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Sicherheit in der Intensivmedizin; Safety in intensive care medicine;

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Page 1: Sicherheit in der Intensivmedizin; Safety in intensive care medicine;

Med Klin Intensivmed Notfmed 2012 · 107:261–269DOI 10.1007/s00063-011-0058-xEingegangen: 4. März 2012Angenommen: 22. März 2012Online publiziert: 18. April 2012© Springer-Verlag 2012

J. Graf1 · S. Pump1 · W. Maas2 · U. Stüben1

1 Medizinischer Dienst, Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt am Main2 Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt am Main

Sicherheit in der IntensivmedizinKönnen wir von der Luftfahrtindustrie lernen?

Leitthema

Im Jahr 2011 wurden mehr als 2 Mrd. Passagiere im kommerziellen Luftverkehr befördert und es wird von weiter steigen-den Passagierzahlen und Frachtaufkom-men ausgegangen. Gegenwärtig stellt das Flugzeug eines der sichersten Verkehrs-systeme pro Streckenkilometer bzw. be-fördertem Passagier dar. Diese Position wurde durch die kontinuierliche Verbes-serung aller Systemkomponenten inner-halb der letzten Jahrzehnte erreicht. Hier-zu gehörenFdie technische Fortentwicklung der

Fluggeräte (Materialbeschaffenheit, Gewicht und Aerodynamik, Steue-rungs- und Triebwerkstechnologie, bordseitige Überwachungssysteme),

Fdie Steuerung und Überwachung des globalen Luftverkehrs durch Lotsen im Rahmen international akzeptierter (und praktizierter) Verfahren sowie

Fdie Auswahl und das Training der Flugzeugführer.

Dem Leitthema des Schwerpunktheftes Der Mensch im Mittelpunkt folgend bil-den die Crews an Bord den Ausgangs-punkt für die Beantwortung der Frage-stellung, was die Intensivmedizin von der Luftfahrtindustrie lernen kann.

» „In principio creavit Deus caelum et terram“

„Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde“ – und trug somit zur Entstehung des Traums des Menschen vom Fliegen bei. In der historischen Betrachtung geht der

Versuch des Fliegens bis in die Antike mit der Sage um Dädalus und Ikarus zurück. Auch im Mittelalter soll es bereits (Gleit-)Flugversuche u. a. durch Abbas Ibn Firnas in Cordoba gegeben haben. In der Renais-sance werden Zeichnungen zu Flugappa-raten und insbesondere die Konstruktion des ersten Helikopters Leonardo da Vinci zugeschrieben. Zeitnahe bzw. glaubhafte Berichte über die Ergebnisse dieser Versu-che liegen allerdings nur in eingeschränk-tem Umfang vor.

Den ersten tatsächlich flugfähigen Hängegleiter dürfte 1810–1811 Albrecht Ludwig Berblinger, bekannt als der Schneider von Ulm konstruiert haben. Nachbauten haben die Flugfähigkeit sei-ner Konstruktion bewiesen, auch wenn sein erster öffentlicher Flugversuch auf-grund von ungünstigen Wetterlagen mit einer Bruchlandung in der Donau ende-te [3].

Den wahrscheinlich nachhaltigsten Einfluss auf die Konstruktion von Flug-geräten dürfte Otto Lilienthal ausgeübt haben. Lilienthal erprobte theoretisch wie praktisch mit dem von ihm konst-ruierten Rundlaufapparat aerodynami-sche Eigenschaften von Gleitflügelprofi-len und unterschied als mutmaßlich ers-ter zwischen den Kräften Auftrieb und Vortrieb beim Fliegen. Den ersten erfolg-reichen Gleitflug führte er 1891 mit einer seiner Konstruktionen durch [12].

Den Brüdern Wright kommt der Ver-dienst der Entwicklung des ersten Motor-flugzeugs im Jahr 1903 zu. Hiermit war es nun möglich, Richtung und Flugdauer selbst zu bestimmen. Im Jahr 1904 wurde

durch Orville Wright mit dem Wright Flyer der erste selbstgesteuerte Vollkreis geflogen. Louis Bleriot überquerte 1909 als erster mit einem Motorflugzeug den Ärmelkanal und 1910 erhielten August Euler und Hans Grade die ersten deut-schen Flugzeugführerpatente.

Mit dem ersten Weltkrieg begann die Entwicklung der ersten Ganzmetallflug-zeuge durch Hugo Junkers (Junkers J1, 1915). Das erste Ganzmetallverkehrsflug-zeug wurde als Junkers F13 1919 vorge-stellt und wurde zum richtungweisen-den Konstruktionsprinzip nachfolgen-der Generationen. Auch die erste Atlan-tikquerung im Alleinflug durch Charles Lindbergh fand in dieser Zeit statt. Nach dem ersten Weltkrieg entstanden eine Reihe ziviler Luftverkehrsgesellschaften, u. a. auch die Luft Hansa im Jahr 1926.

