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2 16. November 2005 H I N T E R G R U N D PferdeWoche Stangentraining Mikado für die Pferdebeine Pferde-Physiotherapeut John Fernand Marti för- dert Schwung und Balance der Vierbeiner mittels ge- zielten Stangentrainings. Yvonne Wickart Auf den ersten Blick scheint es eine unspektakuläre An- gelegenheit zu werden. Da liegen dreizehn weisse Stan- gen im Abstand von rund 90 Zentimeter hintereinander auf dem Hallenboden. Die Teilnehmer des Stangenar- beitskurses sind am Auf- wärmen und Trainer John Fernand Marti rückt die letzten Holzstangen an ihren Platz. Dann wird an- getrabt und hintereinander die Stangenreihe passiert. Vereinzelt schlagen Hufe ans Holz und mahnen die Pferde zur Vorsicht. «Ich er- teile keinen Reitunterricht. Die Lektionen sind reine Arbeitsstunden für Pferde. Nur wenn ein Reiter das Pferd bei der Arbeit stört, gebe ich Korrekturen», er- klärt Marti sein Prinzip. So treffen sowohl Western- wie Englischreiter, Freizeit- oder Sportpferde in der gleichen Gruppe aufeinan- der. «Diese Mischung trägt zu einer freundschaftlichen Ambiance bei. Der Unter- richt soll allen Beteiligten Spass machen.» Bereits nach den ersten Übungen richten die Pferde ihre Ko n- zentration voll und ganz auf die Stangenarbeit. «Bis zu 500 Mal traben die Pferde während einer Stunde über die Hölzer. Was wesentlich dazubeiträgt, dass die Nach- hand aktiviert wird.» Das erleben auch die Kursteil- nehmer so: «Mein Pferd fühlt sich nach der Arbeit an, als wäre es ‘durchgekne- tet’ worden», bemerkt Käthy Baechler, die mit ihrem fünfjährigen PRE Orgulloso teilnimmt. Das Stangentraining entspanne und lockere ihr Pferd und es verhelfe ihm, seine Hinter- hand kraftvoller einzuset- zen, stellt Käthy Baechler fest. Durchlässig und wendig Nachdem die Pferde ihren Takt gefunden haben, s t e i- gert John Fernand Marti die Anforderungen. Er teilt das Teilnehmerfeld in Gruppen auf, die sich beim Stangen- treten kreuzen. «Dies ist eine gute Übung für Pferde, die beim Kreuzen Pro- bleme bereiten. Sie müssen sich so auf die Stangen kon- zentrieren, dass sie sich nicht mehr von den ihnen entgegenkommenden Pfer- den irritieren lassen», weiss der Trainer. Das Quadril- lenreiten fordert von den Teilnehmern, dass Sie das Tempo aufeinander abstim- men, was ein Aufnehmen oder Zulegen verlangt und wiederum die Durchlässig- keit schult. Gleichgewicht, Takt- und Distanzgefühl von Reiter und Pferd wer- den mit dem Stangentrai- ning gefestigt. «Die Pferde zeigen sich durchlässiger und wendiger», erklärt Marti und legt ein neues Muster. Mit den 25 Stangen kann er 270 verschiedene Figuren bilden. Je nach Ausbil- dungsstand und Ziel der Teilnehmenden stellt John Fernand Marti eine massge- schneiderte Gymna- stikstunde zusammen. Die Stangenarbeit erfolgt vor- wiegend im Trab.Als erhöh- ten Schwierigkeitsgrad baut der Trainer je nach Bedarf kleinere Gymna- stiksprünge im Galopp ein. Gelernt hat John Fernand Marti sein Stangenhand- werk in Saumur nach der traditionellen Methode des Cadre Noir. Kondition verbessern Zufrieden schnaubend und zunehmend schwungvoller überqueren die Pferde freudig vorwärtsgehend die Stangen. «Die Pferde be- wegen sich, als hätten sie Ballettschuhe an und schweben nur so über den Boden», ist Françine Peter begeistert. Sie reitet mit ihrem fünfjährigen Quar- terhengst Hickorys Black Olena mit. «Verspannun- gen lösen sich, die Ko n d i- tion verbessert sich und mental wird Pferd und Rei- ter Abwechslung geboten, wobei der Spassfaktor gross geschrieben wird», ist sie überzeugt. Und wie es sich bei einem professionel- len Training für Athleten gehört, wird dieses mit Dehnungsübungen abge- schlossen, welche der ge- lernte Pferde-Physiothera- peut Marti gleich selber be jedem Pferd durchführt. Bis zu 500 Stangen bewältigen die Pferde in einer Trainingsstunde. Fotos: Yvonne Wickar Die Pferde werden mental gefordert. Die Stangenarbeit aktiviert Hinter- und Vorhand. John Fernand Marti. Richtige Distanz Die Stangen liegen zwar lose auf dem Boden, doch Trainer John Fernand Marti weiss aus seiner langjähri- gen Erfahrung, dass nicht die losen Stangen beim Drauftreten gefährlich für die Pferdebeine werden können, sondern falsch be- rechnete Distanzen zwi- schen den Stangen und Rei- terhände, welche das Pfer- demaul stören.

Stangentraining Mikado für die Pferdebeine · 2 16. November 2005 HI N T E R G R U N D PferdeWoche Stangentraining Mikado für die Pferdebeine P f e r d e - P h y s i o t h e r ap

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2 16. November 2005 HI N T E R G R U N D PferdeWoche

Stangentraining

Mikado für die PferdebeineP f e r d e - P h y s i o t h e r ap e u tJohn Fernand Marti för-dert Schwung und Balanceder Vierbeiner mittels ge-zielten Stangentrainings.

