin Islands 165 3.1% offshore

Tabelle 2: Die Top 8 Länder gemessen an der Anzahl an Captives; MARGOLIN,M.: S. 15

3.1.2 Vorteile und Kosten/Nachteile

Ein großer Vorteil des Captives besteht für Gefährdungen, die öfters auftreten, abereinen geringen Schaden erzielen. Bezahlt man nämlich an ein Versicherungsunterneh-men Prämien, so sind es meistens nur 30-40%, die wirklich die Schadensabdeckungausmachen, der Rest geht in Kosten wie Versicherungserwerbskosten, Gemeinkos-tenausgaben und Verwaltungskostengewinn. Für Schäden, die einen großen Schadenverursachen, können Captives eine Rückversicherung abschließen. Weitere Vorteilesind natürlich:

• erhöhte Kostenvorhersehbarkeit

• angemessener und flexibler Risikoschutz, vor allem bei Gefährdungen, dieschwer zu versichern sind

• zunehmendes Gewinnpotential, wenn ein fremdes/drittes Geschäft betriebenwird

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• mögliche Steuerbegünstigungen (auch abhängig von der Struktur und Ortdes Captives)

Natürlich gibt es auch Nachteile. So benötigt man im Voraus Gebühren für die Zah-lung von anfänglichen Anlagen. Außerdem müssen Regeln und Benachrichtigungeneingehalten werden und ist nicht immer steuerbegünstigt. Alles in allem kann manaber dennoch sagen, dass die Vorteile, vor allem für große Betriebe, gegenüber denNachteilen überwiegen.

3.1.3 Fallbeispiel: Gründung eines Captives in Bermuda

1. Sponsor(Firma, verschiedene Firmen) unterschreibt in der Anwesenheit vonprofessionellen Ratgebern (Versicherungsmanager, Rechtsanwalt, Prüfer)

2. Sponsor und Ratgeber vervollständigen die Dokumente

3. Anfrage an das Finanzministerium als ”exempt Bermuda company” 10 (Vorteilvon Bermuda: keine Regelung, dass 60% ein lokaler Eigentümer besitzen muss)

4. Antrag an die Bermuda Währungsbehörde als registrierter Versicherer

5. Wenn alle Aufgabenmaterialien in Ordnung sind, kann die Bewilligung einge-holt werden

6. Sponsor bezahlt das Minimum an Kapitalanforderung ($ 120 000 für PureCaptive; $ 250 000 für Group Captive; $ 1 Millionen für kommerzielle Versi-cherung/Rückversicherung, wobei mindestens 20% davon als Fremdgeschäftgeschrieben werden) und wählt einen Ausschuss an Direktoren

7. Sponsor händigt den genehmigten Versicherungsantrag der Bermuda Wäh-rungsbehörde aus

8. Aufsichtsperson der Versicherung bewilligt die Eintragungsbescheinigung

9. Betrieb wird aufgenommen

Solch ein Prozess in Bermuda dauert normalerweise drei bis sechs Wochen.10exempt company: Firma, die ihre Geschäfte nur außerhalb des Sitzstaates tätigt und daher

steuerfrei ist

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3.1.4 Formen von Captives

Captives können in verschiedene Formen auftreten, abhängig von den Zielen desRisikomanagements, des Eigentümers oder auch der Verbraucher. Grundsätzlichkann man zwischen Erst-und Rückversicherungs-Captives unterscheiden. Unter-teilungen von Captives können auch sein: Captives mit einem Eigentümer (PureCaptives), mit mehreren Eigentümern (Group Captives) oder anderen Formen wieRent-a-Captives.

Erstversicherungs-Captives und Rückversicherungs-Captives:

Das Captive kann als Erst- oder auch Rückversicherungsunternehmen aufgebautsein. Die letztere Unternehmensart wird häufiger angewendet, da man keine Lizenzder nationalen Versicherungsaufsichtsbehörde braucht. Die Einholung solcher Li-zenzen ist vor allem schwierig, wenn ein Konzern mehrere Tochterunternehmen aufder ganzen Welt hat. Im EWR-Raum ist dies jedoch durch die Dienstleistungsfrei-heit für Versicherungsunternehmen aufgelockert worden. Dort gilt das sogenannteHerkunftslandprinzip11.