Weiterentwicklung und Kommerzialisierung der Luftfahrt

Einhergehend mit den technischen Wei-terentwicklungen und der Zunahme des Luftverkehrs erschien eine weltwei-te Regulierung notwendig, weshalb 1944 die International Civil Aviation Organi-zation (ICAO) als UN-Behörde gegrün-det wurde. Es war die Aufgabe der ICAO mittels Regularien und Standards die si-chere, geordnete und effiziente Weiterent-wicklung des weltweiten Luftverkehrs si-cherzustellen. Für die über 190 Mitglieds-staaten stellt die ICAO einen wichtigen Kooperationspartner dar.

RedaktionU. Janssens, Eschweiler

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Nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine Reihe von technischen Entwicklun-gen auch für die zivile Luftfahrt nutz-bar gemacht und neben Lockheed und Douglas kam mit Boeing ein dritter Anbieter hinzu. Reguläre Transatlantik-strecken wurden aufgenommen, die Passagiere wurden in Flugzeugen mit Druckkabine transportiert und die Flug-geschwindigkeiten stiegen enorm, so dass sich die Flugzeiten trotz längerer Strecken drastisch verkürzten. DeHavilland prä-sentierte mit der DH106 Comet das erste strahlgetriebene Passagierflugzeug, wel-ches 1951 bis nach Delhi, Singapur und Johannesburg flog. Aufgrund zweier Ab-stürze 1954 wurde der Comet das Luft-tüchtigkeitszeugnis entzogen und sämtli-che Comet erhielten ein Flugverbot. Trotz dieser kurzzeitigen Rückschläge entwi-ckelte sich die Luftfahrtindustrie seit den 1950er Jahren stetig weiter, teilweise mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit.

» Sicherheit hat einen Wert

Sicherheit hat für die kommerzielle Luft-fahrt einen außerordentlichen Wert. Dies war und ist nicht nur den Fluggesell-schaften, sondern auch den Flugzeug-herstellern sehr bewusst. Somit betrieb die ganze Industrie strukturierte Ana-lysen von Flugunfällen und detaillierte

Aufarbeitungen aller Ereignisse. Anhand der erhobenen Daten waren nicht nur die Häufigkeit von Zwischenfällen und be-troffene Flugzeugtypen bekannt, sondern auch die Flugphase und die mutmaßli-chen Auslöse faktoren für das Unglück.

Im Zuge der Untersuchung der bei-den Comet-Abstürze in den 1950er Jah-ren wurden die ersten Flugdatenschreiber und Stimmenrekorder entwickelt, um bei zukünftigen Zwischenfällen auf kontext-relevante Informationen und Daten für die Rekonstruktion der Ereignisse zu-rückgreifen zu können. Dies erschien im Bereich der Luftfahrt umso wichtiger, da bei einer Vielzahl der Unglücke keiner der Insassen überlebte und somit auch keine Zeugen zur Aufklärung der Ereig-nisse beitragen konnten. Seit den 1970er Jahren sind Flugdatenschreiber an Bord kommerzieller Flugzeuge gesetzlich vor-geschrieben.

Regulierung und Überwachung der Luftfahrtindustrie

In Europa sind gegenwärtig (noch) die Regeln der Joint Aviation Authority (JAA) gültig, welche als Joint Aviation Require-ments (JAR) niedergelegt sind und in das jeweilige nationale Recht überführt wur-den. Von den entsprechenden Einrich-tungen, in Deutschland vertreten durch das Luftfahrtbundesamt (LBA), wird die

Einhaltung der Regularien überwacht. Gegenwärtig geht die überstaatliche Federführung in diesen Aufgabenberei-chen an die 2009 neu eingerichtete EASA (European Aviation Safety Agency) mit Sitz in Köln über.

Ziel der JAR war eine Harmonisierung der Regelungen zum Erreichen eines hö-heren Sicherheitsstandards im interna-tionalen Flugverkehr und hier insbeson-dere in Europa. Für die USA nimmt die Federal Aviation Authority (FAA) diese Aufgaben wahr. Die Regelungen der JAR bezogen sich u. a. auf:FAirworthiness – Zertifizierung der

Flugtauglichkeit von Fluggeräten,FOperation (JAR-OPS/EU-OPS) –

Betriebsvorschriften für den gewerblichen und nichtgewerblichen Luftverkehr,

FFlight Crew Licensing (JAR-FCL) – Vorschriften für die Lizenzierung von Piloten und Flugingenieuren sowie deren medizinischer Tauglichkeit,

FMaintenance – Vorschriften bzgl. der Instandhaltungsbetriebe und des dort beschäftigten Personals (Genehmi-gung der Betriebe, Lizenzierung frei-gabeberechtigter Personen, etc.).

Audits in allen Bereichen stellen das Einhalten der Regelungen sicher.

