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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segel- yachten K. Graf, FH Kiel, Yacht Research Unit E. Wolf, Howaldswerke Deutsche Werft AG, Kiel H. Renzsch, FH Kiel, Yacht Research Unit Methoden der Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamic, CFD) sind als Verfahren der Analyse von Strömungen ein beim Entwurf von Hochleistungsyachten inzwischen akzeptier- tes und verbreitetes Werkzeug, das den klassischen Modellversuch zunehmend verdrängt. Poten- tialtheoretische Verfahren und RANSE-Solver gestatten die Prognose von Strömungskräften und –phänomenen mit hoher Genauigkeit, Auflösung und Reproduzierbarkeit. Durch Integration der Simulationsergebnisse in ein Geschwindigkeitsprognoseprogramm (VPP) kann so die Ge- schwindigkeit einer Segelyacht im Entwurfsstadium vorhergesagt werden. Der besondere Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass Geschwindigkeitsänderungen der Yacht auf allen Kursen zum Wind und bei allen Windgeschwindigkeiten für kleine Variationen der Form des Schiffes, der Anhänge oder des Riggs und der Segel vorhergesagt werden können. Dies ist die Grundlage ei- ner Optimierung der Segeleigenschaften einer Regattayacht. Der Aufsatz beschreibt Werkzeuge und Arbeitsschritte einer derartigen Optimierung und stellt Anwendungsfälle vor. 1 Einleitung Beim Entwurf neuer Segelyachten, insbesondere Regattayachten, ist es heute üblich, die Segel- eigenschaften des Projektschiffes quantitativ vorherzusagen, d.h. in der Regel die Geschwindig- keit der Yacht auf allen Kursen zum Wind und bei allen Windgeschwindigkeiten zu bestimmen. Diese Geschwindigkeitsprognose ist zudem Voraussetzung für eine Optimierung der Yacht. Ge- schwindigkeitsvorhersagen leisten sogenannte Geschwindigkeitsprognoseprogramme (VPPs), die bei vielen Yachtdesignern bereits eingesetzt werden. Grundlage der Geschwindigkeitsvorher- sage ist die Ermittlung der aero- und hydromechanischen Kräfte, die auf Segel, Rigg und Schiffsrumpf mit seinen Anhängen wirken. Während dazu in der Vergangenheit meist Windka- nal- und Schlepptankversuche dienten, geht man heute dazu über, Methoden der Strömungssimu- lation (CFD) einzusetzen. Bei der Entwicklung von Hightech-Regattayachten wie IACC- und VOR-Yachten gilt CFD als Schlüsseltechnik.

Stroemungssimulation Und Geschwindigkeitsprognose Fuer Segelyachten.2003

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segel-

yachten

K. Graf, FH Kiel, Yacht Research Unit

E. Wolf, Howaldswerke Deutsche Werft AG, Kiel

H. Renzsch, FH Kiel, Yacht Research Unit

Methoden der Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamic, CFD) sind als Verfahren

der Analyse von Strömungen ein beim Entwurf von Hochleistungsyachten inzwischen akzeptier-

tes und verbreitetes Werkzeug, das den klassischen Modellversuch zunehmend verdrängt. Poten-

tialtheoretische Verfahren und RANSE-Solver gestatten die Prognose von Strömungskräften und

–phänomenen mit hoher Genauigkeit, Auflösung und Reproduzierbarkeit. Durch Integration der

Simulationsergebnisse in ein Geschwindigkeitsprognoseprogramm (VPP) kann so die Ge-

schwindigkeit einer Segelyacht im Entwurfsstadium vorhergesagt werden. Der besondere Vorteil

dieses Vorgehens liegt darin, dass Geschwindigkeitsänderungen der Yacht auf allen Kursen zum

Wind und bei allen Windgeschwindigkeiten für kleine Variationen der Form des Schiffes, der

Anhänge oder des Riggs und der Segel vorhergesagt werden können. Dies ist die Grundlage ei-

ner Optimierung der Segeleigenschaften einer Regattayacht. Der Aufsatz beschreibt Werkzeuge

und Arbeitsschritte einer derartigen Optimierung und stellt Anwendungsfälle vor.

1 Einleitung

Beim Entwurf neuer Segelyachten, insbesondere Regattayachten, ist es heute üblich, die Segel-

eigenschaften des Projektschiffes quantitativ vorherzusagen, d.h. in der Regel die Geschwindig-

keit der Yacht auf allen Kursen zum Wind und bei allen Windgeschwindigkeiten zu bestimmen.

Diese Geschwindigkeitsprognose ist zudem Voraussetzung für eine Optimierung der Yacht. Ge-

schwindigkeitsvorhersagen leisten sogenannte Geschwindigkeitsprognoseprogramme (VPPs),

die bei vielen Yachtdesignern bereits eingesetzt werden. Grundlage der Geschwindigkeitsvorher-

sage ist die Ermittlung der aero- und hydromechanischen Kräfte, die auf Segel, Rigg und

Schiffsrumpf mit seinen Anhängen wirken. Während dazu in der Vergangenheit meist Windka-

nal- und Schlepptankversuche dienten, geht man heute dazu über, Methoden der Strömungssimu-

lation (CFD) einzusetzen. Bei der Entwicklung von Hightech-Regattayachten wie IACC- und

VOR-Yachten gilt CFD als Schlüsseltechnik.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

Das Institut für Schiffbau der FH Kiel setzt seit Jahren CFD-Verfahren für die Untersuchung und

