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Ausgearbeiteter Vortrag zur fachübergreifenden Lehrveranstaltung Muskel-, Wind- und Wasserkraft
(Geschichte der Energienutzungssysteme I)
zum Thema:
Sklavenarbeit und Muskelkraftnutzung von der Antike bis zur Neuzeit
Ausgearbeitet von Robert Nickel
Matrikel: 9801835
Studiengang: Mathematik
2
Inhaltsverzeichnis
VORWORT.............................................................................................................................................. 2
DIE VORGRIECHISCHE ZEIT ..................................................................................................................... 3
DIE GRIECHISCHE UND RÖMISCHE ANTIKE................................................................................................ 5
Die alexandrinischen Mechaniker .................................................................................................... 6
Der römische ‚architectus‘ ................................................................................................................ 7
DAS MITTELALTER................................................................................................................................ 10
Die Rolle der Kirche ....................................................................................................................... 10
NACHWORT.......................................................................................................................................... 13
ZEITTAFEL............................................................................................................................................ 14
LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................................................... 14
ABBILDUNGSVERZEICHNIS..................................................................................................................... 14
Vorwort
Man stelle sich die Welt, wie wir sie heute vorfinden, völlig ohne Maschinen vor. Längere Wege
werden ohne Auto zurückgelegt, der Hausbau ist noch pure Hand- und Knochenarbeit, auch die
Arbeit auf dem Feld wird nicht durch Traktoren oder Mähdrescher erleichtert. Jegliche Energien
entspringen einzig und allein der Muskelkraft des Menschen.
In einer solchen Welt würden wohl viele bereits daran verzweifeln, ihre Wäsche von Hand waschen
zu müssen.
Doch diese Umstände waren in der Antike Alltag, also das Natürlichste auf der Welt.
Damals wie heute konnten sich reichere Menschen besseres und teureres Werkzeug leisten als
die Ärmeren, nur daß damals der Mensch selbst das beste Werkzeug, die flexibelste Maschine
darstellte, die überhaupt zur Verfügung stand.
Also hielt man sich Sklaven, um die Arbeit leichter vonstatten gehen zu lassen.
Die natürlichste Sache der Welt, oder ?
In den nun folgenden Ausführungen werden systematisch Fakten dargelegt werden, die Hinweise
auf die Entwicklung der Sklaverei von der Antike bis ins späte Mittelalter liefern. Dabei wird der
enge Zusammenhang mit der technischen als auch gesellschaftlichen Entwicklung eine besondere
Rolle spielen und dementsprechend ausführlich behandelt werden.
Territorial wird hier das Hauptaugenmerk auf das Gebiet des heutigen Europas gerichtet sein.
Die aufgeführten Erkenntnisse entspringen zu großen Teilen dem Buch „Geschichte der Technik“
von Friedrich Klemm([1]) und werden dementsprechend durch Zitate belegt werden. Alle weiteren
Quellen können dem Literaturverzeichnis entnommen werden.
Zum besseren Verständnis befindet sich im Anhang eine Zeittafel ausgewählter technischer
Ereignisse.
3
Die vorgriechische Zeit
Den Ausgangspunkt dieser Ausführungen bildet das 3./2. Jahrtausend v.Chr. in den Territorien
Mesopotamien und Ägypten.
Die Staaten waren fast ausschließlich geprägt von einer absoluten und zentralen Macht. Das
Leben spielte sich in den Städten ab, die das Zentrum der staatlichen und religiösen Organisation
bildeten. Hier wohnten Priester, Beamte, Kaufleute, Seefahrer sowie auch Handwerker und
Soldaten. Die Handwerker bildeten dabei eine „niedrige Klasse des Volkes“ ([1] S.18), wobei sogar
die Bauern, die regelmäßig Abgaben an die Kirche zu leisten hatten, mehr Akzeptanz genossen
([1] S.22:“[..] Handarbeit wurde wenig geschätzt. [...] Etwas besser stand es mit der
Landwirtschaft.“). So wurde die Handarbeit auch zu großen Teilen von Sklaven wahrgenommen,
die als Kriegsgefangene oder Fremde zur Genüge
vorhanden waren. Generell stand eine große Zahl
arbeitender Menschen zur Verfügung, die dazu
benötigt wurde, so historisch wertvolle Monumente
wie Pyramiden und Tempel zu erbauen und
tonnenschwere Obelisken aufzustellen oder zu
versetzen. Dazu standen als Werkzeuge nur die
sogenannten „mächtigen Fünf“ zur Verfügung ([4]
S.26), nämlich die schiefe Ebene, der Keil, die
Schraube, der Hebel und das Rad, welches jedoch
erst ab dem 17. Jh. v.Chr. in Ägypten benutzt wurde
([1] S.19).
