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Stufenweise Wiedereingliederung Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung Prof. Dr. iur. Felix Welti Fortbildung Schnittstelle Rehabilitation und Arbeitswelt 20. September 2012, Kassel Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation Bundesverband ambulanter mobiler Rehabilitationszentren

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Prof. Dr. iur. Felix WeltiFortbildung Schnittstelle Rehabilitation und Arbeitswelt

20. September 2012, KasselDeutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen

Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation

Bundesverband ambulanter mobiler Rehabilitationszentren

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Gliederung

- Einführung

- Empirie

- Zusammenhang StW und BEM

- Mitwirkungspflichten, Aufgabenkreise und

Verantwortungsbereiche bei der StW

- Zuständigkeitsfragen

- StW und Kosten des Lebensunterhalts

- Ausblick: offene politische Fragen

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Medizinische Rehabilitation und Wiedereingliederung in das ArbeitslebenDie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind zwar im Schwerpunkt auf die Überwindung von Behinderung und auf Erwerbsfähigkeit gerichtet. Sie können und sollen aber zur konkreten Wiedereingliederung in das Arbeitsleben beitragen. Sie können umfassen- Belastungserprobung und Arbeitstherapie (§ 26 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX)- Information und Beratung von Vorgesetzten und Kollegen (§ 26 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX)- Sie sollen entsprechend der Zielsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung (§ 28 SGB IX) erbracht werden.

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Stufenweise Wiedereingliederung

§ 28 SGB IX Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend dieser Zielsetzung erbracht werden.

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Stufenweise Wiedereingliederung: Arbeitsrecht- Im Betrieb ein Rechtsverhältnis eigener Art, das mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, aber ohne Hauptleistungspflichten besteht- § 28 SGB IX ist keine arbeitsrechtliche Anspruchgrundlage, sondern setzt diese (aus § 81 SGB IX oder § 618 BGB) voraus- Vom Arbeitgeber gezahlte Zuschüsse sind kein Arbeitsentgelt (offen gelassen vom BSG, Urt. v. 21.3.2007, B 11a AL 31/06 R)

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Stufenweise Wiedereingliederung: Sozialrecht/ Arbeitsrecht- Nötig sind eine aussagekräftige Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit mit Angabe von Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten, ggf. mit Stellungnahme des Betriebsarztes oder des MDK (§ 74 SGB V, Anlage zu den AU-Richtlinien) und ein Stufenplan- Arbeitgeber sind frei, eine StW auch ohne diese Voraussetzungen zu ermöglichen (können dazu im Einzelfall auch verpflichtet sein)- Auch privat Krankenversicherte können eine StW haben

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Stufenweise Wiedereingliederung- Begleitung der StW durch ambulante Rehabilitation, Nachsorge, ergänzende Leistungen und/ oder Krankenbehandlung- im Regelfall bis zu sechs Monaten; aber keine gesetzliche Obergrenze- Leistung zum Lebensunterhalt: Übergangsgeld (RV) oder Krankengeld (KK) oder Verletztengeld (UV) oder Versorgungskrankengeld (Versorgungsamt) (§ 45 Abs. 1 SGB IX); im Einzelfall ist auch Arbeitslosengeld möglich

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Stufenweise Wiedereingliederung: Empirie (Bürger et. al., Die Rehabilitation 2011, 74-85)

- Studie erfasste alle Versicherten dreier RV-Träger die AU aus der medizinischen

Rehabilitation entlassen wurden (n = 141.058) und eine ergänzende

Versichertenbefragung (n = 12.135; Rücklauf 53%)

- Bei 15,2% wurde StW empfohlen, bei 8,4% durchgeführt (innerhalb vierzehn Tagen);

weitere haben später StW in Trägerschaft Krankenkasse erhalten (hier nur Daten aus der

Befragung)

- 9% brechen StW ab.

- Wieder in Arbeit nach einem Jahr: 91% (78% Nichtteilnehmer)

- 31% derjenigen, die keine StW hatten, gaben an, sie hätten den Wunsch danach gehabt

- Als Hinderungsgründe werden häufig fehlende Motivation, Gründe der

Arbeitsorganisation und fehlende Befürwortung durch Arbeitgeber genannt

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Stufenweise Wiedereingliederung: Empirie (Bürger et. al., Die Rehabilitation 2011, 74-85)

- Betreuung während der StW ist häufig ein Problem

- Als Ansprechpartner werden genannt:

– Niedergelassener Arzt 51,5%

– Vorgesetzte 30,9%

– Krankenkasse 15,8%

– Personalabteilung 13,6%

– Betriebsarzt 10,2%

– Betriebs- oder Personalrat 8,8%

– Rentenversicherung 8,6%

– SBV 6,5%

- Risikogruppen sind Personen mit niedriger Qualifikation, niedrigem Einkommen, längeren Phasen von