Optimierung von Regattayachten ein. CFD-Verfahren haben heute bereits eine beachtliche Er-

gebnissicherheit, die es mit Einschränkungen gestattet, Modellversuche vollständig zu substituie-

ren. Der besondere Vorteil von CFD-Berechnungen ist es aber, die Änderung von

Strömungskräften bei einer kleinen Änderung der untersuchten Strömungskörper (Segel, Rumpf,

Mast, Kiel ...) zu bestimmen (sogenannte Flow Force Deltas). Damit ist es vor allem möglich,

Variantenuntersuchungen – etwa einer Kielkonfiguration – im Vergleich zu einer Benchmark-

yacht durchzuführen. Eine Integration der CFD-Ergebnisse in ein Geschwindigkeitsprognose-

programm erlaubt es dann nicht nur die Geschwindigkeit einer Yacht vorherzusagen, sondern

gestattet insbesondere die Berechnung von Geschwindigkeitsänderungen der Yacht durch kleine

Änderungen der Strömungskräfte (Flow Force Deltas werden so in Time Allowance Deltas kon-

vertiert). Bei einem systematischen ingenieurmäßigen Yachtentwurf erstellt man in der Regel

zahlreiche Varianten eines Benchmarkschiffes, die so mit einer objektiven Metrik bewertet wer-

den können. Dies beschreibt das Prinzip der Optimierung, wie es unser Institut bei zahlreichen

Regattayachten angewandt hat, darunter VOR- und IACC-Yachten für die illbruck Challenge,

IMS-Yachten für verschiedene Yachtdesigner und einige olympische Bootsklassen.

Boundary-LayerMethod

Panel-code

RANSE-code

CFD-AnalyseBoundary-LayerMethod

RANSE-code

Boundary-LayerMethod

RANSE-code

Modellversuche

Schlepp-tank

Wind-kanal

Panel-code

Initial DesignBenchmark

VPPTime Allowance Deltas

Design-Alternativen

IMS

Abbildung 1-1: Schema Strömungsanalyse und Geschwindigkeitsprognose

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

2 Strömungssimulationsverfahren

Strömungssimulationsverfahren, die im Yachtbereich eingesetzt werden, lassen sich grob in drei

Gruppen aufteilen: a)potentialtheoretische Verfahren, meist sogenannte Panel-Codes, c) RAN-

SE-Verfahren und c) Grenzschichtverfahren. Allen Verfahren ist gemeinsam, dass sie auf Erhal-

tungsgleichungen für Masse und Impuls in einer mehr oder weniger vereinfachten Form

basieren. Diese partiellen Differenzialgleichungen werden mit numerischen Verfahren und

Rechnerhilfe gelöst.

2.1 Panel-Codes

Panel-Codes basieren auf dem Modell der reibungsfreien Strömung. Sie sind geeignet, Strö-

mungsprobleme zu lösen, bei denen die viskosen Effekte der Strömung vernachlässigt oder auf

anderem Wege abgeschätzt werden können. Sie werden somit primär für die Berechnung von

Tragflügelströmungen und Strömungen mit freier Wasseroberfläche und Wellenbildung einge-

setzt und erlauben die Vorhersage von Auftrieb, induziertem Widerstand und Wellenwiderstand.

Der Vorteil der Panel-Verfahren ist, dass sie relativ genügsam hinsichtlich der erforderlichen

Manpower und der Rechnerressourcen sind. Die daraus resultierenden geringen Turnaround-

Zeiten lassen es zu, eine große Anzahl von Varianten in beschränkter Zeit zu untersuchen.

Das an unserem Institut eingesetzte Panel-Verfahren ist ein von M. Richelsen der North Perfor-

mance Research Group entwickeltes Programm, das insbesondere für die Untersuchung von

IACC-Yachten optimiert wurde. Für die Untersuchung von Segeln wird ein Panel-Verfahren-

ähnliches Vortex-Lattice-Grid-Verfahren verwandt, dass in das Geschwindigkeitsprognosepro-

gramm AVPP (siehe unten) integriert ist.

2.2 RANSE-Verfahren

RANSE-Verfahren lösen eine zeitgemittelte Form der Navier-Stokes-Gleichungen, meist mit

einem Finite-Volumen-Verfahren. RANSE-Verfahren berücksichtigen viskose und turbulente

Effekte der Strömung und erlauben neben der Berechnung von Auftrieb und induziertem Wider-

stand auch die Berechnung des Reibungswiderstandes, die Vorhersage von Strömungsablösun-

gen und die Berechnung des Wellenwiderstandes.

Durch die Leistungssteigerung in der Rechnertechnik und durch lange Erfahrungen im Einsatz

dieser Verfahren gelingt es uns heute meist, mit RANSE-Verfahren Ergebnisse zu produzieren,

die mit Modellversuchen konkurrieren können. Der Aufwand für die Verwendung von RANSE-

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

Verfahren ist allerdings groß. Sie stellen nennenswerte Anforderungen an die rechnerischen und

personellen Ressourcen. Der Vorteil gegenüber den Modellversuchen liegt in den generischen

Eigenschaften der RANSE-Verfahren, d.h. bei einer Variantenuntersuchung steigt im Gegensatz

zu Modellversuchen der Aufwand nicht linear mit der Anzahl zu untersuchender Varianten.

An unserem Institut werden die RANSE-Verfahren CFX C) der Firma Ansys, Comet von Com-

putational Dynamics und die Eigenentwicklung flowc eingesetzt. Jedes dieser Programme hat

Stärken und Schwächen, die für bestimmte Einsatzfälle besonders geeignet sind.

