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Heft 4] 1979 J 441 J. Orn. 120, 1979: s. 441--450 Aus dem Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfszell Tagesaktivität, Nestbaumethode und Brutverhalten des Honigsaugers Neetarinia ( Aidemonia) kilimensis in Zentralafrika Von Hans Löhrl Einleitung Nectarinia (Aidemonia) kilimensis ist eine der größeren Honigsauger-Arten, deren B einen überlangen Schwanz haben. Die Art ist in Zentralafrika auf Berglagen beschränkt und kommt nachWILLIAMS(1973) am häufigsten zwischen 1600 und 2100 m vor. Sie ist streng territorial. Als meine Frau und ich am 3.1. 1971 in knapp 2000 m Höhe unser Quartier Tshibati bezogen*), fiel dieser Vogel sofort durch sein unruhiges Wesen auf. Wir ent- deckten einen ausgeflogenen Jungvogel, der regelmäßig vom 9 gefüttert wurde, aber auch selbst schon versuchte, an Blüten zu gelangen. Der Jungvogel dürfte schon einige Tage vorher ausgeflogen sein, denn 3 Tage vorher hatten wir an anderer S~elle schon einen Jungvogel dieser Art gesehen, der noch wesentlich kurzschwänziger und un- beholfener gewesen war, also wohl erst vor kurzem ausgeflogen war. Von N. kilimensis ist bekannt, daß sie nur ein Ei legt. Aber wie bei vielen afrika- nischen Arten ist es unklar, wie oft sie im Lauf eines Jahres brütet. Das beobachtete 9, das den noch unselbständigen Jungvogel versorgte, mußte am 3.1. 1971 mit dem Bau eines neuen Nestes begonnen haben, wie sich am 4. I. 1971 zeigte. Als Nistbaum diente eine südamerikanische Araucarie (Araucaria spec.), die als Zierbaum gepflanzt war. Bei dieser Konifere wirken die Nadeln, die auch Stamm und Äste bedecken, vor allem in trockenem Zustand wie Dornen. Die dicht benadelten Zweige eignen sich offenbar besonders gut zum Anbringen eines Hängenestes, wie es diese Art baut, und schützen gegen nestraubende Kleinsäuger. Wir fanden nicht nur das noch sehr frisch aussehende letzte Nest, in dem wohl der Jungvogel aufgezogen worden war, sondern auch noch zwei ältere, teilweise zerfallene Nester in diesen Bäumen, mit gleichem Material im Abstand von jeweils etwa 10--12 m erbaut in einer Höhe von 3--7 m über dem Boden (Abb. 1). Über die Nestmaße der Art konnte S~EAD (1967) keine Angaben machen (im Gegensatz zu den anderen Nectarinia-Arten), so daß sie hier beigefügt seien: Gesamt- höhe 115 mm; Innenweite (von vorne nach hinten): 45 mm, Innenweite (seitlich): 50 mm; Flugloch: 30 : 35 mm; Tiefe vom nnteren FlugIochrand ab: 50 mm. l) Die Arbeit entstand im Januar 1971 anläßlich eines Aufenthaltes im IRSAC (Institut pour la Recherche Scientifique en Afrique CentraI) Lwiro in Zaire, westlich des Kivu-Sees.

Tagesaktivität, Nestbaumethode und Brutverhalten des HonigsaugersNectarinia (Aidemonia)kilimensis in Zentralafrika

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Heft 4] 1979 J 441

J. Orn. 120, 1979: s. 441--450

Aus dem Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfszell

Tagesak t i v i t ä t , N e s t b a u m e t h o d e u n d B r u t v e r h a l t e n des H o n i g s a u g e r s Neetarinia ( Aidemonia) kilimensis in Zen t r a l a f r ika

Von Hans Löhrl

Einleitung Nectarinia (Aidemonia) kilimensis ist eine der größeren Honigsauger-Arten, deren

B einen überlangen Schwanz haben. Die Art ist in Zentralafrika auf Berglagen beschränkt und kommt nachWILLIAMS (1973) am häufigsten zwischen 1600 und 2100 m vor. Sie ist streng territorial.

