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EIN ETWAS ANDERER BLICK AUF DIE RECHTSWISSENSCHAFTEN, VORGELEGT DURCH DIE KRITISCHEN JURASTUDIERENDEN DER UNIVERSITÄT HAMBURG Grundlagen des Weges weg vom „Jura-Repititorium“ zur kritischen Rechtswissenschaft aus Studentischer Perspektive Sowie Stellungnahme zu den Vorschlägen des Weißbuchs Novelle zu Studium und Schwerpunktbereich des Studiengangs Erste Juristische Prüfung von Prodekan Prof. Dr. Schmehl I. Grundsätzliches Die Gruppe der kritischen Jurastudierenden möchte die aktuelle Diskussion um eine Studienreform und die Vorschläge des Weißbuchs von Prof. Dr. Schmehl als Anlass nehmen, um den Blick auf das Studium der Rechtswissenschaft im Ganzen und ihre Grundsätze zu werfen. Die Rechtswissenschaft kann auf eine zweitausendjährige Geschichte zurückblicken, die zahlreiche denkbare Höhen und Tiefen erlebt hat. Nicht umsonst ist die deutsche juristische Ausbildung mit ihren Staatsexamina weltweit geschätzt, so hoch ist ihr Anspruch doch an den Studenten und seine systematische Kenntnis des Rechts. Wir fragen uns jedoch, ob das heutige Jurastudium sich nicht zu sehr der Ausbildung eines „Paragraphenreiters“, eines mechanischen Rechtstechnikers, verschrieben hat und die Fakultät eher einer Karriereschmiede als einer Universität gleicht. - Was bedeutet uns Bildung ? - 1911 stiftet ein Reeder und Kaufmann das Hauptgebäude der Universität und widmete es der Forschung, der Lehre und der Bildung. Er hoffte auf die Schöpfung großer, zukunftsbedeutsamer Kulturarbeit 1 . Was heißt Bildung für uns heute nach den berühmten PISA-Studien, wie gedenken wir sie umzusetzen? Bildung ist die Formung des Menschen hinsichtlich seiner geistigen, seelischen, kulturellen und sozialen Fähigkeiten, in weiterem Sinne die lebenslange Eigentätigkeit und Selbstbestimmung des sich gezielt bemühenden Menschen. Wilhelm von Humboldt definierte Bildung als die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen. Die Hamburger Universität verschreibt sich selbst der Bildung mündiger Menschen, der wissenschaftlichen Freiheit in gesellschaftlicher Verantwortung, der fächerübergreifenden Kooperation und der Offenheit des Zugangs zu Bildung und Wissenschaft. „Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.2 Die Einführung des Bachelor-Master-Systems, die auch in den Rechtswissenschaften mittels der 1 http://webopac0.hwwa.de/DigiJPG/P/16525/P165250003000000H.jpg 2 http://www.uni-hamburg.de/UHH/leitbild1.html

Studienreform Jura

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EIN ETWAS ANDERER BLICK AUF DIE RECHTSWISSENSCHAFTEN, VORGELEGT DURCH DIE KRITISCHEN JURASTUDIERENDEN DER UNIVERSITÄT HAMBURG Grundlagen des Weges weg vom „Jura-Repititorium“ zur kritischen Rechtswissenschaft aus Studentischer Perspektive Sowie Stellungnahme zu den Vorschlägen des Weißbuchs – Novelle zu Studium und Schwerpunktbereich des Studiengangs Erste Juristische Prüfung von Prodekan Prof. Dr. Schmehl

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EIN ETWAS ANDERER BLICK AUF DIE RECHTSWISSENSCHAFTEN,

VORGELEGT DURCH DIE KRITISCHEN JURASTUDIERENDEN DER UNIVERSITÄT HAMBURG

Grundlagen des Weges weg vom „Jura-Repititorium“ zur kritischen Rechtswissenschaft aus Studentischer

Perspektive

Sowie Stellungnahme zu den Vorschlägen des Weißbuchs – Novelle zu Studium und

Schwerpunktbereich des Studiengangs Erste Juristische Prüfung von Prodekan Prof. Dr. Schmehl

I. Grundsätzliches

Die Gruppe der kritischen Jurastudierenden möchte die aktuelle Diskussion um eine Studienreform und die

Vorschläge des Weißbuchs von Prof. Dr. Schmehl als Anlass nehmen, um den Blick auf das Studium der

Rechtswissenschaft im Ganzen und ihre Grundsätze zu werfen. Die Rechtswissenschaft kann auf eine

zweitausendjährige Geschichte zurückblicken, die zahlreiche denkbare Höhen und Tiefen erlebt hat. Nicht

umsonst ist die deutsche juristische Ausbildung mit ihren Staatsexamina weltweit geschätzt, so hoch ist ihr

Anspruch doch an den Studenten und seine systematische Kenntnis des Rechts.

Wir fragen uns jedoch, ob das heutige Jurastudium sich nicht zu sehr der Ausbildung eines

„Paragraphenreiters“, eines mechanischen Rechtstechnikers, verschrieben hat und die Fakultät eher einer

Karriereschmiede als einer Universität gleicht.

