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Diplomarbeit Strukturierte Abfrageschemen in zentralen Leitstellen eingereicht von Hannes Topar Matrikelnummer: 0533288 zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin unter der Anleitung von Univ. Prof. Dr. Gerhard Prause sowie Univ. Ass. Dr. Gernot Wildner Graz, September 2011

Strukturierte Abfrageschemen in zentralen Leitstellen

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Page 1: Strukturierte Abfrageschemen in zentralen Leitstellen

Diplomarbeit

Strukturierte Abfrageschemen in

zentralen Leitstellen

eingereicht von

Hannes Topar

Matrikelnummer: 0533288

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt an der

Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin

unter der Anleitung von

Univ. Prof. Dr. Gerhard Prause

sowie

Univ. Ass. Dr. Gernot Wildner

Graz, September 2011

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Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne

fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet

habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen

als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, September 2011 Unterschrift:

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Lebenslauf Name: Hannes Topar Geboren: 07. November 1984 in Klagenfurt Religion: römisch – katholisch Staatsbürgerschaft: Österreich Schulausbildung: 1991 – 1995 Volksschule VS 18 „Körnerschule“ in Klagenfurt 1995 – 1999 Gymnasium Lerchenfeldstraße in Klagenfurt 1999 – 2004 HTBL Mössingerstraße in Klagenfurt 2004 Reifeprüfung in der Fachrichtung

Technische Informatik & Internet Engineering an der HTBL Mössingerstraße

Universitäre Ausbildung: Seit 2005 Studium der Humanmedizin an der

Medizinischen Universität Graz Vertiefende Ausbildungen Humanmedizin Juli 2008 Spezielles Studienmodul

Spezielle Notfallmedizin – eine interdisziplinäre Herausforderung

Januar 2009 Spezielles Studienmodul Case-based learning in Klinik und Praxis Februar 2009 Spezielles Studienmodul Chirurgische Operationslehre

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Juli 2009 Spezielles Studienmodul Notfallmedizin Juli 2009 Spezielles Studienmodul Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen Dezember 2009 Spezielles Studienmodul

Gesundheits- und Medizinökonomie Klinische Praktika: Februar 2008 Pflichtfamulatur am LKH Klagenfurt Abteilung für Unfallchirurgie Juli 2008 Pflichtfamulatur am LKH Klagenfurt Abteilung für Unfallchirurgie Juli 2009 Pflichtfamulatur am UKH Klagenfurt Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin August 2009 Pflichtfamulatur am LKH Klagenfurt Abteilung für Radiologie Februar 2010 Pflichtfamulatur im KH St. Veit/Glan Abteilung für Innere Medizin August 2010 Pflichtfamulatur am LKH Klagenfurt Abteilung für Unfallchirurgie September 2010 Pflichtfamulatur am LKH Klagenfurt Abteilung für Kinderheilkunde März 2011 Pflichtfamulatur Allgemeinmedizin Ordination MR Dr. Eldrid Moser-Rapf April – Juni 2011 Praktisches Jahr, Fächergruppe 2, KH St. Veit/Glan Abteilung für Innere Medizin

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Juli – August 2011 Praktisches Jahr, Fächergruppe 1, KH Harlaching/München, Abteilung für Unfallchirurgie

September 2011 Praktisches Jahr, Fächergruppe 3, KH Harlaching/München, Abteilung für Kinderheilkunde Außeruniversitäre Ausbildungen 2002 Ausbildung und Prüfung zum Rettungssanitäter 2007/2008 Ausbildung und Prüfung zum

Erste Hilfe- Lehrbeauftragten 2010 Ausbildung und Prüfung zum Handball Instruktor (Österreichische Trainer B-Lizenz für Handball) 2010 Ausbildung und Prüfung Sportmanagement Basis (Ausbildung der Bundessportorganisation) Ehrenamtliche Tätigkeiten: seit 2002 freiwilliger Mitarbeiter Österreichisches Rotes Kreuz seit 2008 Vorstandsmitglied als Generalsekretär im Kärntner Handball Verband (KHV) 2009 - 2011 Bundesvorstandsmitglied als Schriftführer Stv. im Österreichischen Handballbund (ÖHB)

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Vorwort Die Leitstellen des Rettungsdienstes in Österreich wurden in den letzten Jahren immer weniger, da österreichweit nahezu alle Bundesländer den Weg beschritten, neue, zentrale Leitstellen aufzubauen und damit auch gleichzeitig das Leitstellenwesen zu modernisieren. Nicht nur die technische Ausrüstung wurde erneuert, auch wurde in einigen Leitstellen eine neue Methode der Notrufabfrage eingeführt – das strukturierte Abfrageschema. Auch in den Bundesländern Kärnten und Steiermark erfolgte die Modernisierung und Zentralisierung der Leitstellen zu jeweils einer Landesleitstelle in den letzten Jahren. Dabei wurde in der Steiermark der Weg ohne strukturiertes Abfrageschema beibehalten, während in Kärnten ebendieses eingeführt wurde. Diese Arbeit soll nun analysieren, ob nach den ersten Jahren ein Unterschied bei den Fehleinsatzraten bei Notarzteinsätzen festzustellen ist und ob dies dann auch auf die Verwendung eines strukturierten Abfrageschemas zurückzuführen wäre. Hinweis im Sinne der Gleichbehandlung: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.

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Danksagungen Die Diplomarbeit steht am Ende eines Studiums und bietet, genau an dieser Stelle, die Gelegenheit den Menschen zu danken, die es wirklich verdient haben. Allen voran möchte ich meinen Eltern Isolde und Karli danken, die mich durch das gesamte Studium mit Rat und Tat begleitet und alle Höhen und Tiefen mit mir durchgestanden haben. Danke! Darüber hinaus bin ich noch vielen anderen Menschen zum Dank verpflichtet. Namentlich möchte ich Prof. Dr. Gerhard Pause nennen, der mir bei der Erstellung dieser Diplomarbeit stets zur Seite stand, wie auch der Landesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes Georg Tazoll, der einen wesentlichen Anteil zur Erhebung der notwendigen Daten dieser Arbeit beigetragen hat. Neben den genannten Personen gibt es noch eine Unzahl von ungenannten Begleitern, die für mich sehr wertvoll waren und denen ich an dieser Stelle ebenfalls meinen Dank aussprechen möchte. Euer Hannes

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Inhalt Glossar und Abkürzungsverzeichnis ...................................................................... 9 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 10 Tabellenverzeichnis .............................................................................................. 11 Zusammenfassung ............................................................................................... 12 Abstract ................................................................................................................ 13 Grundlagen Diplomarbeit ..................................................................................... 14

Fahrendes Personal ......................................................................................... 14 Notarztsysteme ................................................................................................. 17 Notarztsystem in Kärnten.................................................................................. 18 Notarztsystem in der Steiermark ....................................................................... 19 Leitstellen .......................................................................................................... 19 Leitstellenpersonal ............................................................................................ 21 Leitstellensysteme ............................................................................................ 23 AMPDS ............................................................................................................. 26 NA – Indikationen Landesleitstelle Steiermark .................................................. 28 Scores in der Notfallmedizin ............................................................................. 30 Dokumentation in der Notfallmedizin ................................................................ 34

Fragestellung ........................................................................................................ 36 Material und Methoden ......................................................................................... 38

Beschreibung Datenaufnahme in Kärnten ........................................................ 38 Datenaufnahme in der Steiermark .................................................................... 40

Ergebnisse ........................................................................................................... 42 Datengrundlage Kärnten ................................................................................... 42 Datengrundlage Steiermark .............................................................................. 47 Bundesländervergleich ..................................................................................... 51

Diskussion ............................................................................................................ 56 Datengrundlage Kärnten ................................................................................... 56 Datengrundlage Steiermark .............................................................................. 58 Vergleich Landesleitstellen ............................................................................... 60

Literaturverzeichnis .............................................................................................. 63

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Glossar und Abkürzungsverzeichnis ÄG ................. Ärztegesetz AGN Graz ...... Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin, Graz AHS/BHS ....... Allgemeinbildende / Berufsbildende höhere Schule AMPDS .......... Advanced Medical Priority Dispatch System BGBl .............. Bundesgesetzblatt BLST ............. Bezirksleitstelle C11 / C12 ...... Christophorus 11 / 12

Funknamen der vom ÖAMTC betriebenen Notarzthubschraubern EDV ............... Elektronische Datenverarbeitung EKG ............... Elektrokardiogramm GCS …........... Glasgow Coma Scale Jumbo ........... Großraumrettungswagen

wird im Grazer Raum zusätzlich zu den Notarztfahrzeugen eingesetzt, betrieben vom Medizinercorps Graz

LLST .............. Landesleitstelle MEES ............ Mainz Emergency Evaluation Score NA ................. Notarzt NACA ............ National Advisory Committee for Aeronautics NAH ............... Notarzthubschrauber, siehe RTH NAW .............. Notarztwagen

besetzt mit zwei Notfallsanitätern und einem Notarzt, Großraumfahrzeug, für Patiententransport geeignet

NEF ............... Notarzteinsatzfahrzeug besetzt mit einem Notfallsanitäter und einem Notarzt, Zubringerfahrzeug, Patiententransport nicht möglich

NFS ............... Notfallsanitäter ÖAMTC .......... Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touring Club RK1 ............... Rettungstransporthubschrauber

stationiert in Fresach/Kärnten, Betreiber ist das Österreichische Rote Kreuz, Landesverband Kärnten

RTH ............... Rettungstransporthubschrauber RTW .............. Rettungstransportwagen SanG ............. Sanitätergesetz TIA ................. Transistorisch Ischämische Attacke VU ................. Verkehrsunfall

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Feedbackformular in Kärnten .......................................................... 38

Abbildung 2: Anzahl Einsätze nach NEF-Stützpunkt in Kärnten ........................... 42

Abbildung 3: Anteil der strukturiert abgefragten Einsätze ..................................... 43

Abbildung 4: Verteilung der Indikationen laut Einsatzprotokoll ............................. 43

Abbildung 5: Vergleich NA und NFS .................................................................... 44

Abbildung 6: Verteilung über das NACA-Schema ................................................ 44

Abbildung 7: NACA-Verteilung nach Indizierung der Einsätze ............................. 45

Abbildung 8: Vergleich der Einsatzindizierungen mit und ohne AMPDS .............. 46

Abbildung 9: Verteilung der Einsätze auf RTH, NEF und Jumbos ........................ 47

Abbildung 10: NACA Verteilung bei Einsatzbeginn und –ende ............................ 48

Abbildung 11: Veränderung des NACA-Score während eines Einsatzes ............. 48

Abbildung 12: Einsatzindizierung bei NEF-Einsätzen in der Steiermark .............. 50

Abbildung 13: Vergleich der Einsatzindizierungen ............................................... 52

Abbildung 14: Vergleich der NACA Werte im Gesamtdatensatz .......................... 53

Abbildung 15: Vergleich der indizierten Einsätze ................................................. 54

Abbildung 16: Vergleich nicht indizierter Einsätze ................................................ 55

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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Aufgaben des Notarztes am Notfallort ................................................. 17

Tabelle 2: AMPDS Hauptbeschwerdecodes......................................................... 27

Tabelle 3: AMPDS Dringlichkeitsstufen ................................................................ 27

Tabelle 4: Indikationskatalog der AGN Graz ........................................................ 29

Tabelle 5: Klassifizierung von Notfällen nach dem NACA-Schema ...................... 30

Tabelle 6: MEES Bewertungsschema .................................................................. 33

Tabelle 7: Glasgow-Koma-Skala .......................................................................... 33

Tabelle 8: Datenfelder Feedback Kärnten ............................................................ 40

Tabelle 9: NACA über Indizierung der Einsätze ................................................... 45

Tabelle 10: NACA-Score bei Einsätzen mit Zustandsverschlechterung ............... 49

Tabelle 11: Aufschlüsselung der Einsätze nach dem NACA-Score ...................... 50

Tabelle 12: Grafische Aufschlüsselung der Einsätze nach dem NACA-Score ..... 51

Tabelle 13: Vergleich der Fehleinsatzraten .......................................................... 52

Tabelle 14: Vergleich Median und Mittelwerte ...................................................... 54

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Zusammenfassung Vor wenigen Jahren entschieden sich die Bundesländer Kärnten und Steiermark dazu, ihre Bezirksleitstellen zusammenzufassen und alle Notrufe der Bevölkerung von einem zentralen Punkt aus entgegenzunehmen. Hinsichtlich der Notrufentgegennahme wurden in diesen neu angelegten Landesleitstellen verschiedene Wege eingeschlagen. Während in der Steiermark das freie Gespräch zur Ermittlung aller notwendigen Informationen beibehalten wurde, führte Kärnten ein strukturiertes Abfrageschema in Form des AMPDS (Advanced Medical Priority Dispatch System) ein. Aufgrund dieser unterschiedlichen Vorgehensweise liegt nach den ersten Erfahrungen die Frage nahe, ob das neue strukturierte Abfrageschema Vorteile hinsichtlich der Fehleinsätze bei Notarzteinsätzen bringt. In etwa 14.000 Einsätze wurden in dieser Arbeit aus beiden Bundesländern miteinander verglichen. Einerseits stammen die Daten aus dem bereits bewährten Feedbacksystem der Steiermark, welches seit Jahren jeden Notarzteinsatz hinsichtlich Indizierung evaluiert und anderseits aus einem von Kärnten eigens entworfenen Feedbackprotokoll, welches ebenso die Indizierung abgefragt und somit vergleichbare Daten produziert hat. Hinsichtlich der Fehleinsatzraten ergaben sich zwischen den beiden Leitstellensystemen keine signifikanten Unterschiede. Dies lässt sich wahrscheinlich auf hochqualifizierte Mitarbeiter in beiden Leitstellen, sowie marginale, vom System unabhängige Unterschiede in der Notrufentgegennahme zurückführen. Aufgrund dieser Beobachtung erscheint das strukturierte Abfrageschema vorteilhafter, da anzunehmen ist, dass sich weniger qualifizierte Mitarbeiter mit Hilfe des strukturierten Abfrageschemas auf ähnlichem Niveau hinsichtlich der Fehleinsatzraten einpendeln können. Zusammenfassend erscheint es ratsam, in Kärnten ein längerfristiges Feedbacksystem zu schaffen und die Entwicklung der Landesleitstellen weiter zu beobachten.

