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Zbl. Vet. Med. B, 18, 293-305 (1971) @ 1971 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg Aus dern Institut fiir Mikrobiologie und Infektionskrankheiten der Tiere der Ltrdwig-Maximilians-Universitat Miinchen Statistische Untersuchungen uber die im AnschluB an die Maul- und Klauenseuche-Schutzimpfungen von 1967-1910 in Bayern aufgetretenen Storungen der Trachtigkeit*) Von G. BALJER und A. MAYR Mit 3 Abbildungen und 4 Tabellen (Eingegangen am 20. Marz 1971) Die in Bayern in den Jahren 1967-1970 durchgefuhrten Schutzimpfun- gen gegen die Maul- und Klauenseuche (MKS) wurden durch zwei unter- schiedliche Gruppen von Impfschaden belastet. Es handelte sich einmal um die Gruppe der Allergien, wobei man zwischen spat- und fruhreagierenden Aller- gien zu unterscheiden hatte, und zum anderen urn die Gruppe der Trachtig- keitsstorungen. Sonstige Impfschaden, wie z. B. Provokationen, Impfabszesse, Frakturen usw., spielten als Impfkomplikation keine Rolle. Durch gezielte statistische und experimentelle Untersuchungen gelang es, die wichtigste Ursache der Allergien vom Spattyp zu eruieren und dadurch diese Schaden auf ein Mindestmai3 zu reduzieren. Die Schadensquoten konnten von 0,07 O/o (1968) auf 0,0008 O/o (1970) gesenkt werden. Die Komplikations- rate bei den Allergien vom Fruhtyp und den Trachtigkeitsstorungen konnte dagegen leider nicht mit dem gleichen Erfolg bekampft werden und belastete jede Impfstoff art, gleichgultig ob es sich um Frenkel- oder Zellkulturvaccinen handelte. Im Zeitraum von 1967-1970 schwankte die Quote der postvaccina- len Allergien vom Fruhtyp zwischen 0,024 O/o und 0,003 O/o und die der post- vaccinalen Trachtigkeitsstorungen zwischen 0,04 O/o und 0,016 O/o. Man sieht daraus, dai3 die Trachtigkeitsstorungen deutlich uberwiegen. Sie stellen derzeit, mit einem Anteil von 61 O/o, den wichtigsten Impfschaden im Rahmen der postvaccinalen Komplikationen nach einer MKS-Schutzimpfung dar. Die jahrlich durchzufuhrenden MKS-Landesimpfungen sind staatlich an- geordnet. Entsprechend mui3 der Staat fur die ursachlich mit ihnen zusammen- han enden, postvaccinalen Schaden aufkommen (Viehseuchengesetz, Bundes- seu 2 engesetz). Haufig ist es aufierordentlich schwierig, eine Ursache-Wirkung- Beziehung bei postvaccinalen Schaden nachzuweisen. Dies triff t besonders fur die postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen zu. Ausschlui3diagnose (kein Vor- ") Die Untersuchungen sind durch Mittel des Bundesministeriums fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, gefordert worden. ___

Statistische Untersuchungen über die im Anschluß an die Maulund Klauenseuche-Schutzimpfungen von 1967–1970 in Bayern aufgetretenen Störungen der Trächtigkeit

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Zbl. Vet. Med. B, 18, 293-305 (1971) @ 1971 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg

Aus dern Institut fiir Mikrobiologie und Infektionskrankheiten der Tiere der Ltrdwig-Maximilians-Universitat Miinchen

Statistische Untersuchungen uber die im AnschluB an die Maul- und Klauenseuche-Schutzimpfungen von 1967-1910 in Bayern

aufgetretenen Storungen der Trachtigkeit*)

Von

G. BALJER und A. MAYR

Mit 3 Abbildungen und 4 Tabellen

(Eingegangen am 20. M a r z 1971)

Die in Bayern in den Jahren 1967-1970 durchgefuhrten Schutzimpfun- gen gegen die Maul- und Klauenseuche (MKS) wurden durch zwei unter- schiedliche Gruppen von Impfschaden belastet. Es handelte sich einmal um die Gruppe der Allergien, wobei man zwischen spat- und fruhreagierenden Aller- gien zu unterscheiden hatte, und zum anderen urn die Gruppe der Trachtig- keitsstorungen. Sonstige Impfschaden, wie z. B. Provokationen, Impfabszesse, Frakturen usw., spielten als Impfkomplikation keine Rolle.

Durch gezielte statistische und experimentelle Untersuchungen gelang es, die wichtigste Ursache der Allergien vom Spattyp zu eruieren und dadurch diese Schaden auf ein Mindestmai3 zu reduzieren. Die Schadensquoten konnten von 0,07 O/o (1968) auf 0,0008 O/o (1970) gesenkt werden. Die Komplikations- rate bei den Allergien vom Fruhtyp und den Trachtigkeitsstorungen konnte dagegen leider nicht mit dem gleichen Erfolg bekampft werden und belastete jede Impfstoff art, gleichgultig ob es sich um Frenkel- oder Zellkulturvaccinen handelte. Im Zeitraum von 1967-1970 schwankte die Quote der postvaccina- len Allergien vom Fruhtyp zwischen 0,024 O/o und 0,003 O/o und die der post- vaccinalen Trachtigkeitsstorungen zwischen 0,04 O/o und 0,016 O/o. Man sieht daraus, dai3 die Trachtigkeitsstorungen deutlich uberwiegen. Sie stellen derzeit, mit einem Anteil von 61 O/o, den wichtigsten Impfschaden im Rahmen der postvaccinalen Komplikationen nach einer MKS-Schutzimpfung dar.