Yvonne WickartAuf den ersten Blick scheintes eine unspektakuläre A n-gelegenheit zu werden. D aliegen dreizehn weisse Stan-gen im Abstand von rund 90Zentimeter hintereinanderauf dem Hallenboden. D i eTeilnehmer des Stangenar-beitskurses sind am Au f-wärmen und Trainer Jo h nFernand Marti rückt dieletzten Holzstangen anihren Platz. Dann wird an-getrabt und hintereinanderdie Stangenreihe passiert.Vereinzelt schlagen Hufeans Holz und mahnen diePferde zur Vo r s i c h t . «Ich er-teile keinen Reitunterricht.Die Lektionen sind reineArbeitsstunden für Pferde.Nur wenn ein Reiter dasPferd bei der Arbeit stört,gebe ich Ko r r e k t u r e n » , e r-klärt Marti sein Prinzip. S otreffen sowohl Western- wieE n g l i s c h r e i t e r, Fr e i z e i t -oder Sportpferde in dergleichen Gruppe aufeinan-d e r. «Diese Mischung trägtzu einer freundschaftlichenAmbiance bei. Der Unter-richt soll allen BeteiligtenSpass machen.» Bereitsnach den ersten Übungenrichten die Pferde ihre Ko n-zentration voll und ganz aufdie Stangenarbeit. «Bis zu500 Mal traben die Pferdewährend einer Stunde über

die Hölzer. Was wesentlichd a z u b e i t r ä g t , dass die Nach-hand aktiviert wird.» Daserleben auch die Ku r s t e i l-nehmer so: «Mein Pferdfühlt sich nach der A r b e i ta n , als wäre es ‘ d u r c h g e k n e-tet’ worden», b e m e r k tKäthy Baechler, die mitihrem fünfjährigen PREOrgulloso teilnimmt. D a sStangentraining entspanneund lockere ihr Pferd und esverhelfe ihm, seine Hinter-hand kraftvoller einzuset-z e n , stellt Käthy Baechlerf e s t .

Durchlässig und we n d i gNachdem die Pferde ihrenTakt gefunden haben, s t e i-gert John Fernand Marti dieA n f o r d e r u n g e n . Er teilt dasTeilnehmerfeld in Gruppena u f, die sich beim Stangen-treten kreuzen. «Dies isteine gute Übung für Pferde,die beim Kreuzen Pro-bleme bereiten. Sie müssensich so auf die Stangen kon-z e n t r i e r e n , dass sie sichnicht mehr von den ihnenentgegenkommenden Pfer-den irritieren lassen», w e i s sder Tr a i n e r. Das Quadril-lenreiten fordert von denTe i l n e h m e r n , dass Sie dasTempo aufeinander abstim-m e n , was ein Au f n e h m e noder Zulegen verlangt undwiederum die Durchlässig-keit schult. G l e i c h g e w i c h t ,Takt- und Distanzgefühlvon Reiter und Pferd wer-den mit dem Stangentrai-ning gefestigt. «Die Pferdezeigen sich durchlässiger

und wendiger», e r k l ä r tMarti und legt ein neuesM u s t e r.Mit den 25 Stangen kann er270 verschiedene Fi g u r e nb i l d e n . Je nach Au s b i l-dungsstand und Ziel derTeilnehmenden stellt Jo h nFernand Marti eine massge-schneiderte Gymna-stikstunde zusammen. D i eStangenarbeit erfolgt vor-wiegend im Tr a b.Als erhöh-ten Schwierigkeitsgrad bautder Trainer je nach Bedarfkleinere Gymna-stiksprünge im Galopp ein.Gelernt hat John Fe r n a n dMarti sein Stangenhand-werk in Saumur nach dertraditionellen Methode desCadre Noir.

Kondition ve r b e s s e r nZufrieden schnaubend undzunehmend schwungvollerüberqueren die Pferdefreudig vorwärtsgehend dieS t a n g e n . «Die Pferde be-wegen sich, als hätten sieBallettschuhe an undschweben nur so über denB o d e n » , ist Françine Peterb e g e i s t e r t . Sie reitet mitihrem fünfjährigen Quar-terhengst Hickorys BlackOlena mit. « Ve r s p a n n u n-gen lösen sich, die Ko n d i-tion verbessert sich undmental wird Pferd und Rei-ter Abwechslung geboten,wobei der Spassfaktorgross geschrieben wird», i s tsie überzeugt. Und wie essich bei einem professionel-

len Training für A t h l e t e ng e h ö r t , wird dieses mitDehnungsübungen abge-s c h l o s s e n , welche der ge-lernte Pferde-Physiothera-peut Marti gleich selber beijedem Pferd durchführt.

Bis zu 500 Stangen bewältigen die Pferde in einer Tr a i n i n g s s t u n d e . Fotos: Yvonne Wickart

Die Pferde werden mental geford e rt .Die Stangenarbeit aktiviert Hinter- und Vo rh a n d . John Fernand Mart i .

Richtige DistanzDie Stangen liegen zwarlose auf dem Boden, dochTrainer John Fernand Martiweiss aus seiner langjähri-gen Erfahrung, dass nichtdie losen Stangen beimDrauftreten gefährlich fürdie Pferdebeine werdenkönnen, sondern falsch be-rechnete Distanzen zwi-schen den Stangen und Rei-terhände, welche das Pfer-demaul stören.