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1 SOLIDARITÄT MIT DEN ROMA - MINDERHEITEN ALS BRÜCKENBAUER „Die Zeit, die Geschichte arbeitet nicht für geistige Einfalt, sondern für geistige Vielfalt, also für ein Europa, in dem die Menschenwürde eines jeden Bürgers die Bedingung für die Menschenwürde aller Bürger ist; für ein Europa, in dem alle Verhältnisse verändert werden müssen, in denen der Mensch ein unterdrücktes, verlassenes, verächtliches Wesen ist. Das ist europäisch!“ (Heinz Winfried Sabais (1922-1981), ehem. Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt und Generalsekretär des Pen-Zentrums Deutschland auf dem europäischen Kulturkongress der Europa-Union Deutschland 1979.) FEDERAL UNION OF EUROPEAN NATIONALITIES FÖDERALISTISCHE UNION EUROPÄISCHER VOLKSGRUPPEN ФEДЕРАЛИСТСКИЙ СОЮЗ ЕВРОПЕЙСКИХ НАЦИОНАЛЬНЫХ МЕНЬШИНСТВ UNION FÉDÉRALISTE DES COMMUNAUTÉS ETHNIQUES EUROPÉENNES www.fuen.org

Solidarität mit den Roma - deutsch

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Projektkonzeption der FUEV - "Minderheiten helfen Minderheiten"

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Solidarität mit den roma - minderheiten alS BrückenBauer

„Die Zeit, die Geschichte arbeitet nicht für geistige Einfalt, sondern für geistige Vielfalt, also für ein Europa, in dem die Menschenwürde eines jeden Bürgers die Bedingung für die Menschenwürde aller Bürger ist; für ein Europa, in dem alle Verhältnisse verändert werden müssen, in denen der Mensch ein unterdrücktes, verlassenes, verächtliches Wesen ist.Das ist europäisch!“

(Heinz Winfried Sabais (1922-1981), ehem. Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt und Generalsekretär des

Pen-Zentrums Deutschland auf dem europäischen Kulturkongress der Europa-Union Deutschland 1979.)

Federal Union oF eUropean nationalitiesFöderalistische Union eUropäischer VolksgrUppenФEДЕРАЛИСТСКИЙ СОЮЗ ЕВРОПЕЙСКИХ НАЦИОНАЛЬНЫХ МЕНЬШИНСТВUnion Fédéraliste des commUnaUtés ethniqUes eUropéennes

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Mehr gesellschaftliche

Partizipation

Minderheiten als

Brückenbauer

Minderheiten verkörpern

Mehrwert

Minderheiten helfen

Minderheiten

Inhaltliche

Schwerpunkte

Flankierung durch

konkrete Einzelprojekte

Mediatoren

executive Summary

Alle Strategien zur Verbesserung der ökonomischen und der sozialen Lage der Roma müssen durch Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz und der gesellschaftlichen Partizipation von Europas zahlenmäßig größter Minderheit untersetzt werden. Die in der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) vereinten autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen wollen dazu einen Beitrag leisten.

Minderheitenangehörige verfügen nachweislich über eine besondere gesellschaftliche und interkulturelle Kompetenz, die sie als Mediatoren und Brückenbauer qualifiziert. Im Verbund und im Zusammenwirken mit anderen Minderheiten erfahren die Roma mehr Akzeptanz durch die Mehrheitsbevölkerung, entwickeln ein gestärktes Bewusstsein von ihrem Selbstwert und werden zur aktiven Mitwirkung an staatlichen und gesellschaftlichen Prozessen ermutigt.

Der angestrebte Schulterschluss der Minderheiten hat nicht nur Relevanz für die Roma-Bevölkerung. Er stärkt den Stellenwert aller Minderheiten und ihre Wahrnehmung durch die Gesamtbevölkerung, indem ein Beitrag zur Lösung einer aktuellen Problemlage angeboten und dadurch erkennbar wird: Minderheiten verkörpern einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert!