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Abstract A few years ago the provinces Carinthia and Styria decided to combine their Emergency Control Centers and direct all incoming emergency calls to one central point. Concerning the emergency call acceptance system, different ways have been chosen by each of the two provinces. While Styria maintained the method of free conversation to acquire all necessary information, Carinthia introduced a structured query pattern in the form of the AMPDS (Advanced Medical Priority Dispatch system). On account of these different approaches the question whether the new structured query pattern brings advantages concerning unnecessary call-outs of emergency doctors is inevitable. In this work around 14,000 assignments from both provinces were compared with each other. On the one hand the data is derived from Styria’s established feedback system, which has evaluated every emergency doctors assignment concerning subscription for many years, on the other hand from a specifically created feedback protocol from Carinthia, which also questioned subscription and thereby produced comparable data. Concerning the amount of unnecessary call-outs no significant differences have arisen between the Emergency Control Centers. This can presumably be led back to highly qualified employees in both Control Centers, as well as marginal differences unrelated to the system. On account of this observation the structured query pattern seems more advisable, since less certified employees can achieve a similar standard concerning unnecessary call-outs as high quality employees with the help of the structured query pattern. In summary, it seems advisable to create a longer-term feedback system in Carinthia and to continue observing the development of the emergency call centers.

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Grundlagen Diplomarbeit Der Rettungsdienst in Österreich entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend. Es sollen in der Folge nun einige Grundlagen betreffend des Rettungsdienstes unter besonderer Berücksichtigung der Leitstellenstruktur angeführt werden, um die Arbeit in ihrer Gesamtheit leichter verständlich zu machen. Besondere Berücksichtigung finden natürlich die Personal- und Leitstellensituationen in Kärnten und der Steiermark, da sich die Fragestellung mit dem Vergleich der beiden Leitstellen beschäftigt.

Fahrendes Personal

Rettungssanitäter Der Rettungssanitäter ist die erste Stufe der Ausbildung im österreichischen Rettungsdienst. Die Ausbildung und Abschlussprüfung ist seit 2002 gesetzlich geregelt1

Alle Mitarbeiter, die beruflich als Rettungssanitäter tätig sein wollen, müssen zusätzlich eine Ausbildung absolvieren, die sich hauptsächlich mit den gesetzlichen Grundlagen und der Organisation des Rettungsdienstes in Österreich beschäftigt. Dieses sogenannte „Berufsmodul“ umfasst zusätzlich 40 Stunden Ausbildung.

und umfasst eine 100-stündige theoretische sowie eine 160-stündige praktische Ausbildung. Die Absolvierung der Abschlussprüfung und somit der Erwerb der Berufsbezeichnung "Rettungssanitäter" ist sowohl in Kärnten als auch in der Steiermark Grundvoraussetzung zur Mitarbeit im Rettungs- und Krankentransportdienst. Diese Regelung gilt gleichermaßen für berufliches wie auch für freiwilliges Personal.

Notfallsanitäter Eine weiterführende Ausbildung zum Rettungssanitäter stellt der Notfallsanitäter dar. Auch diese Ausbildung ist gesetzlich geregelt2

• 160 Stunden Theorie

. Diese umfasst folgende Ausbildungsteile:

• 40 Stunden Praktikum an einer fachlich geeigneten Krankenanstalt • 280 Stunden praktische Ausbildung in einem Notarztsystem

1 SanG, 2. Abschnitt, § 32-34 2 SanG, 3. Abschnitt, § 35-37

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Die Ausbildung inklusive Abschlussprüfung berechtigt zur Führung der Berufsbezeichnung "Notfallsanitäter". Innerhalb des Roten Kreuzes, sowohl in Kärnten als auch in der Steiermark, ist diese Ausbildung Voraussetzung zur Mitarbeit in einem Notarztsystem.

Notfallkompetenzen Ergänzend zur Ausbildung zum Notfallsanitäter können in Österreich weitere Kompetenzen erworben werden. Im Detail sind dies Notfallkompetenzen für Arzneimittellehre, Venenzugang und Infusion, sowie Beatmung und Intubation. Die Notfallkompetenzen Arzneimittellehre und Venenzugang werden zumeist gleichzeitig absolviert und berechtigen die Absolventen, ohne ärztliche Aufsicht in dringlichen Situationen (bei Nichtverfügbarkeit eines Notarztes) eine Venenverweilkanüle zu legen und einige Notfallmedikamente, die auf einer Liste festgehalten sind, zu verabreichen. Die Notfallkompetenz Intubation berechtigt analog dazu zur notfallmäßigen Intubation von Notfallpatienten, wenn kein Notarzt zur Verfügung steht und eine frühzeitige Intubation Vorteile für den Patienten bringt. Diese Ausbildungen werden in der Steiermark angeboten und auch absolviert. Im Rettungsdienst Graz Stadt stellen sie die gesetzliche Grundlage für die Besatzung der Jumbos dar, die in der Regel mit einem Medizinstudenten im letzten Studienabschnitt und zwei Notfallsanitätern besetzt sind. In Kärnten werden die Notfallkompetenzen Rot Kreuz intern nicht angeboten. Der Grund dafür liegt in einem Beschluss des Landeschefarztes, der die Erlangung der Notfallkompetenzen für Notfallsanitäter nicht für notwendig befunden hat. Würde allerdings ein Kärntner Notfallsanitäter eine der Notfallkompetenzen in einem anderen Bundesland erlangen, dürfte er diese auch in Kärnten anwenden3

.

Notarzt

„Der Notarzt ist ein für diese Aufgabe gesondert qualifizierter Arzt“4

3 Persönliche Kommunikation, Baltasar Brunner, Österreichisches Rotes Kreuz 4 Scholz, Jens/Sefrin, Peter/Böttiger, Bernd W./Dörges, Volker/Wenzel, Volker (2008): Notfallmedizin. 2. Auflage. Stuttgart: Thieme Verlag. Seite 473

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Die Ausbildung zur Führung der Berufsbezeichnung Notarzt ist in Österreich bundesweit gesetzlich geregelt5

1. Reanimation, Intubation und Schocktherapie, sowie Therapie von Störungen des Säure-, Basen-, Elektrolyt- und Wasserhaushaltes;

und einheitlich. Neben dem vorausgesetzten abgeschlossenen Studium der Humanmedizin und der postgraduellen Erlangung des Jus practikandi (Approbierte Ärzte, Ärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte) ist die Absolvierung eines Lehrgangs im Ausmaß von 60 Stunden gesetzlich vorgeschrieben. Dieser Lehrgang entspricht einer ergänzenden Ausbildung und soll Grundlagen auf folgenden Gebieten vermitteln:

2. Intensivbehandlung; 3. Infusionstherapie; 4. Kenntnisse auf dem Gebiet der Chirurgie, der Unfallchirurgie einschließlich Hirn- und Rückenmarksverletzungen, sowie Verletzungen der großen Körperhöhlen, der abdominellen Chirurgie, Thoraxchirurgie und Gefäßchirurgie; 5. Diagnose und Therapie von Frakturen und Verrenkungen und 6. Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Inneren Medizin, insbesondere Kardiologie einschließlich EKG-Diagnostik, sowie der Kinder- und Jugendheilkunde. Der Lehrgang schließt mit einer theoretischen sowie auch praktischen Prüfung ab. Danach muss mindestens alle zwei Jahre eine mindestens zweitätige Fortbildungsveranstaltung besucht werden, um die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Notarzt aufrecht zu erhalten. Wird innerhalb von 3 Jahren keine Fortbildung besucht, muss der gesamte Lehrgang wiederholt werden.

Aufgaben des Notarztes Das vorrangige Ziel eines Notarztes muss das Erreichen und Beherrschen folgender Punkte sein6

• Notfallpatienten zu versorgen, :

• sie transportfähig zu machen und • zu transportieren

Die Aufgaben des Notarztes gliedern sich im Detail in folgende Bereiche:

5 Ärztegesetz § 40 6 Scholz: Notfallmedizin, Seite 473

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Rettung Vorverlagerte

Intensivtherapie Transport

• Sicherung der Notfallstelle, Schutz vor Selbstgefährdung

• Sicherung der Vitalfunktionen

• Ärztliche Versorgung während der Rettung

• Überwachung der Rettung (Reihenfolge der Maßnahmen)

• Vermeidung von Folgeschäden

• Psychische Betreuung von Patient und evtl. Angehörigen

• Freimachen und Freihalten der Atemwege – Intubation, Absaugung, Beatmung mit O2 • Bekämpfung von Zirkulationsstörungen (Schock) – Infusionen – Blutstillung • Kardiales Monitoring (EKG-Veränderungen, Rhythmusstörungen) • Gezielte medikamentöse Therapie

• Herstellung der Transportfähigkeit

• Vermeidung eines Transporttraumas

• Verlaufsbeobachtung • Klinikauswahl • Voranmeldung über Leitstelle mit Befundübermittlung und Ankunftszeit

• Dokumentation zur Klinikübergabe

Tabelle 1: Aufgaben des Notarztes am Notfallort7

Notarztsysteme

Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch einen Notarzt ist in Österreich durch verschiedene Systeme geregelt.

Der Notarztwagen (NAW) Dieses Fahrzeug ist ein Großraumrettungsfahrzeug und hat neben mindestens 2 Sanitätern (wovon mindestens ein Notfallsanitäter) auch einen Notarzt als ständige Besatzung. Das Fahrzeug wird im Falle einer durch die Leitstelle festgestellten Indikation direkt zum Notfallort disponiert und kann die notfallmedizinische Versorgung des Patienten alleine abwickeln.

Das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) Bei diesem System handelt es sich um ein sogenanntes Rendezvous-System. Besetzt ist das Fahrzeug mit einem Notfallsanitäter als Fahrer sowie einem Notarzt. Bei einer festgestellten Notarztindikation wird dieses Fahrzeug immer zusammen mit einem Rettungstransportwagen (RTW) zum Notfallort entsandt, da mit einem NEF der Transport des Patienten nicht möglich ist. Der Patiententransport erfolgt durch den RTW, wobei der Notarzt den Patienten ebendort begleiten kann. Der Vorteil des Systems liegt darin, dass bei einer nicht 7 Scholz: Notfallmedizin, Seite 473

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notwendigen Begleitung des Patienten ins Krankenhaus das Fahrzeug sofort wieder einsatzbereit ist und zu einem eventuellen Folgeeinsatz berufen werden kann.

Der Notarzthubschrauber (NAH) Dieses Notarzteinsatzmittel dient der schnellen Versorgung und Bergung von Patienten über den Luftweg. Besetzt sind die verschiedenen Notarzthubschrauber je nach Betreiber des Rettungmittels unterschiedlich, in aller Regel jedoch wie folgt:

• 1 Pilot • 1 Notarzt • 1 Notfallsanitäter und Bergretter

Somit ergibt sich aus der personellen Situation gegenüber den bodengebundenen Notarztmitteln kein Vorteil. Allerdings können mit Hilfe eines NAH weiter entfernte und auch entlegenere Notfallorte schneller erreicht werden, weshalb in manchen Notfallsituationen dem NAH gegenüber einem bodengebundenen Notarztmittel seitens der Leitstelle der Vorzug gegeben wird.

Notarztsystem in Kärnten Die notärztliche Versorgung der Kärntner Bevölkerung wird ausschließlich mit Notarzteinsatzfahrzeugen und Notarzthubschraubern bewerkstelligt. Die NEFs werden durchgehend vom Roten Kreuz betrieben, und zwar an 9 Standorten (Feldkirchen, Friesach, Hermagor, Klagenfurt, Spittal/Drau, St.Veit an der Glan, Villach, Völkermarkt und Wolfsberg). Von den Notarzthubschraubern, die die Kärntner Bevölkerung versorgen, sind zwei in Kärnten stationiert. Der vom Roten Kreuz betriebene „RK1“ in Fresach sowie der vom ÖAMTC betriebene „Christophorus 11“ in Klagenfurt. Außerdem werden von den ÖAMTC Hubschraubern „Christophorus 7“ (Nikolsdorf/Lienz) und „Christophorus 12“ (Graz/Thalerhof) Einsätze in den Grenzgebieten zwischen Kärnten und Osttirol bzw. der Steiermark übernommen. All diese Notarzteinsatzmittel werden entweder von der Landesleitstelle Kärnten direkt disponiert oder im Fall des „Christophorus 12“ über die Rettungsleitstelle Steiermark angefordert.

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Notarztsystem in der Steiermark Die notärztliche Versorgung der steirischen Bevölkerung wird durch ein gemischtes System bewerkstelligt. In der Landeshauptstadt Graz bewegen sich zwei Notarzteinsatzfahrzeuge, die jeweils die halbe Stadt inklusive Umland versorgen. Die Grenze der Gebiete stellt die Mur dar. Außer den notarztbesetzten Einsatzmitteln sind im Stadtgebiet Graz auch noch Großraumrettungsfahrzeuge im Dienstbetrieb, die vom Medizinercorps Graz besetzt werden und eine Zwischenstufe zwischen einem RTW und einem NAW darstellen. Der Rest der Steiermark wird je nach Bezirksstelle des Österreichischen Roten Kreuzes entweder mit einem NEF oder einem NAW versorgt.

Leitstellen Die Leitstelle stellt das Bindeglied zwischen hilfesuchender Bevölkerung und den Einheiten des Rettungsdienstes dar. Aufgaben einer Leitstelle8

• Annahme der Notrufe (144, 141, regionale Nummer des Krankentransportdienstes)

:

• Bewertung des Notrufes und Disposition der erforderlichen Rettungsmittel • Alarmierung, Heranführen oder Bereitstellung der mobilen Rettungsmittel • Koordinierung der einsatzlenkenden Maßnahmen mit anderen

Einrichtungen der Gefahrenabwehr, wie z.B. Feuerwehr, Polizei, Wasserrettung u.ä.

