Süddeutsche Zeitung Magazin - Das Augustiner-Gefühl

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Augustiner

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Essen & Trinken | Heft 38/2011

VO N ANDREAS BERNARD

Die Augustiner-Brauerei ist die einzige, die in ihren Wiesn-Bierzelten noch aus Holzfssern ausschenkt. Auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis von Augustiner steht man irgendwann in den Gewlben der Brauerei im Mnchner Westend und sieht einem Braumeister beim Tanzen zu. Roland Bittl, der Produktionsleiter, fhrt durch die Tennenmlzerei des Betriebs, ein unterirdisches Areal von insgesamt 16 Rumen, jeder davon vierzig Meter lang und zehn Meter breit. Es ist wohl die letzte funktionsbereite Anlage dieser Art in Europa; alle anderen Brauereien beziehen ihr Gerstenmalz inzwischen aus eigens darauf spezialisierten Betrieben. Bittl, ein krftiger Mann mit grauem Vollbart, will nun mglichst anschaulich erklren, worin der Unterschied zwischen den industriellen Kasten- oder Turmmlzereien und dem berlieferten Verfahren bei Augustiner besteht. Er zieht zunchst Schultern und Arme zusammen, macht sich so schmal, als stnde er in einer berfllten U-Bahn, und sagt: Sehen Sie, die keimende

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Gerste wird im Kasten bis zu einer Hhe von einem Meter aufgeschttet, ohne knstliche Belftung knnte die kaum atmen. Die ist ziemlich gestresst. Dann entspannt er sich wieder und lenkt den Blick auf die weitlufigen Rume vor ihm, ausgelegt mit einem besonderen Kalksteinboden, auf dem das feuchte Gerstenkorn weder durchnsst noch austrocknet. Bei uns, sagt er, kann das Korn frei atmen, wir schtten hier nur zehn bis 15 Zentimeter auf. Bittl zeigt auf ein mchtiges Gert, den mechanischen Rechen, Baujahr 1903: Wenn der das Grnmalz wendet, alle acht Stunden, dann stbern die Krner locker umher, fast wie Schneeflocken, sagt der gestandene Braumeister beinahe zrtlich, und er unterlegt seine Worte auf einmal mit ein paar tnzelnden Schritten, ahmt die Bewegung des Korns nach. Kein Stress, verstehen Sie!, ruft er. Und das schmeckt man natrlich, wenn man spter unser Bier trinkt! Die aufwendige Art des Mlzens liefert vielleicht einen Hinweis, um die Popularitt von Augustiner-Bru zu erklren, einem der merkwrdigsten Phnomene der Getrnkeindustrie und der zeitgemen Markenfhrung berhaupt. Wie hat es ein Privatunternehmen, das bislang keine Sekunde und keinen Quadratzentimeter Werbung in Auftrag gegeben hat, in den letzten Jahrzehnten geschafft, fast eine Monopolstellung auf dem Markt fr helles Lagerbier zu erringen? Zwei von drei Flaschen Helles, die im Groraum Mnchen im Handel verkauft werden, stammen inzwischen von Augustiner. Die lange Zeit ebenbrtigen Kontrahenten Paulaner, Hacker-Pschorr, Lwenbru, Spaten und Hofbru, deren Werbemanahmen allgegenwrtig sind, nhern sich der Bedeutungslosigkeit. Auch auerhalb Mnchens prosperiert das Unternehmen zusehends, mit Grogaststtten am Berliner Gendarmenmarkt, an der Frauenkirche in Dresden, in Erfurt oder Innsbruck. In manchen Stadtteilen Berlins gibt es keinen Kiosk mehr, in dem das Augustiner-Helle nicht zu den bestverkauften Sorten gehren wrde. Grundstzlich geht der Bierkonsum in Deutschland konstant zurck, eine Traditionsmarke wie Lwenbru hat allein im Jahr 2010 zehn Prozent des Umsatzes eingebt und produziert fr den Inlandsmarkt nur noch eine Gesamtmenge von 300 000 Hektolitern. Augustiner dagegen erhht den Aussto Jahr fr Jahr und ist mittlerweile bei einem Volumen von knapp 1,3 Millionen Hektolitern angekommen, 130 Millionen Liter Bier: erstaunliche Zahlen fr einen Betrieb, der nur 350 Angestellte umfasst, in der Brauerei sogar nur neunzig. Wobei all diese Statistiken nicht vom Unternehmen selbst herausgegeben, sondern von Fachzeitschriften ermittelt werden. Denn die Brauerei, die als Handelsunternehmen nicht verpflichtet ist, die eigenen Umstze zu verffentlichen, zelebriert ein diskretes, ja geheimniskrmerisches Verhltnis zur Auenwelt. Woran aber liegt es, dass die Beliebtheit von Augustiner unaufhrlich steigt? Allein an der Gte des Produkts? Oder doch eher an symbolischen Prozessen, an einer besonderen Markenaura, die nach auen hin scheinbar vernachlssigt, intern aber umso sorgsamer profiliert wird? Jeder, der in Mnchen aufgewachsen ist oder seit Langem hier lebt, wei um den Fetischcharakter des blauen Emblems mit dem Bischofsstab und den rtselhaften Initialen J. W.. Von Schlergeneration zu Schlergeneration wird in der Stadt das Gesetz weitergegeben, dass auf den Isarpartys oder den Sommerfesten im Englischen Garten nur ein einziges Bier erlaubt ist. Die blauen Ksten, mhevoll vom Getrnkehndler zum Treffpunkt geschleppt und dann im Fluss gekhlt; die bauchigen Flaschen mit dem Mnchs-Etikett und dem grnen Schriftzug oder das strkere Edelstoff in Gold und Wei, von dem manche nach dem ersten Kater die Finger lassen: unverrckbare Elemente einer Jugend in Mnchen. In der Stadt gibt es etliche Freundeskreise, in denen sich eine spezielle Augustiner-Folklore mit eigenen Kosenamen fr das Bier herausgebildet hat (am hufigsten: das August). Eine Punkband namens 1328, das Grndungsjahr der Brauerei, macht Musik, die sie als Beercore bezeichnet. Um die Verehrung fr das Bier zu umschreiben, wre ausnahmsweise das elende, von den Marketing-Fachleuten inflationr gebrauchte Wort Kult berechtigt.