Der methodische Ansatz basiert auf dem Aufbau von Vertrauen durch gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen, was durch die auf beiden Seiten gegebene Minderheitensituation erleichtert wird. Minderheiten helfen Minderheiten durch einen Austausch über den eigenen Erlebnishintergrund und best practise-Erfahrungen auf ihrem oftmals langen und schwierigen Weg vom Rand in die Mitte der Gesellschaft.

Im Mittelpunkt der Begegnung von Roma und anderen Minderheiten im Rahmen eines „Demokratieprojektes“ stehen die- Förderung von Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, - Ermutigung zu Emanzipation und selbstbestimmtem Handeln,- Hebung des sozialen Stellenwertes,- Überwindung von Isolation und Segregation,- Entwicklung von Kooperationsstrukturen- Inklusion der Roma in das politische und gesellschaftliche Leben und ihre- aktive Teilhabe daran auf Augenhöhe mit der Mehrheitsbevölkerung.Diese Ziele werden durch Maßnahmen auf der lokalen und regionalen Ebene konkretisiert. Schwerpunkte bilden Projekte im Bereich von Bildung, Schule und Kultur sowie Aus- und Fortbildung anhand von Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen von Jugendbegegnungen sowie in der Landwirtschaft.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem „Demokratieprojekt“ übernehmen dabei die Aufgabe von Mediatoren und tragen zu der Nutzbarmachung des Erlernten in der Alltagsumwelt der Roma bei.

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Solidarität mit den roma - minderheiten als Brückenbauer

1. Notwendigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements

Die meisten der zehn bis zwölf Millionen Roma in Europa sind in ihrem Alltag Vorurteilen, Diskriminierung, Intoleranz und gesellschaftlicher Ausgrenzung ausgesetzt. Ihre Lebenssituation ist nicht nur eine Herausforderung an Europa als Rechts-, Werte- und als Solidargemeinschaft. Ungeachtet der primären Verantwortung der jeweiligen Nationalstaaten ist sie auch ein für den inneren Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Kontinents schwerwiegendes Thema und eine vorrangig zu lösende Aufgabe.

So notwendig innerhalb des europäischen Mehrebenensystems nationale Strategien vor allem auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge sind - sie werden ohne nachhaltige Wirkung bleiben, wenn sie nicht mit Maßnahmen zur Förderung der Akzeptanz und der gesellschaftlichen Partizipation von Europas zahlenmäßig größter Minderheit einhergehen. Diese Aufgabe kann weder durch die staatliche noch durch die regionale oder kommunale Ebene allein erfüllt werden. Vielmehr bedarf es dazu des engen Zusammenwirkens staatlicher und kommunaler Instanzen mit den Kräften der Zivilgesellschaft.

Sinnvoll erscheint eine Ergänzung dahin, dass zu den Maßnahmen staatlicher und kommunaler Daseinsvorsorge vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen, bei der Beschäftigung und der Wohnraumversorgung flankierende Schritte zur Verbesserung der sozialen Integration und bürgerschaftlichen Partizipation der Roma eingeleitet werden. In einem solchen Prozess mit dem Ziel einer beiderseitigen Annäherung von Minderheit und Mehrheit sollten die Potenziale zivilgesellschaftlichen Engagements stärker genutzt werden.

2. Akzeptanz durch Annäherung

Eher noch als staatlichen und kommunalen Trägern ist es den Akteuren der Zivilgesellschaft möglich, die soziale Einbindung der Roma und ihre gesellschaftliche Partizipation voranzubringen. Akzeptanz und Anerkennung können nicht verordnet werden; sie entstehen in einem wechselseitigen Prozess behutsamer Annäherung ohne unmittelbare staatliche Einwirkung. Das setzt Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zum vorurteilsfreien Umdenken sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch bei den Mitgliedern der Roma-Gemeinschaften voraus.