Als meine Frau und ich am 3.1. 1971 in knapp 2000 m Höhe unser Quartier Tshibati bezogen*), fiel dieser Vogel sofort durch sein unruhiges Wesen auf. Wir ent- deckten einen ausgeflogenen Jungvogel, der regelmäßig vom 9 gefüttert wurde, aber auch selbst schon versuchte, an Blüten zu gelangen. Der Jungvogel dürfte schon einige Tage vorher ausgeflogen sein, denn 3 Tage vorher hatten wir an anderer S~elle schon einen Jungvogel dieser Art gesehen, der noch wesentlich kurzschwänziger und un- beholfener gewesen war, also wohl erst vor kurzem ausgeflogen war.

Von N. kilimensis ist bekannt, daß sie nur ein Ei legt. Aber wie bei vielen afrika- nischen Arten ist es unklar, wie oft sie im Lauf eines Jahres brütet. Das beobachtete 9, das den noch unselbständigen Jungvogel versorgte, mußte am 3.1. 1971 mit dem Bau eines neuen Nestes begonnen haben, wie sich am 4. I. 1971 zeigte. Als Nistbaum diente eine südamerikanische Araucarie (Araucaria spec.), die als Zierbaum gepflanzt war. Bei dieser Konifere wirken die Nadeln, die auch Stamm und Äste bedecken, vor allem in trockenem Zustand wie Dornen. Die dicht benadelten Zweige eignen sich offenbar besonders gut zum Anbringen eines Hängenestes, wie es diese Art baut, und schützen gegen nestraubende Kleinsäuger. Wir fanden nicht nur das noch sehr frisch aussehende letzte Nest, in dem wohl der Jungvogel aufgezogen worden war, sondern auch noch zwei ältere, teilweise zerfallene Nester in diesen Bäumen, mit gleichem Material im Abstand von jeweils etwa 10--12 m erbaut in einer Höhe von 3--7 m über dem Boden (Abb. 1).

Über die Nestmaße der Art konnte S~EAD (1967) keine Angaben machen (im Gegensatz zu den anderen Nectarinia-Arten), so daß sie hier beigefügt seien: Gesamt- höhe 115 mm; Innenweite (von vorne nach hinten): 45 mm, Innenweite (seitlich): 50 mm; Flugloch: 30 : 35 mm; Tiefe vom nnteren FlugIochrand ab: 50 mm.

l) Die Arbeit entstand im Januar 1971 anläßlich eines Aufenthaltes im IRSAC (Institut pour la Recherche Scientifique en Afrique CentraI) Lwiro in Zaire, westlich des Kivu-Sees.

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Abb. 1. Nest des Honigsaugers Nectarinia kilimensis.

Die Gelegenheit, die Tagesaktivität eines Vogets in den Tropen sowie die Nestbau- methode zu studieren, war günstig. Einzelheiten des Nestbaus sind bei Honigsaugern kaum beobachtet worden, lediglich die fertigen Nester wurden beschrieben (SKEAD 1967, C~ArlN 1954). Bei Vergleichen und etwaigen Folgerungen über Verwandt- schaftsbeziehungen sind jedoch die Baumethoden wichtiger als das fertige Nest.

Methode

Wir haben zunächst in drei Ansitzen 5 h 15 min beobachtet, am folgenden Tag in den zeitlichen Lücken des Vortages 6 h, insgesamt bei diesem ersten Nest 17 h 25 min; bei einem weiteren Nestbau desselbe*t ~ 3 h 40min. Zusammen haben wir in über 2t h 316 Bau- handlungen protokolliert.

Nestbau-Aktivität

Die Aktivität stellt bei den Vögeln in der Äquatorialregion insofern ein Problem dar, als die verkürzte Tageszeit von + 12 h einst von HESSE (1924) und später u, a. von LAcK (1968) mit zur Erklärung dafür herangezogen wurde, daß die tropischen Vögel weniger Eier legen und Junge aufziehen als die Vögel in der gemäßigten Zone oder im hohen Norden. Theoretisch beträgt diese Zeit 12 h; jedoch meinte HessE, daß bei den hohen Temperaturen in der Mittagszeit zusätzlich einige Stunden nicht zur Nahrungssuche verwendet werden. Damit bestünde eine erhebliche Zeitdifferenz gegenüber den mitteleuropäischen Vogelarten.