Der Mensch im Mittelpunkt

Systemkomponente Pilot

Auch wenn bereits unbemannte Luft-fahrzeuge bis zur Größe von Verkehrs-flugzeugen im militärischen Bereich im Einsatz sind, so ist bislang keines dieser Fluggeräte für den Transport von Passa-gieren zugelassen. Wenngleich manche Experten ein solch unbemanntes Flugsys-tem (UAS bzw. UAV, „unmanned aircraft system“ bzw. „aerial vehicle“), d. h. aus-schließlich durch Computertechnik ge-steuertes Flugzeug, für sicher (oder sogar sicherer) halten, entgegnen Kritiker, dass einzig der Mensch ein bislang nicht be-kanntes technisches Problem, Computer-versagen oder eine unvorhersehbare Not-lage meistern könne. Vielen gilt hier die Landung auf dem Hudson River 2009 als Beispiel [4]. Überdies stellt sich die Fra-ge, ob gegenwärtig Flugpassagiere bereit

geringer Selektionsdruckunspezi�sche Auswahlkriterien

hoher Selektionsdruckspezi�sche Auswahlkriterien

De�zite

Ausbildungsabbruch

De�ziteAusbildungsabbruch

5%3%

30%

95%

30%

40%

Geforderte Leistungsfähigkeit Geforderte Leistungsfähigkeit

30%

Abb. 1 8 Leistungsfähigkeit von Flugschülern und Piloten in Abhängigkeit des Selektionsdrucks. Bei Anwendung spezifischer Auswahlkriterien und hohem Selektionsdruck sinken die Zahl der Ausbil-dungsabbrüche (Rot) und die Häufigkeit der Nachschulungsnotwendigkeit aufgrund unzureichender Ergebnisse im Arbeitsalltag (Gelb). Es überwiegt die geforderte Leistungsfähigkeit (Blau). (Datenbasis Deutsche Lufthansa AG)

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Leitthema

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wären, ein Flugzeug zu besteigen, welches nicht von einem Piloten gesteuert und überwacht wird, sondern ausschließlich von einem Computer.

Die Selektion

Der Aufgabe und Verantwortung eines Flugzeugführers entsprechend sind die Anforderungen an werdende Piloten im kommerziellen Bereich sehr hoch. Um einen Ausbildungsplatz zum Verkehrs-flugzeugführer zu bekommen, ist bei den an größere Fluggesellschaften ange-schlossenen Pilotenschulen deshalb eine Aufnahmeprüfung notwendig. Diese Prü-fungen verlaufen i. Allg. mehrstufig und beginnen mit einfachen Tests via Inter-net und/oder Telefoninterviews und en-den mit mehrtägigen Auswahlverfahren in speziellen Prüfungseinrichtungen (in Deutschland i.d.R. beim DLR, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt).Hier werden dann, je nach Fluggesell-schaft unterschiedlich aufgebaute Tests durchgeführt (.Abb. 1) zur Prüfung derFpsychologischen Eignung,Fcharakterlichen Eigenschaften,Fkognitive Fähigkeiten,FTeamkompetenz, FStressresistenz,Fsprachlichem und technischem

Vermögen,FProblemlösungskompetenz, u. a.

Sind alle diese Tests bestanden, steht noch die medizinische Eignung des Bewerbers aus. Neben der Prüfung auf allgemeine Gesundheit und körperliche Fitness wird hier besonders das Sehvermögen (inkl. Blend- und Dämmerungs sehen, Farb-tüchtigkeit, Augenhintergrund) einer detaillierten fachärztlichen Untersu-chung unterzogen. Bei der Deutschen Lufthansa gelten bei der initialen medi-zinischen Tauglichkeit über die JAR-FCL hinausgehende Vorgaben und es werden z. B. auch EEG unter Provokation abge-leitet und Drogentests sowie Drogenfrei-heitsgespräche durchgeführt.

Die medizinische Tauglichkeit gilt bis zum 59. Lebensjahr für 12 Monate, da-nach jeweils 6 Monate. Ausnahmegeneh-migungen oder Einschränkungen können nur über ein Gutachterverfahren durch eine legitimierte Stelle – sog. Aeromedical

Zusammenfassung · Abstract

Med Klin Intensivmed Notfmed 2012 · 107:261–269 DOI 10.1007/s00063-011-0058-x© Springer-Verlag 2012

J. Graf · S. Pump · W. Maas · U. Stüben

Sicherheit in der Intensivmedizin. Können wir von der Luftfahrtindustrie lernen?