- Was bedeutet uns Bildung ? -

1911 stiftet ein Reeder und Kaufmann das Hauptgebäude der Universität und widmete es der Forschung, der

Lehre und der Bildung. Er hoffte auf die Schöpfung großer, zukunftsbedeutsamer Kulturarbeit1. Was heißt

Bildung für uns heute nach den berühmten PISA-Studien, wie gedenken wir sie umzusetzen? Bildung ist die

Formung des Menschen hinsichtlich seiner geistigen, seelischen, kulturellen und sozialen Fähigkeiten, in

weiterem Sinne die lebenslange Eigentätigkeit und Selbstbestimmung des sich gezielt bemühenden

Menschen. Wilhelm von Humboldt definierte Bildung als die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit

diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und

Persönlichkeit führen. Die Hamburger Universität verschreibt sich selbst der Bildung mündiger Menschen,

der wissenschaftlichen Freiheit in gesellschaftlicher Verantwortung, der fächerübergreifenden Kooperation

und der Offenheit des Zugangs zu Bildung und Wissenschaft. „Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in

der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung

auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein

öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.“2

Die Einführung des Bachelor-Master-Systems, die auch in den Rechtswissenschaften mittels der

1 http://webopac0.hwwa.de/DigiJPG/P/16525/P165250003000000H.jpg

2 http://www.uni-hamburg.de/UHH/leitbild1.html

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Zwischenprüfung Einzug gehalten hat, sowie eine Prüfungskultur, die zunehmend nur noch auf das

massenhafte Abprüfen von auswendig gelerntem Wissen ausgerichtet ist, widerstreben diesem Anliegen von

Bildung.

- Was bedeutet uns Rechtswissenschaft ? -

Angelehnt an den klassischen Begriff von Bildung fordern wir von der rechtswissenschaftlichen Fakultät,

oben genannte Grundsätze ernst zu nehmen und die Studien-Reform an ihnen auszurichten: die Idee eines

interessegeleiteten Studiums sollte gelten, das den Studenten zu einem verantwortungsbewussten Juristen,

einem kritischen Entscheidungsträger reifen lässt, der sowohl die Rechtstechnik systematisch anwenden

kann, aber auch das Recht im Zusammenhang und in seiner Bedeutung erkennt. Es bedarf dabei vor allem

einer Stärkung der nichtexegetischen Fächer, die in den vergangenen Jahrhunderten einen wesentlich

höheren Stellenwert als heute hatten. Der gegenwärtige Studienrahmen ist im Angesichte historischer

Geschehnisse und geistiger Errungenschaften von Werten in hohem Maße bedenklich (s. Prof. Dr. Christoph

Möllers 3).

Die Vorgabe des Hamburger Juristen Ausbildungsgesetzes, den universitären Teil des Examens vor dem

staatlichen ableisten zu müssen, und auch die finanzielle Ausstattung in dieser Hinsicht stellen einen Eingriff

in den angestrebten Lernprozess des Studenten, seine Mündigkeit, und vor allem in die Offenheit des

Zugangs zu Bildung dar.

Um den Ansprüchen an eine solche Bildungsauffassung gerecht zu werden, darf das Argument des

eingeschränkten finanziellen Rahmens nicht ins Felde der Diskussion geführt werden. Bei der Ausarbeitung

eines Reform-Vorschlags dürfen keine „Denk-Verbote“ herrschen, sondern es müssen Probleme und

Lösungen benannt werden. Hinter Zielen und Erfolgen steht die Idee an sich, nicht ihre Finanzierbarkeit.

Diese Entwicklung – weg von anerkannten Prinzipien hin zu Effizienz und Ökonomie – durchzieht seit

längerer Zeit und in zunehmender Weise sämtliche Felder, so auch die Rechts: zu denken ist mitunter an das

Strafrecht mit seinen Urteilsabsprachen und die Privatisierung von Haftanstalten. Es handelt sich dabei um

eine in der Jurisprudenz wohlbekanntes Totschlag-Argument, dessen Berechtigung sehr bedingt ist.

Hier muss das Weißbuch bspw. in einem Vorwort deutlichere Worte dafür finden, wie ideale Bedingungen

aussehen und in wie weit der bestehende Zustand an der Fakultät diesem nicht gerecht wird (Unser jährliches

Defizit aufgrund von eklatanten Kürzungen ist nicht hinnehmbar und degradiert zum fremd-geschaffenem

Mängel-Verwalten). Wir wünschen uns in diesem Sinne auch mehr Geld für mehr Professuren, Personal,

Lehrmittel, Mitwirkung an der Finanzmittelverteilung. Kostspielige Umbauten der Fakultät sollten keinen

Vorrang haben.

II. Leitbild

Als wichtigen Meilenstein einer Reform, die ihren Namen verdient, erachten wir daher aus dieser Vorstellung

3 http://verfassungsblog.de/acht-thesen-zur-juristerei-als-wissenschaft/

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von Bildung, wie sie auch der akademische Senat wiederholt artikuliert und das Leitbild der Uni festschreibt

(s.o.), ein Leitbild der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zu entwickeln.

Dies erscheint beim Erarbeiten von „konkreten Lösungen und Änderungen“ vielleicht nachrangig und

überhöht, ist es jedoch keinesfalls. Damit die Reform nicht nur ein weiteres kurzsichtiges Umgraben des

universitären Gartens wird, wie es der Dekan vor kurzem nannte, sondern Grundstein einer positiven

Entwicklung der Fakultät, muss eben diese Entwicklung als Vision der Rechtswissenschaften in einem

Leitbild umrissen werden.

Dies ist ein ernst zu nehmender Prozess, der auf breiter Basis und demokratischen Verfahren (auch)

außerhalb des Fakultätsrates beruhen muss. Daher möchten wir vorliegend nur in Ansätzen unsere Vision

schildern und fordern im Übrigen, dass der Fakultätsrat diesen Prozess anstößt.