Anzumerken ist hierbei noch, daß es „historisch nicht haltbar [ist], daß es Sklaven waren, die die
unvergänglichen Monumente der Pharaonen errichten mußten. [Es waren] vielmehr Bauern [...]
und zwar stets in den drei Monaten, in denen der Nil die Felder überschwemmte und die Bauern
Abb. 2: Gemäß dem Baufortschritt wurden Rampen aus Füllmaterial und einer Deckschicht aus Holzstämmen angelegt, auf denen man die Steinblöcke beförderte. Das Holz verhinderte das zu tiefe Einsinken der Schlittenkufen
Abb. 1: Transport eines Kolosses im alten Ägypten. Der 7 m hohe Alabasterkoloß ist auf Kufen gestellt und wird von 172 Menschen gezogen. Relief aus einem Felsengrab zu El Berscheh (Ägypten). Mittleres Reich, 11./12. Dynastie, um 2000 v. Chr.
4
nichts zu tun hatten. Sie wurden für ihre
Arbeit auch entlohnt und der Staat
sorgte für Unterkunft und Verpflegung.“
([2] S.46)
Durch die Entdeckung von Metallen wie
Kupfer und Bronze kam auch dem
Bergbau eine größere Bedeutung zu,
der nachweislich auch später bei den
Griechen und Römern hauptsächlich
von Sklaven und nur teilweise von
Freien betrieben wurde ([1] S.37). Dabei
herrschten unter Tage oft unzumutbare
Bedingungen, wie der folgende
Ausschnitt aus der ‚Naturalis historia‘
Plinus des Älteren (1. Jh. n.Cr.) belegt :
„[...] Die Arbeiter kommen während mehrerer Monate nicht ans Tageslicht. [Die Stollen] stürzen oft
plötzlich zusammen und vergraben die Arbeiter. [Da] der sich in den Gruben entwickelnde Dampf
und Rauch leicht die Arbeiter erstickt, hauen sie den Kies lieber aus, und zwar in etwa 150 Pfund
(49 kg) schweren Stücken;sie fördern dieselben auf die Weise heraus, daß sie sie auf ihren
Schultern in der Finsternis dem Nächsten zureichen. Auf diese Weise sehen erst die letzten von
ihnen das Tageslicht.“ ([1] S.39)
Das Betreiben von Bergbau, die Errichtung riesiger Bauwerke, die Verwaltung der Abgaben und
auch die Staatsführung selbst erforderten wiederum eine gute Planung, die der adligen
Bevölkerung der Stadt vorbehalten blieb, wie Priestern, Schreibern oder Spezialisten ([1] S. 18).
Die so entstandene Kluft zwischen ‚denkender‘ und ‚arbeitender‘ Bevölkerung führte dazu, daß das
„[...] praktische Schaffen wohl nur selten im Zusammenhang mit den wissenschaftlichen
Kenntnissen der Priester und Schreiber [stand].“ ([1] S.18)
Abb. 3: Arbeit in einer Erzgrube, Spätkorinthische Malerei auf einem Tontäfelchen, 575/550 v. Chr.
5
Die griechische und römische Antike
Auch in der Antike widmete sich der freie Mann dem Staat, der Wissenschaft und Literatur und
überließ das technische Schaffen und das Handwerk den Sklaven und Fremden ([1] S.21). Es kam
zu einer starken Entwicklung eines wissenschaftlichen Bewußtseins. So gelten z.B. die Griechen
als die ersten theoretisierenden Menschen. Sie betrachteten die Welt als „eine dem
Menschenverstand zugängliche Ordnung“ ([1] S.21), wobei sie die reine Wissenschaft über die
Praxis und Technik stellten. In der Mathematik sahen sie das Gestaltungsprinzip der Dingwelt.
