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Stille Nacht, heilige Nacht - ahzw- · PDF file28 Arbeitshilfe zum Weitergeben · 4/2014 Stille Nacht, heilige Nacht Wir versetzen uns jetzt gedanklich an einen anderen Ort – in

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274 Arbeitshilfe zum Weitergeben · 4/2014

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So sehr christliche Traditionen auch in-frage gestellt werden – Weihnachten fül-len sich unsere Kirchen, rund 9 Millio-nen, knapp 40 Prozent der Kirchen-mitglieder und wahrscheinlich auch etli-che Nicht-Kirchenmitglieder, besuchendie evangelischen Gottesdienste an die-sem Abend. Viele freuen sich über soviele unbekannte Gäste, andere regensich auf. Das soll Thema unserer An-dacht heute sein.

Votum:Wir sind zusammen im Namen Gottes,der seine Sonne aufgehen lässt überGute und Böse,im Namen Jesu, der von sich sagt, ichbin das Licht der Welt,im Namen des Heiligen Geistes, der un-ser Denken weit macht und unsere Ge-danken erleuchtet. Amen.

Lied: Mache dich auf und werde licht

Die Andacht findet „an zwei Orten“ statt:dort, wo sich die Gruppe tatsächlich trifft,und am Ort des Gottesdienstes am 2.Weihnachtsfeiertag. Die Frauen versetzensich also gedanklich an einen anderen Ortund feiern dort Teile eines Gottesdienstesmit. Wenn möglich, sitzen die die Frauenim Kreis. Die Mitte sollte schlicht gestaltetsein: ein Kiefernzweig, eine weiße Kerzeund ein helles Tuch, auf dem – verdeckt –Zettel mit Begriffen liegen: Fremdheit, Hei-matlosigkeit, Heimat, angenommen wer-den, abgelehnt werden, verstanden wer-den, Unverständnis, anders sein. Je nachGröße der Gruppe können die Begriffemehrfach vorkommen.

Begrüßung: Seien Sie herzlich willkom-men zu unserem Treffen im Advent.Weihnachten steht vor der Tür, alle sindmehr oder weniger im Weihnachtstressund leben auf den Höhepunkt hin: Hei-ligabend.

Stille Nacht, heilige NachtAndacht für Ganzjahres- und WeihnachtschristInnen

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Stille Nacht, heilige Nacht

Wir versetzen uns jetzt gedanklich aneinen anderen Ort – in die Kirche – undwerden dort Zeuginnen eines Gesprächsam 26. Dezember, 9.45 Uhr, in der Kir-chenbank. – Das Gespräch wird von zweianderen Stimmen gelesen, gerne auch ge-spielt.

Frau Wimmer: Guten Tag, Frau Neuland!Na, auch eine von den ganz Treuen, diesogar am 2. Weihnachtstag noch zumGottesdienst kommen?Frau Neuland: Ach, Frau Wimmer, ges-tern waren unsere Kinder und Enkelkin-der da, das ganze Haus war voll, da wares mir einfach zu knapp, morgens nochin den Gottesdienst zu kommen.Frau Wimmer: Wissen Sie, ich liebe dieseGottesdienste am zweiten Feiertag. Daist man wieder unter sich. An Heilig-abend – das ist ja schlimm. Die Kircherappelvoll, aber eine Unruhe! Da kom-men Leute, die sieht man das ganze Jahrnicht, und die wissen auch nicht, wieman sich in einer Kirche benimmt. Undkeines der Lieder können die mitsingen.Und ihre Kinder haben sie auch nicht imGriff, die laufen ’rum und stören, undich hab Mühe, etwas zu verstehen.Frau Neuland: Ich find das ja schön, dassLeute wenigstens an Weihnachten denWeg in die Kirche finden.Frau Wimmer: Das ist doch nur schein-heiliges Getue! Wenn ich mich das gan-ze Jahr nicht um unseren Herrgott küm-mere, dann muss ich auch Weihnachtennicht fromm tun. Die wollen doch nureinen feierlichen Auftakt für ihre Ge-schenk-Orgie. Und das gute Essen istüberhaupt das Allerwichtigste. Um wases an Weihnachten geht, das kriegen diedoch gar nicht mit.Frau Neuland: Tatsächlich? Worum gehtes denn an Weihnachten?Frau Wimmer: Naja – dass Gott Mensch