Warum ein rechtswissenschaftliches Leitbild?

Seit Anbeginn der „Juristerei“ begleitet Sie (auch) ein negatives Bild des gerechtigkeitsfernen, tendenziell

unmenschlichen Paragraphen-Technikers der für genügend Geld wohl in „jedem Sattel reiten kann“ (Kant).

Das erschreckende historische Beispiel vom nahtlosen Übergang und Funktionieren des Rechtsapparats der

Weimarer Republik in die Diktatur der Nationalsozialisten bestätigt die Berechtigung dieser Kritik zutiefst.

Das Grundgesetz wurde geschaffen um einen solchen Fehler für immer zu verhindern und gab dem Recht

eine vollkommen neue Basis. Die Kontinuität von faschistischen Hochschullehrern, Richtern und

gesellschaftlichen Eliten verhinderte jedoch über Jahrzehnte, dass diese Grundsätze auch zu voller Geltung

gelangten (wie bspw. die Kommunisten-Verfolgung zeigte) was somit ein weiteres historisches Beispiel

dafür ist, wie sehr Recht in den Händen seiner Anwender liegt.

Doch auch die aktuelle Situation ist bedenklich. Die Bildung von Großkanzleien, deren Macht so weit reicht,

dass sie mitunter Gesetze der Regierung mit-formulieren, der Umgang mit Flüchtlingen, die Disposition der

Gerechtigkeit in „Deals“ und Verfahren nach § 153 a StPO nur um einige Entwicklungen zu nennen, machen

Recht immer offener zum Recht des Stärkeren.

Als Konsequenz muss daher die Ausbildung der Rechtsanwender ins Zentrum der Aufmerksamkeit der

Bemühungen rücken, die dem Grundgesetz zur Geltung zu verhelfen wollen. Es ist die Basis des Rechts und

sollten dies dementsprechend auch im Rechtswissenschaftlichen Studium sein. Die enorme Verantwortung

die Juristen und Juristinnen in Gerichtssälen, Parlamenten und Firmen tragen, kann im Studium nicht

ausgeblendet bleiben. Die Lehren der Geschichte müssen auch auf die weitgehend unverändert gebliebene

Juristische Ausbildung angewandt werden.

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Status Quo & wie es sein sollte

Hier besteht ein fundamentaler Nachholbedarf: Nirgendwo auf der Website der Fakultät, im jährlich

herausgegebenen Studienführer, in keinem der einschlägigen Verordnungen/Gesetze (Studienordnungen ,

HmbJAG) und in auch sonst keiner einzigen verteilten Publikation ist ein Wort zur besonderen

Verantwortung der Juristen zu finden. Neben der Betonung dieser Verantwortung sollte auch der

übergeordneten Bedeutung der drei Grundprinzipien Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip

mehr Raum gegeben werden. Diesem massiven Defizit der Juristenausbildung muss begegnet- und ein

Lernen der Systematik durch ein Verinnerlichen dieser Grundprinzipien erst vervollständigt werden. Das

einmalige Erlernen im Staatsorganisationsrecht und spätere bloße Erwähnen wird ihrer Tragweite nicht

gerecht.

So heißt es beispielsweise im Leitbild der Uni Hamburg4:„Sie wollen zur Entwicklung einer humanen,

demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung

und Wissenschaft eröffnen.“ Die einzige Einrichtung der Fakultät die momentan ein Leitbild hat, ist der

Think Tank Lehre.5

Eine Studienreform, die nicht auch diese drei Grund-Prinzipien des Grundgesetz als zentrale Elemente eines

„fertigen“ Juristen formuliert, sondern das Ziel auf die Erlernung von Systematiken beschränkt, ist

unverantwortlich und mit den o.g. Lehren aus der Geschichte der Rechtsanwendung in Deutschland nicht

vereinbar. So sind die allermeisten Juristen nach dem Studium genauso nicht in der Lage wie vorher, den

Begriff des Rechts reflektierend zu problematisieren.6

Neben Rechtswissenschaft mit Staatsexamen sollte auch die Rechtswissenschaft als „echte“ voll-universitäre

Gesellschaftswissenschaft angeboten werden, um einen von den Ansprüchen des JAG unabhängigen eigenen

fruchtbaren Wissenschaftsraum zu bieten. Einen solchen Studiengang gibt es beispielsweise in Dresden an

der TU, genannt „Law in Context“, der durch seine interdisziplinäre Ausrichtung einen anderen Blick auf die

Rechtswissenschaft wirft.7 Dieser Fachbereich würde auch positiv dazu beitragen, die notwendige

Reflexion/Human-Wissenschaftlichkeit im Rechtswissenschaftlichen Studium mit Staatsexamen zu

erreichen.

Idee des „Hippokratischer Eid der Juristen“

Eine Art, die übergeordnete Bedeutung der Grundprinzipien und gesonderte Verantwortung für die

Studierenden greif- und erlebbar zu machen, wäre unserer Ansicht nach ein Eid.

