2
No. 3-4/ 2011 (c) J. Compr. Dentof. Orthod. + Orthop. (COO) Umf. Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO) 4 SEMINARE Kursreihe schwierige Fälle Seminarreihe: Schwierige Fälle in der KFO Dr. Margitt Mathies, Frankfurt Am 28.05.2011 fand in Frankfurt die letzte Fortbildung „Schwierige Fälle in der KFO - Teil 3“, einer exzellenten Reihe von Fortbildungskursen vom Referenten Prof. Dr. Gerhard Polzar statt. Wie schon in den vorangegangen Fortbildungskursen konnte der Referent an hervorra- gendem Bildmaterial seine ungewöhnlichen Behand- lungserfolge dokumentieren. Ich glaube dies beurtei- len zu können, da ich ja nun auch schon viele Jahre niedergelassen bin, und mich die schwierigen Behand- lungsfälle wie offener Biss, Progenien oder tiefer Biss mehr interessieren, da es hierbei um die Entscheidung geht, Chirurgie oder keine Chirurgie. Bei diesem Fall handelte es sich um einen jungen Mann mit extrem offenen Biss (5mm) mit ausgeprägter transversaler Enge des Oberkiefers und angedeuteter Lyraform und linksseitigem Kreuzbiss, eine mandibulä- re Schwenkung des Unterkiefers nach links mit Mittelli- nienverschiebung, Engstand der Unterkieferfrontzähne und ein leichtes Diastema der Oberkieferschneidezäh- ne (Bild 1) Der offene Biss ist in der Kieferorthopädie behand- lungsmässig eine grosse Herausforderung (ebenso der einseitige Kreuzbiss) und es werden immer noch Zähne, in der Regel die 1. Prämolaren, im Ober- und Unterkiefer extrahiert, obwohl bekannt ist, dass die oberen 4-er als Kiefergelenkschutz fungieren, da sie den Druck fürs Kiefergelenk abfangen. Der Patient war im jugendlichem Alter mit aktiven Platten behandelt worden, die jedoch keinen Erfolg brachten. Es wurden keine bleibenden Zähne extra- hiert. Patienten mit offenem Biss sind häufig Mundat- mer, haben vergrösserte Tonsillen und damit eine res- piratorische Insuffizienz. Das MRT zeigt eine deutliche Atembehinderung (Bild 2). Die Behandlungsplanung war: 1. Chirurgisch unterstützte transversale Gaumennah- terweiterung mit einer Hyrax· Apparatur. 2. Evtl. Frenektomie des Lippenbändchens im Ober- kiefer 3. Logopädie 4. Multibandapparatur mit intraoraler Verankerung 5. Kieferchirurgische Intervention mit Schwenkung des Oberkiefers zum Schliessen des skelettal of- fenen Bisses 6. Langzeitretention. Nach Entfernung der Weisheitszähne und unilateraler chirurgischer Schwächung der Kompakta links, wurde die forcierte Gaumennahterweiterung im Oberkiefer mit transversaler Erweiterung von 8,6mm innerhalb von 2 Wochen durchgeführt und die Hyraxschraube anschliessend verblockt. Abb. 1 Abb. 2

seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO folder... · Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO) 4 seminare Kursreihe schwierige Fälle seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO Dr

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO folder... · Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO) 4 seminare Kursreihe schwierige Fälle seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO Dr

No. 3-4/ 2011 (c)J. Compr. Dentof. Orthod. + Orthop. (COO) Umf. Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO)

4

seminare Kursreihe schwierige Fälle

seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO

Dr. margitt mathies, Frankfurt

Am 28.05.2011 fand in Frankfurt die letzte Fortbildung „Schwierige Fälle in der KFO - Teil 3“, einer exzellenten Reihe von Fortbildungskursen vom Referenten Prof. Dr. Gerhard Polzar statt. Wie schon in den vorangegangen Fortbildungskursen konnte der Referent an hervorra-gendem Bildmaterial seine ungewöhnlichen Behand-lungserfolge dokumentieren. Ich glaube dies beurtei-len zu können, da ich ja nun auch schon viele Jahre niedergelassen bin, und mich die schwierigen Behand-lungsfälle wie offener Biss, Progenien oder tiefer Biss mehr interessieren, da es hierbei um die Entscheidung geht, Chirurgie oder keine Chirurgie.

Bei diesem Fall handelte es sich um einen jungen Mann mit extrem offenen Biss (5mm) mit ausgeprägter transversaler Enge des Oberkiefers und angedeuteter Lyraform und linksseitigem Kreuzbiss, eine mandibulä-re Schwenkung des Unterkiefers nach links mit Mittelli-nienverschiebung, Engstand der Unterkieferfrontzähne und ein leichtes Diastema der Oberkieferschneidezäh-ne (Bild 1)

Der offene Biss ist in der Kieferorthopädie behand-lungsmässig eine grosse Herausforderung (ebenso der einseitige Kreuzbiss) und es werden immer noch Zähne, in der Regel die 1. Prämolaren, im Ober- und Unterkiefer extrahiert, obwohl bekannt ist, dass die oberen 4-er als Kiefergelenkschutz fungieren, da sie den Druck fürs Kiefergelenk abfangen.