• Alarmierung und Information von Angehörigen der verantwortlichen Führungskräfte und der Führungsstäbe (administrativ-organisatorische und operativ-taktische Führung)

• Alarmierung der Krankenhäuser bei einem Massenanfall von verletzten oder erkrankten Patienten

• Alarmierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes bei dem Verdacht der Ausbreitung ansteckender Krankheiten

• Alarmierung der Ver- und Entsorgungsbetriebe • Alarmierung der Verkehrsbetriebe (z.B. bei Evakuierungen oder

Räumungen) • Warnung und Information der betroffenen Bevölkerung auf Weisung des

politisch Gesamtverantwortlichen • Beschaffung von Informationen

8 Vgl. Scholz: Notfallmedizin, Seiten 482f

Page 20: Strukturierte Abfrageschemen in zentralen Leitstellen

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• Darstellung einer übergeordneten Lagekarte • Darstellung einer übergeordneten Kräftelage • Beschaffung, Bereitstellung und Übertragung von Informationen

Diese Auflistung umfasst den gesamten Aufgabenbereich einer Leitstelle. Aber schon das tägliche Geschäft – die Annahme eines einzelnen Notrufs – erfordert hohe Ansprüche an die Mitarbeiter einer Leitstelle. Die Aufgabe des Leitstellenmitarbeiters ist es, in möglichst kurzer Zeit alle einsatzrelevanten Informationen zu erlangen und dementsprechend weitere Handlungen zu setzen. Nach Annahme des Notrufes ist zuerst zu verifizieren, ob es sich tatsächlich um einen Notruf, eine allgemeine Anfrage oder auch missbräuchliche Verwendung der Notrufleitung handelt. Liegt tatsächlich ein Notruf vor, ist es die Aufgabe des Leitstellenmitarbeiters, die Gesprächsführung zu übernehmen. Wichtig dabei ist, sich vor Augen zu führen, dass sich der Gesprächspartner in einer emotionalen Ausnahmesituation befindet. Die wichtigsten und einsatzrelevantesten Informationen sind:

• Genauer Ort (Straße, Hausnummer, Etage, Türnummer, Straßenkreuzung, Straßenkilometer etc.)

• Genaue Erkundung der Art des Notfalls • Anzahl der Betroffenen

Der Weg, zu diesen Daten zu kommen, ist natürlich vielfältig und auch die Kernfrage dieser Arbeit. Die eine Möglichkeit besteht darin, in einem individuell geführten Gespräch alle relevanten Informationen einzuholen und möglichst gut auf den Gesprächspartner einzugehen. Demgegenüber steht die Variante, ein strukturiertes Abfrageschema zu verwenden, das weniger Individualität im Gespräch zulässt, allerdings leichter die Gesprächsführung übernehmen lässt. Das strukturierte Abfrageschema wird oft dahingehend kritisiert, dass es für medizinische Laien oft „unnötig viele“ Fragen aufwirft, mit denen sich der Anrufer konfrontiert sieht. Aus Sicht des medizinischen Fachpersonals herrscht oft die Meinung vor, ein Anrufer sei emotional so sehr aus der Bahn geworfen, dass ihm eine Vielzahl von Fragen nicht zumutbar sind. Zahlreiche Studien belegten

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allerdings das Gegenteil. So wurde bereits 1986 in einer Studie von Eisenberg9

untersucht, wie kooperativ Personen, die den Notruf gewählt haben, im Gespräch sind. Er wählte eine einfache Klassifizierung:

5 Außer Kontrolle, hysterisch 4 Unkooperativ, hört nicht zu, schreit 3 Mäßig aufgeregt, aber kooperativ 2 Besorgt, aber kooperativ 1 Normaler Gesprächston

Unter Verwendung dieser Klassifizierung wurden mehrere Studien mit Stichprobengrößen > 1000 durchgeführt. Alle diese Studien belegten, dass der durchschnittliche Wert 1,110

nicht übersteigt. Das bedeutet, dass die überwältigende Mehrheit der Anrufer sehr kooperativ am Gespräch teilnahm. Dies belegt, dass dem Anrufer ein strukturiertes Abfrageschema durchaus zuzumuten ist und nicht schon im Vorhinein disqualifiziert werden darf.

Die Aufgabe der Leitstelle ist es, auf Basis der gesammelten Informationen die entsprechenden Einsatzmittel zu entsenden. Es sollte einerseits vermieden werden, zu wenige oder qualitativ zu niedrige (z.B. RTW statt NAW) Einsatzmittel zu disponieren, um die bestmögliche Versorgung der Patienten sicherzustellen, andererseits sollte aber möglichst ökonomisch mit den vorhandenen Ressourcen umgegangen werden, um eine möglichst große Zahl an Patienten mit eben diesen vorhandenen Mitteln versorgen zu können.

Leitstellenpersonal In einer zentralen Leitstelle werden die Aufgaben einer notrufentgegennehmenden Stelle heutzutage in zwei große Bereiche geteilt. Da dies auch in den betreffenden zentralen Leitstellen Kärnten und Steiermark der Fall ist, werden diese beiden Hauptbereiche in der Folge erklärt.

Calltaker Der Calltaker ist in zentralen Leitstellen diejenige Person, die sich direkt um die Entgegennahme von Notrufen kümmert. Die wichtigsten Aufgaben und Fähigkeiten des Calltakers sind es, in möglichst kurzer Zeit ein Maximum an Information aus dem Notrufgespräch zu erfahren. Als 9 Clawson Jeff J. MD, Dernocoeur Kate Boyd EMT-P, Rose Benjamin (2009): Die Grundsätze der Medizinischen Notfalldisposition, Ausgabe Vier. PriorityPress. Seite 1.13 10 Clawson: Die Grundsätze der MN, Seite 1.13

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erste und wichtigste Entscheidung stellt sich für den Calltaker die Frage, ob es sich bei dem vorliegenden Anruf wirklich um einen echten Notruf oder aber eine Anforderung eines Krankentransportwagens, einer Terminfahrt für den Krankentransport oder aber um eine Anfrage betreffend die vielen Aufgaben der Landesleitstelle handelt. Unabhängig von der Entscheidung bleibt der entgegennehmende Calltaker aber für das Gespräch verantwortlich. Ist für den Mitarbeiter zu erkennen, dass es sich tatsächlich um einen Notruf eines Hilfesuchenden handelt, gilt es absolute Ruhe und Professionalität zu wahren, da dies entscheidenden Einfluss auf den Gesprächsverlauf und –partner hat. Der Calltaker erkundet in aller Regel zuerst den Ort des Notfalls und direkt anschließend wird eine erste telefonische Triage vorgenommen. Ist davon auszugehen, dass möglicherweise oder auch tatsächlich eine Vitalbedrohung vorliegt, wird der angelegte Einsatz im EDV-System der Leitstellen sofort an den Disponenten (Aufgaben siehe unten) weitergeleitet. Dies ermöglicht die ehestmögliche Entsendung eines Einsatzfahrzeuges und bietet darüber hinaus die Möglichkeit, während der Anfahrtszeit der Fahrzeuge weitere Informationen über die Art und Schwere des Notfalls einzuholen. Sind alle für den Einsatz relevanten Informationen eingeholt, so hat der Calltaker die Aufgabe, den Anrufer anzuleiten, lebensrettende Sofortmaßnahmen zu setzen und im Rahmen der Ersten Hilfe dem Betroffenen beizustehen. Vordergründig sind dies die Anleitung zur stabilen Seitenlage, zur Blutstillung, Beatmung und Herzdruckmassage. Die Annahme des Notrufs erfolgt strukturell entweder in Form eines freien Gesprächs, wie es in der Landesleitstelle Steiermark praktiziert wird, oder aber in Form eines strukturierten Abfrageschemas, das Modell, das von der Landesleitstelle Kärnten verwendet wird. Neben der Entgegennahme und Abwicklung des Notrufs fällt dem Calltaker auch die Aufgabe zu, etwaige notwendige andere Einsatzorganisationen zu alarmieren, beispielsweise die Feuerwehr und/oder Polizei bei Verkehrsunfällen, bei denen es abzusehen ist, dass die anderen Einsatzorganisationen von Nöten wären.

Disponent Der Disponent ist in zentralen Leitstellen der erste und direkte Ansprechpartner für die im Einsatz stehenden Fahrzeuge. In den zugrundeliegenden EDV-Systemen werden die von den Calltakern angelegten Einsätze dem Disponenten angezeigt

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und sind meist nach Dringlichkeiten geordnet. Dies erleichtert dem Disponenten die Setzung der Prioritäten. Angelegte Einsätze werden durch den Disponenten an zur Verfügung stehende Fahrzeuge übermittelt und somit zugeordnet. Die Alarmierung erfolgt in aller Regel (und definitiv in den Gebieten der Landesleitstellen Steiermark und Kärnten) drahtlos und per Datenfunk. Das bedeutet, dass alle einsatzrelevanten Informationen ohne Zeitverlust schriftlich an die Besatzungen der Fahrzeuge übermittelt werden. Bei der Auswahl der Fahrzeuge wird der Disponent ebenfalls durch das System unterstützt. Es wird beispielsweise der Standort der Fahrzeuge auf einer Landkarte dargestellt, so dass bei dringlichen Einsätzen Fahrzeuge alarmiert werden können, die sich in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort befinden. Durch die Zuständigkeit für jeweils ein ganzes Bundesland ergeben sich so große Vorteile bei der Alarmierung, da der Disponent den Standort aller Fahrzeuge kennt und bezirksübergreifend alarmieren kann. Dies war zu Zeiten der Bezirksleitstellen nicht möglich, da jede Leitstelle nur den Aufenthaltsort der eigenen Fahrzeuge kannte, nicht aber die der Nachbarbezirke. Der Disponent entsendet Fahrzeuge aller Art zu Einsätzen ebenso aller Dringlichkeitsstufen. Neben der primären Alarmierung steht der Disponent auch als Ansprechpartner für alle im Einsatz befindlichen Fahrzeuge zur Verfügung. Bei Rückfragen, insbesondere bei Nachforderungen von anderen Einsatzmitteln, wird von den Fahrzeugen der Disponent informiert, der dann alle weiteren Schritte einleitet. Der Disponent ist also diejenige Person, die während des gesamten Einsatzes als Unterstützer und Koordinator für die Fahrzeuge fungiert.

Leitstellensysteme In Österreich geht der Trend zunehmend in Richtung zentraler Leitstellen, deren Zuständigkeiten meist ein ganzes Bundesland umfassen. In dieser Arbeit werden die Leitstellen Kärnten und Steiermark verglichen, weshalb in der Folge diese beiden Leitstellen mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden beschrieben werden sollen.

Landesleitstelle Kärnten Die zentrale Leitstelle des Bundeslandes Kärnten wurde am 9. Dezember 2003 eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt wurde primär die Bezirksleitstelle Klagenfurt abgelöst. Beginnend mit März 2004 wurden schrittweise alle Bezirksstellen

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Kärntens an die Landesleitstelle angebunden. Der vollständige Ausbau der Landesleitstelle mit der Zuständigkeit für alle Einsatzmittel Kärntens dauerte insgesamt über 3 Jahre und wurde am 17. Dezember 2007 mit dem Anschluss der Bezirksstelle Spittal/Drau abgeschlossen11

.

In der Landesleitstelle Kärnten sind ausschließlich hauptberufliche Mitarbeiter beschäftigt. Mit einem Mitarbeiterstab von 30 Personen werden die notwendigen Dienste besetzt. Im Dienstbetrieb sind je nach Tageszeit und Wochentag bis zu 6 Calltaker und 3 Disponenten gleichzeitig beschäftigt. In der Nacht werden die Aufgaben der Leitstelle von 2 Calltakern und einem Disponenten bewerkstelligt. Dies zeigt auch den Vorteil der zentralen Leitstelle in ökonomischer Hinsicht – zu Zeiten der Bezirksleitstellen waren in der Nacht 8 Mitarbeiter beschäftigt. In der Landesleitstelle Kärnten werden neben der Notrufnummer des Rettungsdienstes in Österreich 144, auch Anrufe der Notrufnummern 141, die den Ärztenotdienst darstellt, und der Nummer 1484 zur Anforderung von Krankentransporten entgegengenommen. Insgesamt deckt die Landesleitstelle Kärnten deutlich mehr Aufgaben ab, als die einzelnen Leitstellen in den Bezirken übernommen hatten. Die Mitarbeiter der Landesleitstelle Kärnten durchlaufen bei der Bewerbung einige Selektionsschritte, die die Eignung zur Mitarbeit überprüfen sollen. Nach der Auswahl werden die Mitarbeiter nach den Richtlinien des Landesverbandes Kärnten des Österreichischen Roten Kreuzes ausgebildet und schrittweise an das Betätigungsfeld von Calltakern und Disponenten herangeführt. Die Grundvoraussetzungen für die Mitarbeit in der Landesleitstelle Kärnten werden vom Landesverband wie folgt angegeben:

• Abgeschlossene Schulausbildung auf Niveau AHS/BHS • Erfahrung im Rettungsdienst • EDV-Kenntnisse • Besitz eines Führerscheins

Nach Aufnahme als Mitarbeiter in der Landesleitstelle Kärnten gibt es eine Ausbildungsordnung, um den Beruf des Calltakers bzw. Disponenten anschließend ausüben zu können.

11 Persönliche Kommunikation, Daniel Fellner, Österreichisches Rotes Kreuz

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Die Ausbildung beginnt mit der Schulung der theoretischen Grundkenntnisse bezogen auf das Rettungswesen und die Leitstelle. Nach diesem Theorieblock folgt die praktische Ausbildung, bei der jeder Mitarbeiter unter Aufsicht beginnt, Krankentransportanforderungen entgegenzunehmen und ins System einzutragen. Nach diesem Schritt durchlaufen alle neuen Mitarbeiter noch die Ausbildung zum EMD (Emergency Medical Dispatcher), eine Ausbildung, die von der Organisation, die das strukturierte Abfrageschema AMPDS entwickelt hat und weltweit vertreibt, einheitlich angeboten wird. Nach diesem Ausbildungsschritt erfolgt eine letzte kurze Phase in der Leitstelle selbst, in der die Mitarbeiter unter Aufsicht unter Beweis stellen müssen, dass sie nun zur Ausübung der jeweiligen Aufgabe geeignet sind.

Landesleitstelle Steiermark12

Die Landesleitstelle des Bundeslandes Steiermark ist etwas jünger als ihr Pendant aus dem Nachbarbundesland Kärnten und wurde am 24. Juni 2008 in Betrieb genommen. Auch hier wurden vorerst die Bezirke Graz und Graz-Umgebung übernommen, um in einem schrittweisen Ausbau als tatsächliche Landesleitstelle zu fungieren.