Bei den Medizinern, die eine ähnlich hohe gesellschaftliche Verantwortung tragen wie die Juristen, ist die

Verpflichtung zur Verantwortlichkeit im Umgang mit dem so mächtigen Wissen in Form eines Schwurs

4 http://www.uni-hamburg.de/UHH/leitbild1.html

5 http://www.jura.uni-hamburg.de/think-tank-lehre/leitbild/

6 http://www.jura.uni-passau.de/881.html

7 http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/juristische_fakultaet/studium/bachelor_laws/konzept

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Jahrtausende alte Tradition. Vielleicht ist es an der Zeit, dass auch die Juristen sich ihrer aus ihrem

besonderen Wissen erwachsenen Macht verantwortungsvoll in einem Bekenntnis auf die drei

Grundprinzipien des GG bekennen.

III. Inhaltliche Ausrichtung

Dieses Leitbild müsste sich durch die Studienreform auf den konkreten Inhalt des rechtswissenschaftlichen

Studiums auswirken. Da aber eben dieses noch nicht besteht, wollen wir uns entlang der oben entworfenen

Richtlinien bewegen und schlagen folgende Änderungen vor:

Wenn man den Grundsatz eines interessegeleiteten Studiums ernst nimmt, müssen Verpflichtungen abgebaut

-und Angebote ausgebaut werden. Inhaltlich würde dies bedeuten, den Studierenden ein breiteres Angebot zu

unterbreiten. Zu überlegen wäre beispielsweise Lehrveranstaltungen in Grundlagen, Vertiefung und ggf.

Praxis/Kritik aufzuspalten und so den Studierenden eine Interesse geleitete Schwerpunktsetzung zu

ermöglichen. Dies würde das Lehrklima auch für die Lehrenden deutlich verbessern.

Die Grundlagenfächer und die Hausarbeiten müssen deutlich mehr Gewichtung finden, um das Studium

wieder wissenschaftlicher zu machen. Zudem ist die kritische Auseinandersetzung mit Prinzipen und ihren

Grundlagen ist Grundbedingung für Fortschritt und Weiterentwicklung. Querdenken und interdisziplinäre

Fächer müssen durch die Studienreform gestärkt werden, sowohl inhaltlich als auch methodisch.

Grundlagenfächer könnten in „Säulen“ wie Geschichtliche, Reflexive- und Gesellschaftswissenschaftliche

Behandlung des Rechts gegliedert werden. So könnte dann der Erwerb von 3 Scheinen aus mindestens 2

Säulen verpflichtend sein.

Es sollte ein Schwerpunkt „Grundlagen des Rechts“ eingerichtet werden, um Studenten die Möglichkeit zu

geben, sich interdisziplinär mit dem Recht auseinanderzusetzen und „verantwortliche“ Rechtstechniker

auszubilden, die einen Blick für das Ganze haben. Einige Universitäten in Deutschland bieten einen solchen

Schwerpunkt erfolgreich an, so die Uni Passau8, FU Berlin

9, HU Berlin

10, Uni Bremen

11, Uni Kiel

12.

Es wäre ein großer inhaltlicher Gewinn, wenn Studenten selbst entscheiden könnten, ob sie den Schwerpunkt

vor- oder nach dem ersten Staatsexamen ablegen wollen. Das Erlernen der im Staatlichen Examen geprüften

Gegenstände endet nach dem Hauptstudium und muss nach dem Schwerpunkt mühsam wieder

aufgenommen werden. Unabhängig von konkreten Überlegungen kommt die Verpflichtung, den

Universitären Teil vor dem staatlichen zu prüfen, einem tiefen Eingriff in das Recht der Fakultät gleich, seine

Studienordnung selbst zu bestimmen. Im Ergebnis ist das Studium ab spätestens dem sechsten Semester vom

Gesetzgeber „fremd-bestimmt“.

8 http://www.jura.uni-passau.de/881.html

9 http://www.jura.fu-berlin.de/studium/vorschriften/rechtswissenschaft/hauptstudium/sb_1/index.html

10 http://www.rewi.hu-berlin.de/sp/sp/sp1

11 http://www.jura.uni-

bremen.de/typo3/cms405/fileadmin/PDF_dateien/WISE2010/Schwerpunkt/SchwerpunktGrundlagendesRechts.pdf

12 http://www.jura.uni-kiel.de/StuPrue/StudiOrga/schwerpunkt/die-schwerpunktbereiche-stand-2011.pdf (SP 7)

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Das WB sieht eine weitere Förderung von Eidra vor, was unterstützenswert ist. Diese sollte ergänzt

werden um eine weitere Stärkung der OE und Anregungen auch Vorlesungen einer anderen Fakultät

zu besuchen. Widersprüchlich ist hier, dass gerade im ersten Semester nach Studienplan der

Arbeitsaufwand größer ist als im Zweiten (s. Tabellen im Anhang des Weißbuchs). Wissenslust und

Interesse am Lernen sollte nicht durch ein überwältigendes Pflichtprogramm abgewürgt werden.

Reflektierenden Veranstaltungen zum Thema Recht, wie u.a. Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie

und Recht im NS-Staat sollten erweitert und in ihrer fundamentalen Bedeutung für einen

verantwortlichen, im Geiste des GG stehenden Umgang mit Recht gestärkt werden (siehe Leitbild).