Der Patient war im jugendlichem Alter mit aktiven Platten behandelt worden, die jedoch keinen Erfolg brachten. Es wurden keine bleibenden Zähne extra-hiert. Patienten mit offenem Biss sind häufig Mundat-mer, haben vergrösserte Tonsillen und damit eine res-piratorische Insuffizienz. Das MRT zeigt eine deutliche Atembehinderung (Bild 2).

Die Behandlungsplanung war:

1. Chirurgisch unterstützte transversale Gaumennah-terweiterung mit einer Hyrax· Apparatur.

2. Evtl. Frenektomie des Lippenbändchens im Ober-kiefer

3. Logopädie4. Multibandapparatur mit intraoraler Verankerung5. Kieferchirurgische Intervention mit Schwenkung

des Oberkiefers zum Schliessen des skelettal of-fenen Bisses

6. Langzeitretention.

Nach Entfernung der Weisheitszähne und unilateraler chirurgischer Schwächung der Kompakta links, wurde die forcierte Gaumennahterweiterung im Oberkiefer mit transversaler Erweiterung von 8,6mm innerhalb von 2 Wochen durchgeführt und die Hyraxschraube anschliessend verblockt.

abb. 1

abb. 2

Page 2: seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO folder... · Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO) 4 seminare Kursreihe schwierige Fälle seminarreihe: schwierige Fälle in der KFO Dr

No. 3-4/ 2011 (c)J. Compr. Dentof. Orthod. + Orthop. (COO) Umf. Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO)

5

Kursreihe Schwierige Fälle seminare

tionsphase über. Das ursprünglich geplante Therapie-konzept hatte sich durch den Wohnortwechsel des Patienten grundlegend verändert. Eine Multibandein-gliederung war nicht mehr nötig. Interessant war auch die Tatsache, dass das Schliessen des offenen Bisses sich besser gestaltete, als es der ClinCheck vorgege-ben hatte. Das hat sicherlich mehrere Gründe. Die ver-tikalen Gummizüge haben offensichtlich besser gewirkt als gedacht, aber auch durch das Auftragen der ok-klusalen Schienenstärke trug die dorsale Bisssperrung zu einem Überkompensationseffekt mit Intrusion der Seitenzähne bei. Durch die eingearbeiteten Spikes in der Schiene kam es zu einer Umerziehung der Zunge.

Der Patient konnte selbst entscheiden, ab wann er die Spikes nicht mehr brauchte. Die zuvor durch-geführte forcierte Gaumennahterweiterung lockerte erfahrungsgemäss das Verankerungspotential des Oberkiefers und dieser senkte sich ab. Da es zu dem zweiten Eingriff nicht mehr gekommen war, behielt der Patient ein leichtes Gummy-Smile und eine geringfügi-ge Mittellinienverschiebung zurück (Bild 5).

Der Patient war mit diesem Behandlungsergebnis sehr zufrieden und ich muss sagen, ich auch. Ich war doch sehr überrascht einen solch schwierigen Be-handlungsfall ohne 2. OP, ohne Multiband so exellent mit Schienen gelöst zu haben. Ich hoffe, dass Prof. Dr. Polzar in 2012 seine Kursreihe wieder auflegen kann, und wünsche ihm viele interessierte Kursteilnehmer. Ein Kommen ist eigentlich Pflicht, gerade - aber nicht nur - für junge Kieferorthopäden.

Es folgte dann eine 7-monatige Pause wegen Stu-dienbeginn des Patienten in Berlin. Wegen der doch grossen Entfernung entschlossen sich Behandler und Patient, die restliche Behandlung mit Invisalign-Schie-nen, vertikalen Gummizügen und Ausformen beider Zahnbögen fortzuführen (Bild 3). Der Biss sollte abge-senkt und dem Patienten eine zweite Operation erspart werden, und später mit Multiband ganz geschlossen werden.

Die gesamte Schienenbehandlung dauerte 17 Monate mit 36 Aligner im Oberkiefer und 30 Aligner im Unter-kiefer. Nach dem Einsetzen der Schienen erfolgten in diesem Zeitraum 3 Kontrolltermine bis zum Abschluss der Invisalign-Behandlung. Nach weiteren 6 Monaten trug der Patient die Schienen nur noch nachts und in den letzten 5 Monaten keine vertikalen Gummizüge mehr. Es musste kontrolliert werden, ob das Behand-lungsergebnis stabil bleibt, oder ob sich ein Rezidiv zeigen würde (Bild 4).

Nach einer Behandlungszeit von 2 Jahren und 7 Mo-naten ging die aktive Behandlungsphase in die Reten-

abb. 4

abb. 3

abb. 5