2.3 Grenzschichtverfahren

Das sind Verfahren, die Panel-Verfahren mit einer vereinfachten Form der Navier-Stokes-

Gleichungen kombinieren. Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass sie viskose und turbu-

lente Effekte berücksichtigen, ohne dass dazu die großen Rechnerressourcen der RANSE-

Verfahren notwendig sind. Ein weit wichtigerer Vorteil für die Yachtströmungen liegt allerdings

darin, dass diese Verfahren auch laminar-turbulente Transitionsströmungen berechnen können,

die bei den Anhängen von Yachten auf Grund der geringen Reynoldsschen Zahlen auftreten und

das Design von Kiel- und Ruderprofilen signifikant beeinflussen. Grenzschichtverfahren sind für

die Untersuchungen von ebenen Strömungen besonders effektiv und werden daher bei der Opti-

mierung von Profilen für Kiel, Ruder, Trimmklappen und Wings eingesetzt. Wir verwenden

primär das Programm xfoil von Drela¸das im Public Domain verfügbar ist.

3 Geschwindigkeitsprognose

Geschwindigkeitsprognoseverfahren (VPPs) berechnen die Geschwindigkeit einer Yacht aus

dem Gleichgewicht der an der Yacht angreifenden Kräfte und Momente unter Einbeziehung ei-

ner Optimierungsbedingung (maximale Geschwindigkeit oder maximales VMG). In der Praxis

verbreitet ist das VPP WinDesign der WUPTIA, Southampton und das IMS-VPP des Offshore

Racing Council. Beide Verfahren wurden an unserem Institut für die Optimierung von Yachten

erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Geschwindigkeitsprognose ist in der Regel ein Ge-

schwindigkeitspolardiagramm, das die erreichbare Geschwindigkeit auf allen relevaten Kursen

zum Wind und bei allen Windgeschwindigkeiten angibt, Abbildung 3-1.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

-10

-6

-2

2

6

10

0 4 8

TWS = 4 m/s UpTWS = 6 m/s UpTWS = 8 m/s UpTWS = 4 m/s DownTWS = 6 m/s DownTWS = 8 m/s Down

-30

-25

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

5 7 9 11 13 15 17 19 21TWS [kn]

[perf]

P2 UP P3 UP

P4 UP P5 UP

P6 UP P8 UP

P2 Down P3 Down

P4 Down P5 Down

P6 Down P8 Down

Abbildung 3-1: Geschwindigkeitspolardiagramm Abbildung 3-2: Time Allowance Diagram

Bei der Optimierung von Yachten, wie sie beispielsweise bei VOR- und IACC-Yachten vorge-

nommen wird, interessiert in der Regel der Geschwindigkeitsunterschied einer Variante im Ver-

gleich zu einem Benchmark. Der Geschwindigkeitsunterschied wird meist als Time Allowance

Delta, d.i. der Zeitgewinn / -verlust für das Zurücklegen einer nautischen Meile oder eines

Rundkurses angegeben. Dieser Zeitgewinn wird in der Regel als gewichteter Mittewert einer

Reihe von ausgewählten Windrichtungen angegeben. Abbildung 3-1 zeigt beispielhaft dieses

Performace Ratio [perf] über der Geschwindigkeit für eine Reihe von Designvarianten. Bei der

Optimierung von IMS-Yachten wird als Optimierungskriterium der Unterschied der IMS-

prognostizierten Geschwindigkeit zur Geschwindigkeitsprognose auf der Basis von CFD-

Untersuchungen herangezogen.

4 AVPP

AVPP ist ein neues Geschwindigkeitsprognoseprogramm, dass an unserem Institut entwickelt

wurde. AVPP wurde entwickelt, um einige der bekannten Mängel der bisher eingesetzten VPPs

zu beseitigen. Die Besonderheiten von AVPP sind:

• Hydrodynamisches Modell, dass die Strömungskräfte in physikalische Wirkkomponenten

zerlegt und getrennt modelliert.

• Integration von Modellversuchen, CFD-Ergebnissen und empirischen Berechnungsansät-

zen in beliebiger Kombination, auch gemischt.

• Berücksichtigung von 4 Freiheitsgraden.

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• Zwei aerodynamische Modelle: Segelkraftkoeffizienten aus Windkanalversuchen ähnlich

IMS und CFD-Segelkraftermittlung mit einem VLG-Verfahren.

AVPP wurde mit dem Ziel entwickelt, die Anzahl von Modellversuchsläufen bzw. CFD-Runs

für eine vollständige Beschreibung des hydrodynamischen Modells deutlich zu reduzieren. Für

IACC-Yachten etwa wurde die Anzahl notwendiger Runs von über 100 auf etwa 50 reduziert.

Das VLG-Verfahren zur Berechnung der Segelkräfte gestattet die Berücksichtigung beliebiger

Segelumrissgeometrien und –profile. Es lässt damit zu, die Segel der Yacht am Rechner zu

trimmen wie es etwa ein Segler auf dem Wasser macht.

AVPP wird ständig weiterentwickelt und an neue Bedürfnisse angepasst. Zukünftige Entwick-

lungen werden die Flexibilität von Rigg und Segeln berücksichtigen, verbesserte Windage-

Modelle implementieren usw..