Pure Captives:

Wird auch Einzelner-Eigentümer-Captive oder reiner Eigenversicherer genanntund macht ungefähr 70 Prozent der weltweit 5000 Captives aus, was dazu beiträgt,dass diese die beliebteste Form ist.Ein Pure Captive ist ein lizenzierter Versicherer oder auch Rückversicherer, der nurvon einem einzelnen Eigentümer, nämlich dem Mutterunternehmen, besessen wirdund nur Versicherungen für diese Firmen abschließt. Man kann auch sagen, dassein Pure Captive als Versicherer angesehen wird, der nur Risiken von beschränkterHerkunft deckt.Wie in einer Versicherungsbeziehung, bezahlt hierbei der Eigentümer dem Captiveeine Prämie um Risiko zu transferieren und im Gegenzug erhält der Eigentümerbei Eintritt des Schadens eine ausgleichende Auszahlung.

Sister Captives:

Bei dieser Form besitzt das Captive wieder zur Gänze der Eigentümer beziehungs-weise die Muttergesellschaft. Ein Sister Captive schreibt aber auch Abdeckungenfür andere Firmen, die zur selben ”ökonomischen Familie” gehören. (Zweignie-derlassungen oder Tochtergesellschaft der Sponsorfirma). Von Vorteil ist, dass es

11Versicherung muss nur im Herkunftsland eine Lizenz einholen und wird auch nur von dessenAufsichtsbehörde kontrolliert

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hierbei eine größere Risikostreuung gibt, aber dennoch alles zu einer umfassendenbetrieblichen Gruppe gehört.

Group Captives:

Das Gegenstück zum reinen Eigenversicherer bildet der Gruppeneigenversicherer.Der Versicherungsträger wird hierbei von mehreren Gruppen besessen und bietet die-sen auch Versicherungsschutz an. Daher ist hierbei das Versicherungsgeschäft nichtnur auf ein einzelnes Unternehmen oder eine ökonomisch zusammengehörendenFirma begrenzt, sondern auf mehrere Firmen. Anders als beim reinen Versichererschließen diese auch Geschäfte mit Dritten ab. Als Vorteil zählt sicherlich, dass mananhand der großen Anzahl an teilnehmenden Firmen eine größeren Risikostreuungerzielt und außerdem geringeren Kosten ausgesetzt ist. Hingegen hat man bei PureCaptives sicherlich weniger Mitspracherecht bezüglich der betrieblichen Direktiondes Captives. Die Schadensdeckung wiederum hängt hierbei von den Proportionender Prämien, die die einzelnen Gruppeneigentümer zahlen, ab. Hierbei werden zwardie Schäden zwar nicht verringert, die Ausgaben und Zahlungsströmerisiken aberverkleinert.Von Vorteil ist, dass die große Anzahl an Teilnehmern einer größeren Diversifikationausgesetzt ist, sie aber hingegen weniger Mitspracherecht bei der betrieblichenDirektion des Captives hat.

Rent-a-Captives:

Diese Form ist vorallem für Klein- oder Mittelbetriebe wichtig, die sich anstattCaptives zu gründen, welche mieten.Die Struktur ist ähnlich wie bei Group Captives, jedoch ohne direkte Eigentümer-schaft des Eigentümers. Diese Form ist für Firmen, die sich Captives für Zwecke,wie ein Selbstversicherungs-Programm zu administrieren wünschen, die Dienststelleaber gänzlich oder teilweise nicht besitzen wollen beziehungsweise auch nicht dasGeld oder die Zeit dafür haben solch eine zu besitzen. Sie mietet sich bei einerErstversicherungsträger oder Rückversicherungsträger ein, die für jeden Kundenein so genantes Rent-a-Captives Konto oder auch einen Account führen. Hierbeibekommt dieser seine Prämien und die erzielten Anlageerträge gutgeschriebenund die anfallenden Schadenszahlungen und Managementgebühren abgezogen. Deram Ende des Jahres gutgeschriebene Gewinn geht an den Dritten zurück, beiVerlust muss der Kunde einen Nachschuss leisten. Die Gesamtheit der Kundenteilen sich insgesamt die Kosten dieser Eigenversicherungseinrichtung. Die Kon-ten der einzelnen Kunden sind zwar unabhängig, kommt es jedoch zur Situation,dass einer nicht zahlen kann, so kann zur Begleichung von Ansprüchen gegen die

