Spiegel: Die Spione vom East River

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  • 8/8/2019 Spiegel: Die Spione vom East River

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    Der Betreff des Dokuments klingtharmlos: Berichts- und Sammel-anforderungen: Die Vereinten Na-tionen. Doch die geheime Depeschevom 31. Juli 2009, einer der brisantestender jetzt verffentlichten Botschaftsbe-richte, hat es in sich: Auf 29 Seiten for-dert das Auenministerium der Vereinig-ten Staaten darin seine Diplomaten auf,die Uno und ihre fhrenden Kpfe aus-

    zusphen.Das Papier mit den Spionage-Anwei-

    sungen ging an die amerikanische Uno-Vertretung in New York sowie an 30 US-Botschaften weltweit, von Amman berBerlin, Paris und London bis nach Zagreb.Auenministerin Hillary Clinton hat esabgezeichnet. Es ist der bislang streng un-ter Verschluss gehaltene Nationale Be-schaffungsplan unter Einsatz mensch-licher Quellen (National Humint Col-lection Directive).

    Der Grat zwischen der Arbeit der Di-plomaten und der Arbeit der Geheim-dienste ist von jeher schmal. Das diplo-matische Corps sammelt auf legalem WegInformationen, bewertet sie und bereitetdamit die Grundlage fr die eigene Au-

    enpolitik. Die Nachrichtendienste infil-trieren und fhren Quellen, alles mg-lichst unsichtbar. Aber oft am Rande oderauch jenseits der Legalitt.

    Folgt man dieser Unterteilung, dannbetreibt das State Department neben demdiplomatischen auch ein nachrichten-dienstliches Geschft, dessen Leitlinienin Clintons Beschaffungsplan festgeschrie-ben sind. Selbst ber Uno-Generalsekre-

    tr Ban Ki Moon wollen die Amerikaneralles wissen. Die Ergebnisse flieen of-fenkundig weiter an die CIA oder andereUS-Nachrichtendienste.

    Als Begrndung fr den Spionageauf-trag legt Clinton offen, dass ein Groteilder Informationen, mit denen die Ge-heimdienste arbeiten, aus den weltweitzusammengetragenen Berichten von Au-enamtsmitarbeitern stamme.

    Die Diplomaten sollten ber ihre Kon-takte so viel wie mglich in Erfahrungbringen, darunter: Bro- und Organisationsbezeichnun-

    gen, Namen, genaue Bezeichnung derStellung;

    Nummern von Telefonen, Handys, Pa-gern und Faxen; Zusammenfassungen

    von Kontaktinformationen wie etwaTelefon- und E-Mail-Verzeichnisse;

    Kreditkarten- und Vielflieger-Kunden-nummern, Dienstplne und andere ver-

    trauliche Informationen;In vielen Fllen geht der Informations-hunger noch weiter, gesammelt werden: biometrische Daten; Passwrter fr Verschlsselungen.

    hnliche Aufforderungen zur Bespit-zelung gibt es fr viele Staaten, etwa Pa-raguay und Palstina, acht westafrikani-sche Staaten, wie Burkina Faso, Maure-tanien und Senegal, sowie diverse StaatenOsteuropas.

    Die Themen, die das State Departmentbei der Uno interessieren, sind breitgef-chert. Auf der Prioritten-Liste vomJuli 2009 steht Darfur/Sudan an erster

    Stelle, noch vor Afghanistan/Pakistan,Somalia, Iran und Nordkorea. Dazu kom-men acht andauernde Schlsselthemenwie die Reform des Uno-Sicherheitsrates,der Irak, der Friedensprozess im NahenOsten, Menschenrechte und Kriegsver-brechen.

    Derartige Methoden verstoen gegenalle Regeln, die sich die Vereinten Natio-nen gegeben haben. In der Konventionber die Privilegien und die Immunittder Vereinten Nationen sowie im Wie-ner bereinkommen ber diplomatischeBeziehungen ist festgeschrieben, dasskeine Spionagemethoden angewandt wer-den sollen. Zudem haben die USA mitden Vereinten Nationen 1947 ein direktesAbkommen geschlossen, das verdeckte

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    Uno-Generalsekretr Ban Ki Moon in New York

    Die Spione vom East RiverUS-Diplomaten sollen die Uno aussphen auch

    Generalsekretr Ban Ki Moon und seine Mitarbeiter.

    Depesche des State Department vom 31. Juli 2009:

    Bericht erstattende Beamte sollten so viele Informatio-

    nen wie mglich beifgen, die sich auf ihr Wissen der ge-

    nannten Personengruppe beziehen: Bezeichnungen des

    Amts und der Organisation; Namen, Positionen und andereInformationen, die auf Visitenkarten enthalten sind; Tele-

    fon-, Handy- und Fax-Nummern; Verzeichnisse von Kontak-

    ten wie Telefonlisten (auf CD oder elektronisch, wenn mg-

    lich) und E-Mail-Adressen sowie Internet-Zugangscodes;

    Nummern von Kreditkarten und Vielflieger-Konten; Dienst-

    plne und andere relevante biografische Informationen.