Die jahrlich durchzufuhrenden MKS-Landesimpfungen sind staatlich an- geordnet. Entsprechend mui3 der Staat fur die ursachlich mit ihnen zusammen- han enden, postvaccinalen Schaden aufkommen (Viehseuchengesetz, Bundes- seu 2 engesetz). Haufig ist es aufierordentlich schwierig, eine Ursache-Wirkung- Beziehung bei postvaccinalen Schaden nachzuweisen. Dies triff t besonders fur die postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen zu. Ausschlui3diagnose (kein Vor-

") Die Untersuchungen sind durch Mittel des Bundesministeriums fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, gefordert worden.

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294 BALJER und MAYR

liegen von Deckseuchenerregern u. s. w. ) und die Zeitspanne zwischen erfolg- ter Impfung und aufgetretener Storung sind in der Regel die einzigen Anhalts- punkte fur eine Anerkennung als Impfschaden. Die vorliegende Arbeit be- schaftigt sich mit dieser Thematik und versucht auf Grund umfassender statistischer Erhebungen vor allen Dingen die Zeitspanne festzulegen, in der zwischen Impfung und nachfolgender Trachtigkeitsstorung ein ursachlicher Zusammenhang moglich und wahrscheinlich ist.

Shrift turn Ober postvaccinale Storungen der Trachtigkeit im Gefolge von MKS-

Schutzimpfungen wurde speziell noch nicht berichtet. Im Rahmen allgemeiner Arbeiten uber Komplikationen nach MKS-Schutzimpfungen wurden Storun- gen der Trachtigkeit als Impfschaden jedoch mehrmals angesprochen. Neben unseren eigenen Untersuchungen in Bayern (2, 4, 5) berichteten hieruber MUSSGAY, LORENZ, STRAUB, BAUER (3,5) und ANDRES (1).

Die in den verschiedenen Arbeiten angegebenen Prozentzahlen moglicher postvaccinaler Storungen der Trachtigkeit stimmen nicht immer miteinander iiberein. Die angegebenen Schadensquoten variieren im einzelnen zwischen 0,036 O/o (1967 in Bayern) und 0,0038 O / o (1968/69 in der Bundesrepublik).

Ober die Ursachen postvaccinaler Trachtigkeitsstorungen ist so gut wie noch nichts bekannt. Beziehungen zu den verschiedenen Formen der post- vaccinalen Allergie werden gelegentlich diskutiert, einwandfreies Beweismate- rial konnte bisher aber noch nicht vorgelegt werden. Nach ANDRES bestehen derartige Beziehungen nicht. Er macht hauptsachlich den StreS bzw. die Mechanik des Impfaktes fur die Storungen verantwortlich. LORENZ und STRAUB machen auf Unterschiede zwischen einzelnen Impfstoff en bezuglich Auftreten von postvaccinalen Storungen der Trachtigkeit aufmerksam. Nach ihnen konnen Rasse, Futterung und Haltungsbedingungen das Auftreten von Trachtigkeitsstorungen variieren. Schwarzbuntes Vieh sei weniger belastet als Fleckvieh, Tiere mit Silagefutterung weniger als Tiere mit Grunfiitterung uiid Tiere mit Stallhaltung mehr als Tiere mit Weidehaltung (3).

Material und Methodik Seit 1967 werden in Bayern samtliche im Zusammenhang rnit der MKS-

Schutzimpfung der Rinder aufgetretenen Komplikationen statistisch mit Hilfe von umfangreichen Fragebogen uber die Impftierarzte und Amtstierarzte erfaflt. Im Zeitraum zwischen 1967 und 1970 sind etwa 15,5 Millionen Impfungen beim Rind durchgefuhrt worden. Das Jahr 1969 stellt insofern eine Ausnahme dar, als in diesem Jahr nur Rinder bis zu 3 Jahren der Impfung unterzogen wurden. In dem Zeitraum von 1967-70 wurden ins- gesamt 3052 postvaccinale Trachtigkeitsstorungen gemeldet und erfai3t. Diese Zahlen verteilen sich auf 4 unterschiedliche Impfstoffe (Behring, Iffa und Bel- Ion), wobei als Behring-Impfstoff in den Jahren 1967/68 BHK-Vaccinen und 1970 Kalbernieren-Kulturvaccinen eingesetzt wurden. Bei den Impfstoffen Iffa und Bellon handelt es sich um Frenkel-Vaccinen. Einen Uberblick ubcr

Tabelle 2 Biometrische Einzeldaten

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Statistische Untersuchungen iiber aufgetretene Storungen der Trfichtigkeit 295

11

1 1

83

98,81

die Zahl der Impfungen im Vergleich zu den gemeldeten Trachtigkeitsstorun- gen bei den einzelnen Impfstoffen gibt die Tabelle I. Die relativ hohe Schadensquote im Jahr 1967 ist wahrscheinlich technisch-erfassungsmafiig bedingt.

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 87 58 55 29 30 24 19 18 19 18 14 7 12 77,04 58,44 43.45 3220 24,63 20,37 18,84 19,20 2435 2495 19.39 13.84 2.19

Tabelle 1 Uberblidc iiber die im Zeitraum von 1967-1970 in Bayern durchgefiihrten Schutzimpfungen gegen die Maul- und Klauenseuche des Rindes und die dabei gemeldeten postvaccinalen

Trachtigkeitsstorungen

’>) 1969 wurden nur Tiere bis zu einem Alter von 3 Jahren geimpft.

Als postvaccinale Trachtigkeitsstorungen wurden alle gemeldeten Aborte und Fruhgeburten gewertet, die im AnschluB an eine MKS-Impfung auftraten und bei denen spezifische Verwerfensursachen durch entsprechende spezielle Untersuchungen ausgeschlossen werden konnten. Statistisch wurde dabei erfai3t: Alter der Tiere, Trachtigkeitsmonat, ImpfstofTart und der Zeitraum zwischen durchgefuhrter Impfung und Auftreten der Trachtigkeitsstorung. 1968 wurden zudem in einem begrenzten Versuch innerhalb einer Impfstoff- art unterschiedliche Impfstoffchargen auf die Auslosung von Trachtigkeits- storungen uberpruft.

