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STEINMAYER DP-360 DIGITALPIANO Gibt es tatsächlich ein Digitalpiano aus Deutschland? Und dann sogar mit dem urdeutschen Namen Steinmayer in phonetischer Nähe zum Namen unseres Bundes- präsidenten? Diese Frage lässt sich beim Auspacken der beiden Kartons schnell beantworten: Made in Korea. Autor: Wolfgang Wierzyk Fotos: Dieter Stork

Sonderdruck Sound&Recording 02/2018 - kirstein.de · bindung zum Klavier erhalten hat. Mit Alex Steinbach, ... Die Tastaturist nicht zu leichtgängig, ... handen. Das 3-Ziffern

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STEINMAYER DP-360DIGITALPIANO

Gibt es tatsächlich ein Digitalpiano aus Deutschland? Unddann sogar mit dem urdeutschen Namen Steinmayer inphonetischer Nähe zum Namen unseres Bundes-präsidenten? Diese Frage lässt sich beimAuspacken der beiden Kartons schnellbeantworten: Made in Korea.

Autor: Wolfgang WierzykFotos: Dieter Stork

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Ein cleveres Label-Marketing aus Fernost be-dient sich der deutschen Sprache − besonders beliebtist die Silbe »Stein«, die durch die traditionsreichenFirmen Steinway und Bechstein eine sprachliche Ver-bindung zum Klavier erhalten hat. Mit Alex Steinbach,Apollo, Bachmann, Schumann, Steinburg und Wagnergibt es ähnliche Label − und mit Steinhoven als Sprach-kreuzung aus Steinway und Beethoven erreichen wir

einen vorläufigen Höhepunkt an sprachlicher Wert-schöpfung.

Aber der Schriftzug auf dem Klavierdeckel bestimmtnicht die Qualität. Die akustischen Steinmayer-Klavierewerden in der zweitgrößten chinesischen Pianofabrikin China hergestellt. Die Bejing Piano Company (BPC)

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stellt laut eigenen Abgaben ca. 50.000 Klaviere proJahr her. Die hohen Stückzahlen ermöglichen einengünstigen Herstellungspreis.

Die Digitalpiano-Sparte Steinmayer hingegen arbei-tet mit dem Hersteller Dynatone in Korea zusammen,der im Auftrag der Firma Kirstein die Instrumente ent-wickelt. Momentan werden drei Steinmayer Digital-piano-Modelle angeboten: DP-320, DP-360 und DP-

380. Das DP-360 ist für uns interessant, weil es fürknapp unter 1.000 Euro eine Echtholztastatur (RHA3W − Real Hammer Action) aufweist, die mit einemDreifach-Sensor-System die Anschlagsdynamik er-fasst und den Klangerzeuger detailreich informiert.

Das DP-360 wird in zwei Kartons geliefert und istkein Leichtgewicht: Im aufgebauten Zustand wiegt es 47 kg, was angesichts der Hammergewichtung derTastatur erklärlich ist. Die Bedienoberfläche ist über-sichtlich, und die 32 Buttons versprechen einen schnel-len Zugriff auf die verschiedenen Parameter und Funk-tionen.

