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ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Artikel
techforumThyssenKrupp
Juli I 2003
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Vorwort | 3
PROF. DR. EKKEHARD D. SCHULZ Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Innovationen sind Motor der wirtschaftlichen, technologischen, kulturellen und soziologischen Entwicklung
unserer Gesellschaft. Technologische Innovationen entspringen dem Verlangen, die knappen Ressourcen
effizienter einzusetzen, bestehende Grenzen zu erweitern und damit neue Grenzen zu definieren, die zu-
künftig als Standard vorausgesetzt werden.
ThyssenKrupp hat sich das Überschreiten bisher definierter technologischer Grenzen als klares Ziel ge-
setzt und motiviert auch anhand des alljährlich stattfindenden Innovationswettbewerbes seine Mitarbeiter
dazu, durch innovative Entwicklungen neue Standards festzulegen. Die große Innovationsbereitschaft
unserer Mitarbeiter spiegelt sich auch in der hohen Zahl der in diesem Jahr eingereichten Wettbewerbs-
beiträge wider. Dabei unterstreicht die deutlich gestiegene Teilnahme ausländischer Konzernunternehmen
das Bestreben des Konzerns, als Global Player im internationalen Wettbewerb aufzutreten und Top-Positionen
zu erringen.
In der Ihnen vorliegenden Ausgabe des „ThyssenKrupp techforum“ möchten wir Ihnen ausgewählte
Beiträge zum Innovationswettbewerb 2003 vorstellen:
Der erste Preis wurde an ThyssenKrupp Aufzugswerke verliehen: Mit ihrem Beitrag des TWIN, einem Auf-
zugskonzept, bei welchem 2 Körbe in einem Schacht unabhängig übereinander fahren, revolutioniert das
Unternehmen bisherige Transportmöglichkeiten insbesondere in Gebäuden mit eingeschränkten räumli-
chen Beförderungskapazitäten bei gleichzeitiger Einsparung von Kosten und Energie.
Mit dem zweiten Preis wurde der Beitrag der neuartigen Offroad-Stabilizer (ORS©) von ThyssenKrupp
Automotive Mechatronics und ThyssenKrupp Automotive Systems ausgezeichnet. In Sport Utility Vehicles
(SUV) steigern ORS©-Stabilizer den Fahrkomfort, erhöhen die Traktion bei Geländefahrten und ermöglichen
zugleich eine optimale Auslegung für den normalen Straßenbetrieb.
Der dritte Preis wurde zwei Wettbewerbsbeiträgen verliehen: zum einen für das ‘Stahldesignrad mit
NIROSTA®-Abdeckung’ von ThyssenKrupp Nirosta und ThyssenKrupp Stahl. Ein universell nutzbarer
Strukturträger aus hochfestem Dualphasen-Stahl wird durch eine besonders edel anmutende Designab-
deckung aus NIROSTA® vollständig verkleidet und lässt optisch den Eindruck eines Rades aus einem
Guss entstehen.
Der weitere dritte Preis ging an ThyssenKrupp GfT Gesellschaft für Technik: Mit Stahl-Spundwänden
gesicherte Deiche verhindern Millionenschäden für die hinter den Deichen lebenden Bürger. Es werden
Komplettsysteme einschließlich Planung und Einbringtechnik angeboten, die eine wesentlich günstigere
Deichsicherungsalternative im Vergleich zum traditionellen Deichneubau darstellen.
Auch die übrigen Beiträge zeigen die Innovationskraft von ThyssenKrupp und werden Ihr Interesse als
technologiebegeistertem Leser finden. IMPRESSUM
HERAUSGEBER
ThyssenKrupp AG, Zentralbereich Technik, August-Thyssen-Straße 1, 40211 Düsseldorf, Telefon 0211/8 24-3 62 91,
Telefax 0211/8 24-3 62 85
ERSCHEINUNGSWEISE
„ThyssenKrupp techforum“ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache. Nachdruck nur mit
Genehmigung des Herausgebers. Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze ist erlaubt. Der Versand des
„ThyssenKrupp techforum“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.
ISSN 1612-2763
Titelbild
Insbesondere bei Aufzügen in Hochhäusern bleibt der größte Teil des
Schachtes ungenutzt, wenn lediglich eine Aufzugskabine installiert ist.
Eine signifikante Leistungssteigerung der Aufzugsanlagen wird durch
die innovative Lösung der ThyssenKrupp Aufzugswerke erzielt: das
Aufzugssystem TWIN. Das Prinzip des TWIN besteht darin, dass zwei
Kabinen unabhängig voneinander in einer gemeinsamen Fahrbahn
betrieben werden. Dabei wird immer ein gewisser Mindestabstand
eingehalten, um jegliche Kollisionsgefahren auszuschließen. In der
Regel werden TWIN-Aufzugssysteme mit traditionellen Aufzügen, d.h.
ein Aufzug pro Schacht, kombiniert, um auch Rufe von der untersten
zur obersten Haltestelle direkt und ohne Umsteigen bedienen zu kön-
nen. Das Titelbild zeigt die erste TWIN-Anlage, die im Jahr 2002 in
ein Gebäude der Universität Stuttgart eingebaut wurde.
Im Rahmen des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbes 2003 wur-
de das TWIN-Aufzugssystem mit dem 1. Preis ausgezeichnet.
4 | Inhalt Inhalt I 5
lichkeit, gepaart mit geringer Umweltbelastung auszeichnet. Bisher erprobte metallische Werkstoffkonzepte
für die Hochtemperatur-Brennstoffzellen SOFC hielten der Forderung nach Oxidationsbeständigkeit in Kombi-
nation mit hoher elektrischer Leitfähigkeit und niedrigem thermischen Ausdehnungskoeffizienten nicht stand.
Abhilfe schafft der neue Werkstoff Crofer 22 APU, der mit Unterstützung von ThyssenKrupp Nirosta und
ThyssenKrupp VDM vom Forschungszentrum Jülich entwickelt wurde. Die Legierung zeichnet sich durch eine
herausragende Kombination von SOFC-relevanten Eigenschaften aus und ebnet den Weg für die Optimierung
von Kosten und Design.
24 | Off-Road-Stabiliser (ORS©-System), ein innovatives Fahrwerksystem zur Optimierung
der Fahreigenschaften von Geländefahrzeugen und Sport Utility VehiclesDR.-ING. VOLKER MIDDELMANN Abteilungsleiter Fahrwerksysteme | ThyssenKrupp Automotive Mechatronics GmbH, München
DIPL.-ING. ANDREAS STAPELMANN Projektmanager Fahrwerksysteme/-module | ThyssenKrupp Automotive Systems GmbH, Bochum
Das ORS©–System löst den ständigen Zielkonflikt bei der Fahrwerkentwicklung von Geländefahrzeugen und
Sport Utility Vehicles (SUV) auf. Diese Fahrzeuge benötigen für ein sportliches und sicheres Fahrverhalten auf
der Straße eine straffe Federung mit hoher Dämpfung und verdrehsteife Stabilisatoren. Für eine optimale Ge-
ländegängigkeit werden dagegen eine weiche Federung mit geringer Dämpfung und vor allem verdrehweiche
Stabilisatoren benötigt. Die Lösung dieses Zielkonfliktes besteht in einem auch unter Last hydraulisch schaltbaren
Stabilisator. Durch die völlige Freischaltung der Stabilisatoren im Geländebetrieb wird der Fahrkomfort gestei-
gert. Zugleich wird im gekoppelten Zustand der Stabilisatoren eine optimale Auslegung für den normalen
Straßenbetrieb ermöglicht.