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Rent-A-Captives-Gesellschaft anderer Kundenkonten herangezogen werden. DieVermögenswerte aller Konten würde in die Konkursmasse fallen und es gäbe füralle Konten negative Auswirkungen.

Protected Cell Companies:

Um solch Mischungen zu vermeiden, wurden Protected Cell Companies einge-führt. Diese bieten einen größeren Kundenschutz, da hier die Mischung von Kontenrechtlich nicht erlaubt ist. Die erste Protected Cell Companies Gesetzgebung gabes 1997 in Guernsey (Kanalinsel) und danach auch in Cayman, Bermuda, Singapur,Malta und anderen Orten. Bei Protected Cell Companies kann man zwischen zweiGruppen unterscheiden:

• Kern: eine unabhängige, fremde/dritte Partei, zum Beispiel eine Finanz-institution oder auch eine Versicherung, die Managementangelegenheitenregeln.

• Zellen: die den Zellen zugeordneten Vermögenswerte sind gesetzlich getrennt.Der Klient unterschreibt eine oder mehrere Zellen zu verwenden, die Kos-ten zu zahlen und einen Teil des Eigenkapitals für den Kern anzubieten.Protected Cell Companies haben sich aufgrund ihrer Sicherheit und Flexi-bilität als beliebt erwiesen und werden auch in der Zukunft vor allem fürKlein/Mittelbetriebe eine große Rolle einnehmen.

Risk Retention Groups:

Diese Form ist eine Gruppierung, um Risiko zu reduzieren. Sie ähnelt den GroupCaptives, die jedoch anders organsisiert sind. RRG werden gegründet, damit dieeinzelnen Mitglieder höhere Risiken eingehen können, da diese aufgrund der Zu-sammenschlüsse, das auch pooling geannt wird, wieder reduziert werden können.Die einzelnen Mitglieder der Gruppierung vertreten ein gemeinsames Interesse undhaben homogene Risikogefährdungen. RRG’s werden dort lizenziert, wo auch daszugehörige Versicherungsunternehmen ihren Sitz hat. Nach der Lizenzierung könnensie auch in anderen Ländern Deckungen vornehmen. Beispiele von Risikopools sind:the US workers’ compensation pool, the UK terrorism risk pool, the Japanee autopool, the German nuclear risk pool

3.1.5 Übersicht

Die folgende Graphik zeigt nun nochmal die Zugehörigkeit der zuvor erwähntenFormen, wenn man sie in der Kategorie Eigentümer/Verbraucher unterteilt.

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!!

Einzelner!Eigentümer,!Mehrere!

Verbraucher!(verbunden)!

Mehrere!Eigentümer,!Mehrere!

Verbraucher!(verbunden)!

Einzelner!&!Mehrere!

Eigentümer,!Mehrere!

Verbraucher!(nicht!

verbunden)!

Pure!captive!

Einzelner!Eigentümer,!Einzelner!Verbraucher!(verbunden)!

Sister!captive!

Risk!retention!group!(RRG)!

!Group!captive!

!

Protected!cell!company!

RentCaCcaptive!

Abbildung 3: Zugehörigkeit der einzelnen Captives-Formen, BANKS, E.: S. 94

3.2 Verbriefungen in der Versicherungswirtschaft

In Folge einer Reihe schwerer Naturkatastrophen zu Beginn der 90er Jahre inden USA, wie Hurrikan Andrew, waren Rückversicherungskapazitäten knapp undteuer. Zum Zwecke des Risikotransfers wurden daher zum ersten Mal erfolgreichVersicherungsrisiken verbrieft und an den Kapitalmarkt plaziert. Laut Definitionist eine Verbriefung hierbei die Umwandlung von nicht handelbare Forderungen in

handelbare Wertpapiere

12. Durch diese Innovation entstand ein Markt für Wertpa-piere, die sogenannten ”Insurance Linked Securities” mit Bindung an Schaden- undUnfallversicherungen (Naturakatastrophen, . . . ) oder auch an Lebensversicherungs-risiken.Man kann hierbei zwischen direkter und indirekter Emission unterschieden, wobeiletztere häufiger verwendet wird.