Dialog und Austausch sind die wichtigsten und wirksamsten Schritte für ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen. Es gilt zu allererst, miteinander ins Gespräch zu kommen, Einblicke in die Erfahrungs- und Erlebniswelt der anderen Seite zu erhalten, Be- und Empfindlichkeiten

Situation der Roma als

Herausforderung auf

allen Ebenen

Förderung von Akzeptanz

und gesellschaftlicher

Partizipation

Zivilgesellschaftliches

Engagement stärker

nutzen

Vorurteilfreies Umdenken

Vertrauensbildung durch

Dialog und Austausch

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Anderssein als

Mehrwert erkennen

Emotionale Intelligenz und

Empathie als Schlüssel

Gemeinsamen

Erfahrungshintergrund

nutzen

Mehr Selbstbewusstsein

Minderheiten als Mittler

Wissenschaftlich

belegter Mehrwert

und nicht selten auch Traumatisierungen wahrzunehmen, die Folge einer Generationen währenden Stigmatisierung und Ausgrenzung sind, aber auch aus einer Tendenz zur Selbstisolierung auf Seiten der Roma-Minderheit resultieren. In einem Klima von interkultureller Offenheit kann die Vertrauensgrundlage entwickelt werden, auf der Vorurteile, Ängste und Konfliktpotenziale, aber ebenso Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen vor dem jeweiligen persönlichen Erfahrungshorizont thematisiert werden. Es kommt darauf an, in der jeweiligen Situation von Minderheit und Mehrheit einander anzunehmen und Anderssein nicht als Bedrohung zu empfinden, sondern darin eine Bereicherung durch Vielfalt und einen den Minderheiten eigenen Mehrwert zu erkennen.Dementsprechend sind nicht kurzfristig orientierter Pragmatismus, sondern vorrangig emotionale Intelligenz, Empathie und glaubwürdiges persönliches Engagement gefordert, um Akzeptanz durch Annäherung im interkulturellen Dialog zu erreichen.

3. Minderheiten als Brückenbauer

Wenn es gilt, aufeinander zuzugehen und Brücken des Vertrauens zu bauen, sind Vertreter von nationalen Minderheiten und Volksgruppen in besonderer Weise für diese Aufgabe qualifiziert. Sie leben vielfach mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund und haben selbst unter Ausgrenzung und Misstrauen gelitten. Nicht wenige von ihnen haben aber auch Wege und Möglichkeiten eines konstruktiven Miteinanders von Minderheit und Mehrheitsbevölkerung gefunden und diese bewusst und zielgerichtet in beiderseitigem Interesse weiterentwickelt. Nicht selten schöpfen Vertreter von Minderheiten aus der Erfahrung und dem Wissen um diese aus persönlichem Einsatz resultierenden Leistungen bei der Überwindung von Widerständen und aus den bewusst wahrgenommenen gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten ein besonderes Selbstbewusstsein. Es qualifiziert sie, auch anderen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und dabei dem Grundsatz der Subsidiarität Rechnung zu tragen.

Bei dieser Ausgangslage fällt den Minderheiten gleichsam von selbst eine Mittlerfunktion zu. Die Mediatoren-Rolle ist eine der Qualifikationen, die Minderheiten auszeichnen und die nebst anderem ihren Mehrwert für das staatliche und gesellschaftliche Miteinander belegen. Minderheiten verfügen, wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen – vgl. Kompetenzanalyse der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) „Minderheiten als Standortfaktor in der deutsch-dänischen Grenzregion“, Bozen 2007 - , über eine besondere gesellschaftliche und interkulturelle Kompetenz, die mit einem ausgeprägten Bewusstsein für Recht, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung einhergeht.

