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Robert Louis Stevenson Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde Zweisprachige Ausgabe Aus dem Englischen von Meike Breitkreutz Anaconda

Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde · 2017-06-02 · Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hydeerschien zuerst im Januar 1886 bei Longmans,

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Robert Louis Stevenson

Strange Case ofDr. Jekyll and Mr. Hyde

Der seltsame Fall desDr. Jekyll und Mr. Hyde

Zweisprachige Ausgabe

Aus dem Englischenvon Meike Breitkreutz

Anaconda

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Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde erschien zuerst im Januar 1886bei Longmans, Green and Co. in London. Der englische Text dieserAusgabe folgt der Edition in der Reihe Norton Critical Editions,New York 2003. Dem deutschen Text liegt eine anonyme Übertragungaus dem Jahr 1925 zugrunde. Sie wurde vollständig neu überarbeitet.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Lektorat: Daniela Unger, Frankfurt/M.Umschlagmotiv: Shutterstock und Archiv des VerlagsUmschlaggestaltung: www.katjaholst.deSatz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., RatingenPrinted in Czech Republic 2017ISBN [email protected]

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CONTENTS / INHALT

Story of the door . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Die Geschichte der Tür . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Search for Mr. Hyde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Auf der Suche nach Mr. Hyde . . . . . . . . . . . . . 27

Dr. Jekyll was quite at ease . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Dr. Jekyll war ganz unbesorgt . . . . . . . . . . . . . . 53

The Carew murder case . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Der Mordfall Carew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Incident of the letter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74Die Sache mit dem Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Remarkable incident of Dr. Lanyon . . . . . . . . . . 90Dr. Lanyons merkwürdiges Erlebnis . . . . . . . . . 91

Incident at the window . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102Der Zwischenfall am Fenster . . . . . . . . . . . . . . . 103

The last night . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108Die letzte Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Dr. Lanyon‘s narrative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144Dr. Lanyons Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Henry Jekyll's full statement of the case . . . . . . 168Henry Jekylls vollständiger Fallbericht . . . . . . . 169

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STORY OF THE DOOR.

Mr. Utterson the lawyer was a man of a ruggedcountenance, that was never lighted by a smile;cold, scanty and embarrassed in discourse; back-ward in sentiment; lean, long, dusty, dreary and yetsomehow lovable. At friendly meetings, and whenthe wine was to his taste, something eminentlyhuman beaconed from his eye; something indeedwhich never found its way into his talk, but whichspoke not only in these silent symbols of the after-dinner face, but more often and loudly in the actsof his life. He was austere with himself; drank ginwhen he was alone, to mortify a taste for vintages;and though he enjoyed the theatre, had notcrossed the doors of one for twenty years. But hehad an approved tolerance for others; sometimeswondering, almost with envy, at the high pressureof spirits involved in their misdeeds; and in anyextremity inclined to help rather than to reprove.“I incline to Cain’s heresy,” he used to say quaintly:“I let my brother go to the devil in his own way.”In this character, it was frequently his fortune to bethe last reputable acquaintance and the last goodinfluence in the lives of down-going men. And tosuch as these, so long as they came about hischambers, he never marked a shade of change inhis demeanour.

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Die Geschichte der Tür

Mr. Utterson, der Anwalt, war ein Mann mit einem zer-furchten Gesicht, das nie von einem Lächeln erhellt wurde,kühl, wortkarg und verlegen im Gespräch, schwerfällig inseinen Gefühlen, hager, lang, antiquiert, langweilig unddoch in gewisser Weise liebenswert. Bei freundschaftlichenZusammenkünften und wenn der Wein nach seinem Ge-schmack war, blitzte etwas ausgesprochen Menschliches inseinen Augen auf – etwas, das zwar nie in seinen Wortenzum Ausdruck kam, sich aber nicht nur in diesem stummenMienenspiel nach dem Essen zeigte, sondern häufiger undvernehmlicher in seinem Lebenswandel. Er war streng ge-gen sich selbst, trank, wenn er allein war, Gin, um seineVorliebe für erlesene Weine zu bekämpfen, und obwohl erdas Theater liebte, hatte er seit zwanzig Jahren keines be-treten. Anderen gegenüber zeigte er jedoch erwiesenerma-ßen Nachsicht, manchmal beinahe neidvoll über den Mutund die Energie staunend, mit der sie ihre Missetaten be-gingen, und in jeder Notlage eher bereit, ihnen zu helfen,als sie zu missbilligen. »Ich neige zu Kains Ketzerei«,pflegte er gelegentlich scherzhaft zu sagen: »Ich lasse mei-nen Bruder auf seine Weise zum Teufel gehen.« Bei einemsolchen Charakter war es häufig sein Schicksal, der letzteehrbare Bekannte und der letzte gute Einfluss im Lebenvon Menschen zu sein, mit denen es bergab ging. Und so-lange sie in seiner Kanzlei verkehrten, ließ er ihnen gegen-über nie den Schatten einer Veränderung in seinem Ver-halten erkennen.

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No doubt the feat was easy to Mr. Utterson; forhe was undemonstrative at the best, and even hisfriendships seemed to be founded in a similarcatholicity of good-nature. It is the mark of a mod-est man to accept his friendly circle ready-madefrom the hands of opportunity; and that was thelawyer’s way. His friends were those of his ownblood or those whom he had known the longest;his affections, like ivy, were the growth of time,they implied no aptness in the object. Hence, nodoubt, the bond that united him to Mr. RichardEnfield, his distant kinsman, the well-known manabout town. It was a nut to crack for many, whatthese two could see in each other or what subjectthey could find in common. It was reported bythose who encountered them in their Sundaywalks, that they said nothing, looked singularlydull, and would hail with obvious relief the appear-ance of a friend. For all that, the two men put thegreatest store by these excursions, counted themthe chief jewel of each week, and not only setaside occasions of pleasure, but even resisted thecalls of business, that they might enjoy them uninter-rupted.

