taz.weltmusikdownload.taz.de/Weltmusik_Mai_2013.pdf · wie Cesaria Evora, Oumou SangaréoderEsmaRedzepo-vaalldieZeit,bevorsievonei-nem westlichen Publikum entdecktwurden,aufeinerIn-sel

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  • taz.weltmusik

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    01SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013

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    Impressum Redaktion:Daniel Bax | Layout: Jrg kohn | Anzeigen: Sntke Tmmler

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    kleinenTrick: Sie nah-men ihren Mu-sikern ob ausMali, Mazedonienoder von den Kap-verden einfachihre Keyboardsund Drum-Com-puter weg. Dieseracoustic turn machtediese Musik in westli-chenOhren oft anspre-chender und geflliger.Er erweckte aber auchden falschen Eindruck, alswren die Entwicklungender Pop-Moderne an man-chen Regionen der Welt vl-lig spurlos vorbeigegangen.Als htten solche Musikerwie Cesaria Evora, OumouSangar oder Esma Redzepo-va all die Zeit, bevor sie von ei-nem westlichen Publikumentdecktwurden, auf einer In-sel der Seligen gelebt, ohneSteckdosen, Fernsehen undandere schdliche Einflsse.Das ist mit ein Grund, warumWeltmusik gern mit Kli-schees wie heiler Welt, Ur-laubstrumen und Exotis-mus assoziiert wird.

    Andere Frderer der Welt-musikwie etwaPeterGabrielgingen genau den entgegen-gesetzten Weg. Sie kombi-nierten die Klnge aus allerWelt mit moderner Ambient-Elektronik oder aktuellenClub-Beats oder motzten sie zuPop-Produktionen nach westli-chem Muster auf, um ein west-liches Publikum zu berzeugen.

    Die eineMethode kommt denErwartungen und Sehnschteneines westlichen Publikums ent-gegen, indem sie an Klischee-und Wunschbilder von Ur-sprnglichkeit, AuthentizittundvermeintlichparadiesischerUnberhrtheit anknpft. Die an-dere Methode dimmt die kultu-rell-sthetischen Unterschiedeso weit herunter, damit sie keinHindernismehr bilden und oftgenugkaumnoch zuhren sind.

    Beide Methoden haben funk-tioniert, auchwenn das Ergebnismanchmal etwas von Mimikryhatte. Etwa wenn afrikanischeMusiker auf der Bhne in Trach-

    tenkostme schlpfen, um ihremodernen Sweater und Sneakerzu verbergen. Oder wenn sie et-was Djembe-Percussion in ihreHipHop-Beats einstreuen, umkeinen reinen Abklatsch westli-cherRap-Vorbilder zu liefern, de-nen sie im Grunde nacheifern.

    Allerdings ist die Welt in denletzten 25 Jahren tatschlich en-ger zusammengewachsen, unddas hat manche Unterschiedeaufgehoben. Es gibt immermehrpopkulturelle Trends, die berKontinente hinweg funktionie-ren, und Knstler, die mhelosGrenzen berwinden.

    DieMusikszenen haben sichangenhert. Und dabei istnicht immer klar, was ernstgemeinte Tradition, Ironie,Vermarktung und freiesSpiel mit popkulturellenZeichen ist. Auch der Main-

    stream ist bunter geworden: Daszeigen globale Chart-Erfolge wiediese hawaiianische Version vonOver the Rainbow, der brasilia-nische Country-Schlager einesMichel Telo oder der GangnamStyle aus Korea.

    Heute knnen Knstler, egalwo sie sind, dank Youtube undSpotify per Mausklick ein welt-weites Publikum erreichen, undAmazon und andere Dienste lie-

    ESSAY Dank Youtube & Co gibt es immermehr Trends, die ber Kontinente hinweg funktionieren,

    und Knstler, die mhelos Grenzen berwinden. Nichtimmer ist klar, was dabei ernst gemeinte Tradition,

    Ironie, Vermarktung oder freies Spiel mitpopkulturellen Zeichen ist

    VON DANIEL BAX

    ch hasse Weltmusik .So lautetederTitel ei-nes berhmten Essays,den der amerikanische

    Rockstar David Byrne vor14 Jahren in der NewYork Times verffent-lichte. Seine scharfeKritik richtete sichweniger gegendie Musik unddie Musiker,die gewhnlichunter der Be-zeichnungWeltmusik rub-riziert werden. ImGegenteil: Der Witzwar gerade, dass Da-vid Byrne selbst in denUSA und darber hinausweithin als Mister Weltmu-sik bekannt war und ist. Mitseinem Label Luaka Bop hat erviel dafr getan, insbesonderelateinamerikanische Knstlerund Bands ber ihren Kontinenthinaus bekannt zumachen.

    Die Polemik David Byrnesrichtete sich vielmehr gegendenBegriff Weltmusik und die ArtundWeise,vonderermeinte,wiedieses Genre von einem westli-chen Publikum rezipiert wird. Erbeklagte, durch diesen Begriffwerde eine knstliche Trennungder Welt in wir und sie ze-mentiert. Das Moderne, Subver-siveundOriginelle andieserMu-sik werde ausgeblendet und aufeineregionaleFolklorereduziert.Am Ende wrden damit oft ge-nug nur nationale Klischees be-dient, frchtete David Byrne.

    Andere Lnder, andere Stile

    EsgabvonAnfanganeineMengeDinge, die einem weltweitenMassenappeal vonKnstlernausder sogenannten Peripherie imWege standen. Nicht nur dieSprache, in der gesungen wurde ein Argument, das in den USAund Grobritannien brigensviel schwererwogals inDeutsch-land, wo man es gewohnt ist,nicht immer alle Texte zu verste-hen. Selbst Nick Gold, der briti-sche Produzent des weltweit er-folgreichen Buena Vista SocialClub, musste sich in seiner Hei-mat fragen lassen, ob seine altenHerren aus Kuba nicht auch aufEnglisch singen knnten. InGrobritannien hielt sich der Er-folg seiner Truppewohl auch ausdiesemGrund in Grenzen.

    Ein weiteres Problem stelltenGeschmacksunterschiede dar,die sichmanchmal nur in Nuan-cen zeigen. Was den einen derletzte Schrei ist, wird von ande-ren als kitschig empfunden. Umein intellektuelles Publikum an-zusprechen, musste eine allzugrelle sthetik oft genug herun-tergedimmtwerden.Hinzu kam,dass man sich nicht berall aufder Welt auf dem gleichen Standder Technik und derMode befin-det und befand. Oft genug be-nutzten Musiker ein veraltetesEquipmentoderstandenaufmu-sikalische Effekte wie Hall undBeats vom Drumcomputer, diein westlichen Ohren altbackenoder gar trashig klangen.

    Manche Weltmusik-Produ-zenten griffen deshalb zu einem

    I

    fern einem fast jede gewnschteCDberallhin.UndwhrendMa-jor-Labels Pleite gemacht habenund viele kleine Labels schw-chen, ist Weltmusik aber nochimmer ein halbwegs solides Ge-schftsfeld. Aufgrund seinerNachhaltigkeit, knnte man sa-gen: weil hier keine schnelllebi-gen Trends produziert werden,sondern weil viele Labels undFestivals fr knstlerischeQuali-tt brgen. Dass das so ist, er-kennt man zum Beispiel daran,dass die groe Musikmesse Pop-kommschon vor langer Zeit ihrePforten schlieen musste, wh-rend die kleine, unabhngigeWeltmusik-Messe Womex nochimmermunter weitermacht.

    Es gab viele Versuche, Welt-musik zu definieren. Einer derschnsten stammt von Chris-toph Borkowsky, dem Chef desBerliner Labels Piranha undMit-begrnder der Weltmusik-MesseWomex: Er betrachtet Weltmu-sik, analog zum Begriff Weltlite-ratur, als einen Qualittsbegriff.Nur das, was sich auerhalb derlokalen Mrkte und Publikums-kreise bewhre, falle darunter.

    Dieser Erfolg der Weltmusikspiegelt eine gesellschaftlicheEntwicklung wider. AuchDeutschland ist, wie viele Lnder

    in Europa, in den letzten Jahr-zehnten deutlich bunter undvielfltiger geworden. Allerdingsbeginnen Einwanderer erst lang-sam an Einfluss zu gewinnen. Sohat vieles von dem, was hierzu-lande unter Multikulti undWeltmusik verstanden wurdeund wird, mehr mit den Wn-schen und Sehnschten einesherkunftsdeutschen Publikumszu tun, als dass es die Realittender Einwanderungsgesellschaftin Deutschland spiegelt. So gibtes in ganz Deutschland zum Bei-spiel immer noch kein einzigesFestival fr trkischeMusik.

    File Under: Global Bass

    Aber die Grenzen lsen sich auf.Was frher in Weltmusik-Ni-schen eine kleine ffentlichkeitfand, findet heute in der Philhar-monie, an der deutschen Operund sogar in Techno-Clubs statt.Die groen Konzerthuser ent-decken die Einwanderer als po-tenzielles Publikum. Die deut-sche Elektronik-Szene entdecktdie Kollegen in Afrika und La-teinamerika fr sich. Interessan-terweise begeistern sichmanchedort gerade fr das antiquierteEquipment und die altmodi-schen Keyboard-Sounds, die vonWeltmusik-Connaisseuren langeZeit verschmht wurde. File Un-der: Ghetto Tech, Global Bassoder Worldtronics.

    Wo sich diese Entwicklungenbislang noch am wenigsten wi-derspiegeln, sind die deutschenMedien. Selbst Stars wie die Dis-sidenten, Shantel, die 17 Hippies,La Brass Banda bekommen hiernicht die Anerkennung, die sieanderswo erfahren. Dafrschlgt sich die wachsende Viel-falt inzwischen in der Kulturfr-derung nieder. Wegweisend istetwa die Initiative des Landes-musikrats Berlin, der nach Kon-trabass, Posaune und Fagott indiesem JahrdieBaglama, die tr-kische Langhalslaute, auch Sazgenannt, zu ihrem Instrumentdes Jahres erkoren hat. In eini-gen Bundeslndern ist das In-strument bereits ein fester Be-standteil des Wettbewerbs Ju-gendmusiziert.

    Wegweisend ist aber auch dasmusikpdagogische ProgrammJedemKindein Instrument,dasvor fnf JahrenanGrundschulenimRuhrgebiet eingefhrt wurdeund im restlichen BundesgebietNachahmer findet. Neben Gitar-re, Akkordeon, Keyboard, Klavierund Schlagzeug knnen Kinderdort auch Djemb, Cajn oderBaglama lernen. Damit werdendiese Instrumente schon an derBasis vom Ruch des Exotischenbefreit. Fr die nchste Genera-tion deutscher Musiker wird esdann vielleicht eine Selbstver-stndlichkeit sein, die trkischeSazmitRockoderelektronischenKlngen zusammenzubringen,wiedas inderTrkei schon langeblich ist. Es ist nur eine Frageder Zeit, bis die erste deutscheBand aus dieser Kombination et-was ganz Neues schafft viel-leicht mit deutschen Texten.

