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Seuchen und Epidemien prägen die Geschichte der Menschheit und stellen soziale Gemeinschaften immer wieder vor große Herausforderungen. Auch das Leben in süddeutschen Städten wurde Jahrhun- derte lang von der Frage nach dem Umgang mit epidemisch auftretenden Krankheiten und deren Folgen bestimmt. „Alles ist hin!“ – Wie der „Liebe Augustin“ während einer Pestepidemie im 17. Jahrhun- dert in Wien waren die Menschen in Seuchen- zeiten auch in anderen Städten von Ängsten und Verzweiflung geplagt. Ein in seiner ge- nauen Ursache unbekannter Feind war in den geschützten, ummauerten Raum eingedrun- gen. Er brachte für Viele einen plötzlichen Tod oder eine lange, qualvolle Zeit der Krankheit mit sich. Das soziale, wirtschaftliche und politische Gefüge einer Stadtgemeinde geriet regelmäßig aus dem Gleichgewicht. Name und Gestalt dieses Feindes waren viel- fältig. Am schlimmsten wütete im Mittelalter und der Frühen Neuzeit die Pest. Häufig stand ihr Name – neben dem Begriff „Sterbens- leuffte“ oder dem symptomatischen Ausdruck „Großes Sterben“ – auch für andere seuchen- artige Krankheiten. Ebenso allgemein waren lange die Erklärungsversuche von Ursachen und Verbreitung der Krankheiten. Über Jahr- hunderte wurden sie als Ausdruck des Zorns Gottes gesehen. Aus wissenschaftlicher Sicht erklärte man sich das Auftreten von Seuchen häufig durch die „Miasmen“-Theorie. Erst die Entdeckung von Bakterien und Viren gab ab dem 19. Jahrhundert Aufschluss über die tatsächlichen Ursachen und Verbreitungswege und damit die Möglichkeit, darauf basierende Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Vom Stand des Wissens wurde auch beeinflusst, wie Einwohner und Obrigkeiten einer Stadt der Herausforderung begegneten. Aus der Vielzahl möglicher Reaktionen stellt die Ausstellung drei unterschiedliche Maß- nahmen und deren Folgen vor: Das kultische und gemeinschaftliche Handeln der Bevölkerung minderte durch den Glauben an göttlichen Beistand die Angst der Men- schen, konnte aber, wie durch die Abhaltung von Prozessionen, zur weiteren Verbreitung von Krankheiten beitragen. Die städtischen Obrigkeiten versuchten, der Gefahr organi- satorisch Herr zu werden. Sie erließen Verhal- tensmaßregeln, verordneten Quarantäne oder sorgten durch bauliche und in- stitutionelle Maß- nahmen dafür, dass die hygie- nischen und damit auch sozialen Verhältnisse in den Städten generell verbessert wurden. Trotz der Ohnmacht, Epidemien, deren Auslö- ser und Verbreitungswege man nicht kannte, gezielt zu bekämpfen, gelang es so letztlich, Epidemien einzuschränken und die Ausbrei- tungsgefahr langfristig zu minimieren. In städtebaulicher Hinsicht reagierte man u.a. mit der Errichtung von Krankenhäusern und dem Ausbau des Badewesens. So entwi- ckelte sich beispielsweise in München eine blühende Bäderlandschaft, die bis heute fester Bestandteil des städtischen Lebens ist. Der „Praeservativ-Mann“ gegen die Cholera Kupferstich um 1850 Verhaltenshinweise zur Bekämpfung der Pest, um 1620 Plakat des Luisenbads, 1896

Seuchen und Epidemien prägen die Name und Gestalt …3cf97c5f-340b-43ea-8abe-1… · Seuchen und Epidemien prägen die Geschichte der Menschheit und stellen soziale Gemeinschaften

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Seuchen und Epidemien prägen die Geschichte der Menschheit und stellen soziale Gemeinschaften immer wieder vor große Herausforderungen. Auch das Leben in süddeutschen Städten wurde Jahrhun-derte lang von der Frage nach dem Umgang mit epidemisch auftretenden Krankheiten und deren Folgen bestimmt.

„Alles ist hin!“ – Wie der „Liebe Augustin“ während einer Pestepidemie im 17. Jahrhun-dert in Wien waren die Menschen in Seuchen-zeiten auch in anderen Städten von Ängsten und Verzweiflung geplagt. Ein in seiner ge-nauen Ursache unbekannter Feind war in den geschützten, ummauerten Raum eingedrun-gen. Er brachte für Viele einen plötzlichen Tod oder eine lange, qualvolle Zeit der Krankheit mit sich. Das soziale, wirtschaftliche und politische Gefüge einer Stadtgemeinde geriet regelmäßig aus dem Gleichgewicht.