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Solidarität der

Minderheiten

untereinander

Interessensvertretung im

Tandem-Verbund

Beispiel Dialogforum

Gemeinsame

Schnittmengen von

Minderheits- und

Mehrheits- interessen

Frühzeitige Einbindung

der Roma in Konzeption

und Planung

Minderheiten als

regionaler Standortfaktor

4. Solidarität der Minderheiten untereinander

Die Solidarität von Minderheitenangehörigen untereinander und ihre spezifische soziokulturelle Prägung sollten europaweit dazu genutzt werden, der Volksgruppe der Roma in ihrer besonderen gesellschaftlichen Situation zu mehr Verständnis und Akzeptanz zu verhelfen.Anzustreben ist eine solidarische Verbindung von Angehörigen der Roma mit anderen Minderheitenorganisationen mit dem Ziel ihrer Einbindung in gesellschaftliche Prozesse. Durch vertrauensvolle Kontakte im Innenverhältnis und ein gemeinsames Auftreten nach außen bei der Artikulation gemeinsamer Interessen („Tandem-Verbund“) kann die ablehnende Haltung gemildert werden, die den Roma als erstes begegnet, wenn sie isoliert und für sich allein auftreten. Erfahrungen im deutsch-dänischen Grenzland belegen, dass die konsequente Einbeziehung der Minderheit der Roma in das „DialogforumNorden“ - eine gemeinsame Kommunikations- und Artikulationsplattform aller autochthonen Minderheiten in der Region - zu einem deutlichen Solidarisierungseffekt der Minderheiten untereinander geführt, die Interessenvertretung der Roma verbessert und die Sensibilität für ihre Belange in Teilen der Mehrheitsbevölkerung erhöht hat.

5. Minderheiten als Standortfaktor

Mit ihrem speziellen Erfahrungshintergrund können die in der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) organisierten Minderheiten ihre Kompetenzen unter anderem dazu nutzen, in Bezug auf die Roma gemeinsame Schnittmengen von Minderheits- und Mehrheitsinteressen zu identifizieren.

Dieser Weg kann nur erfolgreich beschritten werden, wenn die Volksgruppe der Roma frühzeitig und umfassend in die Konzeption und Planung konkreter Projekte einbezogen wird. Auf diese Weise werden die Roma das Projekt als ihr eigenes annehmen können. Die Konzentration auf so ermittelte Gemeinsamkeiten wäre mehr als ein Prozess der Bewusstmachung. Aus ihm können konkrete Folgerungen sowohl für mehr gesellschaftliche Einbeziehung als auch für die Bedeutung von Minderheiten als regionaler Standortfaktor abgeleitet werden. Gerade dieser Aspekt gewinnt im Lichte der demographischen Entwicklung der Roma-Bevölkerung in Südosteuropa zunehmend auch eine ökonomische Bedeutung.

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Junctim von Loyalität und

Minderheitenschutz

Minderheitenmodell

deutsch-dänisches

Grenzland

Modellcharakter auch für

andere Gruppen

Pilotvorhaben

„Demokratieprojekt“

6. Modell für gesellschaftliche Konfliktlösungen

Eine der Handlungsempfehlungen geht dahin, modellhaft deutlich zu machen, dass Gesetzestreue und die Loyalität der Minderheiten gegenüber Staat und Gesellschaft einerseits und die staatlich garantierte Bekenntnisfreiheit sowie der Schutz und die Förderung der Minderheiten andererseits in einer Wechselbeziehung stehen. Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und letztlich eine auf gegenseitigem Vertrauen gegründete Partnerschaft sind das Credo jeder erfolgreichen Minderheitenpolitik.

Im deutsch-dänischen Grenzland sind die Minderheiten und die Mehrheit auf dieser Grundlage eine Symbiose eingegangen, die den Weg vom ursprünglichen Gegeneinander zum Miteinander bis hin zu einem Füreinander geebnet hat. Diese Minderheitenpolitik ist heute in einem gesetzlichen, institutionellen und gesellschaftlichen Rahmen verankert. Die im deutsch-dänischen Grenzland gemachten Erfahrungen bieten sich als Modell für friedliche Lösungen von Minderheitenkonflikten auch in anderen Regionen Europas an.