Diese reale Welt selbst stellten sie jedoch als untergeordnet und „schattenhaft“ dar ([1] S.21). So
wurden gerade in Bereichen der Mathematik, Philosophie und Statik Erkenntnisse gesammelt, die
bis heute von großer Bedeutung für die Wissenschaft sind (Thales von Milet, Pythagoras von
Samos, Aristoteles von Stagina). Dieses theoretische Denken war hauptsächlich bestimmt von
statischen Formbegriffen. Dynamik, d.h. ideelle Bewegungslehre spielte dabei kaum eine Rolle,
worin laut [1] S. 21 wohl auch der Grund für die allgemeine Unveränderlichkeit und
Unbeweglichkeit der Ideen selbst liegt.
Praktische Experimente spielten bei den Griechen kaum eine Rolle, so daß das erworbene
theoretische Wissen nur sehr selten seinen Weg in die Praxis fand ([1] S.21).
Entsprechend der Verachtung der praktischen Arbeit fand auch die Arbeitsteilung statt, wie sie in
den ‚Leges‘ des Platon treffend beschrieben wird:
„Weiterhin ist hinsichtlich der Handwerker folgendes zu bestimmen: Fürs erste soll unter den
Leuten, die sich mit schweren handwerksmäßigen Gewerben beschäftigen, kein Einheimischer
sein und auch kein Sklave eines Einheimischen. Denn der eigentliche Bürger hat ein genügendes
Geschäft, das vieler Übung und umfassender Kenntnisse bedarf, wenn er den allgemeinen
wohlgeordneten Zustand des Staates erlangen und erhalten will – einen Zustand, dessen
Herbeiführung mehr erfordert, als eine geringe Nebensache tut.“ ([1] S.23)
Hierzu muß noch erwähnt werden, daß es im vorhellenistischen Griechenland bereits
Arbeitsteilung und in gewissem Maße auch Spezialisierung gab, daß jedoch die einzelnen Arbeiten
vorrangig von Sklaven durchgeführt wurden. Die Sklavenarbeit führte so buchstäblich zu einer
Blüte des Werkstättenwesens ([1] S.26).
Von obigen Ausführungen distanzierend muß auch hervorgehoben werden, daß es sehr wohl
besonders im Bereich der Kriegstechnik vermehrt zur Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse
kam. Als Beispiel kann hier das Wurfgeschütz durch Torsionskraft genannt werden, das
wahrscheinlich auf Dionysos von Syrakus (4. Jh. v.Chr.) zurückgeht. Auch Archimedes stellte seine
Erkenntnisse im Zweiten Punischen Krieg zur Verteidigung seiner Vaterstadt zur Verfügung und
entwarf große und gefürchtete Kriegsmaschinen ([2] S.57).
6
Die alexandrinischen Mechaniker
Im Alexandrien des 3. Jh. v.Chr. kam es
erstmals (wenn man die Kriegstechnik außer
Betracht läßt) zu einer verstärkten
Anwendung der Theorie auf praktische
Apparate. So gehen zahlreiche Erfindungen
auf die Mechaniker Alexandriens zurück, die
jedoch fast ausschließlich in Form kleiner
Apparate umgesetzt wurden und kaum als
große Maschinen Anwendung fanden, da
dafür aufgrund der zahlreich vorhandenen
Sklaven kein Bedarf bestand. Oft dienten sie auch nur kultischen Zwecken (z.B.
Tempeltüröffner und Weihwasserautomat von Heron).
In der folgenden Tabelle sind drei wichtige Vertreter zusammen mit ihren Erfindungen
aufgezählt:
Vertreter Erfindungen / Erkenntnisse
Ktesibios (275 v.Chr.) Wasserorgel, Wasseruhr, Kolbenpumpe durch Saugdruck,
pneumatische / hydraulische Geräte ([3] S.59)
Philon von Byzanz
(um 260 v.Chr.)