    Gekrzte und berarbeitete Ver-

    sion eines Vortrags, gehalten beim

    Weltmusik-Symposium im Mrz in

    Ludwigshafen

    Ist dasnochWeltmusik?

    Was frher auf Multikulti-Nischen begrenzt war, findetheute von der Philharmoniebis zu Techno-Clubs ein breitesPublikum

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    sagt sie rckblickend. Die Men-schen im Sden mssen wissen,dass dieMusik imNordenverbo-ten wurde und dass viele Tuaregmit ihren Frauen und Kindernflchtenmussten. Es sei wichtiggewesen, diese Information zuverbreiten, sonst htte ein Ge-nozid gedroht, glaubt sie.

    Seit 15 Jahren lebt FatoumataDiawara in ihrer Wahlheimat Pa-ris und ist dortmit sanften Afro-balladen in den letzten Jahrenzum Weltmusikstar aufgestie-gen. Wirbesitzengemeinsamei-nen Reichtum, der nicht zerstrtwerdendarf, appelliert sie an ih-re Landsleute in derHeimat. Fasttrotzigfgtsiehinzu: Wirdrfendie Stabilisierung des Landesnicht der Regierung berlassen,sondernmssen uns alle zusam-men fr den Frieden einsetzen.Diawara betont, dass sie ihre Tu-aregschwesternund -brder lie-be, und gibt sich berzeugt, dassMali auch in Zukunft seine Kraftund Strke weiter aus seiner kul-turellenVielfalt schpfenwerde.

    Islamistische Verlockung

    Bloer Zweckoptimismus ausder europischen Ferne? Diemeisten ihrerKollegen sehendieLagedifferenzierterundschwan-ken zwischen vager HoffnungundUnbestimmtheit.Die Snge-rinundSongwriterinRokiaTrao-r, alsDiplomatentochter inAfri-ka wie in Europa gleichermaenzu Hause, sieht die Ursachen desMali-Konflikts in einem breitenVersagen der malischen sowieder franzsischen Politik. Was ei-ner friedlichen Zukunft haupt-schlich im Wege stehe, sei aberdie Armut in der Region. Mit ih-ren einfachen Versprechungennach einem himmlischen Para-dies wrden fundamentalisti-sche Krfte ihren Einflussbe-reich klammheimlich bis nachBamako ausweiten, wo gewissePolitiker eine schleichende Isla-misierung des Landes billigendin Kauf nehmen wrden, warntsie. Ihre Hoffnungen ruhen aufjenen, die sie fr die kulturellenLeistungstrgerMalis hlt, in derMusik wie in der Literatur oderim Film (siehe Portrt Seite 4).

    Furcht vor dem Gottesstaat

    Malis Grandseigneur, der 63-jh-rige Albino-Snger Salif Keita,hingegen zeichnete Anfang desJahres im Malis Staatsfernsehenein unverhohlen resigniertesSzenario fr die heimische Mu-sikszene. Die Religion ist dabei,sich in die Politik einzumischen.Sollte Mali ein Gottesstaat wer-den, ist das dasAus fr unsMusi-ker, die schon unter der Raubko-piererei zu leiden haben. Daswird unser Leben noch zustz-licherschweren,orakelteer. Da-herwill ichauchnicht, dasseinesmeiner Kinder in meine Fu-stapfen tritt und Musiker wird,setzte der 63-Jhrige hinzu.

    Noch ist vllig offen, ob Malinach dem Einmarsch auslndi-scher Truppen wieder zu vollerstaatlicher Souvernitt zurck-finden und als territoriale Ein-heit bestehen bleibt. Einigeshngt vom Ausgang der fr die-sen Juli geplantenWahlen ab. Siewerden zeigen, ob sich das Landauf den Friedenspfad macht oder gar den Weg zum Gottes-staat einschlgt, wie manchefrchten. Ob es bei dem Terminbleibt, scheint aber noch frag-lich,da immernochZehntausen-de der Flchtlinge ausMali nichtin ihre Heimat zurckgekehrtsind und die Tuareg-Rebellenvon der MNLA ihre Waffen nichtniederlegen wollen, solange eskeineechtenVerhandlungenmitder Regierung in Bamako gibt.

    Bei all diesen humanitrenundpolitischenUnwgbarkeitensteht viel auf dem Spiel es gehtum die Zukunft eines der in kul-tureller Hinsicht reichsten Ln-der des Kontinents.

    Trouble inTimbuktuWESTAFRIKA Mali gilt als

    Wunderkammer der

    Weltmusik, das grte

    Kapital des Landes ist

    seine kulturelle Vielfalt.

    Doch der Krieg hat auch

    die Musikszene tief

    gespalten. Eine

    Spurensuche, von Kidal

    bis Bamako

    VON STEFAN FRANZEN

    napp fnf Monate ist esher, dass franzsischeTruppen in Mali einrck-ten und die radikalisla-

    mistischenMilizen, die den Nor-den besetzt hatten, in die Fluchtschlugen. Von Frieden ist dasLand, das vielen im Westen alsWunderkammer der Weltmusikgilt, aber noch weit entfernt.

    Der Konflikt hat auch die Re-gion Niafunk, von wo aus derverstorbene Gitarrist Ali FarkaTour einst mit seinem DesertBlues seinen Siegeszug um dieWelt antrat, erschttert. Der Gi-tarrist und Snger Samba Tour,ehemaliges Mitglied in Ali FarkaTours Band, ist dort zu Hause.AlsdieKmpfeausbrachen,hat-te ichalleHndevoll zu tun,mei-ne Familie und Verwandten indenSdenzubringen,erzhlter.

    Die ltesten konnten nichtreisen und wurden so Zeuge vonVergewaltigungen und Folterun-gen. Schulen und Krankenhu-ser wurden geplndert und zer-strt. Es war ein Schock fr uns,dass unsere Nachbarn von ges-tern pltzlich die Waffe gegenuns richteten. Diese Leute sindmitunsaufgewachsen, siehabendie Probleme der Regionmit unsgeteilt!, emprt er sich.

    Kurzlebiger Staat Azawad

    Doch der Konflikt reicht weit zu-rck. Anfang 2012waren imNor-den Malis die Tuareg-Aufstnde,die seitMittederNeunzigerjahrebefriedet zu sein schienen, wie-der aufgeflammt. Soldaten dermalischenArmeeputschtendes-halb im Mrz des vergangenenJahres gegen die Regierung, dersie Unttigkeit vorwarfen. DieTuareg-Rebellen der NationalenBefreiungsbewegung von Aza-wad (MNLA) nutzten das Macht-vakuum, um blitzartig wichtigeStdte im Norden zu besetzenund dort den unabhngigenStaat Azawad auszurufen, vondem sie immer getrumt hatten.

    Doch rasch entstand einezweite Front: RadikalislamischeGruppen wie Ansar Dine undKmpfer von al-Qaida im Magh-reb kndigten ihre anfnglicheAllianz mit den Tuareg-Rebellender skularen MNLA auf undfhrten in den Stdten des Nor-dens, von Gao bis Timbuktu, mitScharia-Strafen ein Schreckens-regime ein. Sie verboten jeglicheMusik, strten Radiosender, zer-trmmerten Stereoanlagen undduldeten selbst auf den Handysnur noch Koransuren. Sie zer-strten auch die Grber musli-mischer Volksheiliger, die wert-volle Bibliothek von Timbuktuging in Flammen auf.

    Terror am heiligen Ort

    Samba Tour kann das bis heutenicht fassen: Wie knnen dieseBanditen zu einem heiligen Ortwie Timbuktu kommenund vor-geben,uns zu lehren,wiewirdenIslam zu praktizieren haben?,fragt er. InWirklichkeit sei esdenRebellendarumgegangen, einen

    K

    wad aber auf friedlichemWege.Es ist immerbesser,wennwir

    unsere Probleme friedlich re-geln, sagt er. Doch es kommtvor, dass wir gezwungen sind,zur Waffe zu greifen. Tamikrest,betonterausdrcklich,habenalsMusiker Privilegien, sie knnenreisen und die Infrastruktur imWesten nutzen. Im Septemberwird ihr neues Album erschei-nen.Wieschonzuvorarbeitensiedafr mit dem Gitarristen ChrisEckman von den Walkabouts zu-sammen.

    Auch wenn die Animosittenzwischen den Volksgruppen un-bersehbar sind, beschwrenmanche Knstler noch immerunerschtterlich das friedliche

    Miteinander: Im Januar, fast zeit-gleich mit dem franzsischenEinmarsch inMali, versammeltedie Sngerin und SongwriterinFatoumata Diawara 40 der pro-minentesten Musiker ihres Lan-des in der Hauptstadt Bamako.Gemeinsam mit weltbekanntenGrenwiedemblindenSnger-paar Amadou und Mariam, demKora-Virtuosen Toumani Diaba-t und der Wassolou-SngerinOumou Sangar sang die 30-jh-rige Newcomerin dort die Frie-denshymne Mali-ko ein.

    Friedenshymne aus Paris

    Ich wollte mit meinem Lied einSignal dafr setzen, dass wir allezusammen handeln mssen,

    Wir haben nie Problememit anderen Vlkerngehabt. Nur mit derRegierung in BamakoOUSMANE AG MOSSA, TAMIKREST

    Ousmane Ag Mossa, der Lea-der der Band Tamikrest, betrach-tet den Konflikt von einer ande-ren Warte. Der Targi stammt ausKidal, einer abgelegenen Sied-lung nahe der algerischen Gren-ze, mitten in der Sahara. Die Si-cherheitslage ist okay, sagt er.Aber die Grenze nach Algerienist geschlossen undwir hngenvon den Lebensmitteln ab, dievon dort kommen.

    Tuareg in der Klemme

    Mehr denn je sitzen Tuareg wieer nun zwischen allen Sthlen.Ousmane Ag Mossa klagt, dassAngehrige der malischen Ar-mee seine Leute erpressten, aberauch, dass die Islamisten seineMusikerkollegen gefoltert undihr Equipment zerstrt htten.Die Prsenz auslndischer Trup-pen provoziere nun Anschlgeder Rebellen, frchtet der Lo-ckenkopf: Wir haben nie Proble-me mit anderen Vlkern gehabt.Differenzen gab es immer nurmit der malischen Regierung,die falsche Informationen beruns verbreitet. Auch er ist zu-mindest fr ein autonomes Aza-

    Emprter Bluesmann in Niafunk: Samba Tour Foto: Glitterbeat Friedensgre aus Frankreich: Fatoumata Diawara Foto: World Circuit

    Nachdenklich: Ousmane Ag Mossa (vorne rechts, kniend) im Kreis seiner Band Tamikrest Foto: Glitterbeat

    Durchgangsstaat fr ihren Dro-genhandel zu schaffen, glaubt er.Forderungen der Tuareg nachUnabhngigkeit lsst Tournicht gelten: Mit dem gleichenRecht knnten wir Songhai oderauch die Peul, Dogon oder Bozoeinen eigenen Staat fordern, fin-det er. Auerdem sprchen dieRebellennur fr eineMinderheitderTuareg. Die sindunsereBr-der und werden es bleiben. Siewaren die Ersten, die unter demKonflikt leiden mussten. Nunmssen viele von ihnen in arm-seligen Flchtlingslagern vege-tieren, sagt er.

    ber 400.000 Malier warenzeitweise auf der Flucht vor denKmpfen. Als sich Frankreichentschloss, mit seiner Armee inMali einzugreifen, konnte es dieIslamisten innerhalb wenigerWochen vertreiben. Doch dieserrasche Erfolg tuscht, wei Sam-ba Tour. Die Situation im Nor-den ist alles andere als sicher,warnt er. Einige Rebellenban-den wurden zerschlagen. Aberim Hintergrund lauern andereTerroristen, und sie spalten sichin immer mehr Gruppierungenauf. Nach wie vor kann alles pas-sieren. Albala (Gefahr) hatder Tour sein neues Album ge-nannt. Darauf wendet er sich indem Song Fondora direkt andie Rebellen und verteidigt dieEinheitdesStaates, seinSonghai-Blues klingt dster und traurig.

  • SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG 03taz.thema WELTMUSIK

    Landes einrichten lie. Viele jun-geTuaregwarendamalsvorDr-re, Arbeitslosigkeit und Unter-drckung in ihren Lndern genNorden geflohen. Gaddafi wollteaus ihnen eine schlagkrftigeSldnertruppe schmieden, umdamit seine Vormacht in der Re-gion zu untermauern.

    Anfangs waren Tinariwennicht vielmehr als das dermusi-kalische Arm jener Rebellen, die

    reg-Band Tamikrest (siehe Arti-kel links), in Niger das Duo Tou-mast sowie die Band Bombino.

    Fnf Alben haben Tinariwenin den vergangenen zehn Jahrenverffentlicht, heute zhlenauch Rockstars wie Robert Plant,Carlos Santana und Radiohead-Chef Thom Yorke zu ihren Fans.An ihrem letztenAlbum Tassiliwaren die Alternative-Country-Band Wilco und die Progrock-

    des Gaddafi-Regimes in LibyenistderKonfliktnachMali zurck-gekehrt. Hunderte von Tuareg,die in Gaddafis Armee gedienthatten, kamen nach dessen FallzurcknachMali, schwerbewaff-net undgut ausgebildet, aber oh-ne jede Perspektive.

    Als Tuareg-Rebellen im ver-gangenenApril imNordenMaliseinen eigenen Staat ausriefen,warenTinariwengeradeaufTourin Europa. Es ist eine bittere Iro-nie der Geschichte, dass der Tua-reg-Anfhrer Iyad Ag Ghali, derTinariwen einst ihre ersten In-strumente sponserte, als Chefder radikalislamischen GruppeAnsar Dine dort nunmehr einstriktes Musikverbot verfgte.

    GaddafisVermchtnisWSTENROCK Die Geschichte von Bands wie Tinariwen spiegelt die jngste

    Geschichte der Tuareg. Davon erzhlt jetzt ein neues Buch

    VON DANIEL BAX

    ls die Tuareg-Band Tina-riwen mit ihren indigo-blauen Gewndern, im-posantenTurbanenund

    Gesichtsschleiern um die Jahr-tausendwende herum erstmalsauf westlichen Rockbhnen auf-kreuzte, eilte ihr ein sagenhafterRuf voraus: Echte Rebellen undFreiheitskmpfer seien das, dieihre Kalaschnikows aber gegenGitarren getauscht htten, umdie Welt mit ihrem energischenBluesrock zu bezirzen. DieseMu-sik klang irgendwie vertraut unddoch seltsam fremd, wie eine so-nische Fata Morgana.

    Der britische Journalist AndyMorganverhalf Tinariwenals ihrManager zu Weltruhm. Heutebreitet er seine Kenntnisse berdie Tuareg und den Konflikt inMali in einem Blog aus (andy-morganwrites.com). Sein gesam-meltes Wissen ist auch in dasBuch Music, Culture & Conflictin Mali eingeflossen, das jetzterschienenist (220Seiten, erhlt-lich ber freemuse.org).

    Es ist eine packende Lektre,denn die Geschichte von Bandswie Tinariwen spiegelt die jngs-te Geschichte der Tuareg wieder.Die Anfnge von Tinariwen lie-gen in den militrischen Ausbil-dungslagern, die der libyscheDiktator Gaddafi Anfang derachtziger Jahre im Sden seines

    A

    Das Festival au Dsert, zurFeier der Tuareg-Kultur ge-grndet, fiel in diesem Jahraus. Ein Dokumentarfilm hatdie Atmosphre festgehalten

    1990 hinter dem Tuareg-Auf-stand in Mali standen. Doch ihreSongs machten auf Kassetten inder ganzen Sahara die Rundeundverbreiteten ihrenRuf ber-all da,woTuareg lebten, vonMaliber Algerien und Libyen bis Ni-ger und Burkina Faso. Tinariwenhaben so eine ganze GenerationvonTuareg-Musikern geprgt: inMali das vonFrauengefhrte En-semble Tartit und die junge Tua-

    Band TV on The Radio beteiligt.Fr die Aufnahmen mussten Ti-nariwen allerdings in die Oasen-stadt Djalit nach Algerien aus-weichen. Bei ihnen zu Hause, imNordenMalis, war die Lage dafrschon zu brenzlig geworden.

    Der Tuareg-Aufstand von1990 endete 1996mit einemAb-kommen in Timbuktu, feierlichwurden dort 300 Kleinwaffenverbrannt. Doch mit dem Ende

    Auch die Rckeroberung des Ge-biets stellt Tuareg-Bands wie Ti-nariwen nun vor ein Dilemma.Einerseits haben sie in ihren Lie-dern immer wieder die Tuareg-Kultur besungen und damit denWunschauchnachpolitischerEi-genstndigkeit wachgehalten.Andererseits drohen die Tuaregjetztwieder, zumOpfer grererMchte zu werden.

    Zur Feier der Tuareg-Kulturwurde zur Jahrtausendwende inMali das Festival au Dsert insLeben gerufen. Zwlf Jahre langtraten dort Musikstars aus demSden Malis neben Tuareg-Bands und westlichen Rockstarswie Damon Albarn, Manu Chaooder Bono auf. Schon 2007

    mischten sich aber Al-Qaida-Mnner unter die Zuschauer,undals eswenig spter inderN-he zu brutalen berfllen aufAuslnderkam,verlegtemandasFestival vom Wstenort Essaka-ne nach Timbuktu.

    IndiesemJahrplantendieMa-cher, es als Festival in Exilenach Burkina Faso verlegen.Doch am Ende mussten sie dasHandtuch werfen. Von der be-sonderen Atmosphre, die dasFestival auszeichnete, kndetderzeit nur noch der Dokumen-tarfilm Woodstock in Timbuk-tu der deutschen RegisseurinDesirevonTrotha,derdieserTa-ge ineinigenausgewhltendeut-schen Kinos gezeigt wird.

    Im libyschen Ausbildungslager gegrndet: Ibrahim Ag Alhabib (Mitte) mit Tinariwen Foto: Cooperative Music

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    cken, er bietet so zugleich vielPlatz fr intime, stille Sahel-Mo-mente. Die kreisenden Groovesder E-Gitarre verpartnern sichmit der Spielaute Ngoni, fein-gliedrige traditionelle Percus-sion und zarte Backgroundchremischenmalische Farbenmithi-nein. UndRokia TraorsMarken-zeichen, ihre geradezu philoso-phischen Verse auf Bambara, ge-hrenselbstredendauchzumIn-ventar.

    Ich schreibe meine Texte ineiner sehr aufrichtigen Art. Inmeiner Dichtungmchte ich einGleichgewicht herstellen zwi-schen meiner eigenen Wahrheitund der der anderen. Denn dieeine Wahrheit gibt es nicht,sagt sie. Im Stck Kouma be-zeichnet sie Sprache als Mille-Feuille, als Bltterteig, mit derman verschiedene Schichten derBedeutungoffenlegen,aberauchwieder zurckziehen kann. AlsTochter eines Diplomaten, diemit ihrer Familie fters denWohnort wechselte, hat sie ge-lernt, das Alleinsein nicht alsNachteil zu sehen. Schon imKindesalterwurdedasSchreiben

    von kurzen Texten meine Zu-flucht. Deshalb ist dieMelancho-lie fr mich auch kein traurigerZustand: Ich brauche sie regel-recht als Inspiration, sagt sie.

    Ihrem bevorzugten Seelenzu-stand hat sie ein Lied auf Franz-sisch gewidmet, im dazugehri-gen Clip tanzt sie selbstverges-sen.UndausderZurckgezogen-heit ist auch der reizendste Titeldes Albums entstanden: In TuitTuit begibt sich Rokia Traor indirekten Kontakt mit der Natur.Zu einem leichtfigen E-Gitar-ren-Groove duettiert sie mit denVgeln, die sie jeden Morgen imGarten ihres kleinen Hauses inBamako aufwecken, wenn sie ge-rade dort ist.

    Gar nicht mehr besinnlichklingt es dann aber im Titelstckdes Albums, in dem sie ihrAfrique je taime so trotzig he-rausschreit, als wollte sie gegenden Konflikt in Mali und die an-deren Brandherde des Konti-nents anbrllen. Im Gesprchfordert sie, die Politiker in Bama-komsstensichjetztanstrengen,um das Vertrauen der Bevlke-rung zurckzugewinnen. Erst

    der Schlendrian der korruptenVorgngerregierung sei es gewe-sen, der den Vormarsch der Isla-mistenbegnstigthabe zusam-men mit einem franzsischenPrsidenten Sarkozy, der all dieWarnungen afrikanischer Staats-chefs in denWind schlug, welcheFolgeneinSturzvonLibyensDik-tator Gaddafi fr die Region ha-ben wrde. Doch Sarkozy habesich nur fr konomische Belan-ge interessiert, meint sie.

    Fr Rokia Traor war es des-halb nur recht und billig, dassFrankreich unter der neuen Fh-rung von Franois Hollande mitmilitrischer Hilfe die Scharteauswetzte. Ich habe wie vielemeiner Landsleute eine klareVorstellung von Mali, schlietsie ihre politischen Betrachtun-gen mit einer Portion National-stolz. Auch wenn wir einen derniedrigsten Lebensstandards derWelthaben,verfgenwirberei-nenhohen Level an Intellektuali-tt. Wir haben groartige Filme-macher, kluge Minister, die eineMenge fr ganz Afrika auf denWeggebrachthaben,und ichhal-te Amadou Hampate B fr ei-nen der grten Schriftstellerder Welt. Deshalb bin ich zuver-sichtlich, dasswir aus diesermo-mentanen Klemme wieder her-auskommen.Oder,wie sie es imText zum Titelstck formulierthat: In meinen afro-progressi-ven Venen brennt Bambara-Blut,aufgeladenmit Hoffnung.

    Rokia Traor: Beautiful Africa(Outhere Records)

    Die StrippenzieherinAFRO FOLK Malis

    Star-Songwriterin

    Rokia Traor geht

    ihren eigenen Weg.