ZusammenfassungSicherheit hat für die kommerzielle Luft-fahrt einen außerordentlichen Wert. Ent-sprechend aufwendig ist die Ausgestal-tung der Sicherungssysteme. Als Mensch- Maschinen-Schnittstelle kommt den Flug-zeugführern eine besondere Verantwortung bei der Steuerung und Überwachung der Flugzeugsysteme zu. Um diesen Anforderun-gen dauerhaft gewachsen zu sein, durchlau-fen Pilotenanwärter eine spezifische Selek-tion. Zusätzlich ist jeder kommerzielle Pilot verpflichtet, Simulatortraining und Über-prüfungsflüge in festgelegten Abständen zu absolvieren. Im Gegensatz dazu folgt die Berufswahl zum Intensivmediziner einer per-sönlichen Neigung und nicht einer objekti-ven Eignung oder Tauglichkeit. Auditierung,

Lizenzierung oder verpflichtende Trainings sind weitgehend inexistent. Erkenntnisse des Risikomanagements und der Sicherheits-kultur aus der Luftfahrt können zwar in die Intensivmedizin übertragen werden, doch stellt die Verschiedenheit der Betriebskultur und Tradition von Führung und Ausbildung eine Barriere bei der Übertragung von Stan-dards oder Verfahrensweisen dar. Um hier Erfolge zu erzielen sind neben der Analyse geeigneter Wirkungsfelder v. a. die strukturel-len Voraussetzungen und der Prozess der Ver-änderung von herausragender Bedeutung.

SchlüsselwörterRisikomanagement · Simulation · Personensicherheit · Sicherheitsmanagement

Safety in intensive care medicine. Can we learn from aviation?

AbstractSafety is of extraordinary value in commercial aviation. Therefore, sophisticated and com-plex systems have been developed to ensure safe operation. Within this system, the pilots are of specific concern: they form the human–machine interface and have a special respon-sibility in controlling and monitoring all air-craft systems. In order to prepare pilots for their challenging task, specific selection of suitable candidates is crucial. In addition, for every commercial pilot regulatory require-ments demand a certain number of simula-tor training sessions and check flights to be completed at prespecified intervals. In con-trast, career choice for intensive care medi-cine most likely depends on personal reasons rather than eligibility or aptitude. In intensive

care medicine, auditing, licensing, or man-datory training are largely nonexistent. Al-though knowledge of risk management and safety culture in aviation can be transferred to the intensive care unit, the diversity of cor-porate culture and tradition of leadership and training will represent a barrier for the di-rect transfer of standards or procedures. To accomplish this challenging task, the analy-sis of appropriate fields of action with regard to structural requirements and the process of change are essential.

KeywordsRisk management · Simulation · Personal safety · Safety management

Center – erteilt werden. Diese werden wiederum durch die nationalen Behör-den kontrolliert. Ohne gültige medizini-sche Tauglichkeit darf ein Pilot nicht flie-gen, unabhängig von seiner Fluglizenz. Änderungen des Gesundheitsstatus, Ein-nahme von Medikamenten, Kranken-hausaufenthalte o. ä. müssen dem Flie-gerarzt umgehend mitgeteilt werden und können zur (temporären) Verweigerung der Flugtauglichkeit – einem Flugverbot entsprechend – führen.

Ausbildung und Training

Die Flugberechtigung für Verkehrspiloten wird mit der Airline Transport Pilot License (ATPL) vergeben und ist erfor-derlich für Luftfahrzeuge, die entspre-chend ihrer Zulassung eine Zwei- oder Mehrmannbesatzung erfordern. Die Aus-bildung beginnt mit der einfachen Privat-pilotenlizenz (PPL, „private pilot license“) und führt dann über die Mehrmotoren-lizenz zum Berufspiloten (CPL, „com-mercial pilot license“) und schließlich

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bis zum ATPL. Theoretische Inhalte und Flugzeiten sind als Mindestanforderun-gen vorgegeben. Sowohl im Sprechfunk,

als auch in den verschiedenen theoreti-schen Fächern (u. a. Funk- und Satelli-tennavigation, Flugwetterkunde, Technik,

Aerodynamik, Luftrecht, menschliches Leistungsvermögen) müssen Prüfungen absolviert und einzeln bestanden werden. Hinzu kommen praktische Prüfungen. Die Gesamtdauer der Ausbildung beträgt knapp zwei Jahre.

Die ATPL besitzt eine Gültigkeit von 60 Monaten, wobei die Musterberechti-gung, das sog. „type rating“, nach 12 Mo-naten durch einen Prüfungsflug („ license proficiency check“) erneuert werden muss. Im gewerblichen Einsatz wird be-reits nach 6 Monaten eine Zwischenprü-fung, der „operator proficiency check“ notwendig, und alle 12 Monate muss zu-sätzlich ein „line check“ absolviert werden. Letzterer prüft die Übereinstimmung der Handlungsweisen des Flugzeugführers mit firmeninternen Vorgaben und Ver-fahren, damit es nicht zu Verständnispro-blemen im Cockpit zwischen den Piloten kommt.

