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11 Sterne in den alten Kulturen Rainer Feldbacher „…bildete oben darauf die Erde, das Meer und den Himmel ferner den vollen Mond und die unermüdliche Sonne, dann auch alle Sterne dazu, die den Himmel umkränzen, oben, das Siebengestirn, die Hyaden, die Kraft des Orion, und den Bären, den auch mit Namen den Wagen sie nennen, der auf der Stelle sich dreht und stets den Orion belauert, doch als einziger teil nicht hat an Okeanos’ Bade.“ 1 Das im 18. Gesang der Ilias erwähnte Schild für Achill dürfte die wohl älteste Erwähnung griechischer Sternbilder sein. Doch stammen diese uns bekann- ten und vertrauten Beobachtungen ursprünglich aus dem griechischen Raum? Die Entwicklungen und Einflüsse der verschiedenen Kulturen, und damit einhergehend ihrer religiösen Prägungen sollen in diesem Aufsatz beleuchtet werden. Doch schon das Stichwort Kulturen wirft ein Problem auf: Kulturen bestehen seit der Existenz des Menschen, und so wie der Glaube an Götter die Menschen beeinflusste, so übten gerade Sterne und ihre Konstellationen in ihrer All(!)gegenwart großen Einfluss auf jene aus. Wo ist die Grenze zu ziehen bezüglich Kulturen? Man macht es sich in deren Defi- nition sehr einfach, da der Begriff Kultur in der Art, wie wir ihn verwenden, ohnehin ein Konstrukt einiger Gelehrter der Neuzeit ist. 2 Der Aufsatz sollte ursprünglich hauptsächlich auf den Mittelmeerraum be- schränkt werden, dessen hellenistisch-römisches Erbe Europa antrat, und auf den Nahen und Mittleren Osten, deren alte Kulturen auf die abrahamitisch- monotheistischen Religionen ausstrahlten und (zumindest noch) Teil unseres Denkens im Okzident darstellen. Aber man kann nicht all die großartigen Errungenschaften anderer so bleiben wir beim Begriff Kulturen im Bereich 1 Ilias 18,483-489. Übersetzung nach J.H. Voss, in: E. Schwartz (Hg.), Homers Ilias. Augsburg 1994. 2 „Daraus folgere ich, dass festgefügte Hierarchien oder Hierarchierungsprozesse, wie z.B. Nationalismus, nation building oder Kolonialismus, diese Aufgabe erschweren, bzw. im Extrem- fall ab absurdum führen können. Die Gefahr besteht im Ethnozentrismus, d.h. der Beurteilung fremder Völker nach eigenen Maßstäben.“ Schrott, Rüdiger: Rechtsanthropologie; in: Fischer, Hans (Hg.): Ethnologie. Berlin/Hamburg 1998 (Erstauflage 1983), 172. Dazu auch: Borst, Arno: Der Turmbau von Babel. München 1995 (Erstauflage 1962), 1928: „Bildung, Kunst und Wissen- schaft wollen das tägliche Treiben mit sprachlichen Mitteln und anhand geschichtlicher Erfah- rungen zu Haltung, Gestalt und Erkenntnis läutern. Das ist aber nur möglich in der geistigen Freiheit von allen, auch den eigenen Objektivationen.“

Sterne in den alten Kulturen · 2014-04-01 · 12 der Sternkunde ignorieren. Die Kenntnis des gestirnten Himmels war faszinierenderweise in allen Teilen der Welt immer voll entwickelt,

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Sterne in den alten Kulturen Rainer Feldbacher

„…bildete oben darauf die Erde, das Meer und den Himmel ferner den vollen Mond und die unermüdliche Sonne,

dann auch alle Sterne dazu, die den Himmel umkränzen, oben, das Siebengestirn, die Hyaden, die Kraft des Orion,

und den Bären, den auch mit Namen den Wagen sie nennen, der auf der Stelle sich dreht und stets den Orion belauert,

doch als einziger teil nicht hat an Okeanos’ Bade.“1 Das im 18. Gesang der Ilias erwähnte Schild für Achill dürfte die wohl älteste Erwähnung griechischer Sternbilder sein. Doch stammen diese uns bekann-ten und vertrauten Beobachtungen ursprünglich aus dem griechischen Raum? Die Entwicklungen und Einflüsse der verschiedenen Kulturen, und damit einhergehend ihrer religiösen Prägungen sollen in diesem Aufsatz beleuchtet werden. Doch schon das Stichwort Kulturen wirft ein Problem auf: Kulturen bestehen seit der Existenz des Menschen, und so wie der Glaube an Götter die Menschen beeinflusste, so übten gerade Sterne und ihre Konstellationen in ihrer All(!)gegenwart großen Einfluss auf jene aus. Wo ist die Grenze zu ziehen bezüglich Kulturen? Man macht es sich in deren Defi-nition sehr einfach, da der Begriff Kultur in der Art, wie wir ihn verwenden, ohnehin ein Konstrukt einiger Gelehrter der Neuzeit ist.2 Der Aufsatz sollte ursprünglich hauptsächlich auf den Mittelmeerraum be-schränkt werden, dessen hellenistisch-römisches Erbe Europa antrat, und auf den Nahen und Mittleren Osten, deren alte Kulturen auf die abrahamitisch-monotheistischen Religionen ausstrahlten und (zumindest noch) Teil unseres Denkens im Okzident darstellen. Aber man kann nicht all die großartigen Errungenschaften anderer – so bleiben wir beim Begriff Kulturen – im Bereich

1 Ilias 18,483-489. Übersetzung nach J.H. Voss, in: E. Schwartz (Hg.), Homers Ilias. Augsburg 1994. 2 „Daraus folgere ich, dass festgefügte Hierarchien oder Hierarchierungsprozesse, wie z.B. Nationalismus, nation building oder Kolonialismus, diese Aufgabe erschweren, bzw. im Extrem-fall ab absurdum führen können. Die Gefahr besteht im Ethnozentrismus, d.h. der Beurteilung fremder Völker nach eigenen Maßstäben.“ Schrott, Rüdiger: Rechtsanthropologie; in: Fischer, Hans (Hg.): Ethnologie. Berlin/Hamburg 1998 (Erstauflage 1983), 172. Dazu auch: Borst, Arno: Der Turmbau von Babel. München 1995 (Erstauflage 1962), 1928: „Bildung, Kunst und Wissen-schaft wollen das tägliche Treiben mit sprachlichen Mitteln und anhand geschichtlicher Erfah-rungen zu Haltung, Gestalt und Erkenntnis läutern. Das ist aber nur möglich in der geistigen Freiheit von allen, auch den eigenen Objektivationen.“

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der Sternkunde ignorieren. Die Kenntnis des gestirnten Himmels war faszinierenderweise in allen Teilen der Welt immer voll entwickelt, sobald eine Gesellschaft aus der Schriftlosigkeit ins Licht der Geschichte trat.3 Somit soll nach einem Überblick hinsichtlich der Gesellschaften der so genannten Alten Welt auch ein kurzer Blick auf den asiatischen und mesoamerikanischen Raum geworfen werden. Wenn man im Fall des amerikanischen Kontinents davon ausgehen kann, dass dessen Völker ohne Fremdeinwirkung ihr hohes astronomisches Wissen entwickelten, so strahlte aus dem euroasiatischen so Manches auf den fernöstlichen Raum aus und umgekehrt. Letztendlich darf man Grenzen nie streng ziehen – das, was wir heute Diffusionismus nennen, entspricht einem Charakter aufnahmebereiter Gesellschaften. Doch bevor auf die einzelnen eingegangen wird, müssen gewisse Definitio-nen ausgeweitet werden: Eine davon ist der Sonnenkult, der in sämtlichen Religionen und gerade in Ägypten zur Vollendung kam: Sollte man die Sonne, immerhin ein Stern, wenn auch nie als solcher zu jener Zeit betrachtet, aus dieser hier relevan-ten Betrachtung ausschließen? Immerhin würde schon dieser eine Stern sehr schnell den Rahmen dieses Artikels sprengen und vermutlich auch das hier zu besprechende Thema verfehlen. Die „inneren“ zu jenen Zeiten sicht-baren fünf Planeten unseres Sonnensystems wurden dagegen als Sterne gesehen4 und sollen deshalb zur Sprache kommen. Ein weiteres Problem der Terminologie ist die Unterscheidung Religionen – Kulturen. Beide waren gerade in der Antike engst miteinander verwoben; die Beobachtung astronomischer Begebenheiten entsprang vermutlich prakti-schem Denken (wie Ernte und Schifffahrt), jedoch versuchte man auch oder gerade deswegen auf transzendenter Ebene die Einsicht auf den Kosmos zu beeinflussen. Gerade der König war oft für das Wohlergehen des Staates oder Volkes zuständig, wobei zwischen Astronomie und Astrologie nicht unterschieden wurde. Eine weitere Definitionshürde stellt die Unterscheidung Wissenschaft oder Religion dar. Die Ägypter etwa betrieben nie Wissenschaft an sich. Sie

3 Es sei aber zu bemerken, dass sich auch vor dieser Errungenschaft Bauwerke und Objekte finden, die u.U. in Beziehung mit Sternbeobachtung gesetzt werden können, etwa jene in Stonehenge oder Avebury sowie weiteren 900 Steinringen, ergänzt durch Tausende einzeln stehen-de Steine allein auf den Britischen Inseln. Aber auch im Festlandeuropa vorschriftlicher Zeit sind Strukturen solcherart stark vertreten (etwa Quenstedt/Schalkenberg oder Goseck). Hinsichtlich Objekte sollen zumindest die Himmelsschreibe von Nebra und der Sonnenwagen von Trundholm (Dänemark) erwähnt werden. Da man sich aber bei prähistorischen, im Sinne von schriftlosen Gesellschaften zu schnell in Hypothesen verliert, sollen in diesem Artikel von diesen nicht weiter die Rede sein, und der Blick auf jene gerichtet werden, die ihre Anschauungen mit Niedergeschriebe-nem untermauern, immerhin beginnt Geschichte im klassischen Sinne mit schriftlichen Zeugnissen. 4 Die äußeren drei wurden erst in der Neuzeit entdeckt. Dennoch bekamen auch diese antike Namen, wobei sich im Namen Pluto auch die Initialen seines Entdeckers verbargen.

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formulierten zwar kosmovisionelle Ideen, verharrten dabei aber immer beim archetypischen Symbolismus und blieben auf einer prä-wissenschaftlichen Stufe stehen.5 Aus dieser Wirklichkeit der präparadigmatischen Phase, in der mythologische Ideen im Vordergrund und in Zusammenhang mit der Sternmuster-Dynamik standen, brach man aus und betrieb in ptolemäischer Zeit gezieltere Wissenschaftlichkeit.6 Auch das ptolemäische Paradigma wurde lange Zeit als sicher aufgefasst. Wirklichkeiten entstanden schritt-weise, man stützte sich auf konstruierte Wirklichkeiten, die für Jahrtausen-de hielten. Was wird weiters unter Astralmythologie verstanden? Sie steht für eine reli-giöse Deutung und Verehrung der Gestirne als göttliche Wesen. Die Mythen beruhen auf Himmelsbeobachtungen, oft in auffallender Übereinstimmung in völlig verschiedenen Kulturkreisen. Interessant dabei ist auch, dass in den so genannten animistischen und mutterrechtlichen Kulturkreisen die Lunarmythologie bevorzugt wird, während der solare Mythos den jüngeren vaterrechtlichen Kulturkreisen eigen ist. Gleichsetzungen zwischen Mann-Sonne-Feuer-Himmel und Frau-Wasser-Mond-Erde riefen weltweit gleiche Assoziationen hervor.7 Die heutige Wahrnehmung der Sternbilder ist v.a. durch die griechisch-römische Literatur geprägt, und entspricht mit gewissen Erweiterungen dem heute benutzten System zur Angabe von Konstellationen. Unser System stammt aus dem 1. Jhd. v.Chr. Es wurden kaum Veränderungen vorge-nommen, nur einige Ergänzungen – zum einen, da wir aufgrund besserer technischer Möglichkeiten immer weiter hinausblicken können, zum ande-ren, da mit der Erforschung der südlichen Hemisphäre weitere Sternbilder ins Bewusstsein traten und moderne Bezeichnungen erhielten – ursprünglich waren es 48 Konstellationen. Und doch - auch wenn sie statisch wirken – werden die Bilder, wie wir sie kennen, irgendwann verschwunden sein, da sie auseinanderdriften. Gerade die Astronomie bietet die ausgezeichnete Möglichkeit, ein Wissen aus früher Zeit exakt zu rekonstruieren, und ist auch in der Lage, Umstän-de wie die Präzession8 zu berücksichtigen – einem „Taumeln“ der Erdach-se, ausgelöst durch die Gravitationseinwirkung von Sonne und Mond auf

5 Maravelia 2006, 637. 6 Fasching – Wertner 2000, 186. 7 Baumann 1980, 106. 8 Je weiter man nach Norden kommt, umso weniger ist der Himmelsäquator einzusehen. Am Äquator der Erde ist die Präzession auch nicht erforschbar, weil der Himmelspol, der Polarstern, nicht zu sehen ist. Der günstigste Standort zur Erforschung der Präzession ist ein möglichst südlicher Bereich bei gleichzeitiger Sicht des Polarsterns. Der befindet sich am 30. Grad nördli-cher Breite, u.a. dem Standort der Pyramiden, wo man 80% des Himmels überschauen kann, einschließlich dem Dreh- und Angelpunkt des ganzen Himmelsgewölbes.

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den Äquatorwulst der Erde. Auch wenn die Präzessionsperiode etwa 25 800 Jahre beträgt, so stimmen im Laufe der Jahrhunderte gewisse Aus-gangspunkte nicht mehr überein. Schon der griechische Astronom Hip-parch (2. Jhd. v.Chr) erwähnte diese Beobachtung.9 Da sich dadurch die Sternbilder und die Schnittpunkte von Ekliptik und Himmelsäquator ver-schieben, wandert der Frühlingspunkt alle rund 2.150 Jahre durch ein ganzes Sternbild des Tierkreises, des zwölfgeteilten Jahreskreises, so dass wir inzwischen das Sternbild der Fische – auch verwendet als Symbol für das frühe Christentum10 – verließen und in das des Wassermanns als „Symbol für das rationale Denken“11 eintraten.

9 Krupp 1980, 41; Eddy 1980, 173 ff. Sowohl er als auch Ptolemaios untersuchten außerdem die Länge eines Sonnenjahres. Depuydt 2002, 94. 10 Konjunktionen können oft folgenschwer sein – der „Stern“ während Christi Geburt könnte astronomisch betrachtet eine Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild Fische gewesen sein, der wirklich einige Weise nach Palästina gefolgt sein könnten. Im Mai des Jahres 7 v.Chr. standen laut Berechnungen die beiden erstmals am Morgenhimmel nahe beisammen, ebenso Ende September bis Anfang Oktober, sowie in der ersten Dezemberhälfte zum letzten Mal am Abendhimmel. Drößler 1976, 212. Das jüdische Volk hoffte auf den Messias und erwartete die Endzeit, heraus kam eine neue Weltreligion, welche die ganze Welt umspannt. Diese (dreifa-che) Konjunktion (die etwa alle 260 Jahre zustande kommt) des Jahres 7 v.Chr. (1-2 Jahre vor der Geburt Christi) war wegen ihrer unmittelbaren Nähe zum Frühjahrspunkt, dem antiken Welterschaffungstermin, bedeutsam. Ein Jahr später kam eine Konjunktion noch mit Mars dazu. Dies beeindruckte die gesamte antike Welt: Vorausberechnungen auf Keilschrifttafeln aus Sippar oder Borsippa (Berliner Tafeln VAT 290 und 1836), ein demotischer Papyrus (P 8279), der eine Planetentafel mit entsprechenden Berechnungen enthält, eine Inschrift im Isistempel auf der Nilinsel Philae, die den heliakischen Jupiteraufgang im März des Jahres 7 v.Chr. feiert, untermauern dies, außerdem zahlreiche direkte und indirekte Belege über die chronistisch und astronomisch gleichermaßen behauptete Zeitenwende, seitens der Insel Rhodos (der dem Helios-Apoll geweihten Astronomen- und Astrologeninsel), v.a. betreffend Bewegungen des Jupiter und Saturn. Aristoteles hatte bereits über das „größte“ Jahr geschrieben, das eintritt, wenn Sonne, Mond und die fünf Planeten im selben Zeichen am selben Ort zusammenkamen, in dem sie auch am Anfang der Schöpfung standen. Die Vorstellung des Weltenjahrs gehörte auch zu den Elementarlehren der Stoiker und beschäftigte allgemein die klassische gebildete Welt. In der frühen augustäischen Zeit wurde die Hoffnung auf Veränderung besonders groß – der etruskische Haruspex Vulcanius kündigte im Jahre 44 v.Chr. aus Anlass eines Kometen, den man mit dem Tode Caesars in Verbindung brachte, eine Zeitenwende an. Um 41 v.Chr. schrieb der Dichter Vergil seine IV.Ekloge, in der sich ebenfalls die Hoffnung auf ein neues apollinisches Zeitalter richtete, auf Saturns Wiederkehr und das Kommen eines gleichsam himmlischen Jupitersprößlings. Er spricht auch von der Wiederkehr der Jungfrau (Tierkreiszei-chen). Die Hoffnung geht letztlich auf die Geburt des göttlichen Kindes, das als Apoll-Helios das wiederkehrende goldene Zeitalter bestimmen und verklären wird. Gewidmet war diese Ekloge dem Parteigänger des Triumvirs Antonius Pollio. Eine Münzprägung des Jahres 41 v.Chr. zeugt ebenfalls vom Geist dieser Jahre, auf der sieben Planeten (Sonne und Mond mit ein berechnet) und die Aufschrift saeculi felicitas abgebildet sind. Strobel 1985, 17. 11 Diese Sicht entspricht aber nicht der astrologischen Tradition, da die Sternbilder und Stern-zeichen immer weiter auseinanderklaffen. Es entspricht nur einer „Vorwärtsstrategie der Astro-logie, den Eintritt des – abstrakt definierten – Frühlingspunktes in das – zu diesem Zweck neu definierten – Sternbild (nicht Sternzeichen!) des Wassermanns als Beginn eines neuen Zeital-ters der Menschheit zu deklarieren…“. Pfleiderer 1990, 210.

