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Entwicklung Die Unfallversicherungsträger haben den Gesundheitsschaden der Verletzten möglichst frühzeitig mit allen geeigne- ten Mitteln zu beseitigen oder zu bes- sern, seine Verschlimmerung zu verhü- ten und seine Folgen zu mindern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Jeder kennt diesen gesetzlichen Auftrag und weiß, dass die besonderen Heilverfahren (Verletzungs- arten-, Durchgangsarztverfahren, BGSW, EAP) bewährte Einrichtungen sind, ihn zu sichern. Offenbar nicht so geläufig ist die Vorschrift des §26 Abs. 5 SGB VII, die wortwörtlich beginnt: „Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und Rehabilitation“. Wir sind also nicht nur für die generellen Regelungen, sondern auch für die Maß- nahmen im Einzelfall verantwortlich. Bereits 1985 haben die Landesver- bände der gewerblichen Berufsgenos- senschaften eine gemeinsame Broschü- re für den Unfallsachbearbeiter als „Hin- weise zur Überwachung des Heilverfah- rens“ [3] im Einzelfall herausgegeben. Der Landesverband Südwestdeutsch- land hat dann 1989 die Broschüre „Über- wachung und Steuerung des Heilverfah- rens mit Hilfe der Datenverarbeitung“ [2] veröffentlicht. Das DV-Organisati- onskonzept [1] ist unter Mitwirkung der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) entstanden. In den darauf folgenden Jahren bis zum heutigen Zeitpunkt ist dieses Konzept bei der BGN schrittweise umgesetzt und mehrfach verfeinert worden. Aktueller Stand Die dv-technische Unterstützung in der neuesten Fassung, wie sie in Kürze zur Anwendung kommen wird hat folgende Ziele: 1. Steuerung der geeigneten Behand- lungsmaßnahmen, 2. Steuerung des zeitlichen Ablaufs und 3. Auswertung der Daten für Maßnahmen der Qualitätssicherung Unser Ziel ist es, durch die Auswahl der geeigneten Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt das optimale Behandlungser- gebnis für den Verletzten möglichst früh- zeitig zu erreichen. Die Datenanalyse soll Erfolge und Verbesserungsmöglich- keiten aufzeigen. Im Gegensatz zu kon- ventionellen Methoden ist bei einer dv- technischen Unterstützung v. a. die Aus- wertung der Daten mit wesentlich ge- ringerem Aufwand zu realisieren. Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S275 Trauma Berufskrankh 2000 · 2 [Suppl 2]: S275–S277 © Springer-Verlag 2000 Rehabilitation Jürgen Hermes Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, Erfurt Steuerung der Heilbehandlung unter Nutzung der EDV J. Hermes Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Erfurt, Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 Erfurt (e-mail: Juergen Hermes/ Bezirksverwaltung Erfurt/[email protected], Tel.: 0361-4391400, Fax: 0361-4391406) Zusammenfassung Seit mehreren Jahren steuert die Berufsge- nossenschaft Nahrungsmittel und Gaststät- ten das Heilverfahren mit Unterstützung ei- nes EDV-Programms. Abhängig von den per- sönlichen Daten des Verletzten und der ge- nauen Diagnose der Verletzung werden die Dauer der Behandlung und der Arbeitsun- fähigkeit prognostiziert. Die Prognose be- ruht auf im Programm hinterlegten Tabellen, die von unfallmedizinischen Experten erar- beitet wurden und ständig verfeinert wer- den. Inzwischen haben zahlreiche Unfallver- sicherungsträger das Programm erworben und werden es einsetzen. Ziel ist eine bun- desweite unfallmedizinische Datenbank. Ihre Auswertung soll dazu beitragen, die Qualität der Heilbehandlung von Unfallver- letzten zu sichern und Erkenntnisse für eine optimale Vernetzung von Akutbehandlung und Rehabilitation zu gewinnen. Schlüsselwörter Heilbehandlung · EDV-Programm · Unfallmedizinische Datenbank

Steuerung der Heilbehandlung unter Nutzung der EDV

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Page 1: Steuerung der Heilbehandlung unter Nutzung der EDV

Entwicklung

Die Unfallversicherungsträger habenden Gesundheitsschaden der Verletztenmöglichst frühzeitig mit allen geeigne-ten Mitteln zu beseitigen oder zu bes-sern, seine Verschlimmerung zu verhü-ten und seine Folgen zu mindern (§ 26Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Jeder kennt diesengesetzlichen Auftrag und weiß, dass diebesonderen Heilverfahren (Verletzungs-arten-,Durchgangsarztverfahren,BGSW,EAP) bewährte Einrichtungen sind, ihnzu sichern.

