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SRG-Generaldirektor Roger de Weck baut auf die Trägerschaft SRG SSR Roger de Weck: «Dank der Trägerschaft sind wir staatsfern.» Seite 4 SRF «10vor10»-Produzent Andri Franziskus im Porträt. Seite 7 SRG.D Mitglieder an den 46. Solothurner Filmtagen. Seite 8 Publikumsrat Beobachtungen: SF 1: «SwissAward» DRS 3: «Uf u dervo». Seite 10 Ombudsstelle Umstrittene SRG- Meinungsumfragen. Seite 12 Carte blanche Nadine Masshardt: «Warum Politiker nicht Journalisten werden.» Seite 13 Zürich Schaffhausen Seminar für Medienkritik. Seite 14 Neue PC-Schule für Anfänger. Seite 15 «Puls» – Gesundheits- magazin ohne Risiken? Seite 16 Magazin des Publikumsrats und der Mitgliedgesellschaften der SRG Deutschschweiz Ausgabe 1/2011 Bild: Charles Benoit

SRG-Generaldirektor Roger de Weck baut auf die Trägerschaft

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SRG-Generaldirektor Roger de Weck baut auf die Trägerschaft

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Page 1: SRG-Generaldirektor Roger de Weck baut auf die Trägerschaft

SRG-Generaldirektor Roger de Weck baut auf die Trägerschaft

SRG SSRRoger de Weck: «Dank der Trägerschaft sind wir staatsfern.» Seite 4

SRF «10vor10»-Produzent Andri Franziskus im Porträt. Seite 7

SRG.D Mitglieder an den 46. Solothurner Filmtagen. Seite 8

PublikumsratBeobachtungen:SF 1: «SwissAward» DRS 3: «Uf u dervo». Seite 10

OmbudsstelleUmstrittene SRG-Meinungsumfragen. Seite 12

Carte blancheNadine Masshardt: «Warum Politiker nicht Journalisten werden.» Seite 13

Zürich Schaffhausen

Seminar für Medienkritik. Seite 14

Neue PC-Schule für Anfänger. Seite 15

«Puls» – Gesundheits-magazin ohne Risiken? Seite 16

Magazin des Publikumsrats und der Mitgliedgesellschaften der SRG DeutschschweizAusgabe 1/2011

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Seit einem Monat ist Roger De Weck, der neue Generaldirektor der SRG SSR, im Amt – und schon kam es seitens Politiker und privater Medien zu zahlreichen Forderungen, Kritiken und Druckversuchen. Im Gespräch mit LINK sagt er nun, was ihm der Rückhalt durch eine unabhängige Trägerschaft bedeutet und was er unter den Begriffen «Service public» und «Qualité populaire» versteht.

«Dank der Trägerschaft sind wir staatsfern»

im Gespräch mit Generaldirektor roger de weck

«Im globalen Massstab sind wir Zwerge» – Für SRG-Generaldirektor Roger de Weck (links) ist es unabdingbar, dass die Medien in der Schweiz anfangen, sich gegenseitig zu stärken. Hier im Gespräch mit LINK-Journalist Markus Knöpfli.

LINK: Die SRG SSR hat eine Trägerschaft mit 20 000 Mitgliedern: ein Vorteil oder ein Nachteil?Roger de Weck: Trägerschaft bedeutet im Wortsinn, dass wir von Mitgliedern aller Landesteile und aller Schichten getragen werden – ein Privileg, denn so sind wir

staatsfern. Anders in Deutschland, wo Par-teienproporz herrscht, oder in Frankreich, wo der Präsident schaltet und waltet. Ganz zu schweigen von Italien. Die Trägerschaft in Gestalt eines privaten, demokratisch verfassten Vereins macht eine Stärke der SRG aus. Gäbe es eines Tages politischen

Druck, wäre der Rückhalt durch eine un-abhängige Trägerschaft Gold wert. Jeden-falls bin ich stolz, von den Delegierten die-ser Trägerschaft gewählt zu sein.

20000 Mitglieder sind aber unberechen-barer als ein Gremium mit Parteienproporz.

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interessiert sein, einander zu stärken statt zu schwächen. Ich bin da zuversichtlich.