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Das Interesse am Himmel existierte schon, sobald der Mensch auf Erden wandelte, und daran hat sich nichts geändert. Immerhin finden sich schon Kerbmarken für die Mondphasen aus der Altsteinzeit, die man vermutlich schon bald als auf die Menstruation Einfluß nehmende Kraft erkannte, und entsprechend mit Fruchtbarkeit konnotierte. Man muss auch bedenken, dass der Mensch viel intensiver in Einklang mit der Natur lebte, und ent-sprechend auch sensibler auf ihre Einflüsse reagierte.12 Der Mond spielte immer eine wichtige Rolle in Bezug auf Kalender und Chronologie – die meisten Kalender auf der Welt hatten oder haben noch einen Mondkalen-der.13 Und die Natur allgemein konnte kaum aus dem religiösen Kontext entfernt werden. Als man zum Ackerbau überging, musste man durch Sternbeobachtungen die Zeitbestimmung verfeinern, um Termine für Aus-saat und Ernte heraus zu finden. In späterer Zeit wurde die Arbeit an Ka-nälen und Dämmen von Sternen abhängig angeordnet, und damit verbun-den auch die Steuern und Abgaben eingetrieben. Die Fähigkeit, für diese Beobachtungen und auch die damit zusammenhängenden religiösen Ze-remonien riesige Komplexe zu errichten, beweist den hohen Stand der Organisation von Gesellschaften, die zentrale Autoritäten und eine hervor-ragende Arbeitsteilung voraussetzte. Diese Beobachtungen gingen somit nicht nur von rein religiösen Beweggründen aus, sondern ursprünglich – wie schon angemerkt – auch von praktischen, da Rhythmen am Ster-nenhimmel doch auch den irdischen Lauf bestimmten. Doch im Grunde ist hier die gegenseitige Abhängigkeit erkennbar: Erst als man in der Lage war, Überproduktion zu erwirtschaften, kam es zur Arbeitsteilung, die es wiederum ermöglichte, eine komplexere Gesellschaft zu schaffen. Eine zunehmende Komplexität erforderte u.a. einen genaueren Kalender, nicht nur aus genannten wirtschaftlichen Gründen, sondern auch etwa zur Ein-haltung religiöser Feste. Und von Kalender und Terminen sind wir heute ja offensichtlich mehr denn je abhängig; die Voraussetzungen dazu schufen aber die alten Kulturen.14 Positionen der Sterne mussten ebenfalls genau bestimmt werden, als sich in fortgeschrittener Zeit Seefahrer an den Sternen orientierten. Neben all diesen praktischen Belangen beeinflussten die Gestirne aber auch das

12 Drößler weist darauf hin, dass auch die Doppelaxt, die sich in vielen Kulturen oft in Zusam-menhang mit Fruchtbarkeit findet, vielleicht auf die Phasen des ab- und zunehmenden Mondes anspielt. Drößler 1976, 35 ff. Eventuell hängt damit auch der Vers aus der altisländischen Dichtung Edda zusammen „Bringt den Hammer / Die Braut zu weih´n! Leget Mjölnir / Der Maid in den Schoß!“ Edda, Þrymskviða, Strophe 30 und 31. Und vielleicht sind auch die oft auftau-chenden Spiralen so zu interpretieren. 13 Depuydt 2002, 79. 14 Einen interessanten Beitrag zu den semitischen Einflüssen diesbezüglich schuf Langdon 1935.

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Weltbild der einzelnen Kulturen. Ab der Erfindung der Schrift konnte man Beobachtungen festhalten, welche bei den Ägyptern bis zum Ende des 3. Jts. und bei den Bewohnern Mesopotamiens bis in die erste Hälfte des 2. Jts. zurückreichen. Richtige astronomische „Tagebücher“ führten die Baby-lonier erst seit dem 6. Jhd. v.Chr.15 Zwei Jahrhunderte zuvor hatten die Chinesen mit Aufzeichnungen begonnen.16 Meistens fiel den Priestern die Zuständigkeit zu, die ihr Wissen zu ihrem Vorteil nutzten. Man darf nicht außer Acht zu lassen, dass die Beobachtung von Sternen auch andere Beweggründe hatte, nämlich die Etablierung der Macht von Herrscher und Priestern. Jedenfalls kann sich auch in unserer heutigen so genannten rationalen Zeit niemand dem Reiz entziehen, den der Nachthimmel ausübt – sei es in Form der Astrologie, die doch sehr umstritten ist, oder in Form von Mythen, die sich um die Sternbilder ranken, deren Interpretationen der Himmelsgestirne zum Teil jedermann bekannt sind. Gerade die Mythen sind es, die in den alten Kulturen Konstellationen, Ekliptik, Aszendenten etc. zu erklären ver-suchten. In diesem Aufsatz wird nur fallweise auf sie eingegangen, ohne das Hauptaugenmerk darauf zu richten, da Sternbilder ein eigenes großes The-ma bieten würden. Man ist jedoch heute in der Lage, den allgemeinen Umgang alter Kulturen mit dem Himmelszelt mit Hilfe der interdisziplinären Wissenschaft zu rekonstruie-ren (und bleibt in vielen Fällen doch nur bei Theorie). Archäologen werten Stätten aus und rekonstruieren Geschichte, Historiker übersetzen alte Texte, Ethnographen vergleichen frühere und heutige Bräuche, Mathematiker und Architekten untersuchen ebenfalls Umsetzungen von Gebäuden, Archäoas-tronomen betrachten den Himmel, wie er zu früheren Zeiten aussah. Der Ein-satz moderner Computertechniken, die zeitraubendes Rechnen ersparen, ge-stattet astronomische Serientests. Es findet sich etwa eine Arbeit über Son-nen- und Mondeklipsen (die Zeit von 3000 v.Chr. bis 0 umspannend) als Weiterführung einer Untersuchung, welche die Finsternisse in Mesoamerika betrafen, als man mit solchen Programmen astronomische Tafeln der Maya-Manuskripte und des Weiteren chronologische Probleme lösen wollte.

15 Neben den einheimischen Sterndeutern hatten sich dort auch Meder, Perser und Griechen eingefunden, die ihr Wissen in die Heimatländer brachten. 16 Drößler 1976, 244. Auch in der grch. Mythologie (Platons Symposion) findet sich die Idee der Dualseele in Form einer ursprünglichen Androgynie, bis wegen ihrer Sünden gegen die Götter Mann und Frau getrennt wurden, und seitdem danach trachten, sich wieder zu vereinen. Auch der Verlust des Gartens Eden als Verlust von Einheit entspricht vielleicht dieser Idee. Und ein allgemein duales System entspricht dem gesamten heutigen Weltbild – beginnend mit der Religion (Zarathustras Ahura Mazda – Ahriman, Gott – Teufel) bis zur heutigen Politik (Bush als neuer Messias unterschied in seinem Feldzug auch nur Schwarz und Weiß, beginnend mit dem Ansatz des Alten und Neuen Europa, ganz zu schweigen von der erzwungenen „Demokratisie-rung“ ganzer Staaten, die der „Achse des Bösen“ angehören).

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Abhängig von Ort und Zeit lassen sich hervorragende Ergebnisse mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln erbringen.17 Doch in den letzten Jahr-zehnten kommt es auch zu einem Einbringen selbst ernannter „Wissenschaf-ter“. Da sehr vieles weiterhin ungeklärt ist, konnten sich aus dieser Unsicher-heit heraus viele mit unseriösem Machwerk einen Namen machen.18 Was führte aber dazu, dass sich Menschen aller Zeiten so intensiv mit dem All beschäftigten? Es hängt wohl damit zusammen, dass sie schon seit frü-hester Zeit versuchten, die Entstehung des Weltsystems (die Kosmogonie) zu erklären. Schon die Bibel berichtet, wie Himmel und Erde getrennt wur-den, und auch die Sonne zum Licht am Tag, der Mond und die Sterne zum Licht in der Nacht bestellt waren.19 Noch früher berichteten die Ägypter, dass der Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut sich miteinander verbanden. Als der Urgott Atum-Ra (aufgestiegen aus der Urflut, dem Chaos Nu(n)) dies erfuhr, befahl er dem Luft- und Raumgott Schu, sie zu trennen, wodurch Nut in die Höhe geschleudert wurde. Hesiods Theorie von der Abstammung der Götter – entstanden um das 8. Jhd. – entspricht demselben Muster. Am Anfang war Chaos, anschließend gebar die Erdgöttin Gaia den Himmelsgott Uranos, der sie seinerseits (be)deckte, und aus deren Verbindung u.a. die Titanen geschaffen wurden. Im alten Sumer waren an (Himmel) und ki (Er-de) ein Ort, bevor ki als menschlicher Raum abgetrennt wurde. Der Stern als Zeichen göttlich legitimierter Herrschaft zeigt sich schon im Zei-chen: Stern = Himmel = Gott (sumer. DINGIR) . Und immerhin wies auch im christlichen Evangelium ein Stern den Weg zum Heiland als König der Könige.20 Wandmalereien eines Grabes der Makedo-nier Lyson und Kallikles (um 200 v.Chr.) zeigen einen Schild mit einem acht-strahligen Stern, dem so genannten makedonischen, der seit der Weltherr-schaft Alexanders des Großen das antike Denken mehr und mehr bestimm-te. Diese Hoffnungen verdichteten sich noch einmal unter Augustus. Das Grab von Vergina (Aigai) beherbergte einen goldenen Schrein, der vermut-lich als Gebeinkasten für Philipp II., Vater Alexanders des Großen, diente.

17 Diese wurden in FORTRAN IV geschrieben. Kudlek - Mickler 1971, 3 ff. 18 Immanuel Velikovskys „Katastrophen“18, Katherine Maltwoods „Terrestrischer Tierkreis“, Alfred Watkins „Ley-Linien“, und v.a. Erich von Dänikens Bücher wie „Alte Astronauten“, seien als die Bekanntesten genannt, ohne für sie Werbung machen zu wollen. 19 Gen 1,6-7 sowie Gen 1,16-17 und Jer 31,35. 20

Mt 2,1-2. Im griechischen Text ist die Rede von Stern, in der altsyrischen Übersetzung von Kaukeba (akkad. Kakkabu), der Name des Jupiters. Jupiter galt als Stern des Weltherrschers und war im Zeichen der Fische besonders machtvoll. Aus diesem Grunde wurde 7 v. Chr. auf der Nilinsel Philae ein Denkmal zu Ehren des Kaisers Augustus errichtet mit dem Titel Jupiter. Saturn (akkad. Kewan) wurde nach babylonischer Deutung mit dem Land Syrien verbunden, nach griechischer mit dem Gott Kronos, außerdem galt er als Stern der Juden. Eine Konjunktion von Jupiter und Saturn verwies somit auf einen König der Juden als Weltenherrscher.

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Auch hier bezeichnet ein Stern das Emblem der makedonischen Dynastie. Dieser Typus schmückt später auch die jüdischen Münzen der ausgehenden Hasmonäerzeit.21 Der Gedanke, dass die Götter im Himmel lebten, findet sich ebenfalls auf dem ganzen Globus. Im Symbol des Sterns bekundete sich diese Idee einer göttlich legitimierten Weltherrschaft – er konnte zu-gleich Gottheit, eine Erscheinungsform der Gottheit, ein Symbol der Gottheit oder ein von der Gottheit gesetztes Zeichen sein.22 Eine Verbindung zum Himmel zu schaffen und dessen Einfluss herzustellen, war höchstes Ziel, das man über Riten und Zeremonien bis zur Astrologie zu erreichen ver-suchte. Als eine der ältesten im Allgemeinen, und gerade auch in Bezug auf Astro-nomie sei als erste auf die des Zweistromlands eingegangen: Material durch Grabungen im Nahen und Mittleren Osten zeigten auf, dass sehr viel astro-nomisches Wissen von dort stammte.23

In Mesopotamien herrschte der Glaube vor, dass die Götter die Menschen durch Zeichen auf kommende Ereignisse hinwiesen. Wenn ein Ereignis kurz nach einem Zeichen24 auftrat, glaubte man einen Zusammenhang zwischen diesen beiden zu erkennen. Demnach würde ein gleiches Zeichen schon Erlebtes ankündigen. Wichtig hierbei ist, dass Angekündigtes nicht immer einem unabwendbaren Schicksal gleichkam – es konnte durch Opfer oder apotropäische Rituale abgewendet werden. Wenn Mondfinsternisse vom Tod des Königs zeugten, so wurde ein Ersatzkönig [šar pûhi] eingesetzt, den das angekündigte Unglück treffen sollte. Die Frist dauerte 100 Tage, wäh-rend welcher der Ersatzkönig noch sein Leben genießen konnte, bis er mit dem Ablauf des Rituals – wenn noch erforderlich – getötet werden musste.25 Diese Anzeichen wurden im Laufe der Zeit systematisch geordnet und auf Tontafeln zusammen geschrieben. Die Omen-Astrologie entstand aus der Historie, etwa den Erfahrungen von Finsternissen zwischen 2300-2000 v.Chr., deren astronomische Datierungen dann oft mit anderen Quellen überein stimmen26 und sich als hilfreich für Historiker erweisen.

21 Strobel 1985, 8. 22 Pfleiderer 1990, 208. 23 Es sei hier zumindest auf Teleilat Ghassul im heutigen Jordanien verwiesen, einer Siedlung des 5. und 4. vorchristlichen Jahrtausends, deren gut erhaltenen (farbigen) Wandmalereien auch Sonnen (oder Sterne) aufzeigen. Zu deren Interpretation: Gardner, Sara Lee, The moon and stars of the southern Levant at Gezer and Megiddo: Cultural astronomy in Chalcolithic/Early and Middle Bronze Ages (Dissertation, Univ. of Arizona 2002). 24 Zeichen konnten neben Himmelserscheinungen auch Leberomina, Vogelschau, Rauchsym-bolik etc. sein. Anm. d. Autors. 25 Steele 2008, 33 ff. 26 Brack-Bernsen 1997, 8.

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Die astronomischen Keilschrifttexte fanden sich oft nur in Fragmenten, hauptsächlich aus Assurbanipals Bibliothek in Ninive, sowie Uruk, u.v.a. Babylon.27