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Bei kilimensis war eine Mittagsruhe nicht nachzuweisen, im Gegenteil: wir hatten den Eindruck, daß erst die Mittagstemperaturen diesen Vögeln die volle Aktivität ermöglichten. Zwischen 11.30 h und 14.30 h zählten wir mehr Anflüge am Nest als am Vormittag. Insgesamt entfielen auf die Zeit nach 11.30 h sogar 88 Nestbauhand- lungen gegen 56 vorher (vgl. Abb. 2).

In den frühen Morgenstunden setzte die Aktivität, wohl infolge der kühlen Temperatur nach den vielfach in der Nacht niedergegangenen Regengüssen, nicht sofort ein. Der früheste Beginn einer Nestbauhandlung lag um 7.15 h, der späteste von uns beobachtete um 17.15 h. Dies ergibt eine Aktivitätsdauer von 10 Stunden. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch nur noch um ganz vereinzelte Anflüge. Der nächstfolgende am Morgen lag um 8.03 h, und zwischen 16.09 h und 17.00 h brachte das 9 nur zweimal Baumaterial. Die aktive Bauzeit mit 140 von 144 Anflügen lag zwischen 8 h und 16 h, betrug also - - wie auch die Fütterungszeit - - tatsächlich nur 8 Stunden.

Der Kurve der Bau-Aktivität liegen zwei aufeinander folgende Bautage zugrunde mit weitgehend ähnlichen Witterungsverhältnissen am 3.1. und 4.1. 1971. Dies war der 2. und 3. Bautag der insgesamt 41/2 Tage dauernden Nestbauzeit. Zugrunde gelegt wurde die Zeit vom ersten bis zum letzten Anflug ans Nest. Dabei wurden alle Anflüge mit Nistmaterial gezählt, auch wenn dieses nur abgelegt und erst später verhaut wurde.

Die Nestbauaktivität beruht nicht nur auf endogener Basis, sondern wird auch von Witterungsfaktoren beeinflußt. Bei Regen wurde sie unterbrochen, bei Sonnenschein an kühlen Tagen deutlich verstärkt. Niedere Temperaturen waren wahrscheinlich verantwortlich für den späten Aktivitätsbeginnl).

Dabei fällt auf, daß die Kurve, wie wir das auch von mitteleuropäischen Arten kennen (vgl. ASCHOFF 1967) je einen Gipfel am Morgen und am Nachmittag und einen dazwischen liegenden Aktivitätsabfall zeigt, der jedoch schon auf den späten

1) Eine Korrelation war leider nicht nachzuweisen, da es trotz mehrfacher Bemühungen nicht möglich war, ein Thermometer vom IRSAC auszuleihen.

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7.3 9.30 11.30 13,30 15.30 17.30 Abb. 2. Nestbau-Aktivität (Zahi der Anflüge

mit Baumaterial) im Tagesverlauf.

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Vormittag fällt, während die Aktivität um die Mittagszeit wieder beträchtlich an- steigt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese zweigipfelige Kurve auch bei dieser Art normal ist, jedoch können sich offenkundig die Gipfel, wahrscheinlich infolge witte- rungsbedingter Einflüsse, etwas verschieben, und es ist möglich, daß der Nachmittags- gipfel den Vormittagsgipfel übersteigen kann. Dies war tatsächlich beim zweiten Nest der Fall, bei dem wir jedoch nur in Stichproben beobachteten.

Der Tiefpunkt der Kurve lag in der Zeit, in der es nach nächtlichen Gewitter- güssen und trüben Vormittagsstunden zum Abtrocknen gekommen war. Jetzt herrschte vor allem die Nahrungssuche vor.

Nistmaterial

Typisch ist die gleichzeitige Verwendung von allen beim Nestbau benutzten Materialien von Anfang an. Es gibt also keinen ,Schichtenbau « (THALrR 1976) wie bei den Goldhähnchen und vielen weiteren Arten. Das Nestmaterial wird jedoch nicht in bunter Folge herbeigebracht, sondern das ~ spezialisiert sich immer wieder auf einen bestimmten Baustoff; es bringt also mehrmals hintereinander dürre, dünne Grashalme, ein andermal wenige Spinnweben, die man allerdings nur bei bestimmter Sonneneinstrahlung erkennen kann. Dann wieder sammelt es mehrmals Pflanzenwolle, die es von Samenständen einzelner Pflanzen auf dem Boden aufnimmt.