Die auf diese Weise ermittelten postvaccinalen Storungen der Trachtigkeit wurden zeitlich geordnet und mittels eines Polynoms 4. Grades nach der Methode der kleinsten Quadrate in Abbildung 3 approximiert, um Auf- schliisse daruber zu erhalten, bis zu welchzr Zeit nach einer MKS-Schutz- impfung mit groi3er Wahrscheinlichkeit noch eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen Impfung und Schaden besteht. Die Berechnungen wurden von Herrn Dipl. Math. Moll durchgefuhrt. Dabei wurde das durch die Forderung:

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296 BALJER und MAYR

1967

24 24 2 (p (xi) - yi) J, = 1 i = l

2

eindeutig bestimmte Polynom p (x) gesucht, wo

2 (p (xi) - yi)2 fur alle Polynome p (x) 4. Grades

p (x) = a4 x4 + a3 x3 + x3 + a, x2 + a, x + a 0

Als Losung ergab sich dann

Die Werte an den Stellen x1 = 1 bis ~ 2 4 = 24 sind in Tabelle 2 ange- geben. (Alle angegebenen Kommastellen sind exakt ; es wurde auf 9 Stellen nach dem Komma gerechnet.)

p (x) = - 0,Ol x4 + 0,59 x3 - 10,66 x2 + 52,23 x + 159,49

BHK- lrnpfstoff I Frenkel- lrnpfstoff I Frenkel- lrnpfstoff I Kalbernieren-Irnpfstoff Behring lffa Bellon I Behring

0,041 % 0,025 *lo

Ergebnisse Von den in Bayern in den Jahren 1967-70 eingesetzten vier MKS-

Impfstoffen waren alle etwa im gleichen Verhaltnis an den postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen beteiligt. Die Schadensquoten im einzelnen sind aus der Tabelle 3 zu ersehen. Sie variierten von 1968-70 zwischen 0,014 O / o und 0,018 O/o. Im Jahre 1967 waren die Schadensquoten erhoht. Beim Behring- Impfstoff machten sie 0,041 O / o und beim Iffa-Impfstoff 0,025 O / o aus. Die Grunde fur diesen hohen Prozentsatz sind uns nicht bekannt. Moglicherweise spielen aber technische Gegebenheiten bei der Erfassung und Diagnose inso- fern eine gewisse Rolle, als im Jahre 1967 die Erfassungsaktion der gesamten Im fschaden erstmals begann und dabei durchaus Schwierigkeiten bei der

Hinzu kommt, dai3 ab 1968 die Erfassung der einzelnen Schadensfalle, auf Grund der inzwischen gewonnenen Erfahrung, gezielter durchgefuhrt wurde und zusatzlich zur Meldung einer postvaccinalen Trachtigkeitsstorung eine spezielle Untersuchung zum Ausschlui3 von spezifischen Verwerfenserregern gefordert wurde.

Di P ferenzierung der einzelnen Impfschadensgruppen vorgelegen haben mogen.

1970 I 0,016 % 0,018 % 0,015 %

Da zwischen den einzelnen Impfstoffarten (BHK-Impfstofi, Frenkel- Impfstoff und Kalbernieren-Kultur-Impfstoff) prinzipiell kein echter Unter- shied bezuglich Provozierung von Trachtigkeitsstorungen bestand, darf man annehmen, dai3 das unterschiedliche Virusausgangsmaterial, welches die ein- zelnen verschiedenen Vaccinearten charakterisiert, in keiner Beziehung zu den postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen steht.

Wenn diese Schlui3folgerung richtig ist, und wenn die postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen nicht ausschliei3lich technisch durch die Mechanik des Impfaktes bzw. durch die Impfprovokation bedingt sind, dann mui3ten andere Komponenten der Vaccine, z. B. unterschiedliche Inaktivierungsmittel, Adju- vantien, Konservierungsmittel, Entschaumer und sonstige divergierende Her- stellungsprozesse usw., als Ursache mit in Betracht gezogen werden.

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Statistische Untersuchungen uber aufgetretene Storungen der Trachtigkeit 297

Charge I I1 III I V V V I VII VIII

d. ge- 101700 106200 400000 92100 LOOOOO LOOOOO LOOOOO LOOOOO impften Tiere

Prorentsatz d. Trachtigkeits- 0,031 sttirungen

0,009 % 0,014 % 0,086 % 0,013 % 0,019 % 0,012 % 0,013 %

IX

LOOOOO

0,012 %

Abb. 1 . Beispiel uber die Beteiligung unterschiedlicher Irnpfstoffchargen der gleichen Impf- stoffart an Trachtigkeitsstorungen. (1968, begrenzter Versuch)

Anhaltspunkte hierfur erhielten wir durch folgenden Versuch (Abb. 1). Von 9 gepruften Chargen der gleichen Impfstoffart fielen 2 deutlich aus dem Rahmen. Der Charge IV waren etwa 4,5mal soviel und der Charge I fast doppelt soviel Trachtigkeitsstorungen zugeteilt als den ubrigen 7 Chargen. Praktisch wurde jede Charge an uber 100000 Tieren verimpft. Da jede Charge das gleiche Virusausgangsmaterial hatte, mussen geringgradige Ab- weichungen im Gehalt von Zusatzstoff en verantwortlich gemacht werden. Manche Zusatzstoff e konnen schon bei geringgradigen Erhohungen toxisch, anaphylaktoid oder allergen wirken.