27 Die Texte lassen sich – mit gewissen Abweichungen, je nach Literatur – wie folgt unterteilen: Astronomisch-astrologische Texte: Enuma Anu Enlil („Wenn die Götter Anu und Enlil“) (EAE) beinhaltet eine Sammlung von 7000 astronomischen Omina auf 70 Tafeln, und stammen aus der Zeit vor 2000 v.Chr. Struktur: wenn Zeichen A eintritt, dann wird folgendes Ereignis B eintreffen. Manchmal ließ sich das angekündigte Schicksal durch Opfer oder rituelle Handlun-gen abwenden. Die ältesten Aufzeichnungen von Planetenbeobachtungen sind jene der Venus während der Herrschaft des Ammisaduqa (17. Jhd.v.Chr.), Tafel 63 dieser Serie. Jong 2002, 176. Tafeln 1-13 sind gut zusammengefasst bei: Verderame 2002, 447 ff. Mul.apin: nach seinen Anfangsworten „Pflugstern“ genannt, ist jünger als EAE (Beginn des 1. Jahrtausends) Britton 2002, 23. und enthält Sternkataloge, Angaben über heliakische Auf- und Untergänge der Fix-sterne, Windrichtungen, wenige Omina, Angaben über Sichtbarkeit der Planeten und Tageslän-gen am 1. und 15. der 12 babylonischen Monate in Minen und Schekel (es handelt sich hierbei um Volumenmaße, mit denen die Tageslängen mit Hilfe der Wasseruhr gemessen wurden). Dazu v.a.: Hunger – Pingree 1989. Die heliakischen Beobachtungen sind von besonderer Bedeutung für die Synchronisierung vom Mondkalender mit dem Sonnenkalender durch Interkalation. Jong 2002, 176. Die Wassermenge war in 12 gleiche Teile geteilt und entspre-chende Marken im Gefäß angebracht, an denen man 12 Doppelstunden ablas. Also war die Rechnung nach gleich langen Stunden in Babylon gebräuchlich. Die Konstellationen waren noch unregelmäßig in Form und Größe und konnten somit nicht die Bewegungen der Wandel-sterne (Planeten) einfangen. Somit wurde in Analogie zum „idealen“ Jahr (12 30-Tage-Monate = 360 Tage) ein Band geschaffen mit 12 gleich großen Streifen mit je 30 UŠ (akkad. Grade), die in Summe ebenfalls der Zahl 360 entsprachen – der Zodiakus. Steele 2008, 46. Babylonische Horoskope (früheste bisher gefundene sind von 410 v.Chr.) sind aber nicht im klassischen Sinn zu verstehen. Sie geben zwar Stellungen der Planeten und Mond an, aber enthielten selten Vorhersagen zu Ereignissen im Leben. Astrologische Berichte an assyrische Könige: Im 8./7. Jhd. haben Spezialisten den Königen ihre astronomischen Beobachtungen mitgeteilt und mit Hilfe der Ominasammlungen astrologisch gedeutet. Briefe assyrischer Weiser an Könige Asarhaddon und Assurbanipal: Beobachtung von Himmelskörpern und Hinweis, wann Him-melskörper wieder zu beobachten waren, dienten ebenfalls zur astrolog. Beratung der Könige. Brack-Bernsen 1997, 8-14. Nicht-mathematische astronomische Texte: Spät-Babylonische astronomische und verwandte Texte (LBAT): Almanache, NS Almanache und Goal-Year-Texte liegen nur in Keilschriftreproduktion vor und basieren auf Beobachtungen der Diaries. Diaries: Bisher 1200 bekannt, das älteste stammt von 652 v.Chr., das jüngste von 61 v.Chr. Beobach-tungsdaten aus einem Zeitraum von mindestens einem halben Jahr wurden Jahr für Jahr zu-sammen getragen, Bemerkenswertes aufgeschrieben und gewertet. Zieljahr-Texte: 150 Tafeln bringen Auszüge aus den Diaries, Beobachtungen, die für Vorhersagen über Mond und Plane-ten für ein bestimmtes Jahr verwendet wurden, über Kolophon auf der Rückseite der Tafel gibt es den Hinweis auf das Zieljahr (namengebend), und stammen von 71 SÄ bis 352 SÄ (=Seleukidenära, ab 311 v.Chr. wurden die Jahre nicht nach Regierungszeiten der Könige, sondern nach Seleukos I. gezählt, (Anm. des Autors)). Finsternistabellen: die früheste Liste ist von 748 v.Chr., die berühmteste davon ist der Saros-Kanon (Jahr und Monat aufeinander folgender Mondfinsternisse vom vierten Regierungsjahr des Königs Artaxerxes bis zum Jahr 40 der seleukidischen Ära (401-272 v.Chr.). Ein Saroszyklus ist eine Reihe von Sonnen- oder Mondfinsternissen, die größtenteils von der gleichen Finsternisart sind. Der Zeitraum einer Sarosperiode (auch Chaldäische Periode oder Halleysche Periode) beträgt etwa 18,03 Jahre. Der Saroszyklus ist der bedeutendste und am längsten bekannte Finsterniszyklus und hat wie jeder von ihnen eine begrenzte Dauer. Jeder einzelne Zyklus besteht aus etwa 71 Finsternissen und ist etwa 1.270 Jahre lang. Steele 2002, 408 ff. Astrologische Abschnitte: Faustregeln zur

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Es lässt sich bemerken, dass die Grenze zwischen diesen Gattungen oft verschwommen war. Ihnen gemeinsam ist, dass sie – wenn sie nicht als Übungstexte dienten – hauptsächlich in Tempeln oder im Palastarchiv gefunden wurden. Gerade der Herrscher musste über die Vorgänge am Himmel informiert bleiben. Durch Rituale machte man den König – die höchste irdische Instanz – zu einem Gott, und eine Kommunikation des Menschen mit den Göttern war wichtig, deren Aufenthalt meist in den hö-heren Sphären zu suchen war, und der Himmel war umgreifend, umfas-send. Diese Universalität seines Wirkungsbereichs führte zu Fruchtbarkeit und Vitalität, und einem Bestehen gegen die allgegenwärtige Dunkelheit. Der König galt als „tagmachendes“ Gestirn, sein Glanz war kraftvoll und glückbringend. Der Kosmos war eine postchaotische Installation seitens der Götter, welche die Anti- und Vorweltmächte gebändigt hatten, und diese Geschehnisse blieben rituell zu rekonstruieren, da sich das Chaos immer wieder durchsetzen mochte. Die mesopotamische Genesis erzählt vom Kampf des Gottes Marduk mit seiner Mutter Tiamat, der Manifestation des Chaos. Die Sternbilder stellen im Grunde genommen eine gebildete Ordnung her und dar!28 Der Königsritus hatte die politisch-religiöse Aufgabe, die Gesellschaft auf Erden in einen ebenfalls geordneten Mikrokosmos zu verwandeln, dazu boten sich vielerlei Möglichkeiten des Rituals. Es gab aber auch andere Wege, Kontakt mit dem Himmel aufzunehmen und geordnete Bahnen auf Erden zu erreichen: Auf Grenzsteinen (soge-nannten Kudurrus), wurden die Götter angerufen und dargestellt. Unter den Göttersymbolen fand sich meist auch die astrale Triade Mond (Sin, der Herr der Zeitrhythmen29), Sonne (Šamaš, Herr des Lebens und der Ge-rechtigkeit), ein Stern – die Venus als Symbol der Göttin Ištar) und eine Gruppe von sieben Sternen (Plejaden), sowie andere Figuren. Wie weit jedoch etwa Skorpion und Schlange/Hydra als Sternbilder aufzufassen sind, bleibt offen.

Vorhersage von Phänomenen sowie Rechenbeispiele, die zeigen, wie Vorhersagen gemacht werden können. TU 11 8, Museumsnummer AO 6455. Brack-Bernsen 1997, 14-20. Texte der mathematischen Astronomie: 300 Tafeln und Fragmente: Ephemeridentexte: Zahlenkolonnen, mit technisch-astronomischen Bezeichnungen oder Logogrammen der babylonischen Monate oder Tierkreiszeichen. Die Zahlenkolonnen stellen Werte astronomischer Größen dar. Umge-setzt waren zwei Systeme: A: Positionen in der Ekliptik wurden anhand von Treppenfunktionen ausgerechnet, B: lineare Zickzack-Funktionen, führten zu Daten der Mond- und Planetenphä-nomene. Ephemeridentexte bezeugen, dass Babylonier in der Seleukidenzeit (letzte 300 v.Chr.) imstande waren, komplizierte Mondphänomene mit Hilfe periodisch variierender Funktionen zu berechnen. Lehrtexte: fassen Regeln zusammen, nach denen Ephemeriden berechnet wurden. Brack-Bernsen 1997, 20-21. 28 Schmid 2005, 75. 29

Sin steht auch symbolisch für die Zahl 30, entsprechend dem Mondmonat. Anm. d.Autors.

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VA 3031, Abb. aus: Hunger 1990, Bd. II, 6-7, Abb.2b/c

Die sieben „Planeten“ (einschließlich Sonne und Mond) wurden anhand der Beobachtungen mit gewissen Göttern eigenen Charakteristika versehen, die in weiterer Folge jenen der Griechen nicht unähnlich waren (dann wiederum wurden sie als wilde umherirrende Schafe [bibbu] gesehen und waren in der Form bedeutend)30: Von der Venus als Morgen- und Abendstern war schon zumindest um 2000 v. Chr. bekannt, daß sie fünfmal in 8 Jahren an densel-ben Punkt des Himmels zurückkehrte. Ihr Verhalten könnte widersprüchli-cher nicht sein, da sie als Ištar sowohl die Göttin der Liebe und Sexualität als auch des Krieges darstellte.31 Marduks Sohn Nabu (entspricht Merkur) als schnellster (man erkannte auch in ihm bald den doppelten Charakter wegen seiner zwei Erscheinungen) war der Springende Stern, sowie der Stern des Sonnenauf- und -untergangs. Sturmgott Ninurta / (früher Ninib, der Planet Saturn)32, in dem man eine müde gewordene Sonne erkennen wollte, wurde als Langsamster der Standhafte Stern genannt, und Mars, der rote Planet war als Feind bekannt: Nergal, dem man schlechte Omina bei seinem Er-scheinen nachsagte, Marduk (Jupiter) dagegen wurde als der Held, Schöp-fergott und Stadtgott Babylons angesehen.33 Sonne und Mond wurden zu den Planeten gezählt: Die Sonne in ihrer Allge-genwart stand wie in vielen anderen Kulturen für Gerechtigkeit (Šamaš-Hymne). Und die Kraft des Mondes auf unseren Planeten und seine Bewohner wurde, wie schon anfangs angemerkt, ohnehin überall sehr früh erkannt. Während viele Götter mit Sternen gleichgesetzt wurden, repräsentierte die Triade der großen Götter Anu – Enlil – Ea den ganzen Himmel und die drei Pfade des Himmels (deren Segmente den Horizont teilen).34 Die in Fußnote 27 genannte Liste EAE bezieht sich auf diese.

30 Steele 2008, 21. 31 Feldbacher, Rainer, Die Hure Babel. Sexualität in Religion und Alltag im Alten Orient. Trier 2009, 5. 32 Zu Beobachtungen dieses Planeten: Jong 2002, 175. 33 Deren mesopotamische Namen und – so welche existieren – Übersetzungen – finden sich in Reiner 1995, 7 ff. 34 Reiner 1995, 5. Orte der Sterne wurden auf den Äquator bezogen, indem man den Himmel

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Babylonische Kopie der 14. Tafel des EAE; Abb. aus: Steele 2008, 27

Im Epos Enuma elisch, Tafeln IV, 143-V, 4 wird diese Unterteilung beschrie-ben: „Es maß der Herr die Ausmaße des Apsu, einen Palast, nach seinem Bild, errichtete er dort, den Escharra. Der Palast Escharra, den er erbaute, war der Himmel. Anu, Enlil und Ea ließ er an ihren Stätten wohnen. Er ersann Standorte für die großen Götter. In Sternbildern ordnete er ihre Entsprechungen, die Sterne. Er bestimmte das Jahr, teilte die Abschnitte ab. Für jeden der zwölf Monate bestimmte er drei Sterne.“35 Auf ein mythologisches Wesen sollte eingegangen werden, das in dieser oder ähnlicher Form über den ganzen Erdkreis zu finden ist: Die himmlische Schlange war ein beliebtes Motiv, meist als Mischform aus Schlange und Drachen, mu-uš-hu-uš-šu-um (etwa im Relief am Ištar-Tor zu Babylon aus der Zeit Nebukadnezars II). Der Schlangenschwanz endete in einer um 90 Grad abgewinkelten wiedergegebenen Verbildlichung („Skorpionstachel).36

symmetrisch zu diesem in drei Wege teilte, einen mittleren, der dem Gott Anu gehörte, und je einen nördlich und südlich davon für die Götter Enlil und Ea. So stand z.B. die Sonne im Früh-ling und Herbst im Anuweg, im Sommer im Enlilweg und im Winter im Eaweg, womit die Er-kenntnis gegeben war, daß sie sich am Himmel längs eines zu Äquator geneigten Kreises bewegte, eben der Ekliptik, deren Einteilung in Sternbilder und Bezeichnung als Tierkreis jedoch erst später erfolgte. 35 Garelli – Leibovici 1993, 142 ff. 36 Koch 1989, 81. Hinweis auf Lutz-Ruoff, E.: Die Schlangendrachen am Istartor zu Babylon,

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Auf einem Grenzstein aus der Zeit Merodachbaladans I. (12. Jhd. v.Chr.) ist ein Schlangendrachen mit darauf hinweg schreitenden geflügelten Löwen abgebildet. Auch die Vorderseite der in der Seleukidenzeit entstandenen Tafel VAT 784737 zeigt ein geflügeltes Schlangenwesen mit der Beischrift

mulmuš und

auf seinem Rücken Löwen mit der Beischrift mul

ur-gu-la.

Abb. aus: Weidner 1967, Tafel 5 - 6

Die Beischriften lehren eindeutig, dass mit dem Schlangenwesen das Stern-bild der Hydra, mit dem Löwen das Tierkreisbild des Leo gemeint ist.38 Die Gestalt des Löwen war ursprünglich weiter rechts und wurde offenbar der Genauigkeit wegen umgesetzt. Ganz links ist ein achtstrahliger Stern mit der Beischrift

dsàg-me-gar für Jupiter, oder auch Procyon (Canis minoris), der

als Hauptstern des Cancer gilt. Die Rückseite der Tafel AO 6448 berichtet von einer Mondfinsternis, beglei-tet von Hunger, Verheerung und Bösem: „[Ma]cht ] der Mond im … eine Finsternis] und vollendet sie die Nachtwache, geht auch ein Nordwind, steht bei dieser Verfinsterung Jupiter nicht da, steht Saturn oder Mars in Aries od[er in …] [oder in] Pisces, bzw.: ist er (der Mond) bei dieser Verfinsterung von einem Halo umgeben und steht Regulus darin, so wird auf dieses Vorzeichen hin der König von Akkad eine gewaltige Einschließung erleben: sie wird ihn fassen und [….] [Ruin von Akkad], Akkad wird ruiniert, seine Gefilde werden verheert, seine Bewohner werden eine gewaltige Hungersnot erleben, der Bruder wird seinen Bruder, der Freund seinen Freund mit der Waffe niederstrecken, 200 Jahre lang wird auf dem Throne von Akkad […] […] werden sein, die Götter werden sich vom Körper des Landes abwenden, bzw. für die Bewohner, sie werden abgetrennt wer-den, die Bewohner werden ihre Göttersitze im Stich lassen, Erbarmen und Heil werden völlig aufhören, Enlil wird auf das Land zum Bösen sich herabneigen, Akkad […]“39

Dissertation. Tübingen 1986. 37 Abb. etwa bei: Weidner 1967, Tafel 5-8. 38 Koch 1989, 81. 39 Transliteration in Weidner 1967, 15.

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Ein weiteres interessantes Beispiel stellt das Fragment eines astronomi-schen Tagebuches mit Beobachtungen der Himmelskörper für die zweite Hälfte des Jahres 148 aus der Seleukidenära40 – entsprechend unserer Datierung 164/163 v.Chr. – dar: unter anderem wurde auch das Erscheinen eines Kometen im Sternbild Stier erwähnt, der anhand von Berechnungen mit dem Halley’schen Kometen identifiziert werden kann41 – zu dieser Zeit wurde er auch im fernen China beobachtet. Gerade in der spätbabylonischen Periode traten einige wichtige Entwicklun-gen innerhalb der Astronomie ans Licht: Das erste systematische Erstellen von täglichen Beobachtungen, die Erfindung eines Referenzsystems – den Zodiakus, um Positionen am Himmel zu messen, die Herausbildung mathe-matischer Methoden, um astronomische Phänomene zu berechnen. Neben diesem Streben nach Vorhersagen die Zukunft betreffend (das ja unserer heutigen Astrologie gleichkommt) ging es um die Zeitrechnung. Der Kalender bestand aus Tag, Monat, Jahr – naturgegebene Einheiten durch Sonne, Mond und Jahreszeiten. Und doch gehen diese ja nicht völlig Hand in Hand, wie aus unserem heutigen Kalender erkennbar ist. Aus diesem Grund kam es – anfangs eher unregelmäßig, ab dem 7./6. Jhd. v.Chr. nach astronomisch bestimmten Regeln – zum Einbringen von Schaltmonaten. Im 5. Jhd. v.Chr. wurde ein 19-jähriger Schaltmonat eingeführt, der sogar noch genauer als der julianische Kalender gewesen wäre, würde er noch ange-wandt. Doch unser heute verwendeter Kalender stammt vom südwestlichen Nach-

barn, auf den als nächstes eingegangen werden soll – Ägypten: Josephus beschreibt Abraham (dessen Ägyptenaufenthalt in Gen 12,10-20 erwähnt wird) als den Mann, den die Ägypter „für höchst weise“ halten und der „sie in der Arithmetik und der Sternkunde [unterrichtete], Wissenschaften, die vor seiner Ankunft ihnen völlig fremd waren; denn sie gelangten von den Chal-däern zu den Aegyptiern und von da zu den Griechen“.42 Obwohl im Ver-gleich zur babylonischen Wissenschaft keine umfassenden Beobachtungen erwähnt sind – auch fehlt eine klare Fachsprache für astronomische Er-scheinungen – so führte die Schaffung eines bürgerlichen Sonnenkalenders, deren Verfahren auch den 24-Stundentag beeinflusste, zum in der westli-chen Welt heute gebräuchlichen Kalender. Julius Caesar zeichnete sich

40 BM, Inv.-Nr. WA 41462. Hunger 1990, Bd. II, 9, Abb. 4. 41

164/163 v.Chr. und 87 v.Chr. Die erste Beobachtung wird auf zwei Tafeln erwähnt: Astronomical diaries (Wa 41462 und 41941) und WA 41628, im Rektaszensionssystem (Darstellung zwischen 14.Sept. und 25.Dez. 164 v.Chr.). Zu den Koordinaten am Himmel: Koch 1989, 145, Abb. 18. 42

Flavius Josephus, Jüdische Altertümer I,8.2. Übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Heinrich Clementz. Köln 1959.