Die Fokussierung auf die Roma als Zielgruppe sollte dabei im Vordergrund stehen, aber andere Gruppen nicht ausschließen, die unter ähnlichen sozioökonomischen und -kulturellen Bedingungen leben. Das Projekt vermeidet – entsprechend den Empfehlungen des Roma Portals der Europäischen Kommission vom 24. April 2009 (http://ec.europa.eu/roma) eine Darstellung der Situation der Roma als singulären Sonderfall und vor allem eine Fokussierung auf Überbegriffe wie Armut und (traditionelle) Lebensweise, die der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mit Recht kritisiert. Es ist vielmehr ein modellhaftes Aktionsprogramm, das auf breiter Basis für alle Inklusionsbestrebungen anwendbar ist.

7. Erfahrungsaustausch und best practice

Die Übertragbarkeit und Praxistauglichkeit dieses minderheitenpolitischen Modellansatzes und seine Transformation in aktionsorientiertes Handeln sollen in einem ersten Schritt anhand eines Pilotprojektes erprobt werden. Entsprechend seinem inhaltlichen Schwerpunkt ist es ein „Demokratieprojekt“ und sieht vor, dass Multiplikatoren aus dem Kreis der Roma mit Angehörigen anderer Minderheiten aus dem Gastgeberland außerhalb ihres gewohnten Lebensumfeldes – vorzugsweise in einer akademischen Bildungsstätte des deutsch-dänischen Grenzlandes - zum persönlichen Kennenlernen und zum Dialog zusammenkommen. Erfahrungsaustausch und best practice-Beispiele auf regionaler und lokaler Ebene werden zu einer Ermutigung der Roma beitragen, mehr als bisher am politischen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihre eigene Bedeutung als Standortfaktor sowohl auf ökonomischem als auch auf kulturellem Gebiet zu erkennen.

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Peer-Group-Erfahrungen

einbringen

Konzentration auf

drei Adressatenkreise

Junge Menschen

im Fokus

Kommunalvertreter

Ehrenamt

Gemeinsamkeiten

und Unterschiede

In Anlehnung an Erfahrungen mit Peer-Groups arbeiten die Minderheiten als Partner in Augenhöhe mit Angehörigen der Roma-Bevölkerung vor Ort zusammen. Die Peer-Groups bestehen aus Vertretern der Roma, Mitgliedern anderer autochthonen Minderheiten aus der Region und der Mehrheitsbevölkerung.Die Heterogenität der einzelnen in der FUEV vertretenen Minderheiten bietet eine gute Voraussetzung dafür, komplexe Programme und Projekte zu initiieren und umzusetzen, die auf die besonderen Bedürfnisse der europaweit in unterschiedlicher Weise lebenden Gemeinschaften der Roma zugeschnitten sind.

8. Zielgruppe

Die Zielgruppe bei den Roma bilden zunächst Multiplikatoren aus allen Teilen des staatlichen, kommunalen und gesellschaftlichen Lebens. Anzustreben ist eine nach Alter und Geschlecht ausgewogene Zusammensetzung. In der Startphase des Projektes konzentrieren sich die Bemühungen vor allem auf drei Adressatenkreise. Dabei ist eine möglichst ausgewogene Anzahl weiblicher Teilnehmerinnen anzustreben.

Als zukunftsorientiertes Projekt nimmt es zum einen junge Menschen in den Fokus. Da ein hohes und auch homogenes Bildungs- und Qualifikationsniveau am ehesten geeignet ist, nachhaltige Ergebnisse zu gewährleisten, richtet sich das Angebot vorzugsweise an Studenten, Postgraduierte und Akademiker am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn sowie an Personen mit vergleichbarem Bildungsstand.

Zum zweiten rekrutieren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Repräsentanten der Volksgruppe der Roma, die entweder als gewählte kommunale Vertreter politisch engagiert sind oder als hauptamtliche Funktionsträger in den Gemeinden Verantwortung tragen.