Beschreibt erstmals Wasserräder, Wasserhebeapparate und
Eimerbagger, kommunizierende Röhren, Urform des Thermometers,
Taucherglocke, Automatiköllampe, Sirene, Kardanisches Kreuzgelenk
Heron (um 100 v.Chr.) automatischer Tempeltüröffner, Erkenntnisse der Lichtreflektion,
Thermometer, Öl-, Weinpressen, Feuerspritze, erste Dampfturbine,
Springbrunnen, Dampfkessel mit Innenfeuerung, Pantograph,
Wegmesser für Wagen und Schiffe, Sandmotor, Weihwasserautomat
Auch wenn die Erfindungen der alexandrinischen
Mechaniker durch ihren spielerischen oder kultischen
Charakter keine nennenswerte Erleichterung für die
tägliche Arbeit darstellten, muß doch erwähnt werden,
daß diese Errungenschaften Vorbild waren für die
Mechanik bis zur Zeit der Romantik: „Heron übte auf
Mittelalter, Renaissance und Barockzeit großen Einfluß
aus. Die Kunstuhren des Mittelalters, die Fontänen mit
wunderlich bewegtem Figurenwerk fürstlicher Gärten
der Renaissance, die Thermoskope von S. Santonio,
C. Drebbel und G. Galilei am Anfang des 17. Jh. und
schließlich auch die Automaten der romantischen Zeit
führen letztendlich auf die hellenistische Mechanik
zurück.“ ([1] S.33)
Abb. 5: Herons Sandmotor zur Bewegung eines fahrenden Automatentheaters mit bewegten Figuren, um 60 n.Chr., Holzschnitt ca. 1589.
Abb. 4: Wasseruhr des Ktesebios um 275 v. Chr.
7
Der römische ‚architectus‘
Die ‚Architekten‘ des antiken Roms genossen eine besondere Rolle in der technischen
Entwicklung der Antike, da sich ihr Wissen nicht aufs Entwerfen und Bauen beschränkte,
sondern sie eher die Rolle von Ingenieuren einnahmen. Sie waren Meister auf den meisten
Gebieten der Technik und noch weit darüber hinaus, wie folgendes Zitat Vitruvs ‚De
architectura‘ beweist:
„So muß er (der Baumeister) sowohl talentvoll sein
als gelehrig für die Wissenschaft; denn weder Talent
ohne Wissenschaft noch Wissenschaft ohne Talent
kann einen vollendeten Künstler schaffen; auch soll er
stilistisch gebildet sein, kundig des Zeichnens,
geschult in Geometrie, in der Optik nicht unwissend
und in der Arithmetik unterrichtet, er soll mehrfache
geschichtliche Kenntnisse besitzen, die Philosophen
fleißig gehört haben, sich auf Tonkunst verstehen, der
Heilkunst nicht unkundig sein, mit den
Entscheidungen des Rechtsgelehrten vertraut sein,
die Sternkunde und die Gesetze des Himmels
kennengelernt haben.“ ([1] S.33/34)
Abb. 6 (links): Herons Aelopile. Der untere Behälter (a) wurde zum Teil mit Wasser erhitzt. Der erzeugte Dampf trat über die Rohre (b) in eine Metallkugel (c) ein, die sich um eine Achse drehen konnte. Der notwendige Schub wurde durch senkrecht zur Achse stehende Düsen (d) erzeugt. Abb. 7 (oben): Herons Feuerspritze, um 600 n. Chr., Holzschnitt, 1688
Abb. 8: Hebezeug nach Vitruvius (zwischen 31 u. 27 v. Chr.), Holzschnitt, 1521.
8
Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio – 1. Jh. v.Chr.) gilt als
der wichtigste Vertreter der römischen ‚Architekten‘,
der als Verfasser seiner ‚De architectura‘ (31-27
v.Chr.), der heute vielleicht wichtigsten
Literaturquelle für die Technikentwicklung der
römischen Antike, eine bedeutende Stellung
einnimmt. Er liefert Beweise dafür, daß dem
römischen ‚architectus‘ weit mehr Sinn für praktische
Anwendung zugeschrieben werden kann als den
alexandrinischen Mechanikern.
So umfaßt sein Werk nahezu alle Aspekte der
Baukunst: Physik, Mathematik, Baustoffkunde,
Klimatologie, Astronomie, Philosophie, Stadtplanung
und sogar Musik. Weiter entwickelte er zahlreiche
mechanische Maschinen, Uhren, Geschütze und
Anlagen zur Wasserförderung ([3] S.69). Dabei
stützte er sich nachweislich stark auf griechische
Quellen z.B. der Mechaniker Alexandriens.