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dafür verantwortlich, der den Ägypter Sosigenes von Alexandria 46 v.Chr. damit beauftragt hatte. Zuvor hatten sich die Ägypter auf die leicht be-obachtbaren Mondphasen zur Zeitmessung und Festsetzung religiöser Fes-te gestützt.43 Doch der Widerspruch zwischen den daraus ergebenden 354 Tagen und dem Sonnenjahr von etwa 365 Tagen führte zur Herausbildung des astronomischen bürgerlichen Wandeljahrs, das zum Ausgangspunkt den heliakischen Frühaufgang des Sothis (=Sirius) nahm. Sothis’ Aufgang fiel nach gewisser Zeit der Unsichtbarkeit gegen Mitte Juli mit der Nilschwemme zusammen und wurde so als ihr Geschenk betrachtet. Das ägyptische Jahr gliederte sich in 3 Jahreszeiten zu je vier Monaten: Überschwemmung – Pflanzen und Wachsen – Ernte und Niedrigwasser. Der letzte Monat wurde „Sothis geht auf“ genannt. Das Ende des Mondmonats trat früher ein als das Ende des Sonnenjahres und kam früher an den heliakischen Aufgang des Sothis heran. Durch das Zwischenschalten war das lunistellare Jahr wieder synchronisiert.44 Administrative und fiskalische Bedürfnisse veranlassten die Ägypter dazu, diesen Sonnenkalender einzuführen.45 Jeder Monat im Son-nenkalender hatte 30 Tage, die man in Abschnitte zu je 10 Tagen (diese Anzahl entsprach der ägyptischen Woche) teilte, die vom ersten abendlichen Aufgang eines bestimmten Sterns oder Sternbildes unterteilt waren (De-kan)46. Diese 12 Monate samt 5 epagomenale Tage brachten 365 Tage. Auch hier kam es zur Differenz zwischen Wandeljahr und Sothisaufgang wegen des fehlenden Vierteltages, der alle 1460 Jahre wieder mit dem Jah-resbeginn ausgeglichen wurde (Sothiszyklus).47 Diese Verschiebung wurde

43 Dazu: Spalinger 2002, 379 ff. 44 Heliakische Aufgänge vollziehen sich am Osthorizont, heliakische Untergänge am Westhori-zont eines Beobachtungshorizonts, Astrolabe beschrieben demnach astronomische Phänome-ne in Horizontnähe. Koch 1989, 19. 45 Sie gaben als erste den reinen Mondkalender auf, und zwar schon im 3. Jahrtausend v. Chr. Depuydt 2002, 84. 46 Die Liste dieser Sterne, die „keine Ermüdung kennen“, diente zur Bestimmung der zwölf Nachtstunden, vor allem für den rituellen Tempeldienst. Die in zwölf Feldern geteilten Dekantafeln entsprachen jeweils einem Zeitraum einer Dekade, also zehn Tagen. Die Namen aller Sterne waren so eingetragen, dass sie nach jeder Dekade um ein Feld aufrückten, also um je eine Stunde früher aufgingen, bis sie nach 12 Stunden nicht mehr sichtbar waren. Die zwölf Mondmonate mit je 30 Tagen plus die 5 epagomenalen Tage füllten das Sonnenjahr auf. Die Dekansterne schützten den jeweiligen Abschnitt und die in diesem Zeitraum Geborenen und deren Schicksal. 47 Erwähnenswert wäre auch das Sothisdatum in den Kahunpapyri. Gerade der Hundsstern Sirius spielte im heliakischen Aufgang (d.h. das erste Sichtbarwerden eines Sterns in der Morgendämme-rung kurz vor Sonnenaufgang) eine wichtige Rolle, da die Sonne auf der Ekliptik im Laufe des Jahres leicht wandert. Vor den Sternen des Hintergrundes wandert die Sonne pro Tag 50 Bogen-minuten. Sterne östlich von ihr gehen nach ihr auf und sind somit nicht zu beobachten. Wenn sie aber im Laufe des Jahres weiter nach Osten wandert, gehen bestimmte Sterne gleichzeitig auf. Aber erst nach etwa weiteren 12 Tagen ist die Sonne noch weiter nach Osten gerückt, und der Stern wird sichtbar. Faktisch geht die Sonne aber zur Sommersonnenwende am weitesten nördlich

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aber nur zur Kenntnis genommen. Sie ließen ihren Kalender weiter durch die Jahreszeiten treiben.48 Jene Sothisdaten sind sehr wichtig für die ägyptische Chronologie, die als eine der verlässlichsten des gesamten Mittelmeerraums gilt.49 Gegen die Zweiteilung des Kalenders (religiös und bürgerlich) wurde

auf. Krupp 1980, 205 ff. Laut Astronom Paul Ahnert fielen einer dieser Sommersonnenwenden und der Sothisaufgang gemeinsam auf das Jahr 2999 v.Chr. auf Höhe Memphis. Durch die nördliche Breite erschien Sothis dort fünf Tage später als in Theben, doch die Nilschwemme kam weiter nördlich ebenso entsprechend später. Drößler 1976, 156. In Pyramidentexten wurde der tote König mit dem Morgenstern identifiziert, auch die Dekane erschienen als Morgensterne. Sothis war hierbei die Herrin der Dekane, und ihre h3.tiw-Dämonen standen im Tode Osiris zu Gebot, der im Leben als Orion mit Sothis ihnen voran zog. Nach 70-tägigem Aufenthalt im Totenreich (Duat) kamen sie wieder als b3k.tiw, auch die Balsamierungen der Toten dauerten im Übrigen 70 Tage an. In der Funerärliteratur sollte der Verstorbene unter diese gesetzt werden. Die Dekane konnten somit nicht nur gefährlich sein, sondern auch schützen und die Zukunft verkünden. Solche Phäno-mene beeinflussten neben der ägyptischen Umwelt, dem phönizisch-punischen oder hellenisti-schen Kulturkreis auch spätantike Religionen. Zum Osiriskult sei gesagt, dass er aus dem Acker-bauzyklus entstanden ist und daher mit den Fruchtbarkeitsritualen einherging. Er erklärte auch das Verhalten des Nils und der Sonne – alles war in ständiger Wiederkehr, auch der Zyklus von Leben und Tod. Tägliche und jährliche Neugeburt waren keine widersprüchlichen Ereignisse, sondern sich ergänzende Vorgänge, die das „erste Mal“ wiederholten und so ständig die Welt erneuerten. Die Sonne musste immer wieder aus der Dunkelheit des Chaos steigen und die Ordnung aufrecht-erhalten. Die unterirdische Welt wurde dabei als Spiegelbild der irdischen gesehen, so wie der Himmel als schmaler mit Sternen besetzter Streifen und nach unten weisenden Spitzen am Ende (wie auch die Tempeldecken bemalt wurden), durchfloss statt des Himmels das Urgewässer Nun die Unterwelt, die von der Sonne in der Abendbarke durchfahren wurde, um am Morgen wieder über die irdische Welt zu fahren. Tagsüber wurde Ra von den „Sternen, die nicht untergehen können“ (Zirkumpolarsterne) begleitet, nachts von den Sternen, „welche nicht müde werden kön-nen“ (Sterne des Himmelsäquators). Ein wichtiges Symbol war hierbei der Phönix, welcher für die Ägypter in Gestalt des reiherartigen Vogels Benu erschien. Laut Herodot kehrte der rotgoldene Benu nach 500 Jahren aus Arabien nach Heliopolis zurück, bzw. nach 1461 Jahren (entsprechend dem Sothiszyklus). In manchen Fassungen stirbt der Vogel, während aus dem Nest oder den verbrannten Überresten seines Körpers sich ein neuer Benu erhebt, um den Lebenszyklus neu zu beginnen. Der Vogel war die Seele des Ra, der Benu-Zyklus ist also vermutlich die Allegorie der täglichen Wiederbelebung der Sonne am östlichen Horizont. Benu ließ sich auf dem Benben (ein pyramidenförmiger Gegenstand oder Obelisk) nieder, welcher in der ägyptischen Kosmologie als erster aus den Wassern des Chaos (Urmeer) auftauchte, um Atum, der Schöpfergott, zu werden. Es gibt die These, dass es sich dabei um den Reiher handelte, der sich wie Re-Atum als erstes Lebewesen auf dem Urhügel niederließ. Die Erdkuppen, die während der Überschwemmungszei-ten über den Wassern glänzten, dienten den Reihern als Ruheplatz. Die Benu-Legende ist aber vielleicht auch die Allegorie des heliakischen Sothisaufgangs. Das Feuer, in dem Benu starb, ist der Glanz der Sonne, wodurch man Sothis nicht sehen konnte. Sothis stirbt, wenn er unsichtbar ist, und wird zu seinem Aufgang wiedergeboren. Der Hinweis auf die Rückkehr aus der arabischen Wüste entspringt der östlichen Lage. Der Flammentod des Phoenix, der aus dem Nest verbrannter Myrrhe hervortrat, erinnerte an das Erscheinen des Reihers „in der Sonnenglut des ersten Males und seine Neugeburt an die ewige Wiederkehr des kosmischen Geschehens“, wenn sie Jahr für Jahr wiederkehrten. Drößler 1976, 155. 48 Bei sämtlichen Maßnahmen hatten die Ägypter zwei Zeitangaben zu berücksichtigen: die des gebräuchlichen Kalenders für allgemeine Feste etc., und jene des Sothis, bezogen auf Aussaat, Wachstum und Ernte, sowie Kulthandlungen für Sothis / Isis. Drößler 1976, 157. 49 Censorinus überliefert sie aus dem Jahre 139 n.Chr., ebenso aus dem 7. Regierungsjahr des Königs Sesostris III im Mittleren Reich, und Amenophis I. aus der 18. Dyn. Seipel 1990, 51. Er

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erst 238 v.Chr. unter Ptolemaios III. Euergetes ein Dekret in Kanopos erlas-sen, das sich nicht durchsetzte. Wie zuvor erwähnt, adaptierte Caesar die-sen Kalender und veranlasste einen Schalttag alle vier Jahre.50 Auf dieser Basis führte Julius Caesar jedes 4. Jahr einen 6. Tag ein. Unter Papst Gre-gor XIII. wurde 1582 der julianische Kalender wiederum reformiert, der bis heute seine Gültigkeit bewahrt hat.51 Die jährlich regelmäßig wiederkehrende Nilüberschwemmung förderte si-cherlich die Herausbildung dieses ziemlich exakten Kalenders und – weil sie die Feldgrenzen zerstörte – von Landvermessungsmethoden. Während der Zeiten der Trockenheit und der Überschwemmung waren die Landarbeiter ohne Arbeit, was die Staatsführung nutzte, um sie zu großen Bauvorhaben (Pyramiden, Tempel, Bewässerungsanlagen) einzuziehen. Sie entwickelten Mathematik und Medizin weiter, entdeckten Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Aber es stand v.a. die Zeitrechnung, der Kalender, im Vordergrund. Dazu dienten zum einen Sonnenuhren, zum anderen Wasseruhren.52 Des Weite-ren besaßen die Ägypter noch die Sternuhren. Ihnen liegt die Erfahrung zugrunde, daß die Bewegung des Sternhimmels sich so regelmäßig voll-zieht, daß man aus dem Auf- und Untergang, besonders aber aus der Zeit des Höchststandes eines Sternes die Stunde der Nacht bestimmen könne.53 Die Sternbeobachtung war wichtig für solche Aspekte, und stand aus diesem Grunde auch in religiösem Kontext. Die Astrologie allgemein war jedoch im Alten Ägypten bis zur Mitte des ersten Jahrtausends, als der Einfluss der ba-bylonischen Astrologie bemerkbar wurde, kaum bekannt. Es gibt nur wenige Beispiele: Aus dem 9. Jhd. existiert eine Inschrift, die politische Unruhen als Folge einer Mondfinsternis, die als schlechtes Omen gesehen wurde, er-wähnt. Und im 5. Regierungsjahr des Pharao Merenptah (1208 v.Chr.) ließ

war auch nicht unwesentlich im mesopotamischen Raum: Die Menschen dort nannten ihn Šukudu (Kaksidi) „der wie Kupfer glüht“ / „wenn der Šukudu rot ist“, und beweist, dass sein Farbenwechsel schon damals bemerkt bzw. beobachtet wurde. Boll 1920, 15. Zu Berechnun-gen betreffend Erscheinen und Verschwinden des Sirius / Sothis: Britton 2002, 69 ff. 50 „…damit auch die Jahreszeiten fortwährend nach der jetzigen Ordnung der Welt ihre Schul-digkeit tun und es nicht vorkomme, dass einige der öffentlichen Feste, welche im Winter gefeiert werden, einstmals im Sommer gefeiert werden, indem der Stern um einen Tag alle vier Jahre weiterschreitet.“ Das Dekret von Kanopus wurde in Hieroglyphen, der vereinfachten demoti-schen Schreibschrift und Griechisch ausgefertigt, um dieser Neuordnung Nachdruck zu verlei-hen. Richard Lepsius überprüfte die Stichhaltigkeit der Entzifferung anhand dieses Dekrets. Genaueres bei: Hölbl 1994, 101 ff. 51 Die griechisch-orthodoxen Länder behielten den julianischen Kalender bis 1923 bei, wodurch sich bei den Datierungen vieles verschiebt. Anm. des Autors. 52 Zu deren Funktionsweise: s. Fußnote 22. Manche von ihnen zeigten an der Außenseite die Mondgötter, während Paviane Thot symbolisierten, u.a. dem Gott für Messungen und Zeitbe-rechnungen. Im Inneren sind Skalen, die je nach Wasserstand die Stunde anzeigen. Wells 1996, 39. 53 Dazu sei empfohlen: Leitz 1995.

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dieser seinen Sieg über die Libyer aufzeichnen. Laut Text kam dieser Sieg nicht unerwartet, da Deuter schon die Sterne beobachtet hatten.54 Archäologisch fassbar sind als älteste Belege für Himmelsvorstellungen der Kamm des Wadji (1. Dyn., 2880 bis um 2870 v.Chr),55 und Verzierun-gen von Decken mit einfachen Sternmustern ab der 5. Dynastie. So fanden sich in der Pyramide des Unas (oder Wenis) aber sogar schon Beschrei-bungen einzelner Sterngruppen.56 Die Pyramidentexte wiederum erzählen vom Aufstieg des toten Königs zum Himmel, dem Ort der wichtigsten Göt-ter. Einige der Vorstellungen sind auch in Sargtexten anzutreffen, auch wenn jene Bedeutung der himmlischen Sphäre im Laufe der Jahrhunderte zurückging. Besonders auffällig sind Diagonalsternuhren, angebracht auf den Innenseiten der Deckel v.a. von Särgen des Mittleren Reichs, die bereits eine Anordnung späterer astronomischer Decken des Neuen Reichs und Darstellungen von Dekanen aufweisen57: Die Himmelsgöttin Nut steht auf der Erdscheibe und empfängt die Sonnenscheibe. So soll der Zyklus ausgedrückt werden, der allabendlich mit dem Verschlucken der Sonne beginnt, und am Morgen mit der Wiedergeburt der Sonne aus dem Schoß der Göttin seine Fortsetzung findet. Die astronomischen Decken-darstellungen in Tempeln und Gräbern sind erst seit dem Neuen Reich fassbar und zeigen die Göttin gewöhnlich mit Sternen übersät und betonen stärker den Nachtaspekt. Die Wiederkehr der Sonne war nicht nur eine der eindrucksvollsten Erscheinungen am Himmel, sondern galt gleichzeitig als Ausdruck eines unendlichen kosmischen Geschehens, an dessen ewigem Kreislauf der Tote teilhaben wollte. Das erklärt die Wiedergabe des Son-nenlaufes an der Innenseite des Sargdeckels. In Königsgräbern sind ab dieser Periode erstmals Himmelbücher belegt: Im Buch vom Tage und der Nacht und im Nutbuch58, aber auch in klassischen Totenbüchern finden sich Hinweise auf Himmelswanderungen. Ab der III. Zwischenzeit wird das Geb-Nut-Motiv häufiger, und durch den Kontakt der nubischen 25. Dyn. mit Ägypten wanderten jene Himmelsvorstellungen auch weiter nach Süden.59

54 Krauss 2002, 206. 55 Lieven 2000, 12. 56 Maravelia 2006, 90, Abb.III.1. 57 Mit deren Hilfe konnte ein Beobachter die Nachtstunde ermitteln, wenn er das Kalenderda-tum kannte. Da die Dekane offenbar während der Sothisperiode nahe der Sommersonnenwen-de gestaltet wurden, während der die Nacht nur von etwa 6 Stunden Dunkelheit umgeben ist, konnte man nur 12 Dekane beobachten. So rechnete man konsequent 12 Nachtstunden. Ande-re Meinungen ließen die Ägypter den Tag dezimal unterteilen, später fügten sie noch zwei Stunden hinzu – je eine für Morgen- und Abenddämmerung. Zur Berechnung nahmen sie sich Merchets und Bays (Lote und geschlitzte Stäbe) zu Hilfe. Weitere Information zu den Dekanen weiterhin bei: Neugebauer – Parker 1960. 58 Lieven 2000, 13; Walker 1996, Tafel II; Maravelia 2006, 414, Abb.VI.1. 59 Es sind zwar aus Napata keine Quellen bekannt, aber eine Decke in einer Kammer der

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Und letztendlich wurden Gebäude v.a. in griechisch-römischer Zeit mit kosmologischen Darstellungen und Texten bedeckt. Nur weniges hatte sich jedoch in die koptische Literatur hinübergerettet, v.a. in jene der Gnostiker.60 Das bisher früheste ausgefeiltere astronomische Deckengemälde findet sich im Grab von Senenmut (1473 v.Chr.), dem Architekt des Totentem-pels der Hatschepsut in Deir el-Bahari.61 Es zeigt eine Sternuhr mit Dar-stellungen der Planeten und bestimmter Sternbilder in der Decke. Charak-teristisch für die ägyptische Religion ist ihre Flexibilität – Götterzuordnun-gen und Mythen wurden immer wieder angeglichen und verändert, und zeugten vom offenen Geist dieser Kultur.62 Bei den vorhin erwähnten Sarg-texten etwa galten Horus/Venus und Seth/Merkur als Helfer, manchmal aber auch als Feinde der Toten, die als Sterne im Himmel erschienen. 63 Bemerkenswerte Beispiele für Himmelsdarstellungen finden sich natürlich in den Tempeln:64 Der Tierkreis von Dendera, die früheste bekannte Darstellung dieser Art in Ägypten an der Decke des Hathortempels (das Original befindet sich heute