    Auf Beautiful Afrika

    zeigt ihr Kompass

    Richtung Indie und

    Alternative-Rock

    VON STEFAN FRANZEN

    ie ist nie den einfachenWeg gegangen. Als Diplo-matentochter rebellierteRokia Traor einst gegen

    eine vorgezeichnete Karriere inBrssel. Als Musikerin experi-mentierte sie mit unerhrtenAkustiksounds und zog damitden Zorn der Puristen auf sich.Sie arbeitete mit dem KronosQuartet wie mit Popstars, mitBeatboxerngenausowiemitGri-ots. Das neueWagnis: Auf Beau-tiful Africa gibt sich Rokia Trao-r nun ungewohnt rockig undtrotzdem auchmelancholisch.

    Fr die Produktion des Al-bums sicherte sie sich die Diens-te von John Parish, der unter an-derem fr seine Arbeit mit PJHarvey bekannt geworden ist.Ich wollte mit jemandem arbei-ten, der das Gefhl fr Rock ein-bringenkonnte, sagt Rokia Trao-r. John ist keiner, der alles po-liert. Er lsst auch kleine Unrein-heiten drin, und damit unter-streicht er die menschliche Seiteund den natrlichen Groove.

    Angekndigt hatte sich RokiaTraors Neuorientierung inRichtungRock schon auf demAl-bum Tchamantch, auf dem siemit Gretsch- und Silvertone-Gi-tarren experimentierte. AufBeautiful Africa geht sie einenSchritt weiter. Es kracht ordent-lich, dieKompassnadel ist auf In-dieundAlternativeausgerichtet.

    Wenn Rokia ber die Produk-tion ihres neuen Werks spricht,legt sie viel Selbstbewusstsein anden Tag. Vorbei die Zeiten, in de-nen westliche Pultmeister pater-nalistisch in dieMusik ihrer afri-kanischen Schtzlinge hinein-polterten. Rokia Traor selbsthlt die Fden inderHand. Es istvonVorteil, dass sich die europ-ischen Musiker in meiner BandgarnichtmitafrikanischenKln-gen auskennen, das wrde nurfr Redundanz sorgen. Dennwenn ich ins Studio gehe, habeich ja alle Arrangements schonim Kopf, stellt sie klar. DerSound ist strippeddownund tro-

    S

    VON BAMAKO IN DIE SAHARA

    berdrehte DiskokugelBei Salif Keita, dem 63-jhrigen Gromeisterder malischen Popmusik aus Bamako, stan-den die Vorzeichen in den letzten Jahren aufback to the roots. Mit Tal hat er auf seinealten Tage das Ruder jetzt aber noch einmaldeutlich herumgeworfen. Der prominenteAlbino-Sngermit der goldenen Stimmehat das Produktionszep-ter an Philippe Cohen-Solal vom Gotan Project bergeben, undganz wunschgem hat der Franzose fast alle der elf Chansonstanzbar gemacht.

    Die traditionellen Instrumente von Buschharfe ber Flte bisBalafon leuchten zwar noch durch, doch nach lyrischem Intro do-miniert dann der Dancefloor-Anstrich. Ein Kopfnickerbass undschwle Streicher erinnern an Chic, die Hitmaker des Discofunk.Dann gibt es ein wenig Dub, ein bisschen Afrobeat, Mandinke-Techno, Salsa-Anleihen. DieGastauftritte vonBobbyMcFerrin, Es-peranzaSpaldingundRootsManuvawirkenetwabemhtundauf-gesetzt. Zum Glck ndert das nichts am Charisma von KeitasStimme und demmajesttischen Grundcharakter der Mandinke-Melodien. Insgesamt aber hat der Patron aus Bamako bei seinemWunsch, zeitgenssisch zu klingen, die Diskoglitzerkugel doch et-was berdreht. SFSalif Keita: Tal (Wrasse/HarmoniaMundi)

    Von Niger nach NashvilleOmara Mokhtar alias Bombino ist der neueHelddesWstenblues.DerGitarristausNigerhat zwei Rebellionen erlebt, ist geschult anden Klngen von Jimi Hendrix und MarkKnopfler und hat mit Keith Richards ge-jammt. Wie es bei momentan fast allen Tua-reg-Musikern der Fall zu sein scheint, gehrt es auch bei ihm zumguten Ton, sich einen westlichen Produzenten aus der seelenver-wandten Bluesrock-Spartemit ins Boot zu holen.

    Auserkoren hat sich Bombino den Black-Keys-Gitarristen DanAuerbach, der hier nochmals eine krachige Schippe mehr drauf-gelegthat, als dasbeiKollegenwieTinariwenoderTerakaft derzeitUsus ist. Die scharfkantigenGitarren kreisen verzerrter, die Bssepumpen, undein Schlagzeugpackt zu. Als Schaukasten fr das ge-lungeneTeamwork zwischenNigerundNashville kannder rollen-de Niamey Jam gelten ebenso der Song Imuhar, der zudemnoch mit originellen Vibrafoneinlagen bereichert wird. Sympa-thisch, dass Auerbach auch noch etwas Platz fr den typisch tra-benden Tuareg-Rhythmus gelassen hat, etwa in Imidiwan. SokannauchBombinosnselndesVokalcharismamal richtig durch-dringen. SFBombino: Nomad (Nonesuch/Warner)

    Benefiz fr Mali-FlchtlingeAls Tuareg-Rebellen und radikalen Islamis-ten im vergangenen Jahr den Norden Malisberrannten, flchteten viele Menschen ausder Region in die Nachbarlnder. Auch nachdem Einmarsch franzsischer und afrikani-scher Truppen in Mali herrscht noch keinwirklicher Frieden. Bis heute sind viele Flchtlinge deshalb nochnicht wieder in ihre Heimat zurckgekehrt.

    Der Sampler Songs for Desert Refugees macht auf diesesFlchtlingsdrama aufmerksam, das sich in den vergangenenMo-nate weitgehend unbemerkt von der Weltffentlichkeit in derWste abgespielt hat. Die Compilation versammelt Tuareg-Musi-ker von Algerien ber Mali bis Burkina Faso, die grtenteils bis-her unverffentlichte Aufnahmen beigesteuert haben. Es sindpraktisch alle dabei, die Rang und Namen haben in der Tuareg-Rockszene, von Tinariwen, den Begrndern des Genres, bis zuNewcomern wie demGitarristen Bombino aus Niger.

    So erhlt man nebenbei auch einen guten berblick ber denaktuellen Stand ihres Wstenblues-Genres. Die Einnahmen ge-hen an anerkannte NGOs, die in der Sahara und Sahelregion aktivsind. BAXSongs for Desert Refugees: A Compilation in Aid of theRefugees fromNorthernMali (Glitterhouse)

    Meine europischen Musikermssen sich nicht mit afrikani-schen Klngen auskennen. Dasfhrt nur zu RedundanzenROKIA TRAOR

    Diplomatentochter, die auch undiplomatisch sein kann: Rokia Traor Foto: Outhere Records

  • SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG 05taz.thema WELTMUSIK

    Landwirtschaft, in der Wirt-schaft, in der Art, wie wir woh-nen. SiemachenDinge, die einenhumanistischen Geist und denRespekt vor der Natur spiegeln.Alles Geld, das ich mit Merchan-dising verdiene, fliet an sie.Musette, Gipsy Swing, Piaf-Chansons: In Ihrer Musik gibtes viele Elemente, die typischfranzsisch sind. berrascht esSie, dass das auch in Deutsch-land so gut ankommt?Nun, ich bin Franzsin, alsokommt es mir nur natrlich vor,wenn meine Musik auch einenfranzsischen Einschlag hat.Aber ich mchte vor allem Emo-tionen rberbringen. Ich glaube,die Leute mgen meine Energieauf der Bhne, und dass meineStcke eine positive Botschafttransportieren.Gibt es Frankreich-Klischees,die Sie persnlich nerven?Ich war mal in Kolumbien undwurdegefragt,obesstimmt,dasswir nie duschen und deshalb soviel Parfm benutzen? Da habeich gestaunt. Und als ich in Russ-land war, hie es, ich sei so ro-mantisch. Ich finde, die Russensind viel romantischer. Sie ha-ben eine Kultur der Blumen, ichknnte dort einen Blumenladenerffnen. Aber es gibt ein Kli-schee, das stimmt: dass die Fran-zosen immer meckern. Sie zei-gen gern ihre Unzufriedenheit.Das sagt man den Berlinernauch nach.Na, dann haben wir ja etwas ge-meinsam.

    WasknnenDeutschevonFran-zosen lernen?Sich einfach etwas lockerer ma-chen? Nein, es kommt darauf an.Die Leute, die in Deutschland zumeinenKonzerten kommen, las-sen sich in einem positiven Sin-ne gehen, whrend die Franzo-sen auf meinen Konzerten vielintrovertierter sind. Aber danngibt es natrlich auch eine Sortevon Deutschen, die sehr rigideund unflexibel sind, und wennman sie bittet, etwas anders zumachen, dannwird es sehr kom-pliziert. In Frankreich ist es um-gekehrt: Man ist grundstzlichflexibler, sich auf Neues einzu-stellen. Aber zugleich etwas stei-fer und formeller imAlltag. Es istetwas widersprchlich.Was knnen Franzosen vonDeutschland lernen?In Deutschland gibt es diese N-he zur Natur. Sie haben vieleParks, darum beneide ich sie.Sie haben mal ein Konzert aufdem Montblanc gegeben. Wienaturverbunden sind Sie?Das ist meine Leidenschaft, seitich klein war. Ich kommunizieremit der Natur und den Tieren so,wie ichmitMenschenkommuni-ziere auf eine andere Art, nichtmitWorten.DieNaturgibtdirbe-dingungslos bei Menschen fin-det man diese Eigenschaft eherselten. Die Sonne scheint bedin-gungslos fr jedenMenschen, ober ein Idiot ist oder ein netterMensch.Auf welche Weise genieen Siedie Natur am liebsten?