Das ~ brachte z.B. am 7. 1. zwischen 11.39 h und 12.32 h 19 mal ausschließlich weiße Pflanzenwolle, ein andermal innerhalb von 6 min 6 mal Spinnweben. Der Vogel wechselte die Fundstelle und beschränkte sich auch nicht darauf, etwa die ,Wolle" nur einer Pflanze zum Nest zu bringen, sondern bündelte das Material, indem er mehrere Ba1ien oder Halme zusammen ergriff und zum Nest trug.

Die Herkunft eines vierten Materialtyps, der aus braunen Büsche]n bestand, konnten wir nicht ermitteln.

Die Art des Materials haben wir bei 94 Anflügen erkannt; 18 mal Halme, 56 mal weiße Pflanzenwolle, 15 mal Spinnfäden und 5 mal braune, nicht definierbare Büschel.

Nestbauverhalten

Nur das ~ baut das Nest. Eine Beteiligung des ~ ist schon dadurch ausgeschlossen, daß sein verlängertet Schwanz im Nest gar keinen Platz hätte.

Beim Anflug ans Nest verbaut der Vogel nicht jedesmal das mitgebrachte Material, vielmehr gibt es wie bei vielen Singvogelarten Phasen, in denen der Vogel das Material jeweils nur ablegt oder, wenn es sich um Wolle handelt, auch kurz einsteckt, aber das Nestinnere selbst nicht aufsucht. Dazwischen folgen dann wieder eigentliche Bauphasen, in denen das Verbauen des angesammelten Materials den Vorrang hat.

Der Nestbau beginnt mit einem Henkel. Es wird also nicht von unten nach oben gebaut wie z. B. bei der Schwanzmeise Aegitha[os caudatus, sondern, ähnlich wie bei der Beutelmeise Remiz pendulinus von oben nach unten. Der Henkel wird zunächst

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von einigen dürren GrashaImen gebildet, die, mit Spinnweben verbunden, am Auf- hängeort verankert werden. Daraufhin kommt sofort Pflanzenwotle dazu, die durch Dazwischenstopfen einen zusätzlichen Halt gibt und gleichfalls mit Spinnweben verbunden wird.

Zunächst ist der entstehende Henkel sehr unvollkommen und klein. Er bietet jedoch so viel Halt, daß der Vogel sich unten anhängen kann.

Das mitgebrachte Material wird, mit Ausnahme der Schlußphase, stets nach innen geste&t oder geworfen. Dabei hängt der Vogel am unteren Rand des Henkels und steckt von dort aus den Baustoff in die Zwischenräume, und zwar in gleicher Weise nach oben, nach den Seiten oder nach unten in den künftigen Nestboden.

Zunächst reicht der durchsichtige Innenraum nur für den Kopf des Vogels, aber sehr bald versucht er, ihn auszuweiten, indem er immer weiter nach innen kriecht. Dann beginnt die wichtigste Bauhandlung, das Strampeln (vgl. KRAM~R 1950, D~¢I~Et~T 1955). In diesen Anfangsstadien kann man durch das lockere Material hindurch die Strampelbewegungen der Füße sehr gut erkennen, wobei sich der Vogel auf die Flügel stützt. Gelegentlich gelang es dem ~ nur mit einem Fuß, nach innen zu kommen, so daß der zweite außen ins Leere strampelte. Solange der Raum noch eng war, war es auch schwierig, den langen, gebogenen Schnabel und den Kopf unterzubringen. Der Schnabel wurde in dieser Phase einfach durch das bestehende Gerippe hindurch nach außen geste&t, auch der Kopf war teilweise außen sichtbar. Beim Strampeln wurde der Schnabel meist nach oben durchgeste&t.