Im Moment sind die Regionen und Bezirke Graz, Graz-Umgebung, Feldbach, Fürstenfeld, Leibnitz, Eisenerz, Knittelfeld, Voitsberg, Mürzzuschlag, Mariazellerland, Leoben, Weiz und Bruck/Kapfenberg bereits an die Landesleitstelle angebunden. Im Gegensatz zur Kärntner Leitstelle versehen neben 40 hauptberuflichen Mitarbeitern auch 80 Ehrenamtliche ihren Dienst als Calltaker und Disponenten. Davon disponieren tagsüber zu Spitzenzeiten rund 20 Mitarbeiter bis zu 260 Fahrzeuge in den genannten Regionen, in der Nacht beschränkt sich der Mitarbeiterstab auf 5-6 Mitarbeiter, die sowohl als Calltaker als auch Disponenten tätig sind. Um als Mitarbeiter in der Landesleitstelle Steiermark arbeiten zu dürfen, muss man ebenso ein mehrstufiges Ausbildungsprogramm durchlaufen. Nach Erfüllung der Grundvoraussetzung einer mehrjährigen Praxis im Rettungsdienst als Rettungs- oder Notfallsanitäter sieht die Ausbildung folgende Schritte vor:

12 Persönliche Kommunikation, Bernt Senarclens de Grancy, Österreichisches Rotes Kreuz

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• Eignungstest: Jeder Bewerber absolviert in der Steiermark einen Eignungstest, in dem vor allem das vorhandene Fachwissen im Bereich der Ersten Hilfe abgefragt wird.

• Leitstellenlehrgang: Der Landesverband Steiermark hat bereits vor Jahren die theoretische Ausbildung für Leitstellenmitarbeiter landesweit in einem einheitlichen Lehrgang standardisiert.

• Technische Ausbildung: Die Bedienung der zur Verfügung stehenden technischen Geräte ist Voraussetzung für die Arbeit in der Landesleitstelle. Die notwendigen Fertigkeiten werden in dieser Ausbildung übermittelt.

• Praktikum: Neben der oben genannten theoretischen und technischen Ausbildung durchlaufen die Bewerber auch ein Praktikum in der Leitstelle.

• Prüfung: Am Ende der Ausbildung wird jeder Mitarbeiter durch den Landesverband Steiermark geprüft, um die Fähigkeit, alleinverantwortlich in der Leitstelle zu arbeiten, sicherzustellen.

AMPDS Das Advanced Medical Priority Dispatch System, kurz AMPDS, ist ein strukturiertes Abfrageschema, das den zentralen Unterschied zwischen den Leitstellen Kärnten und Steiermark darstellt. Das Ziel eines strukturierten Abfrageschemas ist es, dass der Leitstellenmitarbeiter die absolute Kontrolle über das Notrufgespräch hat und mit wenigen gezielten Fragen möglichst genaue Informationen über das Notfallgeschehen erhält. Bei der strukturierten Abfrage wird vom Leitstellenmitarbeiter ein Einsatzcode generiert, der einerseits Informationen über den Notfall gibt und andererseits als Basis für die Alarmierung dient. Das AMPDS gliedert sich in 32 Hauptbeschwerdecodes, die jeweils am Anfang des ermittelten Einsatzcodes gestellt wird. 01 Bauchschmerzen/-beschwerden 17 Sturz/Absturz 02 Allergie 18 Kopfschmerzen

03 Tierbiss/Tierangriff 19 Herzbeschwerden/Implantierter Defibrillator

04 Verbrechen/Überfall/Sexualdelikt 20 Hitze-, Kälteprobleme

05 Rückenschmerzen (nicht traumatisch)

21 Blutung/Wunden

06 Atembeschwerden 22 Unzugängliche/Verschüttete/ Eingeklemmte/Eingeschlossene

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Person (kein VU)

07 Verbrennungen (Verbrühungen)/ Explosion (Detonation)

23 Überdosis/Vergiftung (Einnahme)

08 Kohlenmonoxid/Inhalation/ Gefahrengutunfall

24 Schwangerschaft/Geburt/ Fehlgeburt

09 Kreislauf-, Atemstillstand/ Tote Person

25 Psychiatrie/ Abnormales Verhalten/ Suizidversuch

10 Brustschmerzen (nicht traumatisch) 26 Kranke Person (Differentialdiagnose)

11 Ersticken 27 Stich-, Schuss-, Pfählungsverletzung

12 Krampfanfall 28 Schlaganfall (Cerebrovaskuläres Geschehen)

13 Blutzuckerentgleisungen 29 Verkehrsunfälle

14 Ertrinken (Beinahe-)/ Kopfsprung/ Gerätetauchunfall

30 Verletzungen

15 Stromunfall/ Blitzschlag 31 Bewusstlosigkeit/ Ohnmacht (Beinahe-)

16 Augenprobleme/ Verletzungen 32 Unklares Geschehen/ Hilflose Person

Tabelle 2: AMPDS Hauptbeschwerdecodes13

Gefolgt wird diese Zahl von einem Buchstaben, der die Priorität des Einsatzes anzeigt. Dabei werden 6 Prioritätsstufen berücksichtigt, die zu verschiedenen Ausrückordnungen führen. Dringlichkeit Code-Symbol Ausrückempfehlung Sondersignal

ECHO E Schnellstmögliches Mittel + NA + RTW

Ja

DELTA D First Responder, NA, RTW Ja CHARLIE C NA, RTW Ja BRAVO B RTW (wenn nicht vorhanden

KTW) Ja

ALPHA A KTW oder RTW Nein OMEGA O Ärztefunkdienst (wenn nicht

vorhanden KTW) Nein

Tabelle 3: AMPDS Dringlichkeitsstufen14

13 Clawson: Die Grundsätze der MN, S 3.19

14 Clawson: Die Grundsätze der MN, S 3.33

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Diese Empfehlung wurde von den Entwicklern vorgegeben, kann und wird aber von den jeweiligen Benutzern individuell angepasst. Im Laufe der Entwicklung und Anpassung des AMPDS wurden einzelne Einsatzcodes hinsichtlich der Ausrückordnung abgewandelt, das bedeutet, dass bei einzelnen CHARLIE Dringlichkeiten auch nur ein RTW mit Sondersignal primär entsendet wird. Der gesamte Einsatzcode wird durch eine genauere Spezifizierung des Notfalls komplettiert. Dieser Code soll den Einsatzgrund genauer unterteilen und somit der ausrückenden Mannschaft noch genauere Informationen mitgeben. Ein gesamter Einsatzcode hat somit die Form:

xx d yy xx Hauptbeschwerdecode (zweistellige Zahl) d Dringlichkeit (Buchstabe) yy Unterteilung Einsatzgrund (zweistellige Zahl) Ein Beispiel für einen Einsatzcode, der bei der strukturierten Abfrage als Ergebnis resultiert und der allen Ausrückenden übermittelt wird, wäre folgendes15

:

12 D 02 Hauptbeschwerde Dringlichkeit Unterteilung Einsatzgrund Krampfanfall DELTA Andauernder oder multiple Krampfanfälle

NA – Indikationen Landesleitstelle Steiermark In der Steiermark gibt es als Unterstützung für die Leitstellenmitarbeiter einen von der Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin (Graz) entworfenen Indikationskatalog zur Entsendung von notarztbesetzten Einsatzmitteln. Dieser hilft bei der Auswahl der Einsatzfahrzeuge und setzt „red flags“, die einen Notarzteinsatz zwingend erforderlich machen. Die in der Folge genannten Indikationen müssen vom Leitstellenmitarbeiter im Zuge des frei geführten Gesprächs der Notrufentgegennahme eruiert werden. Der Indikationskatalog unterscheidet Notrufe in die drei Gruppen „keine Indikation“, „relative Indikation“ und „absolute Indikation“ zur Entsendung eines

15 Clawson: Die Grundsätze der MN, S 3.32

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Notarztes zum Einsatzort. Die Kategorie „absolute Indikation“ unterscheidet anschließend nochmalig zwischen patienten- und notfallbezogenen Einsatzindikationen, die als „red flags“ für den Leitstellenmitarbeiter dienen.

Notarztindikation

Keine Indikation Absolute Indikation Relative Indikation

Patientenbezogen Notfallbezogen

Schwere Bewusstseinsstörung oder Bewusstlosigkeit

Brand oder Rauchgasentwicklung

Schwere Atemnot oder Atemstillstand Explosionsunfälle, thermische und chemische

Unfälle

Schock (Kreislaufversagen) Wasserunfall (Ertrinken, Eiseinbruch)

Herzkreislaufstillstand Unfall mit eingeklemmter bzw. verschütteter

Person

Polytrauma Drohender Suizid

Verdacht auf Herzinfarkt Sturz aus großer Höhe (>3m)

Großflächige Verbrennung(en) Schuss-, Stich-, Hiebverletzungen im Kopf-,

Hals- und Rumpfbereich

Extremitäten gefährdende Verletzungen Geiselnahme, sonstige Verbrechen mit Gefahr

für Menschenleben

Geburt im Gange

Tabelle 4: Indikationskatalog der AGN Graz16

16 Fuchs G.et al (2001): Notfallindikationen. AGN Graz, Graz, Eigenverlag.

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Scores in der Notfallmedizin

NACA-Score Der wohl bekannteste Score in der Notfallmedizin wurde in den späten 1960er Jahren durch die namensgebende Organisation National Advisory Committee of Aeronautics entworfen. Ursprünglich wurde dieses Schema für Unfälle der Luftfahrt entwickelt. Die Klassifizierung ist siebenteilig und beschreibt den Schweregrad einer verletzten Person. Folgende Tabelle zeigt die sieben Stufen, die jeweils aus dem Kürzel NACA und einer römischen Zahl bestehen.

NACA-Score Bedeutung

NACA I geringfügige Störung, keine ärztliche Intervention notwendig

NACA II Leichte bis mäßige Störung, ambulante ärztliche Abklärung

NACA III Mäßige bis schwere Störung, jedoch keine Lebensgefahr gegeben, stationäre Abklärung erforderlich

NACA IV Schwere Störung, bei der eine Lebensgefahr nicht ausgeschlossen werden kann

NACA V Schwere Störung mit unmittelbarer Lebensgefahr

NACA VI Atemkreislaufstillstand, kardiopulmonale Reanimation

NACA VII Tödliche Verletzung oder Störung, erfolglose Reanimation

Tabelle 5: Klassifizierung von Notfällen nach dem NACA-Schema In der Anfangszeit wurde ein Patient 24 Stunden nach der Einlieferung in eine Klinik klassifiziert, allerdings wurde 1980 durch Tryba empfohlen, den Patienten bei der Übergabe durch den Notarzt zu klassifizieren. Der Zeitpunkt der Einschätzung des Schweregrades eines Notfalles bleibt aber bis heute diskussionswürdig. Da sich der Zustand des Patienten auch durchaus rasch ändern kann, wäre es auch durchaus sinnvoll, den NACA-Score zweimal anzugeben. Dies wird an folgendem Beispiel deutlich: Ein Patient mit einer akuten Hypoglykämie mit einer Störung des Bewusstseins wäre beim Eintreffen des Notarztes mit NACA V (unmittelbare Lebensgefahr durch

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Bewusstlosigkeit) zu klassifizieren. Bei einer üblichen Intervention mit Gabe von Glucose i.v. würde sich der Patient im Normalfall aber sehr schnell erholen und wäre vor allem wieder ansprechbar und voll orientiert. Somit würde zu diesem Zeitpunkt der Patient mit NACA II zu klassifizieren sein, da es durchaus möglich wäre, den Patienten zu Hause zu belassen und nicht einer klinischen Aufnahme zuzuführen. Dass diese zweizeitige Klassifizierung nach dem NACA Schema immer noch nicht ausreichen könnte, zeigt das Beispiel einer TIA (transistorisch ischämischen Attacke). Zum Zeitpunkt der Alarmierung zeigt der Patient deutliche Zeichen einer neurologischen Störung und wäre somit mit NACA IV (Lebensgefahr nicht ausgeschlossen) zu klassifizieren. Es ist aber durchaus möglich, dass die neurologischen Symptome bis zum Eintreffen des Notarztes schon wieder gänzlich verschwunden sind und der Patient zu diesem Zeitpunkt aus Sicht des NACA-Schemas mit NACA I einzustufen wäre. Die große Problematik dahinter ist aber dadurch gegeben, dass sich in Österreich die Sozialversicherungsträger oftmals des NACA-Scores bedienen, um über die Finanzierung eines Einsatzes zu entscheiden. Vor allem im Luftrettungsdienst ist dies durchaus üblich. Wie aber schon oben beschrieben, ändert sich der Zustand des Patienten und somit auch die Einstufung im NACA-Schema oft sehr rasch. Von Seiten der Sozialversicherungsträger werden aber die klinische Diagnose und ein äquivalenter NACA-Score zur Beurteilung herangezogen. Ein weiteres Problem ist die grundsätzlich subjektiv getroffene Einschätzung, da die einzelnen Stufen des NACA-Score zwar definiert sind, aber an keinem messbaren Parameter festgemacht werden. Eine diesbezüglich bessere Alternative wäre wohl der MEES (Mainz Emergency Evaluation Score)17

, der sich bisher aber nicht durchsetzen konnte.

Aufgrund der relativen Einfachheit und der Bekanntheit des NACA-Score wird dieser nach wie vor am häufigsten zur Klassifizierung von Notfallpatienten verwendet. Auch in dieser Arbeit wurde der NACA-Score bei der Datenaufnahme berücksichtigt

17 Moecke H, Ahnefeld FW (1997): Qualitätsmanagement in der Notfallmedizin, Anästhesist, vol. 46, pp. 787–800, Seite 794

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MEES Der Mainz Emergency Evaluation Score wurde 1993 erstmalig publiziert18

und erhebt eine notfallmedizinische Bewertung anhand von 7 objektiv messbaren Werten.

Pro Wert können 1 bis 4 Punkte vergeben werden, wobei im physiologischen Zustand 4 Punkte, bei geringen Abweichungen 3 Punkte, bei erheblichen Abweichungen 2 Punkte und bei lebensbedrohlichen Zuständen 1 Punkt vergeben wird. Im Detail sieht die Bewertung wie folgt aus: Vitalparameter Punkte Wertegrenzen Glasgow Coma Scale 4 15

3 14-12 2 11-8 1 <8

Herzfrequenz 4 60-100 3 50-59;101-130 2 40-49;131-160 1 <40;>160

Atemfrequenz 4 12-18 3 8-11;19-24 2 5-7;25-30 1 <5;>30

Rhythmus 4 SR 3 SVES, VESmono 2 ABSARRH, VESpoly 1 VT, VF, ASY

Schmerz 4 kein Schmerz 3 leichter Schmerz 2 starker Schmerz 1 entfällt

Blutdruck 4 120/80-140/90 3 100/70-119/79; 141/91-154/94 2 80/60-99/69; 160/95-229/119 1 <80/60;>230/120

18 Lenz W., Luderer M., Seitz G., Lipp M. (2000): Die Dispositionsqualität einer Rettungsleitstelle, Notfall und Rettungsmedizin, vol. 3, pp. 72-80: Seiten 76-78

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saO2 4 100-96 3 95-91 2 90-86 1 <86

Tabelle 6: MEES Bewertungsschema19

Daraus lässt sich sowohl erkennen, dass sich in der Bewertung eines Notfallpatienten deutlich feinere Abstufungen erzielen lassen, der Aufwand jedoch auch deutlich höher ist.