30 | DampMatic – Automatisch verstellbarer Pkw-StoßdämpferDIPL.-ING. CLAUS WEIMANN Projektleitung | Thyssen Krupp Bilstein GmbH, Ennepetal
DIPL.-ING. OLE GÖTZ Zukunftsentwicklung | Thyssen Krupp Bilstein GmbH, Ennepetal
Der von Bilstein neu entwickelte amplitudenselektive Dämpfer ist ein passives Dämpfungsverstellsystem, welches
bevorzugt zum Einsatz in Pkws, Vans und SUVs vorgesehen ist. In Abhängigkeit der Fahrzustände wird die Dämpf-
kraft automatisch variiert. Bei kleinen Fahrbahnunebenheiten wird die Dämpfkraft abgesenkt, um das Komfort-
verhalten beim Anfedern und Abtasten zu verbessern, bei großen Anregungen sowie extremen Kursänderungen
(z.B. „Elchtest“) wird selbsttätig die Dämpfkraft erhöht, um eine hohe Fahrstabilität zu erreichen. Das DampMatic-
System ist besonders für Fahrzeuge mit hohem Schwerpunkt (z.B. Vans und Minivans) geeignet, die zur Karosserie-
stabilisierung hohe Dämpfkräfte benötigen und gleichzeitig gesteigerte Ansprüche an den Abrollkomfort stellen.
34 | Impulsnieten im KarosseriebauDIPL.-ING., M.S. IN MANAGEMENT THOMAS MEICHSNER Geschäftsführer | ThyssenKrupp Drauz GmbH, Heilbronn
DIPL.-ING. WULF LEITERMANN Expert Team Aluminium Light Weight Solutions | ThyssenKrupp Drauz GmbH, Heilbronn
KURT LAGLER Geschäftsbereichsleiter | ThyssenKrupp Drauz GmbH, Heilbronn
Der Automobil-Karosseriebau erfährt in den letzten Jahren eine Entwicklung hin zu neuartigen Leichtbaukonzepten
verbunden mit dem Einsatz neuer Werkstoffe. Anstoß dazu sind überproportional anwachsende Fahrzeugge-
wichte, verursacht durch steigende Forderungen nach mehr Ausstattung, Fahrkomfort und Karosserie-Steifigkeit
sowie die Erfüllung verschärfter Crash-Vorschriften und Abgasnormen. Die neuen Karosseriekonzepte unter An-
wendung von Werkstoffen wie Aluminium, Kunststoff, Magnesium und hochfesten Tiefziehstählen machen die
Entwicklung neuer Verbindungstechniken im Karosseriebau notwendig. ThyssenKrupp Drauz hat für solche Auf-
gaben u.a. das Impulsnietverfahren entwickelt, mit dem die Stanzniettechnik im modernen Karosseriebau ein
erweitertes Anwendungsfeld findet. Es wird aufwendigere Verfahren in bisher für Stanzverfahren nicht zugängli-
chen Karosseriebereichen ersetzen.
10 | Lasergeschweißte Außenrohre für Kfz-StoßdämpferDR.-ING. GERHARD GRAËN Projektmanager | ThyssenKrupp Bilstein GmbH, Ennepetal
DR.-ING. JENS OVERRATH Geschäftsführer | ThyssenKrupp Tailored Blanks S.r.I., San Gillio / Italien
Eine Verlagerung der Kaltfließpressanlagen war der Impuls für eine Innovation von ThyssenKrupp Bilstein im
Bereich der Außenrohrfertigung für die Luftfederbeine der Mercedes-Benz S-Klasse. Ein Verfahrensvergleich
zwischen nicht-thermischen Fügeverfahren und konventionellen Schweißverfahren zeigte die Überlegenheit
des Laserschweißens hinsichtlich der Erfüllung des technischen und wirtschaftlichen Anforderungsprofils.
Durch die geringe Energieeinbringung ist ferner eine Beeinträchtigung angrenzender Bereiche auszuschließen,
für den Kunden lässt sich ein Zusatznutzen durch den Korrosionsschutz des Schweiß- bzw. Rohrbodens er-
schließen. Im Frühjahr 2003 wurde die veränderte Konstruktion des Außenrohres mit Hilfe der ThyssenKrupp
Tailored Blanks erfolgreich in der Serie umgestellt.
14 | Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung, eine Alternative zum AluminiumgussradDIPL.-KFM. OLIVER KLEINSCHMIDT Bereichsleiter Vertrieb Strategie Auto | ThyssenKrupp Stahl AG, Duisburg
DR. RER. NAT. PANICOS PAPAIACOVOU Leiter der Anwendungstechnik | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Düsseldorf
Seit Mitte der 80er Jahre ist das konventionelle Stahlrad einem verstärkten Wettbewerb durch Aluminiumguss-
räder ausgesetzt. Hintergrund dieser Entwicklung ist in erster Linie die mit Aluminiumrädern verbundene hoch-
wertige Optik, für die immer mehr Pkw-Eigentümer bereit sind, einen hohen Aufpreis zu bezahlen. Um diesem
Verdrängungsprozess der Stahlräder entgegenzuwirken, haben ThyssenKrupp Stahl und ThyssenKrupp Nirosta
gemeinsam mit Partnern ein innovatives Stahldesignrad realisiert. Ein universell nutzbarer Strukturträger aus
dem hochfesten Dualphasen-Stahl DP-W 600, der durch eine Designabdeckung aus NIROSTA® vollständig so
verkleidet wird, dass er unsichtbar bleibt, lässt optisch den Eindruck eines Rades aus einem Guss bei deutlich
reduziertem Anschaffungspreis entstehen.
20 | Großserientaugliches Werkstoffkonzept für Hochtemperatur-BrennstoffzellenDIPL.-ING. RALF HOJDA Entwicklung und Technisches Marketing Geschäftsbereich Bänder | ThyssenKrupp VDM GmbH, Werdohl
DR.-ING. WINFRIED HEIMANN ehem. Leiter Werkstoff- und Anwendungstechnik warmgewalzte Bleche | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Krefeld
DR.-IR. WILLEM JOSEF QUADAKKERS Leiter Korrosion und Korrosionsschutz, Institut für Werkstoffe der Energietechnik | Forschungszentrum Jülich GmbH
Als Hoffnungsträger für den schonenden Umgang mit fossilen Brennstoffen im Bereich stationärer und mobiler
Energieversorgungssysteme gilt die Brennstoffzellen-Technologie, die sich durch hohe Effizienz und Wirtschaft-
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ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
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38 | 3-D-Simulation der Induktionshärtung bei Lkw-KurbelwellenDIPL.-ING. XAVIER OLAGNE Leiter Process Engineering | ThyssenKrupp Mavilor, L’Horme/Frankreich
DR.-ING. PHILIPPE BRISTIEL Process Engineering | ThyssenKrupp Mavilor, L’Horme/Frankreich
Die Induktionshärtung ist ein kritischer Vorgang bei der Bearbeitung von Lkw-Kurbelwellen, der den Preis
und die Dauerfestigkeit des Produktes entscheidend beeinflusst. Bisher standen keine zuverlässigen nicht-
destruktiven Testmethoden zur Verfügung, um die erzielte Härte und Eigenspannungsverteilung zu ermitteln.
Dadurch wurde das Prozessdesign zu einer sehr kostspieligen und zeitaufwendigen Aufgabe. Bei diesem Projekt
wurde ein numerisches 3-D-Modell zur Simulation des gesamten Induktionshärtungsprozesses entwickelt. Diese
Innovation ebnet den Weg für ein besseres Prozessverständnis und liefert einen systematischen Ansatz zur
Optimierung. Bestätigt durch den erfolgreichen Einsatz bei mehreren industriellen Anwendungen, erzielte
ThyssenKrupp Automotive einen deutlichen Wettbewerbsvorteil im Bereich Produkt-/Prozessdesign.
44 | TWIN – Die neue Generation eines AufzugesDR.-ING. GÜNTER REUTER Leiter Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) MANFRED DULLEN Entwicklung Elektronik | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. WOLFGANG MEIßNER Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) WALTER NÜBLING Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) HELMUT SCHLECKER Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. STEFAN SCHNEIDER Entwicklung Elektronik | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) GERHARD THUMM Geschäftsführung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
Ende 2002 brachte ThyssenKrupp Aufzugswerke mit TWIN das erste leistungsfähige Aufzugssystem auf den Markt,
bei dem zwei Kabinen in einer gemeinsamen Fahrbahn vollkommen unabhängig voneinander betrieben werden.