Simulation – Pflicht und Kür

Zusätzlich zu den Überprüfungen im Linienflug schreibt der Gesetzgeber jähr-lich zwei Simulatorereignisse (Überprü-fungen) vor, der Industriestandard liegt bei vier Ereignissen (.Abb. 2). Die Pilo-ten der Deutschen Lufthansa führen vier Simulatorschichten von jeweils vier Stun-den pro Jahr durch. In den beiden zusätz-lichen Simulatorereignissen werden, über die gesetzliche Forderung hinausgehend, besondere Situationen geübt und interne Verfahren trainiert.

Standard für das Training sind gegen-wärtig die sog. Fullflight-Simulatoren. Diese sind v. a. dadurch gekennzeichnet, dass sie eine sog. Motion haben, also in gewissem Maße auch Beschleunigungen simulieren können. Die flugzeugtechni-sche Simulation ist mittlerweile weitestge-hend realitätsecht, auch sind die Sichtsys-teme in den letzten Jahren enorm verbes-sert worden. Erfahrene Piloten berichten, dass auch das subjektive Empfinden dem in einem realen Cockpit nahe kommt. Ein solcher Simulator kostet in der Anschaf-fung etwa 20 Mio. EUR und für jedes ge-flogene Flugzeugmuster ist ein speziel-ler Simulator notwendig (.Abb. 3). Die Trainingskosten sind entsprechend hoch und liegen geräteseitig bei etwa 500 EUR pro Stunde – ohne die Mannstunden.

Überprüfungen im Strecken�ug

Operator pro�ciency check Line check

3 Monate 6 Monate 9 Monate 12 Monate

Simulatorereignis(gesetzliche Vorgabe)

Simulatorereignis(gesetzliche Vorgabe)

Simulatorereignisse

Simulatorereignis(Vorgabe Lufthansa)

Simulatorereignis(Vorgabe Lufthansa)

Abb. 2 8 Taktung der Überprüfung im Streckenflug und Trainingsereignisse im Simulator. ( Datenbasis Deutsche Lufthansa AG)

Abb. 3 8 Fullflight-Simulator A380, links Außenansicht, rechts Cockpit. (Mit freundl. Genehmigung der Deutschen Lufthansa AG)

Standardperformance

Simulatorereignis Simulatorereignis

Zeit

Abb. 4 8 Die Leistungsfähigkeit (Blau) in selten geübten Prozeduren nimmt über die Zeit ab (roter Pfeil), sollte aber nicht unterhalb der notwendigen Standardperformance (rote Linie) sinken. Simula-torereignisse verbessern die Leistungsfähigkeit in den trainierten Bereichen (grüner Pfeil). Die Taktung der Simulatorereignisse ist abhängig von der gewünschten Standardperformance und dem individu-ellen Leistungsverlust im spezifischen Anforderungsfeld (graue Linie)

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Leitthema

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Aufgrund der Fortschritte der Com-putertechnik werden allerdings zuneh-mend auch „Part-task“ (auch Flatpanel-Trainer genannt) eingesetzt, mit denen sehr effektiv bestimmte Teilaufgaben (z. B.

„automatic flight“) zu deutlich günstigeren Kosten trainiert werden können.

Simulatoren werden in der Regel rund um die Uhr betrieben, d. h. auch hier wird die reale Situation der Tätigkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit nachempfunden. Jede Simulatorsession beginnt – wie auch jeder Flug – mit einem Briefing (Flug-vorbereitung) der Crew gemeinsam mit dem Trainer (Check-Pilot) und endet mit einem gemeinsamen Debriefing (Nach-bereitung, Feedback).

Die individuelle Erfahrung der Piloten spielt bei der Taktung der Simulatorereig-nisse keine Rolle – sowohl junge wie auch ältere Piloten müssen im Simulator üben, um v. a. sog. „Non-normal-Situationen“ zu beherrschen. In Abhängigkeit von der Alltagstätigkeit (Langstrecken- oder Kurz-streckenpilot) werden bestimmte Inhalte besonders trainiert. Beim Langstrecken-piloten sind dies z. B. Starts, Landungen und das manuelle Fliegen, da dies im

Streckenflug vergleichsweise selten ver-langt wird.

Ziel der Simulation ist es, die Leis-tungsfähigkeit der Piloten in Normal- und Ausnahmesituationen nicht unter-halb eines als Standardperformance be-zeichneten Niveaus absinken zu lassen (.Abb.  4). Von den vier Simulatorer-eignissen im Jahr haben zwei Prüfungs-charakter, d. h. bei unzureichender Leis-tungsfähigkeit kann eine Nachschulung erforderlich sein, bevor wieder ein Ein-satz auf der Strecke erfolgt.

Verfahren zur Erhöhung der Sicherheit

Die Luftfahrtindustrie und insbesondere die Cockpittätigkeit sind geprägt von Verfahrensweisen, die die Sicherheit des Gesamtsystems erhöhen sollen. Hierzu gehören im Cockpit eine Vielzahl von Standards und Regeln, die unter Zu-hilfenahme des 4-Augen-Prinzips im Berufsalltag zuverlässig umgesetzt wer-den (.Tab. 1).