Die Grundlagenscheine sollten, wie im Weißbuch vorgeschlagen auf zwei im Grundstudium, und

einem im Hauptstudium ausgebaut werden. Zusätzlich sollte der o.g. Vorschlag zur Gliederung in

Säulen eingeführt werden.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass zwei Fächer in einer Prüfung zusammengefasst und so die

Zusammenhänge der Rechtsgebiete hervorgehoben werden. Besorgniserregend ist jedoch, dass die

pflichtmäßig abgeprüfte Stofffülle nicht reduziert wird, sich somit der Verdacht aufdrängt, dass hier

lediglich eine Entlastung der Professoren beabsichtigt wird. Diese Gefahr ist erst zu nehmen und

sollte im Weißbuch Erwähnung finden. Die Idee aus Punkt II b) bb) zwei vollwertige Klausuren

anzubieten ist daher sehr zu unterstützen und sollte darum ergänzt werden, auch jeweils einen der

beiden abgeprüften Fächer als Schwerpunkt der Prüfung anzukündigen, um die Studierenden in ihrer

Prüfungsvorbereitung zu entlasten.

Engagement befördern: Die Orientierungs-Einheit muss die Studierenden auch auf ihre Aufgaben als

Teil der der demokratischen, verfassten Studierendenschaft vorbereiten. Es müssen auch weitere

Wege gefunden werden um Studentisches Engagement und kritische Reflexion zu befördern,

Wahlbeteiligungen von um die 20% sind ein Schande für die Universität.

IV. Methodische Ausrichtung

Der Anspruch einer juristischen Ausbildung, die sich mehr an Verantwortung und kritischer

Auseinandersetzung orientiert, wirft unweigerlich die Frage nach methodischen Neuerungen auf.

- Orientierung geben -

Studenten kommen seit dem Abitur nach 12 Jahren und dem Wegfall des Wehr-/Zivildienstes mit weniger

Lebens- und Lernerfahrung an die Universität. Es ist unangemessen, ihnen Bildung nur mittels mehr oder

minder frontalen – abhängig von der Lehrfreiheit der Professoren – Vorlesungen zu vermitteln.

Es muss Wissenslust angeregt und Interesse zu wecken. In der Schulbildung sind verschiedene

Lernmethoden von weitaus größerer Wichtigkeit und gehören fest zum Lehrplan.

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Den Funktion der Diskussion und tiefergehenden Auseinandersetzung erfüllen teilweise die

Arbeitsgemeinschaften, das Ausbauen der Veranstaltung „Einführung in das rechtswissenschaftliche

Arbeiten“ ist in diesem Zusammenhang sehr zu schätzen. Allerdings lässt die interdisziplinäre und vielfältige

Methodik noch zu wünschen übrig.

- Kooperation und Diskurs fördern -

Es sollte auf eine Zusammenarbeit statt eines Konkurrenzdrucks unter den Studenten hingearbeitet werden,

sodass ein Herausreißen der Seiten aus Büchern in der Bibliothek um dem anderen wichtiges Wissen

vorzuenthalten, weniger attraktiv wird. Der Jurist kommt als unverbesserlicher Einzelkämpfer in der

Berufswelt nicht weit.

Denkbar sind Seminare, wie sie in anderen Fächern üblich sind, die schon im Grund- und Hauptstudium

verpflichtend angeboten werden. Auch sind Vortrags- und Diskussionsrunden wünschenswert, damit der

Student sich in mündlichen Auseinandersetzen behaupten und eigene Ergebnisse präsentieren und

verteidigen lernt. Praxisausflüge und Verhandlungssimulationen/Moot Court sollten ebenfalls feste

Bestandteile des Studiums sein.

Die Schlüsselqualifikation ist ein erster Schritt, jedoch sollte ihre Bedeutung gestärkt werden und sie nicht in

einem nur dreitägigen konzentrierten Seminar abzuleisten sein. Vielmehr sollte sie das Studium regelmäßig

begleiten, so dass Zeit für bspw. Hausarbeiten und Vor- sowie Nachbereitung bleibt. Eine Möglichkeit wäre,

zum Erwerb mehrerer solcher Scheine zu verpflichten und deren Gestaltung flexibel zu ermöglichen, damit

der Student frei entscheiden kann, mittels welcher Projekte er sich methodisch anders bildet und neuartige

Fähigkeiten und Blickwinkel kennenlernt.

- Prüfungen neu Denken –

Das Problem des Überprüfens solcher Leistungen stellt dabei eine Herausforderung dar. Die für das Studium

typische Fall-Klausuren bereiten zwar auf das Staatsexamen vor, haben jedoch mit realistischen

Lebenssituationen sehr wenig zu tun. An keinem Arbeitsplatz dieser Welt müssen die Angestellten ein

Problem lösen, ohne dabei nicht auch jede nur erdenkliche Informationsquelle zu Rate zu ziehen zu können.

Dies sollte durch modernere Prüfungsformen wie der Open Book/Koffer Klausur kompensiert werden. Dies

könnte beispielsweise sehr leicht hergestellt werden, indem Kommentare in Prüfungen ausgegeben werden.

Allerdings lassen sich auch mündliche Diskussionsbeiträge mit Noten bewerten. Andererseits könnten auch

mündliche Prüfungen eine solche Funktion erfüllen. Zusammen erarbeitete Projekte könnten in Vorträgen

vorgestellt werden.

Eine methodisch abwechslungsreichere Gestaltung des Studiums kann die Bildung wesentlich effektiver

machen und eine – wie in den Tabellen im Anhang des Weißbuchs für das erste Semester beispielsweise

vorgesehen – 41-Stunden-Woche tatsächlich ermöglichen. Anderenfalls ist die tägliche Aufnahmefähigkeit

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eines Menschen für Wissen mit einem solchen Pensums völlig überfordert und ebendiese Forderung

überzogen.