Pyramide Beg. Süd 503, die aus der Zeit kurz nach der Verlegung der Residenz nach Meroe datiert, zeigt auf, dass eine Textvorlage von Kuschiten nach Nubien mitgenommen wurde. Lieven 2000, 14. Strukturen an der Grenze zu Nubien aus dem 3. Jahrtausend beweisen aber, dass es auch zu früherer Zeit unabhängige Himmelsbeobachtungen gab. Maravelia 2006, 34, Abb.II.1. 60 Lieven 2002, 223 ff.: In den Kapiteln 136-137 des IV. Buches der „Pistis Sophia“ vollbringt Jesus Magie, und steigt mit seinen Schülern in den Himmel auf, während Sonne und Mond in Scheiben-form von mythologischen Kreaturen begleitet werden. Genaueres dazu bei: Kákosy 1970, 238 ff. 61 Zwei Gräber stammen von ihm. Das unvollendete Grab Nr. 353, liegt unmittelbar unterhalb eines Steinbruchs gleich östlich vom Tempel. Leitz 1989, 38; Maravelia 2006, 235, Abb.III.4. 62 So zeigt sich im Falle von Venus, dass sie sowohl das Auge des Ra als auch das des Horus sein kann, vielleicht wieder in Bezug auf ihren Doppelgesichtigkeit als Morgen- (Horus der Jünge-re) und Abendstern (Horus der Ältere). Beide Male galten sie als sie Söhne von Isis und Osiris. Im Kampf gegen Seth verlor Horus sein Auge, das ihm der Mondgott Thot in vollständiger Form zurückgab. Die planetare Assoziation mit dem Mythos des verwundeten und geheilten Auges reflektiert astronomische Beobachtungen über Merkur, Venus und den Mond. Die Aktivitäten der Götter wurden im „Kalender der glücklichen und unglücklichen Tage“ für Voraussagen erklärt, welcher in zwei Manuskripten erhalten ist und auf um 1200 datiert. Er läuft ein ganzes Jahr von Tag 1 bis 365: Unter anderem kommt es am Tag 26 zum Kampf zwischen Horus und Seth in Duat (der ägypt. Unterwelt). Dabei hilft Isis Seth, Horus lehnt sich deswegen gegen seine Mutter auf, und sie flieht vor ihm. Am 27. Tag kommt es zum Frieden zwischen Horus und Seth, am 28. Tag sind die Kinder von Nut friedlich. Der Kampf in der Unterwelt ist als Aufgang der Planeten Venus und Merkur zu verstehen, während Isis den Stern Sothis verkörpert. Laut Archäoastronomie stieg an Tag 26 des Jahres 1297 v.Chr. Sothis kurz vor Venus auf, während Merkur noch unterhalb des Horizonts stand. Der ägyptische Beobachter interpretierte den Aufgang des Sothis vor Venus als Isis, flüchtend vor Horus. Krauss 2002, 194 ff. 63 Krauss 2002, 205. 64 Dort wurden meist die hypostylen Pronaoi, und nicht die Sanktuare selbst als Ort für astro-nom. Deckendarstellungen genützt. Anm.

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im Pariser Louvre) ist keine echt ägyptische Konzeption, sondern wurde vermutlich aus Mesopotamien eingeführt.

Er stammt aus de Jahren 30 v.Chr. Gerade diese Darstellungen waren vie-len Interpretationen unterworfen, von denen viele inzwischen als unhaltbar nachgewiesen sind.65 Aber auch die klassische Form ägyptischer Himmels- und Sternbilddarstellungen existiert in Dendera, ebenso im Pronaos von Esna.66

65 Der Tierkreis selbst lässt sich schön erkennen: Sternbilder des Stierschenkels (Ursa Maior) und Nilpferd (Draco) im Ring der Tierkreisbilder: Fische werden durch Schnur verbunden mit einem Wellensymbol begleitet, der Wassermann zeigt sich mit gewellten Wassergüssen, Stein-bock offenbart sich als orientalischer Ziegenfisch, der Bogenschütze in Zentaurengestalt, Skor-pion, Waage, Jungfrau als Frau mit Weizenähren, Löwe, der Skarabäus steht an Stelle des Krebses, ein Mann und eine Frau halten sich an den Händen als Symbol für die Zwillinge, Stier und Widder. Unter dem Löwen steht eine Kuh in einem Schiff mit einem Stern zwischen den Hörnern (Sothis / Sirius), ein Schakal beim Nilpferd ist der Kleine Bär, Orion erscheint mit Stab in der Hand nahe beim Stier. Auch Planeten kommen vor: Merkur in Virgo, Venus in Pisces, Mars in Capricornus, Jupiter in Cancer, Saturn in Libra. Ringsum laufen 36 Figuren mit Namen (Dekane), weitere Figuren sind noch nicht identifiziert. Krupp 1980, 215 ff.; Abb. dazu: Drößler 1976, 48; Maravelia 2006, 444, Abb.1. 66 Bei beiden zeigt sich der Drang zur Symmetrie, wie es allgemein üblich ist für ägyptische Kunstausführungen. Jedoch umspannen nur in Dendera zwei Figuren der Nut, der Himmelsgöt-tin, den Himmelsbereich, im Gegensatz zu Esna. Dort offenbaren sich Gestirnsdarstellungen, mit 14 Mondphasengöttern. Rechts von den Mondphasen schließen sich „créations du phantastique“ (wie Sauneron sie nannte) an. Ähnliche Figuren finden sich auch in Philae (Ar-chitrav im Pronaos) und in einem Grab in Athribis. Sauneron 1960, Pl. X A.; von Lieven 2000, Tafel 1a; Maravelia 2006, 90, Abb.III.1; Lieven 2000, 178.

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Funeräre Texte wiederum lassen zwar gewisse Konzepte zu Himmelskör-pern erkennen, aber eine wirkliche Informationsquelle zur Orientierung der großen Pyramiden existiert nicht und lässt somit Spielraum für Thesen und Interpretation.67 Doch so viel steht fest: Gebäude wurden über Gestirne orientiert, um eine exakte Himmelsausrichtung zu erreichen. Es ließen sich Inschriften vom Spannen der Schnur als Gründungsritus entziffern, etwa im Relief des Son-nentempels von Pharao Niuser-Re (6. Pharao der 5. Dyn; etwa 2455 bis 2420 v. Chr.) in Abu Gurab, nahe Heliopolis, welches ihn und die Göttin Seschet zeigt, wie sie Schlegel und Stäbe halten, so wie auch in Edfu das Spannen der Schnur beschrieben wird.68 Auch die bekannte Pharaonin Hatschepsut wurde so abgebildet, unter Mithilfe der Göttin Seschat, die manchmal als Göttin astronomischer Beobachtungen galt69: Beim „Fest des Strickspannens“ legte der Pharao mit zwei Fluchtstäben eine Meßschnur entlang der Nord-Süd-Linie nach den Sternbildern Großer Bär und Orion (Groß beim Eilen: wr gs.t), ein kultischer Akt, in dem Umfassungsmauern, Urhügel und Altar nach den Himmelsrichtungen orientiert wurden. Darauf folgten das Erdaufhacken, entsprechend unserem ersten Spatenstich, sowie

67 Auch oder gerade bei den Pyramiden sei äußerste Vorsicht angebracht. Oft liest man in populärwissenschaftlicher Literatur, die Himmelskunde habe bei den alten Ägyptern sehr hoch im Kurs gestanden – die Zahlenmystik um die Pyramiden bei Gizeh stellt ein solches Beispiel dar. Man spricht von den drei Gürtelsternen des Orion, welche zu einer Ausrichtung des großen Ganges der Cheops-Pyramide führten, als auch die restliche räumliche Koordination (Nil = Milchstrasse etc.). Darstellungen dazu in: Ronin 1996, 26; Maravelia 2006, 388, Abb.V.3(a); ibd. 239, Abb.III.5; ibd. 245, Abb.III.6. Die Pyramiden waren immer beliebt für unseriöse Wissen-schaften bis hin zur Esoterik, ein Entwickeln ganzer Systeme beruhte teils auch auf falschen Dimensionen von Raum und Zeit durch angepasste Messungen. Etwa das „Pyramiden-Zoll“ von Charles Piazzi Smith oder andere, die sich anmaßen, Einheiten herausgefunden zu haben, z.B. Horst Bergmann – Frank Rothe 2001, Der Pyramiden Code, Kreuzlingen/München, S.14. Ein anderes solches Beispiel stellt die Umdatierung der Sphinx auf bis zu 10 500 v.Chr. mit Hilfe der Präzession, etwa bei Bauval, Robert – Hancock, Graham, Der Schlüssel zur Sphinx. München-Leipzig 1996, 90. 68 Leitz 1989, 61. 69 Maravelia 2006, 250, Abb.III.8.

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die Zeremonie des Sandaufschüttens als Auftakt zum Legen der Fundamen-te, die in diesem Fall notwendigerweise wirklich auf Sand gebaut wurden, um sie vor Grundwasser zu schützen. Auch das erste Ziegelstreichen und die Grundsteinlegung nahm der Herrscher selbst vor.70 In Luxor wurden im Unterpflaster des Heiligtums der heiligen Barke eingetragene Orientierungs-linien gefunden. Die nach den Sternen ausgerichtete Orientierung der Tem-pel entsprach durch die Präzession alle paar hundert Jahre nicht mehr den alten Vorgaben. In Medinet Habu stehen zwei Tempel Seite an Seite, deren Achsen um einige Grade differieren (immerhin bestand die ägyptische Kultur jahrtausende lang).71 Letztendlich ist die ägyptische Religion und Mythologie sehr komplex, aber oft widersprüchlich, da sie über solche Zeitspannen hinweg vieles adaptierte, auch oder gerade im Bereich der Astronomie. Osiris etwa stand für jeden Stern, der unsichtbar war, in jedem hellen Stern dagegen sah man Isis. Alle Phänomene waren im Himmel und auf der Erde mehr oder minder verknüpft, das Wirken der Götter konnte Schaden oder Nutzen sein. Sie alle blieben aber Regeln und der kosmischen Ordnung unterworfen. Maat war die Per-sonifikation der Ordnung, und diese musste man aufrechterhalten. Verant-wortlich für den Erhalt war wiederum der Herrscher selbst, dem es ja auch über Jahrtausende gelang. Zwischen den beiden Großmächten am Nil bzw. zwischen Euphrat und Tigris

befand sich Israel/Juda/Palästina und wurde von ihnen nicht nur bedroht, sondern auch in vielen Belangen beeinflusst. Sowohl die Sicht der Planeten als auch Sternkonstellationen beeinflusste den klassischen ebenso wie den palästinensischen Raum und kehrte letztendlich wiederum über den Helle-nismus nach Ägypten zurück.72 Und doch versuchte man über Reformen – wie der des Joschija (640 bis 609 v.Chr.) im 7. Jhd. – alles Heidnische abzu-wenden. Immerhin galt die Nachahmung des heidnischen Sternenkults und seiner Voraussagepraxis im Urteil der Propheten nichts anderes als massivs-ter Ungehorsam und Abfall von Gott.73 Gerade in der Priesterschrift wurden Sonne und Mond nur als Lichter bezeichnet (Gen 1,14-18) und nicht mit ihren

70 Drößler 1976, 162 ff. 71 Laut Forschern wurden beide vielleicht auf Phact, den Hauptstern der Taube (Columba) ausgerichtet, vielleicht zu einer Zeit, als Sothis noch nicht dazu dienen konnte. Krupp 1980, 222. 72 Zu Modifikationen des Kalenders als Einfluss der Großmächte s. Albani 1994, 14 ff. Haupt-sächlich geht M. Albani in seinem Werk auf das apokryphe Buch Henoch ein, in deren Überlie-ferung dieser von Gott in den Himmel entrückt wurde und dessen Eindrücke auf seinen Him-melsreisen ausgeführt werden. Darin wurde auch erstmals in der jüdischen Kultur eine Hölle beschrieben (Kap. 21), deren Schilderungen vermutlich das christliche Dogma der Höllenlehre und die Lehre vom Weltende der frühen Kirchenväter des 2.-4. Jhd. beeinflusst hatte. 73 Jer 7,18 und 8,2 sowie 10,2; 19,13; 27.9; 44,18;Dtn 4,19; 17,3; 18,9; 2 Kön 17,16; 23,4; Ijob 31,26-28; Deuterojesaja: Jes 47,13.

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in Israel geläufigen Namen (Šemeš = Sonne und jāreach = Mond) versehen, nur in Gen 1,16 wurden die Sterne noch zusätzlich genannt.74 Spätestens in hellenistischer Zeit fand sehr vieles aus dieser Kultur Eingang in Kunst und Wissenschaft, etwa die Tierkreiszeichen von Hammat Tiberias am See Genezareth.

Sie sind Teil einer an die hellenistisch-römische Umwelt assimilierten Syna-goge mit entsprechenden Motiven, die einen Bezug des Judentums zur Astrologie reflektieren.75 Abgebildet sind der Sonnenwagen mit Helios und Planeten, wohl als Hinweis auf die Herrschaft Gottes auch über die Zeit, dessen Macht man auf diese Weise darstellen wollte. Schon bei Josephus wurden Bezüge zur Astrologie genannt: die 12 Schaubrote entsprachen den 12 Tierkreiszeichen, die Menora (7-armiger Leuchter) den 7 Planeten, eben-so standen die 12 Steine des hohepriesterlichen Brustschilds und die 12 Stämme Israels für die 12 Tierkreiszeichen.76 Der Davidstern ließ sich dazu benutzen, um die Anordnung der 7 Planeten als Herren der Wochentage auszudrücken. Er ließ sich so zerlegen, dass das sechseckige Mittelstück als vollkommenste Figur den Sabbat symbolisiert und die sechs Dreiecke (die Spitzen) die Wochentage symbolisieren. Auch der seleukidische Lunisolarkalender als Teil der hellenistischen Kultur dürfte nach der Wiedereinweihung des geschändeten Tempels im Jahre 164

74 Ebenso wurden der Himmel „Feste“ und das Land „das Trockene“ genannt, da Himmel und Erde in der Umwelt Israels als Manifestationen göttlicher Mächte galten. Die Priesterschrift vermied tunlichst ihre Namen, denn immerhin entsprachen sie jenen der Götter. Keel - Küchler 1971, 2. Teil: Der Kommentar, 63. Doch die Funktion der Himmelsleuchten zur Scheidung der einzelnen Tage innerhalb des Monats erinnern an die erste Tafel des Enuma Eliš, wie sie auch in Gen 1,14 zu finden ist. Dagegen waren die Sterne (und Sternbilder) für die Regelung des Jahres und der Himmelsrichtungen zuständig (vgl. auch S. 10 oben: Tafel IV). 75 Worauf offenbar die Sekte der Coelicolae anzuspielen scheint. Noethlichs 2001, 210, FN 230. 76 Jos bJ 5,217; ant 3,186, jüd. Tierkreiszeichen. Dazu auch: J.H. Charlesworth, Jewish Interest in Astrology During the Hellenistic and Roman Periods: ANRW II, 20, 2, 1987, 926-950, insbe-sondere 926-947 zu den synagonalen Tierkreiszeichen.

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v.Chr beibehalten worden sein, zumindest soweit Ergebnisse zu den Unter-suchungen der Makkabäer-Bücher vorliegen, da der Tempel weiterhin in Händen pro-seleukidischer Hohepriester blieb.77 Wenn es um historisch-politisch-religiöse Umstände geht, zeigt sich, wie die Sterne religiösen Eifer politisch motivierter Gruppen anspornten: Als Herodes der Große 40 v.Chr. aus Rom zurückkehrte – dort ließ er sich als König bestätigen, musste er den Kampf gegen die messianisch ausgerich-tete Volksbewegung der Sikarier aufnehmen, welche die Erfüllung von 4.Mose 24,17 (Stern aus Jakob) in Bezug auf die Planeten Sikkut und Kewan (Jupiter und Saturn) erhoffte. Die Hoffnung auf einen messiani-schen Sternensohn wurde erneut geweckt, als Kaiser Hadrian den jüdi-schen Tempelplatz in ein Jupiterheiligtum umgestalten wollte und führte zum Aufstand des Simon bar Kosiba (später umbenannt auf Bar Kochba „Sternensohn“) in den Jahren 132-135 n.Chr. und letztlich in die Katastro-phe der Diaspora, die das Schicksal des jüdischen Volkes für 2000 Jahre, in weiterer Folge das der gesamten nahöstlichen und letztlich der ganzen Welt bis heute bestimmen sollte. Immerhin kam es im Jahre 134 wieder zu einer dreifachen Jupiter-Saturn-Konjunktion im Zeichen des Schützen. Es soll nun ein kurzer Blick auf den klassischen Raum gerichtet werden, den man in unserer Gesellschaft vermutlich am stärksten mit unserer Sicht

der Sterne bzw. deren Bildern und Deutung verbindet, allen voran Grie-

chenland. Ein großer Teil des Wissens und der Beobachtungen entstamm-ten – wie schon angemerkt – dem mesopotamischen und ägyptischen Raum, nicht zuletzt durch persönliche Aufenthalte mancher Gelehrter in jenem Raum. Eudoxos von Knidos (ca. 400-340), der für die Annahme eines Fixsternkalenders bekannt ist, etwa befand sich zu Studienaufenthal-ten in Heliopolis. Auch Ptolemäus (ca. 120 - 190 n. Chr.) hielt sich in Ägyp-ten auf und schrieb im 2. Jahrhundert n. Chr. ein großes astronomisches Kompendium, die Syntaxis mathematica (gewöhnlich kurz Almagest ge-nannt), eine umfassende Darstellung des astronomischen Wissens der damaligen Zeit.78 Er fügte seinem Werk auch einen Sternenkatalog bei, den

77 Albani 1994, 14 ff. Zu heleq, eine an den Mond gekoppelte hebräische indirekte Einheit von 3 1/3 Sekunden: Depuydt 2002, 81 ff. Zum hebräischen Jahr: Schiaparelli 1997, 248 ff. 78 Auf diesem Fundament bauten die Astronomen bis zu Keplers Zeiten im 17. Jhd. Steele 2008, 68. Bemerkenswert ist auch seine Geographike hyphegesis (Anleitung zur Geographie), in welcher er geographische Koordinaten von 6000 Orten in der Oikumene (dem von Menschen bewohnten Bereich) – soweit den Griechen bekannt – angab (einschließlich solch ferner Orte wie Sabana emporium/Singapur und Sera metropolis/Xian). Information aus: Kleineberg, And-reas – Knobloch, Eberhard – Lelgemann, Dieter, Die Weltkarte des Klaudius Ptolemaios – geodätisch entzerrt. Spektrum der Wissenschaft (Dossier 4: Astronomie vor Galilei), Heidelberg 2006, 16-21.

