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Wo auch immer in der Welt man sich befindet: Man kann fast sicher sein, dass früher oder später ein Song auftaucht, der von einer schwedischen Gruppe gespielt wird oder bei dem schwedische Kompo- nisten ihre Finger im Spiel hatten – im Radio, in einem Musik-Club oder in einer Fernsehwerbung. Oft merken die Hörer sicher gar nicht, dass es sich bei den Klängen um schwedische Musik handelt. Wenn in ausländischen Fachzeitschrif- ten die schwedische Musikszene zum Thema gemacht wird, geht es meistens darum, dass die Popgruppen des Landes – sowohl die kommerziellen als auch die so genannten Indie-Bands – ein Gespür für außergewöhnliche Melodien haben. Als ABBA in den 1970er Jahren ihre Glanz- Schwedischer Pop Zur Melodie des Stückes „Heartbeats“ der Gruppe The Knife, das von José González zurückhaltend interpretiert wird, hüpfen Tausende bunter Gummibälle eine Straße in San Francisco hin- unter. Der farbenfrohe Sony-Bravia-Werbefilm war für den schwe- dischen Musiker ein kräftiger Schrittmacher in Sachen Plattenver- kaufszahlen. ABBA in allen Ehren, aber in der heutigen schwe- dischen Musikszene geht es eng zu, und González steht nur für eines von vielen Erfolgsmärchen in der schwedischen Popmusik. Herausgegeben vom Schwedischen Institut Februar 2008 TS 115 c Weitere Tatsachen finden Sie unter: www.sweden.se Tatsachen José González. Foto: Luger

Si-Facts TS115b TYS - · PDF fileWo auch immer in der Welt man sich befindet: Man kann fast sicher sein, dass früher oder später ein Song auftaucht, der von einer schwedischen Gruppe

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Wo auch immer in der Welt man sichbefindet: Man kann fast sicher sein, dassfrüher oder später ein Song auftaucht, dervon einer schwedischen Gruppe gespieltwird oder bei dem schwedische Kompo-nisten ihre Finger im Spiel hatten – im

Radio, in einem Musik-Club oder in einer Fernsehwerbung. Oft merken dieHörer sicher gar nicht, dass es sich bei denKlängen um schwedische Musik handelt.

Wenn in ausländischen Fachzeitschrif-ten die schwedische Musikszene zum

Thema gemacht wird, geht es meistensdarum, dass die Popgruppen des Landes –sowohl die kommerziellen als auch die sogenannten Indie-Bands – ein Gespür füraußergewöhnliche Melodien haben. AlsABBA in den 1970er Jahren ihre Glanz-

Schwedischer PopZur Melodie des Stückes „Heartbeats“ der Gruppe The Knife,das von José González zurückhaltend interpretiert wird, hüpfen Tausende bunter Gummibälle eine Straße in San Francisco hin-unter. Der farbenfrohe Sony-Bravia-Werbefilm war für den schwe-dischen Musiker ein kräftiger Schrittmacher in Sachen Plattenver-kaufszahlen. ABBA in allen Ehren, aber in der heutigen schwe-dischen Musikszene geht es eng zu, und González steht nur für eines von vielen Erfolgsmärchen in der schwedischen Popmusik.

Herausgegeben vom Schwedischen InstitutFebruar 2008 TS 115 c

Weitere Tatsachen finden Sie unter:www.sweden.se

Tatsachen

José González. Foto: Luger

BWO. Foto: EMI

zeit hatte, schuf die Gruppe gemeinsammit dem Tontechniker Michael B. Tretowein spezielles Lautbild, das bis heute oftimitiert wird. Aber die gegenwärtige Po-pulärmusik aus Schweden ist komplex,und oft haben die Musiker und Künstlernur gemeinsam, dass sie zufällig in diesemLand geboren wurden.

Nach Angaben der Organisation Ex-port Music Sweden, die auf Berechnungenaus dem Jahr 2005 zurückgehen, generiertder schwedische Musikexport jährlich 3,1 Mrd. SEK, 1,1 Mdr. SEK davon inForm von Lizenzgebühren.

ABBA gab den Ton anDie schwedische Popmusik ist seit denfrühen 1960er Jahren international renom-miert: Damals hatte die Instrumental-gruppe The Spotnicks ihren Durchbruchund tourte dann mehrere Jahre lang durchdie ganze Welt.