    Auf jedeWeise: Rafting, Klettern,Canyoning, Paragliding, Tau-chen, Wandern, Rennen. Ich binverliebt indieNatur, ich liebedieErde:dieGerche,dieFarben,dieVielfalt der Pflanzen.Sie htten auch Sportlerin wer-den knnen?Oh ja, im Grunde bin ich es. AufderBhne, das istmanchmalwie

    DieSonnescheint fr jeden.Auch fr IdiotenPOP-CHANSON Die

    Sngerin Zaz ber

    politischen Einsatz,

    ihren spten Erfolg

    und Klischees von

    Frankreich, die sie

    genervt haben

    INTERVIEW ZONYA DENGI

    taz: Frau Isabelle Geffroy aliasZaz, freuenSie sich, dass SiemitIhremHitJeveuxvordrei Jah-ren das Ende der ra Sarkozyeingelutet haben?Isabelle Geffroy: Nein, fr michhatte der Song nichts mit Sar-kozy zu tun. Ich mchte auchnicht ber Politik sprechen.War die antimaterialistischeBotschaft des Songs nicht eineAntithese zu jenem Bling-bling, fr das Sarkozy stand?Mit Je veux wollte ich nur aus-drcken, dass Geld nicht derMo-tor ist, der mich antreibt. Son-dern Erfahrungen zu machen,diemich bereichern.Hat sich die Atmosphre inFrankreich unter Franois Hol-lande verndert?Man sollte nicht darauf warten,dass die Regierung etwas unter-nimmt. Ich bin der Meinung,dass es anuns selbst liegt, dieGe-sellschaft zu verndern. Ich bindeshalb Partner der AssociationColibris das ist eine NGO, dieneue Projekte kreiert: in der

    Ich habe die Neigung, laut zu re-denund sehr expressiv zu reden.Meine Stimme ist etwas ange-schlagen, weil ich die ganze Zeitrede. Ich schreie und kreischeauf der Bhne. Das ist meineIdentitt und meine Persnlich-keit. Wenn ich lngere Zeit nichtsinge, habe ich allerdings eineviel hhere Stimme.Sie haben schon lange Musikgemacht, bevor Sie Ihren gro-en Durchbruch erlebten. Wiehaben Sie den pltzlichen Er-folg verkraftet?Am Anfang war das schwierig.Singen, das konnte ich. Aber derganze mediale Aspekt war mirzunchst fremd. Denn pltzlichmusste ich von mir erzhlen.Wenn man im Rampenlichtsteht, gibt es Leute, denen es ge-fllt, dich anzuspucken. Daraufwar ich nicht vorbereitet, dennich selbst bin nicht so. Ich versu-che immerdasBeste indenMen-schenzu sehen, denen ichbegeg-ne. Man ist ja nicht nur schwarzoder wei.WofrwurdenSie inFrankreichkritisiert?Als meine Musik im Fernsehenlief, haben mir manche meineantimaterialistische Botschaftnicht abgenommen. Man kannso einen Erfolg aber nicht pla-nen, dass ein Song berall luft.Es gab Leute, die dachten, ichw-reeinWitzodereinreinesMarke-tingprodukt. Heute ist mir dasegal. Ichbin,wer ichbin,undma-che,was ichmache,undwei,woich hinwill.

    zwei Stunden Sport treiben. Ichliebe die Herausforderungen,und ich mag es, mir Ziele zu set-zen. Nicht um in Wettbewerb zutreten, sondern um an meineGrenzen zu gehen.Wie halten Sie Ihre ungewhn-liche Stimme in Form?Ich rauche nicht, trinke nicht,mache jeden Morgen zwei Stun-den Sport und versuche, mg-lichstviel Schlaf zu finden,damitsichmeineStimmeregenerierenkann. Es ist ein Muskel, und jemehr man ihn trainiert, destobesser funktioniert er. Natrlichgibt es Tage, an denen ich nichtso viel Energie habe. Aber durchdie Musik und das Publikum ge-winne ich viel Energie zurck, esist ein Austausch.War Ihre Stimme immer schonso rau?

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    ...............................................................................................................................Zaz

    Mit Je veux wirbelte Zaz aliasIsabelle Geffroy vor drei Jahren dieCharts auf. Jahrelang war sie zuvoralsStraenmusikerin, Variet-undJazzsngerin um die Welt getin-gelt. Auf ihrem neuen Album,Recto Verso (Sony), wandelt die33-Jhrige wieder zwischen Mu-sette-Pop, Jazz und Chanson.

    Die persnlichen Angriffe haben ihr zugesetzt: Zaz Foto: Sony

    ie Schweiz scheint einguterOrt zu sein, umsichGedan-kenberEntwicklungenim

    globalen Pop machen. An derSchnittstelle europischer Kul-turrume und von mehrerenSprachgrenzen durchzogen,fllt es hier schwerer, den eige-nenStandpunktzuverabsolutie-ren und von einer vermeintlichhheren Warte aus zu urteilen.Das knnte der Grund sein, war-umeinigederspannendstenIm-pulse fr den theoretischenMu-sikdiskurs in den letzten JahrenausderSchweizgekommensind.

    Seit zehn Jahren bndelt dasOnline-Magazin Norient.com,dessenHomebase inBernzufin-den ist, Reportagen, Interviewsund Essays zu popkulturellenPhnomenen aus allerWelt, undbietet Musikwissenschaftlern,Popjournalisten, Knstlern undBloggern ein Forum. Norient istdamit zudemgeworden,wasdieMusikzeitschrift Spex inDeutschland zeitweise einmalwar: einThinktank,derberdenglobalen Mainstream der Min-derheiten reflektiert. Die Aktivi-tten der Macher umfassen Ra-dioshows, audiovisuelle Vortr-geundDJ-Sets. InBernhaben sieauerdem das jhrliche Nori-ent-Musikfilm-Festival ins Le-bengerufen.

    DerReader Out of theAbsur-dity of Life presst dieses wildeDenken nun zwischen zweiBuchdeckel. Die Autoren bieteneinen Einblick in die globaleBass-Culture und die Avantgar-den des Sdens und richten ih-renBlickvorallemaufdieAspek-te Parodie, Protest und Hyper-Pop. Manchmal geht es ihnenvorwiegend umsthetische Fra-gen wie im Interview mit DJMarcelle aus Amsterdam, die indie FustapfenderBBC-Radiole-gende John Peel tritt. ManchmalgehtesumgesellschaftlichePro-zesse, so im Kapitel zu Under-ground-RockundDemokratisie-rung in Indonesien. UndmanchmalumVermarktungslo-gik, etwa im Interview mit Jay

    D...............................................................................................................................

    MUSIKDISKURS & POPTHEORIE

    VON

    DANIEL BAX

    Aufder SuchenachdemFortschritt

    Rutledge, der in Mnchen aufseinem Label Outhere Recordsjunge HipHop-Bands aus Afrikaprotegiert.

    Immer aber nehmen die Au-toren die These des britischenPopautors Simon Reynoldsernst,derinseinemBuchRetro-mania schrieb, dass musikali-scherFortschrittbisaufWeiteresnur aus Lndern der bisherigenPeripherie also aus Afrika, La-teinamerika und Asien zu er-warten sei. Der Musikwissen-schaftlerThomasBurkhalterhatdafr den Begriff Weltmusik2.0. geprgt. Vorwerfen kannman den Autoren, die er in demReader versammelt hat, hchs-tens, dass sie sich mehr fr diebesonders schrillenPhnomenedieser Weltmusik 2.0. interes-sieren und weniger fr die zumMassenphnomen gewordeneNormalitt. Dabei hat es gerade

    auch hier tektonische Verschie-bungen gegeben, wie man amBeispiel des koreanischen Rap-pers Psy sehen konnte. Ist dieseFaszination frdasAusgefalleneund Randstndige nicht auchschoneineFormdesExotismus?

    DasBuchist freilichaucheineCollage,diekeinenAnspruchaufVollstndigkeiterhebt,undtrotzpoppigem Layout immer nochgut lesbar bleibt. Illustriert wer-den die Kapitel mit Fotos vonbunten Voodooshop-Partys inSo Paulo, von Underground-Musikern in Beirut, der queerenSissi Bounce-Rap-Szene inNewOrleansoder Jurte-Musik inder Mongolei, mit Konzertpos-tern und ausgefallenen CD-Co-vern, ein Glossar listet Fachbe-griffe von Awie AfrofuturismusbisWwie Weltmusik 2.0..

    Das ist frhliche Wissen-schaft, trotz aller universitrenAnbindung. Dass die meistenAutoren studierte Musikologensind, tut demVergngen keinenAbbruch,sondernsorgtfrfach-kundige Einordnung der Phno-mene. So erfhrt man, wie ausDabke,einemReihentanzausSy-rien,derNewWaveDabkewurde,aus Cumbia in Kolumbien dieCumbiaDigital undausHighlifeinGhanaderHiplife.

    Aber wie lange lsst sich derFortschritt noch kartographie-ren?DasfragtsichJulioMendivilmitdemBerlinerMusikethnolo-gen Martin Greve, der seinemFach einmal dessen notwendi-ges Verschwinden prophezeite,ohneeineAntwort zu finden.

    Lblich ist, dass der Blick derAutoren auch die Lage vor derHaustrerfasstunddieStraen-proteste gegen das Clubsterbenin Bern oder die Neue Volksmu-sikinderSchweizBeachtungfin-den.Denndie Schweiz kann,wiegesagt, pars pro toto fr trans-kulturelle Prozesse stehen: dieWelt imKleinformat.

    Theresa Bayer, Thomas Burkhal-ter (Hrsg.): Out of the Absurdity ofLife. Globale Musik. Norient 012

  • 06 SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG www.taz.de | [email protected] taz.thema WELTMUSIK

    Die meisten Stcke bestehennurausGitarre,KontrabassundStimme: Warum so ein redu-ziertes Soundgewand?Ich wollte ein nacktes, akusti-sches Album machen. Die Leutesind aufmerksamer, wenn esnicht zu viele Instrumente gibt,die sieablenken.Eshatabernocheinen Vorteil: Man hat nicht soviel Gepck zu tragen. In Mexikowar ich einmal ganz alleinunter-wegs, nur ich undmeine Gitarre.Das gibt mir Freiheit. Ich mussnicht alles mit einer Gruppe ab-sprechen und vorbereiten.Im Song La Flor de la Palabrazitieren sie den Subcomandan-te Marcos. Warum?Die Bewegung der Zapatisten istmir sehr wichtig. Es ist schon 13,14 Jahre her, dass ich das ersteMal in ihrer Region war, in Chia-pas. Das war eine besondere Er-fahrung. Ich mchte ihnen zu-

    ter, imStillen.DerKampfgeht je-den Tag weiter.Tangiert Sie der Drogenkrieg,der inMexiko tobt?Die Zapatisten leben im Sden nicht im Norden, wo sich dasNarco-Problem konzentriert,und nicht in den Stdten, son-dern abgeschieden, in den Ber-gen. Sie haben vor allem Proble-me mit der Regierung und derGewalt der Paramilitrs. DrogenundAlkohol sind bei ihnen kom-plett verboten,weil sie zuGewaltfhren, das haben die Frauen sodurchgesetzt. Sie arbeiten aufden Feldern und bestellen dasLandmit Mais und Kaffee.Was ist aus der Szene derMesti-zo-Bands in Barcelona gewor-den? Gibt es sie noch?Es gibt eine neueGeneration vonjungenBandswieBongoBotrakound Che Sudaka, die den Geistdes Mestizo, dieser Melange derStile, weitertragen. Die Szene istgrer geworden: Diese Bandsspielen auf groen Festivals, lau-fen imRadiound ziehen ein sehrjunges Publikum. Sie sind berdas Internet gut vernetzt undbe-sitzen viel Energie, Engagementund Illusionen. Unsere Genera-tion war im Vergleich dazu nochsehr limitiert. Aber ich lerne vonihnen den Umgang mit denneuen Technologien zum Bei-spiel.Haben Sie noch Kontakt zuMa-nu Chao, der Sie am Anfang Ih-rer Laufbahn untersttzt hat?Er hat gerade eine Tournee inAustralien hinter sich gebrachtund war krzlich mal wieder inBarcelona. Er wird im SommerKonzerte in Galicien und Anda-lusien geben. Er hat viele neueStcke, aber die sind in seinemComputer: Er will im Momentkein neues Album aufnehmen.Wie ist sein Verhltnis zu derSzene in Barcelona?Wirmssen ihmdankbar sein, erhat die Tr fr die Szene in Bar-celona geffnet. Wren sonst soviele Journalisten nach Barcelo-na gereist, umBandswie Ojos deBrujo oder Macaco dort aufzu-spren? Wir sind wie eine groeFamilie, jeder kennt jeden, undmanchmal feiern wir auch zu-sammen. Er ist derGrovaterderSzene, ich bin die Mutter.