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

5 Applikationen

Die bisher beschriebenen Untersuchungsverfahren wurden in einer Reihe von Projekten erfolg-

reich eingesetzt, darunter VOR- und IACC-Yachten, IMS-Yachten und olympische Bootsklas-

sen. Die Ergebnisse dieser Studien sind nicht alle öffentlich zugänglich und werden daher hier

nur beispielhaft beschrieben. Die Natur unserer Untersuchungsverfahren bringt mit sich, dass

diese Untersuchungen nur Ergebnisse liefern, die für den einzelnen Anwendungsfall gelten. Es

ist also nicht möglich, daraus allgemeine Erkenntnisse abzuleiten, die für jeden beliebigen Y-

achtentwurf gelten.

6 IMS-Kiel

Die gegenwärtige IMS-Vermessungsformel begünstigt nach wie vor Schiffe mit geringem Segel-

tragvermögen. Dies führt dazu, dass viele Regattaschiffe mit deutlich reduziertem Kielgewicht

starten. Der Kiel wird dazu mit Hohlräumen versehen, aus denen das Ballastgewicht entfernt und

durch Schaummaterial ersetzt wird.

Dies gilt auch für Yachten vom Typ Swan 45 der Nautor-Werft, Abbildung 6-1. Der sogenannte

GPH-Rennwert, ein gewichteter Mittelwert für die benötigte Zeit für das Zurücklegen einer nau-

tischen Meile, erhöht sich nennenswert durch Herausnehmen einzelner Bleiaussparungen. Es hat

sich allerdings gezeigt, dass die Verlangsamung des Bootes auf dem Wasser tatsächlich geringer

ausfällt, als die IMS-Formel dies vorhersagt. Es lohnt sich also auch hier, den Ballast zu reduzie-

ren.

545

546

547

548

549

550

551

552

553

554

555

S0 S1 S2 S3 S4

Konfiguration

GPH

(s/n

m)

Abbildung 6-1: Einfluss von Aussparungen auf das IMS-GPH / Swan 45

StabilitätsuntersuchungKielaussparung

1 2&3 4 5&6 GesamtGewicht VCG Bez. GPHx x x x 10300 0.085 S0 554.3

x x x 10400 0.074 S1 553.7x x 10500 0.055 S2 552.8x 10620 0.023 S3 551.6

11000 -0.07 S4 548.6

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Für den Neubau einer Swan 45 sollte in Zusammenarbeit mit der Nautor-Werft ein neuer Kiel

mit einem reduzierten Volumen ohne Bleiaussparungen entwickelt werden. Bei dieser Studie

wurde der Rumpfwiderstand mit dem o.g. Panelcode bestimmt. Auftrieb sowie viskoser und in-

duzierter Widerstand des Kieles wurde mit einem RANSE-Verfahren untersucht. Dazu wurde

der Ausgangskiel und mehrere Kielvarianten geometrisch modelliert. Beim Entwurf von Kielva-

rianten wurde als Randbedingung berücksichtigt, dass die Summe der Querkräfte und die Län-

genposition des Gewichtsschwerpunktes unverändert bleiben mussten, eine starke

Einschränkung der Designfreiheit für die Varianten. Die Varianten wurden für den auftriebsfrei-

en Fall und für verschiedene Fälle mit Abdrift und Krängung strömungsmechanisch analysiert.

Bei der anschließenden VPP−Analyse wurden Flow−Force−Deltas aus der CFD−Analyse, aber

auch Widerstandsänderungen durch Verdrängungsänderungen berücksichtigt.

Abbildung 6-2: Druckkonturplots Urkiel und Kielvariante V11

Die Bewertung des Ergebnisses muss berücksichtigen, dass Änderungen des Stabilitätsumfanges

sowohl auf die IMS−Vermessung als auch auf die Geschwindigkeitsprognose auf Basis der

CFD−Untersuchung Einfluss haben. Der Geschwindigkeitsgewinn oder −verlust, der sich aus

den CFD−basierten Geschwindigkeitsprognosen ergab wird demnach um den entsprechenden

Wert der IMS−Prognose reduziert. Das Ergebnis zeigt Abbildung 6-3.

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Time allowance Deltas (s/nm) relativ zu Originalkonfiguration (Grün hinterlegt bedeutet bessere Werte)

8-14 kn Org. Kiel V1Kiel V3Kiel Spinnaker V11Kiel

Org. Kiel ohne Erleichterungs- löcher

Upwind 0 -0.77 9.58 0.00 -1.78 7.47 Downwind 0 -2.00 0.45 -1.58 -2.40 0.90 Mittelwert 0 -1.39 5.01 -0.79 -2.09 4.19 6-12 kn Upwind 0 -0.63 12.68 0.00 -1.35 9.22 Downwind 0 -2.50 4.53 -0.48 -2.80 1.95 Mittelwert 0 -1.56 8.60 -0.24 -2.08 5.59 14-20 kn Upwind 0 -0.60 11.23 0.00 -1.73 7.07 Downwind 0 -0.53 0.63 -1.70 -0.93 1.00 Mittelwert 0 -0.57 5.93 -0.85 -1.33 4.03 Abbildung 6-3: Time Allowance Deltas Urkiel und verschiedene Varianten

Als bester Kiel hat sich die Variante V11 erwiesen, die die Time Allowance um durchschnittlich

2s/nm reduzierte. Abbildung 6-4 zeigt diese Kielvariante im Vergleich zum Ausgangskiel.