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Also, Kult ist schon mal Bldsinn, sagt Ferdinand Schmid an seinem Stammtisch im Muschelsaal der Augustiner-Grogaststtte in der Mnchner Innenstadt. Schmid, 86 Jahre alt, ist der Patron des Unternehmens: Seit den Fnfzigerjahren hat er als Rechtsvertreter und Vorstand des Vereins Mnchner Brauereien eng mit Augustiner zusammengearbeitet; von 1970 bis 1991 hat er den Betrieb als Direktor gefhrt; seit 1996, nach dem Tod der letzten Erbin der Brauerei, einer kinderlos verwitweten Frau, leitet er die nach ihr benannte Edith-Haberland-Wagner-Stiftung. Dieser Stiftung gehrt die Mehrheit des Unternehmens, sodass ber die Hlfte des Gewinns bei Augustiner seit 15 Jahren vorwiegend in Sozialund Wissenschaftsprojekte investiert wird, in Kindergrten, Frauenhuser, Denkmalschutz oder die medizinische Forschung. Es ist der Tag vor der Beerdigung des langjhrigen Sprechers der Wiesn-Wirte, Willy Heide, und am Stammtisch schauen immer wieder befreundete Gastronomen vorbei. Ein paar knappe Stze zur Begrung, Ja, wer kommt denn da daher?, Fahrst du morgen auch raus nach Planegg?: das Mittagsgeplauder wrdiger Bierveteranen.