Überdies haben die Cockpitcrews die Gelegenheit, unsichere Verhaltenswei-

sen eines Kollegen dem Flottenchef zu melden. In solchen Fällen erfolgt eine Krankmeldung des Piloten bis zur Klä-rung der mutmaßlichen Verhaltens- oder Leistungseinschränkung. Hier wird das 4- Augen-Prinzip ausschließlich als Für-sorgeinstrument verstanden und einge-setzt und es dient nicht der Denunzia-tion. Wesentlich für die Funktionswei-se eines solchen Systems ist die absolute Verschwiegenheit der Beteiligten hin-sichtlich der Gründe einer Krankmel-dung. Diese kann eine Vielzahl unter-schiedlicher Ursachen haben, wie z. B. familiärer Stress, körperliche Erkrankung oder Erschöpfung, unzureichende Line-Check- oder Simulatorergebnisse, u.v.m.

Damit die Karriereentwicklung, d. h. der Aufstieg vom 1. Offizier zum Senior Flight Officer und schließlich zum Kom-mandanten nicht zu einem systemischen Unsicherheitsfaktor wird oder vertrau-liche Informationen missbraucht wer-den, ist die Aufstiegsregelung bei der Lufthansa im Wesentlichen an die Senio-rität des Piloten und das Erfüllen der gel-tenden Leistungsanforderungen in den

Tab. 1 Aufgaben und standardisierte Vorgehensweisen der Cockpitcrew und mögliche Umsetzung in der Intensivmedizin. Die Effektivität vergleichbarer Vorgehensweisen ist in der (Intensiv-)Medizin in einigen Untersuchungen bereits belegt

Aufgabe Vorgehen in der Luftfahrt Mögliche Umsetzung in der Intensivmedizin

Briefing

Gemeinsame Flugvorbereitung:- Strecke,- Wetter,- technische Besonderheiten des Fluggeräts,- Charakteristika der Startbahn,- Alternativverfahren bei Problemen, u. a.

Gemeinsame Vorbereitung einer Intervention (z. B. Anlage eines ZVK):- Absprache des Verfahrens,- Angabe des Punktionsortes,- Evaluation besonderer anatomischer o. a. Bedingungen

(z. B. Gerinnung, Infektion),- alternatives Vorgehen (Erstellung eines Plan B)

Kommunikation Redundante Kommunikation: das Gehörte wird zur Bestätigung wiederholt

Das Vorgehen wird kommuniziert und vom Adressaten wiederholt [11]

Checklisten Checklisten werden im 4-Augen-Prinzip gelesen bzw. bearbeitet

Eine Checkliste wird für die Durchführung eingesetzt [13, 14]

Notfall- bzw. Krisensituation

FORDEC: Methode zur strukturierten EntscheidungsfindungCRM: Crew Ressource Management

Etablierung einer strukturierten Entscheidungsfindung (vgl. Notfallmanagement in der Traumatologie, [2])

Debriefing Gemeinsame Nachbereitung des Flugs: gemeinsame Beurteilung und konstruktive Kritik, Informationsweitergabe für kontinuierliche Verbesserung über anonyme Reportsysteme mit Feedbackschleife

Gemeinsame Nachbereitung der Intervention: gemeinsame Beurteilung und konstruktive Kritik, Informationsweitergabe für kontinuierliche Verbesserung über anonyme Reportsysteme mit Feedbackschleife

CIRSCritical Incident Reporting System

Nutzung bei besonderen Ereignissen mit Verbrei-tung der Inhalte an alle möglicherweise Betroffe-nen in pseudonymisierter Form und mit externer Aufarbeitung bzw. Beurteilung

Nutzung bei besonderen Ereignissen mit Verbreitung der Inhalte an alle möglicherweise Betroffenen in pseudonymi-sierter Form und mit externer Aufarbeitung bzw. Beurtei-lung [6, 15]

Simulation Regelmäßiges Simulatortraining zum Erhalt von selten geübten Fähigkeiten und Training des Teamworks

Simulationsübung zum Training von Teamarbeit und dem optimalen Verhalten in Ausnahmesituationen [1]

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verschiedenen Checks gebunden und so-mit für alle im Kollegenkreis transparent.

Crew Resource Management

Bereits in den 1970er Jahren zeigten Flug-unfalluntersuchungen immer deutlicher die Tendenz, dass es viel seltener techni-sches Versagen oder Umwelteinflüsse wa-ren, die zu Flugunfällen oder schweren Zwischenfällen führten, sondern Feh-ler oder Unterlassungen der Besatzun-gen. (Vor-)schnell wurde hier das Schlag-wort des „menschlichen Versagens“ ge-prägt. Viele Unfalluntersuchungen zeig-ten deutlich, dass beispielsweise mangeln-de Kommunikation im Cockpit, fehlende Festlegungen von Zuständigkeiten, unzu-reichende Ergonomie oder situative Über-forderungen zu Unfällen oder schweren Zwischenfällen führten. Zudem herrsch-te in diesen Bereichen Nachbesserungs-bedarf in der Ausbildung aber auch in der Entwicklung von Problembewusstsein.