- Freiraum -

Eine weitere Forderung ist die nach einem längst fälligen Freiraum im Rechtshaus. Unsere Fakultät ist die

einzige, in der Studenten kein selbstverwaltetes Café oder wenigstens ein nach ihren Vorstellungen

gestaltbaren Freiraum haben. Die steinernen Bänke sind für längeres Sitzen und Diskutieren nicht einladend.

Unterhaltungen werden im Flur, vor dem Infotresen oder den Toiletten geführt. Der FSR-Raum wird meist

nur für die Einsicht in Klausuren oder Hausarbeiten genutzt – während der beschränkten Öffnungszeiten.

Ein studentischer Freiraum ist für einen Wandel der Atmosphäre und an der Fakultät unerlässlich, da er

Raum für Diskussion gibt und so Begeisterung für das Fach weckt, sich dort studentische Initiativen bilden

und treffen könnten und er Begegnungen im sonst sehr anonymen Rechtshaus ermöglicht. Unser Konzept

beinhaltet:

einen Raum im Rechtshaus, der mindestens Platz für 15 Studierende bietet

eine Selbstverwaltung durch eine kleine Gruppe Studierender unabhängig einer politischen Richtung

und unabhängig vom FSR

Raum für Veranstaltungen wie Diskussionsrunden, Vorträge, Filmvorführungen etc.

möglicherweise Kaffeeverkauf zu Selbstkostenpreisen

eine alternative Jurabibliothek

gemütliche Sitzecken

Die methodischen Neuerungen bedeuten zusammengefasst:

die Orientierung der Studenten in den ersten Semestern zu stärken

Interesse und Wissenslust durch alternative Lehrveranstaltungen und Projekte zu fördern

dementsprechend verschiedenartige Formen der Leistungsüberprüfung einzuführen

den Studenten Raum für Eigeninitiativen zu geben, u. a. mittels des Freiraums

V. Zeitliche Aspekte

Eine Abkehr von der bisherigen Zeitplanung im Jurastudium ist dringend notwendig: Grund- und

Hauptstudium sollen in fünf Semestern, sprich zweieinhalb Jahren, abgeleistet werden. In dieser Zeit soll der

Student alle wesentlichen Fächern der Rechtswissenschaft erlernen. Dies entspricht noch nicht einmal der

Zeit eines Bachelor-Studiums. Danach soll er in einem Jahr den Schwerpunkt studieren, der zumeist mit dem

bisher Erlernten wenig zu tun hat. In seinem letzten Studienjahr bereitet er sich dann auf das Examen vor,

wobei es an sich um eine systematische Wiederholung des Gelernten geht. Stattdessen aber muss der Student

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vieles neu lernen, da er innerhalb eines Jahres sich mit anderem Stoff, nämlich seinem Schwerpunkt

beschäftigt hat, oder er hört einiges zum ersten Mal, da er in den zweieinhalb Jahren vorher keine Zeit hatte,

alles zu lernen. Eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Stoff ist außerhalb des Schwerpunkts und der

Hausarbeiten gar nicht möglich.

- Zwischenprüfung und Prüfungsumfang -

Die Zwischenprüfung mit ihren 15 Scheinen, die gerade einmal 42% der Studierenden in Regelstudienzeit

schaffen muss deutlich in ihrem Prüfungs-Umfang reduziert werden. Das Weißbuch sieht vor im

Grundstudium die Anzahl der Prüfungen auf 10 zu reduzieren, was wir unterstützen. Auch ist im Punkt II. d)

2) davon die Rede, zwei Grundlagenscheine verpflichtend vorzusehen was wir, auch entgegen dem Ziel der

Prüfungsreduzierung, sehr begrüßen würden. Überlegenswert erscheint auch im Grundstudium zwei- und im

Hauptstudium einen Grundlagenschein vorzusehen (s.o.).

Allerdings ist eine Entlastung des Studenten nicht nur in Prüfungsanzahl, sondern -umfang notwendig. Das

Weißbuch sieht in seinen Tabellen im Anhang zum Weißbuch ein Workload pro Woche von 41 h vor (erstes

Semester) vor. Ein solches Vollzeitstudium ist unverhältnismäßig in seiner Ausgestaltung – eine

Aufnahmefähigkeit von 8 h am Tag bei Frontalunterricht plus Lesen besteht nicht. Keine Arbeit erfordert ein

solches Pensum. Wir fordern eine Reduktion dieses Umfangs - keineswegs , damit die Studenten eine dolce

vita genießen können, sondern vielmehr anderweitig sich engagieren können, mit kritischer

Auseinandersetzung, für die sonst wenig Zeit bleibt. Andererseits wäre eine 41-Stunden-Woche möglich,

wenn auch andere Lernformen integriert und nur das Pflichtprogramm verringert würden. So könnte sich der

Student mit dem Fach näher beschäftigen, das er sich aussucht und müsste nicht alle Rechtsgebiete in ihrer

Breite erlernen. Ein interessegeleitetes Studium, das nicht nur den späteren Schwerpunkt der freien

Disposition überlässt, würde so ermöglicht.