Der Patron: Ferdinand Schmid, 86, in der Augustiner-Gaststtte in der Mnchener Innenstadt. Schmid war zwanzig Jahre lang Direktor von Augustiner-Bru und leitet heute die brauereieigene Stiftung. Wenn Schmid von der Entwicklung des Brauereiwesens in den letzten fnfzig Jahren erzhlt, in jenem weichen, beruhigenden Mnchnerisch, das an die alten Volksschauspieler erinnert, dann spricht aus jedem Satz der Stolz des Unternehmers, zeit seines Lebens die richtigen Entscheidungen gefllt zu haben. Als ich jung war, sagt er, war es immerhin noch so, dass alle Mnchner Brauereien mindestens eine Bierspezialitt gehabt haben, mit der sie bei den Mnchnern bekannt waren, das Lwenbru Export, das Hackerbru bersee-Export, das Pschorr Pils, alle waren bemht, in einem positiven Konkurrenzdenken das Beste zu machen. Und dann entschied sich eine Besitzerfamilie nach der anderen fr den in seinen Augen falschen Weg: Wachstum. Jeder hat gesagt: Man muss grer werden, dann wird man konkurrenzfhig. Aber das ist nicht gesagt: Wenn man grer wird, kann man auch anflliger werden. Der Werdegang der alten Konkurrenten gibt Schmid recht. Hacker-Pschorr wird 1979, Paulaner 1982 von der Schrghuber-Unternehmensgruppe bernommen; drei Jahre spter fusionieren die beiden Brauereien, 2002 schliet sich Schrghuber mit Heineken zur Brau Holding International zusammen. Dem niederlndischen Konzern gehrt seitdem rund ein Viertel der Paulaner-Gruppe. Spaten und Lwenbru wiederum fusionieren 1997 und nutzen nur noch eine gemeinsame Sudsttte; 2004 verkaufen die Besitzerfamilien die Spaten-Lwenbru-Gruppe an die belgisch-brasilianische InBev, den grten Brauereikonzern der Welt. Vier der sechs Grobrauereien in der Stadt sind also in den letzten dreiig Jahren in globalen Wirtschaftsunternehmen aufgegangen, und in diesen Zeitraum fllt auch der eklatante Rckgang ihres Umsatzes. Ein Produkt wie das Mnchner Bier, von Vorstellungen der Reinheit und der Ursprnglichkeit durchtrnkt, lsst sich offenbar nicht beliebig verschieben. Zwei Brauereien sind von diesen Zusammenschlssen nicht betroffen gewesen: einmal Hofbru, das beschauliche Unternehmen des Freistaats Bayern, an Expansion nicht interessiert. Und Augustiner, das erfolgreich in die Bresche gesprungen ist und seitdem als letzter Reprsentant der Mnchner Braukunst gilt. Doch wenn man Schmid darauf anspricht, wie bewusst sich Augustiner in der vakant gewordenen Position des echten Mnchner Biers eingenistet hat, reagiert er schmallippig. Nein, sagt er, die Beliebtheit von Augustiner habe allein mit der sorgfltigen Auswahl der Rohstoffe, mit den Besonderheiten der Herstellung zu tun. Und natrlich kommt auch er in diesem Zusammenhang auf die Tennenmlzerei zu sprechen: Vor

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ungefhr 15 Jahren wollten unsere Ingenieure die Mlzerei stilllegen, weil in den Kellern ja eine Riesenmenge von Lagerraum verloren geht. Ich habe gesagt, in Ordnung, aber ich mchte erst einen Versuchssud herstellen. Ich habe dann eine besondere, teure Gerste nach den drei Mlzverfahren verarbeiten lassen, Tenne, Kasten und Turm. Wir haben davon ein Oktoberfestbier gebraut Er macht eine lngere Pause, um die Pointe der Anekdote etwas hinauszuzgern: Denn bei der Blindverkostung mit den drei Suden schmeckten die Geschftsfhrer und Brauer, insgesamt zwanzig Teilnehmer, mit hundertprozentiger bereinstimmung heraus, dass das Bier mit dem typischen Augustiner-Geschmack nach dem Tennenverfahren gebraut worden war. Die stressfrei keimende Gerste, von der Roland Bittl so poetisch erzhlen kann, entfaltete ihre Wirkung. Ich hab dann zu den Herren Ingenieuren nur eines gesagt, erinnert sich Schmid: Jetzt wissen S genau, warum unsere Mlzerei nicht stillgelegt wird. Die zunehmenden Kapazittsprobleme lste die Brauerei spter, indem sie eine Lagerhalle am westlichen Stadtrand Mnchens bauen lie. Es liegt im Selbstverstndnis eines Unternehmens, dass es die eigene Popularitt allein der Qualitt des Produkts zuschreibt. Augustiner mchte die beste Brauerei sein, kein Nutznieer falscher Wachstumsbewegungen, kein Globalisierungsgewinnler des Mnchner Biermarkts. Beim Rundgang durch die labyrinthische Brauerei, seit 1885 auf demselben Gelnde am Anfang der Landsberger Strae, geht es auch Roland Bittl genau darum: die Momente im Herstellungsprozess sichtbar zu machen, die Augustiner von den Standardverfahren anderer Grobrauereien unterscheidet. Das Vermeiden von Stress fr die Rohstoffe ist dabei das Leitmotiv auch die Bevorzugung liegender Tanks whrend der Biergrung wird von Bittl in dieser Hinsicht erklrt. In den horizontal gelagerten, hchstens vier Metern hohen Behltern wirke ein geringerer Druck auf die Hefe ein, was dem Sud ebenso zugutekomme wie die Art des Mlzens. Andere Grobrauereien verwenden aus Grnden der Flchenersparnis senkrechte Tanks. Es ist eigentmlich: Etwas so Unteilbares und Einheitliches wie Geschmack spaltet sich in den AugustinerGewlben immer feiner auf, stellt sich als Mosaik unzhliger Entscheidungen und Abwgungen heraus. Am Ende vereint sich dieses Mosaik zu einem Bier, das nach Ansicht der meisten Konsumenten den anderen Marken vorzuziehen ist obwohl nicht einmal die Verantwortlichen den speziellen, slichen Augustiner-Geschmack wirklich beschreiben knnen. Ferdinand Schmid nennt ihn vollmundig, bekmmlich, Bittl sffig alles eher vage Begriffe.