Trotz des starken Praxisbezugs hatte jedoch das Schaffen Vitruvs
kaum Einfluß auf die Baukunst seiner Zeit und gewann erst später
in Mittelalter und Renaissance an Bedeutung, „da die besonderen
Bautechnischen Probleme seiner Zeit, man denke etwa an den
Gewölbebau, in seinem Buche kaum eine Rolle [spielten]. [Daher
konnte] auch bei den Römern von einer eigentlichen Anwendung
der Wissenschaft auf das technische Schaffen nicht die Rede
sein.“ ([1] S.33) So wurde fast die gesamte römische
Staatstechnik, die den Straßen-, Brücken-, Aquädukten-,
Kriegsmaschinen-, Hoch- und Bergbau umfaßte, noch
größtenteils von Sklaven, in Friedenszeiten jedoch auch von
Soldaten getragen ([1] S.38, [2] S.60).
Abb. 9: Proportionen des menschlichen Körpers. Zeichnung Leonardo da Vinci nach Vitruvs Architectura.
Abb. 10: Hydraulische Fuerspritze des Ktesibios, rekonstruiert nach Vitruv
Abb. 11: Die ideale Stadt nach Vitruv.
Abb. 12: Computermodell eines römischen Tempels nach Vitruv
9
Nachfolgend werden nun nochmals die wichtigsten Gründe dafür zusammengefaßt, daß die durchaus
vorhandene Technik nur sehr begrenzt zur Arbeitserleichterung eingesetzt wurde. Zum größten Teil
werden diese Gründe anhand von Zitaten hinterlegt:
handwerkliche Arbeit wurde als minderwertig
betrachtet
„Körperliche Arbeit galt als niedrig“ [2] S.52
„Die Antike überhaupt [mißachtete] die Techniken.“[2] S.55
„Handarbeit [wurde] wenig geschätzt.“ [1] S.22
kaum religiöse Verankerung der praktischen
Arbeit und des Handwerks
„[...] Eine religiöse Verwurzelung der Arbeit war der Antike
letztlich noch fremd.“ [1] S.22
genügend Sklaven vorhanden „[Arbeit] mußte von den zahlreichen Sklaven geleistet
werden.“ [2] S.52
„[...] weil genügend Sklaven zur Verfügung standen.“ [1] S.22
„[...] Kriegsgefangene, die ja als Sklaven dienen mußten [...]“
[1] S.40
Sklaven waren sowohl billiger (erhielten keinen
Lohn, sondern oft nur Lebensunterhalt) als auch
flexibler einsetzbar als große Maschinen
(unterschiedliche Arbeiten an unterschiedlichen
Orten)
„[Sklaven] stellten keine solch starre Kapitalanlage dar, wie es
Maschinen gewesen wären.“ [2] S.52
Desweiteren ist zu erwähnen, daß die Entwicklung arbeitserleichternder Technik wohl allein im
Interesse der Sklaven gewesen wäre. Diese genossen jedoch weder die nötige Bildung noch die
notwendigen finanziellen Mittel, und wenn ein Sklave doch genügend Geld anhäufen konnte, dann
doch nur, um sich irgendwann freikaufen zu können.
Somit blieb die Muskelkraft in der Antike die wichtigste und fast alleinige Energiequelle, da kaum
arbeitserleichternde Maschinen entwickelt wurden („[...] in der gesamten Antike keine
Maschinentechnik im allgemeinen Sinne [...]“ [2] S.52).
Es existieren jedoch auch zahlreiche Hinweise darauf, daß obige Darstellungen relativiert werden
müssen. So waren z.B. die schriftlichen Überlieferungen oft nur recht spärlich und von wenigen
Personen, was wohl unter anderem daran lag, daß die Schreiber selbst auch Gelehrte waren, die
wiederum nicht an der Vervielfältigung praktischen Wissens interessiert waren. Archimedes
beispielsweise hat nur sehr wenig von seinen Errungenschaften niedergeschrieben und wir wissen
erst von Plutarch, der etwa 300 Jahre später lebte über Archimedes‘ angebliche Ablehnung der
Technik ([1] S.23).
So kann man also nicht ausschließen, daß ältere Zeugnisse von Technikgebrauch existierten, die
nur nie vervielfältigt wurden. Dazu kommt noch, daß die technischen Geräte der Antike sämtlich
aus Holz oder Metall gebaut wurden, was über die Jahre vermodert oder verrostet.
Desweiteren wurden bei einem großen Brand der Bibliothek Alexandiens viele Zeugnisse
möglicher praktischer Anwendungen vernichtet.