Das Hauptinteresse liegt im Zusammenwirken vonTastatur und Klavierklang. Das erfährt man gleich nachdem Einschalten: Für knapp 1.000 Euro hört sich dasrichtig gut an. Der Klavierklang ist authentisch, klarund druckvoll, die je zwei 6,5"- und 2"-Lautsprecherliefern mit 2x 20 Watt einen satten und voluminösenGesamtsound. Die beiden großen Lautsprecher strah-len nach unten, während die beiden kleinen Rundlingeden Pianisten zusätzlich mit den hohen Frequenzenversorgen. Und was sehr wichtig ist: Die Anschlags-dynamik kann wirkungsvoll dosiert eingesetzt wer-den, was in dieser Preisklasse nicht selbstverständ-lich ist. Die Tastatur ist nicht zu leichtgängig, sondern erfor-dert vom Spieler einen gewissen Kraftaufwand. Da-durch kann man das DP-360 sowohl richtig leise alsauch richtig laut spielen; die beiden Hände lassen sichklanglich differenziert einsetzen, und das nicht nurandeutungsweise. Im letzten Anschlagsbereich pas-siert im Gegensatz zu manch anderen Digitalpianosnoch was. Wem das des Guten zu viel sein sollte, kanndie Anschlagsdynamik mithilfe der neun Anschlags-kurven anpassen. Die große Anschlagsdynamik hatzur Folge, dass man den Klang sehr detailliert wahr-nimmt und so zwischen bestimmten Tonbereichenkleine Klangsprünge hört. Diese Übergänge fallenerst dann auf, wenn man gezielt danach sucht. Ande-re Hersteller versuchen, das zu vermeiden, indem siedie Klavierklänge »glatt bügeln« und die Klangtiefereduzieren, was mir persönlich nicht so gefällt. Die fünf Klavierklänge lassen sich einfach durchAntippen des Piano-Buttons durchsteppen. Das ersteGrand-Piano klingt brillant, bei stärkerem Anschlagfast schon etwas bissig, es hat einen gewissen Punchund ist für Rock und Pop sehr gut geeignet. Der zwei-te Klang kommt etwas bassig und gedeckt daher, derdritte Sound ist feiner und zurückhaltender als dererste Sound, das wäre mein Favorit für Balladen undKlassik. Der vierte Klang geht in Richtung Tack-Piano,bei der fünften Variante lässt ein Chorus-Effekt einenHonkyTonk-Piano-Eindruck entstehen. In Zusammen-hang mit der variablen Anschlagsdynamik und denEinstellmöglichkeiten der Brillanz kann man einen

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wirkungsvollen und lebendigen Klang einstellen, derin dieser Preisklasse bemerkenswert ist.Die weiteren Sounds: Die Kategorien E-Piano, Or-gan, Harpsichord, Strings, Brass, Bass und Percussionenthalten ebenfalls je fünf Klänge, sodass insgesamt40 Klänge zur Verfügung stehen. Zu guter Letzt gibtes noch eine GM-Bank mit 128 General-MIDI-Sounds.Allerdings reichen diese bis auf wenige Ausnahmennicht an die Qualität der Klavierklänge heran.

Bei den E-Pianoklängen ist die gedeckte Rhodes-Suitcase-Variante zwar durchaus brauchbar, allerdingszerrt der Klang bei Hinzunahme des Chorus-Effektesund bei höherer Lautstärke. DX-Piano, Cembalo undVibrafon sind ok, aber einige Bläser sind doch rechtquäkig, und das Clavinet geht leider gar nicht. Insge-samt sind die Eindrücke durchwachsen. Hier machtsich auch bemerkbar, dass das Lautsprechersystem

für die klangvolle Wiedergabe der Klaviersounds op-timiert wurde − bei bassigen Sounds wie Kontrabassoder Rhodes-E-Piano klingt es im unteren Bereich einwenig mulmig. Trotzdem ist das zusätzliche Klang -angebot von Vorteil, wenn man ein Arrangement inverschiedenen Besetzungen ausprobieren möchteoder ein MIDI-File via USB abspielt, und dafür reichtes allemal.Ausstattung und Editier-Möglichkeiten. Der An-schluss der drei Soft-, Sostenuto- und Dämpfer-Pedalegeschieht per DIN-Stecker − einige Sounds nutzendas linke Pedal zur Effektsteuerung z. B. des Chorus-Effekts für die Orgelsounds oder lassen Bassdrum undCrash-Becken erklingen. Je ein Stereo-Miniklinken-Anschluss für Aux-In und Aux-Out ergänzen die An-schlusspalette. Mit zwei 6,3-mm-Kopfhörerausgängenkann das DP-360 von zwei Spielern auch im Unter-richt genutzt werden, im Twin-Modus lässt sich dieTastatur außerdem in zwei Hälften mit jeweils gleicherTonhöhe aufteilen. Für den Unterricht oder zum Selbst -studium steht darüber hinaus noch der Edu(cational)-Bereich zur Verfügung: 346 eingespielte Übungen und

32 Buttons auf der übersichtlichenBedienoberfläche erlauben einen direkten Zugriff auf dieKlänge und die wichtigsten Funktionen.