    IchbindieMutter,er istderOpaCANTAORA Die Sngerin Amparo Snchez ber die Krise in Spanien, ihre hufigen Reisen nachLateinamerika, die junge Mestizo-Szene in Barcelona und ihren Frderer Manu Chao

    INTERVIEW ZONYA DENGI

    taz: Frau Snchez, wie ist dieStimmung in Spanien derzeit?Amparo Snchez:Die Leute sinddesillusioniert, es gibt tglichde-primierende Nachrichten. Manhrt von Menschen, die Selbst-mord begehen, weil sie auf dieStrae gesetzt wurden oder dieKredite fr ihre Huser nichtmehr bezahlen knnen. Und dieRegierung macht das Gegenteilvon dem,was sie vor denWahlenversprochen hat.Was ist vom Sozialprotest derIndignados, der Emprten,in Spanien geblieben?Es gibt ihn noch, aber er hat sichin verschiedene Gruppen aufge-teilt. Er richtet sich vor allem ge-gen drei groe Probleme: gegendie Privatisierung des Gesund-heitssektors, gegen das Bil-dungssystem und gegen dieBanken. Jede Woche gibt es des-wegen Proteste. Aber die Leutesind mde von den vielen Kor-ruptionsskandalen, die uns bishin zum Knigshaus tglich er-schttern. Sie mssen erst wie-der ihre Krfte sammeln.Sie sind viel in Lateinamerikaunterwegs. Warum?Anfangs habe ich Ranchero-Lie-derausMexikoundSonausKubagesungen, ohne je in diesen Ln-dern gewesen zu sein. Die Musikist der Grund, warum ich reise:Ich entdecke andere Lnder undMenschen wegen der Musik. IchliebedieKlngeMexikosundKu-bas. Und es gibt viele Querver-bindungen zwischen Spanienund Lateinamerika. Es gibt nochviel zu entdecken.Wie erleben Sie die Stimmungin Lateinamerika?Als ich die ersten Male in Argen-tinien und Mexiko war, herrsch-te dort eine revolutionre Stim-mung. Jetzt ist die Stimmung inLateinamerika viel optimisti-scher, positiver. Alle meine ar-gentinischen Freunde, die nachSpanien gezogen waren, sind in-zwischenwiedernachArgentini-en zurckgekehrt. Jetzt hat sichdie Lage umgekehrt: Diesen Ln-dern geht es gut. Unduns hat dieKrise eingeholt.Ihr Album heit Alma de Can-taora, die Seele der Sngerin.Wer ist damit gemeint?ManisteineCantaora,wennmansingt, was man singen muss. InSpanien werden damit Flamen-co-Sngerinnen bezeichnet, inLateinamerika alle Sngerinnen.Es gab eine Zeit, in der es unb-lichwar, eine Frau auf der Bhnezu sehen. Es ist eine Hommagean die ersten Frauen, die sich dasgetraut haben.

    VON CALYPSO BIS GIPSY-POP

    Aufgembelte AlltagsmoritatenRichtige Calypso-Klnge hat man schon lan-ge nichtmehr gehrt. Seit den groen Zeitenvon Harry Belafonte in den fnfziger Jahrenist das Traditionsgenre aus Trinidad und To-bago aber auch ziemlich aus der Mode ge-kommen. Doch mit dem Kanadier DrewGonzales kommt nun ein Erneuerer um dieEcke gebogen, der sich aufgemacht hat, mit seiner Band KoboTown den karibischen Stil von Grund auf zu entrmpeln.

    Aufgewachsen in Port of Spain, in der gleichen Strae wie dieCalypso-Legende Lord Kitchener, zog der jungeDrewGonzales alsTeenagermit seinerMutter nach Kanada. Dort lie ihn der Calyp-so-Groove nichtmehr los. Mit seiner Band, die aus trinidadischenExpats besteht, dem renommierten Produzenten Ivan Duran ausBelizeundderChuzpeeines Straenmusikersmbelt derMultiin-strumentalist seine Calypso-Kompositionen gehrig auf, lsst be-schwipste Blser, scheppernde Percussions und glckselige Gitar-ren erklingen und wagt Seitensprnge zu Ragga, Ska und Soca.

    Seine kleinenAlltagsmoritatendrehen sichmal umeinen geis-tig behindertenFlaschensammler,malumTerrorparanoiker oderElendstouristen im Slum. Whrend er mit Kobo Town das Genremusikalisch modernisiert, knpft er mit glossierenden Zeitkom-mentaren und Sozialkritik wieder an dessen Ursprnge an. Einecharmante Wundertte. ZDKobo Town: Jumbie in the Jukebox (Cumbancha)

    Ein Prost auf die RomaManche werfen dem serbischen Filmmusik-Komponisten und Balkan-Popstar GoranBregovic (Time of theGypsies) vor, sichwieeinst Elvis Presley schamlos bei einer ande-renMusikkultur nur bedient zu haben. DochinZeitenwiediesen, indenenRomainOsteu-ropa diskriminiert und von rechtsradikalen Schlgern verfolgtundinWesteuropaausgewiesenwerden,setztereinStatementderSolidaritt. Mit Champagne for Gypsies spricht Bregovic einenToast aufdieMinderheit aus, derenMusik ihnwiekeineandere in-spiriert hat undumgibt sichmitKollegen, die allesamt einenRo-ma-Hintergrund besitzen.

    Mediterranbeginnt dasAlbummitdemRumba-Popderunver-wstlichen Gipsy Kings, die fr Stimmungshits wie Bamboleoberchtigt sind. Mit dem rumnischen Manele-Star Florin Salamtauchter tief indenBalkanein,mitdemSchweizerSongwriterSte-phanEicher inalpenlndischeFolkloreundMundart.Dazwischenschiebt Bregovic noch eine berauschte Balkanversion des altenPartisanenschlagers Bella Ciao und singt ein Duett mit der jun-gen Irin Selina OLeary der ersten Fahrenden ihres Landes, diein der Carnegie Hall in London aufgetreten ist. Am harmonischs-ten gelingt das Zusammenspiel allerdings mit Eugene Htz vonder US-Band Gogol Bordello, mit dem Bregovic eine gewissePunkattitde teilt. BAXGoranBregovic: Champagne forGypsies (Mercury/Universal)

    Sozialistische VlkerfreundschaftIm ehemaligen Jugoslawien hatten die Romaeine Stimme. Anders als heute, wurden sieunter Tito als offizielle Minderheit aner-kannt, der Staat frderte ihre Sprache undKultur. ber Titos Allianz mit blockfreienStaatenwie IndienkamenzudemBollywood-Filme ins Land, durch die viele Roma-Musiker eine Verbindung zuihrer indischen Herkunft aufzunehmen glaubten.

    DerSampler StandUp,Peopleentfhrtaufeine faszinierendeZeitreise in jene ra, als Roma-Stars wie Esma Redepova und Sa-banBajramovic amAnfang ihrerKarrierenbegannenunddieMu-sikszene des Vielvlkerstaats prgten. Die Macher der britischenLabels Vlax Records haben auf Flohmrkten gestbert und sindtief ins Archiv hinabgeklettert. Die Songs, die sie gefundenhaben,atmeneinunverkennbaresSixties-Feeling.MalhrtmandasEchoindischer Filmsongs, mal von US-Schlagern, mal von trkischerPsychedelic heraus. Ein informatives Booklet rundet die Sache ab.Ein guter Grund, nostalgisch zu werden. BAXSampler: Stand Up, People(Vlax Records/Asphalt Tango)

    Die Bewegung der Zapatistenist mir sehr wichtig. Ich mchteihnen zurckgeben, was siemir gegeben habenAMPARO SNCHEZ

    rckgeben, was sie mir gegebenhaben. Der Song ist all jenen ge-widmet, die sich fr andereMen-schen einsetzen, aber nicht imRampenlicht stehen.Was beeindruckt Sie an den Za-patisten?Ihre Form der Selbstorganisa-tion, ihrRespektvorderNatur. Inden indigenen Gemeinden derZapatisten leben Zapatisten undNichtzapatisten zusammen. Allefr einen, nichts fr uns das istihr Motto. Ich war krzlich in Sa-ragossa, auf einem Treffen vonZapatisten und ihren Unterstt-zern. Es ist immernocheine sehrinteressanteBewegung ich ladejeden ein, sich selbst ein Bild zumachen. DieHoffnung, die Ener-gie, das ist etwas Besonderes. Siesind nicht mehr so stark in denNachrichten. Manche denkendeshalb, es ist wie eineMode, dievorbei ist. Aber sie arbeiten wei-

    Reist gerne ohne viel Gepck: Amparo Snchez Foto: Promo

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    ...............................................................................................................................Amparo Sanchez

    Mit der Band Amparanoiawurde sie bekannt, seit 2006 istAmparo Sanchez als Solo-Snge-rin unterwegs, zuletzt auch hufigmit Calexico. Ihr neues Album Al-ma de Cantaora (Galileo) hat siemit wenig Instrumenten, aber vie-len Freunden aufgenommen.

  • SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG 07taz.thema WELTMUSIK

    CREOLE 2013 /14

    Bis zum 17. Mai konnten sichBands und Musiker aus ganzDeutschlandfrdenWettbewerbanmelden, jeweils in ihrer Re-gion. In Nordrhein-Westfalenund Rheinland-Pfalz wurde derAnmeldeschluss jetzt allerdingsumdreiWochenverschoben, aufden 7. Juni. Und in Nordrhein-Westfalen kann man sich sogar

    noch bis zum 15. Ju-ni bewerben.

    Es gehtum einender grtenMusikwettbewerbe Deutsch-lands, der die Lcke zwischenJugendmusiziert und diversenTV-Casting-Shows fllt. Zumvierten Mal findet dieser Wett-bewerb fr Globale Musik indiesem Jahr statt. Er gliedert sichin acht Regionalwettbewerbe jeweils inNorddeutschland,Nor-drhein-Westfalen, Berlin undBrandenburg, Bayern, Hessen,dem Sdwesten und Mittel-deutschland. Seit dem Start voncreole vor sieben Jahren habenmehr als 2.500 Musikerinnenund Musiker bei den Wettbe-werbskonzertengespieltundumdie Gunst des Publikums und ei-ner Jury geworben malmit Eth-no-Pop, mal mit Jazz, HipHopoder Elektroklngen oder avant-gardistischer Neuer Musik.

    Am 24. Juni wird die endglti-ge Teilnehmerliste bekannt ge-geben. Dann steht fest, welcheMusiker, Bands und Formatio-nenausganzDeutschland indie-ser Saison bei creole antretenundsich imHerbst ininsgesamtsieben regionalen Vorentschei-dungenmessen drfen.