Offenbar nicht so geläufig ist dieVorschrift des §26 Abs. 5 SGB VII, diewortwörtlich beginnt:

„Die Unfallversicherungsträgerbestimmen im Einzelfall Art,Umfang und Durchführung

der Heilbehandlung und Rehabilitation“.

Wir sind also nicht nur für die generellenRegelungen, sondern auch für die Maß-nahmen im Einzelfall verantwortlich.

Bereits 1985 haben die Landesver-bände der gewerblichen Berufsgenos-senschaften eine gemeinsame Broschü-re für den Unfallsachbearbeiter als „Hin-weise zur Überwachung des Heilverfah-rens“ [3] im Einzelfall herausgegeben.Der Landesverband Südwestdeutsch-land hat dann 1989 die Broschüre „Über-wachung und Steuerung des Heilverfah-rens mit Hilfe der Datenverarbeitung“[2] veröffentlicht. Das DV-Organisati-onskonzept [1] ist unter Mitwirkung der

Berufsgenossenschaft Nahrungsmittelund Gaststätten (BGN) entstanden. Inden darauf folgenden Jahren bis zumheutigen Zeitpunkt ist dieses Konzeptbei der BGN schrittweise umgesetzt undmehrfach verfeinert worden.

Aktueller Stand

Die dv-technische Unterstützung in derneuesten Fassung, wie sie in Kürze zurAnwendung kommen wird hat folgendeZiele:

1. Steuerung der geeigneten Behand-lungsmaßnahmen,

2. Steuerung des zeitlichen Ablaufs und3. Auswertung der Daten für Maßnahmen

der Qualitätssicherung

Unser Ziel ist es, durch die Auswahl dergeeigneten Maßnahmen zum richtigenZeitpunkt das optimale Behandlungser-gebnis für den Verletzten möglichst früh-zeitig zu erreichen. Die Datenanalysesoll Erfolge und Verbesserungsmöglich-keiten aufzeigen. Im Gegensatz zu kon-ventionellen Methoden ist bei einer dv-technischen Unterstützung v. a. die Aus-wertung der Daten mit wesentlich ge-ringerem Aufwand zu realisieren.

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S275

Trauma Berufskrankh2000 · 2 [Suppl 2]: S275–S277 © Springer-Verlag 2000 Rehabilitation

Jürgen HermesBerufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, Erfurt

Steuerung der Heilbehandlung unter Nutzung der EDV

J. HermesGeschäftsführer der Bezirksverwaltung Erfurt,Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, Lucas-Cranach-Platz 2,99099 Erfurt(e-mail: Juergen Hermes/Bezirksverwaltung Erfurt/[email protected],Tel.: 0361-4391400, Fax: 0361-4391406)

Zusammenfassung

Seit mehreren Jahren steuert die Berufsge-nossenschaft Nahrungsmittel und Gaststät-ten das Heilverfahren mit Unterstützung ei-nes EDV-Programms. Abhängig von den per-sönlichen Daten des Verletzten und der ge-nauen Diagnose der Verletzung werden dieDauer der Behandlung und der Arbeitsun-fähigkeit prognostiziert. Die Prognose be-ruht auf im Programm hinterlegten Tabellen,die von unfallmedizinischen Experten erar-beitet wurden und ständig verfeinert wer-den. Inzwischen haben zahlreiche Unfallver-sicherungsträger das Programm erworbenund werden es einsetzen. Ziel ist eine bun-desweite unfallmedizinische Datenbank.Ihre Auswertung soll dazu beitragen, dieQualität der Heilbehandlung von Unfallver-letzten zu sichern und Erkenntnisse für eineoptimale Vernetzung von Akutbehandlungund Rehabilitation zu gewinnen.