Name und Gestalt dieses Feindes waren viel-fältig. Am schlimmsten wütete im Mittelalter und der Frühen Neuzeit die Pest. Häufig stand ihr Name – neben dem Begriff „Sterbens-leuffte“ oder dem symptomatischen Ausdruck

„Großes Sterben“ – auch für andere seuchen-artige Krankheiten. Ebenso allgemein waren lange die Erklärungsversuche von Ursachen und Verbreitung der Krankheiten. Über Jahr-hunderte wurden sie als Ausdruck des Zorns Gottes gesehen. Aus wissenschaftlicher Sicht erklärte man sich das Auftreten von Seuchen häufig durch die „Miasmen“-Theorie. Erst die Entdeckung von Bakterien und Viren gab ab dem 19. Jahrhundert Aufschluss über die tatsächlichen Ursachen und Verbreitungswege und damit die Möglichkeit, darauf basierende Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Vom Stand des Wissens wurde auch beeinflusst, wie Einwohner und Obrigkeiten einer Stadt der Herausforderung begegneten.

Aus der Vielzahl möglicher Reaktionen stellt die Ausstellung drei unterschiedliche Maß-nahmen und deren Folgen vor: Das kultische und gemeinschaftliche Handeln der Bevölkerung minderte durch den Glauben an göttlichen Beistand die Angst der Men-schen, konnte aber, wie durch die Abhaltung von Prozessionen, zur weiteren Verbreitung von Krankheiten beitragen. Die städtischen Obrigkeiten versuchten, der Gefahr organi-satorisch Herr zu werden. Sie erließen Verhal-tensmaßregeln, verordneten Quarantäne oder sorgten durch bauliche und in-stitutionelle Maß-nahmen dafür, dass die hygie-nischen und damit auch sozialen Verhältnisse in den Städten generell verbessert wurden. Trotz der Ohnmacht, Epidemien, deren Auslö-ser und Verbreitungswege man nicht kannte, gezielt zu bekämpfen, gelang es so letztlich, Epidemien einzuschränken und die Ausbrei-tungsgefahr langfristig zu minimieren. In städtebaulicher Hinsicht reagierte man u.a. mit der Errichtung von Krankenhäusern und dem Ausbau des Badewesens. So entwi-ckelte sich beispielsweise in München eine blühende Bäderlandschaft, die bis heute fester Bestandteil des städtischen Lebens ist.

Der „Praeservativ-Mann“ gegen die CholeraKupferstich um 1850

Verhaltenshinweise zur Bekämpfung der Pest, um 1620

Plakat des Luisenbads, 1896

Die Ausstellung beleuchtet die Maßnahmen und Reaktionen auf den „Feind“ in den Städ-ten Augsburg, Nürnberg und München. Trotz Unterschieden in ihrer politischen, sozialen und topographischen Struktur reagierten sie meist ähnlich auf die Herausforderung. In München, wo das Auftreten der Pest erst-mals 1459 in den Ratsprotokollen erwähnt wird, findet besonders die im 19. Jahrhundert auftretende Cholera einen Niederschlag in den Quellen. Eng verbunden mit ihrer Er-forschung und Bekämpfung ist der Name Max von Pettenkofer (1818–1901). Zwar fand Pettenkofer nicht die richtige Erklärung für die Verbreitung der Cholera. Er forcierte jedoch maßgeblich die Durchsetzung grundlegender hygienischer Maßnahmen, die München letzt-lich zu einer weitgehend „gesunden“ Stadt machten und seinem Wirken nachhaltige Bedeutung verliehen.

Der Feind in der StadtAusstellung im Stadtarchiv München,Winzererstraße 68, 80797 München22. Februar bis 30. Mai 2018

Öffnungszeiten:Mo – Do 9 – 18 Uhr, Fr 9 – 12 UhrAn Feiertagen geschlossen.Eintritt frei!

Eine Ausstellung des Stadtarchivs München in Kooperationmit dem Stadtarchiv Augsburg, dem Stadtarchiv Nürnbergund der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns

Zur Ausstellung ist folgende Publikationerhältlich:Der Feind in der Stadt. Vom Umgang mit Seuchen in Augsburg, München und NürnbergStaatliche Archive Bayerns – Kleine Ausstellungen 50München 2016, ISBN 978-9348831-58-8