Bestimmte Zusatzstoff e der Vaccinen sind fur postvaccinale Allergien vom Fruhtyp verantwortlich. Es interessierte nun die Frage, ob rein statistisch gesehen zwischen postvaccinalen Allergien vom Fruhtyp und Trachtigkeits- storungen nach einer MKS-Schutzimpfung Beziehungen bestehen. Um dies zu untersuchen, stellten wir die im Jahre 1967/68 wahrend der Landesimpfung in Bayern erfai3ten postvaccinalen Allergien vom Fruhtyp und vom Spattyp den Trachtigkeitsstorungen gegenuber. In diesen beiden Jahren wurden in den gleichen Gebieten unter gleichen Bedingungen die gleichen Impfstoff arten verimpft. Auch der Status der Impflinge war etwa gleich. Die oben ange- sprochene, etwas unsichere Erfassung im Jahre 1967 kann vernachlassigt wer- den, da sie fur alle drei Schadensgruppen gleichermai3en gilt. Vergleicht man nun die Schadenshaufigkeit innerhalb der drei Gruppen, so ergeben sich nur Parallelitaten zwischen den Allergien vom Fruhtyp und den Trachtigkeits- storungen, nicht aber zu den Allergien vom Spattyp. Einen Oberblick uber diese Verhaltnisse vermittelt die Abbildung 2. Im Jahre 1967 wurden 1023 Allergien vom Fruhtyp und 1238 Trachtigkeitsstorungen erfai3t. Sie sanken im Jahre 1968 bei etwa der gleichen Anzahl von Impfungen (4 214 260) gleichmaflig signifikant ab, die Allergien vom Fruhtyp auf 474 und die Trach- ti keitsstorungen auf 680. Vollkommen entgegengesetzt verhielten sich die

1968. A P lergien vom Spattyp. Sie stiegen von 258 im Jahre 1967 auf 2443 im Jahre

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298 BALJER und MAYR

Allergien v. Fruhtyp Allergien v. SpYttyp

1967 1023 258

1968 414 2443 Trend rucklaufig stark angestiegen

Trachtigkeitsstorungen

1238

680

ruc klauf ig

1967 1968

Abb. 2. Mogliche Beziehungen zwischen Trachtigkeitsstorungen und Allergien vom Friihtyp nach einer MKS-Schutzimpfung

2500 - 2000 - 1500 -

Fur eine gewisse Beziehung zwischen Allergien vom Fruhtyp und Trach- tigkeitsstorungen spricht auch die Tatsache, dafi wir nie eine Kombination zwischen Allergien vom Spattyp und Trachtigkeitsstorungen, wohl aber haufiger eine Kombination zwischen Allergien vom Fruhtyp und Trachtigkeits- storungen fanden. In 22 klinisch einwandfrei diagnostizierten Fallen von Fruhallergie (Urticaria, Oedeme usw.) kam es zum Verwerfen.

Aus beiden Beobachtungen (gleicher statistischer Trend, Zuordnung von Aborten) geht hervor, dafi moglicherweise eine gewisse Beziehung zwischen postvaccinalen Allergien vom Fruhtyp und Trachtigkeitsstorungen vorhanden ist. Eine Beziehung zwischen Trachtigkeitsstorungen und postvaccinalen Allergien vom Spattyp kann dagegen ausgeschlossen werden.

Mit zunehmender Zahl an Impfungen steigen die Schadensquoten bei den Allergien an (2, 4). Einen ahnlichen Trend zeigen auch die Falle von post- vaccinalen Trachtigkeitsstorungen, d. h. mehrmals geimpfte Tiere besitzen gegenuber postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen ein hoheres Risiko als Erst- oder Zweitimpflinge.

Was nun die Verteilung der Trachtigkeitsstorungen auf die einzelnen Trachtigkeitsmonate betriff t, so weisen unsere statistischen Untersuchungen darauf hin, dai3 hochtrachtige Tiere signifikant starker belastet sind, als Tiere in den ersten 5 Trachtigkeitsmonaten. Die hochste Schadensquote errechneten wir im 8. Trachtigkeitsmonat. In die Zeit vom 6.-9. Trachtigkeitsmonat fielen 21 72 Trachtigkeitsstorungen, wahrend im Zeitraum vom 1 .-5. Trachtigkeits- monat nur 481 auftraten d. h., 82 O/o entfallen auf den 6.-9. Trachtigkeits- monat. Eine Aussparung hochtrachtiger Tiere von der MKS-Schutzimpfung wurde also die Schadensquote stark senken.

Fur eine Ursache-Wirkung-Beziehung bei der postvaccinalen Trachtig- keitsstorung ist der Zeitfaktor aufierordentlich wichtig. Wenn es sich bei den erfai3ten Trachtigkeitsstorungen um echte Impfkomplikationen handelt, dann mufi eine normierte, zeitliche Abhangigkeit zur .Impfung bestehen. Approxi-

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Statistische UIitersuchungen iiber aufgetretene Storungen der Trachtigkeit 299

A Zahlder Storungen

0 280 0 MeEwerre

4. Grades - approximierendes Polynom

-_-- approximiefende Gerade

200- 780- 160- 140- 720- 700 80- 60 4@ 20-

b o 7 2 3 4 5 6 7 8 J 10 17 iz 13 74 15 16 17 18 19 20 27 22 23 24 ruge Anm. : Einzeldafen siehe rabelle 2 post vacc.

Abb. 3. Approximation der Verteilung von Storungen der Trachtigkeit, nach einer MKS-Schutzimpfung des Rindes, nach der Methode der kleinsten Quadrate

miert man samtliche gemeldeten Schadensfalle bezuglich zeitlichen Auftretens mittels eines Polynoms nach der Methode der kleinsten Quadrate, so erhalt man eine Kurve wie sie in Abbildung 3 dargestellt ist. Aus der Abbildung 3 ersieht man, dai3 nach einer MKS-Schutzimpfung tatsachlich eine aus der Norm herausfallende Haufung von Verwerfensfallen bis etwa 14 Tage post vaccinationem auftritt. Nach dieser Zeit nahert sich das Polynom einer Gera- den und unterscheidet sich nur noch unwesentlich von einer gedachten Geraden parallel zur x-Achse. Hierdurch ist der Verdacht gegeben, dai3 die tatsachliche Kurve in diesem Zeitraum eine Gerade darstellt. In der Abbildung 3 sind des- halb zur Erhartung dieser Vermutung die, zwischen 15. und 24. Tag, zu dem Polynom gehorenden Punkte ebenfalls nach der Methode der kleinsten Quadrate durch eine Gerade parallel zur x-Achse approximiert. Die sich erge- bende Gerade y (x) = 22,27 schneidet das Polynom 4. Grades ungefahr an der Stelle x = 16,4. Was die biologische Aussagekraft dieser Geraden angeht, so darf man annehmen, dai3 es sich hier um die Trachtigkeitsstorungen handelt, die normalerweise immer vorkommen und die nicht mit der Impfung zusam- menhangen.