In der ersten Zeit des Nestbaues konnte sich das 9 in dem engen Innenraum nicht umdrehen, sondern kam rückwärts zur Nestöffnung heraus. Der Schwanz war in diesem Stadium ohnehin noch immer außerhalb des Nestes, und bei schrägem Ein- schlüpfen blieb auch oft ein Flügel noch außen.

Neben der Strampelbewegung hat das ~ immer wieder Teile der weißen Pflanzen- wolle ergriffen und in andere Lücken geste&t, so daß ein immer dichteres Verfi!zen entstand.

War endlich der Innenraum so stark ausgeweitet, daß der Vogel - - bis auf den Schwanz - - ganz einschlüpfen konnte, so konnten die Strampelbewegungen nun auch nach der Seite und sogar nach oben ausgeführt werden. Dies war noch immer durch das lockere Gitterwerk hindurch zu erkennen. Der Vogel stützte dann seinen Körper mit einem Flügel nach unten ab. Es gab Fälle, wo das 9 nahezu auf dem Rücken lag und nach oben strampeIte. Danach schob es sich mit dem Rücken nach unten aus dem Nestausgang und ließ sich fallen.

War der Nistraum dann größer, begann sich der Vogel im Nest umzudrehen. Dies war anfangs wiederum sehr schwierig. So kam es vor, daß der Schwanz zum Eingang heraushing und der Kopf schon auf der anderen Seite erschien, wobei dann durch den nach allen Seiten hin ausgeübten Druck der Brutraum weiter vergrößert wurde.

Sobald der Vogel ganz im Innenraum seines Nestes verschwinden konnte, begann eine Handlung, die DEI~~RT (1955) als ,Zupfen « bezeichnet hat. Sie besteht darin,

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daß der Vogel mit dem Schnabel herausgreift, Nistmaterial von außen nach innen zieht und dort wieder verankert. Damit wird der untere Nestrand verstärkt. Eine solche Handlung kommt wohl bei den meisten Singvögeln vor. Bei diesem Honig- sauger gab es jedoch auch die umgekehrte Folge: das außen hängende 9 ergriff an der Außenseite Nistmaterial, vor allem z. B. Halme, und steckte sie dann stückweise nach innen; das ~ zog also nicht nur Nistmaterial von außen zu sich herein, sondern schob das Material auch von sich weg auf die Innenseite.

Unvollkommen zu beobachten war die Bearbeltung der Spinnweben, weil sie auf die Entfernung nicht sichtbar sind. N. kilimensis benützte nicht etwa Spinnenkokons oder sonstwie zusammengefaßte Teile eines Spinnennetzes, wie wir dies etwa vom Buchfinken her kennen. Das ~ nahm vielmehr, meist rüttelnd, einzelne Spinnfäden ab, die etwa von einem Zweig zum anderen führten, und flog dann mit diesen mehr oder weniger langen Fäden zum Nest. Daß diese nicht sofort in ihrer ganzen Länge in das Material eingefügt wurden, konnte man daran sehen, daß am unfertigen Nest noch mehrere Fäden herunterhingen, die nur an einer Seite verankert worden waren. Jedoch wurden auch einige Fäden gleichzeitig zum Nest getragen.

Die Dehnfähigkeit des gesamten Nestes entstand mit Hilfe dieser Spinnweben und der miteinander und mit den übrigen Nestbestandteilen verfilzten Pflanzen- wolle. In dem beobachteten Fall handelte es sich um die Wolle von Crassocephalurn vitelIinurn.

Die letzte Phase des Nestbaues bestand in der Anfertigung des Vordachs über dem Eingang. Dazu wurden Halme von außen rechts und links über dem Eingang ver- ankert und dann mit Pflanzenwolle und Spinnweben so verbunden, daß eine feste, wenn auch kurze Uberdachung entstand, die das Nestinnere gegen die Sonne und heftige Regengüsse schützt.

Balz und Nestverteidigung

Erst nach Beendigung des Nestbaus flog das d wiederholt ans Nest, hängte sich an und schaute hinein. Vorher tat es dies nie. Dagegen nahm während des Nestbaus das Balzverhalten deutlich zu.