TWIN besteht im Prinzip aus zwei Treibscheibenaufzügen, die im Bauraum eines Treibscheibenaufzuges instal-
liert werden. Ein vierstufiges Sicherheitskonzept stellt sicher, daß die Kabinen immer einen Mindestabstand zuein-
ander einhalten, d.h. niemals miteinander kollidieren können. In Kombination mit mindestens einer konventionellen
Anlage werden durch TWIN die Flexibilität und die Förderkapazität bei Einsparung von Aufzugsschächten deutlich
erhöht.
48 | ISIS: vielseitig einsetzbarer Aufzug ohne MaschinenraumRORY SMITH BS Vice President, Product Planning | ThyssenKrupp Elevator, El Cajon/USA
ELIZABETH PERRY BS, IMBA Market Research | ThyssenKrupp Elevator, El Cajon/USA
Die TRIaD Group der ThyssenKrupp Elevator North America hat einen neuen, vielseitig einsetzbaren Aufzug ohne
Maschinenraum entwickelt. Dieser Aufzug, benannt nach der altägyptischen Göttin ISIS, Symbol für die Zukunft
und das ewige Leben, vereint Komponenten und Technologien der Forschungsgruppen aus Deutschland, Frank-
reich, Spanien, Brasilien und den Vereinigten Staaten von ThyssenKrupp Elevator. ISIS kommt ohne Maschinen-
raum aus, seine Aufhängung ist aus Kunststoff, seine Schalter kontaktfrei und magnetisch, und die Wände und
Decken mit Wabenstruktur geben ihm sein geringes Gewicht. Aufgrund der besonderen Konstruktion des ISIS
ist es möglich, die Aufzüge in Werken zu produzieren, die nahe den wichtigen Absatzmärkten liegen, und die spe-
zifischen Anforderungen lokaler Märkte zu berücksichtigen.
52 | Fahrsteig mit Tempo-DynamikDIPL.-ING. MIGUEL ANGEL GONZÁLEZ ALEMANY Technischer Leiter | ThyssenKrupp Norte S.A., Mieres/Spanien
DIPL.-ING. MANUEL ALONSO CUELLO Leiter für mechanische Entwicklung (FuE) | ThyssenKrupp Norte S.A, Mieres/Spanien
Nach vierjähriger Entwicklungszeit stellt ThyssenKrupp Norte einen Fahrsteig mit Tempo-Dynamik vor, der im
mittleren Abschnitt eine Höchstgeschwindigkeit von 2 m/s (entsprechend 7 km/h) erreicht, während im Ein-
und Austrittsbereich eine Geschwindigkeit von 0,65 m/s gehalten wird. Diese Geschwindigkeit entspricht der
konventioneller Fahrsteige. Die Gehgeschwindigkeit eines Menschen beträgt durchschnittlich 4 km/h. Addiert
man Fahrsteig- und Gehgeschwindigkeit, so erreicht man eine Gesamtgeschwindigkeit von 11 km/h. Auf dem
Gebiet der Fahrsteige stellt dieses Produkt eine bahnbrechende Innovation in Zusammenhang mit zahlreichen
Teilinnovationen dar. Die bedeutendsten Innovationen sind die Beschleunigungskette, die überlappenden Palet-
ten sowie der Handlauf, der sich verschiedenen Geschwindigkeitsstufen anpasst.
56 | COMMONALITY – Flexibel standardisiertes Montagesystem für die AggregatemontageDIPL.-ING. KARL-HEINZ GERTJEGERDES Leiter Maschinenbaukonstruktion | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
DIPL.-ING. UWE NORDHAUSEN Produktmanager Commonality | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
DIPL.-ING. STEFAN LENZ Koordinationsverantwortlicher Steuerungstechnologie | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
VOLKER KRETSCHMER Koordinationsverantwortlicher Maschinenbaukonstruktion | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
Montagelinien für die Aggregatemontage der Automobilindustrie wurden in den vergangenen Jahren üblicher-
weise als Einzellösungen für einen Motortyp bzw. eine Motorenfamilie ausgeführt. Sich ständig ändernde
Kundenwünsche bezüglich Fahrzeugen und Modellreihen führen zu Schwankungen bei Stückzahlen und Varian-
tenvielfalt in der vorgelagerten Aggregatemontage. Hohe Investitionskosten aufgrund von häufigen Veränder-
ungen an den Montageanlagen sind die Folge. Durch das modular aufgebaute, standardisierte Montagesystem
COMMONALITY kann diesen wechselnden Marktanforderungen Rechnung getragen werden und ein hohes Maß
an Flexibilität für zukünftige Anforderungen nach Produkt- und Kapazitätsveränderungen bei gleichzeitig redu-
zierten Investitionskosten erreicht werden.
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Inhalt | 98 | Inhalt
60 | Richtungweisende Neuentwicklung für die Zementindustrie: Der neue Klinkerkühler POLYTRACK®
DR.-ING. SEBASTIAN MORGENROTH Fachbereichsleiter FuE | Polysius AG, Neubeckum
DIPL.-ING. LUDWIG KÖNNING Abteilungsleiter Konstruktiontechnik | Polysius AG, Neubeckum
DIPL.-ING. GÜNTER MILEWSKI Konstruktion Wärmetechnik | Polysius AG, Neubeckum
Die Polysius AG, einer der weltweit führenden Hersteller im Zementanlagenbau, hat für Ofenanlagen von
Zementwerken den komplett neuartigen Klinkerkühler POLYTRACK® entwickelt. Dieser Kühler besteht aus in
Materialförderrichtung angeordneten Förderplanken, zwischen denen die Kühlluft in das Klinkerbett eintritt. Der
Kundennutzen besteht insbesondere in geringeren Investitionskosten, einem hohen Wirkungsgrad für die
Wärmerückgewinnung, erheblich geringeren Wartungskosten und einer größeren Verfügbarkeit im Vergleich zu
Kühlern des Wettbewerbs. Vorteilhaft für Lieferanten und Kunden gleichermaßen ist die sehr kompakte Bauart
und die Möglichkeit, die Maschine in Modulen vormontiert auf die Baustelle zu liefern. Das Konzept des modula-
ren Aufbaus führt im Auftragsfall zu geringerem Detailengineeringaufwand und zu kurzen Lieferzeiten.
66 | NovoPort® – das innovative Garagentorsystem mit integriertem AntriebARMIN BECHTLOFF Produktmanagement Torsysteme | Novoferm GmbH, Dortmund
Novoferm hat sich zum Ziel gesetzt, der führende Anbieter von automatischen Torsystemen im Privatbereich zu
werden, die stets ein Maximum an Sicherheit, Komfort und Ästhetik erfüllen – zu einem Minimum an Kosten.
Unter diesem Gesichtspunkt wurde im Oktober 2001 mit NovoPort® ein neuartiges, automatisches Torsystem vor
gestellt, bei dem der Antrieb in die Torkonstruktion integriert wurde – wie der Motor beim Auto. Kostenintensive
Anpassungsarbeiten unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten in der Garage entfallen ebenso wie
die konventionelle Montage des Antriebes unter der Garagendecke. Das Ergebnis sind deutliche Zeit- und Kosten-
vorteile im Vergleich zu allen auf dem Markt befindlichen Wettbewerbsangeboten.
70 | Stahl-Spundwände und Aufbaukonstruktionen für HochwasserschutzsystemeDIPL.-ING. GODEHARD DREES Geschäftsführung | ThyssenKrupp GfT Bautechnik GmbH, Essen
CHRISTIAN WALTER Geschäftsführung | ThyssenKrupp GfT Bautechnik GmbH, Essen
Hochwasserschäden haben in den letzten Jahren zugenommen und unsere Volkswirtschaft viele Milliarden Euro
gekostet. Die Systemlösungen von ThyssenKrupp GfT Bautechnik basieren auf Stahlspundwänden, die sich hervor-
ragend zur Deichverteidigung und -verstärkung eignen und in Kombination mit unserer Gerätetechnik umwelt-
freundlich und materialschonend eingerammt werden. Die Stahl-Spundwände fungieren innerhalb der Deiche als
Dichtungen, übernehmen eine stabilisierende Funktion und bilden für das Wasser eine unüberwindbare Barriere.