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    Aktivitten ausschliet. Aber diese Ab-machungen sind schon Jahrzehnte alt,und an den fragwrdigen Nebenjobs derDiplomaten scheint sich noch kaum je-mand gestrt zu haben. Abhren inner-halb der Uno sei eine Art Tradition,sagte der frhere Uno-Generalsekretr

    Boutros Boutros-Ghali.Erstmals liegt mit dem Nationalen Be-

    schaffungsplan nun ein offizielles Re-gierungsdokument vor, das den Einsatzdunkler Methoden durch die US-Admi-nistration formal belegt. Angesichts desnun enthllten Dokuments wird es denamerikanischen Diplomaten schwerfal-len, ihre Aktivitten zu dementieren. Zudetailliert, zu umfassend ist dargelegt,was die amerikanische Auenpolitik in-teressiert.

    Beim Thema Iran etwa stehen die Pl-ne und Absichten des Uno-Generalsekre-trs und seiner direkten Mitarbeiterganz oben auf der Wunschliste, dicht ge-folgt von den spezifischen Absichtenvon Grobritannien, Frankreich, Deutsch-land und Russland.

    Wie Ban Ki Moon und seine Mitar-beiter im Generalsekretariat der Verein-ten Nationen zum Libanon, dem irani-schen Atomprogramm und zu Haiti ste-hen, sollen die amerikanischen Hilfs-spione ebenso in Erfahrung bringen wieihre Haltung zu Einzelfragen, etwa zumUmgang mit terroristischen Gruppie-rungen.

    Die Anforderungen gehen weit ber

    das normale Ma diplomatischen Interes-ses hinaus.So wnscht sich Clinton etwa biogra-

    fische und biometrische Informationenzu den permanenten Re-prsentanten des Uno-Si-cherheitsrates und Infor-mationen ber derenVerhltnis zu ihren Re-gierungen, inklusivemglicher Differenzenzwischen den Uno-Mis-sionen und ihren Haupt-stdten. Fingerabdrckefranzsischer Diploma-

    ten, Krpermae bei Chi-nesen und Iris-Scans beiden Russen?

    hnliche Wnschegibt es dem Dokumentzufolge fr die stndigenVertreter der Gruppeder 77, also der Ent-wicklungs- und Schwel-lenlnder, und der blockfreien Mitglied-staaten, speziell China, Kuba, gypten,Indien, Indonesien, Malaysia, Pakistan,Sdafrika, Sudan, Uganda, Senegal undSyrien.

    Besonders interessiert ist das Auen-ministerium auch an internen Kommuni-kationseinrichtungen der Uno. Clintonfordert in ihrer Wunschliste nicht nur al-

    les ber die Telekommunikationssystemeder Organisation, sondern auch eine Flledigitaler Details ber geplante Upgrades,Sicherheitsmanahmen, Passwrter, per-snliche Codes fr die Verschlsselung.Die Intention scheint klar: Mit diesenInformationen kann der Abhrgeheim-

    dienst NSA anschlieend leichter Tele-fone, Computer und E-Mail-Konten atta-ckieren.

    Angriffe mit Hilfe moderner Techniksind in der Geschichte der Uno immerwieder vorgekommen. 2004 entfachte dieehemalige britische Ministerin ClareShort einen Skandal, als sie in einem In-terview zugab, Spione wrden regelm-ig die Kommunikation hochrangigerUno-Vertreter mitschneiden, auch die desGeneralsekretrs. Sie habe selbst Tran-skripte von berwachten GesprchenKofi Annans gesehen.

    Legendr ist auch der Lauschangriffder Briten im Vorfeld des Irak-Kriegs. Aufdringende Bitten der NSA hin klinktensie sich wohl bei mehreren Mitgliederndes Uno-Sicherheitsrates ein, um derenAbstimmungsverhalten bei der Resolu-tion gegen das Regime von Saddam Hus-sein herauszufinden. Der Skandal wurdeffentlich, weil eine junge bersetzerindes britischen Geheimdienstes die Anwei-sung ausdruckte und einer Zeitung zu-spielte.

    Gleich mehrmals fanden TechnikerWanzen in der Uno. Im April 2006 stie-en Arbeiter bei einer Wartung auf elek-

    tronische Bauteile, die im Genfer Palaisdes Nations, Salon C 108 versteckt waren.Wert der Anlage: um die 65000 Euro.hnliche Gerte hatten Spezialisten be-

    reits 2004 ausgemacht.Eines eint allerdings dasdiplomatische wie das ge-heimdienstliche Gewer-be: Man lsst sich nichterwischen. Weder beidem Lauschangriff aufKofi Annan noch bei denversteckten Wanzen inGenf lie sich ein Nach-weis fr die Herkunft der

    Gerte fhren. Das istdiesmal anders.

    Und doch: ErnsthafteKonsequenzen muss Au-enministerin Clintonwohl nicht frchten, zusehr sind alle Beteiligtendarauf bedacht, das Ge-sicht zu wahren. Selbst

    der Uno-Generalsekretr blieb bislangimmer diplomatisch.

    2004 telefonierte Annan nach Bekannt-werden der Spionageaffre mit dem bri-tischen Uno-Botschafter Emyr Jones Par-ry. Wenn die Vorwrfe zutrfen, lie An-nan in der schwchsten aller denkbarenEmprungsformen mitteilen, sei er ent-tuscht. M R, H S

    Titel

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    SINTESI/VISUM(

    L.)

    ;SHEN

    HONG/XINHUA/GAMMA/EYEDEAPRESSE/LAIF(O.)

    Uno-Zentrale in New York

    Fragwrdige Nebenjobs