GCS Die Glasgow-Koma-Skala (Glasgow-Coma-Scale, GCS) ist ein notfallmedizinischer Parameter, die ursprünglich für die Einteilung des Schweregrades eines Schädelhirntraumas diente. Mittlerweile wird die GCS aber bei nahezu allen Notfallpatienten zur Angabe der Bewusstseinslage verwendet. Beurteilt werden dabei das Augenöffnen, die beste sprachliche Reaktion, sowie die beste motorische Reaktion. Für alle Teilbereiche werden Punkte vergeben, die Summe ergibt den Gesamtwert. Zu bewertende Reaktion Beobachtete Reaktion Zu vergebende

Punkte Augenöffnen spontan 4

auf Aufforderung 3 auf Schmerzreiz 2 kein Augenöffnen 1

Beste sprachliche Reaktion voll orientiert, prompt 5 unvollständig orientiert 4 verworren, unangemessen 3 unverständlich 2 keine 1

Beste motorische Reaktion adäquat auf Aufforderung 6 gezielte Abwehr auf Schmerzreiz 5 ungezielte Abwehr 4 Beugesynergismen 3 Strecksynergismen 2 keine Bewegung 1

Tabelle 7: Glasgow-Koma-Skala20

19 Moecke H, Ahnefeld FW (1997): Qualitätsmanagement in der Notfallmedizin, Anästhesist, vol. 46, pp. 787–800, Seite 794

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Dokumentation in der Notfallmedizin Die Dokumentation jeder ärztlichen Tätigkeit ist in Österreich gesetzlich geregelt und verpflichtet jeden Arzt zur lückenlosen Dokumentation aller gesetzten Maßnahmen.

Der Arzt ist verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person, insbesondere über den Zustand der Person bei Übernahme der Beratung oder Behandlung, die Vorgeschichte einer Erkrankung, die Diagnose, den Krankheitsverlauf sowie über Art und Umfang der beratenden, diagnostischen oder therapeutischen Leistungen einschließlich der Anwendung von Arzneispezialitäten und der zur Identifizierung dieser Arzneispezialitäten und der jeweiligen Chargen im Sinne des § 26 Abs. 8 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, erforderlichen Daten zu führen und hierüber der beratenen oder behandelten oder zu ihrer gesetzlichen Vertretung befugten Person alle Auskünfte zu erteilen. In Fällen eines Verdachts im Sinne des § 54 Abs. 4 sind Aufzeichnungen über die den Verdacht begründenden Wahrnehmungen zu führen. Den gemäß § 54 Abs. 5 oder 6 verständigten Behörden oder öffentlichen Dienststellen ist hierüber Auskunft zu erteilen. Der Arzt ist verpflichtet, dem Patienten Einsicht in die Dokumentation zu gewähren oder gegen Kostenersatz die Herstellung von Abschriften zu ermöglichen.21

Diese Dokumentationspflicht findet natürlich auch in der Notfallmedizin Anwendung. Allerdings handelt es sich um einen Bereich der Medizin, der die Dokumentation durch Zeitdruck (vital gefährdete Patienten) und äußere Umstände deutlich erschwert. Aus diesem Grund hat sich die Einführung standardisierter Notarztprotokolle bewährt. Neben Personaldaten des Patienten wird auf diesen Protokollen vor allem auch der Zustand des Patienten inklusive Verlauf während der Versorgung eingetragen. Diese Protokolle dienen sehr oft auch dem Qualitätsmanagement in der Notfallmedizin. Das Ziel dabei sollte eine Anhebung der Qualität innerhalb aller Bereiche der Notfallmedizin sein. Bis dato wird allerdings sehr wenig tatsächliches Qualitätsmanagement betrieben, was sich auf mehrere Punkte zurückführen lässt.

20 Scholz: Notfallmedizin, Seite 241 21 Ärztegesetz, § 51

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Die Datengrundlagen für ein objektives und konstruktives Qualitätsmanagement sind oftmals noch mangelhaft. Die angegebenen Pflichtfelder auf standardisierten Notarztprotokollen werden zwar meist ausgefüllt, allerdings gibt es dabei keine strengen Regeln. Zum Beispiel wird der weltweit bekannte NACA-Score flächendeckend verwendet, es gibt allerdings selten genaue Spezifikationen, zu welchem Zeitpunkt der NACA-Score angegeben werden soll. Ein weiteres großes Problem ist auch die oft sehr subjektive Angabe des NACA-Score, da dieser auf keinen messbaren Parametern beruht. Auch eine zweimalige Evaluierung pro Patient wäre ratsam, um entsprechende Veränderungen zu dokumentieren22

.

Eine objektivere Skala wäre der MEES (Mainz Emergency Evaluation Score), der hauptsächlich auf messbaren Werten beruht. Die Durchsetzung einer weitgehenden Verwendung scheint allerdings schwierig23

.

Diese Arbeit ist auch Teil eines Qualitätsmanagements in der Notfallmedizin, steht aber vor den oben genannten Problemen. So wurde diesbezüglich eine Mischung aus verschiedenen Angaben des Notarztprotokolls (Indikation, NACA) zur Evaluierung von Einsätzen herangezogen. Ziel der Arbeit und des Qualitätsmanagements sollte hier vor allem die ideale Nutzung von vorhandenen Ressourcen sein, worüber in der Leitstelle entschieden wird.

22 Vgl. „NACA-Score“ der vorliegenden Diplomarbeit 23 Vgl. „MEES“ der vorliegenden Diplomarbeit

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Fragestellung Die beiden Landesleitstellen Kärnten und Steiermark wurden gleichermaßen innerhalb der letzten 10 Jahre eröffnet und stufenweise ausgebaut. Bei genauerer Betrachtung unterscheiden sich die beiden Leitstellen aber in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen wird in der Landesleitstelle Kärnten bei der Notrufentgegennahme und –bearbeitung das strukturierte Abfrageschema AMPDS verwendet. In der Steiermark haben die Calltaker und Disponenten kein fix vorgegebenes Muster, wie sie zu den erforderlichen Informationen kommen, d.h. sie arbeiten unter weniger Regulation und individueller. Seit dem Bestehen von Leitstellen hat sich in der Besetzung und Bewertung der Wichtigkeit der Leitstellenmitarbeiter einiges getan. So wurde anfangs davon ausgegangen, dass ein Leitstellenmitarbeiter „nur ein paar Knöpfe drücken und telefonieren“ können muss24

Zum anderen werden in der Landesleitstelle Steiermark neben hauptberuflichen Mitarbeitern auch Freiwillige eingesetzt, die neben ihrem Hauptberuf zwischen 4 und 8 Leitstellendienste pro Monat leisten.

. Die Erfahrung zeigte aber, welch wichtigen Teil der Arbeit bereits ein gut ausgebildeter Leitstellendisponent erledigen kann.

Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit die Frage geklärt werden, ob die Verwendung eines strukturierten Abfrageschemas einen Vorteil und/oder der Einsatz von freiwilligen Mitarbeitern einen Nachteil hinsichtlich von Fehleinsatzraten bei Notarzteinsätzen und somit bei der Notfalldisposition bringt. Hypothesen

Nullhyptohese Alternativhypothese Es gibt keinen Unterschied in der

Qualität der Notfalldisposition hinsichtlich der Fehleinsatzraten

bei Notarzteinsätzen mit der Verwendung eines strukturierten

Abfrageschemas

Die Verwendung eines strukturierten Abfrageschemas vermindert die Fehleinsatzraten

bei Notarzteinsätzen und optimiert die Disposition von verfügbaren

Notarztmitteln. Es macht keinen Unterschied, ob in einer Leitstelle ausschließlich

hauptberufliche oder auch freiwillige Mitarbeiter tätig sind. Die

Qualität der Disposition bleibt dabei gleich.

Der Einsatz von ausschließlich hauptberuflichen Mitarbeitern in einer zentralen Leitstelle bringt Vorteile hinsichtlich der Qualität

der Disposition.

24 Vgl. Clawson: Die Grundsätze der MN, Seite 1.6

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Definition Vorteil Um die Frage korrekt beantworten zu können, muss auch festgelegt werden, wie sich ein Vorteil oder eine Verbesserung definiert. Laienhaft könnte man behaupten, die absolute Minimierung bis hin zur Ausschaltung von Fehleinsätzen im Notarztwesen wäre ein Vorteil bzw. das Ziel. Das Erreichen dieses Ziels hätte aber zur Folge, dass die eingesetzten Notarztmittel bei zu wenigen Notfällen eingesetzt werden und die Schwelle zum Entsenden eines Notarztmittels zu hoch angesetzt ist. Dies würde zu einem autoregulativen Mechanismus führen, da dadurch mehr Rettungsmittel vor Ort notärztliche Unterstützung nachfordern würden. Allerdings hätte das den Nachteil, dass Patienten, die eines Notarztes bedürfen, deutlich länger auf diesen warten müssten. Somit kann das illusorische Ziel nur sein, zu jedem Patienten, der einen Notarzt benötigt, auch ein Notarztmittel zu entsenden und gleichzeitig alle nicht notarztpflichtigen Notfälle allein mit Rettungs- und Notfallsanitätern abzuwickeln. Daraus ergibt sich auch das realistische Ziel für die Leitstellen. Im Idealfall werden Fehleinsätze von Notarzteinsätzen möglichst minimiert bei gleichzeitig minimalen Notarztnachforderungen seitens der Rettungsmittel. Definiton Fehleinsatz Der Begriff Fehleinsatz ist ein weit gestreuter Begriff und wird von beinahe jedem Beteiligten im Rettungsdienst anders definiert. Es muss aber versucht werden, eine möglichst allgemein gültige Definition eines Fehleinsatzes zu finden, die frei von persönlichen Befindlichkeiten zu einer klaren Evaluierung führen kann. In dieser Arbeit wird für die Beurteilung, ob ein Einsatz indiziert oder nicht indiziert war, die persönliche Beurteilung des Notarztes herangezogen. Sowohl in der Steiermark als auch in Kärnten wurde mittels Feedbacksystem dieser Punkt abgefragt und in die Bewertung genommen.

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Material und Methoden Die zur Erarbeitung der Fragestellung notwendigen Daten wurden in der Steiermark und in Kärnten getrennt voneinander erhoben. In der Folge soll die Entstehung der Daten und deren Integrität beschrieben werden.

Beschreibung Datenaufnahme in Kärnten Die in Kärnten erhobenen Daten wurden mittels eines eigens entworfenen Datenblatts ermittelt. Dieses wurde von den Notfallsanitätern, die als Lenker des NEF am Notfall vor Ort waren, direkt nach dem Einsatz ausgefüllt. Das Datenblatt wurde bewusst kurz gehalten, ebenso wurde auf eine möglichst einfache Handhabung geachtet, um den individuellen Mehraufwand für den Sanitäter je Einsatz nicht unangemessen steigen zu lassen und somit die Compliance der Mitarbeiter zu steigern.

Abbildung 1: Feedbackformular in Kärnten Das Datenblatt umfasste je Einsatz folgende Pflichtfelder: Transportnummer und Datum Diente der Identifizierung des Einsatzes und Ergänzung der einsatzbezogenen Daten durch die Leitstelle Nicht bewertbar Diese Angabe diente zum Feststellen eines Ausschlusskriteriums, wie zum Beispiel das Fehlen eines Notfallpatienten am Notfallort oder eine Stornierung des Einsatzes auf der Anfahrt zum Einsatzort. Diese Einsätze konnten mangels

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Bewertungen nicht in die Analyse aufgenommen werden und konnten somit frühzeitig identifiziert werden. Einsatz indiziert Der Fahrer des NEF beurteilte die Indizierung des Einsatzes aus Sicht der Sanitätshilfe. Der auf dem Notarztprotokoll ersichtliche Vermerk des Notarztes, ob der Einsatz indiziert war, wurde ebenso übertragen. Es wurde die vierteilige Bewertungsskala des Kärntner Notarztprotokolls übernommen, die sich in die Kategorien absolute Indikation, relative Indikation, relativer Fehleinsatz und absoluter Fehleinsatz aufteilt. NACA Der weltweit übliche Score zur Klassifizierung eines Notfalles wurde ebenso übernommen. Der Notarzt beurteilte den Patienten, der Zeitpunkt der Bewertung des Patienten durch den Notarzt ist im Kärntner Notarztprotokoll nicht fix vorgegeben25

.

Maßnahmen Es wurde ebenso erhoben, welche der wichtigsten notärztlichen Maßnahmen vor Ort getroffen wurden, um die Angabe über die Indizierung des Einsatzes zu verifizieren. Dabei wurde erhoben, ob ein Elektrokardiogramm geschrieben wurde, ob bei einem Notfallpatienten ein venöser Zugang gelegt wurde, ob ihm Medikamente irgendeiner Art verabreicht wurden oder ob der Patient endotracheal intubiert wurde. Die Datenaufnahme erfolgte im Bundesland Kärnten über die Monate August und September 2010 und an 7 Notarztstützpunkten. Am Notarztstützpunkt Klagenfurt wurde die Datenaufnahme durch den Bezirksstellenleiter verhindert. Die Argumentation der Ablehnung war etwas mangelhaft, änderte aber leider nichts an der Tatsache, dass in diese Arbeit keine Daten aus Klagenfurt einfließen konnten. Das in Papierform erhobene Feedback von den am Einsatzort gewesenen Mitarbeitern (NFS, NA) wurde nach den zwei Monaten der Datenaufnahme manuell digitalisiert und für die weitere Analyse vorbereitet. Dabei wurden vor allem die wesentlichen Daten der Landesleitstelle Kärnten hinzugefügt, nämlich ob ein Einsatz überhaupt strukturiert mittels AMPDS abgefragt wurde, welcher Hauptbeschwerdecode dabei ermittelt wurde oder ob es sich bei dem einzelnen

25 Vgl. „NACA-Score“ der vorliegenden Diplomarbeit

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Einsatz um eine Nachforderung handelte. Wird ein notarztbesetztes Einsatzmittel von einem Arzt, einem RTW oder von anderen Einsatzorganisationen angefordert, so wird in der Landesleitstelle Kärnten nicht nach dem strukturierten Abfrageschema vorgegangen. Die zur Verfügung stehenden Daten umfassten nun folgende Datenfelder:

Transportnummer Datum Indiziert lt. NFS Indiziert lt. NA

NACA Maßnahmen AMPDS verwendet Hauptbeschwerde

Tabelle 8: Datenfelder Feedback Kärnten Die Daten wurden anschließend vor allem dahingehend aufbereitet, die Einsätze mit Verwendung des strukturierten Abfrageschemas zu untersuchen. Auch konnten die Hauptbeschwerdecodes in medizinische, traumatische und potentiell lebensbedrohliche Protokolle unterteilt und untersucht werden, ob es dabei einen signifikanten Unterschied bei der Fehleinsatzrate der Notarzteinsatzmittel gibt. Die vorhandenen Daten aus Kärnten scheinen auch für sich und für den Landesverband Kärnten des Österreichischen Roten Kreuzes relevant, da neben den Vergleichen mit einer anderen Leitstelle auch mannigfaltige Analysen innerhalb der Daten vorgenommen werden können. Denkbar wäre eine Analyse auffälliger Einsatzcodes, die vermehrt zu Nachforderungen seitens der RTWs führen, aber auch die Identifizierung von Einsatzcodes, die signifikant häufiger zu nicht indizierten Einsätzen führen. Dies könnte zu einer Adaptierung der Ausrückordnung auf Basis der Einsatzcodes führen.