12http://www.finanz-lexikon.de/verbriefung_3691.html

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Direkte Emission:

Wertpapiere werden direkt vom Versicherungsunternehmen an den Kapitalmarktbegeben.

Indirekte Emission:

Ein bestimmtes Risiko oder auch bestimmte Risiken werden an ein ”Special PurposeVehicle”, das meist als Rückversicherer fungiert und aus diesem Zweck gegründetwurde (SPV ist ein sogenanntes ”Zweckunternehmen”), zediert. Dieses haftet fürdas Risiko und platziert die Anleihen auf dem Kapitalmarkt. Im Gegenzug zahltder Emittent dem SPV Prämien und Zinsen. Tritt der Schaden nach Ende derLaufzeit nicht ein, so erhält der Investor sein Kapital zurück. Bei Schadenseintrittwird jedoch der sichergestellte Anleihenbetrag herangezogen und die Investorenerleiden einen möglichen Verlust.

Der Emittent von Katastrophenbonds versucht, seine Versicherungsschäden durchMittel aus dem Bond auszugleichen. Das heißt: Versicherungsschäden, die einengewissen Betrag überschreiten, sollen durch die Ausgabe von Katastrophenbondsgedeckt werden. Somit ist es Ziel einer solchen Emission, Verluste in einer Positiondurch Gewinne in der anderen auszugleichen, was in der finanzwirtschaftlichenLiteratur auch als "Hedging"bezeichnet wird.

3.2.1 Trigger

Große Bedeutung bei der Ausgestaltung von Insurance Linked Bonds hat dieAuswahl des auslösenden versicherungstechnischen Ereignisses (trigger). es kannfolgende Formen annehmen:

Schadentrigger (indemnity trigger):

Die Zins- und Rückzahlung wird aus den tatsächlichen Schäden des Versicherersgemessen. Es können Faktoren wie Schadenhöhe, Schadenanzahl, Schadensummeoder die Schadenquote eine Rolle spielen. Solch eine Transaktion hat eine ähnlicheWirkungsweise wie eine Rückversicherung.

Branchenindextrigger (industry index trigger):

Bemessungsgrundlage sind hier die Gesamtschäden einer Branche gemessen ineinem Branchenschadenindex. Solch ein Index wird von einer Transaktion unab-hängiger Institutionen erstellt. Zins- und Rückzahlungen der einzelnen Versicherer

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an die Investoren ergeben sich als bestimmter Prozentsatz der Branchenschäden.

Parametrischer Trigger (parametric trigger):

Die Auszahlung richtet sich nach Ort und Stärke eines Naturkatastrophenereignisses(z.B.: Wert auf der Richterskala bei einem Erdbeben in Tokio)

3.2.2 Tranches

Insurance Linked Securities werden mit verschiedenen tranches ausgegegeben. Daserlaubt Investoren, das Level an der ”Risiko- und Returnbeteiligung”, das fürihnen am passendsten ist zu wählen. So werden Hedge Fonds wahrscheinlich indie Kategorie "low-rated/high-risk” fallen und Investment Fonds und Konten vonBank/Rückversicherungsfirmen Investments eher in die Kategorie "high-rated”zugeordnet werden. Man kann tranches kombinieren, auch welche, die verschiedensind, was Interesse oder Ablaufdatum betrifft. Betrachtet man nun verschiedenetranches, dann ist A, der erste und beste, ein Kredit, der durch die Garantieeines Versicherers oder Brief von einem Bankenkredit verbessert ist und mit AAoder AAA gerated. Tranche B ist bereits ein Verlust möglich, dieser ist oft in derKategorie A/BBB. Tranche E, der letzte und schlechteste, hat das Potential eineskompletten Verlustes des Interesses und ist ähnlich einer BB-rated Verbriefung.