Das in Abbildung 3 wiedergegebene Polynom beweist, dai3 praktisch nur bis zum 14.--16. Tag nach der Schutzimpfung eine von der Norm abweichende erhohte Anzahl von Verwerfensfallen nach der Schutzimpfung beobachtet werden kann. Hierdurch ist die Beziehung zur MKS-Schutzimpfung festgelegt. Der Bereich zwischen 14. und 16. Tag nach der Schutzimpfung ist dabei als Obergangsbereich anzusehen. Auf Grund eigener Erfahrungen und der Aus- wertung des in Abbildung 3 wiedergegebenen Polynoms in Beziehung zu der Geraden mochten wir den 14. Tag post vaccinationem als Grenztag fur die Anerkennung einer nach einer MKS-Schutzimpfung aufgetretenen Trachtig- keitsstorung als Impfschaden ansehen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden mit groi3er Wahrscheinlichkeit alle ursachlich mit der MKS-Schutzimpfung zusam- menhangenden Verwerfensfalle erfai3t werden. Die wenigen extremen Streu- falle, die sich im Niveau der in Abbildung 3 gezeichneten Geraden geringfugig mitverbergen, mussen vernachlassigt werden, da sich bei ihnen eine echte

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300 BALJER und MAYR

Entschadigendes Land Hohe der Beihilfe (in DM)

Ursache-Wirkung-Beziehung mit den derzeit zur Verfugung stehenden Unter- suchungsmethoden nicht nachweisen 1ai3t und auch die Statistik dafiir keine zwingenden Anhaltspunkte aufzeigt.

Diskussion Die Frage, wieweit eine Auseinandersetzung des Impflin s mit dem

ponenten zu Trachtigkeitsstorungen fuhren kann, also zu echten postvaccina- len Schaden, war bis jetzt noch durchaus strittig. Praktisch wurden schon seit Jahren, wenn auch in unterschiedlicher Weise, fur die im Gefolge einer gesetz- lich angeordneten MKS-Schutzimpfung aufgetretenen Trachtigkeitsstorungen vom Gesetzgeber Beihilfen gewahrt, d. h. er erkannte eine Ursache an. Wie unterschiedlich die staatlichen Beihilfen in den einzelnen Bundeslandern aber gehandhabt werden, zeigt Tabelle 4, in der die wesentlichsten Kriterien zusammengefaflt sind, die fur eine Anerkennung einer Trachtigkeitsstorung als Impfschaden verlangt werden. Schon allein diese Aufstellung weist auf die Problematik in der Beurteilung von Impfkomplikationen hin.

Bei einer Impfkomplikation mussen wir davon ausgehen, dai3 ganz unter- schiedliche Vorgange in unterschiedlichen Systemen in Ursache-Wirkung-Bezie- hung stehen. Untersuchen wir die Ursache eines Impfschadens, dann haben wir folgende Biosysteme in den Kreis unserer Beobachtungen einzuschlieflen:

Impfstoff und den in ihm enthaltenen, spezifischen und unspezi t! schen Kom-

1. Impfling 2. Impfstoff bzw. Immunserum 3. Umwelt 4. Impfakt. Jedes dieser Systeme ist in sich komplex und von einer Vielzahl von

Bedingungen abhangig. Grundsatzlich stoi3en wir auf 2 unterschiedliche Gege- benheiten: 1. auf veranderliche Bedingungen und 2. auf Bedingungen, welche im Augenblick der Impfstoff applikation konstant sind, z. B. auf eine genetische Disposition des Impflings fur abnorme Reaktionen am Zentralnervensystem oder fur Allergien. Wir mussen also, um eine volle Analyse der Ursachen vor- nehmen zu konnen, alle relevanten Bedingungen, die konstanten wie die ver- anderlichen, uberprufen. Dabei stellt sich in der Regel heraus, dai3 viele ver-

Mindestdauer d. Trkhtigkeit

Niedersachsisches Landesverwaltungsamt

Zentralkasse d. Viehbes. I Stuttgart

I Nordrhein - Westfalen I keine Beihilfe

150 Uber 3 Mon.

bis 6 Mon. 120 iib. 6 Mon. 150

Schleswig - Holstein

Rheinland - Pfalz

I Bayern I 250 I Uber 3 Mon.

keine Beihilfe

bis 5 Mon. 100 ilb. 5 Mon. 150

Hessen

Nordbaden

Berlin

250 Uber 3 Mon.

314 d. Aufwands

keine Beihilfe vorgesehen

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Statistische Untersuchungen uber aufgetretene Storungen der Triichtigkeit 301

Am tstierarz t l . Gutachten

schiedene Bedingungen an dem Endresultat des Impfschadens wesentlich betei- ligt waren. Man wird auch fast immer unterschiedliche Antworten erhalten, je nachdem, von welchem Standpunkt aus man die Frage nach der Ursache des Impfschadens stellt. Jeder der Befragten hat recht, wenn man seine Aussage als nicht die Ursache sondern als eine notwendige Bedingung fur den Impf- schaden sieht. Ware sie nicht erfullt gewesen, so hatte der Impfschaden sich nicht ereignet.