Droht der Wasserpegel die Deichkrone oder Kaimauer zu übersteigen, können schnell Aufsatzkonstruktionen zur
Deicherhöhung montiert werden. Mit Spundwänden gesicherte Deiche verhindern Millionenschäden für die hinter
den Deichen lebenden Bürger.
74 | Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte NeuentwicklungenDR. RER. POL. CLAUS ALGENSTAEDT Abteilungsdirektor Zentrales Marketing | Thyssen Schulte GmbH, Düsseldorf
YVES METZGER Verkaufsdirektor Langprodukte | ThyssenKrupp Materials France S.A.S., Maurepas/Frankreich
Werkzeugstähle exakt für definierte Gebrauchseigenschaften zu entwickeln und bereitzustellen, war die Idee, mit
der ein Projektteam von ThyssenKrupp Materials France 1997 startete. Heute sind 15 neue pulvermetallurgisch
erzeugte Stahlgüten sowie Kalt-, Warm- und Kunststoffformenstähle im Markt eingeführt. Neben spezifischen
mechanischen Eigenschaften und Leistungsmerkmalen sind besonders die höhere Einsatz- und Prozesswirtschaft-
lichkeit der neuen Stahlgüten für die Herstellung von Werkzeugen oder Kunststoffformen von Vorteil. Solche Vorteile
sind u.a. längere Standzeiten, höhere Maß- und Formstabilität, Gebrauchshärte, Druckfestigkeit und Wärmeleit-
fähigkeit. Die Optimierung der neuen Güten betraf im Wesentlichen die Veränderung der Legierungskombina-
tionen, wodurch homogenere Mikrostrukturen und verbesserte Isotropie erreicht wurden.
80 | Systemdienstleistungen rund um Kleinladungsträger für IndustriekundenDIPL.-ING. DIRK BARTELS Unternehmensentwicklung | WIG Industrieinstandhaltung GmbH, Köln
HARDY SCHWEIGL Geschäftsleiter Niederlassung | WIG Industrieinstandhaltung GmbH, Stuttgart
DIPL.-PSYCH. SABINE STOFFELS Marketing | WIG Industrieinstandhaltung GmbH, Köln
Aufgrund des verstärkten Outsourcing-Trends in der produzierenden Industrie erhält der Transport von Zulieferteilen
in speziellen Behältnissen – sogenannten Kleinladungsträgern – eine immer größere Bedeutung. Das Handling
von Kleinladungsträgern ist jedoch personal- und kostenintensiv. Um die Kunden von diesem nicht-wertschöp-
fenden Aufwand zu entlasten, bietet die WIG Industrieinstandhaltung, ein Unternehmen von ThyssenKrupp Serv,
eine neue Systemdienstleistung an, bei der die komplette Distributions- und Leergutlogistik der Ladungsträger, d.h.
die Sortierung, Reinigung, Lagerung, Kommissionierung, Konfektionierung und zeitgerechte Bereitstellung der Be-
hältnisse inklusive Dokumentation übernommen wird.
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
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Lasergeschweißte Außenrohre für Kfz-Stoßdämpfer
Einleitung
Mit der Entwicklung des ersten serienreifen Einrohr-Gasdruckstoß-
dämpfers nach dem DeCarbon-Prinzip revolutionierte Bilstein die
Dämpfungstechnik für Straßenfahrzeuge im Jahr 1945 mit überra-
genden Sicherheits- und Komfortmerkmalen. Die Technik wurde im
Laufe der Jahre optimiert und erfuhr durch die Luftfeder eine weitere
Verbesserung. Dieses hinsichtlich des hohen Fahrkomforts überra-
gende System kommt bei der S-Klasse von Mercedes-Benz (werksin-
tern W 220) zur Anwendung | Bild 1 |.
Die wesentlichen Elemente des Luftfederbeins sind die Luftfeder
und der Einrohrdämpfer. Im Einrohrdämpfer befindet sich das für die
Dämpfung relevante Öl, das durch einen Trennkolben vom Gastank
(Stickstoff) getrennt wird. Der Gastank befindet sich am unteren Ende
des Stoßdämpfers und ist über eine Konusanbindung mit dem Rad
verbunden.
In der Vergangenheit wurde das Außenrohr mit dem Gastank mit-
tels Kaltfließpressen hergestellt. Im Rahmen eines Kostenreduzie-
rungsprogramms wurde die Kaltfließpresserei extern vergeben und
gesamtheitlich die Kostensituation analysiert. Hierbei wurden ver-
schiedene Fertigungstechnologien anhand der hohen Kundenanfor-
derungen bewertet.
Istzustand Frühjahr 2003
Das Außenrohr wurde mittels Kaltfließpressen hergestellt | Bild 2 |.
Dieses Verfahren bietet Vorteile hinsichtlich einer hohen Form- und
Maßgenauigkeit sowie der Oberflächengüte (Lauffläche des Arbeits-
kolbens), erfordert aber auch einen hohen Energie- und Bearbeitungs-
aufwand. Des Weiteren resultieren aus der erforderlichen Nachbe-
arbeitung des Rohres (umformen, Gewinde schneiden, abstechen)
erhöhte Qualitäts- und Ausschusskosten. Dies ist unter anderem auf
die komplizierte Gewindeherstellung im Rohrboden des bereits fertigen
Außenrohres zurückzuführen.
Anforderungen an das Stoßdämpfer-Außenrohr
Die Analyse des Lastenheftes ergab folgende Mindestanforde-
rungen:
Anforderung Messwert
Gasdichtheit gegenüber Stickstoff Keine Heliumleckage nach
3 Stunden bei 9 bar Druck
Zug-Druck-Schwellbelastung von 4 bis 20 kN
Keine Beschädigung der Gewinde Gängigkeit des Gewindes
Keine Beeinträchtigung der Oberfläche Sichtprüfung
für nachfolgende Bearbeitungsschritte
Lebensdauer 300.000 Fahrzeug- 2.000 km Heideprüfung
kilometer
Durch die kurzfristige Verlagerung der Kaltfließpresserei war es erfor-
derlich, eine Lösung zu finden, die innerhalb von sechs Monaten um-
setzbar war und eine hohe Prozesssicherheit ohne Nacharbeit ge-
währleistet. Darüber hinaus sollten die Investitionen minimiert werden.
10 | Lasergeschweißte Außenrohre für Kfz-Stoßdämpfer | 11
DR.-ING. GERHARD GRAËN Projektmanager | ThyssenKrupp Bilstein GmbH, Ennepetal
DR.-ING. JENS OVERRATH Geschäftsführer | ThyssenKrupp Tailored Blanks S.r.I., San Gillio/Italien
Laserschweißung
Bild 1 | Luftfederbein Vorderachse S-Klasse
Außenrohr
Konusanbindung
Bild 2 | Kaltfließgepresstes Außenrohr
| Lasergeschweißtes Außenrohr
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
vorhandenen Anlage gewährleistet ist, so dass eine Investition bei
ThyssenKrupp Bilstein derzeit ausgeschlossen wurde. Der bezüglich
der Wirtschaftlichkeit erforderliche hohe Auslastungsgrad erfordert
ein Industrialisierungskonzept, das über eine Strahlweiche den Laser-
strahl für andere Anwendungen verfügbar macht. | Bild 6 | verdeut-
licht die Realisierung des Konzeptes anhand einer Laserschweißanlage
in San Gillio/Turin.
Fazit
Die Verlagerung der Kaltfließpressanlagen war der Impuls für eine
Innovation im Bereich der Außenrohrfertigung für die Luftfederbeine
der Mercedes-Benz S-Klasse. Ein Verfahrensvergleich mit nichtther-
mischen Fügeverfahren sowie konventionellen Schweißverfahren
zeigte, dass das Laserschweißen hinsichtlich der Erfüllung des tech-
nischen und wirtschaftlichen Anforderungsprofils überlegen ist.