    Die sieben Gewinner tretenim Mai nchsten Jahres beimcreole-Finale in Hannover an.Dort krt dann eine Jury am 17.Mai 2014 die drei besten Bands,die sich unter den breiten Ober-begriff GlobalMusic fassen las-sen. Die Gewinner von 2011 hie-en brigens Cyminology (per-sisch inspirierter Jazz), Kavper-saz (anatolischeAvantgarde) undKellerkommando (eine frnki-sche HipHop-Combo).

    www.creole-weltmusik.de

    te haben LaBrassBanda seit ihrerGrndung vor sechs Jahren ge-spielt, von Schtzenfesten undkleinen Clubs bis zu groenRockfestivalswie inRoskildeundbeim Hurricane in Scheeel.Ihr neues Album Europa istnunwie gemacht, um einenwei-teren Schritt auf der Erfolgsleiterzu erklimmen. Es erffnet mitbetont technoiden Beats, ohneden bewhrten Blser-Sound zuverleugnen. Es sind mehrere In-strumentalnummern dabei, unddie Stcke tragenaufflligoft eu-ropische Lndernamen wieHolland, Schweden und Bul-garien als Titel.

    Europa als Programm

    War der Auftritt in Malm alsoschon einkalkuliert? Zumindestwollen die Musiker in Zukunftwieder fter im Ausland auftre-ten,weildas indenletztenJahrenetwas zu kurz gekommen sei. Es

    Banda und dem englischen Be-griff Brass Band. Ihre Musikdagegen ist eine Mischung ausPop, Blserfunk und Alpenmu-sik, die Anleihen bei Reggae undTechno nimmt. Man darf aberauch ruhig Volksmusik dazu sa-gen, findet Andreas Hofmeir,denn man greife man nun malEinflsse aus verschiedenen re-gionalen Traditionen aus. Pop-musik ist auch nur ein anderesWort fr Volksmusik, stimmtihm Schlagzeuger Manuel DaColl zu. Andreas Hofmeir bringtes auf die Formel: UnsereMusikschliet nichts aus, sondernschliet alles mit ein.

    Wenn sie nicht gerade mit La-BrassBanda unterwegs sind, rei-tet jeder der Musiker sein eige-nes Steckenpferd. SchlagzeugerManuel Da Coll hat ein Elektro-Duo namens Pollyester. AndreasHofmeir lehrt als Professor amMozarteum in Salzburg, gibt Tu-ba-Workshops und klassischeKonzerte. Und Snger StefanDettl hat eine Rockband gegrn-det, in der ermit bayrischemDi-alekt singt. Posaunist ManuelWinsbeck war vor seinem Jazz-studium Kirchenmusiker inGraz. Und Oliver Wrage, der Bas-sist, hat die Indie-Band WEITERgegrndet. Doch in diesem Jahrwird sich bei ihnen alles nurnoch um LaBrassBanda drehen.

    Kindheit mit Pumuckl

    Zunchst werden die Blasmusi-ker diesen Sommer im Vorpro-gramm der rzte spielen, zumAuftaktgleich imFuballstadioninKln. Da freue ichmichschondrauf, sagt Stefan Dettl ber dieKulisse. Bisher haben wir nureinmal bei St. Pauli in der Pausegespielt, aberdashatkeineninte-ressiert. Die Verffentlichungvon Europa wird im Juli zuHause imChiemgaugefeiert,miteinem groen Konzert auf derFelsenburg Stein an der Traun.Da gibt es groe Wiesen und ei-ne groe Bhne, schwrmt An-dreas Hofmeir vom Panorama.

    Weil der wachsende Erfolg siezu berfordern drohte, sind LaB-rass Banda im vergangenen Jahrvomkleinen Indie-Label Trikont,bei dem alles begann, zum Sony-Konzern gewechselt. Ihr Album

    erscheint dort nun auf dem Sub-label Europa, das eigentlich frKinderkassetten und Hrspielewie Die drei ??? oder FnfFreunde bekannt ist. Konzeptoder Gag, die Band wollte das je-denfalls so: Wenn schon bei soeinem groen Label, dann bei ei-nem, mit dem wir etwas verbin-den, sagt Stefan Dettl . Alle ht-ten sich da gleich an ihre Kind-heit mit TKKG und Pumuckl-Kassetten erinnert gefhlt.

    Auerdempasst der Label-Na-me jetzt zumAlbumtitel, und frdie tgliche Arbeitmacht die Ab-teilung ohnehin keinen Unter-schied. In so einem Konzern ar-beiten alle zusammen, hat Ste-

    BarfudenGipfel strmenBAVARIAN BRASS Auch ohne einen Auftritt beim Eurovision Song Contest in Malm wollenLaBrassBanda jetzt das Ausland erobern. Ihr selbst gestecktes Ziel lautet: Europa

    ast wren LaBrassBandabeimEurovision Song Con-test in Malm aufgetretenund htten dieser barfi-

    gen Dnin dort ernsthaft Kon-kurrenz machen knnen. Nichtso wie diese Eurotrash-ComboCascada.BeimVorentscheidzumEurovision Song Contest im Feb-ruar lag die barfige Blaskapel-le aus Bayern beim Radio-Publi-kumklar vorne, dieHrer der f-fentlich-rechtlichen Popwellen von 1-Live im Westen bis RadioFritz im Osten whlten sie ge-schlossen auf Platz eins. Dochdannmachte ihnenvorallemdieWertung der Jury einen Strichdurch die Rechnung.

    Niemand von uns ist belei-digt, dass es nicht geklappt hat,behauptet Schlagzeuger Manuelda Coll beim Gesprch in einemBerliner Hotelzimmer. Es warlustig, einmal zu sehen,wie soet-was funktioniert. Und Stefan

    F

    Man darf zu unserer Musikauch Volksmusik sagen. Unse-re Musik schliet nichts aus,sondern schliet alles mit einANDREAS HOFMEIR, TUBIST

    ist spannend, wo zu spielen, wosie einen wirklich nicht verste-hen, sagt Stefan Dettl. Da be-kommtman keine Vorschusslor-beeren, da zhlt nur die Musik.Da wollen wir wieder hin.

    Kennengelernthabensichdiefnf Musiker von LaBrassBandavor sechs Jahren beim Studiumam Richard-Strauss-Konservato-rium in Mnchen. Eine Partyrei-he in ihrerRegion, InternationalBohemia genannt, bei der be-freundeteDJs regelmigBalkanBrass, Gipsy Punk und Latin Skaauflegten, brachte BandgrnderStefan Dettl auf die Idee, etwashnliches mit Harmonien ausder bayrischen Volksmusik undbayrischer Mundart zu versu-chen. So kames zu LaBrassBanda schon der Name ist eine Kreu-zung aus dem italienischen La

    Dettl, derTrompeterundSnger,meint: Es hat sich fr uns jetztschon ausgezahlt, reklametech-nisch. Auerdem habe die Ab-stimmung der Radiohrer sieselbst berrascht, denn von vie-len Radiosendern wird ihre Mu-sikgarnichtgespielt.Umsober-raschender war deshalb das Er-gebnis beim Vorentscheid. DieLeute, die unsere Musik hren,sind aktive Menschen, erklrtsich Snger und Trompeter Ste-fan Dettl den Erfolg: Die geheninKonzerte und sind im Internetunterwegs. Unddie beschftigensich auch damit, wie so ein Ra-dio-Voting funktioniert.

    Die Blserformation um Ste-fan Dettl hat es in den vergange-nen Jahren auf nackten Sohlenweit gebracht, vom Chiemsee indie weite Welt. ber 500 Konzer-

    Auf nackten Sohlen unterwegs: Mit ihrer Single Nackert beschwren LaBrassBanda schon jetzt den Sommer Foto: Gerald von Foris/Promo

    fanDettl festgestellt. UnserA&Rstammt von Ariola, jemand an-deres kommt von Columbia. Esmacht Spa, mit solchen Profiszusammenzuarbeiten.

    Fr die AusverkaufsvorwrfemancherFanshabendieMusikerVerstndnis. Die Fans wollen ei-nen immer lieber in kleinenClubs sehen, sagt Stefan Dettl.Ich wrde auch die RollingStones gerne in kleinen Clubs se-hen. Aber das geht nicht dafrsei die Nachfrage inzwischen zugro. Mit 45 Konzerten werdenLaBrassBanda in diesem Jahrwohl vor mehr als einer halbenMillion Leute spielen. Da sei esgut, eine grere Infrastrukturim Rcken zu haben als bisher.

    Laptop und Lederhose?

    Verkrpern LaBrassBanda aberinzwischen nicht eine Spur zuperfekt das Bayern-Image vonLaptopundLederhose?FrSte-fan Dettl steht fest, dass die Glo-balisierung lngst auch die bay-rische Provinz erreicht hat. Ichfinds spannend, wenn Leutevom Land nach Australien oderAfrika gehen, sagt er. Wenn dasdas Lebensgefhl ist, fr das wirstehen, dann tun wir das gerne.

    Und was ist mit dem anderenErfolgsmodell der Region, demFC Bayern Mnchen? SolcheVerbindungen scheuen wir,winkt Schlagzeuger Manu DaColl ab. Das Trikot seines Lieb-lingsvereins wrde er sich aufder Bhne nie berziehen. Ob-wohl, beim rzte-Konzert knn-ten wir das ja mal probieren,schlgt Stefan Dettl vor.

    Vor sechs Jahren sind LaBrass-Banda noch mit Mopeds undTraktor zum Fuball-EM-End-spiel nach Wien gefahren undhaben spontane Freiluft-Konzer-te auf ffentlichen Pltzen gege-ben. Seither sind sie auf allengroen Festivals Mitteleuropasaufgetreten, der Regisseur Mar-kus Rosenmller hat einen Filmber sie gedreht, und siewurdenzum Eurovision-Song-Contest-Kandidaten der Herzen gewhlt.Was soll jetzt noch kommen?Drummer Manuel Da Coll ver-spricht: Baldgibts einenPanini-Sammelband von uns.

    LaBrassBanda: Europa (Sony/Europa). Erscheint am 14. Juni

  • 08 SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG www.taz.de | [email protected] taz.thema WELTMUSIK

    und zu sammeln, ist uns fremd.Darum gibt es in der arabischenWelt kaumNationalarchive, sagtsie. Die Knstler htten deshalbdieAufgabe, die kollektiven Erin-nerungen zu bewahren.

    Mit Wehmut denkt YasmineHamdan daran, wie das Stadt-zentrum von Beirut nach demEnde des Kriegs in eine sterileShopping-Mall-Hlle verwan-delt wurde. Vor dem Krieg hatte

    VerblassendeBilder vonBeirutELEKTRO-AUTORENPOP Yasmine Hamdan ist eine Ikone des libanesischen Undergrounds.