„Interessant ist in diesem Zusammenhang ein zufällig erhalten gebliebener Papyrusfetzen, der in
kürzester Fassung eine Tabelle der wissenswertesten Dinge aus alexandrinischer Zeit enthält. In
ihm werden [...] sieben berühmte Mechaniker aufgezählt. [Davon] sind vier völlig unbekannt und
von den drei übrigen ist auch nur sehr wenig überliefert.“ ([2] S.52/55)
10
Auch zeigt ein überraschendes
Ausgrabungsergebnis (Relief aus dem 2.
Jh. n.Chr.), daß die Römer bereits mit
Mähmaschinen gearbeitet haben, was in
der „Historia naturalis“ des römischen
Naturforschers und Admirals Plinus
hinterlegt wird ([2] S.63/64).
Es läßt sich jedoch auch zeigen, daß erst
im Mittelalter das Handwerk und die
Technik einen ernstzunehmenden
Aufschwung erfuhren.
Das Mittelalter
Mit dem Nachlassen der Expansion und schließlich dem Zerfall des römischen Reiches waren
auch immer weniger Kriegsgefangene vorhanden, die als Sklaven dienen konnten. Auch dadurch
wurde das Handwerk, das nun verstärkt von Freien durchgeführt werden mußte, wesentlich höher
bewertet, als dies noch in der Antike der Fall war ([1] S.45). Weiter vollzog sich seit dem vierten
Jahrhundert n.Chr. ein Übergang von der Sklaverei zur an die Scholle gebundenen
Leibeigenschaft. Mit dem Aufstieg des Städtewesens im 11./12. Jh. konnten sich außerdem
Bauern durch Übergang zum städtischen Handwerk von der Hörigkeit berfreien.
Die Rolle der Kirche Der Untergang des römischen Reiches bewirkte auch einen wachsenden Einfluß des
Christentums. Zwar war ganz Europa nun in kleine Stadtstaaten zersplittert, jedoch
unterstanden diese einer einheitlichen universellen Kirche, was sich auch positiv auf die
langsame Überwindung der Sklaverei auswirkte. Die Kirche lehrte nämlich die Gleichheit aller
Menschen vor Gott, was natürlich auch die Sklaven mit einschloß:
„Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib,
denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu.“ (Galaterbrief (III,28) des Paulus; [1] S.45)
Oft bewirkte der starke moralische Einfluß der Kirche vermehrt Freilassungen:
„Um 600 n.Chr. erklärte Gregor der Große, daß man heilsam handle, wenn man Menschen,
welche die Natur doch frei erschaffen habe und welche doch durch menschliche Gesetze ins
Joch der Sklaverei gebeugt worden seien, die Freiheit wiedergibt.“ ([1] S.45).
Auch die Rolle der Natur änderte sich unter dem Einfluß des Christentums grundlegend. War
man in der Antike noch der Meinung, mit der Mechanik die Natur überlisten zu müssen
(‚mechanaomai‘ – griech.: ‚ich ersinne eine List‘), so suchte man jetzt nach einer Verbindung
der sinnlichen Natur mit der geistigen Natur ([1] S.43).
Die klösterliche Wissenschaft des frühen Mittelalters faßte antikes und aktuelles Wissen in
enzyklopädischen Werken zusammen und sorgte so dafür, daß viele Werke und Erfindungen
Abb. 13: Relief einer römischen Mähmaschine aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert
11
z.B. alexandrinischer Mechaniker und römischer Architekten nach deren Lebzeit an Einfluß
gewinnen konnten und für weitere Forschungen zur Verfügung standen. So nutzte z.B. die
Kirche das Aristotelische Wissen in der Hinsicht, daß sie es in ihr zentralistisches Weltbild mit
einschloß. Die so entstandene harmonische Verbindung von Wissenschaft und Philosophie mit
der Theologie ermöglichte erst die Weiterentwicklung der Technik.
Hugo von St. Victor (1133 Leiter der Schule von
St. Victor in Paris) erhob weiter die Mechanik in
der Weise, daß er sie neben die herkömmlichen
Wissenschaften Theorik (Physik, Mathematik,
Metaphysik), Praktik (Ethik, Ökonomie, Politik)
und Logik (Grammatik, Rethorik, Dialektik) als
vierte Wissenschaft setzte und ihr in Analogie zu
den sieben freien Künsten (Grammatik, Rhetorik,
Dialektik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie,
Musik) auch sieben mechanische Künste zuwies
(Weberei, Schmiede-, Bautechnik, Schiffahrt,
Ackerbau, Jagd, Heilkunde, Schauspielkunst) ([1] S.47).