Darüber hinaus zeigte sich, dass durch die geringe Energieeinbrin-
gung eine Beeinträchtigung angrenzender Bereiche auszuschließen
ist und sich durch den Korrosionsschutz des Schweiß- bzw. Rohrbo-
dens ein Zusatznutzen für den Kunden erschließen lässt. Im Frühjahr
2003 wurde die veränderte Konstruktion des Außenrohres mit Hilfe
von ThyssenKrupp Tailored Blanks erfolgreich und termingerecht in
der Serie umgestellt.
Die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Laser-
strahlschweißens in Verbindung mit der Fertigungskompetenz von
ThyssenKrupp Tailored Blanks überzeugte DaimlerChrysler auch bei
der neuen Mercedes Benz A-Klasse (W 169), die im nächsten Jahr
mit vergleichbaren lasergeschweißten Fahrzeugkomponenten auf den
Markt kommt. Die Potenziale des Lasers hinsichtlich partieller Erwär-
mung zum Härten, Schneiden und Schweißen werden derzeit bei der
Stoßdämpferentwicklung nur ansatzweise berücksichtigt. Der be-
schriebene Anwendungsfall ist der erste Einsatz des Lasers bei der
Stoßdämpferproduktion. Weitere Anwendungen sind zu erwarten.
Lasergeschweißte Außenrohre für Kfz-Stoßdämpfer | 1312 | Lasergeschweißte Außenrohre für Kfz-Stoßdämpfer
Alternative Lösungskonzepte
Die Luftfederung der Mercedes-Benz S-Klasse wurde von ThyssenKrupp
Bilstein entwickelt und wird seit 1998 im Werk Mandern bei Trier pro-
duziert. Hieraus folgt, dass bei der Lösungsfindung konstruktive Ände-
rungen nur bedingt in Betracht kamen, so dass das Hauptaugenmerk
auf eine Verfahrens- bzw. Technologieänderung gelegt wurde. Im ein-
zelnen wurden folgende Verfahren/Technologien untersucht:
Kleben,
Verstemmen (Sicken),
Kondensator-Entladungsschweißen (KE),
Metall-Aktivgas-Schweißen (MAG),
Wolfram-Inert-Schweißen (WIG),
Laserschweißen (LBW),
Reibschweißen,
Warmumformen.
Im Rahmen einer Diplomarbeit und in Zusammenarbeit mit verschie-
denen namhaften Instituten und Firmen wurden Musterteile erstellt
und erprobt. Hierbei wurden jeweils Sichtprüfungen, Gasdichtheits-
prüfungen, Druckverlustuntersuchungen bei – 40 °C und + 80 °C,
Dauerfestigkeitstests sowie Abreißversuche durchgeführt | Bild 3 |.
Erste Voruntersuchungen führten zum Ausschluss folgender Verfahren:
Verfahren Ausschlusskriterium
Kleben Mangelhafte Temperaturbeständigkeit
Sicken Keine Prozessfähigkeit, Gasdichtheit nicht
gewährleistet
KE-Schweißen Erforderliche Teilegenauigkeit serientechnisch
nicht umsetzbar
Reibschweißen Fehlende Prozesssicherheit
Warmumformen Kein Ausschluss von Rissbildung
Die drei verbliebenen Schweißverfahren sind im | Bild 4 | aufgelistet
und anhand von Gewichtungskriterien bewertet. Die Gesamtbewer-
tung zeigte, dass das Laserschweißen die Anforderungen am besten
erfüllt. Im Gegensatz zu den konventionellen Schweißverfahren sind
durch die charakteristischen Merkmale des Laserstrahlschweißens –
wie geringe Wärmeeinbringung und schmale Nahtbreite – keine auf-
wendige Spritzerentfernung und Nachbearbeitung des Gewindes
erforderlich. Dies ermöglicht eine Verkürzung des Drehteils (kompak-
tere Bauweise | Bild 5 |. Zusätzlich konnte mit Hilfe des Laserstrahl-
schweißens eine beanspruchungsgerechtere Konstruktion hinsichtlich
Festigkeit und Korrosionsschutz für das Stoßdämpferrohr entwickelt
werden. Bei dem laserstrahlgeschweißten Stoßdämpferrohr besteht
der Rohrboden aus höherfesterem Stahl im Vergleich zum weicheren
und duktileren Zylinderrohrmaterial. Zusätzlich kann gezielt nur auf
dem Rohrboden die notwendige Korrosionsschutzbeschichtung auf-
gebracht werden.
Anlagentechnische Umsetzung
Nach einer Benchmark-Studie wurde das Unternehmen ThyssenKrupp
Tailored Blanks (TKTB) aufgrund seiner langjährigen Erfahrung
(erster großserientechnischer Einsatz des Laserschweißens beim
Audi 100 im Jahre 1985) und seiner hohen Kompetenz ausgewählt.
Die Technologieführerschaft von TKTB zeigte sich sowohl in einem
wettbewerbsfähigen Angebot als auch in den besten Prüfergebnissen.
Die hohe Produktivität des Laserschweißens äußert sich in kurzen
Prozesszeiten von ca. 20 Sekunden pro Rohrschweißung. Bei einer
geforderten Stückzahl von rund 800 Außenrohren pro Tag resultiert
hieraus eine Auslastung der Anlage von nur einer Schicht pro Woche.
Daraus ist abzuleiten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb einer kapital-
intensiven Laseranlage nur durch eine Mehrfachnutzung einer bereits
MAG-Schweißen WIG-Schweißen Laser-Schweißen
Kriterium Gewichtung Ungewichtet Gewichtet Ungewichtet Gewichtet Ungewichtet Gewichtet
Schweißgeschwindigkeit 3 3 9 2 6 5 15
Wärmeeinbringung 4 3 12 3 12 5 20
Verzug 4 3 12 3 12 5 20
Kosten 5 4 20 3 15 4 20
Taktzeit 4 4 16 2 8 5 20
Gasdichtheit 5 5 25 5 25 5 25
Prozesssicherheit 5 3 15 4 20 5 25
Optische Fehler (Spritzer) 4 3 12 2 8 4 16
Gesamtbewertung 121 106 161
Legende: 1 - geringe Gewichtung, 5 - hohe Gewichtung
Bild 5 | Gedrehter Boden als Ersatz für den Rohrboden
Bild 4 | Vergleich der unterschiedlichen Schweißverfahren
Bild 6 | Laserschweißanlage für Außenrohre bei ThyssenKrupp Tailored Blanks in San Gillio/Turin, Italien
Bild 3 | Dauerfestigkeitsversuch an lasergeschweißten Außenrohren (± 181 Nm, 300.000 Lastwechsel, Ergebnis:gasdicht, keine Risse in der Naht, Rohr abgerissen)
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung, eine Alternative zum Aluminiumgussrad | 15
Einleitung
Das konventionelle Stahlrad für Pkws ist seit Mitte der 80er Jahre ei-
nem verstärkten Wettbewerb durch Aluminiumgussräder ausgesetzt.
Hintergrund dieser Entwicklung ist in erster Linie die mit Aluminium-
rädern verbundene hochwertige Optik, für die immer mehr Pkw-Eigen-
tümer bereit sind, einen hohen Aufpreis zu bezahlen, um ihre Fahr-
zeuge attraktiver zu gestalten.
Die Automobilhersteller haben das Potenzial optisch hochwertiger
Räder erkannt und setzen Aluminiumgussräder zunehmend als Mar-
ketinginstrument ein. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise
schleppende Verkäufe nicht mehr ganz taufrischer Modelle ankurbeln
oder zusätzliche Verkaufsanreize darstellen, ohne gleich den Preis
eines Fahrzeugmodells senken zu müssen.
Als Konsequenz dieser Entwicklung beträgt der Anteil der Stahlrä-
der am europäischen Gesamtmarkt aktuell nur noch ca. 60 % mit
weiter fallender Tendenz. Um dem Verdrängungsprozess des Stahlra-
des entgegenzuwirken und eine längerfristige Marktabsicherung für
den Werkstoff Stahl zu erzielen, wurde nach einer tragfähigen Lösung
für ein Stahldesignrad gesucht, das eine echte Alternative zum Alu-
miniumgussrad darstellt.