Datenaufnahme in der Steiermark In der Steiermark existiert seit dem Sommer 2006 ein Feedbacksystem, das die am Einsatzort vorgefundenen Umstände anonymisiert an die involvierten Leitstellendisponenten übermittelt und in einer Datenbank speichert. Diese Daten werden von den Mitarbeitern, die tatsächlich vor Ort waren, online eingegeben und gespeichert. Eine nachträgliche Digitalisierung der Daten ist somit in der Steiermark nicht mehr notwendig.

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Die vorhandenen Daten wurden bisher erst einmalig zur Analyse der Qualität der Leitstellendispositionen verwendet26

. Dabei wurden die Daten dahingehend untersucht, ob die medizinische Vorbildung eines Leitstellendisponenten Einfluss auf die Qualität seiner Entscheidungen hat.

Dieselben Daten können nun aber auch verwendet werden, die Landesleitstelle Steiermark mit ihrem Pendant in Kärnten zu vergleichen und die Fragestellungen dieser Arbeit zu beantworten. Im steirischen Feedbacksystem wurden folgende Daten verpflichtend abgefragt:

• War der Einsatz indiziert? (ja/nein) • Wer hat den Einsatz angefordert? (Auswahlliste, z.B. Leitstelle,

Nachforderung durch Fahrzeug vor Ort, Altersheim, Arzt vor Ort) • Welchen NACA-Score hatte der Patient beim Eintreffen des Einsatzmittels? • Welchen NACA-Score hatte der Patient am Ende des Einsatzes?

Zusätzlich können noch folgende Informationen in das System eingetragen werden:

• Kommentar zum Eintreffen • Kommentar zum Einsatzende • Allgemeine Kommentare zum Einsatz selbst

Das gesamte Feedback dient den einzelnen Leitstellenmitarbeitern zur Analyse der getroffenen Entscheidungen. Dies soll dem Leitstellenmitarbeiter die Möglichkeit bieten, die eigene Arbeit zu reflektieren und die persönliche Erfahrung im Rettungsdienst mit diesen Feedbacks zu kombinieren, um die Qualität der Entscheidungen hinsichtlich Alarmierung von notarztbesetzten Einsatzmitteln zu verbessern. Durch die Sicherung der Daten in einer zentralen Datenbank stehen diese aber auch für retrospektive Analysen, wie in dieser Arbeit vorgesehen, zur Verfügung.

26 Lang Alexander Bernd (2010): Qualität der Leitstellendisposition in Bezug auf die sanitätshilfliche Vorbildung des Disponenten, Diplomarbeit, Graz.

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Ergebnisse

Datengrundlage Kärnten In Kärnten wurden an 7 von 9 Notarztstützpunkten alle Notarzteinsätze im Zeitraum von 1. August bis 30. September direkt nach dem Einsatz evaluiert. In den Beobachtungszeitraum fielen 1044 Einsätze. Von diesen Einsätzen konnten 1013 verwertet werden, 31 fielen aufgrund von Ausschlusskriterien aus der Analyse.

Abbildung 2: Anzahl Einsätze nach NEF-Stützpunkt in Kärnten

Wie bereits beschrieben, konnte auf die Daten aus dem NEF-Stützpunkt Klagenfurt nicht zurückgegriffen werden, da die Datenevaluierung von Seiten des Bezirksstellenleiters verhindert wurde. Anzunehmen ist jedoch eine Gleichverteilung der Fehleinsätze über das gesamte Bundesland, wodurch die vorliegenden Daten validiert werden. Der Gesamtdatensatz wurde von der Leitstelle durch die Daten über die Verwendung des AMPDS ergänzt. Es ergaben sich aus den gesamten Einsätzen 635 Einsätze, die nach einer strukturierten Notfallabfrage mit einem AMPDS-Hauptbeschwerdecode versehen wurden. Der Rest teilte sich auf Nachforderungen von Fahrzeugen vor Ort, Alarmierungen durch Ärzte, Rufhilfealarmierungen, Alarmierungen durch Bezirksleitstellen (BLST) und andere, bei denen in der Leitstelle nicht das strukturierte Abfrageschema zur Anwendung kommt.

0

50

100

150

200

250

300

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Abbildung 3: Anteil der strukturiert abgefragten Einsätze

Es wurde jeder Einsatz durch den Notarzt am Einsatzprotokoll evaluiert, sowohl durch den NACA-Score als auch durch die Angabe über die Indizierung des Einsatzes. Der Notarzt hat dabei 4 mögliche Abstufungen der Bewertung, nämlich absoluter oder relativer Fehleinsatz bzw. absolute oder relative Indikation. Im folgenden Diagramm ist die Häufigkeitsverteilung dieser Angaben zu sehen, wobei auch 92 nicht angegebene Indikationen mit einfließen.

Abbildung 4: Verteilung der Indikationen laut Einsatzprotokoll

In der Folge und zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Angaben „absolute Indikation“ und „relative Indikation“ zusammengefasst und zu den indizierten Einsätzen gezählt, analog dazu wurden die Angaben „absoluter Fehleinsatz“ und „relativer Fehleinsatz“ zu den nicht indizierten Einsätzen zusammengefasst.

635

378 Abgefragt

Nicht abgefragt

607 219

63

32

92

abs.Ind.

rel.Ind.

rel.FE

abs.FE

nicht angegeben

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Im Vergleich zwischen den Angaben der Notärzte am Einsatzprotokoll mit den Angaben der NFS, die ihre Bewertung direkt nach dem Einsatz abgegeben haben, zeigt sich, dass die Notärzte bei nicht indizierten Einsätzen ungefähr zur Hälfte auf eine Angabe gänzlich verzichten. Die Bewertung der Indizierung eines Einsatzes zeigt ansonsten aber nahezu Deckungsgleichheit.

Abbildung 5: Vergleich NA und NFS

Im Hinblick auf das NACA Schema wurde von den Notärzten über die 1013 Einsätze folgende Verteilung angegeben. Dabei wurden alle Einsätze ohne Berücksichtigung auf die Indizierung herangezogen.

Abbildung 6: Verteilung über das NACA-Schema

0

200

400

600

800

1000

1200

Indiziert Nicht indiziert Nicht angegeben

Summe Einsätze

NFS

NA

13

82

438

319

48 4

50 59

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

NACA I NACA II NACA III NACA IV NACA V NACA VI NACA VII nicht angegeben

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Bei der Verteilung der Einsätze über dem NACA Schema zeigt sich ein international üblicher Trend. Aufgeschlüsselt nach indizierten und nicht indizierten Einsätzen hinsichtlich der Verteilung über dem NACA-Schema ergeben sich folgende Zahlen:

Indizierung NACA

Indiziert Nicht

indiziert Nicht

angegeben Gesamt

I 0 12 1 13 II 46 26 10 82 III 369 38 31 438 IV 295 5 19 319 V 44 0 4 48 VI 4 0 0 4 VII 38 2 10 50 nicht angegeben 30 12 17 59 SUMME: 826 95 92 1013

Tabelle 9: NACA über Indizierung der Einsätze Interessant scheint die Verteilung der NACA Stufen innerhalb der indizierten bzw. der nicht indizierten Einsätze. Dabei zeigen sich hinsichtlich der NACA-Verteilung doch deutliche Unterschiede zu den Gesamtdaten. So finden sich die deutliche Mehrheit der NACA I und NACA II Einsätze bei den nicht indizierten Einsätzen wieder. Je höher das NACA Score steigt, desto eher wird ein Einsatz auch als indiziert bewertet.

Abbildung 7: NACA-Verteilung nach Indizierung der Einsätze

0,00%

20,00%

40,00%

60,00%

80,00%

100,00%

120,00%

Indizierte Einsätze Nicht indizierte Einsätze Indizierung nicht angegeben

NACA I NACA II NACA III

NACA IV NACA V NACA VI

NACA VII NACA nicht angegeben

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Hinsichtlich der Verwendung des strukturierten Abfrageschemas konnten folgende Daten analysiert werden. Basis der Erhebung waren die oben genannten Daten, in der Folge wurden nun aber nur mehr die Einsätze abgefragt, die tatsächlich strukturiert abgefragt wurden. Wie bereits oben beschrieben, wurden von den 1013 Datensätzen gesamt 635 Einsätze mit Hilfe des AMPDS angelegt, die restlichen 378 Einsätze entfielen auf direkte Eingaben aufgrund von Anforderungen von einem Fahrzeug oder Arzt vor Ort oder einer Alarmierung über eine andere Einsatzorganisation. Bei der Indizierung der Einsätze ergaben sich kleine Unterschiede, wie in der folgenden Grafik dargestellt.

Abbildung 8: Vergleich der Einsatzindizierungen mit und ohne AMPDS

Zu sehen ist, dass unter den Einsätzen, die mit Hilfe des strukturierten Abfrageschemas angelegt wurden, der Anteil der als indiziert eingestuften Einsätze über 83% steigt, bei den Datensätzen ohne AMPDS bleibt der Anteil der indizierten Einsätze bei unter 79%. Aufgrund der im Verhältnis kleinen Stichprobengröße kann bei diesen Unterschieden aber noch nicht von einem signifikanten Unterschied gesprochen werden, der statistisch erhobene Wert der Signifikanz p beträgt bei diesem Vergleich 0,22. Der wesentliche und relevantere Vergleich besteht allerdings im Vergleich der Datensätze Kärnten mit jenem aus der Steiermark, welcher neben dem Unterschied der Notrufabfrage mit oder ohne AMPDS auch die anderen Fragestellungen dieser Arbeit überprüft. Dieser Vergleich ist weiter unten zu finden.

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

70,00%

80,00%

90,00%

Indiziert Nicht indiziert Nicht angegeben

AMPDS kein AMPDS

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Datengrundlage Steiermark In der Steiermark wurden, wie oben beschrieben, die Daten über ein integriertes Feedbacksystem ermittelt. Zur Analyse blieben in der Summe 30627 Datensätze übrig. Diese Datensätze beziehen sich sowohl auf Einsätze des RTH C12 des ÖAMTC, der am Flughafen Graz Thalerhof stationiert ist und von der Landesleitstelle Steiermark disponiert wird, als auch auf Einsätze der bodengebundenen Notarztmittel der Stadt Graz. Die Verteilung der Einsätze sieht wie folgt aus:

Abbildung 9: Verteilung der Einsätze auf RTH, NEF und Jumbos

Die Berücksichtigung der Einsätze der Jumbos erscheint deshalb relevant, weil sich die Einsatzindikationen der Grazer Jumbos mit denen der Kärntner NEFs überschneiden und somit ähnliche Einsätze unterschiedlich disponiert werden. Bei der Aufnahme des NACA Scores stellte sich bei den Daten aus dem Bundesland Steiermark die Situation so dar, dass sowohl am Einsatzbeginn als auch am Einsatzende der Notfall von Seiten des Notarztes bewertet wurde. Die Verteilung der NACA Schweregrade unterscheidet sich nur unwesentlich bei Beginn und Ende, wie die folgenden Grafiken darstellen. Der statistische Kennwert der Korrelation zeigt beim Vergleich der beiden NACA Werte jeweils von Einsatzbeginn und Einsatzende einen Zahlenwert von 0,974. Damit kann davon ausgegangen werden, dass sich die beiden Werte nicht signifikant voneinander unterscheiden.

0

2000

4000

6000

8000

10000

12000

14000

16000

RTH JUMBO NEF

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Abbildung 10: NACA Verteilung bei Einsatzbeginn und –ende

Hier ist zu sehen, dass sich vor allem der Anteil der NACA VI Patienten bei Einsatzende im Vergleich zum Einsatzbeginn deutlich senkt, was tatsächlich den Anteil an primär nicht erfolgreichen Reanimationen bei Atem- und Kreislaufstillständen darstellt. Analog dazu steigt der Anteil von NACA VII Patienten zum Einsatzende hin deutlich an. Werden die einzelnen Datensätze verglichen, zeigt sich doch recht deutlich, dass sich nur bei verhältnismäßig wenigen Einsätzen der NACA Score zwischen Einsatzbeginn und –ende unterscheidet. Deutlicher wird dieser Umstand an folgender Tortengrafik:

Abbildung 11: Veränderung des NACA-Score während eines Einsatzes

0,00%

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

30,00%

35,00%

40,00%

1 2 3 4 5 6 7

Einsatzbeginn

Einsatzende

89,89%

7,14%

2,97%

Gleichbleibend

Verbesserung

Verschlechterung

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Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass der Großteil der Verschlechterungen auf primär nicht erfolgreiche Reanimationen zurückzuführen ist. So zeigt sich im Detail ein Anteil von über 75% an erfolglosen Therapieversuchen bei Atem-Kreislaufstillständen.