wurde, den Menschen also ganz nahekam. Und dass mit diesem Kind etwasganz Neues begann.Frau Neuland: Und Sie meinen, die Hei-ligabendchristen kriegen davon nichtsmit? Wissen Sie, meine Kinder und En-kel, die gehen auch nur noch an Weih-nachten in den Gottesdienst. Aber derist ihnen ganz wichtig. Sonst fehlt ihnenan Weihnachten etwas. Sie lieben dieLieder und die Weihnachtsgeschichte –und wehe, da wird nicht Stille Nacht ge-sungen. Es klingt vielleicht ein bisschenpathetisch, aber ich glaube, die brau-chen Weihnachten als Nahrung für ihreSehnsucht, dass es mit dieser Welt dochnoch gut werden kann. „Welt ging ver-loren, Christ ward geboren …“ – das istdoch die Botschaft von Weihnachten.„Oh du fröhliche“ bei Kerzenschein undim Stehen – da wird meinen Jungs ganzwarm ums Herz, und ich glaube nicht,dass das nur Gefühlsduselei ist.Frau Wimmer: Aber Frau Neuland, sokenn ich Sie ja gar nicht! Bereit, alleshinzunehmen und bei jedem noch wasGutes zu unterstellen?Leiterin: „Pst, es geht los“, zischt es ausder Vorderbank. Die Orgel beginnt zuspielen, und die Gemeinde singt. Wirstimmen mit ein und singen vom Lied24 „Vom Himmel hoch, da komm ichher“ die ersten sechs Strophen.

Gespräch: ENTWEDER bilden Sie zweiGruppen: Alle, die sich Frau Wimmer nahefühlen, gehen in eine Gruppe und alle, diesich Frau Neuland nahe fühlen, in einezweite. Die „Wimmers“ reden über das, wasFrau Neuland gesagt hat, und umgekehrt.ODER Sie bilden kleine Murmelgruppen, indenen die Frauen sich darüber austauschen,wem sie sich näher fühlen und warum. Miteinem Klangschalenton oder einer kurzenMusik beenden Sie die Gespräche.

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nicht wissen, wann sie sitzen und wannsie stehen sollen? Wie mag es manchemtreuen Gemeindeglied gehen, wenn essich in der eigenen Kirche nicht mehrzuhause fühlt, weil so viele da sind, dieman nicht kennt?Christus ließ sich nicht aus dieser Weltdrängen. Er ließ sich auf diese Welt ein,warb um die, die ihn ablehnten, wollte,dass allen Menschen geholfen werdeund sie zur Erkenntnis der Wahrheit kä-men. Er hat sich der Menschen ange-nommen, unterschiedslos.Weihnachten – das heißt, wir erinnernuns, was mit Christus in die Welt kamund seitdem widerständig und unverre-chenbar in dieser Welt ist: die Liebe Got-tes, die sich nicht vertreiben und nichttöten lässt und in der wir einander an-nehmen können, so wie Christus unsangenommen hat. Amen

Leiterin: Die beiden Frauen waren ge-danklich etwas abgeschweift, aber jetztsingen sie doch mit. Stimmen auch wirnoch einmal ein in die Strophen 7-9vom begonnen Lied …

Nach dem Gottesdienst wünschte mansich nochmals frohe Weihnachten, er-kundigte sich nach Kindern, Eltern unddem Festtagsessen. Frau Wimmer undFrau Neuland haben ein Stück gemein-samen Wegs – hören wir ihrem Ge-spräch noch einmal zu:Frau Wimmer: Da geht man Jahr für Jahrin den Gottesdienst und hört hundertevon Predigten und immer wieder diesel-ben Texte. Aber dann hat man plötzlichdas Gefühl, erst in diesem Moment et-was wirklich verstanden zu haben. Dasmit der Fremdheit – das hat mich dochins Nachdenken gebracht. Es stimmt ja,dass der Jesus immer irgendwie fremdbleibt in dieser Welt. Der war nicht wie

Wir sind wieder in der Kirche und lau-schen der Predigt … – evtl. von einer wei-teren Stimme lesen lassen; aber es sollteschon „nach Predigt klingen“.