Anforderungen an ein Stahldesignrad
Zu Beginn der Überlegungen zur Entwicklung eines Stahldesignrades
stand nicht die technische Entwicklung im Fokus, sondern zunächst
eine umfassende Analyse der Anforderungen des Marktes. Damit
sollte sichergestellt werden, dass bei den Bemühungen ein Rad ent-
steht, das den Vorstellungen der Autokäufer entspricht und in Millio-
nenauflage verkauft werden kann.
Es kristallisierten sich 4 Kriterien heraus, die für den Erfolg eines
Stahldesignrades maßgeblich sind und unbedingt erfüllt sein müssen:
Eine hochwertige Anmutungsqualität, die es erlaubt, mit der opti-
schen Wirkung und Haptik von Aluminiumgussrädern mithalten
zu können.
Ein hohes Maß an Designflexibilität.
Allein BMW hat aktuell 85 verschiedene Designs für Aluminium-
gussräder in seinem Programm, zu denen jedes Jahr rd. 20 neue
Designs hinzukommen. Neue Styling-Trends müssen deshalb
schnell aufgenommen und umgesetzt werden können.
Das Gewicht sollte auf Aluminiumgussradniveau liegen oder nur
wenig darüber, da sonst keine Akzeptanz seitens der Automobil-
hersteller gegeben ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass jegliche
Designmaßnahmen am Rad das Gewicht generell schnell in die
Höhe treiben.
Die Kosten sollten deutlich unter denen der Aluminiumgussräder
bleiben, um einen ausreichenden Anreiz für die Automobilherstel-
ler zur Umstellung zu gewährleisten.
Angesichts dieses Forderungskataloges wurde relativ schnell deutlich,
dass nur eine Trennung des Rades in ein tragendes und ein gestalte-
risches Element die Lösung darstellen kann.
Konzeptentwicklung
Ergebnis der Überlegungen zur konzeptionellen Entwicklung gemein-
sam mit den Partnern Industriedesigner 3L, ISE Innomotive Systems
und dem Räderhersteller Hayes Lemmerz ist ein universell nutzbarer
Strukturträger, der durch eine Edelstahldesignabdeckung vollständig
so verkleidet wird, dass er unsichtbar bleibt und optisch den Ein-
druck eines Rades aus einem Guss entstehen lässt. Die Verwendung
des Werkstoffes Edelstahl von ThyssenKrupp Nirosta sorgt dabei für
die notwendige hochwertige Anmutung.
Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung,eine Alternative zum Aluminiumgussrad
14 |
DIPL.-KFM. OLIVER KLEINSCHMIDT Bereichsleiter Vertrieb Strategie Auto | ThyssenKrupp Stahl AG, Duisburg
DR. RER. NAT. PANICOS PAPAIACOVOU Leiter der Anwendungstechnik | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Düsseldorf
| Stahldesignrad mit NIROSTA®- Abdeckung am VW Beetle
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung, eine Alternative zum Aluminiumgussrad | 17
Bei dieser Konzeption übernimmt der Strukturträger sämtliche tra-
genden Funktionen, während die Designabdeckung aus NIROSTA®
unabhängig von Belastungsanforderungen ganz auf die Erfüllung der
optischen Aspekte ausgelegt werden kann und dem Produkt die Wir-
kung eines hochwertigen Komplettrades verleiht | Bild 1 |.
Um einen optimalen Sitz der Edelstahldesignabdeckung auf dem
Träger zu gewährleisten, ist in die Edelstahlabdeckung ein innovativer
Adapter zur Befestigung integriert, der die Abdeckung zentriert und
eine etwaige Unwucht zuverlässig verhindert. Ein Verlust der Abde-
ckung ist nicht möglich, da diese erst nach Lösen der Radschrauben
vom Strukturträger entfernt werden kann. Außerdem bietet diese
Befestigungsart größere stilistische Möglichkeiten in der Gestaltung
des Sichtbereiches.
Damit den Designern ein Höchstmaß an Gestaltungsflexibilität ein-
geräumt werden kann, muss der Strukturträger möglichst schmale
Speichen und große Durchbrüche aufweisen. Erst eine solche Ausle-
gung schafft die Voraussetzung für transparente und optisch leichte
Designs, wie sie der Markt für hochwertige Räder verlangt.
Die Speichen des Strukturträgers sind in einer Doppel-Z-Form aus-
geführt, damit dieser trotz des vergleichsweise filigranen Aufbaus die
auftretenden Belastungen übernehmen kann. Auf diese Weise wird
ein höheres Widerstands- und Trägheitsmoment erzielt. Über die Spei-
chenhöhe und die Randbreite an den Belüftungsöffnungen lässt sich
ein weitgehend gleichmäßiger Spannungsverlauf erreichen | Bild 2 |.
Die Realisation des Strukturträgers ist nur möglich geworden durch
die Verwendung des Werkstoffes DP-W 600, einem Dualphasenstahl
mit großem Umformvermögen und hohem Verfestigungspotenzial.
Zur Erzielung der erforderlichen Toleranz- und Sicherheitsprofile für
eine optimale Konzeption der Strukturträger werden bei der Werk-
stoffherstellung basierend auf dem umfangreichen Know-how von
ThyssenKrupp Stahl optimale mechanisch-technologische Eigenschaf-
ten eingestellt.
Inzwischen sind mit einer Reihe von Prototypen Dauerfestigkeits-
prüfungen im Umlaufbiegeversuch zur Verifizierung der FEM-Simulati-
onsrechnungen und Betriebsfestigkeitsprüfungen auf dem zweiaxia-
len Räderprüfstand durchgeführt worden. Diese haben die Erreichung
der Entwicklungsziele hinsichtlich Radlast, Gewicht und Kosten ein-
drucksvoll bestätigt | Bilder 3a und 3b |.
Für die Edelstahldesignabdeckung wurden die diversen Styling-
entwicklungsstadien durch Tiefziehsimulationen auf ihre Machbarkeit
hin abgesichert, wodurch die Variabilität des Konzeptes dokumentiert
werden konnte | Bild 4 |.
16 | Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung, eine Alternative zum Aluminiumgussrad
Bild 3b | Schwingfestigkeitsprüfung ZWARP(zweiaxialer Rollenprüfstand)
Bild 3a | Experimentelle Spannungsanalyse
Umformbarkeit
Variante 4
Dickenverteilung
Risse über-mäßiges Ausdünnen
Gefahr von Rissen
sichererBereich
über-mäßigeDehnung
Tendenz zur Falten-bildung
Falten 0,30 0,34 0,39 0,43 0,47 0,51 0,56 0,60
Taschen lasern
Randkontur glätten
Bild 4 | Herstellbarkeitsuntersuchungen für Radzierblende, Radkappe (01/915/E), Variante 4, Mat: 1.4301, t=0,5
Bild 2 | FE-Analyse Umlaufbiegeversuch zur Ermittlung der Spannungsspitzen
349,0
314,0
244,0
174,0
105,0
87,1
69,7
52,3
34,9
17,4
0,0
Oberflächenspannung [MPa]Biegemoment Mb = 2,94 kNm
Quelle: Hayes Lemmerz
Bild 1 | Stahldesignrad, bestehend aus universell nutzbarem Strukturträger und variabler Edelstahlabdeckung
Dicke
Quelle: ISE® - Innomotive Systems Europe
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
18 | Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung, eine Alternative zum Aluminiumgussrad Stahldesignrad mit NIROSTA®-Abdeckung, eine Alternative zum Aluminiumgussrad | 19
6,5
7
7,5
8
8,5
9
9,5
10
Konventionelles Stahlrad ohnemit Radabdeckung
GewichtsspanneAluminium-Gussrad-Designvarianten
Stahldesignrad ohnemit NIROSTA®-Radabdeckung
6
Gewicht (kg) Quelle: Hayes Lemmerz
Bild 5 | Gewichtsvergleich Rad 61/2Jx16, Traglast T=550...600 kg
So kann die kostenintensive Radentwicklung auf die felgengrößen-
spezifischen Typen eines Fahrzeugmodells beschränkt werden. Die
alleinige Variation des Stylings und der Oberflächenausführung der
Edelstahldesignabdeckung - gestrahlt, matt, blank, poliert, galvani-
siert usw. - ermöglichen eine Vielzahl von unterschiedlichen Designs
und Wertanmutungen | Bild 7 |.