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Hipparchos zusammengestellt hatte. Beide nahmen sich vermutlich auch mesopotamische Quellen zu Hilfe.79 Auch wenn das Almagest Ptolemaios’ das bekanntere Werk ist, so schrieb er auch, als Konsequenz der Vorhersage astronomischer Beobachtung als zweiten Aspekt den Effekt der Himmelskörper auf irdische Vorgänge das Tetrabiblos. Astrologie war also auch in der griechischen und römischen Gesellschaft das primäre Anliegen astronomischer Beobachtungen.80 Man stellt fest, dass mit dem Wechsel vom Mythos zum Logos ein religiöser Aspekt am Sternenhimmel fehlte, auch wenn ihre Sagen erhalten blieben – wichtiger war der praktische Bezug. Wie schon angemerkt, war die Kennt-nis des Sternenhimmels für die Schifffahrt bedeutsam. Deswegen waren gerade die Griechen – das Seefahrervolk par excellence – von einer Navi-gation abhängig.81 Dieser Umstand findet sich auch schon in den homeri-schen Epen, aus denen man nochmal einige Zeilen zitieren sollte – immer-hin üben die himmlischen Götter sehr starken Einfluss auf den trojanischen Krieg aus. Der 5. Gesang der Odyssee, in welchem Sternbilder genannt werden, die den Griechen um 800 v.Chr. als Navigation dienten, zeigt die Wichtigkeit von Lebensbereichen wie der Schifffahrt aus praktischen Erwä-gungen, gerade zu einer Zeit, in welcher man Handel zu fernen Ländern betrieb, auf: „auf die Plejaden gewandt und auf Bootes, der spät erst untergeht, und den Bären, der wohl auch Wagen genannt wird, welcher im Kreise sich dreht, den Blick zum Orion gewendet, und allein niemals in Okeanos’ Bad sich hinabtaucht. Denn beim Scheiden befahl ihm die hehre Göttin Kalypso, dass er auf seiner Fahrt ihn immer zur Linken behielte.“82 Auf diesem Weg entwickelten sie ein geschärftes Bewußtsein für Raum und einen Sinn für Geometrie. So manche Grundlagen, die für die Erforschung des Kosmos nötig waren, übernahmen sie zuvor von anderen Kulturen. Im Gegensatz zu diesen führten sie die Entwicklung dieser Wissenschaft aber

79 Steele 2008, 68. 80 Steele 2008, 80. 81 Doch es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass den Phöniziern im Auftrag des ägyp-tischen Königs Necho II. schon im 6. Jhd. die Umseglung Afrikas gelang, eine Leistung, die erst durch Vasco da Gama umgesetzt wurde. Die frühen Entdeckungen der Welt waren stark von den Sternen abhängig und erweiterten des Menschen Kenntnis und Anschauung der Welt. Herodot, Historien IV/42. 82 Odyssee 5, 272-277. Übersetzung nach J.H. Voss, in: E. Schwartz (Hg.), Homers Odyssee. Augsburg 1994. Diese Verse folgen, nachdem Odysseus Kalypso auf der Insel Ogygia verließ und Richtung Ithaka aufbrach. Ogygia könnte Malta gewesen sein, von dort aus läge zwischen dem Aufgangspunkt der Plejaden und des Arktur (im Bootes) Ithaka. Aus diesen Angaben kann man vermuten, dass Aufgänge für die Navigation berücksichtigt wurden.

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weiter, während dort die Naturwissenschaften irgendwann stehen blieben und sogar in Vergessenheit gerieten. Es sind von den Griechen im Gegensatz zu den anderen Gesellschaften weit mehr Zeugnisse überliefert, die uns Auf-schluß über wissenschaftliche Tätigkeiten geben. Untrennbar mit der Astro-nomie der Griechen verbunden, und besser bekannt als so mancher Herr-scher des Landes, sind uns die Namen der Philosophen und Naturwissen-schaftler.83 Einer sei genannt, da sein Werk später noch einmal angespro-chen wird: Aratos von Soloi (* ca. 310 v.Chr.; † 245 v.Chr.), von dem nur das im Altertum berühmt gewordene Lehrgedicht Phainomena (Himmelserschei-nungen) erhalten ist, das in 1154 Hexametern den Sternenhimmel beschreibt und sich dabei an der astronomischen Lehre des Eudoxos von Knidos orien-tiert. Er betrachtete den Sternenhimmel nicht als Ansammlung von Fabelwe-sen und Geschichten, sondern hauptsächlich als Ansammlung mathemati-scher Punkte.84 Es ist vorwiegend den lateinischen Übersetzungen von Mar-cus Tullius Cicero und Germanicus zu verdanken, welches in Form von Scho-lien (Erläuterungen) das Wissen der Menschen bewahrte. Sehr viele der modernen Sternbildbezeichnungen lassen sich auf diese Versionen zurück-führen und verdanken somit Aratos ihre Kanonisierung, die auch im Almagest des Claudios Ptolemaios (2. Jh. n.Chr.) über die arabisch-maurische Tradition weiterwirkte. Und doch wird hier ausgerechnet auf die Griechen nicht genauer eingegangen, obwohl deren Sternenwelt einen auf Schritt und Tritt verfolgt – all die großartigen Mythologien, die über Texte, Malereien, Bildhauerkunst zu uns gekommen sind. Grund ist deren frühes Loslösen vom Mythos zum Lo-gos. Während die astronomische Wissenschaft in Babylonien und Ägypten in den Händen der Priester lag, und somit mit der Religion untrennbar verwoben war, wurde sie in Griechenland zu einer weltlichen Bestrebung, die den Grundstein zu rationaler wissenschaftlicher Erklärung des Kosmos legte.

Im Bereich Philosophie und Naturwissenschaft übernahm Rom sehr vieles aus den eroberten Gebieten, gerade dem griechischen Raum: Das römische Reich ordnete in die scheinbare Sonnenbahn ebenfalls den babylon.-grch. Tierkreis, Dekane und Dodekaoros-Tiere ein. In einem erneuten kurzen Ex-kurs nach Ägypten der ersten nachchristlichen Jahrhunderte als Bestandteil des römischen Reichs sollen v.a. die Oxyrhynchus-Papyri (aus dem heutigen Bahnasa) aufzeigen85, die Instruktionen, Tafeln und Horoskope beinhalten:

83 Unter anderem seien genannt Thales v. Milet, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Empedokles, Anaxagoras, Sokrates und Aristoteles, die über ihre Beobachtungen hinaus nach allgemeinen Prinzipien suchten. 84 Schiff 1988, 238 ff. 85 85 publ. grch. Horoskope, 80 weitere publ. und identifizierte astronomische Papyri, zwischen 1896 und 1906 entdeckt, heute liegen sie im Ashmolean Museum in Oxford auf.

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Deren Besitzer tragen meist griechische und ägyptische Namen und stam-men aus jeder Schicht der Gesellschaft.86 Es handelt sich um: 1. theoretische Texte und Instruktionen mit Beobachtungen und Analysen, 2. Basistafeln für Vorhersagen astronom. Phänomene87, 3. Ephemeriden und Almanache, die Aufzeichnungen der Längengrade von Sonne, Mond und Sterne in Intervallen über Monate oder Jahre anzeigten.88 Gewisse Papyri entsprechen wegen ihrer personenbezogenen Angaben und Voraussagen einem Horoskop, wie wir es heute verstehen.89 Interessanter-weise basieren die Papyri nicht auf Ptolemaios´ Theorien, sondern auf baby-lonischen Methoden.90 Richtet man den Blick auf die römische Hauptstadt selbst, so sei der „Atlas Farnese“ genannt, ein 1,85 Meter hoher Globus, der nach Angaben des Hipparch als Himmelskugel gedient habe, die von einer Atlasstatue getragen wird.91

Abb. aus: Walker 1996, Tafel VII

Entstanden ist er vermutlich um 130 n.Chr. als Kopie eines älteren Origi-nals, da in der röm. Kaiserzeit solche Motive sehr beliebt waren. Der Glo-bus hat einen Durchmesser von 2,04 Meter und zeigt keine Einzelsterne,

86 Nur zwei Horoskope sind zweifellos als christliche erkennbar: Anup (P. Oxy. 2060) und Theodoros, der von 478-508 (P. Oxy. 4275) lebte. 87 Deren Position war für die spätere grch. Astronomie und astrologischen Anhänge wichtig. Gerade diese zeigen, dass vieles aus babylonischen mathematischen Theorien von Planeten-bewegungen in die grch. Astronomie übermittelt wurde. Die griechisch-ägyptische Tradition behielt also viel vom babylonischen System selbst zu dieser Zeit bei. 88 In Spalten mit zivilen Kalendermonaten (alexandrinisch und römisch) korrespondierend und tabellarisch mit Mondlängengraden über Monat. Jones 1999, 173. 89 P. Oxy. 4236 (8 x 10,5 cm) etwa, dessen obere Hälfte erhalten ist, stellt wegen seiner hohen Schreibqualität ein „Deluxe-Horoskop“ dar, in dem Grade und Häuser angegeben sind. Dank der Positionsangaben von Sonne, Mond, Saturn und Merkur eignet er sich zu perfekter Datie-rung – 63 n.Chr. Jones 1999, 250. 90 Steel 2008, 81. 91 Er wurde 1556 entdeckt, im Palast Farnese in Rom aufgestellt, restauriert und steht heute im Museo Nazionale in Neapel. Drößler 1976, 68 und fig.73; Walker 1996, Tafel VII.

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sondern nur Sternfiguren als Reliefs. Das Gradnetz des Himmels ist durch schmale Linien gekennzeichnet, 42 Sternbilder sind erhalten, u.a der Thron Caesars. In der Nähe dieses Bildes soll der Komet verschwunden sein, der im Jahre 44 v.Chr. nach der Ermordung Caesars für sieben Tage die Zeit-genossen beunruhigte92 – Sidus Iulium oder Caesaris astrum: Da der Ko-met an den von Caesars Adoptivsohn Octavian zwischen dem 20. und 30. Juli durchgeführten Spielen für die Venus als Victoria Caesaris erschien, meinte das Volk in ihm die vergöttlichte Seele Caesars zu erkennen. Octa-vian, welcher zu dieser Zeit bereits den Namen Augustus angenommen hatte und zunächst offenbar beabsichtigte, das sidus auf sich selbst zu beziehen, ließ daraufhin diesen Kometen an die Statue des Divus Iulius über der Stirn anbringen. Doch man sollte Augustus nicht allzu viel Bescheidenheit unterstellen: Die bekannteste Umsetzung der Zeitmessung, ist in unseren Breiten sicherlich die Sonnenuhr. Die „größte Uhr aller Zeiten“, das Solarium Augusti, entstand laut Zeugnis des Plinius (nat. 36,72 f.) unter diesem. Es bildete mit dem Augustusmausoleum, den dazugehörigen Parkanlagen und der Ara Pacis eine bauliche Einheit und war eines der wichtigsten politischen Zeichen seiner Macht. Ein Liniennetz der Sonnenuhr wurde auf dem Campus Martius (Marsfeld) rekonstruiert, als Schattenwerfer (Gnomon) diente ein 30 Meter hoher Obelisk aus Ägypten. Mit ihm konnten die Schattenlängen am Mittag gemessen und als kalendarische und astronomische Daten angezeigt wer-den. Eine entsprechende Skala mit Bronzelinien und Bronzebuchstaben in Latein und Griechisch wurde auf der Mittagslinie gefunden. Das Solarium galt als Anlage der Sonnengottheit, mit Augustus als Apoll, und sollte an den Sieg des Augustus über Ägypten 20 Jahre zuvor erinnern. Die mathema-tisch-astronomische Symbolik der feierlichen Zeremonien nahm Rücksicht auf den solaren Empfängnis- und Geburtstermin (23. Sept. und 25. Dez.!) des Augustus, dem schon bei der Geburt das Los des Friedensbringers zugefallen war. Um den Obelisken herum hatte man die Planetenbewegun-gen verewigt. Vielleicht wurde der Bau auf die große Konjunktion 7/6 v. Chr. vorbereitet.93 Augustus ließ weiters eine Auslegung seines Geburtshoroskops publizieren. Die kosmische Bestimmung des einzelnen Menschen übte also auch auf den Begründer der röm. Monarchie eine große Macht aus; für ihn war es die Etab-lierung eben dieser Macht. Der Kosmos war der Inbegriff von Rationalität und Ordnung, und er war Mittler eines kosmischen Auftrags. Aus diesem Grund ging die Astrologie mit dem politischen Erfolg Hand in Hand.94

92 Drößler 1976, 273. 93 Strobel 1985, 21. 94 Schmid 2005, 75.

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Unbestritten hat das Christentum ihre Ausbreitung dem römischen Reich mit der konstantinischen Wende zu verdanken: Ein folgenschweres Ereignis trat laut Legende ein, als Kaiser Konstantin sich seinem Mitkaiser und Gegner Maxentius stellen musste. Er hatte am Vorabend geträumt, dass Christus ihm mit einem Zeichen am Himmel erschien. Mit dessen Nachbildung als Heeres-zeichen („In hoc signo vinces“ bzw. „Eν τούτω νίκα“) besiegte er am 28.Okt. 312 an der Milvischen Brücke den Feind. Bald darauf wurde das Christentum zur offiziellen Staatsreligion erklärt. Laut Archäoastronomen standen Saturn, Jupiter und Mars dicht beieinander, und mit einigen hellen Sternen des Adlers und Steinbocks konnte man ein Chi erkennen, dessen verlängerter Balken in Rho mündete – das Christusmonogramm. Vielleicht wurde Konstantin auch durch christlich beeinflusste Sterndeuter darauf hingewiesen.95 Letztendlich kam es aber mit dem Erstarken des Christentums zu einem stärkeren Rück-gang bzw. Verbot astronomisch-astrologischer Betrachtungen; die kirchliche Obrigkeit trennte die wissenschaftliche von der Glaubenslehre. Und doch finden sich auch in der Kirche weiterhin Analogien zu heidnischen Bildern: In der christlichen Symbolik gehört die Farbe Blau zur Himmelskönigin Maria: Auf zahlreichen Bildern wird sie mit einem blauen Mantel dargestellt, der manchmal zusätzlich mit Sternen bestickt ist. Als Schutzmantel-Madonna gewährt Maria den Gläubigen Zuflucht und Frieden. Im Sternenmantel Marias kann man Parallelen zu alten Mutter- und Mondgottheiten erkennen. So trug die Aphrodite Uranios einen Sternenmantel. Auf einem Wandgemälde aus Pompeji umgibt ein ähnliches Muster die Göttin Isis.96 Und auch Kirchenvater Augustinus war offenbar als junger Mann sehr an gnostischer Astrologie interessiert, bis er sich vom Manichäismus nach einiger Zeit abwandte, als er erkannte, dass sie „unwissenschaftlich“ war.97

Einige Worte seien auch zur Welt des Islam gesagt – immerhin gelangte sehr viel, das aus der Antike verloren ging, aus diesem Raum in bewahrter und fortgeführter Weise nach Europa zurück: Die Astronomie spielte für den islamischen Glauben v.a. in 3 Bereichen eine wichtige Rolle: 1. Die Beobachtung des Monds entschied den Beginn eines Monats, wichtig für die Einhaltung des Ramadan, des muslimischen Fastenmonats.

95 Drößler 1976, 214 und fig.38. Die bedeutendste antike Version dazu findet sich bei Eusebius von Caesarea in der Vita Constantini (Eus. v. C. 1,27–32). Zu dieser bedeutenden Schlacht auch: Wolfgang Kuhoff, Ein Mythos in der römischen Geschichte. Der Sieg Constantins des Großen über Maxentius vor den Toren Roms am 28. Oktober 312 n. Chr. Chiron 21, 1991, 127–174. 96 Abb. bei: Drößler 1976, 80. 97 Bekenntnisse V, 3-7. Hinweis aus Lieven 2002, 232.