Die dritte Gruppe bilden Angehörige von Roma-Gemeinschaften, die ehrenamtlich tätig sind und bereits Erfahrungen aus einem Engagement im vorpolitischen Raum vor allem bei der Vertretung von Interessen ihrer Volksgruppe mitbringen.

Aus diesen Quellen fließen von Seiten der Roma nicht nur die auf ihrer Identität als Minderheitenangehörige beruhenden Gemeinsamkeiten in die Projektarbeit ein, sondern auch unterschiedliche Lebenssituationen, Erfahrungen, Sichtweisen und Bewertungen.

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Mehrstufiger Aufbau

Seminar auf Modulbasis

Schlüsselerlebnis

Modell der Europäischen

Akademie Sankelmark

Gemeinsame

Schnittmengen

identifizieren

Bedeutung kultureller

Diversität

Übertragbarkeit des

Grenzlandmodells

Evaluierung und best

practise Beispiele

9. Das Demokratieprojekt im einzelnen

Das Demokratieprojekt ist mehrstufig angelegt.

Stufe 1: Die Peer-Groups werden von der FUEV gemeinsam mit Vertretern der Mehrheitsbevölkerung aus den entsprechenden Herkunftsregionen in das deutsch-dänische Grenzland eingeladen, um das hiesige Modell kennen zu lernen. Dies erfolgt in einem aus verschiedenen Modulen zusammengesetzten Seminar nach folgendem Muster:

Modul 1 „Das Schlüsselerlebnis“Minderheitenangehörige berichten aus eigener Betroffenheit über negative und positive Erfahrungen im Umgang von Mehrheit und Minderheit. Im Mittelpunkt steht ein Schlüsselerlebnis, das dem Betroffenen den Weg vom Rand der Gesellschaft zu einem selbstbewussten Minderheitenvertreter geebnet hat, der die Zugehörigkeit zu seiner Volksgruppe als Bereicherung und gesamtgesellschaftlichen Mehrwert empfindet.

Modul 2 „Sankelmarker Modell“Informationsbesuche und Gespräche bei diversen Einrichtungen von Minderheiten und der Mehrheitsbevölkerung (in Anlehnung an ein bewährtes Akademieprogramm für Stipendiaten des Deutschen Bundestages)

Modul 3 „Gemeinsame Schnittmengen“Vertreter von Minderheiten und der Mehrheitsbevölkerung identifizieren im Dialog gemeinsame Interessen.

Modul 4 „LebensArt“Von einander lernen: Die Bedeutung der Minderheiten für kulturelle Diversität und der Beitrag der Roma zu Kunst, Kultur und Lebensart.

Stufe 2:Auf der zweiten Stufe identifizieren die Peer-Groups in Anlehnung an die spezifischen Gegebenheiten vor Ort, welche Elemente des deutsch-dänischen Grenzlandmodells auf ihre Situation übertragbar sind. Die FUEV übernimmt weiterhin die Rolle des Moderators bzw. Coaches. Der Prozess vor Ort muss laufend begleitet werden, bis er eine Eigendynamik entwickelt, die aus sich selbst heraus tragfähig ist.

Stufe 3:Die Peer-Groups aus den beteiligten Partnerländern werden auf Einladung der FUEV zusammengeführt, um Erfahrungen auszutauschen, die jeweiligen Prozesse in den Heimatländern zu evaluieren und best practice Beispiele für das Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheit zu entwickeln. Diese werden in geeigneter Weise dokumentiert und finden über das europaweite Netzwerk der FUEV Verbreitung.