Angesichts dieser Konzeptvorteile ist davon auszugehen, dass
der anhaltende Trend weiterer Marktanteilsverluste für Stahlräder ge-
stoppt werden kann. Das Jahr 2004 dürfte den Tiefpunkt bezüglich
des Marktanteils der Stahlräder am Gesamtmarkt markieren. Es ist
absehbar, dass es zu einer Trendumkehr kommt und es mit dem Stahl-
designrad erstmals gelingt, dem Werkstoff Aluminium in diesem
Marktsegment in nennenswertem Umfang wieder Marktanteile abzu-
nehmen.
minimal maximal
um 30 % gegenüber einem vergleichbaren Aluminiumgussrad, was
einen nachhaltigen Anreiz zum Einsatz dieses Rades für die Fahrzeug-
hersteller darstellt | Bild 6 |.
Neben diesem 30%igen Kostenvorteil gegenüber dem Aluminium-
gussrad ergeben sich weitere kostenrelevante Vorteile durch die Mög-
lichkeit des Einsatzes der Räder als Winterräder mit gleichem Design,
der kostengünstigeren Ersatzteilbeschaffung bei Beschädigung (oft
reicht der alleinige Austausch der Blende statt des ganzen Rades
aus) und der Möglichkeit, Klemm-Wuchtgewichte statt der kostenin-
tensiveren Klebegewichte einsetzen zu können.
Ausblick
Die Resonanz der Fahrzeughersteller auf das neue Stahldesignrad-
konzept ist ausgesprochen vielversprechend. In der Optik und Haptik
mit Aluminiumgussrädern vergleichbar, zeigt das neue Konzept deut-
liche Vorteile bei den für die Fahrzeughersteller immer wichtiger wer-
denden Kriterien Kosten und Gewicht.
Gewichtsbilanz
Durch den Einsatz des DP-W 600 konnte bei vergleichbarem Design
das Gewicht des Stahldesignrades auf dem Niveau des Aluminium-
gussrades gehalten werden.
Eine weitere Gewichtsreduzierung wird durch die Anwendung
innovativer Herstellungstechnologien wie dem Flowforming ermög-
licht, bei dem über die Felgenbreite eine belastungsoptimierte Dicken-
kontur geschaffen wird. So beträgt das Gewicht des fertigen Stahlde-
signrades mit NIROSTA®-Designabdeckung bei einem Felgenformat
61/2Jx16 nur ca. 8,5 kg | Bild 5 |.
Kosten
Noch deutlicher werden die Vorteile des Stahldesignrades bei einem
Kostenvergleich. Da der Strukturträger auf bestehenden hochproduk-
tiven Fertigungseinrichtungen bei Hayes Lemmerz hergestellt werden
kann, sind trotz der aufwendigen Edelstahldesignabdeckung die Vor-
aussetzungen zur Sicherstellung des Kostenzieles gegeben. Letztlich
ergibt sich bei den Kosten für das Stahldesignrad eine Reduktion Konventionelles Stahlrad ohnemit Radabdeckung
KostenspanneAluminium-Gussrad-Designvarianten
Stahldesignrad ohnemit NIROSTA®-Radabdeckung
Quelle: Hayes Lemmerz
Bild 6 | Kostenvergleich Rad 61/2Jx16, Traglast T=550...600 kg
minimal maximal
100%
0%
80%
60%
40%
20%
Bild 7 | Stahldesignrad in mattierter Optik
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Großserientaugliches Werkstoffkonzept für Hochtemperatur-Brennstoffzellen | 21
Einleitung
Die Gesellschaft allgemein, Politiker, Wissenschaftler und Naturschützer
im Besonderen, fordern bei der Energieumwandlung schon seit Jahren
aus ökologischem Anlass den schonenden Umgang mit fossilen Brenn-
stoffen. Dabei ist es die Brennstoffzellen-Technologie, der auf der
Suche nach Alternativen zu den bisherigen Verfahren eine Schlüssel-
funktion zukommt. Hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit sowie geringe
Umweltbelastung machen sie zum Hoffnungsträger stationärer und
mobiler Energieversorgungssysteme |Bild 1|. Allerdings: Bisher ver-
hinderten hohe Fertigungskosten und eingeschränkte Materialeigen-
schaften den breiten Einsatz von Brennstoffzellen. Daher wird das
Augenmerk auf eine von ThyssenKrupp Nirosta und ThyssenKrupp VDM
unterstützte Entwicklung des Forschungszentrums Jülich gelegt: den
Werkstoff Crofer 22 APU (Auxiliary Power Unit).
Bisherige Werkstoffkonzepte
Insbesondere Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC – Solid Oxide Fuel Cell)
eignen sich zur Energieumwandlung (z.B. aus Erdgas, reformiertem
Benzin, Faulgasen) sowie für den zukunftsweisenden Einsatz von
Wasserstoff als Energieträger. Tragendes wie zentrales Bauteil der
SOFC-Brennstoffzelle ist die Interkonnektorplatte. Sie liegt zwischen
den keramischen Elektroden, stellt die elektrische Verbindung zwischen
den Zellen her und separiert das Anoden- und Kathodengas bei einer
Temperatur von bis zu 900 °C | Bild 2 |. Die bisher auf dem Markt
verfügbaren Werkstoffkonzepte erwiesen sich als ungeeignet, da kei-
ne der vorhandenen metallischen Legierungen die Eigenschaften kom-
binierte, die für die SOFC-Technologie erforderlich sind. Die kera-
mischen Lösungen, die als Alternative für metallische Werkstoffe
erprobt wurden, erwiesen sich wegen Fertigungsproblemen und aus
Kostengründen als ungeeignet. Dies verhinderte bisher den breiten
Einsatz dieser umweltschonenden Technologie, zum Beispiel in den
Bereichen Energieversorgung oder Automobilindustrie.
Das Werkstoffkonzept Crofer 22 APU
Ganz anders sieht der Sachverhalt dank der Entwicklung von
Crofer 22 APU als Werkstoff für die Interkonnektorplatte aus. Die
Legierung erfüllt die – sich zum Teil widersprechenden – Anforde-
rungen hinsichtlich:
Hochtemperaturbeständigkeit in Anoden- und Kathodengas,
hoher elektrischer Leitfähigkeit der oxidischen Deckschichten,
sehr geringem, einem an die Keramik angepassten Ausdeh-
nungskoeffizienten in dem Bereich von Raumtemperatur
bis 900 °C,
wenig aufwendiger Herstellung und leichter Verarbeitbarkeit,
niedrigen Materialkosten im Vergleich zur Keramik,
geringer Chrom-Abdampfungsrate.
Großserientaugliches Werkstoffkonzept für Hochtemperatur-Brennstoffzellen
20 |
DIPL.-ING. RALF HOJDA Entwicklung und Technisches Marketing Geschäftsbereich Bänder | ThyssenKrupp VDM GmbH, Werdohl
DR.-ING. WINFRIED HEIMANN ehem. Leiter Werkstoff- und Anwendungstechnik warmgewalzte Bleche | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Krefeld
DR.-IR. WILLEM JOSEF QUADAKKERS Leiter Korrosion und Korrosionsschutz, Institut für Werkstoffe der Energietechnik | Forschungszentrum Jülich GmbH
Bild 1 | Wirkungsgrade unterschiedlicher Kraftwerkstypen
70
60
0
10
20
30
40
50
0,1 0,5 1 5 10 50 100 500 1000
Otto-Motor
Diesel-Motor
PAFC(Phosphoric Acid Fuel Cell)
SOFC
Gasturbine
GUD-Kraftwerk(Gas- und Dampfturbine)
Dampfkraftwerk
Kraftwerksleistung [MW]
Wir
kung
sgra
d [%
]
Zukünftige Technologie Aktuelle Technologie
| Einsatz von SOFC-Brennstoffzellen bei BMW
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
gruppen zur Bordnetzversorgung verzichten. Diese von einem Industrie-
konsortium getragene Aggregateentwicklung konnte sich aufgrund
der kurzfristigen industriellen Darstellung des Werkstoffkonzeptes ge-
gen eine zeitgleich erarbeitete amerikanische Lösung durchsetzen.