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2. Die fünf täglichen Gebete hatten zu gewissen Zeiten am Tag abgehalten zu werden, deren Zeitpunkte durch einen Gnomon festgelegt wurden. 3. Die Gläubigen sollten ihr Gebet immer der Ka´ba in Mekka (qibla) zuge-wandt verrichten, lösbar mit Hilfe der Himmelsrichtungen. Die Astronomie bewies also auch einen praktischen Nutzen für die muslimische Gesellschaft in Umsetzung deren Glaubens.98 Nun soll noch die so genannte Alte Welt (aus einer eurozentristischen Sicht, die aber den ostmediterranen und nahöstlichen Raum mit einschloss) verlas-

sen und eine Brücke nach Asien geschlagen werden. Viele Vorstellungen gerieten über die Seidenstrasse bis nach China, die wiederum zur eigenen Weiterentwicklung anregten, obwohl dieses „Reich der Mitte“ meist in langer Selbstisolation sich selbst genügte: Ägyptische und babylonische Sternfigu-ren fasste man in der Spätantike unter dem Begriff „Sphaera barbarica“ (Himmelsbild der Barbaren) zusammen. Ein gewisser Teukros hatte im 1. Jhd. v. Chr. diese mit dem griechischen. Sternhimmel – basierend auf Aratos´ Phainomena (er wurde vorhin genannt) vereint.99 Seine Beschreibung und Erläuterung der verschiedenen Sphären hatte eine erstaunliche Wanderung angetreten, die die kulturellen Verbindungen offenbart. Aus dem Kreis der grch.-ägypt.-röm. Mischkultur kamen Teukros-Handschriften bis nach Indien, wo sie im 6.Jhd. übersetzt wurden. Durch indische Vermittlung gelangten Abschriften anschließend bis zum Malaischen Archipel und Ostasien. Dort verbreitete sich der Dodekaoros (Zeitzyklus von zwölf Doppelstunden, Tagen, Monaten, Jahren) ebenfalls. Immerhin finden sich fast drei Viertel dieser Tiere im heutigen Asien wieder. Es sei jedoch betont, das es diesen Einfluß zwar gibt, aber unbestritten hauptsächlich eigene Wege beschritten (die interes-santerweise aber sehr oft jenen anderer Kulturen ähnlich waren). Die Chine-sen zogen vom Himmelsnordpol aus Linien zum Äquator, vergleichbar mit der babylonischen Scheibe. Der Himmel wurde jedoch nicht in 3x12, sondern in 28 Teile (Hsiu) verschiedener Größe gegliedert. Mit Hilfe der Hsiu konnten die Chinesen die Lage eines Sterns100 angeben. Die Segmente waren eine Art Ruhestation für Planeten und Sterne. Die Zahl 28 entsprach den Mondhäu-sern, in denen der Mond jeweils die Gestalt eines anderen Tieres annahm. Außerdem wurden je sieben Abschnitte entlang des Himmelsäquators zum

98 Steele 2008, 83 ff und 96. 99 Schiff 1988, 239. 100 Neben dem phonetischen Element ri4 steht das Zeichen 星 (in der alten Bronzeschrift: , angedeutet durch 3 Sonnen = leuchtende Himmelskörper) für xing1 „Gestirn“, „Himmelskörper“ und in der chinesischen Kosmologie auch für die Wandelsterne, die ihrerseits jeweils ein Ele-ment abdecken (Jupiter=Holz, Mars=Feuer, Saturn=Erde, Venus=Metall, Merkur=Wasser). Urban 2006, 223.

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Palast zusammengefasst.101 In späterer Zeit erweiterten sie ihr kosmisches Weltbild und stellten es u.a. auf Spiegeln und Medaillons dar, die mit ihrer kreisrunden Form den Himmel symbolisieren. Ihr Rand ist mit den acht-undzwanzig Mondstationen verziert, welche die Dodekaoros-Tiere des scheinbaren Sonnenweges umschließen. Der Mittelkreis symbolisiert den vermeintlichen Urzustand der Welt, in dem noch alles Eins war. Erst als diese Einheit zerfiel, begann die eigentliche Weltgeschichte, in der Polaritäten wirk-sam wurden und bis heute wirken (männliches Prinzip Yang = Himmel, Feu-er, Sonne, Süden, die eine Hälfte der Dodekaoros-Tiere, Frühling und Som-mer; weibliches Prinzip Yin = Wasser, Mond, Erde, Norden, die andere Hälfte der Dodekaoros-Tiere, Herbst und Winter).102 Der Lebensrhythmus einer Agrargesellschaft war auch in China von einem fixierten Kalender angewiesen. Die Legitimation zur Bestimmung der Zeit hatte nur der Herrscher inne, die praktische Arbeit wurde aber von den Hof-astronomen übernommen. Es lassen sich aber natürlich auch von Teukros unabhängige weit ältere Beobachtungen nachweisen:103 Zum einen gibt es die Wandmalereien von Jiangjunya in der Provinz von Jiangsu, in welchen Sonne, Mond und evtl. die Milchstrasse abgebildet wurden, und die aus der Shang Dynastie stammten (16.-11. Jhd.v.Chr.). Aus etwa derselben Zeit (Yin-Shang, 1300-1050 v.Chr.) stammen die Orakelknochen aus dem Gebiet von Anyang104, und dienten der Voraussage zukünftiger Ereignisse. Manche Gravierungen bezogen sich auf Sterne. Unerwartete himmlische Phänome-ne wurden als schlechte Vorzeichen für den König gesehen. Die Fähigkeit genaue Vorhersagen zu schaffen, erlaubten, die Himmel zu regulieren.105 Die/Der Himmel106 als Quell der kosmischen Ordnung und des höchsten

101 Der des blauen Drachen für den Osten und Frühling, der Südpalast des zinnoberroten Vo-gels stand für den Sommer, der des weißen Tigers für Westen und Herbst, und die schwarze Schildkröte wohnte im Nordpalast, dem Gebiet des Winters. Der fünfte Palast in der Mitte (Himmelspol mit dem Polarstern) verkörperte den Sitz der kosmischen Regierung – der Herr-scher droben“, das irdische Regierungshaupt. Drößler 1976, 243. Für die Zhou (Volk im westli-chen Shang-Reich entlang des Flusses Wei ab dem 11. Jhd. v.Chr.) war der König tianzi, „Sohn des Himmels“ (天子). Tian, der Himmel, war deren höchste Gottheit, und der König war dessen Stellvertreter auf Erden – ein Muster, das sich auf der ganzen Welt wiederholt. 102 Sonne 日 und Mond 月ergaben ergänzend die Bedeutung „hell“, aber auch eine der wichtigs-ten Dynastien in China: „Ming“ 明, in der alten Bronzeschrift auch noch für westliche Augen erkennbar: . Vielleicht sollte diese Kombination symbolisch die erlangte Einheit darstellen. Anm. des Autors. 103 Ronin 1996, 251, zu Teukros: s. S. 40. 104 Es fanden sich annähernd 200 000 Schriften dieser Art. Man ritzte im Zuge religiöser Zere-monien Fragen in die Knochen und Schildkrötenpanzer und erhitzte sie. Die entstandenen Risse wurden interpretiert. Die Orakelknochen stellen eine Basis zur Erfindung der Schrift. Urban 2006, 81. 105 Steele 2008, 49. 106 Das Zeichen Tian

1 天 betont durch den oberen Strich nicht nur den Himmelsraum, sondern

auch alles, was sich dort abspielt (Wetter, Jahreszeiten), während alles „unter dem Himmel“ =

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Wesens wurde/n bald zum neutralen, allgegenwärtigen Richter, der morali-sche Ermahnungen übermitteln konnte, vertreten durch den Kaiser.107 Für das Jahr 5 v.Chr. wurde das Erscheinen eines Kometen oder einer Nova bezeugt. Als Quelle der Überlieferung gilt die Ges -

- - ien-niu (Aquilae) über 70 Tage zu

beobachten war.108 Man änderte den Kalender, und der Kaiser legte sich den Namen „Herrscher des großen Friedens“ zu. Es war also auch im Fernen Osten vor 2000 Jahren der Neubeginn eines Zeitalters aufgrund der Bewe-gung des Saturns entlang des Nullpunkts der Ekliptik. Aus China strömten Einflüsse nach Japan im 3., aber v.a. im 6./7. Jhd. (Sui- und Tang-Dynastie). Unter anderem bauten die Tennos (Kaiser) und deren hoch Bedienstete die „Kofun“ (eine Art Tumulus).109 An den Wänden schütz-ten die 4 Himmelsrichtungen den Bau – der Blutdrache, der Phönix, der weiße Tiger und die schwarze Schildkröte (vgl. Fußnote 98). An der Decke war der Zodiakus mit dem Polarstern abgebildet, der „Stern von Pönyang“, um den drei Kreise gezogen wurden. Diese Himmelssphäre rotierte um ihn. Der Einfluss stammt in diesem Fall aus dem Norden, u. U. dem nördlichen Korea. Um den ganzen Erdkreis abzustecken, führt die Wanderung weiter ost-

wärts, um noch einen Blick auf die Kulturen Mesoamerikas zu werfen: Ihre Beobachtungen wurden in Codices und Bauwerken auf mehr als ein-drucksvolle Weise umgesetzt. Sie besaßen Kalender für das tropische oder Sonnenjahr mit exakter Genauigkeit, die um den Bruchteil eines Ta-ges abwichen. Ein berühmtes Beispiel ist Teotihuacán, eine antike Stadt südlich von Ciudad de Méxiko, errichtet von einem Volk, das dort vor den Azteken siedelte. Die Gebäude wurden vermutlich nach den Plejaden mit

Welt tian

1 xia

4: 下 bei idealen Voraussetzungen die Einheit des Staates darstellt. Urban 2006,

77 ff. 107 Dessen moralische Kraft war auf dem Weg zum Himmel unerlässlich („tiandao“ 天道). Scarpari 2001, 34. Auch hier lassen sich Parallelen zur ägyptischen Maat nicht verleugnen (vgl. S.20). Vgl. S. 32. 108 A New Catalogue of Ancient Novae, Acta Astronomica Sinica 3, 1955, S. 189, Nr. 11, Infor-mation aus: Strobel 1985, 26. Auch eine koreanische Tradition berichtet von einem schwanzlo-sen Stern im Ho-Ku im April 4 v. Chr. A.J. Morehouse, The Christmas Star as a Supernova in Aquila, The Journal of the Royal Astronomical Society of Canada 72,2, Nr. 551, 1978, S. 65 ff. Laut Morehouse dürften beide Erscheinungen in Verbindung mit der großen Konjunktion von 7/6 v.Chr. stehen, wobei für 4 v. Chr. sogar mit einer Supernova (Pulsar PSR 1913 +16b) gerechnet wird. Information aus: Strobel 1985, 26. 109 Einer der bekanntesten Kofun steht in Kitora, heute in der Narab-Präfektur gelegen, welche versucht, die Kulturgüter zu schützen, da diese vom Wetter und anderer Unbill inzwischen stark mitgenommen wurden. Ich danke an dieser Stelle für den Hinweis Frau Reiko Maejima aus Ota/Japan. Information dazu: http://www.asuka-park.go.jp/asuka_en/index.html.

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Hilfe x-förmiger Kreuzstäbe ausgerichtet.110 Der gewaltige Sonnentempel, ein 63 Meter hohes Bauwerk, wurde nach solchen astronomischen Ge-sichtspunkten konstruiert.

Es wurden Sichtlinien durch Steinsäulen über beträchtliche Entfernungen markiert, die im Allgemeinen die Sonnenaufgangs- und -untergangstelle anzeigten. Falls ein Planet oder Sternbild über einem solchen Punkt er-schien, konnte dieses Ereignis auf einer Stele vermerkt werden. Bei den Kulturen der Maya (im Bereich des heutigen Mexiko, Guatemala, Honduras und Belize) hatte u.a. die Venus eine wichtige Rolle inne: Im Dresdener Maya-Codex, einem der wenigen erhaltenen, findet sich eine vollständige Chronik der Venuserscheinungen als Morgen- und Abend-stern.111 Die Periode wurde in 584 Tage unterteilt, mit 4 Abschnitten (Auf-treten als Morgen- oder Abendstern, Intervalle des Verschwindens vor oder nach Sonnenuntergang). Eine zusätzliche Seite des Codex diente als 110 Die Achse ist in Ost-West-Orientierung angelegt, die Ausrichtung folgt also auch hier dem Lauf der Sonne über den Himmel. Vielleicht wurde die Pyramide errichtet, um das Zentrum des Universums zu repräsentieren. Die vier Ecken symbolisieren die vier Himmelsrichtungen, und ihre Spitze steht für das Herz des Lebens. An der Ostseite der Strasse der Toten steht der Tempel des Quetzalcoatl, dessen sechsstufige steile Pyramide im charakteristischen Tablero-Talud-Stil (Schrägwand/Steilwand) errichtet wurde. Darin gemeißelt sind abwechselnd die Feuerschlange, die die Sonne auf ihrer täglichen Reise über den Himmel trägt, und Quetzal-coatl (Gefiederte Schlange), welche die Einheit von Luft und Land, Himmel und Erde repräsen-tieren. Westwood 1996, 156 ff. Wegen ihrer auffälligen Erscheinung galten die Plejaden bei den Maya als Tzab (Klapperschlange), aber auch andere Völker Nord- und Südamerikas ehrten die Plejaden als Hauptgottheiten. Krupp 1980, 39; Aveni 1996, 289. Auch das Volk der Chimú an der nordperuanischen Küste zählte laut Pater Antonio de Calancha („Coronica moralizada“) das Jahr nicht nach Sonne und Mond, sondern nach dem Aufgang der Sterne („las Cabrillas“ = Plejaden), immerhin wuchs ihre Feldfrucht mit deren Erscheinen. Die Chimú erachteten außer-dem den Mond als mächtiger denn die Sonne, da er im Gegensatz zu ihr bei Tag wie in der Nacht erscheinen konnte. Drößler 1976, 98. 111 Abb. u.a. bei: Walker 1996, Tafel 19 und 20.

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Korrekturtabelle für den späteren Gebrauch. Die Maya kannten bereits die Kommensurabilität des Venusjahrs mit einem unbestimmten Jahr der Son-ne (vergleichbar mit Ägyptens Sothis): 8x365 (Sonnenjahr) entsprachen 5x584 (Venusjahr) Tagen, und führte zu gemeinsamer Erscheinung nach der entsprechenden Anzahl von 2920 Tagen. Venus-Hieroglyphen deute-ten auf Bedrohungen und Kampf hin. Venus war auch hier die Überbringe-rin und Verkünderin von Kriegen, die ja zahlreich im Maya-Reich, das aus vielen kleineren Stadtstaaten bestand, geführt wurden. Zusätzlich gab es den 260-Tage-Zyklus (Tzolkin) der in erster Linie ein Ritu-alkalender war. Die Funktionsweise war verhältnismäßig einfach: 20 Tages-zeichen wurden mit den Zahlen 1–13 gekoppelt. Jeder Tag wurde von einer anderen Gottheit beherrscht. Diese Tagesgötter beeinflußten nicht nur das Geschehen des jeweiligen Tages, sondern auch das Schicksal eines an diesem Tag geborenen Kindes. Der 365-Tage-Zyklus (Haab) setzte sich aus 18 Monaten zu je 20 Tagen zusammen. Dividiert man 365 durch 20, stellt man fest, daß ein Rest von 5 Tagen übrig bleibt. Diese 5 Tage wurden in einem Kurzmonat zusammengefasst und als Unglück bringend angesehen. An diesen Tagen ruhte das öffentliche Leben. Da jeder Zyklus für sich allei-ne genommen ungeeignet war, Daten so anzugeben, daß eine Verwechs-lung der Tage im Laufe mehrerer Jahre ausgeschlossen sein konnte, wur-den beide Zyklen zur Kalenderrunde kombiniert, indem jeder Tag des 260-Tage-Zyklus mit einem Tag des 365-Tage-Zyklus verknüpft wurde.112 Die „lange Zählung" (longcount) ermöglichte eine kontinuierliche Zeitrechnung. Das Prinzip beruhte auf der Einführung eines Nullpunktes, von dem an alle Tage fortlaufend gezählt wurden. Den Beginn der Zeitrechnung der Maya errechnete man mit dem 10. August 3114 v. Chr. Dieser fixierte Nullpunkt entsprach einem errechneten Datum, dem wahrscheinlich ein mythologi-sches Ereignis zugrunde lag.113 Die Maya-Pyramide des Kukulcan in Chichen Itza bezog sich mit ihren insgesamt 365 Stufen mit neun Terrassen auf die Anzahl der Tage eines Sonnenjahres.

112 Eine Datumsangabe setzte sich demnach aus den folgenden vier Elementen zusammen: einer Ziffer 1 - 13 (Woche des 260-Tage-Zyklus), einer der 20 Tageszeichen des 260-Tage-Zyklus, einer Ziffer 1 - 20 (Tage eines Monats des 365-Tage-Zyklus) und einer Monatsglyphe. 113 Ganze Völker gaben sich in die Knechtschaft des allgegenwärtigen Kalenders. Jeder einzel-ne, vom Bauern bis zum Herrscher, hatte sich den Zyklen und den in ihnen herrschenden göttlichen Kräften zu unterwerfen. Die Schöpfung selbst war keine abgeschlossene, endgültige Geschichte, sondern gleichfalls eingebunden in ein großes System von Wachsen und Verge-hen. Der Fortbestand der Zeitzyklen – und damit der Welt – erforderte Menschenopfer; kein Krieg konnte gewonnen, keine Ernte eingebracht und kein Wild erlegt werden ohne den Bei-stand der Götter. Deren Zeitzyklen sagen für den 21. Dezember 2012 erneut das Ende der Welt. Diese Prophezeiung des Weltuntergangs findet sich auch im Dresdener Codex und bietet erneut Potential für Hollywood´sche Blockbuster. Anm. des Autors.