Eine typische Balzstellung, die meist mit der Gesangsstrophe verbunden war, be- stand in hängenden Flügeln und im Winkel von etwa 45 ° hochgestelltem Schwanz. In dieser Stellung saß das d dem ~ gegenüber, war jedoch in allen beobachteten Fällen dabei nicht aggressiv.

Zu Beginn des Nestbaus war ein vermutlicher Zeigeflug zu sehen, wobei das d dem 9 in verlangsamtem Flug vorausflog und dann auf einem Zweig vor dem Nest landete und sang.

Je mehr das Nest seiner Vollendung entgegenging, desto häufiger hielt sich das d auf dem Nistbaum auf und blieb dabei in Sichtverbindung mit dem Nest. Dazwischen kam es öfter zu aggressivem Verhalten des d: es konnte dabei im Gleitflug mit

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schräg hochgestellten Flügeln, also etwa baumpieperartig, auf das ~ zufliegen. Wenn dieses flüchtete, jagte er es in einem heftigen Verfolgungsflug.

Auch die Gesangsfrequenz nahm zu. Ublicherweise saß das d~ beim Singen auf der Spitze eines Baumes oder Astes, wobei die Haltung ziemlich aufrecht war und der lange Schwanz fast senkrecht nach unten hing, also eine deutlich andere Stellung als bei der Balz, bei der gleichfalls gesungen wurde.

Deutlich war auch die zunehmende Bereitschaft erkennbar, etwaige Bedrohungen vom Nest fernzuhalten. Sobald sich ein anderer Vogel in Nestnähe niederließ, stürzte sich das ~ darauf. Vögel bis zur Größe eines Graubülbül Pycnonotus barbatus, oder eines Mausvogels Colius striatus wurden aggressiv angeflogen und verjagt.

Auch vom ~ konnten wir die Singstrophe, wenn auch weniger laut, vernehmen. Erstmals hörten wir sie, nachdem sich das ~ über eine Stunde lang nicht gezeigt hatte.

Als der Nestbau vollendet war, flog das ~ am Nachmittag singend im Gleitflug auf das ~ zu, landete in Balzstellung mit hängenden Flüge!n und hochgestelltem Schwanz und hüpfte so auf das ~ zu, das nicht floh (Abb. 3). Dabei nahm es die Kopf-hoch-Stellung ein und machte etwa 4 Verbeugungen, was wir vorher noch nie beobachtet hatten. Es kam jedoch zu keiner Kopulation. In dieser Periode jagte das sein 9 auffallend häufig. Bei Abwesenheit des ~ nahm es einmal eine sonst nicht beobachtete Stellung ein: es sang mit hoch erhobenem Kopf und weit geöffnetem Schnabel bei hängendem Schwanz, dabei pendelte es zweimal hin und her, was an einem deutlichen Ausschlag von Kopf und Schwanz zu erkennen war. Die Gesangs- frequenz war an diesem Tag ganz auffallend hoch.

Dieselbe Stellung sahen wir noch ein zweitesmal, also Kopf-hoch-Stellung mit PendeI~ bewegungen und Gesang; dabei saß das ~ schräg unterhalb. Diesmal war noch zu erkennen, daß die Flügel etwas gespreizt waren, so daß die ganze Körperoberfläche von oben und unten gesehen verbreitert war.

Eine Copula konnten wir nie beobachten, so daß nicht klar ist, welche der ver- schiedenen Balzstellungen der Vorbereitung dient.

Abb. 3. Eine der Balzstellungen des 6 '

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Das Verhalten während der Brut

Auch während der Brütezeit (an den ersten zwei Bruttagen) brachte das gelegentlich noch Pfianzenwolle mit, wenn es nach den Brutpausen zurückkehrte. Es verhielt sich also ähnlich wie Meisen der Gattung Parus, die bis zum Schlüpfen der Jungen noch Wolle mitbringen.

Während der kurzen Beobachtungszeit betrugen die Brutpausen 11, 21 und 8 min, das Brüten dauerte 42, 22 und 32 min. Während des Brütens saß das ~ stets so im Nest, daß mindestens Schnabel und Oberkopf am Nesteingang sichtbar waren. Es verfolgte dauernd die Außenereignisse; sobald das ~ warnte, richtete es sich auf und sah aufmerksam hinaus.