Ausgehend von den in den USA durch-geführten Untersuchungen wurde 1979 das Crew Resource Management Trai-ning eingeführt. Heute ist dies fester Bestandteil der fliegerischen Ausbildung und Pflichtinhalt von Wiederholungs-lehrgängen – ohne diesen Ausbildungs-bestandteil ist ein Lizenzerwerb nach JAR- Richtlinien nicht möglich.

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht hier der Aspekt, dass nicht techni-sche Fertigkeiten allein, sondern eben auch die „non-technical skills“ wesentli-che Bedeutung im Arbeitsfeld der Cock-pitbesatzungen haben. In der Ausbildung werden beispielsweise die Themenberei-cheFKommunikation und Koordination,FEntscheidungsfindung,FStress- und Beanspruchungsmanage-

ment („fatigue risk management“),FFührung („leadership“),FSituationsbewusstsein („situational

awareness“) undFmenschliche Faktoren („human

factors“)

behandelt. Ziel ist es dabei, alle verfügba-ren Ressourcen tatsächlich zu nutzen, die Kommunikation zu verbessern und damit die Gesamtleistung des Individuums und des Systems zu steigern und gleichzeitig

die Fehlerwahrscheinlichkeit zu verrin-gern. Derartige Konzepte etablieren sich zunehmend auch außerhalb der Luftfahrt und erste Erfahrungen in verschiedenen medizinischen Bereichen liegen bereits vor [1, 4].

Vergleichbarkeit Luftfahrt und Intensivmedizin

Dem Piloten kommt im Flugbetrieb eine ähnliche Rolle zu wie dem Arzt im Rah-men der stationären Krankenversorgung, insbesondere auch auf der Intensivstation. Als Bestandteil des Gesamtsystems lau-fen bei Pilot wie Arzt viele der notwendi-gen Informationen für die Bewertung des Status und Festlegung der weiteren Vor-gehensweisen zusammen. Es besteht glei-chermaßen eine Hol- und Bringschuld was den Informationsfluss betrifft und die Verantwortlichkeit obliegt dem Cap-tain bzw. dem leitenden Arzt. Tätigkei-ten oder Interventionen werden teilweise selbst ausgeführt, teilweise delegiert und supervidiert, in jedem Fall aber verant-wortet. Nicht selten gibt es Phasen einer sehr hohen Arbeitsbelastung, die sich mit ruhigeren Phasen abwechseln.

Neben einer Vielzahl von Analogien sind allerdings auch substanzielle Unter-schiede zu beachten: Ärzte im Bereich der Intensivmedizin sind häufig unerwarte-ten Ereignissen ausgesetzt, handeln allein, unter Zeitdruck und mit limitierten per-sonellen und bisweilen auch technischen Ressourcen. Auch das Umfeld stellt gänz-lich andere Anforderungen an den Arzt, da durch einen niedrigeren Organisa-tionsgrad Verlässlichkeit und Vorherseh-barkeit weniger stark ausgeprägt sind.

Nicht zu unterschätzen dürfte auch die persönliche Exposition sein. Jeder Pilot hat ein vitales Eigeninteresse an einer si-cheren Flugdurchführung, wäre er doch selbst bei einem Zwischenfall oder Unfall unmittelbar betroffen. In der (Intensiv-)Medizin ist die unmittelbare, persönli-che Betroffenheit in Form der körperli-chen Unversehrtheit des Arztes geringer ausgeprägt.

Was kann die Intensivmedizin von der Luftfahrt lernen?

Der Vergleich verschiedener Industrien und das Lernen voneinander sollte nicht die direkte Übernahme von vermeint-lich erfolgreichen Verfahrens- oder Vor-gehensweisen bedeuten. Vielmehr ist die kritische Betrachtung eigener Handlungs-weisen anhand des Vergleichs mit einer potenziellen Benchmark anzustreben [10]. Hierdurch können sinnvolle Verbes-serungsmöglichkeiten erkannt, mögliche Anpassungen erwogen und schließlich Empfehlungen, Verfahrensweisen oder Standards in die eigene Arbeitsorganisa-tion implementiert werden [9]. Idealer-weise werden derartige Vorhaben wissen-schaftlich oder zumindest durch ein Qua-litätsmanagement begleitet, so dass eine Bewertung der Effektivität der Maßnah-men vorgenommen werden kann.