3.2.3 Peril

Peril wird das auslösende Element einer Katastrophen-Transaktion bezeichnet. ImGegensatz zum trigger ist hierbei nicht die Art des Auslösemechanismus, sonderndas Naturereignis selbst gemeint. Obwohl fast alle Katastrophenanleihen sogenanntemulti-peril Transaktionen sind, das heißt ihre Zahlung ist nicht nur von einem, son-dern von mehreren Naturereignissen abhängig, machen diese Transaktionen nur ca.50% des gesamten wertmäßigen Volumens aus. Volumsmäßig kleinere Transaktionenscheinen demnach eher als multi-peril Transaktion an den Kapitalmarkt plaziert zuwerden, während größere Transaktionen auch als Deckung für einzelne spezifischeRisiken genutzt werden. Die wertmäßig am meisten verbrieften Risikoarten sind:US-Wind, Kalifornien/Erdbeben, Japan/Erdbeben, Europa/Wind.

Diese multi-peril Katastrophenanleihen machten den Anfang im Jahr 1999 undhaben seitdem an Größe und Kreativität bzw. auch an Flexibilität gewonnen. ZumBeispiel hat Swiss Re den SR Wind Bond gegründet. Dieser deckt Schäden, diedurch einen Windsturm in Frankreich und Hurrikan in Florida/Puerto Rico ent-standen sind, welche zwei verschiedene, aber zusammengehörende Anleihen bilden.

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Zusammenfassend kann man sagen, dass der Insurance Linked Securities Markt inkatatstrophenartige und nichtkathastropenartige Risikoklassen unterteilt wird, dieauf index, indemnity oder parametric triggers basieren. Katastrophenanleihen kön-nen wiederum in Verbriefungen eingeteilt werden, die sich auf Hurrikan, Erdbeben,Windsturm oder andere ”geringe Frequenz - hoher Schaden” Naturkatastrophenbeschränken. Sie sind entweder dazu gemacht single oder multiple perils per Anleiheoder tranche zu kreieren. Nichtkatastophenartige Insurance Linked Securities kön-nen in Temperatur, Veräußerungswert (residual value), Sterbeausfall, Handelskreditund Lebenserwerb/abschluss (life acquisition) Kosten unterteilt werden.

3.2.4 Beispiel: Katastrophenbonds

Um nun praktische Beispiele von ILS zu bringen, werden verschiedene Typen vonKatastrophenbonds betrachtet. Diese Form der Versicherungsverbriefung ist zurzeitdie dominanteste am Markt. Das Anwachsen an Katastrophenanleihen ist seit 1998(Stand: 2004) mit 1 Milliarden Dollar pro Jahr in neue Emissionen konstant. DieWeite an Absicherungen wurde jedoch immer umfangreicher, so gibt es Bonds fürhawaiianische Hurrikans bis zu französische Stürme. Man kann hierbei unter elfverschiedenen Risikoklassen unterscheiden:

Risikoklasse GebietErdbeben Kalifornien

US mittlere WestküsteJapanFrankreich und Monaco

Hurrikan US Nordosten/AtlantikUS GolfPuerto RicoHawaiiJapan

Windstürme EuropaHagel Europa

Tabelle 3: Risikoklassen bei Katastrophenanleihen, BANKS, E.: S. 124

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Literatur

[1] BANKS, E.: Alternative risk transfer ; Wiley (2007)

[2] FLAEMIG, M.: Alternativer Risiko Transfer - eine volkswirtschaftliche Be-

trachtung ; Inauguraldisseration an der Otto-Frierich-Universität Bamberg(2007)

[3] MARGOLIN, M.: Selbstversicherung über Captives- eine Frage der Regulie-

rung? ; Grin Verlag (2005)

[4] RITTER, M.: Absicherung über Katastrophen-Risiko über Kapitalmärkte ; Deut-scher Universitätsverlag (2006)

[5] WOEHRMANN, P. und BUERER, C.: Instrument der alternativen Risikofi-

nanzierung ; www.risknet.de (2001)

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