Nach zweitägiger Bebrütung war das Nest am Morgen des dritten Bruttages ver- lassen. Der Eingang war deutlich beschädigt und ausgeweitet. Wer das Nest aus- geraubt hat, wurde nicht beobachtet. Kletternde Kleinsäuger, die in den nahe gelegenen Bergwäldern sehr zahlreich waren, wurden am Neststandort nie beobachtet. Intensiv gewarnt haben die beiden Altvögel jedoch wiederholt gegenüber dem Sporenkuckuck Centropus monachus.

Beziehungen zum Jungvogel

Wie erwähnt, war der Jungvogel, als wir ihn am 3.1. 1971 erstmals sahen, schon einige Tage ausgeflogen. Der Schwanz hatte mehr als die halbe Länge von dem des 9. Dem langsamen Schwanz-Wachstum in den folgenden Wochen nach zu urteilen, könnte dieses Junge schon vor einer Woche ausgeflogen sein. Es saß zunächst aus- schließlich in einer rund 15 m langen und etwa 5 m breiten, 2--3 m hohen Hecke der Bignonie Kigelia spec., die mit ihren zahlreichen Blüten neben der Insektennahrung auch für die Altvögel die hauptsächlichste Nektarquelle darstellte. Der Jungvogel ließ seinen Bettelruf manchmal ununterbrochen hören, manchmal jedoch erst, wenn ein ad. in der Nähe auftauchte.

Schon am 4.1. suchte das Junge zwischen den Fütterungen selbständig Blüten auf, doch benahm es sich auf den dünnen Zweigen und an den Blüten noch recht unbe- holfen, so daß nicht klar war, ob es tatsächlich mit Erfolg Nektar saugen konnte. Sobald sich ein ad. näherte, bettelte das juv. flügelschlagend und näherte sich ihm. Der Jungvogel wurde jedoch während der ganzen Beobachtungszeit n u r vom f~ gefüttert, obwohl er stets auch das 8 anbettelte. Meist landete das ~ unmittelbar beim Jungen auf dem Zweig, auf dem dieses gerade saß, doch gelegentlich fütterte es auch rüttelnd, vor allem, wenn es Insekten brachte. Bei der vermutlichen 13bergabe von Nektar war natürlich nichts im Schnabel zu erkennen.

Am 7. 1. begann der Jungvogel plötzlich, nach den umherfliegenden kleinen Insekten zu jagen. Innerhalb weniger min führte er über 20 Fangflüge durch, wobei er sich immer etwa einen m von der Hecke entfernte und das Insekt rüttelnd zu erbeuten suchte. Es ließ sich jedoch nicht feststellen, ob er Erfolg hatte. Am selben Tag gab es einen bezeichnenden Konflikt, wie er nur bei rasch nacheinander folgenden

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Bruien vorkommt und vor allem von der Amsel bekannt wurde" das 9 wurde von dem Jungen angebettelt, als es mit weißer Pflanzenwolle für den Nestbau auf der He&e gelandet war. Es bot dem Jungen die Wolle an, die zunä&st verweigert wurde. Das Junge sperrte jedo& heftig weiter und das 9 stopfte ihm nun die Wolle in den Schnabel. Das Junge vers&lu&te sie. Es zeigte jedo& ans&tießend durch wiederholtes weites Uffnen und Wieder-S&ließen des Schnabels, daß ihm diese ,Nahrung" ni&t besonders gut bekommen war.

Am 13.1. wurde das jur. nicht mehr gefüttert, obwohl es heftig bettelte. Am 17. 1. hat das d erstmals das jur. aggressiv angeflogen und verjagt. Eine Stunde später flog das d etwa 3 m nach unten unmittelbar dem Jungen auf den Rü&en und warf es von seiner Sitzunterlage. Der Jungvogel gli& jetzt auch in der S&wanzlänge weitgehend dem 9, verfolgte dieses jedoch no& immer bettelnd, ohne daß es ver- trieben wurde. Am 19. 1. hörten wir erstmals keinen Bettellaut mehr vom Jungen, do& folgte es nach wie vor dem 9.