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Etüden der Herren Beyer, Burgmüller und Czerny las-sen sich im Tempo ändern und können mit der linkenoder rechten Hand ausgeschaltet werden. Ein Metro-nom ist selbstverständlich auch an Bord.

Ein Layer- und ein Split-Modus (mit variablem Split-Punkt) runden das Bild positiv ab, beide Modi könnensogar gleichzeitig genutzt werden. Die Sounds undEinstellungen lassen sich in fünf Registration-Memo-ries »konservieren«. Ein 3-Spur-Recorder dient zurAufnahme eigener Ideen und Einspielungen, wobeider interne Speicher 4.500 Events für jede Spur fasst.Leider gibt es keine Möglichkeit zum Einladen vonSongs oder zum Archivieren der Registrations und

der Songs via USB, allerdings lässt sich das DP-360problemlos mit einem PC verbinden und als Einspiel-Keyboard oder als Wiedergabe-Klangerzeuger einesSMF-Files einsetzen. MIDI-Anschlüsse sind nicht vor-handen.

Das 3-Ziffern-Display liefert zwar nur karge Infor-mationen, es reicht aber für die vorhandenen Funk-tionen aus, weil sich die meisten mithilfe der Buttonsdirekt aufrufen lassen. Weitergehende Einstellungenerreicht man über den Setup-Button: Dort könnenMaster Tune und Key Transpose ebenso wie Reverboder Effect-Typ und Volumen verändert werden, selbstdie Geräusche der Saiten- und der Dämpferresonanzlassen sich justieren − das ist in dieser Preisklasseeine erstaunlich vielfältige Ausstattung.

Last but not least kann mithilfe der MIDI-Local-Control-Funktion die interne Klangerzeugung abge-schaltet werden − das ist wichtig, wenn das DP-360als Einspiel- und/oder als Wiedergabeinstrument eines Computerprogramms genutzt werden soll.

Die englischsprachige Bedienungsanleitung lässtsich schnell durcharbeiten, das meiste ergibt sich aberohnehin intuitiv. Das DP-360 weist eine Polyfonie von256 Stimmen auf. Es gibt 3 Jahre Garantie, die derexklusive Steinmayer-Vertrieb Kirstein in seiner Ser-vicewerkstatt in Schongau abwickelt.Fazit: Eine echte Holz-Hammertastatur für einenCent unter der vierstelligen Schallgrenze von 1.000Euro, dazu gute und dynamisch ansprechend aufbe-reitete Pianoklänge − das sind die Trümpfe des DP-360, und das ist ja schließlich der Hauptgrund, warumman ein Digitalpiano kauft − die Qualität der meistenweiteren Sounds kann da nicht ganz mithalten. DasDP-360 ist solide verarbeitet, übersichtlich und gut zu bedienen, technisch flexibel mit Twin-Modus undgleichzeitig nutzbarem Split- und Layer-Modus aus-gestattet, und auch die Zugriffmöglichkeiten auf diver-se Parameter stehen auf der Plus-Seite. Angesichtsdes günstigen Preis/Leistungs-Verhältnisses werdenSteinmayer Digitalpianos demnächst wohl des Öfterenin den Wohnzimmer oder Unterrichtsräume anzutref-fen sein. [5231]

Unter der Tastatur sind dieAnschlüsse in einem kleinen Kästchen untergebracht:2x Kopfhörer, Aux-In, Aux-Out und USB.