Welches sind denn die wichtigsten Ge-genspieler der SRG?Unsere derzeit mächtigsten Konkurrenten sind die Anbieter von TV und Radio in den Nachbarländern: France 2 zum Beispiel hat für ein Programm in einer Sprache ein Budget, das grösser ist als das der gesam-ten SRG. Auch die grossen deutschen Sen-der haben unvergleichlich mehr Mittel. Die zweite Gruppe bildet die Vielzahl winziger Anbieter, die bloss 0,1 oder 0,3 Prozent Marktanteil haben, zusammen aber stärker sind als die SRG. Und die dritte Gruppe sind diejenigen, die sich demnächst mit uns um das Hybrid-TV – also das Ineinander von TV und Internet – balgen: Das sind Geräteher-steller wie Samsung, Telekom-Unternehmen wie Swisscom, Kabelfirmen wie Cablecom. Und vor allem die neuen Intermediäre

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Noch vor Amtsantritt hatte ich quer durchs Land viele Kontakte mit der Trägerschaft. Da habe ich gemerkt, was die SRG an ihr hat: Es sind 20 000 Botschafterinnen und Botschafter, die mit Engagement den Ser-vice public vertreten. Umgekehrt bringen sie auch die Anliegen der Gesellschaft ein. Wir dürfen uns glücklich schätzen, so ver-fasst zu sein.

schen Trägerschaft und SRG-Führung beleben. Das haben wir bereits getan – das werde ich fortführen.

Die Mitgliederzahlen stagnieren. Dage-gen will die Trägerschaft nun aktiv wer-den. Befürworten Sie das?Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Niggi Ullrich hat einen Bericht vorgelegt. Dieser zeugt vom Willen der Trägerschaft, sich zu verbreiten und die SRG wirksamer zu un-terstützen. Das begrüsse ich, nicht nur mit Worten. Obwohl wir in Sparzeiten sind, er-hält die Trägerschaft für 2011 mehr Geld – ein starkes Zeichen. Ich hoffe natürlich, dass sie Nägel mit Köpfen macht. Dass sich ihr grösserer Spielraum ganz konkret zugunsten der SRG auswirkt.

Kommen wir auf die Herausforderung -en zu sprechen, die auf die SRG zukom-men ...Darf ich zuvor den Mitgliedern einen Dank aussprechen? Ihr Engagement ist nicht selbstverständlich, sondern eidge-nössische Tugend.

Wie gut sehen Sie die SRG für die digitale Zukunft gerüstet?Wir stehen mitten in einem Umbruch wie zu Zeiten, als der Buchdruck erfunden wurde: Dieser erleichterte das Aufkom-men der bürgerlichen Gesellschaft, politi-scher Parteien und der Demokratie. Wenn sich die Welt der Medien ändert, ändert sich die Gesellschaft. Das birgt Chancen. Wer diese nutzen will, muss am Service public des digitalen Zeitalters arbeiten. Das ist die strategische Aufgabe. Die SRG befindet sich heute in einem Umfeld, in dem die wichtigsten Akteure Google, Apple, Microsoft oder Facebook heissen. Überfällig ist eine Debatte über die Zu-kunft des Medienplatzes Schweiz – nur dank Debatten wird man klüger.

Wie lang kann die SRG darauf warten?Unternehmen wie Ringier, Tamedia-Edipres-se, NZZ, AZ Medien, Südostschweiz oder die SRG sind für die Schweiz zwar gross, im glo-balen Massstab aber Zwerge. Wir «gros sen Kleinen» werden früher oder später daran

«Überfällig ist eine Debatte über die Zukunft des Medienplatzes Schweiz – nur dank Debatten wird man klüger.»

«Wir dürfen uns glücklich schätzen, so verfasst zu sein.»

Die Trägerschaft positioniert sich mit dem Projekt «Zivilgesellschaftliche Rolle der Trägerschaft» neu. Wie sehen Sie deren Rolle in Zukunft?Sie ist durch die neuen SRG-Statuten defi-niert. Diese gilt es jetzt zu achten und zu leben. Auch indem wir die Kontakte zwi-

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wie Apple mit Apple-TV oder Google mit Google-TV. An Wettbewerbern fehlt es uns nicht.

Eine weitere Herausforderung bilden die Finanzen: Die Gebühren sind bis 2014 festgelegt. Muss die SRG deshalb Pro-gramme abbauen?Die Prüfung unseres Angebots erfolgt nicht im Rahmen von Sparprogrammen, sondern im Zeichen einer Angebotsstrate-gie, die wir weiterentwickeln. Rote Zahlen sind aber Gift für den Service public. Bleibt ein schwerer Einbruch der Kon-junktur aus, sieht das Budget 2011 schwar-ze Zahlen vor, ohne dass Programme ge-strichen werden müssen. Über 2011 hinaus brauchen wir mehr finanziellen Handlungsspielraum, damit die SRG in Zukunftstechnologien investieren kann.