Am 23.1. war der Jungvogel noch immer anwesend und versu&te, dem 9 zu folgen, wurde jedo& jetzt auch von diesem stürmis& verjagt. Am 24.1., unserem letzten Beoba&tungstag, war der Jungvogel no& immer da und wurde immer wieder von beiden ad. heftig bekämpft. Sie wirbelten mit ihm mehrmals bis fast auf den Boden herab. 3 bis 4 Wo&en na& dem Ausfliegen hatte also der Jungvogel das Revier no& ni&t verlassen.

Brutbiologische Daten

Wahrscheinlicher Nestbaubeginn 3.1., etwa eine Woche nach dem Ausfliegen des Jungvogels der vorigen Brut. Am 7. 1. nachmittags von 15.30 h ab wurde nicht mehr gebaut, doch wurde wohl an dem über dem Eingang befindlichen Vorbau noch am 8.1. gearbeitet. Auch nach Brutbeginn hat das 9 gelegentli& Wolle eingetragen. Dauer des Nestbaus: 41/2 Tage.

Brutbeginn in diesem Nest (und damit wahrscheinlich au& Eiablage) wohl am 12. 1. (an diesem Tag nicht beobachtet), mit Sicherheit brütete das 9 jedoch am 13.1., also 4--5 Tage nach Fertigstellung des Nestes.

Am 14.1. brütete das 9 noch in der Abenddämmerung. Am 15.1. wurde im Lauf des Vormittags das Nest ausgeraubt.

Bereits am 16. 1. frühmorgens begann das 9 mit einem neuen Nest, das in wesent- lich kürzerer Zeit, nämli& nach 31/2 Tagen, vollendet war. Am 24.1., unserem letzten Beoba&tungstag, brütete das 9 noch nicht. Zwischen Vollendung des Nests und Brut- beginn lagen also wiederum mindestens 5 Tage.

Zusammenfassung Ein Paar des Honigsaugers Nectarinia kiIimensis wurde in der Brutzelt beim Nestbau

21 Stunden beobachtet, l~ber die Bauaktivität gibt Abb. 2 Aufschluß. 140 von 144 Anflügen mit Nistmaterial waren auf 8 Stunden von 8h 16h konzentriert. Das Nistmaterial bestand

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fast ausschließlich aus Halmen, Pflanzenwolle und Spinnweben; dieses Material wurde von Anfang an abwechselnd verwendet. Nur das ~ hat gebaut. Die Baumethoden werden be- schrieben, ebenso verschiedene Balzhandlungen des d . Der Nestbau dauerte 41/2, beim folgen- den Nest 31/2 Tage.

Beim Brüten waren Schnabel und Oberkopf des ~ sichtbar. Während der Bauzeit wurde ein ausgeflogenes jur. nur vom ~) gefüttert. Als es mindestens 17 Tage alt war, wurde es vom d, 6 Tage später auch vom ~ aggressiv gejagt, doch war dieses jur. mehr als 3 Wochen nach dem Ausfliegen noch im Revier.

Summary

D a y - t i m e a c t i v i t y , n e s t - b u i l d i n g m e t h o d a n d b r e e d i n g b e h a v - i o u r o f B r o n z e S u n b i r d N e c t a r i n i a ( A i d e m o n i a ) k i l i r n e n s i s i n

C e n t r a l A f r i c a

A pair of Bronze Sunbirds Nectarinia kilirnensis was observed nest building over a period of 21 hours in the breeding season. Fig. 2 gives information on building activity. Of 144 arrivals with nest material 140 were concentrated in 8 hours from 08.00 to 16.00 hrs. Nest material consisted almost exclusively of grasses, plants, down and spider's webs; this material was, from the outset, used in an alternating pattern. The ~ alone did the building. Nest-buildlng methods are described, also various courtship activities of the (3. Nest building took 41/2 days, in the case of a second nest, 31/2 days.

The 9's bill and crown were visible when she was incubating. One young that had left the nest was red by the ~ alone. At least 17 days after this young one had fledged, it was chased aggressively by the (~, 6 days later also by the 9; despite this, the same young bird was still in the territory more than three weeks after it had fledged.

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Anschrift des Verfassers: 7293 Pfalzgrafenweiler 2, Edelweiler