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Zweimal im Jahr (am 21. März und 23. September), am Tag der Sonnen-wende, offenbarte sich ein ungewöhnliches Schauspiel: Durch den Schat-tenwurf der Sonne entstand der Eindruck einer sich langsam die Pyramide herab windenden Schlange. Heutzutage verbindet man in diesem Zusam-menhang diese Kulturen v.a. mit den grausamen Opferungen. In jenen Kultzentren befanden sich Sternwarten, im Falle von Chichen Itza das als „Schneckenhaus" bekannte Bauwerk – „el Caracol“.

Das Observatorium wurde vermutlich als astronomisches Meßgebäude benutzt und diente u.a. Sonnenbeobachtung, Sonnenfinsternisvorhersagen und Bestimmung von Sonnwenden. Die Berechnung von Aussaat- und Ern-tezeiten, die Einhaltung landwirtschaftlicher Zyklen, oder ritueller Weihungs-zeremonien zum Ende des Sonnenjahres waren für alle Völker von großer Bedeutung. Des Weiteren warteten die mesoamerikanischen Völker immer wieder auf das Erscheinen ihrer Götter. Dieses Ersehnen wurde dem aztekischen Reich Anfang des 16. Jhd.s zum Verhängnis: Als die Spanier im Gebiet des heutigen Vera Cruz landeten, begann für ihren Kalender gerade wieder „Jahr Eins Rohr“, das Geburts- und Sterbejahr ihres Gottes Ce acatl toplitzin (toltekisch)114 – bekannter als Quetzalcoatl (aztekisch), in dem er seine Herrschaft wieder antreten sollte.

114 Ursprünglich wahrscheinlich ein Fürst und religiöser Reformator von Tollan (Tula), der in einem Jahr Eins Rohr geboren wurde, und dessen Schicksal mit dem eines Gottes verschmolz. Er schlug sich bis nach Yucatán durch, wo er von den Maya Kukulkan genannt wurde.

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Dies erleichterte den Spaniern die Unterwerfung, um nicht zu sagen Vernich-tung dieses Großreichs. Weltbilder konnten also Schicksal und Leben der Völker auch negativ beeinflussen.115 Hier soll der Einblick zu den verschiedenen Kulturen enden – im Bewusst-sein des Autors, viele in Bezug auf die hier angesprochene Thematik wichti-ge Gesellschaften nicht einmal angeschnitten zu haben, etwa die indisch-persische oder die sabäische. Anderen wurde nicht der Stellenwert einge-bracht, wie sie es verdienten, etwa der arabischen, der wir heute eine Viel-zahl an Sternennamen verdanken. Stattdessen sollen noch Erkenntnisse bzw. Deutungen einiger Himmelslichter – die unsere Welt so stark beein-flussten – zum Anlaß genommen werden, einige Sterne und deren Konstel-lationen genauer zu beleuchten, und die Fantasie anregen, wie oft Men-schen über den Erdkreis verteilt ähnliche oder gänzlich verschiedene Inter-pretationen in Sternbilder legten: Obwohl die international festgelegten Sternfiguren in einen heute gebräuchlichen Sternbildbestand eingingen, sind sie nur eine Version der unendlichen Fülle an Deutungen der Sterne. Jeder glaubte am Himmel das wieder zu finden, was es auf der Erde gab. Vieles entsprach demselben Muster in den versch. Kulturen, einige heraus ste-chende wiederum wurden anders interpretiert, die Konstellation Leier etwa entsprach der mesopotamischen Ziege, die Schlange dagegen kam der Hydra sehr nahe, der Dämon mit offenem Rachen war Cygnus mit Teilen von Cepheus, der „wahre Hirte“ war Orion. Kam die Konstellation demselben Bild, durch Einfluss, Übernahme oder Zufall gleich, so konnte das Bild in seiner Ausführung dennoch verschieden ausfallen. Die Große Bärin – auch für Laien einigermaßen einfach zu finden, da ihre helleren Sterne den Großen Wagen bilden – bietet andererseits ein interessantes Beispiel für den Versuch, kulturell-ethnische Gemeinsamkeiten in Bildern zu finden. Als sich die Europäer mit den Algonkin, einem indigenen Stamm auf dem nord-amerikanischen Kontinent unterhielten, zeigten sie ihnen die siebensternige

115 Ähnliches lässt sich auch beim Volk der Inka (v.a. im heutigen Peru und Chile) beobachten, deren Kultur durch den Spanier Pizarro unterging. Während eines Zwists zwischen Atahualpa und seinem Bruder kamen auch dort die Spanier an, die man für Viracocha oder Kon-Tiki, den Schöpfergott (neben der Sonne Inti), hielt, auf dessen Wiederkunft ebenfalls gewartet wurde. Ihr Ende riefen die Spanier genauso schnell und grausam hervor wie bei ihren nördlichen Nach-barn. Die Mythen berichten, dass Viracocha aus den Tiefen des Titicaca-Sees (Sinnbild des Urmeers, vgl. Ägypten: Fußnote 45) aufstieg, wie auch Sonne und Mond. In der Südsee ent-spricht er dem Häuptlingsgott Tiki. Es sei hierbei die abenteuerliche Fahrt des Norwegers Thor Heyerdahl anzuführt, der mit einem Floß selben Namens von der Küste Perus aus nach Poly-nesien fuhr, um eine Verwandtschaft zwischen diesen Ethnien zu beweisen, die unter anderem durch Mythen und Sprachen untermauert werden konnte. Drößler 1976, 108 f. Es sei hier nur angemerkt, dass die Sterne bei dieser und ähnlichen vorangegangenen Fahrten dabei zu Hilfe genommen wurden.

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Anordnung (eigtl. der Große Wagen). Sie wiesen die Algonqin darauf hin, dass jene Sterne Bär genannt wurden. Diese erwiderten, dass sie diesem Sternbild denselben Namen gegeben hatten. Nun bieten sich angesichts dieses Umstands, warum zwei durch den Atlantik getrennte Kulturen eine Konstellation gleich benennen, verschiedene Herangehensweisen an: Eine Antwort lautet, dass ihre gemeinsame Abstammung, deren Traditionen und Gedanken durch auseinanderstrebende Völker (Stichwort Beringstrasse) im Laufe tausender Generationen weiter getragen wurden, „bis es an den Ge-staden des von Europa neu entdeckten Amerikas zu dem denkwürdigen Gespräch kam“, bewiesen sei. Daraus ließen sich gleiche Lebensverhältnis-se und Erwerbsweisen deuten. Eine weitere Idee wäre, dass in den kalten Wintern der nördlichen Hemisphäre der winterfeste Bär um seine Höhle ruhelos umherstreift. Und auf dieser Beobachtung basierend erkannte man in dieser Anordnung und dem Verhalten dieser Sterne dasselbe Muster. Oft kommt einfach der pure Zufall ins Spiel, immerhin entstand vielleicht das ganze Universum so. Aber sofern dieser Bericht überhaupt stimmt, darf man auch nicht außer Acht lassen, dass die Art des Messvorgangs das Ergebnis beeinflusst, so wie eingangs betont wurde – Definitionen sind mit Bedacht zu wählen. Gerade die Anthropologie hat viele Beispiele, in welchen sich zeigt, wie die Art der Frage auf die Antwort einwirkt. Die Algonqin könnten geant-wortet haben, was sich die Europäer erwarteten (vgl. „El Dorado“, oder die verschollenen sieben Städte der Cibola – man schickte die Sucher dorthin, wo sie das Gesuchte vermuteten) – Angleichung durch Nachahmung. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, dass sich ihr Lebenswandel teilweise schon geändert hatte, nachdem sie einiges von der Art des europäischen Einwanderers übernommen hatten (Metallkessel statt Lehmtöpfe, Gewehre statt Bogen), einschließlich der Sicht des Nachthimmels.116 Immerhin setzte sich je nach kulturellem Hintergrund und Lebensumstand Schifffahrt, bäuer-liches Leben, Jagd und Ähnliches durch. Allgemein sind Übereinstimmungen bei den Sterndeutungen doch eher auf Kulturübertragung zurückzuführen, da es doch zu verschiedensten Figuren kommen könnte. Gerade beim Gro-ßen Wagen sind die Grenzpunkte doch markant, und führten entweder zu selben Interpretationen, etwa bei den Babyloniern als auch bei den Chine-sen in Form des Wagens, entsprechend unserer Sicht. Genau diese sieben Sterne wurden in Frankreich und Amerika als Kochtopf mit langem Stiel erkannt, in Spanien als Hifthorn, in Portugal als Schiff, im inselkeltischen Bereich als Pflug, in Indien als Kamel, in Südarabien als Bahre. Die Ägypter wiederum erkannten darin einen Stierschenkel, um nur einige Beispiele anzuführen.117

116 Eddy 1980, 138. 117 Drößler 1976, 249 ff.

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Abschließend seien zur Milchstrasse noch einige Worte gesagt: Als doch sehr auffällige Ansammlung von Sternen wurden auch ihr weltweit Geschich-ten gewidmet, auf die man im Grunde alle eingehen müsste. Im Mythos der Buschmänner streute ein Mädchen glühende Asche über den Himmel, damit die fernen Jäger den Heimweg fanden. Andre Nomadenvölker sahen darin jene Tiere, die sie in ihren Jagdgründen erlegten und denen sie ihre Exis-tenzgrundlage verdankten.118 In der chinesischen Mythologie bildet sie den Himmelsfluß („Silberstrasse“ 银河), der zwei Liebende trennt.119 Für die Germanen war die Milchstrasse der Weg Irings, dem Sohn Odins, der die Götter zum Krieg gegen das Böse aufforderte. Ein Teil der Galaxis ent-sprang als Geifer aus dem Wolfsrachen Fenris´; im Großen Wagen – um eine Brücke zum vorigen Absatz zu schlagen – kam Odin zum Kampf gegen ihn, der kleine Wagen galt dagegen als Frauenwagen. Die bekanntesten Interpretationen für die Milchstrasse boten aber die Griechen – für deren Dichter war sie der ehemalige Weg des Sonnengottes Helios, auf dem noch die Funken seines Wagens glänzen. Im 5. Jhd. v.Chr. erklärte aber bereits der grch. Philosoph Demokrit, dass die Milchstrasse eine Anhäufung zahllo-ser, weit entfernter Sterne sei. Aus der Lehre von den Atomen schloss er, dass der Raum grenzenlos und die Zahl der Sonnen unendlich sei.120 Trotz dieser bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnis lag es nahe, sie auch zur Wohnstätte der Seelen zu machen. Bemerkenswerter, da Namen-gebend ist der Mythos, dass Göttervater Zeus in Theben der schönen Alkmene beiwohnte. Deren gemeinsamen Sohn Herakles legte Zeus seiner schlafenden Frau Hera an die Brust, der so fest daran sog, dass sie erwach-te und ihn wegstieß. Die dabei verspritzte Milch floss um den Himmel. In den neuen Sprachen ist die Bedeutung offensichtlich, aber der Fachbegriff Gala-xie ist ebenfalls vom grch. „gala“, „Milch“ abgeleitet. Mit der Aufzählung verschiedener Kulturen und deren Umgang mit den Ster-nen sollte dieser Artikel nahe gebracht haben, dass die Astronomie als eine der ältesten Wissenschaften von religiöser Empfindungsweise durchdrungen war und stärker am Alten festhielt als die spätere mathematisch-astronomi-sche Forschung (die dennoch weiterhin stark von Mythen durchwoben war).

118 Beziehungsweise entspricht sie bei einigen nordamerikanischen indigenen Stämmen dem Schnee, den sich Wakinu, der Bär, von seinem Umhang schüttelte, als er die Brücke der Seelen auf dem Weg in die ewigen Jagdgründe überquert. James Riordan, Abschnitt Nordamerika, in: Arthur Cotterell (Hg.), Mythologie. Götter, Helden, Mythen. Köln 2004, 274. 119 Anne M. Birrell, Abschnitt China, in: Arthur Cotterell (Hg.), Mythologie. Götter, Helden, My-then. Köln 2004, 189. Die beiden Liebenden durften sich nur einmal im Jahr treffen – dem 7. Tag des 7. Monats. Dieser Tag entspricht heute dem chinesischen Valentinstag. Ich danke für diesen Hinweis und die chinesische Umschrift Frau Yi Wang aus Harbin/China. 120 Drößler 1976, 232.

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Der Blick der Menschen war stets nach oben und in die Zukunft gerichtet, und doch wurden sie langsam vom wissenschaftlichen Gedanken durchdrungen. Während Völker wie die Babylonier sorgsam beobachtet und auch auf mathe-matischer Basis viele Erkenntnisse erreicht hatten, aber immer auf eine trans-zendente Ebene hoben, übernahmen die Griechen in späterer Zeit zwar vieles von diesen Kulturen, erklärten jedoch in einer rationalen Weltanschauung geozentrische und heliozentrische Weltsysteme. Und doch, ohne Beobach-tungen der Babylonier wären die griechischen Resultate nicht denkbar gewe-sen. Deshalb sagte schon Boll 1920: „Orient und Occident [sic] sind nicht zu trennen.“121 – ein Satz, der heute in vielen Zusammenhängen zu hören ist, und man kann nur hoffen dass diese Weltsicht irgendwann wieder auftritt. Es zeigte sich, dass man nicht nur Lehren aus der Antike ziehen kann, so-fern man sich nicht nur unserer Vergangenheit, sondern auch der Umwelt um uns herum in dieser schnelllebigen Zeit bewusster wird. Wir benutzen auch vieles aus den alten Erkenntnissen, die wirtschaftlichen, aber meist religiösen Überlegungen entsprangen, in einer Selbstverständlichkeit bis zum heutigen Tage, es wurden ja mathematische Systeme und Kalender angeschnitten. Eine weitere Intention bestand darin, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, denn gerade diese sollte man in dieser krisengeschüttelten Zeit, an der man nicht mehr den Einfluss der Sterne verantwortlich machen kann, heutzutage beto-nen. Was ist die Bedeutung der Astronomie und Astrologie für unsere Kultur und unser Weltbild? Astrologische und iathromathematische Kompendien, welche die ägyptische Vorstellungswelt weiter tradierten, hielten in Europa, aber auch Indien und Ostasien Einzug. Diese Einsichten hielten an, als die Antike längst der Vergangenheit angehörte. Aus dem nahöstlichen Raum kam über die Araber – die ihrerseits noch in der 2. Hälfte des 8. Jhd.s nach dem indischen System lehrten – das teilweise verloren geglaubte Wissen der Astronomie und Astrologie wieder nach Europa zurück122, das so man-che Grundlage für die Ergebnisse eines Kepler, Kopernikus, Galilei, und wie die Großen unserer Neuzeit alle heißen, bot. Irgendwann wurde durch Auf-klärung und wiss. Erkenntnisse gerade die Astrologie von einer königlichen Wissenschaft zu einer verachteten Parawissenschaft degradiert.123 Heute

121 Boll 1920, 6. 122 Faszinierend etwa, wenn der irakische Kosmologe Nadjm ad-Din al-Katibi (gest. 1272) als aristotelischer Philosoph die ptolemäische Vogelflughypothese aufgreift. Laut Ptolemaios würde ein nach Westen fliegender Vogel, vom Standpunkt eines irdischen Beobachters aus, immer weiter nach Westen abgetrieben, da sich die Erde schneller drehe. Al-Katibi begründete richtig-erweise, dass die mit der Erde verbundene Lufthülle an der Erdbewegung teilhaben müsste. Dieser Gedanke führte im 17. Jhd. dann zur Erkenntnis der Materialität der Luft und des damit verbundenen Luftdrucks. Grössing 1990, 67 ff. 123 Lieven 2000, 188 ff.

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sind beide Bereiche wieder so populär wie nie. Letztendlich soll festgehalten werden, dass – obwohl das Thema die alten Kulturen und deren Religionen behandelte, diese und ihr Wissen um so manches, das im Laufe der Zeit, in der wir einer gewissen Sensibilität verlustig gingen, auch die heutige Gesell-schaft beeinflusst. Sei es mit dem Blick in eine Tageszeitung auf der Suche nach dem Horoskop124, oder sei es mit der Feier der Geburt Christi, der eine Beobachtung einer Tripelkonjunktion (Saturn und Jupiter im Zeichen der Fische) seitens einiger Weisen aus dem Morgenland125 vorausging und in der Bethlehem zwar die verborgene Gottesnähe ausdrückte, der darauf deutende Stern jedoch zu kosmischer Weite, seelischer Tiefe und geschicht-licher Wirkträchtigkeit führte.

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124 Auch wenn die Einteilung des Himmels („Häuserlehre“) völlig willkürlich ist, und auch die Sterne eigentlich nicht dort sind, wo man sie aufgrund der Präzession vermutet. Gööck 1995, 149. 125 Eine vorchristliche Erlösererwartung existierte v.a. im persischen Raum. Die Geburt des künftigen Weltheilands solle durch eine Erscheinung am Himmel angezeigt werden. Die Erwar-tung stieg im 1.Jhd. v.Chr. im ägyptischen Raum über den Isis-Horus-Kult an und verbreitete sich in der römischen Welt.

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. Fotos ohne Urheber/Herkunftsangabe: Rainer Feldbacher.