1974 gewann ABBA mit dem Stück„Waterloo“ den Eurovision Song Contestin Brighton. Dieser Sieg war der Start-schuss für eine einzigartige Karriere: Lie-der wie „Dancing Queen“, „Knowing MeKnowing You“ und „The Winner Takes ItAll“ machten ABBA zu einer der wichtig-

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Tatsachen

Robyn. Foto: Fredrik Skogkvist/Family

sten Popgruppen der 1970er Jahre und dieBandmitglieder Björn Ulvaeus, Anni-FridLyngstad, Benny Andersson und AgnethaFältskog zu Weltstars. Mit ihren 350 Mil-lionen verkauften Platten ist die Gruppeder größte schwedische Musikexport allerZeiten. Als sich die Band 1982 auflöste,entstand in der schwedischen Popszeneein gewisses Vakuum, zumindest was denMusikexport betraf.

Aber einige Jahre später drang dieschwedische Musik auch wieder bis insAusland vor, und in den 1990er Jahrenfeierten das Pop-Duo Roxette und dieSoft-Hardrocker Europe mit 75 bezie-hungsweise 15 Millionen verkauften Plat-ten Riesenerfolge. In den späten 1980erund frühen 1990er Jahren machten auchMeja, Pandora, Ace of Base (mit 23 Mil-lionen verkauften Exemplaren des Debüt-albums), Jennifer Brown, The Cardigansund Army of Lovers von sich hören. Daseng mit Army of Lovers verbundeneTanzpop-Trio BWO (ehemals „BodiesWithout Organs“) veröffentlichte seinDebütalbum in Russland und erst an-schließend in Schweden, und die meistenFans von BWO sind in Osteuropa undSkandinavien zu Hause.

1998 wurde die Sängerin Emilia zumEinzelhit-Wunder des Jahrzehnts: Vonihrer Single „Big Big World“ wurden über3 Millionen Exemplare verkauft. Robynerlebte eine andere Entwicklung: 1997landete die damals 18-Jährige mit „ShowMe Love“ einen Hit in den USA, und ihrDebütalbum „This is Robyn“ verkauftesich 1,5-millionenfach. Seither veröffent-lichte die Musikerin mehrere Alben undgründete eine eigene Plattenfirma. ImSommer 2007 hatte Robyn mit „WithEvery Heartbeat“, das in den britischenCharts auf Platz eins kam, einen weiterenErfolg.

Die heutige PopszeneIn den letzten Jahren machten vor allemVertreter der schwedischen Indie-Musikauf sich aufmerksam. Hierzu gehörenMarit Bergman, die mehrere „Grammis“(dieser Preis ist die schwedische Ent-sprechung zum amerikanischen „GrammyAward“) gewann, Jens Lekman, der fleißigim In- und Ausland tourt, und die ver-schmitzte Annika Norlin, die unter denKünstlernamen Säkert! und Hello Safe-ride musiziert. Auch die LiedermacherinAnna Ternheim und Håkan Hellström,der für seine poetischen Popsongs undseine eigenwilligen Interpretationen klassi-scher schwedischer Lieder geehrt wurde,gewannen mehrere Grammis.

Andere, die seit der Jahrtausendwendegroße Erfolge feiern konnten, sind diepolitische Glam-Rock-Band The Ark,Anders Wendin alias Moneybrother mit

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Tatsachen

Salem Al Fakir. Foto: LugerAnnika Norlin alias „Säkert!“ und „Hello Saferide“. Foto: Luger

Shout Out Louds. Foto: Luger

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Tatsachen

seinem gefühlsbetonten Pop-Rock-Soundund Laleh, die ihre Musik selbst schreibt,spielt und produziert. Auch die zurückhal-tende Sophie Zelmani erreicht trotz ihrerMedienscheu seit über zehn Jahren einegroße, treue Hörerschar.

Zwei neue Sterne, die 2006/2007 amPophimmel erstrahlten, sind Salem AlFakir, der als außergewöhnliches Musik-talent gefeiert wird, und die expressiveIndie-Künstlerin Linda Carlsson aliasMiss Li, die in den Jahren 2006 und 2007ganze drei Alben und eine Sammel-CDveröffentlichte.

Schwedische Musik kennt keineGrenzenDie explosionsartige Entwicklung imIndie-Bereich sorgte dafür, dass schwedi-sche Independent-Musik auch außerhalbdes Landes und in der ganzen Welt Gehörfand. Ein aktuelles Beispiel ist die Gruppe Love is All, die von der New Yorker Indie-Plattenfirma „What’s Your Rupture?“ ver-marktet wird. Die Band debütierte 2006mit dem Album „Nine Times That SameSong“. Im selben Jahr landete die GruppePeter Bjorn and John mit „Young Folks“einen internationalen Hit. Seither tritt dieBand mit dem amerikanischen RapperKanye West auf und spielte im Sommer2007 auf vielen europäischen Festivals.