Arbeitslosigkeit und Personen mit psychischen Erkrankungen sowie Versicherte, die nach § 51 SGB V

zur Antragstellung aufgefordert wurden

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Stufenweise Wiedereingliederung prüfen Anlass: BEM

SGB IX § 84 (2) 1 Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Mitwirkungspflicht der Arbeitgeber und Beschäftigten bei der stufenweisen Wiedereingliederung:

- Bei schwerbehinderten Beschäftigten kann Pflicht des Arbeitgebersnach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX gegeben sein (BAG vom 13.6.2006, Az. 9 AZR 229/05, BAGE 118, 252)

- Bei anderen Beschäftigten nach der allgemeinen gesundheitlichen Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) im Lichte der Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen für behinderte Beschäftigte (Art. 5 RL 2000/78)

- Voraussetzung: Zumutbarkeit für Arbeitgeber; Prognose über Zumutbarkeit muss möglich sein

- Stufenweise Wiedereingliederung ist für den Beschäftigten freiwillig (§9 IV SGB IX)

- Weigerung kann im Rahmen der Mitwirkungspflichten bedeutsam sein (§§ 60-66 SGB I)

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Stufenweise Wiedereingliederung im BEM anregen: Verantwortung der Gemeinsamen Servicestellen

§ 84 (2) (…) 4 SGB IX Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. 5 Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfenunverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des §14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden.

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Stufenweise Wiedereingliederung vorsehen: Teilhabeplanung

Die Teilhabeplanung liegt in der Verantwortung der Rehabilitationsträger; konkretisiert in der GE Teilhabeplan vom 16.12.2004 (www.bar-frankfurt.de)

§ 3 (1) Ein Teilhabeplan ist unverzüglich zu erstellen, wenn Anlass zur Annahme besteht, dass im jeweiligen konkreten Einzelfall mehrere gleichzeitig durchzuführende oder aufeinander folgende Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe (verschiedener Leistungsgruppen) oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich werden.

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Stufenweise Wiedereingliederung vorsehen: TeilhabeplanungDie Teilhabeplanung liegt in der Verantwortung der Rehabilitationsträger; konkretisiert in der GE Teilhabeplan vom 16.12.2004 (www.bar-frankfurt.de)

§ 5 (2) Erstellung, Fortschreibung und Anpassung des Teilhabeplanes erfolgen über die Beratung (…) hinaus unter Einbindung und Mitwirkung des behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen und ggf. seiner Bezugsperson bzw. Person des Vertrauens. (…)(4) Empfehlungen der behandelnden Ärzte (…), der Beratungsdienste (z.B. Sozialbericht), der Leistungserbringer (…) sind angemessen zu berücksichtigen.

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W1

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Folie 14

W1 diesen Satz würde ich auf dieser Folie weglassen, da er ja schon auf der Folie 12 stehtWillig; 18.09.2012

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Pflichten der Rehabilitationseinrichtungen und Krankenhäuser nach dem SGB IX- §§ 10, 11 SGB IX verpflichten den jeweils leistenden Rehabilitationsträger zur Koordinierung der Leistungen und umfassenden und laufenden Bedarfsfeststellung, die die Leistungsgruppen und Trägerzuständigkeiten übergreift- § 27 SGB IX erstreckt die Geltung von § 10 SGB IX auf Leistungen der Krankenbehandlung- Diese umfassende Bedarfsfeststellung kann nur bei Mitwirkung der Einrichtungen der Rehabilitation und Krankenbehandlung gelingen

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Stufenweise WiedereingliederungAktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Pflichten der Rehabilitationseinrichtungen und Krankenhäuser nach dem SGB IX- Die umfassende Bedarfsfeststellung ist keine allein medizinische oder berufliche Aufgabe; sie erfordert auch Kenntnisse des sozialen Kontextes(Berufs- und Arbeitsanamnese, Sozialanamnese, Ziff. 4.1.3.2, 4.1.3.4 der GE Begutachtung)- Im Entlassungsbericht ist zu dokumentieren, warum stW nicht möglich ist (DRV, Formular G 830)

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Pflichten der Rehabilitationseinrichtungen und Krankenhäuser nach dem SGB IXSGB IX § 11 (1) 1 Soweit es im Einzelfall geboten ist, prüft der zuständige Rehabilitationsträger gleichzeitig mit der Einleitung einer medizinischen Rehabilitation, während ihrer Ausführung und nach ihrem Abschluss, ob durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Erwerbsfähigkeit des behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen erhalten, gebessert oder wiederhergestellt werden kann. (…)(2) Wird während einer Leistung der medizinischen Rehabilitation erkennbar, dass der bisherige Arbeitsplatz gefährdet ist, wird mit den Betroffenen sowie dem zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich geklärt, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind.