Warum werden gleichermaßen effek-tive Vorgehensweisen aus der Luftfahrt nicht häufiger in die (Intensiv-)Medizin übertragen? Ein Erfolg bei der Anwen-dung von in anderen Bereichen effekti-ven Vorgehensweisen ist nur zu erwarten, wenn neben der Prozesstreue auch die Strukturvoraussetzungen gegeben sind [7]. Hier waren in der Vergangenheit er-hebliche Unterschiede zwischen der In-tensivmedizin und der Luftfahrt, v. a. auch im Selbstverständnis der handeln-den Personen zu beobachten [17]. Ande-rerseits zeigen jüngere Arbeiten der glei-chen Gruppe, dass sog. weiche Faktoren, wie die herrschende Sicherheits-, Betriebs- und Arbeitskultur, im Kontext der Inten-sivmedizin durchaus erfolgreich zu beein-flussen sind [16]. Ob dies auch zu einer Veränderung der Ergebnisqualität, d. h. Morbidität und Letalität führt, verbleibt indes noch unklar.

» Sicherheit hat einen Preis

Obschon das Lernen voneinander sehr zu begrüßen ist, wird die direkte Über-tragung vermeintlicher Erfolgsfaktoren bei der gegenwärtigen Unterschiedlich-keit der Systeme und Erfolgsindikatoren nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Wollte die Intensivmedizin in diesem Sinne von der Luftfahrt lernen, so müss-

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Leitthema

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ten die Ausgangs- und Erfolgsfaktoren berücksichtigt und zumindest teilweise auch in die Medizin übertragen werden. Vereinfacht hieße dies z. B.:FKontrollmechanismen: Schaffung der

Voraussetzung zur Durchführung des 4-Augen-Prinzips und redundanter Kommunikation im medizinischen Arbeitsalltag.

FMitarbeiterführung: auf Feedback und gegenseitiger Wertschätzung, Unterstützung und Kommunikation beruhende Betriebskultur (Briefing und Debriefing).

FArbeitszeitregelung: Planung von Beanspruchungs- und Erholungs-phasen („fatigue risk management“).

FRelizenzierung und Auditierung: Unterstützung eines Industrie-standards mit hohem Maß an Regulierung und Zwang zur regelmä-ßigen Überprüfung (Individuum und System).

FRisiko- und Qualitätsmanagement (CIRS): Qualitätsmanagement und Sicherheit als Top-Unternehmens-ziele mit der Bereitschaft zur Investi-tion beträchtlicher Summen.

FProduktmanagement und Marketing: Ergebnisqualität und Sicherheit als Faktor der Patienten- und Zuweiser-bindung.

Selbst bei Berücksichtigung dieser weni-gen Aspekte wären im gegenwärtigen Sys-tem erhebliche Investitionen notwendig und Widerstände zu überwinden. Eine professionelle Begleitung des notwendi-gen Kulturwandels, der Prozessverände-rungen sowie der strukturellen Anpas-sungen erscheinen unerlässlich [8]. Be-vor diesen Anstrengungen allerdings kei-ne Refinanzierungsoptionen im Gesund-heitswesen gegenüber stehen, darf mit einer strukturierten Implementierung von in anderen Industrien erprobter und effektiver Maßnahmen in die Intensiv-medizin nicht gerechnet werden.

Hierin unterscheiden sich die Luft-fahrt und die Intensivmedizin nämlich nicht: als betrieblich notwendig wird er-achtet, was gesetzlich vorgegeben und me-dizinisch oder wirtschaftlich erforderlich erscheint. Die in der Luftfahrtindustrie und Intensivmedizin gültigen Motivati-

ons- und Belohnungssysteme sind eben-falls die gleichen.

Fazit

FAuch wenn sich die Rahmenbedin-gungen, Ziele und Inhalte der Tätig-keiten in der Intensivmedizin und in der Luftfahrt signifikant unterschei-den, erscheinen die Prinzipien und Determinanten der Sicherheit in bei-den Bereichen gleichermaßen gültig.

FDie Sicherheitsphilosophie in der Luftfahrtindustrie folgt einer wirt-schaftlichen Notwendigkeit und ist durch Gesetze sowie regel- und audit-basierte Verfahren im Rahmen eines strukturierten Qualitäts- und Risiko-managements geprägt.

FIn der (Intensiv-)Medizin in Deutsch-land fehlen spezifische gesetzliche Vorgaben und nur wenige Statio-nen beteiligen sich an einer externen Qualitätskontrolle oder Zertifizierung. Die Refinanzierung erfolgt fallweise und ist unabhängig von der Ergebnis-qualität.

FHier wie dort steht der Mensch im Mittelpunkt.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. J. GrafMedizinischer Dienst, Deutsche Lufthansa AGLufthansa Basis, Tor 21, 60546 Frankfurt am [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Au-tor weist für sich und seine Koautoren auf folgen-de Beziehung hin: Die Autoren sind Angestellte der Deutschen Lufthansa AG.

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269Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 4 · 2012  |