    Auf Ihrem Solodebt Ya Nass sortiert sie das musikalische Erbe ihrer Region neu

    fernab von orientalisierendenKlischees.Auf YaNassdominie-ren vielschichtige Texturen undsomnambule Sounds, Bauch-tanz-Perkussion und schluch-zende Geigen sucht man hinge-gen vergeblich. Yasmine Ham-dan legt Wert darauf, von denCocteau Twins und Arvo Prt,aber auch von somalischen undasiatischen Klngen beeinflusstworden zu sein. Ich muss nie-

    sieht eineMengeLeutevomGolf,die Urlaub machen. Es ist ver-rckt, wie die Erinnerung ausge-lscht und durch das Gegenteilersetzt wurde, sagt sie. Fr denClip zu ihrem Song Beirut hatsie auf private Super-8-Aufnah-men zurckgegriffen, verblas-sende Bilder von Beirut, die einFreund von ihr dort auf einemFlohmarkt erstanden hat. Die Er-innerungsstcke ihrer eigenenFamilie sind teilweise verlorengegangen, sie wurden im Kriegverbrannt oder gestohlen. Dasist Teil unserer Geschichte dassbestimmte Dinge ausgelschtund verschwunden sind, sagtsie. Als Knstlerin trage ichFragmente zusammenundstelleso ein Narrativ wieder her.

    Mit dem Schlagwort Arabi-scher Frhling kann YasmineHamdan nur wenig anfangen:Ich war sehr hoffnungsvoll undbinesnoch, sagt sieberdieEnt-wicklungen in ihrerRegion,dochRadikalismus und Gewalt ma-chen ihr Angst. Sie frchtet, derBrgerkrieg in Syrien knnte aufihreHeimatbergreifen: DerLi-banon ist ein sehr seltsamer Ort.Man hat immer das Gefhl, esliegt eine gewisse SpannungundNervositt in der Luft, als knnejederzeit an jedem Ort irgendet-was hochgehen.

    Yasmine Hamdan: Ya Nass(Crammed Discs)

    Spielt im neuen Jim-Jarmush-Film mit: Yasmine Hamdan Foto: Crammed

    Ein Gentleman geniet und raucht: Rachid Taha Foto: Naive

    VON ZONYA DENGI

    uf der Strae in Berlindreht sich niemandnach ihrum.Dasknntesich ndern, denn sie

    spielt im nchsten Film von JimJarmushmit. Inmehreren arabi-schen Lndern ist YasmineHam-dan aber schon jetzt eine Gre,zumindest in studentischen undintellektuellen Kreisen. Als Ge-sichtundStimmederBandSoap-kills, einem progressiven Indie-Elektro-Duo aus Beirut, stieg siezwischen 1997 und 2005 zumAushngeschild der alternativenMusikszene des Libanon auf.

    Aufgewachsen in Kuwait, wo-hin ihre Familie vor dem libane-

    A

    sischen Brgerkrieg geflohenwar, kehrte Yasmine Hamdan1991 mit ihren Eltern und Ge-schwistern ins stark zerstrteBeirut zurck und tauchte als Ju-gendliche in die aufkeimendeUnderground-Kulturszene derStadt ein. Beirut war im Um-bruch,undwirwareneinTeildie-ser Vernderung, sagt sie rck-blickend ber ihre Zeitmit Soap-kills derNamederBandwareinsarkastischer Kommentar zu derArt und Weise, wie die blutigeVergangenheit im Libanon nachdem Krieg einfach abgewaschenund verdrngt wurde.

    Bald drang der Ruf des Duosauch ber den Libanon hinaus.Yasmine Hamdan gert noch

    heute ins Schwrmen, wenn siean sagenhafte Auftritte vor demKnig von Jordanien oder in ei-nemGarteninSyriendenkt: AmEnde standen dreiig Leute aufderBhne:Dieeinen tanzten tra-ditionelle Dabke-Schritte, ande-re machten HipHop-Bewegun-gen, dazwischen kleine Md-chen, es war fantastisch.

    Mit dem wachsenden Ruhmkamen die Verlockungen: Ichbekam verrckte Angebote.gyptische Musikmanager ka-men wie in einem schlechtenMafiafilm auf mich zu und frag-tenmich: Willst du einen Scheckber 50.000 Dollar? Willst dueinen Mercedes? Es war surreal,aber auch lustig. Doch eine Kar-riere als kommerzielles Pop-sternchen kam fr sie nicht in-frage. Stattdessen zog sie vor sie-ben Jahren nach Paris. Dort lebtdie heute 37-Jhrige nun mit ih-rem Mann, dem palstinensi-schen Starregisseur Elia Sulei-man (53). Die beidenbilden so et-was wie das Traumpaar der ara-bischen Off-Kulturszene.

    Auf ihrem ersten SoloalbumYa Nass (Oh Leute) sortiertYasmineHamdan jetzt dasmusi-kalische Erbe ihrer Region aufberraschende Weise neu. Inspi-riert von libanesischen Poetenausden40er Jahren,vonkuwaiti-schen Sngerinnen oder gypti-schen Songklassikern, sucht sieeinen persnlichen Ausdruck

    enn man sich mitRachid Taha in ei-nemBerliner Hotel-zimmer zum Inter-

    view trifft, kann es passieren,dassman es betrunken verlsst.

    Whrend des Gesprchsmacht der Musiker mit seinemlinken, gesunden Arm eine Fla-sche Wein nach der anderen auf.Dabei erzhlt er, dass er in Parisein Festivalmit arabischen Rock-bands aus dem Irak, Palstinaund dem Maghreb plant. Dannspringt er vomBienensterben zuseinem Dauerthema, dem Ras-sismus in Frankreich, und erlu-tert dabei, dass der Koran dasTrinken vonWein nicht verbiete,nein, er habe einen Freund, derbete und trinke drei Glser proTag, er sei ein Sufi, und brigens,der beste Whisky komme ausJapan.

    Der algerischstmmige Rock-star Rachid Taha ist der agentprovocateur der franzsischenMusikszene. Auf seinem neuenAlbum Zoom schlgt der 54-Jhrige nun wieder deutlich ro-ckigere und elektronischereKlnge an als zuletzt. Da ist, wiegewohnt, der kehlige, raue unddoch einschmeichelnde Gesang.Neu sind dagegen die Gitarren-klnge, die an einen Spaghetti-western erinnern. Die Lagerfeu-erstimmung auf Zoom lsstmal aneinenCowboytreckdurchdenMittlerenWesten,mal an einBerberfest in der Sahara denken.Und wenn der hypnotische Sogtribaler Maschinenbeats auf das

    W

    Die alteWut ist immernochdaROCK N RAI Auf seinem

    neuen Album Zoom

    kommt der franzsische

    Rockstar Rachid Taha dem

    Geist seiner Vorbilder von

    The Clash ziemlich nahe

    trockene Lautenspiel seinesKompagnons Hakim Hama-douche trifft, dann erinnert dasan dstere Vorgngeralben wieMade in Medina (2000) undTkitoi (2004).

    Taha liebt das Spiel mit Pop-zitaten und interkulturellenQuerverweisen. Im TitelsongZoom sur Oum jagt er einSample der gyptischen Snge-rin Oum Kalthoum durch denFleischwolf und beschwrt mitsuggestivem Sprechgesang ihreAura. Den Elvis-Evergreen ItsNowOrNever der auf demne-apolitanischen Gassenhauer Osole mio beruht entfhrt eraus Memphis in ein arabischesTeehaus. Er singt ihn mit einemLchelnaufdenLippen,whrendder Hintergrundchor dazu hin-gebungsvoll suselt.

    Mit solchen Coverversionenfeierte Rachid Taha stets seinegrten Erfolge: Seinen Durch-bruch hatte ermit dem franzsi-schen Chanson-Nationalklassi-ker Douce France, den er mithartem arabischen Akzent sang.Sein bekanntester Hit ist Ya Ra-yah, ein Chaabi-Schlager des

    algerischen KaffeehaussngersDahmane El Harrachi. Und seineVersion von Rock The Casbahwar grandios.

    Auch sein neues AlbumatmetganzdenGeist vonTheClash. Alsdie britische Punkband 1981 inParis ein Konzert gab, soll derjunge Rachid Taha seinen Idolenein Demo-Tape seiner damali-gen Maghreb-Rockabilly-BandCarte de Sjour zugesteckt ha-ben. Als kurz darauf ihr SongRock The Casbah erschien,fragte sich Rachid Taha deshalb,ob er dafr wohl Pate gestandenhatte. Bei den Aufnahmen zuZoom stand Rachid Taha dafrnun,wiezurRevanche,derClash-MitbegrnderMick JoneszurSei-te. ImdubbigenAlgerianTangogleitet Rachid Taha, von dessenberhmter Stimme begleitet,wie durch die Kulissen einerGeisterstadt. In Khaloumi lsstTaha ursprnglichen Maghreb-sound auf Punkattitde prallen,seine durch einen Vocoder ver-zerrte Stimme trifft auf rauenRai-Gesang.

    Imbluesigen LesArtistesbe-erdigterdenKnstlermythos, in-

    dem er aufzhlt, woraus die Rea-litt vieler Musiker wirklich be-steht: nicht aus Spritztourenmitdem Cadillac, sondern aus derSorge um Visum, Pass und Auf-enthaltsberechtigung. Und Fa-kir klingt, als htte Rachid TahaIn The Summertime von Mun-go Jerry verhackstckt.

    Das Album schliet mit ei-nem Remake seines antirassisti-schen Tracks aus dem Jahr 1993,Voil, Voil. Fr die Neuauflageseines Klassikers hat er guteFreunde im Studio versammelt,und der Afrobeat-Erbe Femi Kutisteuert seine Saxofonkaskadenbei. Zwanzig Jahre spter hat dasStck nichts von seiner Dring-lichkeit verloren. Die alte Wut istimmer noch da. Der Rassismushabe sich in Frankreich lngstnicht erledigt, im Gegenteil, fin-det Rachid Taha: Ich mchte,dass Marine Le Pen an die Machtkommt, behauptet er nach demMotto: Es muss erst schlimmerwerden, damit es besser wird.Sie reprsentiert heute die Mit-te der Gesellschaft. DANIEL BAX

    Rachid Taha: Zoom (Naive)

    mandembeweisen, dass ich einearabische Sngerin bin, betontsie. Meine Wurzeln sind in derarabischenWelt, das istmeinMa-terial. Aber ich kann damit ma-chen, was ich will.

    Wenn sie auf klassische Vorla-gen zurckgreift, dann geht esYasmine Hamdan weniger umNostalgie, als vielmehr um eineandere, eine private Art der Ge-schichtsschreibung. Wir kom-men aus einer oralen Kultur. DieNeigung, etwas zu archivieren

    die Gegend einen besonderenCharakter, dort waren die Suqs,mein Grovater hatte dort einenLaden, erzhlt sie.

    Whrend des Brgerkriegsverlief die Frontlinie mittendurch Stadt, das Zentrum wurdekomplett zerstrt. Nach demKrieg wurden die Ruinen nachund nach abgerumt, um einerglattenKonsumwelt Platz zuma-chen. Jeder trgt hier Gel undteure Klamotten, raucht Wasser-pfeife und isst Hummus. Man

    Meine Wurzeln sind in derarabischen Welt, das ist meinMaterial. Aber ich kann damitmachen, was ich willYASMINE HAMDAN

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    Rose de Freycinet:Briefe von der Uranie

    Der erste Bericht einerFrau ber ihre Reise umdie Welt (18171820).