Keine einzige Ursache kann demnach als die Ursache herausgehoben wer- den. Es ist auch klar, dai3 es bei Impfschaden so etwas wie die Ursache nicht geben kann. Es gibt viele wichtige Komponenten in einer komplexen Situation, von denen jede zu dem Schaden beitragt in dem Sinne, dai3 die Impfkompli- kation sich nicht ereignet hatte, ware die Komponente nicht vorhanden gewe- sen. Nach dem Prinzip der relativen Eff ektivitat der Faktoren werden Knde- rungen in Quantitat oder Intensitat eines Faktors um so wirksamer, je naher dieser dem pessimalen Bereich ist. Dies trifft z. B. fur schadliche Faktoren im Impfstoff zu, wenn dieser unsachgemai3 hergestellt wurde, oder fur Minuskom- ponenten im Impfling, wenn dieser zum Zeitpunkt der Impfung bereits krank oder sonstwie geschwaht war oder fur eine fehlerhafte Impftechnik. In all diesen Fallen dominieren diese Faktoren bzw. Faktorenkombinationen. Sie sind als Komponenten fur die Auslosung eines Impfschadens bekannt und mus- sen entsprechend berucksichtigt werden, d. h. sie gelten als Kunstfehler und der durch sie mitverursachte Schaden geht zu ihren Lasten.

Leider sind unsere heutigen Kenntnisse uber die Ursache-Wirkung-Rela- tion bei einer Impfkomplikation noch weit davon entfernt, vollstandig zu sein. Die Wissenschaftler heute wissen mehr als die Wissenschaftler irgend einer fruheren Zeit, aber sie wissen auch sicherlich weniger, als die Wissenschaftler in hundert Jahren wissen werden. So kennen wir heute eine Reihe von Kom- ponenten beim Impfling, im Impfstoff, in der Umwelt und beim Impfakt, die beim Zustandekommen eines Impfschadens gesetzmai3ig zusammenwirken. Handelt es sich dabei um Faktoren, die wir z. B. bei der Untersuchung des Impflings, bei der Herstellun des Impfstoffes, beim Impfakt und durch eine

nen, dann lassen sich viele Impfkomplikationen, sicher aber nicht alle, ver- Beobachtung und entsprechen B e Beru&sichtigung der Umwelt ausschalten kon-

AusschluB spez. EntscGdigung bis zu Verwer fensursachen einem Zeitraum von .... ver Langt .... post vaccinationem

Tabelle 4 Yrungen n a h MKS-Schutzimpfungen in den einzelnen Bundeslandern

nein l a 14 Tage

keine Angabe

la la

ja 14 Tage

nein vertretbarer zeitl. Zusammenhang ~

keine Kyhilfe vorgesehen I Zbl. Vet. Med., Reihe B, Bd. 18, Heft 4 Parasitologirches Institut,

&s i%fj!xrrichs Vcterindrmedirin . - - - -, , , ,

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BALJER und MAYR 302

hindern. Leider kennen wir eben nicht alle Faktoren und Faktorenkombin tionen, so dai3 wir heute noch manche Impfschaden hinnehmen mussen, oh uns dagegen wehren zu konnen. Vielleicht ware es weniger verwirrend, we man das Wort ,,Gesetz" in der Biologie und Medizin uberhaupt nit gebrauchen wurde. Aber leider wird es gebraucht, weil es kein allgemein akze tiertes Wort fur die Art von universeller Aussage gibt, die der Wissenschaft als Grundlage der Vorhersage und Erklarung nimmt. Jedenfalls sollte man SI klar daruber sein, dai3 ein Wissenschaftler, der von einem Gesetz in der Met zin spricht, sich nur auf eine Beschreibung einer beobachteten Regelmai3igk bezieht.

Fassen wir nun das Resultat unserer Analyse der Ursache-Wirkur Relation bei einer Impfkomplikation zusammen, so ergibt sich folgend Eine Impfkomplikation stellt stets ein komplexes Geschehen dar, an dem V I schiedene Biosysteme mit ganz unterschiedlichen Faktoren und Komponent beteiligt sind. Die einzelnen Faktoren konnen dabei antagonistisch und syni gistisch zusammenwirken und Faktorenkombinationen ergeben, die desh: nicht immer vorausberechenbar sind, da biologische Systeme daran beteil sind, uber die wir no& nicht alles wissen. Von der Kausalbeziehung her si sie aber theoretisch voraussagbar. Das bedeutet nicht tatsachliche Vorauss: barkeit, weil niemand alle relevanten Tatsachen und biologischen Gese mai3igkeiten kennt. Es bedeutet Voraussagbarkeit lediglich in dem Sinne, d man die Impfkomplikation hatte voraussagen konnen, ware die ganze vorhi gehende Situation in den beteiligten Systemen bekannt gewesen. Im konk zu beurteilenden Einzelfall ist deshalb derzeit oft nur eine Wahrscheinlii keitsaussage moglich.

Zur Anerkennung eines Impfschadens sollte deshalb an Stelle des Kausa tatsnachweises kunfti die Wahrscheinlichkeit des ursachlichen Zusammc

teil des Bundesgerichtshofes vom 6.April 1959 kann bei Impfschaden : einen wissenschaftlich einwandfreien Nachweis des Kausalzusammenhan' verzichtet und dem freien Ermessen ein erheblicher Spielraum zugebill werden.