Schlüsselwörter

Heilbehandlung · EDV-Programm · Unfallmedizinische Datenbank

Page 2: Steuerung der Heilbehandlung unter Nutzung der EDV

Für jede einzelne Verletzung mussdas DV-Programm sowohl eine medizi-nische Klassifizierung der Verletzung alsauch eine zeitliche Prognose für die Be-handlungsdauer und den Eintritt derArbeitsfähigkeit bereitstellen. Durch dieVerknüpfung mit den individuellen Da-ten des Versicherten ist sicherzustellen,dass verlässliche Prognosen für den Ein-zelfall getroffen werden können.

In den hinterlegten Tabellen wirdnach der Eingabe der Diagnose in Formdes Diagnoseschlüssels des HVBG dieVerknüpfung zu der von den medizini-schen Sachverständigen entwickelten spe-ziellen Klassifikation hergestellt. Dabeiwerden dem Sachbearbeiter die grund-sätzlichen medizinischen Begriffe zurDiagnose erläutert und Hinweise zurÜberwachung der Heilbehandlung ge-geben. Der für die Überwachung derHeilbehandlung verbindliche Prognose-termin wird mit den Bearbeitungsdatendes Falls automatisch verbunden. Er istErgebnis des Expertenwissens abhängigvon der Diagnose, dem Schweregrad derVerletzung innerhalb dieser Diagnose,der gewählten Behandlungsmethode unddem Tätigkeitsbild des Verletzten.

In manchen Durchgangsarztberich-ten sind nicht alle Informationen ent-halten, die zur präzisen Prognose benö-tigt werden. Der Sachbearbeiter wirddaher den Arzt insbesondere zur Schwe-re der Verletzung und der gewähltenTherapie befragen. Entgegen dem jetzi-gen Status wird er wohl in kürzeren Ab-ständen Zwischenberichte anfordern.Eine gewisse Tendenz, erst in Richtungauf den Prognosetermin tätig zu wer-den, hat sich nicht ausreichend bewährt.In jedem Fall, in dem der Prognoseter-min nicht eingehalten werden kann,wird der behandelnde Arzt nach den Ur-sachen hierfür befragt. Seine eigene Prognose und die Therapiemaßnahmensoll er begründen.

Bisherige Ergebnisse

Wir haben bis jetzt einen Datenbestandaus rund 40.000 Unfällen aus den Jah-ren 1997 und 1998. Dabei muss daraufhingewiesen werden, dass nicht jederUnfall in die dv-technische Steuerungübernommen wird. Die leichteren Ver-letzungen, bei denen die völlige Wieder-herstellung der Gesundheit innerhalbeiniger Wochen zu erwarten ist, werdennicht im Dialog überwacht, dies sind in

etwa 80% der gemeldeten Unfälle. Unse-re bisherigen Auswertungen zeigen einkomplexes Bild. Dies hat dazu beigetra-gen, dass die Schwere der Verletzung beigleicher Diagnose in Zukunft ebenfallsberücksichtigt wird.

Am Anfang wurde erwähnt,dass diedv-technische Steuerung schrittweiseeingeführt wurde. Der Vergleich zwi-schen den nicht überwachten und dengesteuerten Unfällen der vergangenenJahre zeigt eindeutig eine Tendenz zukürzeren Arbeitsunfähigkeits- und Be-handlungsverläufen durch die Steue-rung.

Hiermit ist konsequenterweise auchdie Frage nach den Kosten verknüpft.Wie alle Sozialversicherungsträger sindauch wir verpflichtet, wirtschaftlich undsparsam zu haushalten. Der Weg derKrankenversicherung, die die Ausgabendurch Budgets auf das Maß des Notwen-digen begrenzen will, ist keine mit denZielen der Rehabilitation in der gesetzli-chen Unfallversicherung vertretbare Lö-sung. Durch die dv-technische Unter-stützung der Heilbehandlung haben wiraber die Möglichkeit erlangt, die Ge-samtkosten der Unfälle auch im Hin-blick auf die durchgeführten Behand-lungsmaßnahmen und deren rechtzeiti-gen Einsatz zu analysieren. Geeignet imSinn der Haushaltsbetrachtung sind Kos-ten der Heilbehandlung immer dann,wenn durch die möglichst frühe Wie-derherstellung der Leistungsfähigkeitdes Versicherten die Gesamtkosten güns-tig beeinflusst werden.

Aufgaben für die Zukunft

Es ist unbestritten, dass sich die engeVerbindung zwischen den Unfallversi-cherungsträgern und den in ihrem Auf-trag tätigen Ärzten in den Kliniken undDurchgangsarztpraxen positiv auf dieQualität der unfallmedizinischen Ver-sorgung ausgewirkt hat.