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Zur PersonRoger de Weck (57) hat in St. Gallen Wirt­schaft studiert. Er war Chefredaktor des Zürcher «Tages­Anzeigers» und der Ham­burger Wochenzeitung «Die Zeit», danach freier Publizist. Der zweisprachige Ehren­doktor der Universitäten Freiburg und Lu­zern ist in Genf und Zürich aufgewach­sen. Er ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern.

«Service public ist kein Service résiduel, der bloss für die Rest-posten zuständig wäre.»

«‹Qualité populaire› ist der Versuch, nicht nur das Interes-sante anzubieten, sondern das Wichtige interessant aufzube-reiten.»

Stichwort Service public: Die einen betrachten ihn als Voraussetzung dafür, dass sich die Menschen in der Welt

orientieren können; sein Angebot wäre also umfassend. Auf der anderen Seite besteht die Auffassung, Service public müsse sich auf das beschränken, was der Markt nicht bieten kann; sein Angebot wäre also ergänzend. Was ist Ihre Haltung?Service public ist kein Service résiduel, der bloss für die Restposten zuständig wäre. Vielmehr geht es darum, in diesem heterogenen Land einen öffentlichen Raum zu sichern. Ohne Service public hätten die kleineren Landesteile kein or-dentliches Radio und TV. Der Service pub-lic verlangt deshalb, dass das Publikum stärker über die anderen Sprachgruppen informiert wird. Wer hingegen rein kom-merziell funktioniert, der wird solche An-strengungen unterlassen und sich fast nur mit der Deutschschweiz befassen, denn das kommt beim Publikum leichter an. Unser Ziel ist «qualité populaire»: einem breiten Publikum auch komplexe Fragen vermitteln.

Lässt sich konkretisieren, was Sie mit «qualité populaire» meinen?Es ist der Versuch, nicht nur das Interes-sante anzubieten, sondern das Wichtige interessant aufzubereiten. Viel Wichtiges ist derart komplex, dass es das breite Pub-likum abschreckt. Die journalistische Kunst besteht darin, eine komplexer wer-dende Welt möglichst genau abzubilden und dafür das Interesse des Publikums zu wecken. Das ist für mich «qualité populaire», sie gilt für eine Tagesschau wie für eine Kultursendung, für eine Wirtschafts- oder eine Sportsendung. Schauen Sie Matthias Hüppi zu, wie er mit Bernhard Russi ein Skirennen kommentiert: Das ist höchste Kompetenz, die jedem, der zuschaut, zu-gänglich ist.

Sie schrieben in der NZZ: «Der Service public wird sich eher deutlicher von pri-vaten Anbietern unterscheiden.» Was

macht die SRG anders als Private?Sie setzt Akzente auch dort, wo es sich kommerziell ganz und gar nicht lohnt, wo es aber dem Gemeinwesen dient. Indem sie nicht nur das Interessante aufgreift, sondern auch das Wichtige. Oder indem sie intensiver recherchiert. Oder indem sie entgegen dem Trend die Auslandbe-richterstattung ausbaut. Das sind Beispiele. Überhaupt: Die meisten kommerziellen Anbieter vernachlässigen die Information, weil sie viel kostet.

Für grosse Sportprojekte benötigt die SRG immer mehr Mittel: Von 1998/99 bis 2008/09 verdoppelten sich die Ausgaben auf 51 Millionen Franken. Gebühren und Werbeeinnahmen halten da nicht mit. Gehören solche Projekte wirklich zum Service public?Es ist nicht auszuschliessen, dass wir bei einem Grossanlass auch einmal passen müssen, falls die Übertragungsrechte in astronomische Höhen schiessen. Es kam ja schon vor, dass die SRG aus Kostengrün-den verzichtete. Aber es ist wohl kein Zufall, dass die SRG mehr Sportanlässe überträgt als jeder andere Service-public-Anbieter in Europa. Denn der Sport vermittelt gemein-same Erlebnisse in einem Land der vier Kulturen. Eine Willensnation muss den Willen zum Gemeinsamen aufbringen, und im Rahmen des finanziell Möglichen wird Sport ein sehr, sehr wichtiges Ange-bot bleiben.

Interview: Markus Knöpfli