Fur eine Wahrscheinlichkeitsaussage besitzt der Zeitfaktor die grol Bedeutung. Je kurzer das Zeitintervall zwischen Impfung und Beginn eii functio laesa ist, desto groi3er ist die Wahrscheinlichkeit, dai3 es sich dabei 1

eine Impfkomplikation handelt. Bei der Schadensgruppe der postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen si

bezuglich Zeitfaktor zwei Angaben notwendig, namlich von welcher Zeit u bis zu welcher Zeit nach der Schutzimpfung die aufgetretene Trachtigkei storung mit hoher Wahrscheinlichkeit ursachlich mit der Impfaktion in Bez hung steht. Zur Festlegung des fruhest moglichen Zeitpunktes sind die An! ben von RICHTER und GOTZE (6) sowie von RUSE (7) von Bedeutung. Be Verlauf einer normalen Geburt mit den Stadien der Vorbereitung, UffnL und Austreibung mui3 allein fur das Uffnungsstadium eine Dauer von 4 8 Stunden und fur die Austreibung im gunstigsten Falle eine Zeit von 1 1,5 Stunden (durchschnittlich 3 Stunden) veranschlagt werden. Das Vorber tungsstadium mit Oedematisierung und Lockerung der Beckenbander begir mitunter schon 3 Wochen vor der Geburt. Auch wenn man berucksichtigt, c es sich bei den postvaccinalen Trachtigkeitsstorungen meist um Friihgeburt also vom 7.-9. Monat, handelt, so liegen hier doch schon Groi3enverhaltni vor, die wie bei einer normalen Geburt eine entsprechende Uffnung der ( burtswege voraussetzen und auch der Austreibung bedurfen. Nach dem ( samtablauf einer normalen Geburt und den bei einer Fruhgeburt vorliegenc

hanges zwischen Imp B ung und Gesundheitsschaden genugen. Nach einem 1

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Statistische Untersuchungen uber aufgetretene Storungen der Trachtigkeit 303

Gegebenheiten kann eine durch die MKS-Schutzimpfung verursachte Trachtig- keitsstorung mit Abort bzw. Fruhgeburt fruhestens 10 Stunden nach der Imp- fung erwartet werden.

Die Zeitspanne in der ursachlich mit der Impfung zusammenhangende Trachtigkeitsstorungen auftreten konnen, ist relativ gut begrenzt. Wie aus der Abbildung3 zu ersehen ist, haben wir eine gewisse Haufung von Trachtig- keitsstcrungen zwischen dem 2. und 5. Tag. Die Zahl der postvaccinalen Trachtigkeitsstiirungen nimmt dann stetig bis zum 16. Tag post vaccinationem ab. Zwischen 14. und 16. Tag biegt das Polynom um und nahert sich einer Geraden, die den Wert normaler Verwerfensfalle, ohne ursachlichen Zusam- menhang mit der MKS-Impfung, in etwa reprasentieren durften. Der 14.- 16. Tag post vaccinationem stellt damit den Grenzwert fur eine Anerkennung von Impfschaden bei Verwerfensfallen dar. Die Wahrscheinlichkeit, dai3 da- nach noch echte, impfbedingte Trachtigkeitsstorungen auftreten, ist aui3eror- dentlich gering. Da der Wert am 14. Tag noch signifikant uber der, durch nor- male Verwerfensfalle bedingten, gedachten Geraden liegt, schlagen wir vor, den 14. Tag als Stichtag fur die Anerkennung eines postvaccinalen Verwer- fensfalles zu werten, d. h. Verwerfensfalle die nach diesem Stichtag auftreten, nicht mehr als postvaccinale Komplikationen anzuerkennen.

Interessant ist no& die Beobachtung, daf3 sich die erfai3ten postvaccina- len Trachtigkeitsstorungen praktish gleichmaf3ig auf alle in Bayern einge- setzten Impfstoffarten verteilen, d. h. Frenkel-Impfstoff e und Zellkultur- Impfstoffe gleich welcher Art unterscheiden sich hierin nicht. Eine Beziehung zur postvaccinalen Allergie vom Spattyp lief3 sich nicht erkennen. Es konnten dagegen einige Parallelitaten zwischen der postvaccinalen Allergie vom Fruh- typ und den Trachtigkeitsstorungen aufgezeigt werden. Daruber hinaus scheint das Herstellungsverfahren bezuglih Art und Quantitat der Zusatzstoffe von Bedeutung zu sein. Mit steigender Zahl der Revaccinationen kommt es zu einem Anstieg von Trachtigkeitsstorungen. Die ersten 5 Monate der Trachtig- keit sind durch postvaccinale Trachtigkeitsstorungen nur gering, die letzten 4 Monate dagegen starker belastet.

Zusammenfassung In der Zeit von 1967-70 wurden in Bayern 15 485 832 Rinder gegen die

Maul- und Klauenseuche schutzgeimpft. Dabei wurden 3052 postvaccinale Storungen der Trachtigkeit beobachtet und statistisch erfai3t. Die Schadens- quote verteilt sich in etwa gleichmaf3ig auf alle 4 in Bayern in diesem Zeit- raum eingesetzten Impfstoff arten (zwei Frenkel-, eine BHK- und eine Kglber- nierenkultur-Vaccine) .

Die Ursache von postvaccinalen Verwerfensfallen ist unbekannt. Fur die Diagnose stellt deshalb der Zeitfaktor das wichtigste Kriterium dar. Bei Trachtigkeitsstorungen, die 10 Stunden bis 14 Tage nach einer MKS-Schutz- impfung auftreten, sollte die ursachliche Beteiligung mit der Impfung aner- kannt werden, sofern spezifische Ursachen, wie z. B. Deckseuchenerreger, aus- geschlossen werden konnen.

Eine Beziehung zwischen den postvaccinalen Allergien vom Spattyp und den Trachtigkeitsstorungen lief3 sich nicht nachweisen. Xhnlichkeiten im Hau- figkeitstrend bestanden dagegen zwischen den postvaccinalen Allergien vom Friihtyp und den Trachtigkeitsstorungen. Bei zunehmender Zahl von Revacci- nationen steigt die Quote von Trachtigkeitsstorungen an. Besonders belastet ist der Zeitraum zwischen 6. und 9. Trachtigkeitsmonat.