Aus der Vielzahl der jetzt vorliegen-den Daten ergeben sich aber Hinweise,dass dies nicht, wie auf die Akutbehand-lung, im gleichen Maß auf die medizini-sche Rehabilitation im engeren Sinn zu-trifft. Die rechtzeitige Einleitung vonBGSW oder EAP in den geeigneten Fäl-len kann m. E. verbessert werden. DieQualität und Intensität sowie die Dauerphysiotherapeutischer Maßnahmen undihr Erfolg scheinen nicht immer einerausreichenden ärztlichen Kontrolle zu

S276 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000

Rehabilitation

J. Hermes

Control of medical treatmentwith the aid of EDP

Abstract

The employers’ liability insurance associa-tion for victuallers and licensed victuallershas been controlling healing procedureswith the aid of a computer program for sev-eral years.The personal data of the injuredpatient and the precise diagnosis of the in-jury are used to prepare a forecast of the du-ration of the treatment and of the patient’sinability to work.The basis of this forecast isprovided by tables integrated in the pro-gram, which have been elaborated by ex-perts on trauma medicine and also constant-ly refined by them. Meanwhile numerous in-surance companies concerned with accidentsand trauma have acquired the program andare intending to use it.The objective is a na-tional database on trauma medicine cover-ing the whole of Germany. It is intended thatits evaluation will help to guarantee thequality of concomitant treatment of traumavictims and also yield some indications onhow best to realize the networking of insti-tutions concerned with acute treatment andrehabilitation.

Keywords

Healing · EDP program · Trauma medicinedatabase

Trauma Berufskrankh2000 · 2 [Suppl 2]: S275–S277 © Springer-Verlag 2000

Page 3: Steuerung der Heilbehandlung unter Nutzung der EDV

unterliegen. Methoden, mit denen dieweitere Einsatzfähigkeit des Verletztenin seiner oder einer anderen Tätigkeitmöglichst objektiv und zeitnah beurteiltwerden können, sollten in Modellpro-jekten auf ihre Zuverlässigkeit unter-sucht werden.

Wir alle sind gefordert, unter Be-weis zu stellen, dass unser vernetztes System von der Akutbehandlung überdie medizinische Rehabilitation bis zurWiedereingliederung in das Erwerbs-leben mit allen geeigneten Mitteln auchin Zukunft als effektive und effizienteLösung anerkannt wird.

Die Steuerung und Überwachungder Heilbehandlung durch den Sachbe-arbeiter im dv-technischen Dialog istgut geeignet, sowohl den Einzelfall zusteuern als auch fallübergreifend Erfol-

ge und Kostenaufwand zu überwachen.Herrn Prof. Dr. Weller, der sein medizi-nisches Expertenwissen für die Ent-wicklung des Dialogs zur Verfügung ge-stellt hat und es weiter begleitet, gilt be-sonderer Dank.

Inzwischen haben mehrere ge-werbliche Berufsgenossenschaften dasProgramm erworben und alle landwirt-schaftlichen Berufsgenossenschaftenwollen es einsetzen. Für die Weiterent-wicklung der medizinischen Grundla-gen konnte ein Team von Experten ge-wonnen werden. Die Zusammenfüh-rung der anonymisierten Gesamtdatenin eine Unfallversicherungskontrollda-tenbank ist geplant.

Ich bitte sie alle, diese Maßnahmenzur Optimierung der Heilbehandlungaktiv zu unterstützen. Konstruktive Kri-

tik nehmen wir gern an und werden si-cher auch in Zukunft über unsere Er-fahrungen berichten.

Literatur1. Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und

Gaststätten (BGN) DV-Organisationskon-zept. BGN, Hauptverwaltung, Mannheim

2. Landesverband Südwestdeutschland (1989)Überwachung und Steuerung des Heilver-fahrens mit Hilfe der Datenverarbeitung.Landesverband Südwestdeutschland dergewerblichen Berufsgenossenschaften,Kepnerdruck, Eppingen

3. Landesverbände der gewerblichen Berufs-genossenschaften (1985) Hinweise zurÜberwachung des Heilverfahrens. Landes-verbände der gewerblichen Berufsgenossen-schaften, Kepnerdruck, Eppingen

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S277