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Alltagsbezug herstellen

Kernkompetenzen im

Mittelpunkt

Mehrdimensionaler Ansatz

Jugendbegegnung

Initiative der ungarischen

Ratspräsidentschaft

Nationale Umsetzungs-

strategien

Kooperationsprojekt

mit Ungarn

Roma im Mittelpunkt

10. Flankierung durch konkrete Projekte

Im Interesse von Praxisnähe und Berücksichtigung der Lebensrealität der Adressaten wird das Demokratieprojekt um Bildungs- und Infrastrukturmaßnahmen auf der lokalen und regionalen Ebene ergänzt. Gemeinsam ist ihnen ein Alltagsbezug, der die notwendige Verbindung zwischen theoretischem Wissen und vermehrtem gesellschaftlichen Bewusstsein auf der einen und der Nutzbarmachung des Gelernten bei der Verbesserung der konkreten Lebensverhältnisse auf der anderen Seite herstellt. Entsprechend den Kernkompetenzen der Minderheiten stehen dabei Hilfen zur Qualifizierung im Bereich von Bildung, Schule, Kultur und interkultureller Kompetenz im Mittelpunkt. Hinzu kommen – in einem integrativen Ansatz möglichst von Minderheits- und Mehrheitsangehörigen gemeinsam getragene – Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Biologischen Gartenbaus und der Landwirtschaft. Selbstversorgung aus dem Garten, genossenschaftliche Vermarktungsmodelle von Kleinerzeugern, Ernährungs- und Gesundheitsaspekte finden hier einen übergreifenden mehrdimensionalen Ansatz. Einzelne Infrastrukturprojekte mit den Schwerpunkten Jugend und Sport bieten darüber hinaus Anknüpfungspunkte für Workcamps und andere Formen der Jugendbegegnung.

11. Fact Finding Mission und Finanzierung

Die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) begrüßt die im Rahmen der ungarischen Ratspräsidentschaft initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma in Europa (Mitteilung der Kommission vom 5. April 2011, Schlussfolgerungen des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 19. Mai 2011 und Billigung durch den Europäischen Rat am 23./24. Juni 2011). Sie sieht neben den auf dieser Grundlage entwickelten Nationalen Strategien die Notwendigkeit und breiten Raum für ergänzendes zivilgesellschaftliches Engagement im Sinne des beschriebenen Projektes. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den einschlägigen Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom Dezember 2011 (www.bmi.bund.de) als auch für die von dem Ungarischen Staatsminister /Staatssekretariat für Soziale Inklusion ebenfalls im Dezember 2011 veröffentlichte Nationale Roma-Strategie.

Nachdem sowohl der Botschafter der Republik Ungarn in Deutschland als auch durch seine Vermittlung der für Romafragen zuständige ungarische Minister Interesse an dem Projekt und an einer Kooperation bekundet haben, werden im Jahr 2012 mit Hilfe der Deutschen Minderheit in Ungarn zwei Fact Finding Missionen vor Ort durchgeführt. Im Mittelpunkt stehen dabei Kontakte mit Vertretern der Roma: Es kommt vor allem darauf an, im direkten Gespräch mit ihnen mehr über ihre Bedürfnisse und Erwartungen zu erfahren und ihre Vorschläge und Anregungen bei der endgültigen Projektgestaltung zu berücksichtigen.

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Zentralrat Deutscher

Sinti und Roma

Dank für „Seed Money“

Minderheiten auf EU-

Ratsagenda

In diesem Kontext wertet es die FUEV als eine ermutigende Anerkennung ihres Engagements, dass der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma das Minderheitenprojekt ausdrücklich begrüßt und es inhaltlich mit wertvollen Hinweisen begleitet hat.

Die FUEV dankt der Hermann-Niermann-Stiftung in Düsseldorf für die finanzielle Unterstützung dieser Mission. Sie ist des weiteren dankbar, dass die Robert-Bosch-Stiftung das Projekt als förderungswürdig anerkennt und für das laufende Jahr eine Finanzierung zugesagt hat. Um das Vorhaben auf breiterer Grundlage zu ermöglichen, wird eine Förderung aus EU-Mitteln bei entsprechender nationaler Komplementärfinanzierung angestrebt.

Über den aktuellen Bezugspunkt hinaus setzt sich die FUEV dafür ein, dass die Bedeutung von Europas Minderheiten für sozialen Frieden, gesellschaftliche Kohäsion und regionale Entwicklung auf der Agenda der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft berücksichtigt wird.

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