Liebe Gemeinde,was feiern wir an Weihnachten? DassGott als Mensch zur Welt kam. – Ein un-geheuerlicher Gedanke, ein Gedanke,der für andere Religionen kaum akzepta-bel ist. Gott ist Gott und eben nicht einMensch, und genau das macht seineGöttlichkeit aus. Aber als Christen undChristinnen glauben wir, dass Gott sichin diesem Menschen gezeigt hat, dasswir an diesem Menschen erkennen kön-nen, wer und wie Gott ist. Gott kommtin die Welt, zu seinen Menschen, „aberdie Welt erkannte ihn nicht. Er kam insein Eigentum, aber die Seinen nahmenihn nicht auf.“ (Joh 1,10.11)Wie fremd ist der Christus in dieserWelt? Wie fremd ist den Seinen dieserGast, dieser Besucher? Wie fremd bleibter ihnen Zeit seines Lebens? Das warschon ganz am Anfang so: kein Raum inder Herberge, niemand, der die schwan-gere Mutter und den besorgten Vateraufnehmen wollte. „Der Prophet giltnichts im eigenen Land“, seine Wortewerden nicht verstanden oder schlichtabgelehnt. Fremd und geheimnisvollbleiben vieler seiner Worte, selbst man-che Gleichnisse.Fremdheit, Heimatlosigkeit – eine Grund-erfahrung Jesu. Auch eine Erfahrungvon uns Christen in dieser Welt?Wie mag es Menschen gehen, die ausanderen Ländern zu uns kommen, alsChristen aus dem Irak zum Beispiel. Kön-nen sie mit der Art, wie wir unserenGlauben leben, etwas anfangen? Wiemag es Menschen gehen, die nur seltenin einen Gottesdienst kommen, denenLieder und Liturgie unvertraut sind, die

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Stille Nacht, heilige Nacht

alle anderen, schon gar nicht wie dieGroßen und Wichtigen. Meine Tochter,die würde wohl sagen, der hat so wasSubversives, sowas Widerständiges.Frau Neuland: Meine Gedanken gingenin eine andere Richtung. Letztes odervorletztes Jahr gab es doch diese Jahres-losung, da kam auch was von Heimatlo-sigkeit vor – wie lautete sie noch?Frau Wimmer: „Wir haben hier keine blei-bende Stadt…“, so fing sie an.Frau Neuland: Genau! So ganz heimischkönnen wir als Christen hier vielleicht garnicht sein. Vielleicht ist so ein StückFremdheit gut, um die verstehen zu kön-nen, die sich auch fremd fühlen – wennauch aus ganz anderem Grund.

(Predigtnach-) Gespräch; Impuls:Fremd sein – eine christliche Grunderfah-rung? Können Sie damit etwas anfangen?Welche biblischen Beispiele für Fremdheitfallen Ihnen noch ein? Welche Erfahrungenvon Fremdheit haben Sie schon gemacht,und was hat Ihnen da geholfen?

Lied: Gott liebt die Welt mit ihrer Schuld(Mennon. Gesangbuch Nr. 254) oder:Weil Gott in tiefster Nacht erschienen(EG 56)

Gebet: Unser abschließendes Gebet wol-len wir gemeinsam gestalten – die Begrif-fe aufdecken und auf dem Tuch verteilen.Vor Ihnen liegt eine Reihe von Begriffen.Vielleicht löst der eine oder andere einenGedanken bei Ihnen aus, den Sie laut for-mulieren möchten? Dann nehmen Sieden Zettel und sprechen Ihre Bitte, IhrenGebetsgedanken nachher aus und schlie-ßen mit den Worten: „Gott du hörst, waswir sagen, du verstehst, was wir denken“.Wenn Sie nichts sagen möchten, könnenSie auch einfach den Begriff nehmen undihn später mit den Worten „Gott du

hörst, was wir sagen, du verstehst, waswir denken“ wieder hinlegen. Sie könnenaber auch einfach in Stille mitbeten. – Esist gut, mit einer Frau abzusprechen, dasssie mit einer Bitte, einem Gedanken beginnt.Nicht hetzen, aber es sollte auch keine un-angenehme Länge bekommen. Wenn nie-mand mehr einen Zettel in der Hand hält:Beten wir mit Jesu Worten gemeinsamweiter:

Vater Unser

Noch xx Tage bis Weihnachten. Ich wün-sche Ihnen allen eine gute Zeit bis dahin– mit viel Gelassenheit gegenüber allenErwartungen und allem, was vielleichtanders ist, als man es sich wünscht.

Lied: Seht, die gute Zeit ist nah (EG 18)

Segen:Gottes Kommen berühre dein Herz undmache es weit und offenfür das Licht, das von Weihnachten indein Leben strahlt,dass du offen wirst für alle Menschen,denen du begegnest.Gottes Friede mache dich ruhig und ge-lassen,dass du in Frieden leben kannst mit allenMenschen.Gottes Nähe umhülle dich mit Wärmeund Freundlichkeit,die du weitergeben kannst an alle Men-schen.So segne dich der menschenfreundlicheGott. Amen

Barbara Kohlstruck, geb. 1959, war zehn Jahretheologische Referentin in der EvangelischenArbeitsstelle Bildung und Gesellschaft, FachbereichFrauen in der Ev. Kirche der Pfalz. Seit 2012 ist sieDekanin des Prot. Kirchenbezirks Ludwigshafen. Sieist im Präsidium der EFiD zuständig für Öffentlich-keitsarbeit und daher auch Mitglied im Redaktions-beirat der ahzw.