Hinter diesen Fassaden im Mnchener Westend wird das Augustiner-Bier gebraut. Brauereifhrungen werden nicht angeboten. Zu den wichtigsten Prinzipien der Brauerei gehrt es jedenfalls, den Geschmack und die Beschaffenheit des Biers berall dort, wo es ausgeschenkt wird, genauestens zu berwachen. Wenn man sich mit Mnchner Wirten unterhlt, die in ihren Lokalen Augustiner anbieten, bekommt man die immer gleichen Geschichten von strikten Auflagen der Glserreinigung und Zapftemperatur zu hren, aber auch von der Sorgfalt, die das Unternehmen auf die Installation der Zapfanlage und den Transport der Fsser anwendet. Rund ein Dutzend der ber sechzig brauereieigenen Gaststtten in Deutschland und sterreich wird noch mit Holzfssern beliefert (eine sonst ausgestorbene Praxis). Im Ankauf von Immobilien und der wiedererkennbaren Einrichtung der Wirtshuser besteht mittlerweile ohnehin ein elementarer Geschftszweig der Brauerei. Die erste dieser neuen Augustiner-Gaststtten, mit langen Holzbnken und Besteck in Bierkrgen, wurde 1994 im Brustberl neben dem Brauereigelnde erffnet. Seitdem sind etliche dazugekommen: Die bemht neobajuwarische Atmosphre in manchen von ihnen, durch penetrante Dialekt-Speisekarten verstrkt, wirkt wie ein befremdlicher Missklang in der sonst so