Shout Out Louds feierte in den USAErfolge, wo die Bandmitglieder nicht nurGäste der Talkmaster David Lettermanund Jay Leno waren, sondern auch Musikzur amerikanischen Fernsehserie „OneTree Hill“ beitrugen.

The Concretes sind die Indie-Pop-

Lieblinge der Briten. Viktoria Bergsman,die ehemalige Sängerin dieser Band, sorg-te aber auch für Aufsehen, als sie für ihrSoloprojekt „Taken by Trees“ bei einer britischen Plattenfirma unter Vertrag ge-nommen wurde.

Eine weitere sehr erfolgreiche schwe-dische Gruppe ist The Knife mit ihremdüsteren und innovativen Elektro-Pop:Als Musikkritiker 2006 auf der bekanntenamerikanischen Website „Pitchfork“ ihreFavoriten wählten, lagen die GeschwisterKarin und Olof Dreijer mit ihrem zweitenAlbum „Silent Shout“ in der Ranglisteganz oben. Im selben Jahr gewann dasverschlossene Duo sechs „Grammis“,nahm die Preise aber nicht persönlich ent-gegen, sondern überbrachte dem Publi-kum vorab eingespielte Video-Grüße.

Die sanfte akustische Cover-Versiondes Erfolgstückes „Heartbeats“ von TheKnife wurde José González’ Schlüssel zumErfolg, und González’ Platte „Veneer“ ver-kaufte sich mit über 700 000 Exemplarensensationell gut. Im Herbst 2007 erschiendann González’ Album „In Our Nature“,und der Musiker spielte auch ein Duettmit Kylie Minogue ein: ihren Welthit„Can’t Get You out of My Head“.

International gesehen, ist wohl TheHives die wichtigste schwedische Band.Seit sie 1997 ihr Debütalbum „BarelyLegal“ herausbrachte, tourt die Gruppe –wenn sie nicht gerade neue Musik ein-spielt – mit ihrer raffinierten, selbstbewus-sten Bühnenshow und ihren rockigenLiedern durch fast die ganze Welt.

Die Rock-Gruppe The Soundtrack ofOur Lives war mit der britischen Band

Oasis auf Tournee. Als 2002 ihre Platte„Behind the Music“ erschien, sorgten dieMusiker aus Göteborg in den USA fürFurore, und das Album wurde für einen„Grammy“ nominiert. Für ein weiteresschwedisches Erfolgsmärchen sorgte dieRock-Band Sahara Hotnights. Sie wecktegroßes Interesse in Europa. Aber auch inden USA fand die Gruppe Echo und ver-sucht, dort noch bekannter zu werden.

Schwedische Komponisten undProduzentenNicht zu vergessen sind diejenigen, die imHintergrund tätig sind: Komponisten undProduzenten. Sie waren für die schwedi-schen Exporterfolge von vitaler Bedeu-tung, und seit Anfang der 1990er Jahrekommen auch ausländische Musiker vonRang und Namen nach Schweden, umsich hier einen Hitsong schreiben zu las-sen: Madonna, Britney Spears, BackstreetBoys, Take That, Jennifer Lopez, RonanKeating und viele andere. Denniz Pop warder Erste, an den sich die Weltmusikerwandten. Bei dessen Zusammenarbeit mitMax Martin entstand unter anderem derHit „Baby One More Time“, mit demBritney Spears ihren Durchbruch hatteund auf Platz eins der amerikanischenCharts landete. Andere schwedischeNamen, die man im Kleingedruckten ganzam Ende von CD-Beiheften finden kann,sind Anders Bagge, Rami Yacoub, ArnthorBirgisson sowie Christian Karlsson undPontus Winnberg alias Bloodshy & Avant.

In den letzten Jahren nahm der Musik-export – insgesamt gesehen – deutlich ab,unter anderem wegen der vielen neuen

Jens Lekman. Foto: LugerMoneybrother. Foto: Jakob Kaae, Jan Nordberg

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Tatsachen

Kanäle, über die Musik heute verbreitet werden kann. Trotzdem erzielte die Schwe-dische Verwertungsgesellschaft für musi-kalische Urheberrechte (STIM) 2006einen neuen Rekord. Nie zuvor hatte manso viel über Lizenzgebühren aus dem Ausland für Musik eingenommen, die von Schweden komponiert worden war:342 Mill. SEK.