NACA Score am Einsatzende

Anteil bei Einsätzen mit Verschlechterung

I 0,00% II 0,77% III 3,63% IV 7,15% V 6,38% VI 6,71% VI 75,36%

Tabelle 10: NACA-Score bei Einsätzen mit Zustandsverschlechterung Auf Grund dieser Tatsache wird in der weiteren Betrachtung die Bewertung des NACA-Scores am Ende des Einsatzes gewählt, da auch im Vergleichsdatensatz der Kärntner Einsätze der Patient am Ende bewertet wird und die Datensätze so vergleichbarer bleiben. Ebenso muss der Datensatz aus der Steiermark noch um die Einsätze mit Beteiligung von RTH oder Jumbos vorerst korrigiert werden, um aussagekräftige Vergleiche anstellen zu können. Da sowohl in der Steiermark als auch in Kärnten der bodengebundene Rettungsdienst von RTHs unterstützt wird, wird in dieser Arbeit der Einfluss auf die Fehleinsatzraten bei Notarzteinsätzen gleichgesetzt und somit der Einsatz von Hubschraubern nicht weiter berücksichtigt. Sehr wohl interessant scheint aber die Tatsache, dass im Großraum Graz neben den Notarzteinsatzfahrzeugen, analog zum Kärntner Modell, auch Großraumrettungswägen (Jumbos) zum Einsatz kommen. Diese überschneiden sich hinsichtlich der Einsatzindikationen teilweise deutlich und könnten somit auch Einfluss auf die Fehleinsatzraten der NEFs haben. Diese Tatsache wird später im Vergleich der Bundesländer noch zu berücksichtigen sein. Vorerst sollen die Daten nach Einsatzmitteln separiert betrachtet werden. Filtert man den vorhandenen Datensatz, sodass nur mehr die Einsätze der Notarzteinsatzfahrzeuge übrig bleiben, so zeigen sich folgende Ergebnisse:

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In der Summe bleiben 13563 Einsätze übrig, bei denen NEFs von der Leitstelle zum Einsatzort disponiert wurden. Von diesen wurde ungefähr jeder 5. als nicht indiziert bewertet.

Abbildung 12: Einsatzindizierung bei NEF-Einsätzen in der Steiermark

Dieser Anteil an nicht indizierten Einsätzen deckt sich ungefähr mit den vergleichbaren Daten aus Kärnten, wie bereits oben zu sehen ist. Der weitaus interessantere Vergleich ist die Verteilung der Einsätze über dem NACA Score, aufgeschlüsselt nach den gesamten Einsätzen, den indizierten Einsätzen und den nicht indizierten Einsätzen.

Einsatzart NACA-Score

Gesamt Indizierte Einsätze

Nicht indizierte Einsätze

NACA I 11,09% 6,72% 29,12% NACA II 16,13% 6,74% 54,92% NACA III 36,80% 42,49% 13,28% NACA IV 15,98% 19,78% 0,26% NACA V 6,59% 8,14% 0,19% NACA VI 2,64% 3,26% 0,08% NACA VII 10,77% 12,86% 2,16% Tabelle 11: Aufschlüsselung der Einsätze nach dem NACA-Score

Dabei ist zu verzeichnen, dass analog zu den Ergebnissen aus Kärnten der Anteil der nach dem NACA-Score mit dem Schweregrad I oder II beurteilten Einsätzen bei den nicht indizierten Fahrten deutlich höher als bei den indizierten Fahrten ist. Der Anteil der NACA IV bis VI Fahrten an den nicht indizierten Einsätzen ist

80,51%

19,49%

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

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70,00%

80,00%

90,00%

Ja Nein

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hingegen vernachlässigbar. In Diagrammform präsentieren sich oben genannte Ergebnisse wie folgt:

Tabelle 12: Grafische Aufschlüsselung der Einsätze nach dem NACA-Score

Diese Grafik zeigt, dass sich, abgesehen vom Anteil der NACA VII Einsätze, die Einsätze über den NACA-Score aufgeschlüsselt einer Gauß’schen Verteilung mit einem Maximum um NACA III annähern. Dies bestätigt langjährige Erfahrungen aus dem Rettungsdienst unabhängig vom Standort. Bei der Verteilung der Einsätze im Anteil der indizierten bzw. nicht indizierten Fahrten kann allerdings keinesfalls mehr von einer Gauß‘schen Verteilung gesprochen werden. Die verhältnismäßig starken Anteile der NACA IV-VI Einsätze bei den indizierten Einsätzen sind bei den nicht indizierten Einsätzen so gut wie nicht vorhanden. Umgekehrt sieht man, dass recht kleine Anteile bei NACA I und II bei indizierten Fahrten (jeweils <10%) einem recht großen Pendant bei den nicht indizierten Fahrten (ca. 30% bzw. Ca. 50% Anteil) gegenüber stehen.

Bundesländervergleich Nach der Aufschlüsselung und Analyse der Daten aus den einzelnen Bundesländern werden nun in der Folge die Datensätze gemeinsam betrachtet. Der erste und vielleicht auch wichtigste Vergleich ist der Prozentsatz der Einsätze,

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

Gesamt Indizierte Einsätze Nicht indizierte Einsätze

NACA I

NACA II

NACA III

NACA IV

NACA V

NACA VI

NACA VII

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die als indiziert bzw. als nicht indiziert bewertet wurden. Dabei zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung 13: Vergleich der Einsatzindizierungen

Herangezogen wurden für diesen Vergleich nun die Datensätze wie in den einzelnen Kategorien oben bereits beschrieben. In Kärnten konnte der gesamte Datensatz verwendet werden, in der Steiermark wurde der Datensatz um die Einsätze der Jumbos und RTHs bereinigt, so dass eine reine NEF-Statistik übrig blieb, die mit den Daten aus Kärnten vergleichbar ist. In Zahlen ausgedrückt zeigt sich, dass sich bei der Bewertung der Einsätze durch die jeweiligen Notärzte kein signifikanter Unterschied ergibt.

Kärnten Steiermark Einsatz indiziert 81,54% 80,51%

Einsatz nicht indiziert

18,46% 19,49%

Tabelle 13: Vergleich der Fehleinsatzraten Der Chi-Quadrat Test für diese Kreuztabelle zeigt einen Wert der statistischen Signifikanz p von 0,42, womit bewiesen ist, dass sich die blanken Zahlen im Vergleich der beiden Leitstellen nicht signifikant unterscheiden. Obwohl in der Kreuztabelle nur jeweils 2 Merkmalsausprägungen verglichen wurden, kann angesichts des deutlichen Ergebnisses die Hypothese, dass sich die

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

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Einsatz indiziert Einsatz nicht indiziert

Kärnten

Steiermark

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Fehleinsatzraten bei Notarzteinsätzen der beiden Leitstellen signifikant unterscheiden, abgelehnt werden. Werden die Verteilungen über das NACA Schema der beiden Bundesländer verglichen, so zeigen sich teilweise interessante Unterschiede. Festzuhalten ist, dass in Kärnten nur 94,18% der Einsätze nach dem NACA-Schema bewertet wurden und die restlichen knapp 6% keine Berücksichtigung in folgenden Diagrammen finden können. Das erste Diagramm stellt die Verteilung über den jeweiligen gesamten Datensatz dar. Es zeigt sich eine zwar ähnliche, aber teilweise doch deutlich unterschiedliche Kurve, die sich vor allem bei den Einsätzen mit Bewertungen von NACA IV und NACA VII um bis zu 50% unterscheidet.

Abbildung 14: Vergleich der NACA Werte im Gesamtdatensatz

Das Diagramm zeigt, dass in Kärnten Notarzteinsätze tendenziell im NACA Schema höher bewertet werden, was sich vor allem in den Unterschieden zwischen NACA I + II bzw. NACA III+IV zeigt. Der doch deutliche Unterschied bei den Einsätzen mit Einstufung NACA VII lässt sich wohl am ehesten mit der Zahl der nicht bewerteten Einsätze im Kärntner Datensatz erklären. Vergleicht man die beiden Datensätze der Bundesländer hinsichtlich des statistischen Mittelwertes, so zeigt sich dabei kein großer Unterschied. Die graphisch sichtbaren Unterschiede (Abbildung 14) werden somit voneinander kompensiert und haben auf das statistische Werkzeug des Mittelwertes beinahe keinen Einfluss.

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5,00%

10,00%

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45,00%

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1 2 3 4 5 6 7

Kärnten

Steiermark

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Kärnten Steiermark Median 3 3 Arithmetischer Mittelwert

3,544 3,419

Tabelle 14: Vergleich Median und Mittelwerte Wenig überraschend zeigt sich im Kärntner Datensatz zwar ein tendenziell höherer Schweregrad auf dem NACA-Score, jedoch ist dieser weit weniger deutlich als in Abbildung 14 anzunehmen wäre. Der Median beider Datensätze ist mit dem Wert 3 übereinstimmend. In der weiteren Betrachtung sollen nun die Verteilungen über das NACA – Schema getrennt für als indiziert bzw. als nicht indizierte Einsätze betrachtet werden. Dabei wird für den Kärntner Datensatz wiederum vorausgeschickt, dass nicht alle Einsätze eine Rückmeldung hinsichtlich des NACA-Schemas gefunden haben und somit nur knapp 95% der Einsätze in der Folge berücksichtigt werden. Ebenso gab es bei den Kärntner Daten die Einschränkung, dass ein knappes Zehntel der Daten keine Einschätzung hinsichtlich der Indizierung hatten. Die Gruppe der Einsätze mit nicht angegebener Indizierung wird im Diagramm gesondert ausgewiesen. Vorerst sollen aber noch die NACA-Werte der indizierten Einsätze aus beiden Bundesländern gegenübergestellt werden.

Abbildung 15: Vergleich der indizierten Einsätze

0,00%

5,00%

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1 2 3 4 5 6 7

Kärnten

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Hier spiegelt sich auch das Bild des Gesamtdatensatzes wieder, nämlich, dass in Kärnten eine Mehrheit der Einsätze schwerwiegender eingestuft wurde, als im Vergleichsbundesland Steiermark. Insgesamt zeigt sich bei den indizierten Einsätzen im Vergleich der Bundesländer jedoch ein homogenes Bild. Der Anteil der mehr als doppelt so vielen indizierten Einsätze mit Einstufung NACA VII kann anhand des nächsten Diagrammes erklärt werden. Es zeigt sich, dass in der Steiermark Einsätze mit tödlichem Ausgang für den Patienten tendenziell eher als indiziert bewertet werden als in Kärnten, wobei sich in dieser Gruppe der Einsätze die fehlenden Angaben über die Indizierung in Kärnten deutlich gehäuft zeigen.

Abbildung 16: Vergleich nicht indizierter Einsätze

Hier zeigt sich im Vergleich ein auf den ersten Blick etwas inhomogenes Bild. Auffällig sind vor allem die Anteile der NACA IV und V Einsätze, die in Kärnten einen nicht unwesentlichen Anteil bei den nicht beurteilten Einsätzen hinsichtlich der Indizierung ausmachen. Bei den tatsächlich nicht indizierten Einsätzen zeigt sich im Vergleich der Bundesländer wiederum ein ähnliches Bild, lediglich die Einsätze der NACA-Stufen I und II bleiben in Kärnten hinter denen der Steiermark, was aber schon im Vergleich der Gesamtdatensätze aufgefallen war.

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10,00%

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60,00%

1 2 3 4 5 6 7

Kärnten, nicht indiziert Kärnten, nicht angegeben Steiermark, nicht indiziert

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Diskussion

Datengrundlage Kärnten Die Idee, die Landesleitstellen der Steiermark und Kärnten zu vergleichen, brachte zu Beginn relativ bald das Problem mit sich, dass zwar in der Steiermark, nicht aber in Kärnten adäquate Daten vorhanden waren. So musste vor Beginn der Analysen erst ein Konzept erarbeitet werden, um zu einem Datensatz, der Vergleiche zwischen Leitstellen zulässt, zu gelangen. Dies wurde in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Kärnten des Österreichischen Roten Kreuzes dankenswerterweise realisiert. Nach Erarbeitung eines Formulars zur Erhebung der relevanten Daten je Notarzteinsatz wurde an den NEF-Stützpunkten Kärntens jeder Einsatz über zwei Monate evaluiert. Dies brachte einen Datensatz von über 1000 Einsätzen, die zur Analyse zur Verfügung standen. Als Wermutstropfen der Datenaufnahme bleibt zu erwähnen, dass keine Daten aus der Landeshauptstadt Klagenfurt in die Analyse mit aufgenommen werden konnten. Die Evaluierung der Notarzteinsätze wurde dort durch den zuständigen Bezirksstellenleiter verhindert. Die Argumentation war, dass er die Notärzte vor einer Überstimmung durch die Notfallsanitäter hinsichtlich der Einschätzung der Indizierung eines Einsatzes schützen müsse. Der Grund dafür war, dass neben der Einschätzung des Notarztes je Einsatz auch die Einschätzung des Notfallsanitäters aufgenommen wurde. Dies hatte aber hauptsächlich den Grund, dass beim Entwurf des Feedbackformulars nicht klar war, ob die Daten auch noch an anderer Stelle benötigt werden, wobei die Einschätzung des Notfallsanitäters hinsichtlich Indizierung aus Sicht der Sanitätshilfe von Relevanz sein könnte. Für den Vergleich der Daten mit der Landesleitstelle Steiermark wurden selbstverständlich nur die Einschätzungen der Kärntner Notärzte verwendet, da diese vergleichbare Daten darstellen. Zur Datenaufnahme in Kärnten bleibt zu sagen, dass der große Rücklauf der Daten überraschend war, da bis auf vereinzelte Ausnahmen alle Einsätze dokumentiert wurden und nach Aussondern der nicht verwertbaren Einsätze (beispielsweise aufgrund von frühzeitigen Stornierungen oder fehlendem Patienten vor Ort) noch über 1000 Einsätze zur Analyse übrig geblieben sind.