Abbildung 6-4: Urkiel und Kielvariante V11 im Vergleich

7 Anhänge IACC-Yacht

IACC−Yachten sind für ihre ungewöhnlichen Kiel bekannt, die ein komplexes Tragflügelsystem

darstellen, Abbildung 7-1. IACC−Kiele sind Gegenstand intensiver Untersuchungen und bieten

zahlreiche Entwurfs−Freiheitsgrade.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

Abbildung 7-1: IACC−Yacht

Die freien Parameter einer Kieloptimierung sind unter anderem:

• Länge des Ballastbulbs

• Spantform des Ballastbulbs

• Größe und Anordnung der Wings

• Kielfläche, Envelope und Kielprofil

• Trimm–Tab

Eine vollständige Optimierung des Kiels einer IACC−Yacht beinhaltet dementsprechend eine

kaum überschaubare Anzahl von Varianten, die sich aus einer Permutation sinnvoller Werte der

freien Parameter ergeben.

Für die Untersuchung von Kielvarianten wurden RANSE-Verfahren verwendet. Es wurden Dis-

kretisierungsgitter mit etwa 2.5*106 Gitterzellen verwendet. Der Schiffsrumpf wurde mit model-

liert, die freie Wasseroberfläche durch eine ebene Wand ersetzt. Turbulenz wurde mit dem k-ε-

Modell berücksichtigt. RANSE-Verfahren liefern Druckkorrekturverläufe auf der Oberfläche des

Ballastbulbs, die bei der Optimierung der Bulbgeometrie hilfreich sind. Insbesondere der Über-

gang vom Ballastbulb zum Kielblatt kann so systematisch untersucht und optimiert werden.

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Abbildung 7-2: Geschwindigkeits- und Druckkorrekturverläufe auf der Oberfläche des Bal-

lastbulbs

Eine systematische Variation der Länge des Ballastbulbs ergibt Aufschluss über den Einfluss

dieses Parameters auf die Geschwindigkeit der Yacht. Dazu wurde ausgehend von einem Urmo-

dell mit einer Länge von 5.4 m kürzere und längere Bulbs durch affine Verzerrung generiert..

Volumen, Breite und Völligkeit der Bulbs blieben dabei konstant, längere Bulbs waren dement-

sprechend flacher. Das Ergebnis der CFD−Analyse zeigt Abbildung 7-3, in dem nicht nur die

Widerstandsänderung des Bulbs, sondern auch die Veränderung der Schwerpunktlage dargestellt

ist. Während der Verdrängungsschwerpunkt mit zunehmender Länge etwa linear nach unten

fällt, zeigt der Widerstand einen mit der Länge ansteigenden Trend.

Eine statistische Analyse aller im Rahmen der Studie untersuchten Ballastbulbs zeigt, dass diese

Zunahme des Widerstandes des Bulbs bei einer Tieferlegung des Masseschwerpunktes als Trend

bei allen untersuchten Formen wiedergefunden wurde. Ausgehend von einem Ballastbulb mit

annähernd rotationssysmmetrischer Form hat sich gezeigt, dass tendenziell jeder Versuch, das

Segeltragvermögen durch Verlagerung des Verdrängungsschwerpunktes des Bulbs nach unten

mit einer Widerstandszunahme verbunden war, Abbildung 7-4.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

Bulb Length vs. Resistance and VCG deltas

-10.00

-8.00

-6.00

-4.00

-2.00

0.00

2.00

4.00

6.00

8.00

10.00

4 4.5 5 5.5 6 6.5 7Bulb length [m]

ΔVCG[m]

-0.10

-0.08

-0.06

-0.04

-0.02

0.00

0.02

0.04

0.06

0.08

0.10

ΔRTapp [%]

dRTapp dVCG

Abbildung 7-3: Längenstudie IACC−Ballastbulbs

0.96

0.97

0.98

0.99

1

1.01

1.02

1.03

0.97 0.98 0.99 1 1.01 1.02 1.03 1.04 1.05

RT/RT0

VCG/VCG0

Abbildung 7-4: Veränderung der Schwerpunktlage über Veränderung des Widerstandes

Als konkretes Beispiel wird hier ein Bulb mit einer elliptischen Spantkontur mit einem mit trian-

gularer Spantform verglichen, Abbildung 7-5.

Abbildung 7-5: Elliptische und triangulare Ballastbulb-Spantform

Eine CFD-Analyse zeigt, dass die elliptische Spantform den geringeren viskosen Widerstand

aufweist. Die triangulare Spantform hat aber eine tiefere Schwerpunktlage und dementsprechend

ein größeres Segeltragvermögen. Diese Spantform ist zudem besser geeignet, die Unterkanten-

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umströmung des Kiels zu behindern mit der Folge einer größeren effektiven Spannweite und

eines geringeren induzierten Widerstandes. Der elliptische Bulb ist dementsprechend für Vor-

windkurse besser geeignet. Bei Amwindkursen kann allerdings nur eine VPP−Analyse zeigen,

welche Spantform zu einem schnelleren Schiff führt. Das Ergebnis dieser VPP−Analyse zeigt

Abbildung 7-6.

-25

-20

-15

-10

-5

0

5

2 6 10 14 18 22 26 30TWS [kn]

[per

f]

Benchmark Section I

Abbildung 7-6: Performance Ratio des Triangularbulbs

Das Diagramm zeigt, dass der triangulare Bulb deutliche Nachteile bei geringen Windgeschwin-

digkeiten aufweist, während er ab einer Windgeschwindigkeit von 10 Kn schneller ist.

8 Strömungen mit freier Oberfläche

Als Strömungen mit freier Wasseroberfläche bezeichnet man solche, bei denen die Verformung

der Wasseroberfläche, d.h. die Wellenbildung berücksichtigt wird. Ihre Simulation mit RAN-

SE−Verfahren ist sehr aufwendig. Wegen der hohen Anforderung an Rechenleistung wird man

sie nur für wenige Untersuchungsfälle einsetzten. Im Rahmen der Americas Cup Herausforde-

rung der illbruck Challenge wurden Strömungen mit freier Oberfläche für die Untersuchung der

Wings durchgeführt.