Der Schlüssel zum ErfolgVielen anderen Ländern gelang es nicht sogut wie Schweden, sich mit ihrer Musikauf dem internationalen Markt zu etablie-ren, und es wurden viele Spekulationenan- und Theorien aufgestellt, warum ausgerechnet schwedische Musik inter-national eine so hohe Durchschlagskraft hat.

Manche behaupten, dass die schwe-dischen kommunalen Musikschulen, indenen Kinder gegen eine geringe Gebührverschiedene Instrumente erlernen kön-nen, für eine frühe Wissensbasis sorgenund das Interesse an Musik wecken.Andere verweisen auf die Neigung derSchweden, sich schnell neuen Trends inMusik, Mode, Film oder anderen Berei-

chen anzuschließen. Aber es besteht nochin anderer Hinsicht ein Unterschied zuvielen anderen Ländern: Die meistenSchweden sprechen relativ gut Englisch –

und die Mehrheit der schwedischen Mu-siker, die im Ausland gut ankommen, sin-gen in englischer Sprache.

In den letzten Jahren war auch diezunehmende Verbreitung des Internetsbestimmend: Viele schwedische Musikerwählten dieses globale Medium, um aufsich aufmerksam zu machen und um ihreMusik zu verbreiten. Die Gymnasiastin-nen von Those Dancing Days mit ihrertanzfreundlichen Musik fanden zunächstbei der Gemeinde der Website „MySpace“Anklang und bekamen dann schnell einenPlattenvertrag und Angebote für Festival-Auftritte. Auch die SenkrechtstarterinLykke Li hat „MySpace“ ihren Durch-bruch zu verdanken. Über solche Kanälekann sich der Erfolg von einer Woche zuranderen einstellen.

Die ZukunftEs scheint, als würde der schwedische Popauch in Zukunft von sich hören machen:Neue Talente mit starkem Selbstbewusst-sein suchen das Rampenlicht. Alle wissen,dass man groß herauskommen kann – auch wenn man aus einem so kleinen Land wie Schweden kommt. Vielen schwedi-

The Concretes. Foto: Luger

Lykke Li. Foto: Luger

Tatsachen

schen Künstlern wird außerdem bewusst,dass sie ihr Heimatland wohl verlassenmüssen, um von ihrer Musik leben zu kön-nen: Das Publikum zu Hause ist einfachzu klein. Den meisten wird auch klar, dasssie für eine befriedigende Karriere nichtunbedingt die beeindruckenden Verkaufs-zahlen von ABBA brauchen.

Insgesamt spricht vieles dafür, dassauch in den kommenden Jahren schwedi-sche Talente die internationalen Besten-listen erobern werden.

LinksExport Music Swedenwww.exms.seSchwedische Verwertungsgesellschaft fürmusikalische Urheberrechtewww.stim.seAllEars – Schwedische Demomusikwww.allears.seSwedesplease – Englischsprachiger Blogüber schwedische Musikwww.swedesplease.net

It’s a Trap – Englischsprachiger Blog überschwedische Musikwww.itsatrap.comHello! Surprise! – Englischsprachiger Blogüber schwedische Musikwww.hellosurprise.com

Dieser Text wurde vom Schwedischen Institut veröffentlicht und ist im Internet unter www.sweden.se zu finden. Er darf nur mit Zustimmung des Schwe-dischen Instituts verwendet werden. Für die Genehmigung zur Verwendung des Texts wenden Sie sich bitte an: [email protected]. Fotos oder Illustrationen dürfen nicht anderweitig verwendet werden.Das Schwedische Institut (SI) ist eine staatliche Behörde, die damit betraut ist, im Ausland das Interesse an Schweden zu erhöhen. Durch gezielte Kommunikation und Austausch in den Bereichen Kultur, Ausbildung und Wissenschaft fördert das SI internationale Kooperationen und dauerhafte Beziehungen zu anderen Ländern.Weitere Informationen über Schweden: www.sweden.se, über die schwedische Botschaft bzw. das schwedische Konsulat in Ihrem Land oder über das Schwedische Institut, Box 7434, SE-103 91 Stockholm, Schweden | Tel. +46 8 453 78 00 | [email protected], www.si.se, www.swedenbookshop.com

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1 sek ₍schwedische krone₎ = 0,10 eur bzw. 0,17 chf ₍februar 2008₎.

The Hives. Foto: Karl Haglund