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Summary Statistical studies on disturbances in pregnancy which followed the vaccination

campaigns against foot-and-mouth disease in Bavaria in 1967-70 During the period 1967-70 a total of 15,485,832 cattle were vaccinated

against foot-and-mouth disease. Among them there were 3,052 cases of post- vaccinal disturbance of pregnancy observed and statistically examined. The number of affected animals was fairly equally distributed between the four types of vaccine used - two Frenkel, one BHK and one calf kidney culture vaccine.

The cause of the post-vaccinal abortions and premature births is not known. For diagnosis the most important criterion is the time factor. Distur- bances of pregnancy that take place between 6 hours and 14 days after vacci- nation against F and M can be considered associated with the vaccination if specific causes, such as genital tract infection, can be excluded.

A relationship between post-vaccinal allergy of the delayed type and disturbances of pregnancy could not be demonstrated. On the other hand similarities in the frequency trend between post-vaccinal allergy of the early type and disturbance of pregnancy existed. With an increasing number of revaccinations the incidence of pregnancy disturbances rose. Particular sus- ceptibility existed between the 6th and 9th months of pregnancy.

RCsumC Recherches statistiques sur les troubles de la gestation parvenus A la suite de la

vaccination contre la fibre aphteuse de 1967-1970 en Bavihre De 1967 A 1970, on a prockdk en Bavikre A des vaccinations contre la

fikvre aphteuse sur 15 485 832 bovins. Par la suite,3 052 cas not mani- festk des troubles post-vaccinaux de la gestation, qu’on a kvaluks statistique- ment. La rkpartition des dommages est A peu prks kgale avec les quatre sortes de vaccins appliqueks en Bavidre A cette kpoque (deux vaccins Frenkel, un BHK et un vaccin cultivk sur reins de veaux.)

La cause de ces avortements post-vaccinaux est inconnue. Pour le diagnostic, c’est le facteur temps qui reprksente le critkre le plus important. Lors de troubles de la gestation qui apparaissent 10 heures A 14 jours aprks une vaccination contre la fikvre aphteuse, il faut admettre une participation causale de la vaccination, si des causes specifiques, telles qu’un agent d’une maladie vknkrienne, sont exclues.

On ne peut ktablir aucune relation entre les allergies post-vaccinales du type retardk et les troubles de la gestation. Par contre, on trouve des ressem- blances dans la frkquence des allergies post-vaccinales du typ immkdiat et des troubles de la gestation. La frkquence des troubles de la gestation augmente avec le nombre des revaccinations. La pkriode la plus exposke s’ktend du 6kme au 9kme mois de la gestation.

Resumen Investigaciones estadisticas sobre 10s trastornos de gestaci6n que surgieron por efecto de la vacunaci6n preventia antiaftosa en Baviera en 10s aiios 1967-1970

En el period0 de 1967-1970 en Baviera fueron vacunados preventiva- mente contra fiebre aftosa 15.485.832 cabezas de ganado vacuno. Se obser- varon 3.052 casos de trastornos de gestaci6n post-vacunales, 10s cuales fueron registrados estadisticamente. El nhmero de daiios se distribuye en proporcibn casi simktrica entre 10s cuatro tipos de vacuna empleados en Baviera en este lapso (dos del tipo Frenkel-, una del tipo BHK-, y una vacuna de cultura de rifi6n de ternero).

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La causa de 10s abortos post-vacunales es desconocida. Por esto representa para el diagnbtico el factor tiempo el criterio mis importante. En trastornos de gestaci6n que se presentan de 10 horas hasta 14 dias despuis de una vacu- naciCn preventiva antiaftosa se debria reconocer la participacih causal de la vacuna, ya que se pueden eliminar causas especificas, como por ejemplo infecciones transmitidas durante la monta.

No se pudo comprobar una relaci6n entre las alergias post-vacunales de tipo diferido (delayed type) y 10s trastornos de gestaci6n.

Existe en cambio una semejanza en la frecuencia entre las alergias post- vacunales de tip0 inmediato y 10s trastornos de gestacibn.

Con el aumento del ndmero de revacunaciones crece el ndmero de trastornos de gestaci6n. Esto afecta particularmente el period0 del 6 O a1 9 O

mes de prefiez.

Literaturverzeichnis 1. ANDRES, J., 1967: Anaphylaxien und andere Storun en im Zusammenhang mit der

Schutzimpfung gegen die Maul- und Klauenseuche. SAW. Arch. Tierhk. 109, 338. 2. BALJER, G., 1970: Statistische und experimentelle Untersuchungen uber postvaccinale

Komplikationen im Anschlui an die Maul- und Klauenseuche-Schutzimpfung. Vet. Med. Dissertation, Universitat Munchen.

3. LORENZ, R. J., und 0. C. STRAUB, 1971: Statistische Erhebungen uber Impfschaden nach der Maul- und Klauenseuche-Schutzimpfung im Jahr 1968/69. Zbl. f. Bakt. I., Origin. 216, 4, S. 448.

4. MAYR, A., J. RINGSEISEN, B. BIBRACK, G. BALJER, J. WALLNER und H. ZIMMER, 1969: Unter- suchungen uber Art, Umfang und Ursachen von Impfschaden nach der Maul- und Klauenseuche-Schutzimpfung von Bayern in den Jahren 1967/68. Zbl. Vet. Med. B, 16, 487.

5. MAYR, A., M. MUSSGAY, G. BALJER, H. BAUER und R. J. LORENZ, 1970: Investigations on complications observed after vaccination of cattle against foot- and mouth disease. Europ. Comm. Control. FMD, Report of the meeting in Brescia 24.-26.9. 1969, Rom, Seite 200.

6. RICHTER, J., und R. GOTZE, 1960: Tiergeburtshilfe 2. Auflage, Verlag Paul Parey, Berlin und Naumburg.

7. RUSSE, M., 1963: Der Geburtsablauf beim Rind. Hab. Schrift Universitat Munchen.

Anschrift der Verfasser: 8 Munchen 22, Veterinarstr. 13, Institut fur Mikrobiologie und Infektionskrankheiten der Tiere.