8.1 Wings

Im Vorwege dieser Untersuchung waren die Wings der IACC−Yachten zunächst unter Vernach-

lässigung der freien Wasseroberfläche optimiert worden. Mit Testrechnungen unter Berücksich-

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

tigung der freien Wasseroberfläche sollte ermittelt werden, welche Einfluss die Wellenbildung

um die Yacht auf die effektive Anströmung der Wings hat.

Die Berechnungen wurden durchgeführt mit einem Benchmark-Rumpf, der mit der Geschwin-

digkeit von 4.875 m/s bei einem Krängungswinkel von 20° und einem Abdriftwinkel von 2° an-

geströmt wurde. Das Diskretisierungsgitter war ein Hybridgitter, bei dem das Gebiet in

unmittelbarer Nähe der Wasseroberfläche und des Schiffskörpers mit seinen Anhängen als He-

xaedergitter, das Fernfeld als Tetraeder diskretisiert wurde. Das Gitter bestand aus etwa 2*106

Gitterzellen.

Abbildung 8-1: Wellenbildung IACC-Yacht (u=4.875 m/s, ϕ=20°, β=2°)

Angle of Incidence at 500 mm in front of windward wingposition (Upwind: heel=20°, leeway 2°)

-1

-0.8

-0.6

-0.4

-0.2

0

0.2

0.4

0.6

Wing Root 25% 50% 75% Wing Tip

AoA

(x) [

°]

AoA(x) incl. FSAoA(x) without FS

Abbildung 8-2: Stromlinien und Anströmwinkel 500 mm vor den Wings

Abbildung 8-1 und Abbildung 8-2 zeigen das Ergebnis der Simulation. Danach ändert sich der

lokale Anströmwinkel der Wings nur geringfügig, die Änderung im Vergleich zur Simulation

ohne freie Wasseroberfläche ist gering. Andererseits ergaben sich als optimale Anstellwinkel

grundsätzlich sehr kleine Werte, so dass die Winkeländerung durch die freie Wasseroberfläche

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

durchaus einen gravierenden Einfluss hatte. So zeigte sich, dass die örtlichen Anströmwinkel

gegenüber der Horizontalen ohne freie Wasseroberfläche im Bereich von etwa +0.5° bewegte,

während unter Berücksichtigung der freien Wasseroberfläche sich etwa doppelt so große Werte

mit negativem Vorzeichen einstellten. In der Praxis begegnet man diesem Problem, in dem die

geometrischen Anstellwinkel der Wings, die sich aus einer Optimierung ohne freie Wasserober-

fläche ergeben, um einen Offset korrigiert werden, der sich aus der Differenz des Anströmwinkel

mit/ohne freie Wasseroberfläche ergibt.

8.2 Widerstandsprognose

Eine genaue Vorhersage des Widerstandes von Yachten auf der Basis von RAN-

SE−Simulationen ist eine besondere Herausforderung für den Strömungsmechaniker. Neben den

allgemeinen Schwierigkeiten der Strömungssimulation mit freien Wasseroberflächen kommt hier

hinzu, dass sich die Yacht unter Segeln nennenswert vertrimmt und absenkt. Für ein genaues

Simulationsergebnis muss diese Schwimmlagenänderung berücksichtigt werden. Dies wird ge-

löst, in dem das gesamte Gitter mit Strömungskörper in einer Bewegungssimulation bei örtlich

konstanter Wasseroberfläche bewegt wird. Dies führt zu einer weiteren Steigerung der notwen-

digen Rechenleistung und macht derartige Simulationen besonders aufwändig.

An unserem Institut wird aktuell an einer Analyse der Segeleigenschaften des letzen AC–

Gewinners Alinghi gearbeitet. Dazu wurde zunächst aus öffentlich zugänglichen Quellen eine

Reproduktion der Linien der Yacht entwickelt und einer Vermessung unterzogen.

Abbildung 8-3: Reproduktion des Linienrisses der Alinghi

Der Linienriss zeigt die charakteristische Trapezspantform und den hochgezogenen Bug.

Die Strömungsanalyse des Rumpfes erfolgte mit RANSE-Verfahren unter Berücksichtigung der

freien Wasseroberfläche und in einzelnen Rechenfällen mit dynamischem Trimm und Absen-

kung. Es wurden Tetraedergitter verwendet, wobei die wandnahen Regionen des Rumpfes und

der Anhänge mit Prismenschichten aufgelöst wurden. Auch die freie Wasseroberfläche wurde

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

mit Prismenschichten belegt. Das Diskretisierungsgitter des Rechenmodells besteht aus etwa

1.8*106 Gitterzellen.

Die Ergebnisse der Strömungssimulation lagen zum Zeitpunkt der Berichtserstellung noch nicht

vor, werden aber auf dem Symposium gezeigt werden.