Dadurch erfuhr die Mechanik eine starke religiöse Verankerung:
„Die Theorik ist ein Mittel gegen die Unwissenheit, die Praktik gegen die Ungerechtigkeit des
Willens, die Logik gegen die fehlerhafte Rede und endlich die Mechanik gegen die körperliche
Unvollkommenheit. Aber alle dienen dem Menschen für seine Entwicklung zu Gott hin.“ ([1]
S.48)
Mit der Forderung im alten Testament „Du sollst arbeiten“ wurde den Menschen die Bedeutung
des Handwerks geradezu auferlegt und so erblühte bis zum 10. Jh. vorerst das klösterliche
Handwerk mit der Herstellung kultischer Gegenstände und mit dem Aufstieg des Städtewesens
auch das städtische Handwerk, das in einigen Städten im 14. Jh. bis zu 60 verschiedene
Handwerkszünfte aufweisen konnte ([1] S.63).
Die so gewonnene Akzeptanz der Menschen gegenüber der Technik hat im Mittelalter zu
zahlreichen die tägliche Arbeit erleichternden Verbesserungen geführt. So ging man verstärkt zur
Nutzung von Tier-, Wind- und Wasserkraft über. Man verbesserte das Pferdegeschirr, wodurch die
Tiere das 3 bis 4-fache ihrer bisherigen Zugkraft nutzen konnten. Dadurch mußten schwere Lasten
Abb. 14: Der Schmied. Eine der sieben mechanischen Künste
Abb. 15: Antikes Jochgeschirr mit Hals- und Unterbrustgurt
Abb. 16: Neues Geschirr des Mittelalters (Kummetgeschirr). Zeichnung um 1180.
12
nicht mehr von Sklaven oder langsamen Ochsen transportiert werden. Auf diese Weise fand das
Pferd im Mittelalter auch seinen Einzug in die Landwirtschaft.
Durch eine enorme Verbesserung der
Windkraftnutzung auf Segelschiffen
konnten Schiffe nun ohne Ruder, d.h.
ohne Galeerensklaven angetrieben
werden, und auch das Steuerruder
wurde verbessert, indem es nicht
mehr seitlich, sondern hinten in der
Mitte angebracht wurde und so
leichter zu bewegen war.
Seit dem 8./9. Jh. erfuhr das Wasserrad eine starke
Verbreitung. So gab es in England im 1. Jh. etwa
5600 Wassermühlen.
Der Drang nach Entwicklung immer besserer
Arbeitsmaschinen ging sogar so weit, daß man
versuchte, ein sich ewig ohne fremdes Zutun
drehende Rad zu bauen (Perpetuum mobile),
was natürlich wie wir heute wissen durch die
Gesetze der Energieerhaltung zum Scheitern
verurteilt war.
Durch viele weitere technische Neuerungen
konnte so die Sklaverei langsam in vielen
Bereichen der Gesellschaft überwunden
werden und war später längst nicht mehr in so
starkem Maße vorzufinden wie in der Antike.
Trotzdem zieht sich die Geschichte der Sklaverei noch bis ins 20. Jh. Der Gebrauch von
Galeerensklaven zum Handel und zur Kriegsführung erlosch erst nach dem 18. Jh. fast vollständig
und in Amerika läßt sich Sklaverei noch bis ins 19. Jh. wiederfinden. Als aktuellstes Beispiel kann
Saudi-Arabien angeführt werden, wo die Sklaverei erst 1962 gesetzlich verboten wurde, was sich
aber bis heute nicht vollständig durchgesetzt hat.
Abb. 17: Vertikales Steuerruder mit Scharnier. Zeichnung 1242
Abb. 18: Wassermühle Vitruvscher Bauart (mit unterschlächtigem Wasserrad) Zeichnung um 1242
Abb. 19: Perpetuum mobile. Zeichnung um 1235
13
Nachwort
Wenn ich bedenke, daß in diesen Ausführungen ein sehr starker Zusammenhang zwischen
technischer Entwicklung und der Entwicklung der Sklaverei nachgewiesen wurde, so stellt sich mir
die Frage, ob nicht die Sklaverei einfach nur andere (globalere) Formen angenommen hat.