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stilsicheren Welt der Brauerei. Doch wie immer man zu dem Ambiente dieser Gaststtten steht: Auch sie haben in den letzten 15 Jahren dazu beigetragen, dass Augustiner zu einer der strahlendsten Marken der Getrnkeindustrie geworden ist. Wie dieser Erfolgsweg genau beschritten wurde, wie intuitiv oder strategisch, darber gibt die Brauerei kaum Auskunft. Die Kultur der Diskretion ist hier immer schon Programm: von Rudolf Wagner, dem letzten direkten Spross der Besitzerfamilie, der seine Villa hinter dem Augustiner-Biergarten in der Arnulfstrae praktisch niemals verlie (die rtselhaften Initialen auf den Etiketten gehen auf seinen Vorfahren Josef Wagner zurck), ber Edith Haberland-Wagner, die das Unternehmen mit Ferdinand Schmid fast ebenso unsichtbar leitete, bis zu dem heutigen Geschftsfhrer Jannik Inselkammer, der nicht mit Journalisten spricht. Hinter der betont altmodischen, rhrigen Fassade steht in jedem Fall eine hellwache Firma, mit konsequenter Corporate Identity (die Kennzeichen aller Dienstwagen beginnen mit M AU, die ersten vier Ziffern aller Diensthandys lauten 1328), die im kleinen Kreis souverne Entscheidungen trifft. Ein gutes Beispiel dafr ist die Tatsache, dass Augustiner sein Bier bis heute in bauchigen Halbliter-Flaschen abfllt. Anfang der Neunzigerjahre war diese sogenannte Euroflasche noch deutschlandweit gebruchlich, doch dann begannen einige nordrhein-westflische Brauereien, ihre sinkenden Absatzzahlen der klobigen Form der Flasche zuzuschreiben. Sie entwarfen eine schlankere Variante, die NRW-Flasche, und einen passenden, etwas hheren Kasten. Innerhalb kurzer Zeit stellte fast die gesamte deutsche Bierindustrie ihre Produktion um. Die haben damals natrlich auch mich traktiert, erinnert sich Schmid, es hat geheien, die Euroflasche wird in Zukunft gar nicht mehr hergestellt. Aber das habe ich nicht geglaubt. Und auerdem htte uns die Umstellung auf neue Flaschen und Trger 15 Millionen Mark gekostet. Augustiner kaufte die Flaschenbestnde der anderen Mnchner Brauereien auf und ersparte sich eine bedeutende Investition. Heute hat gerade auch die bauchige Silhouette der Flaschen erheblichen Anteil am bodenstndigen, traditionsreichen Bild der Brauerei. berhaupt gibt es zahlreiche Indizien fr den Verdacht, dass das Unternehmen genauer auf die Tendenzen der Gegenwart achtet als die meisten anderen. So etwa die Reaktion der Brauerei auf den Siegeszug des Tegernseer Biers in den Bars und Clubs von Mnchen, vielleicht die einzige kleine Krise der jngeren Geschichte von Augustiner. Um das Jahr 2005 herum tauchte die Biermarke pltzlich berall im Nachtleben der Stadt auf, vor allem die eleganten 0,33-Liter-Flaschen Helles. Die Marke Tegernseer verstrmt eine ganz hnliche Aura wie Augustiner: eine alte Privatbrauerei, die sich der Welt der Fernsehbiere komplett verweigert. Sie hatte damals aber den Wettbewerbsvorteil der kleineren Flaschen, die auch von langsamen Trinkern geleert werden, bevor das Bier warm ist, was sowohl die Clubbesitzer als auch die Gste zu schtzen wissen. Augustiner sah ein, zwei Jahre lang zu, wie die so wichtige Vormachtstellung im Mnchner Nachtleben langsam verloren ging, und stellte im Jahr 2008 zum ersten Mal Helles und Edelstoff in 0,33-Flaschen her. Sogar Ferdinand Schmid sagt zu dieser Reaktion: Stimmt, da wollte man den Trend nicht versumen. Die Abfllanlage: Bis zu 100 000 Flaschen Bier laufen hier pro Stunde ber die Bnder. Der Gang durch die Brauerei endet im Raum mit den beiden Flaschenabfll-Anlagen. ber 100 000 Flaschen Bier in der Stunde knnen hier computergesteuert durch die Bahnen rasen. Das vertraute Gerusch aus dem Getrnkehandel, das Scheppern der Flaschen in den blauen Bierksten: Hier ist es dutzendfach verstrkt, fast zu einem musikalischen Klang. An der Position der Abfllmaschine, an der die

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Flaschen etikettiert werden, ffnet ein Mitarbeiter gerade ein paar Kartons. Hunderttausende Etiketten fr das Helle werden eingespannt, die kleinen grn-weien fr den Flaschenhals, die mit dem Mnch fr den unteren Teil. Ein Fetisch entsteht, live. Drauen, auf dem Weg zur Pforte, erzhlt Roland Bittl noch von den regelmigen Treffen mit Berufskollegen. Das Verhltnis sei sehr gut, sagt Bittl. Als er vor 25 Jahren zu Augustiner kam, gab es noch einen vereinbarten Turnus, abwechselnd in einer Gaststtte jeder Brauerei. Doch es hat sich so eingebrgert, dass die anderen fast immer zu ihm ins Brustberl kommen.

Quelle: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/36284

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