Abbildung 8-4: Spantriss und Diskretisierungsgitter Alinghi

9 Downwind-Segel

Moderne Spinnaker und Gennaker werden heute oft mit Hilfe von Windkanaluntersuchungen

entwickelt. So wurde die neueste Version der Gradient Gennaker der North Sails Inc. im Twist-

Flow-Windkanal optimiert. Strömungssimulationen in diesem Bereich sind nur begrenzt ergeb-

nissicher. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Gründe: zum einen ist die Umströmung von Spin-

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

nakern besonders komplex, da große Bereiche mit Strömungsablösungen auftreten. Zum zweiten

wird ein Segel im Windkanal von einem Segeltrimmer getrimmt, um den Trimm, d.h. den Flying

Shape mit den besten Vortriebskoeffizienten zu ermitteln. Dies ist in der Strömungssimulation

mit seinen als starr angenommen Geometrien nicht möglich (es sind einige Ansätze der North

Performance Research Group bekannt, die dieses Problem mit einer kombinierten Festkörper-

Strömungssimulation lösen).

RANSE−Simulationen bieten im Vergleich zum Windkanalversuch einige Vorteile: Skalie-

rungseffekte durch zu kleine Reynoldssche Zahlen im Windkanal können vermieden werden und

die beim Segeln auftretende getwistete Anströmung lässt sich in der RANSE-Simulation prob-

lemlos berücksichtigen. Auch Krängung lässt sich einfach simulieren.

Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde an unserem Institut der Toppspinnaker einer VOR−Yacht

mit RANSE-Verfahren untersucht. Bei dem Diskretisierungsgitter handelt es sich um ein Tetra-

eder−Gitter mit ca. 1.5*106 Gitterzellen. Turbulenz wurde mit dem k-ω-Modell berücksichtigt.

Abbildung 9-1: Stromlinien um Toppspinnaker VOR Yacht

Das Problem des fehlenden Segeltrimms wurde zumindest näherungsweise umgangen: Das

Schoten des Achterholers wurde durch Drehen des Gennaker um die Mastachse berücksichtigt.

Für jede Achterholerposition wurden mehrere scheinbare Windeinfallswinkel simuliert. Es wur-

de angenommen, dass der Anstellwinkel mit maximalem Vortriebskoeffizienten dem Ergebnis

entspricht, das in einem Windkanal erzielt würde.

Trotz dieser rudimentären Trimmberücksichtigung und trotz des für großvolumige Ablösungen

wenig geeigneten Turbulenzmodells ist die Übereinstimmung mit Windkanalergebnissen gut.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

Abbildung 9-2: Vortriebskoeffizient cx VOR−Gennaker

Abbildung 9-2 zeigt, dass im untersuchten Windeinfallswinkel-Bereich zwischen 50° und 70°

die Abweichung des in der Simulation ermittelten Vortriebskoeffizienten von dem entsprechen-

den Windkanal-Ergebnis kleiner ist als die Unterschiede, die sich ergeben, wenn das gleiche Se-

gel in zwei verschiedenen Windkanälen getestet wird (hier Twist-Flow-Windkanal in Auckland

und Windkanal der TUHH).

Die Untersuchung von Gennakern mit RANSE−Verfahren steht noch am Anfang und wird fort-

gesetzt. Zielsetzung ist es dabei, den gesamten Windeinfallwinkel-Bereich, bei dem Gennaker

eingesetzt werden, mittels RANSE−Simulation abzudecken. Weitere Entwicklungen beziehen

sich auf die Berücksichtigung der Verformung des Gennakers und auf eine Integration der Opti-

mierung des Vortriebskoeffizienten durch Trimmen.

10 Segeldesign

AVPP ist ein neues Geschwindigkeitsprognoseprogramm, das neben der Untersuchung und Op-

timierung von Yachtrümpfen und –anhängen ein CFD–basiertes Segelmodell enthält. Mit ihm

werden die aerodynamischen Kräfte mit einem Vortex Lattice Grid (VLG) Berechnungsansatz

bestimmt. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass nicht nur Segelkräfte ohne Zuhilfenahme

von Modellversuchsergebnissen abgeschätzt werden können, sondern insbesondere, dass die

tatsächliche Formgebung der Segel berücksichtigt wird. Verfahrensbedingt ist der Berechnungs-

ansatz auf nicht abgelöste Strömungen, d.h. primär Am–Wind–Segelzustände beschränkt.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

In AVPP wird jedes Segel durch eine Reihe von Profilen definiert, die mit Profillänge, Profiltie-

fe, Dickerücklage usw. spezifiziert werden. Zusätzlich kann der Anstellwinkel und der Twist-

winkel jedes Segel vorgegeben oder optimiert werden, was in etwa dem Trimmen des Segels auf

dem Wasser entspricht. Die Definition der Segel erfolgt interaktiv, Abbildung 10-1.

Abbildung 10-1: AVPP interaktive Segeldefinition

Neben der Formgebung berücksichtigt AVPP getwistete Anströmung. Viskose Effekte werden

näherungsweise erfasst.

Mit AVPP ist es möglich, ein Segeldesign zu optimieren. Es unterstützt damit den Segeldesigner.

Die Optimierungsmöglichkeiten sollen hier an zwei Beispielen gezeigt werden.

Profiltiefe: Profiltiefe hat einen linearen Einfluss auf den Auftrieb und damit einen quadratischen

auf den induzierten Widerstand. Theoretisch hat sie damit im Optimum–Trimm keinen Einfluss

auf die Geschwindigkeit, wenn Profiltiefenänderungen durch Änderungen des Travellerwinkels

kombiniert werden (in der Praxis gilt dies wegen der Flexibilität des Segeltuchs und des Human-

Factors nur näherungsweise). Geschwindigkeitsunterschiede durch Profiltiefenänderungen wer-

den primär durch eine longitudinale Verschiebung des Segeldruckpunktes, verbunden mit ent-

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sprechenden Ruderlagenänderungen, verursacht. Abbildung 10-2 zeigt Time Allowance einer

IACC–Yacht je nautischer Meile am Wind (TWA=35°) bei einer Windgeschwindigkeit von 12

Kn. Das Ergebnis dieser noch rudimentären Studie ist, dass die Profiltiefe des Großsegels etwa

doppelt so groß sein sollte, wie die der Genau. Dabei ist zu berücksichtigen, dass IACC-Yachten

grundsätzlich sehr kleine Profiltiefen von 5% bis 10% aufweisen.