Schließlich sind doch eigentlich die Industriestaaten der Welt weit genug entwickelt, um körperlich
schwere und teilweise unzumutbare Arbeiten weitestgehend technisch abzudecken. Wie ist es
dann möglich, daß in der dritten und vierten Welt Menschen unter für uns kaum vorstellbaren
Bedingungen Kaffee oder Tabak anbauen und zu Tiefstpreisen verkaufen müssen, damit wir in
unserem Luxus morgens unseren Kaffee mit anschließender Zigarette genießen können ?
Und noch ein anderer Aspekt bringt mich zum Nachdenken: Die Arbeit des Menschen wird immer
mehr von Maschinen übernommen. Inzwischen ist es sogar so weit, daß ein Ausfall von
Computern so katastrophale Folgen haben kann, daß Menschen aus Angst davor Nahrungsmittel
zu Hause anhäufen, um im Notfall nicht hungern zu müssen.
Ist nicht der Mensch mehr und mehr der Gunst der Maschine ausgeliefert ?
Könnte nicht irgendwann der Mensch Sklave dessen werden, das ihn einst von der Sklaverei
befreit hat ?
Robert Nickel
14
Zeittafel
Zeit Ereignis
um 2600 v.Chr.
3. Jahrtausend v.Chr.
um 2300 v.Chr.
um 2000 v. Chr.
um 1600 v. Chr.
um 275 v. Chr.
um 240 v. Chr.
um 225 v. Chr.
um 100 v. Chr.
um Christi Geburt
1. Jh.
5. Jh.
7. Jh.
10./11. Jh.
11. Jh.
12. Jh.
1269
1389
um 1500
1690
Die großen Pyramiden in Ägypten
Ältester Bergbau in Europa (auf Feuerstein)
Schöpfwerk mit Hebelwirkung in Mesopotamien
Speicherrad in Kleinasien und Persien
Blasebälge zum Metall- und Glasschmelzen in Ägypten
Kolbenpumpe, Wasserorgel, Wasseruhr, Peßluftgeschütz (Ktesibios)
Flaschenzug, Schraube zum Wasserheben, Kriegsmaschinen (Archimedes)
Pneumatische Versuche, Wurfgeschütze, Ringgehänge (Philon von Byzanz)
Schraubenpresse in Griechenland
Wassermühlen in Rom
Pneumatische Apparate und Automatentheater (Heron), Sattel im Westen
Oberschlächtiges Wasserrad in Athen
Windmühle in Persien
Ausbreitung des Wasserrades in Europa
Vierseitiger schwerer Pflug mit Radvorgestell, Messer, Pflugschar und Streichbrett
Windmühle in Europa
Projekt des magnetischen Perpetuum mobile (Pierre de Maricourt)
Papiermühle bei Nürnberg
Maschinenentwürfe von Leonardo da Vinci
Einfache atmosphärische Dampfmaschine (D. Papin)
Literaturverzeichnis
[1] – Friedrich Klemm: Geschichte der Technik, Deutsches Museum und Rorohlt-Verlag 1989
[2] – Carl Graf von Klinckowstroem: Knaurs Geschichte der Technik, Droemersche Verlagsanstalt,
München – Zürich 1959
[3] – Felix R. Paturi: Chronik der Technik, Chronik Verlag, Dortmund 1989
[4] – Sigvard Strandh: Die Maschine, Weltbild Verlag, 1992
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: [1] S. 19; Abb. 2: [4] S. 23; Abb. 3: [1] S. 37;
Abb. 4: http://kyb.faveve.uni-stuttgart.de/deutsch/kybernet/prosem/slux/index.html
Abb. 5: [1] S. 31; Abb. 6: [1] S. 30; Abb. 7: [4] S. 32; Abb. 8: [1] S. 34;
Abb. 9: http://www.artchive.com/artchive/L/leonardo/proports.jpg.html
Abb. 10: [3] S. 61; Abb 11: http://www.loop.com/~bramble/fengshui/books.html
Abb. 12: http://www.cs.ukc.ac.uk/people/staff/nsr/arch/visrcant/visrcant.html
Abb. 13: [2] S. 63; Abb. 14: [1] S. 47; Abb. 15: [1] S. 49; Abb. 16: [1] S. 50; Abb. 17: [1] S. 51;
Abb. 18: [1] S. 52; Abb. 19: [1] S. 60