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Pflichten der SozialdiensteGE Sozialdienste nach § 13 Abs. 2 Nr. 10 SGB IX§ 3 (2) (…) 2 Sozialdienste sollen – sofern erforderlich – schon während der Krankenhausbehandlung und der Ausführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Perspektiven zur Teilhabe am Arbeitsleben thematisieren.§ 4 (1) Der Sozialdienst unterstützt den betroffenen Menschen bei einer zeitnahen Antragstellung von Teilhabeleistungen beim zuständigen Rehabilitationsträger. Darüber hinaus regt der Sozialdienst unter Berücksichtigung der individuellen Situation bei Bedarf die Erstellung oder Anpassung des Teilhabeplans an.§ 5 (3) Auf Wunsch des betroffenen Menschen beteiligen die Rehabilitationsträger den Sozialdienst an der Erstellung des Teilhabeplans (…).

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Stufenweise Wiedereingliederung: Streit um die sozialrechtliche Zuständigkeit zwischen RV und KV- Grundsatz: Träger der StW ist der Träger, der die medizinische Rehabilitation begonnen hat- Die medizinische Rehabilitation kann aber auch mit der StW beginnen- § 51 Abs. 5 SGB IX: Ist im unmittelbaren Anschluss an eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 28) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende weitergezahlt- Träger der RV vertraten den Standpunkt, ein unmittelbarer Anschluss sei nur gegeben, wenn die StW spätestens vierzehn Tage nach Ende einer stationären Rehabilitation beginne; die StW sei keine eigenständige Leistung der Rehabilitation; von Rechtsprechung abgelehnt- Neuer Standpunkt der RV: Frist beträgt „vier Wochen (ohne Ausnahmen“ (Formular G 830) – von Rechtsprechung gedeckt?

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Streit um die Zuständigkeit - Bundessozialgericht:„Nach einer vom RV-Träger gewährten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation bleibt die RV für die stufenweise Wiedereingliederung und damit die Zahlung von Übergangsgeld zuständig, solange sich die stufenweise Wiedereingliederung als Bestandteil einer in der Zusammenschau einheitlichen (Gesamt-)Maßnahme darstellt. Dies ist der Fall, wenn das „rentenversicherungsrechtliche“ Rehabilitationsziel noch nicht erreicht ist, dh der Versicherte die bisherige Tätigkeit noch nicht in vollem Umfang aufnehmen kann, weil er den berufstypischen (nicht: arbeitsplatzspezifischen) Anforderungen dieser Tätigkeit gesundheitlich noch nicht gewachsen ist (…), der weitere Rehabilitationsbedarf spätestens bei Abschluss der stationären Maßnahme zutage getreten ist (…), und die Voraussetzungen des § 28 SGB IX bis zum Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung durchgehend vorliegen “(BSG vom 20.10.2009, Az. B 5 R 44/08 R, BSGE 104, 294)

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Streit um die Zuständigkeit - Bundessozialgericht:„Überdies lassen sich dem SGB IX an keiner Stelle Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Anspruch auf Übergangsgeld während der stufenweisen Wiedereingliederung die gleichzeitige Gewährung einer „Hauptleistung“ voraussetzt (…) . Vielmehr ist die stufenweise Wiedereingliederung die „Haupt“- und das Übergangsgeld die ergänzende Leistung.“

(BSG vom 20.10.2009, Az. B 5 R 44/08 R, BSGE 104, 294)

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Streit um die Zuständigkeit - Bundessozialgericht:„Ein Zeitraum zwischen der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und der stufenweisen Wiedereingliederung löst entgegen der Ansicht der Beklagten nicht notwendig einen Wechsel der Leistungsträger aus. Vielmehr ist für diesen Zeitraum die Leistung eines Zwischenübergangsgeldes durch die Träger der Rentenversicherung zu erwägen (…). In Anwendung des SGB IX ist von dem Grundsatz der umfassenden und vollständigen Leistungserbringung auszugehen (…).“

(BSG vom 20.10.2009, Az. B 5 R 44/08 R, BSGE 104, 294)

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Streit um die Zuständigkeit - Bundessozialgericht:„Dafür, dass (…) eine feststehende Grenze für den unmittelbaren Anschluss

(hier: von zwei Wochen) anzunehmen sein könnte, gibt das Gesetz nichts her.

Abzustellen ist allein darauf, innerhalb welcher Zeit der durch die vorangehende

Reha-Maßnahme eingeleitete Wiedereingliederungsversuch durch die

nachgehende stufenweise Wiedereingliederung erfolgreich zum Abschluss

gebracht werden kann.