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Limitierend ist zur Vergleichbarkeit der Daten zu erwähnen, dass das Notarztprotokoll in Kärnten 4 Klassifizierungen zur Indizierung eines Einsatzes zulässt. So können sowohl indizierte als auch Fehleinsätze in relativ und absolut kategorisiert werden. Im Zuge der Datenanalyse wurden jedoch die Kategorien „absolute Indikation“ und „relative Indikation“ zu indizierten Einsätzen zusammengefasst, während der „relative Fehleinsatz“ und der „absolute Fehleinsatz“ zu den nicht indizierten Einsätzen gezählt wurden. Sehr wesentlich erscheint auch die Aufnahme der Bewertung nach dem NACA – Score, der interessante Analysen und vor allem auch Rückschlüsse auf die nicht bewerteten Einsätze hinsichtlich der Indizierung zuließ. Es zeigte sich, dass sich die nicht bewerteten Einsätze über das gesamte Spektrum des NACA Scores verteilen, wobei die NACA Stufen V und VI davon ausgenommen scheinen. Diese Einsätze wurden nahezu zur Gänze als indizierte Einsätze bewertet und keiner davon wurde dezidiert zu den nicht indizierten Einsätzen gezählt. Die relative Normalverteilung der nicht bewerteten Einsätze über das NACA Schema, lässt also nicht darauf schließen, dass entweder besonders schwerwiegende oder besonders leichte Notfälle von den Kärntner Notärzten nicht bewertet wurden. Die Hauptfragestellung dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema strukturiertes Abfrageschema. Ein solches wird in der Kärntner Landesleitstelle in Form des AMPDS (Advanced Medical Priority Dispatch System) verwendet. Dabei muss aber erwähnt werden, dass auch in der Kärntner Leitstelle nicht jeder Notruf strukturiert abgefragt wird. So ergab sich aus den evaluierten Einsätzen zwar eine Mehrheit von 635 Einsätzen, die mit AMPDS bearbeitet wurden, allerdings blieben auch 378 übrig, die nicht strukturiert abgefragt wurden. Die Gründe dafür sind Alarmierungen durch medizinisches Personal oder anderer Einsatzorganisationen. Wird ein Einsatz von einem vor Ort befindlichen Arzt an die Leitstelle gemeldet, so wird mit diesem kein strukturiertes Interview geführt, sondern im Zuge eines freien Gesprächs nur die Hauptbeschwerde (vgl. Tabelle 2) ermittelt und dem Wunsch des Arztes nach einem Notarzteinsatzmittel Folge geleistet. Ähnliches passiert auch bei Verständigungen durch andere Einsatzorganisationen (Feuerwehr, Polizei) oder bei Nachforderungen durch vor Ort befindliche Einsatzmittel. Im letzteren Fall besteht häufig bereits ein Einsatzcode, der aber keinen Notarzteinsatz indiziert, so dass im Falle einer Nachforderung die bestehende Hauptbeschwerde zu einem Notarzteinsatz aufgewertet wird und somit nur die Dringlichkeit (vgl. Tabelle 3) in Richtung eines Einsatzes mit Notarzt verschoben wird.

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Die Ergebnisse der Kärntner Daten zeigten, dass ungefähr 80% der Einsätze als indiziert eingestuft wurden, was einem langjährigem Erfahrungswert und üblichem Wert entspricht. Übrig blieben ca. 10% eindeutig nicht indizierte Einsätze sowie ca. 10% an Einsätzen, bei denen keine Angabe über die Indizierung eines Einsatzes gemacht wurde. Dieser Anteil verteilt sich quer über das NACA-Schema (wie bereits oben erwähnt). Wird jedoch zu Vergleichszwecken die Einstufung über die Indizierung von Notärzten und Notfallsanitätern gegenübergestellt (siehe Abbildung 5), so fällt auf, dass sich die absoluten Zahlenwerte bei den indizierten Einsätzen nahezu decken, jedoch bei den nicht indizierten Einsätzen eine Diskrepanz besteht, die sich beinahe durch die nicht bewerteten Einsätze decken ließe. Die Verteilung über das NACA-Schema brachte wenige Überraschungen. So wurden Einsätze mit hohem NACA Wert tendenziell eher als indiziert bewertet als Einsätze mit NACA Werten unter III. Im Detail zeigt sich, dass die indizierten Einsätze erst ab der Einstufung NACA II beginnen und ab NACA IV nahezu alle Einsätze des Gesamtdatensatzes beinhalten. Umgekehrt zeigt sich bei den nicht indizierten Einsätzen, dass die Einstufungen NACA I und II eine eindeutige Mehrheit halten und die höheren NACA Wertungen ab der Einstufung NACA III so gut wie nicht mehr vorkommen (vgl. Abbildung 7).

Datengrundlage Steiermark In der Steiermark konnte auf ein fundiertes Feedbacksystem für Notarzteinsätze zurückgegriffen werden. Die Daten werden dort mittels eines online implementierten Systems von der Dienstmannschaft in eine Datenbank eingegeben. Die Idee bei der Installierung des Systems war es, den betreffenden Leitstellendisponenten ein Feedback zu den von ihnen disponierten Einsätzen zu geben und diesem im Rahmen einer Selbstreflexion die Möglichkeit zu bieten, die eigenen Entscheidungen und Vermutungen bestätigt zu sehen oder entsprechende Lehren für weitere Dispositionen zu ziehen. Die Daten stehen aber auch Analysen und Vergleichen zur Verfügung, so dass in dieser Arbeit auf einen beachtlichen Datensatz von über 30.000 Einsätzen, die mit einem Feedback versehen wurden, zurückgegriffen werden konnte. Allerdings handelte es sich nicht bei all diesen Einsätzen um Alarmierungen eines NEFs, so dass die Daten noch um die Einsätze von Hubschraubern und Jumbos reduziert werden mussten. Trotzdem blieb die stolze Zahl von über 10.000 Einsätzen allein aus NEF-Einsätzen übrig, die in die Analyse aufgenommen werden konnten.

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In den Daten aus der Steiermark finden sich bezüglich des NACA-Scores zwei Einträge pro Einsatz. Es wird nämlich der Patient jeweils am Einsatzbeginn und auch am Einsatzende eingeschätzt. Dies zeigt einen wesentlichen Unterschied zum Kärntner Modell, wo es dem Notarzt nur einmal möglich ist, eine Einschätzung nach dem NACA – Schema abzugeben. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass aber bei nahezu 90% der Einsätze die Einschätzung gleich blieb und der Großteil der Verschlechterungen auf primär nicht erfolgreiche Reanimationen zurückzuführen ist (vgl. Tabelle 9). Aus diesem Grund wurde für diese Arbeit die Entscheidung getroffen, nur einen der zur Verfügung stehenden Werte zu verwenden und mit den Kärntner Daten zu vergleichen. Die Entscheidung fiel auf den NACA-Wert bei Einsatzende, da erfahrungsgemäß im Vergleichsbundesland Kärnten die Einschätzung des Patienten auch am Einsatzende erfolgt und so die Datensätze vergleichbarer bleiben. Aufgeschlüsselt nach diesem NACA-Werten zeigte sich auch in der Steiermark eine nicht unübliche Verteilung der Einsätze. Die relative Mehrheit der Einsätze von über 35% haben die Werte NACA III inne, um diesen Wert bildet sich annähernd eine Gauß’sche Verteilung. Interessanter erscheint jedoch die Betrachtung der NACA-Werte bei indizierten bzw. nicht indizierten Einsätzen. Hier zeigte sich auch in der Steiermark, dass die Einsätze der Einschätzung NACA I und II sehr häufig als nicht indiziert eingestuft werden. Dies entspricht auch der gültigen Ausrückordnung, die einen Notarzteinsatz erst ab einem erwarteten NACA III vorsieht. Innerhalb der nicht indizierten Einsätze halten die Einsätze mit NACA I und II somit die eindeutige Mehrheit. Zu sehen ist auch, dass Einsätze, die einen NACA Wert von größer III aufweisen, so gut wie nie als nicht indiziert rückgemeldet werden. Bei den indizierten Einsätzen stellen NACA III Werte auch die Mehrheit, die höher eingestuften Einsätze des Gesamtdatensatzes finden sich beinahe zur Gänze in der Gruppe der indizierten Einsätze wieder. Ein analoger Vergleich zum Bundesland Kärnten von unterschiedlichen Arten der Notrufentgegennahme kann in der Steiermark nicht durchgeführt werden, da alle Notrufe im Sinne eines freien Gesprächs geführt werden und in keinem Fall ein strukturiertes Abfrageschema zur Verwendung kommt.

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Vergleich Landesleitstellen Die Idee zu dieser Arbeit beruhte auf dem Interesse, zwei Leitstellen zu vergleichen, die in der Notrufentgegennahme verschiedene Wege gehen. Die Kärntner Landesleitstelle hat mit der Eröffnung neue Ideen in das Leitstellensystem in Kärnten einfließen lassen und so wurde im Vergleich zu den Bezirksleitstellen, die durch die zentrale Leitstelle abgelöst wurden, auch die Notrufentgegennahme umgestellt und ein strukturiertes Abfrageschema eingeführt. Die Verantwortlichen versprachen sich damals eine nachvollziehbarere Disposition der Einsatzfahrzeuge und eine effizientere Nutzung derselben. In der Steiermark wurde kurze Zeit nach der Eröffnung der Kärntner Landesleitstelle derselbe Schritt gewagt – die Bezirksleitstellen wurden Schritt für Schritt von einer zentralen Landesleitstelle abgelöst. Hier wurde aber im Hinblick auf die Notrufabfrage weiter auf die Methode gesetzt, die schon in den Bezirksleitstellen Anwendung fand. Es werden hier nach wie vor frei gestaltbare Gespräche zur Informationsgewinnung geführt. Dies bedeutet nicht, dass die Mitarbeiter der Steirischen Leitstelle ohne Struktur in ein solches Gespräch gehen, sie werden aber nicht Schritt für Schritt bzw. Frage für Frage vom System durch das Gespräch geleitet. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Systemen der Notrufabfrage ist das Resultat am Ende des Gesprächs. Steht am Ende der strukturierten Abfrage im Kärntner System ein Einsatzcode fest, so muss in der Steiermark vom Calltaker erst „händisch“ die Dringlichkeit und Art des Einsatzes festgelegt werden. In der Steiermark erfolgt dies anhand von „red flags“, die im Indikationskatalog festgeschrieben sind und einen Notarzteinsatz zwingend erforderlich machen (vgl. Tabelle 4). Neben dieser Tatsache unterscheiden sich die beiden Landesleitstellen natürlich auch im Personal – kein einziger Mitarbeiter des Österreichischen Roten Kreuzes ist in beiden Leitstellen tätig. Diese Mitarbeiter werden jeweils nach den Vorgaben ihres Landesverbandes ausgebildet. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist die Tatsache, dass in der Landesleitstelle Steiermark neben hauptberuflichen auch ehrenamtliche Mitarbeiter Dienst versehen. In der Kärntner Leitstelle kommen ausschließlich hauptberufliche Mitarbeiter zum Einsatz. All diese Unterschiede können nicht separiert, sondern nur im Gesamtvergleich betrachtet werden. Es stellte sich die Frage, ob die ausschließliche Verwendung von hauptberuflichen Mitarbeitern in der Kombination mit einem strukturierten Abfrageschema einen Vorteil hinsichtlich der Fehleinsatzraten bei

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Notarzteinsätzen bringt. Die Art der Ausbildung wurde in diesen Daten gleichzeitig mit analysiert, kommt jedoch nicht gesondert zur Ansicht. Es zeigte sich, dass anhand der blanken Zahlen kein signifikanter Unterschied festgestellt werden konnte. Der Vergleich der Fehleinsatzraten brachte nur marginale Unterschiede und der Test auf statistische Signifikanz fiel ebenso negativ aus. Zu beantworten bleibt nun die Frage, welchen Unterschied es macht, nur hauptberufliche Mitarbeiter mit einem strukturierten Abfrageschema einzusetzen. Die Frage, ob hauptberufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter bessere oder schlechtere Ergebnisse in den Dispositionen bei Notarzteinsätzen erzielen, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht einfach beantworten. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich die Ergebnisse der beiden Bundesländer, die sich ja unter anderem im Einsatz von Ehrenamtlichen in der Landesleitstelle unterscheiden, nicht signifikant unterscheiden, was die Fehleinsatzrate bei Notarzteinsätzen betrifft. Dies spricht dafür, dass es absolut keinen Einwand gegen den Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeitern geben sollte, sofern die Ausbildungsvorgaben des steirischen Landesverbandes des Österreichischen Roten Kreuzes erfüllt sind, da die Durchmischung des Mitarbeiterstabes mit ehrenamtlichen Mitarbeitern dort keinen negativen Einfluss auf die Dispositionsqualität gezeigt hat. Viel wesentlicher erscheint die Frage, ob die Verwendung eines strukturierten Abfrageschemas, wie beispielsweise das AMPDS in Kärnten, sinnvoll erscheint. Hinsichtlich der Ergebnisse ergab sich ja kein signifikanter Unterschied bei den Fehleinsatzraten von Notarzteinsätzen. Es bleibt allerdings diskussionswürdig, ob der Einsatz eines strukturierten Abfrageschemas nicht trotzdem Vorteile bringen kann. Ein nicht abzustreitender Vorteil des AMPDS ist die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. Bei der gleichen Beantwortung der gestellten Schlüsselfragen wird im strukturierten Abfrageschema auch immer derselbe Einsatzcode erzeugt und somit auch immer dieselbe Ausrückordnung verwendet. Dieses nachvollziehbare System kann auch in Zeiten immer häufigerer forensischer Untersuchungen ein Vorteil sein und nimmt, bei Einhaltung aller Regeln des Systems, auch den einzelnen Leitstellenmitarbeiter aus der juristischen Angreifbarkeit. Dieses starre System kann auch den Vorteil haben, Mitarbeiter einzusetzen, die wenig oder gar keine Erfahrung mit dem Rettungsdienst haben und so das

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Spektrum zu erweitern. Genau dieser Vorteil kann aber auch ein massiver Nachteil sein, da sehr oft die Erfahrung eines Leitstellenmitarbeiters im aktiven Rettungsdienst dazu führt, einen erhaltenen Einsatzcode nach eigenem Ermessen, oft basierend auf einem Bauchgefühl, aufzuwerten und mehr oder höherwertige Einsatzmittel zum Einsatzort zu entsenden. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass basierend auf den Daten dieser Arbeit kein zwingender Vorteil für ein strukturiertes Abfrageschema darstellbar war. Empfehlenswert wäre allerdings die Installation eines dem Steirischen ähnlichen Feedbacksystems in Kärnten zur laufenden Gewinnung von einsatzrelevanten Daten der Notarzteinsätze. Denkbar wäre es, mittelfristig bei besserer Datenlage nochmalig die beiden Landesleitstellen zu vergleichen. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur besseren Qualitätssicherung wäre, die Angaben der Indizierung von 4 Kategorien derzeit (absoluter und relativer Fehleinsatz bzw. absolute und relative Indikation) auf die Klassifizierung „indiziert“ und „nicht indiziert“ zu reduzieren. Auch sollte im Zuständigkeitsbereich der Landesleitstelle Kärnten besser darauf geachtet werden, die notwendigen Angaben (NACA-Einstufung, Angabe über Indizierung) bei allen Einsätzen zu machen, um in Zukunft einen qualitativ hochwertigeren Datensatz zu erhalten. Abschließend bleibt zu sagen, dass wohl beide Landesleitstellen gute Arbeit leisten, obwohl in einigen Bereichen unterschiedliche Wege eingeschlagen werden. Trotz dieser Unterschiede zeigten sich weder zur einen noch zur anderen Seite hin signifikante Unterschiede hinsichtlich der Fehleinsatzraten bei Notarzteinsätzen.

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