- Der universitäre Teil des Staatsexamens, insbesondere sein Zeitpunkt -

Die Reihenfolge der Schwerpunktsprüfung vor dem staatlichen Examensteil ist aus verschiedenen Gründen

zu kritisieren: zum einen wird Erlerntes in dem Schwerpunktsjahr wieder vernachlässigt und vergessen, dass

für das Staatsexamen von großer Bedeutung ist. Es muss sich dann mühsam im Vorbereitungsjahr vor dem

Examen wiedererarbeitet werden. Das Schwerpunktstudium fußt in vielerlei Hinsicht auf eine fundierte

Kenntnis der Rechtswissenschaft, die nach zweieinhalb Jahren – Grund- und Hauptstudium – so noch nicht

vorliegt. Es handelt sich dabei um eine „Unterbrechung“ des normalen Studiums, um den Schwerpunkt

abzuleisten, sodass man weiter studieren kann. Der Student wird gezwungen, diese Voraussetzung für das

Staatsexamen zu erfüllen, damit er zur staatlichen Prüfung zugelassen wird. Im Übrigen ist das

Schwerpunktstudium in den Weißbuch-Tabellen höchst unrealistisch dargestellt: Ein gleichzeitiges Ableisten

von Hauptstudium und Schwerpunkt ist laut der Erfahrung vieler Studenten so nicht möglich.

Hier ist ein erneutes, lauteres Einwirken auf die Justizbehörde zu fordern. Es handelt sich nicht nur um eine

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„wechselseitige Befruchtung“ zwischen Schwerpunkts- und Pflichtstoff, die ein Ableisten des

Schwerpunktbereichs nach dem staatlichen Prüfungsteil nahe legt, sondern handelt es sich bei der jetzigen

Reihenfolge vielmehr um einen Bremsklotz für ein erfolgreiches Studium. Die Gründe für die Ablehnung der

Forderung sollten von der Justizbehörde offen gelegt werden.

- Freischuss -

Der Freischuss muss angepasst werden, um nicht als Druckmittel für den zügigen Studienabschluss und

konkurrenzverstärkend gegen die Studierende zu wirken, sondern wirklich eine „Vergünstigung“

darzustellen. Bei dem enorm vereinzelten Leistungsdruck in 6 Klausuren das Wissen von 5 Jahren

abzubilden, kann von einer wirklichen „Freiheit“ den Freischuss wahrzunehmen nicht die Rede sein.

Statt dem Studenten unter Scheindruck zu stellen, sollte der Zweck der Prüfungen, als Erlernung des

Handwerkzeugs und als Übung für die spätere staatliche Pflichtfachprüfung offengelegt werden und

demgemäß ausgestaltet werden. Die Bevormundung der Studentenschaft durch diesen Druck und der

Exmatrikulation nach dem zweiten Versuch verfehlt den Auftrag einer juristischen Fakultät mündige,

eigenverantwortliche Rechtswissenschaftler heranzubilden und schießt über die im JAG genannten

Anforderungen hinaus. Ziel sollte es sein, aus den in den Klausuren gemachten Fehlern zu lernen und nicht

unter den Studenten „auszusieben“. Manch guter Jurist hat einen langen Anlauf gebraucht und wäre unter

diesen Bedingungen längst exmatrikuliert.

Eine angemessene Lösung wäre der Freischuss für alle Studenten, unabhängig von ihrer Studiendauer. Jeder

hat eine Verbesserungschance verdient.

- Finanzierung im Hinblick auf den Freischuss -

Dazu muss auch die Regelungen des Bafögs angepasst werden: Der Freischuss wurde auf 9 Semester

angehoben, die Regelstudienzeit blieb aber auch bei 9 Semestern. Alle Bafög Empfänger werden somit dazu

gezwungen den Freischuss zu machen, um überhaupt noch Bafög zu bekommen. Dies ist eine unzumutbare

Härte eben gerade für die Studierenden, die Bafög erhalten, "offiziell" als bedürftig gelten, meist nebenher

auch noch jobben müssen und daher erst Recht nicht das straffe Curriculum in der knappen Freischusszeit

(Regelstudienzeit) durchlaufen können.

Diese Studierende sehen sich am Ende der Freischusszeit (Regelstudienzeit) vor finanziellen

Schwierigkeiten, denn sie fallen durch das feinmaschige Netz der Studienförderung. Nicht nur sind sie

gezwungen in der Freischusszeit fertig zu werden, sondern sehen sich vor enormen finanziellen Belastungen,

wenn sie es nicht in dieser Zeit schaffen. So ist es den Studenten verwehrt, die nach dem BaföG folgende, als

letzer Anker vor dem Studienabbruch eingeführte "Hilfe zum Studienabschluss" (§ 15 Abs. 3a BaföG) in der

Examensvorbereitungzeit, zu erhalten. Diesen Förderanspruch besteht nach Ablauf der Regelstudienzeit erst

mit Anmeldung zur Abschlussprüfung, bei uns also mit der Anmeldung zur staatlichen Examensprüfung

(OVG Berlin/Brandenburg 23.01.2007-6 S 38.06).

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Zwischen dem Ende der Freischusszeit (Regelstudienzeit) und der Anmeldung zur staatlichen

Pflichtfachprüfung vergehen jedoch meist 1-2 Semester in denen die Studenten sich auf die Prüfung sehr

intensiv vorbereiten. Genau in dieser Zeit erhalten sie jedoch kein Bafög mehr und haben auch noch keinen

Anspruch auf Studienabschluss-Hilfe. Konsequenz ist, dass diese Studierende sich Kredite auf dem freien

Kreditmarkt besorgen müssen und wegen der dort nicht vorhandenen Karenzzeit daher auch davor

zurückschrecken, nach dem Staatsexamen einen LL.M Abschluss anzustreben oder eine Doktorarbeit zu

verfassen. Eine, alle gesellschaftliche Schichten übergreifende fundierte Partizipation an den

Rechtswissenschaften, wird so entgegengewirkt. Hier ist ein Hinwirken auf Bundesebene erforderlich, dass

das BaföG eine für das Jurastudium passende Regelung schafft, aber auch eine vorübergehende Universitäts

interne Regelung zur Abhilfe zu schaffen.