Hierzu sind allein die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Solange die

Leistungsvoraussetzungen des § 28 SGB IX (Arbeitsunfähigkeit; nach ärztlicher

Feststellung bestehende Fähigkeit, die bisherige Tätigkeit teilweise verrichten

zu können; voraussichtlich bessere Wiedereingliederungschance durch

stufenweise Wiederaufnahme der Tätigkeit) vorliegen und die Einheitlichkeit des

(hier: durch die AHB) begonnenen Reha-Verfahrens gewahrt ist, ist die

Voraussetzung des unmittelbaren Anschlusses gegeben.“

(BSG vom 5.2.2009, Az. B 13 R 27/08 R, SozR 4-3250 § 28 Nr 3)

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Möglicher Bezug von Arbeitslosengeld während stufenweiser

Wiedereingliederung

- Die stufenweise Wiedereingliederung schließt die Gewährung von

Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung (jetzt: § 145 SGB III) nicht

aus.

- Solange ein Versicherter die bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen

nicht in vollem Umfang wieder ausüben kann, z.B. weil ihn seine Erkrankung an

zuvor geleisteter vollschichtiger Arbeit hindert, ist er weiterhin arbeitsunfähig,

weil es keine Teil-Arbeitsunfähigkeit gibt.

(Leitsätze 1 und 2, BSG, Urt. v. 21.3.2007, B 11a AL 31/06 R)

Ist der Anspruch auf Krankengeld erschöpft und besteht noch ein Anspruch auf

Arbeitslosengeld trotz Arbeitsunfähigkeit nach § 145 Abs. 1 SGB III, so kann in

dieser Zeit eine stufenweise Wiedereingliederung vorgenommen werden.

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Möglicher Bezug von Arbeitslosengeld während stufenweiser

Wiedereingliederung

- Ist der Anspruch auf Krankengeld erschöpft und besteht noch ein Anspruch

auf Arbeitslosengeld trotz Arbeitsunfähigkeit nach § 145 Abs. 1 SGB III, so kann

in dieser Zeit eine stufenweise Wiedereingliederung vorgenommen werden.

- Dies kann das Ergebnis der Aufforderung zur Antragstellung bei einem Träger

der medizinischen Rehabilitation sein, zu der die Bundesagentur nach § 145

Abs. 2 SGB III auffordert. Eine begleitende ambulante medizinische

Rehabilitation ist dann vom Rehabilitationsträger zu tragen.

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Zuständigkeit für stufenweise Wiedereingliederung und Kosten des Lebensunterhalts

- zuständig für die stW kann jeder Träger der medizinischen Rehabilitation sein

- vorrangig sind die kausalen Träger Unfallversicherung und Versorgungsamt; sie

leisten Verletztengeld bzw. Versorgungskrankengeld

- steht die stufenweise Wiedereingliederung in unmittelbarem Zusammenhang mit einer

Rehabilitation in einer Einrichtung so ist, bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen

und persönlichen Voraussetzungen, die Rentenversicherung vorrangiger Träger der

stufenweisen Wiedereingliederung und des Übergangsgeldes (§ 40 Abs. 4 SGB V; § 51

Abs. 5 SGB IX)

- ist kein anderer Träger der medizinischen Rehabilitation zuständig, ist die

Krankenversicherung zuständig und leistet Krankengeld

- ist der Anspruch auf Krankengeld erschöpft oder besteht er bei Privatversicherten

nicht, kommt die Zahlung von Arbeitslosengeld in Betracht (§ 145 SGB III)

- besteht auch dieser nicht mehr, könnte Arbeitslosengeld II zu zahlen sein (mE mit

Mehrbedarf analog § 21 Abs. 4 SGB II)

- für Nichtversicherte/ Privatversicherte könnte auch die Sozialhilfe Träger der stW sein

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Stufenweise Wiedereingliederung – offene politische Fragen:

- Abgrenzung zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung

- „unmittelbarer Zusammenhang“ – ein handhabbares Abgrenzungskriterium?

- Wenn es keine vorangegangene Leistung gibt, die unter § 40 Abs. 4 SGB V fällt

(z.B. bei Leistungen nach § 31 SGB VI), ist die Zuständigkeit von RV und KV

gleichrangig

- Stufenweise Wiedereingliederung im neuen Betrieb?

- Bislang nur ein Instrument zur Wiedereingliederung; auch nutzbar für

Neueingliederung? Stufenweise Eingliederung mit Eingliederungszuschuss nach

§ 88 SGB III durch die Bundesagentur?

- Unterstützung der Arbeitgeber durch Rehabilitationsträger und Integrationsamt

- Leisten die Gemeinsamen Servicestellen ihre in § 84 Abs. 2 und § 22 Abs. 1 SGB

IX vorgesehenen Aufgaben für Arbeitgeber?

- Wäre es sinnvoll, dass die Integrationsämter insoweit auch präventiv (für – noch

– nicht schwerbehinderte Beschäftigte) tätig werden können?

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