402

404

406

408

410

412

414

416

TA[s/nm]

1

TA(jib=0.05,main=0.05)

TA(jib=0.06,main=0.06)

TA(jib=0.1,main=0.1)

TA(jib=0.05,main=0.1)

TA(jib=0.1,main=0.05)

Abbildung 10-2: Einfluss der Profiltiefe der Segel auf die Geschwindigkeit

Abstand des Segels vom Deck: Durch Aufliegen des Unterlieks an Deck wird der Druckaus-

gleich zwischen Luv- und Leeseite verhindert. Auch ein vorhandener aber kleiner Spalt zwischen

Unterliek und Deck hat diesen Effekt, wenn auch nur partiell. In AVPP wird ein Spalt zwischen

Deck und Unterliek (auch ein Spalt der Höhe 0) durch Spiegelung des Segels an der Deckebene

modelliert, Abbildung 10-3. Abbildung 10-4 zeigt Time Allowance der IACC–Yacht je nauti-

scher Meile am Wind (TWA=35°) bei einer Windgeschwindigkeit von 14 Kn. Variiert wurde

hier der Spalt zwischen Genua und Deck. Bereits ein Spalt von 200 mm erhöht die Zeit für das

Zurücklegen einer nautischen Meile um etwa 3s, ein Wert, der beispielsweise nur durch intensi-

ves Optimieren von Anhängen erreicht wird.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

394.0

394.5

395.0

395.5

396.0

396.5

397.0

397.5

398.0

TA[s/nm]

1

Spalt = 0 m

Spalt = 0.05 m

Spalt = 0.1 m

Spalt =0.15 m

Spalt = 0.2 m

Abbildung 10-3: Spiegelung der Segel an der Deckebene Abbildung 10-4: Einfluss des Unterliekspaltes auf die Geschwindigkeit

AVPP lässt eine so umfangreiche Parameterstudie des Segeldesigns zu, dass ein vollständiger

Bericht darüber den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde. Mit relativ geringem Aufwand ist

es jedoch möglich, für jeden Yachttyp und unter Berücksichtigung aller Randbedingungen wie

Windstärke und Crewgewicht individuell optimierte Segel zu entwickeln. In Zusammenarbeit

mit einem Kieler Segelmacher wird zu Zeit an ersten Prototypsegeln gearbeitet, die mittels

AVPP optimiert wurden.

11 Schlussbemerkung

In diesem Vortrag/Aufsatz werden Strömungssimulations- und Geschwindigkeitsprognosever-

fahren mit Beispielen für ihren Einsatz bei der Entwicklung von Rennyachten beschrieben.

CFD–Verfahren befinden sich allgemein in einer stürmischen Entwicklung. Ihre Anwendungsbe-

reiche werden immer weiter gefächert und ihr Einsatz im Yachtdesign immer selbstverständli-

cher werden. Nicht zuletzt durch die bekannten Steigerungen in verfügbarer Rechenleistung

werden sowohl CFD– als auch VPP–Methoden immer genauer. Dies ist die Ursache dafür, dass

die Entwicklung selbst in den Bereichen nicht stehen bleibt, in denen schon seit Jahren Hoch-

technologie zum Einsatz kommt, etwa beim Design von IACC–Yachten.

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Strömungssimulation und Geschwindigkeitsprognose für Segelyachten FH Kiel / YRU

Zukünftige Entwicklungen an unserem Institut fokussieren auf der Verbesserung sowohl der

VPP– als auch der CFD–Methoden. Das VLG–Segelmodell in AVPP soll um eine Komponenten

ergänzt werden, die Flexibilität und Dehnung von Segeln und Rigg berücksichtigt. Bei den

CFD–Verfahren werden die Algorithmen zur Berechnung von Strömungen mit freier Oberfläche

und Berücksichtigung von Trimm und Absenkung laufend verbessert. Hinsichtlich der Berück-

sichtigung turbulenter Phänomene wird an der Entwicklung von Verfahren gearbeitet, die in ei-

nem RANSE–Verfahren die Berücksichtigung laminar-turbulenter Transientenströmungen

zulässt.

Methoden und Werkzeuge wie hier vorgestellt hängen in besonderer Weise davon ab, in Segel-

sportkampagnen eingesetzt zu werden, die für ein hohes technologisches Niveau stehen. Das

Institut für Schiffbau der FH Kiel strebt daher an, Kooperationen mit Yachtdesignern und De-

sign-Teams von Sportkampagnen, die im VOR, AC oder anderen professionellen Regattaserien

konkurrieren, einzugehen, um seine Verfahren zweckdienlich anzuwenden und weiterzuentwi-

ckeln.

12 Schrifttum

Newmann, J.N. (1977): Marine Hydrodynamics, MIT Press, Cambridge

Fletcher, C.A.J. (1991): Computational Techniques for Fluid Dynamics, Springer Verlag, Berlin

White, F.M. (1974): Viscous Fluid Flow, McGraw-Hill, New York

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Graf, K.(2003): AVPP / A New Velocity Prediction Program for Sailing Yachts, YRU-Kiel, un-

veröffentlicht