Daher fordern wir hinsichtlich der Bafög-Finanzierung des Studiums:

erneutes Hinwirken auf Änderung der JAG (Reihenfolge von WSP/ Staatsexamen) mit der freien

Wahl durch den Studenten, welche Prüfung zuerst abgelegt werden soll unter dem Gesichtspunkt,

dass die Examensvorbereitungszeit von den Studierenden so gewählt werden kann, dass sie noch in

die Bafög-geförderte Studienzeit fällt

Anheben der Regelstudienzeit auf 10 Semester

Hinwirken auf Bundesebene, dass eine einheitliche Regelung für die Bafög-Finanzierung

hinsichtlich der Besonderheiten des Jurastudiums gefunden wird.

- „Echte“ zweite Klausur und Klausurdauer -

Eine „echte“ zweite Klausur, wie sie das Weißbuch vorsieht, befürworten wir. Übungsklausuren sind sehr

wichtig auf dem Weg zum Examen, um die Klausurtechnik zu verbessern und Prüfungsangst bzw. -stress

abzubauen. Dabei wäre es aber von Vorteil, jeweils offiziell einen Schwerpunkt in den Klausuren zu setzen,

damit die Studenten sich auf ein Thema konzentrieren können. Die Terminierung dieser zweiten Klausur

während des laufenden Semesters halten wir trotz der Gefahr, Vorlesungen zu versäumen, für gut, damit

einem Hinarbeiten einzig auf das Semesterende entgegengewirkt wird.

Eine Klausurdauer von drei Stunden begrüßen wir.

- Maximale Studiendauer -

Kontraproduktiv ist der Vorschlag des Weißbuch, eine maximale Studiendauer einzuführen. Die Kosten, die

Langzeitstudenten verursachen, sind als marginal anzusehen im Vergleich zu dem, was eine Exmatrikulation

für einen tiefen Einschnitt in die Leben der Betroffenen darstellt. Die Befürchtung besteht, dass hier eher

Ressentiments bedient werden, als wirklich eine Verbesserung für die Verwaltung erreicht wird, zumal sich

für die Studierenden keine direkten Verbesserungen hierdurch ergeben. Bevor nicht ausdrückliche Belege zu

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den angeblichen Kosten/Zahlen usw. der Langzeitstudenten vorliegen und eine objektive Diskussion

garantiert ist, sollte dieser Passus aus dem Reformvorschlag gestrichen werden.

- Dauer der Bewertungsverfahren -

Eine Beschleunigung der Bewertungsverfahren, wie sie das Weißbuch vorsieht, ist eine gute Idee. Allerdings

fehlt eine offizielle Anlaufstelle um sich zu beschweren im Falle, dass die Frist nicht eingehalten wird.

Schließlich führt eine Nichteinhaltung wiederum dazu, dass sich das Studium, möglicherweise die

Anmeldung zur Prüfung verzögert. Die persönliche Beschwerde beim Dekan wird nicht wahrgenommen, da

sich niemand vor der Prüfung unbeliebt machen möchte. Ein formelles Mahnverfahren wäre notwendig um

genügend Druck auf die Korrektoren auszuüben ohne Nachteile erleiden zu müssen.

Wir sprechen uns für eine Verbesserung des Studiums im Hinblick auf seine Zeitplanung aus, indem:

Prüfungszahl und -umfang der Pflichtstoffe im Zusammenspiel mit einem größeren Wahlbereich im

Sinne eines interessegeleiteten Studiums verringert werden

das Schwerpunktstudium nach dem Staatsexamen abgeleistet und die Justizbehörde unter

Erklärungsdruck gesetzt wird

der „Freischuss für alle“ eingeführt wird

die Regelstudienzeit an die Bafög-Finanzierung angepasst wird und umgekehrt, insbesondere auf

eine bundesweite einheitliche Regelung hingewirkt wird

die maximale Studiendauer nicht eingeführt wird

ein offizielles Mahnverfahren bei Überschreitung der Bewertungsfristen eingeführt wird.

VI. Ausblick

Es ist an der Zeit, an die Vernunft zu appellieren und dass sich jeder Einzelne fragt, welchen Weg wir gehen

möchten. Jeder an dieser Fakultät ist zu kritischer Reflexion fähig und sollte eine möglicherweise

beschwerliche, aber mutige Diskussion nicht scheuen, um sich seiner Ideale (wieder) bewusst zu werden.

Welche Bildung möchten wir erreichen? Welche Rechtswissenschaft wollen wir hervorbringen? Wie sehen

wir uns im historischen Kontext? Unsere Stellungnahme soll als Anregung zu einer grundlegenden

Diskussion dienen.

Das Weißbuch sieht bereits einige wertvolle Änderungen vor, die wir befürworten. Jedoch sollten die

zahlreichen weiteren bestehenden Verbesserungsmöglichkeiten wahrgenommen werden, um das Studium der

Rechtswissenschaft nachhaltig zu reformieren. Der Moment sollte genutzt werden, um einen größeren Schritt

in Richtung Verantwortlichkeit und Mündigkeit zu gehen.