It chanced on one of these rambles that theirway led them down a by-street in a busy quarterof London. The street was small and what is calledquiet, but it drove a thriving trade on the week-days. The inhabitants were all doing well, it

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Zweifellos kostete dies Mr. Utterson keine große Über-windung, denn er war auch im günstigsten Fall zurückhal-tend, und sogar seine Freundschaften schienen auf einerähnlichen, allumfassenden Gutmütigkeit zu beruhen. Esist das Kennzeichen eines bescheidenen Menschen, dass erdas Entstehen seines Freundeskreises der Gelegenheitüberlässt; und so hielt es auch der Anwalt. Seine Freundewaren entweder Blutsverwandte oder Menschen, die ersein Leben lang gekannt hatte; seine Zuneigung wuchs wieEfeu mit der Zeit, sie war von der Eignung ihres Gegen-standes nicht abhängig. So war zweifellos auch die Freund-schaft zu erklären, die ihn mit Mr. Richard Enfield ver-band, einem entfernten Verwandten und stadtbekanntenLebemann. Es war für viele eine harte Nuss, herauszube-kommen, was diese beiden aneinander finden oder welchegemeinsamen Interessen sie haben könnten. Jene, dieihnen auf ihren Sonntagsspaziergängen begegneten, be-richteten, dass sie nicht sprächen, außerordentlich gelang-weilt aussahen und mit sichtlicher Erleichterung das Auf-tauchen eines Freundes begrüßten. Trotz alledem legtendie beiden Herren den größten Wert auf diese Spazier-gänge, betrachteten sie als Krönung jeder Woche und ver-zichteten nicht nur auf gesellige Vergnügungen, sondernstellten sogar geschäftliche Verpflichtungen hintan, um sieungestört genießen zu können.

Auf einem dieser Streifzüge geschah es, dass ihr Wegsie durch eine Nebenstraße in einem belebten Viertel Lon-dons führte. Die Straße war schmal und man würde sieruhig nennen, aber an den Wochentagen herrschte hierein lebhaftes Treiben. Die Anwohner waren dem An-

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seemed, and all emulously hoping to do betterstill, and laying out the surplus of their gains incoquetry; so that the shop fronts stood along thatthoroughfare with an air of invitation, like rows ofsmiling saleswomen. Even on Sunday, when itveiled its more florid charms and lay comparativelyempty of passage, the street shone out in contrastto its dingy neighbourhood, like a fire in a forest;and with its freshly painted shutters, well-polishedbrasses, and general cleanliness and gaiety of note,instantly caught and pleased the eye of the pas-senger.

Two doors from one corner, on the left handgoing east, the line was broken by the entry of acourt; and just at that point, a certain sinister blockof building thrust forward its gable on the street. Itwas two storeys high; showed no window, nothingbut a door on the lower storey and a blind foreheadof discoloured wall on the upper; and bore inevery feature, the marks of prolonged and sordidnegligence. The door, which was equipped withneither bell nor knocker, was blistered and dis-tained. Tramps slouched into the recess and struckmatches on the panels; children kept shop uponthe steps; the schoolboy had tried his knife on themouldings; and for close on a generation, no onehad appeared to drive away these random visitorsor to repair their ravages.

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schein nach alle wohlhabend und hofften voller Ehrgeiz,noch vermögender zu werden; sie investierten den Über-schuss ihrer Gewinne in die werbewirksame Ausschmü-ckung ihrer Geschäfte, sodass die Schaufenster in dieserDurchgangsstraße etwas Einladendes hatten, wie eineReihe lächelnder Verkäuferinnen. Sogar sonntags, wenndie Straße ihren reichen Charme verhüllte und vergleichs-weise menschenleer dalag, leuchtete sie aus ihrer schäbi-gen Nachbarschaft hervor wie ein Feuer in einem Wald;und mit ihren frisch gestrichenen Fensterläden, blank ge-putzten Messingbeschlägen und ihrer allgemeinen Sau-berkeit und Heiterkeit zog sie die Blicke und das Wohl-gefallen des Passanten sofort auf sich.

Zwei Häuser nach einer Straßenecke, linker Hand inöstlicher Richtung, wurde die Reihe durch einen Hofein-gang unterbrochen, und genau an dieser Stelle drängte eindüster aussehendes Gebäude seinen Giebel auf die Straße.Es war zwei Stockwerke hoch, hatte kein einziges Fens-ter, sondern weiter nichts als eine Tür im Erdgeschossund die blinde Stirn einer ausgebleichten Wand im obe-ren Stock, und trug in jedem Detail die Merkmale jahre-langer, schmählicher Vernachlässigung. Die Tür, die we-der eine Glocke noch einen Klopfer hatte, war rissig undverblasst. Stadtstreicher schlurften in diesen Winkel hin-ein und strichen am Türstock ihre Zündhölzer an, Kinderspielten auf den Treppenstufen Kaufladen, ein Schuljungehatte an den Zierleisten sein Messer ausprobiert, und seitnahezu einem Menschenalter war niemand erschienen,um diese gelegentlichen Besucher fortzujagen oder ihreZerstörungen auszubessern.

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