Dieses ist umso bedeutender für den Konzern, da neben Crofer 22 APU
für die Interkonnektorplatten ein weitaus größerer Anteil an nichtros-
tenden Stählen in Standardgüten für Gehäuse und Rohrleitungen be-
nötigt wird.
Weitere Anwendungsbeispiele für die SOFC-Technologie sind kleine,
dezentrale Energieversorgungseinheiten für Haushalte und Kühltrans-
porter im Überland-Verkehr sowie der Einsatz in Kleinkraftwerken, bei
denen die parallele Nutzung von Strom und Wärme zu einer deutlichen
Erhöhung des Anlagenwirkungsgrades beiträgt.
Zusätzlich kann Crofer 22 APU durch seine spezifischen Eigenschaften
auch dort verwendet werden, wo eine geringe Chrom-Abdampfungsrate
in Verbindung mit geringem Ausdehnungskoeffizienten gefordert ist,
zum Beispiel in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie.
Fazit
Crofer 22 APU erfüllt alle bisher nicht erreichten Ansprüche für eine
breite und mobile Nutzung der umweltschonenden SOFC-Brennstoff-
zellen-Technologie: physikalische Eigenschaften und chemische Be-
ständigkeit bei gleichzeitig akzeptablem Preisniveau. Obwohl erst
eine kurze Zeit zwischen der Entwicklung und der großtechnischen
Umsetzung des Werkstoffkonzeptes liegt, nutzen bereits viele Zielmärkte
diese Innovation. Die ersten großtechnischen Erzeugungseinheiten
sind bereits in den Anlagenbau und die Automobiltechnik abgeflossen.
Ernstzunehmende Prognosen deuten darauf hin, dass bereits in
wenigen Jahren mit einem Potenzial von einigen 100 t Crofer 22 APU
pro Jahr gerechnet werden kann.
Großserientaugliches Werkstoffkonzept für Hochtemperatur-Brennstoffzellen | 2322 | Großserientaugliches Werkstoffkonzept für Hochtemperatur-Brennstoffzellen
Diese Eigenschaften konnten bisher verfügbare Werkstoffe nicht ver-
einen, vor allem nicht die Hochtemperaturbeständigkeit bei gleichzei-
tig guter elektrischer Leitfähigkeit der Oxidschicht.
Die besondere Herausforderung bei der Umsetzung des Werkstoff-
konzeptes Crofer 22 APU lag in der Erschmelzung in engsten Analy-
sengrenzen | Bild 3 |, der exakt abgestimmten thermomechanischen
Verarbeitung des schwierig warmumformbaren Stahles und dem Kalt-
walzen im Bereich um 0,5 mm Dicke bei gleichzeitig engsten Toleranz-
grenzen.
Herzstück des Werkstoffkonzeptes ist eine sich an der Oberfläche
bildende Deckschicht aus Chrom-Mangan-Oxid mit großer thermody-
namischer Stabilität. Die Oxidschicht bildet sich, sobald die Brenn-
stoffzelle aktiv ist und unterbindet die für den Elektrolyten schädliche
Chrom-Abdampfung | Bild 4 |. So wird die Lebensdauer des gesam-
ten Systems erheblich verlängert und die Brennstoffzelle eignet sich
für stationäre und mobile Einsätze. Zusätzlich erfüllt Crofer 22 APU zu
Gunsten optimaler Raumausnutzung und Designoptimierung die For-
derung der Automobilindustrie nach einem gut kaltumformbaren
Werkstoff. Doch nicht allein die Materialeigenschaften machen den
Werkstoff zur Innovation. Weitere wichtige Pluspunkte sind die ökolo-
gischen Vorteile, die durch den Einsatz von Crofer 22 APU auf der
einen Seite und der SOFC-Brennstoffzellentechnologie auf der ande-
ren Seite entstehen:
Crofer 22 APU: die Recyclingfähigkeit des metallischen Werkstoffes
ist weitaus höher als die keramischer Lösungen,
SOFC-Brennstoffzellentechnologie: es werden Stick- und Schwe-
feloxide fast vollständig vermieden und die CO2-Emission wird
durch einen Anlagenwirkungsgrad von 50–80 % (konventionelle
Kraftwerke haben einen max. Wirkungsgrad von 40 %) deutlich
verringert.
Allein der Einsatz von SOFC-Brennstoffzellen als Zusatzenergieversor-
gung (APU) im Pkw bietet ein CO2-Einsparungspotenzial von bis zu
30 %. Die Firma BMW beispielsweise kann dank der Verwendung des
Werkstoffs Crofer 22 APU als Bauteil in der SOFC-Brennstoffzelle die
Anforderungen an ein Zusatzaggregat zur Stromerzeugung für den
mobilen Einsatz erfüllen und so auf den Generator und andere Bau-
Bild 2 | Schematischer Aufbau einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle (SOFC)
Mn
Bild 4 | Links: SOFC-Prüfstand, Rechts: Chrom-Mangan-Oxid auf Crofer 22 APU (nach 1000 h bei 800 ˚C unter Luft)
Bild 3 | Chemische Analyse von Crofer 22 APU
Cr
MEA(Membrane Electrode Assembly)
+
-
Interkonnektor
Luft
Brenngas
Cr Mn Ti La Fe
22 % 0,60 % 0,10 % 0,08 % Rest
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Einführung
Ein modernes Auto soll sicher, komfortabel und zugleich sportlich sein;
keine leichte Aufgabe für die Fahrwerkentwickler, denn die aus die-
sen Eigenschaften resultierenden Anforderungen an die Komponen-
ten der Federung sind gegenläufig | Bild 1 | .
Ein komfortables Auto erfordert eine weiche Federung mit gerin-
ger Dämpfung und Stabilisatoren mit einer niedrigen Verdrehsteifig-
keit. Insbesondere bei wechselseitigem Ein- und Ausfedern der Räder
einer Achse wirkt ein verdrehsteifer Stabilisator fahrkomfortmindernd,
da die Fahrbahnanregungen auf die Karosserie und somit auf die
Fahrinsassen übertragen werden. Eine fahrdynamisch sichere Abstim-
mung erfordert eine straffe Federung, eine hohe Dämpfung und Sta-
bilisatoren mit einer hohen Verdrehsteifigkeit. Die Seitenneigung des
Fahrzeuges bei Kurvenfahrt wird reduziert und die Fahrsicherheit bei
verringertem Fahrkomfort erhöht.
Bei Pkw-Anwendungen wird eine kompromissbetonte Abstimmung
der Federungskomponenten und des Stabilisators hinsichtlich seiner
Verdrehsteifigkeit zur Lösung dieses Zielkonfliktes gewählt. Bei Gelän-
dewagen kommt jedoch erschwerend hinzu, dass im unwegsamen
Terrain auch bei Geradeausfahrt eine hohe Achsverschränkung (wech-
selseitige Ein- und Ausfederung) möglich sein muss. Der Stabilisator
ist bei diesen Fahrzuständen hinderlich. Im Gegensatz hierzu erfordern
aber gerade Geländewagen im Straßenbetrieb einen sehr steifen
Stabilisator, um aufgrund ihres sehr hohen Schwerpunktes eine zu
starke Seitenneigung bei schnellerer Kurvenfahrt zu verhindern.
Funktionalität und Wirkung des ORS©-Systems
In einer Gemeinschaftsarbeit der ThyssenKrupp Automotive Mecha-
tronics GmbH und der ThyssenKrupp Automotive Systems GmbH
konnte dieser Zielkonflikt durch die Entwicklung eines insbesondere
unter Last schaltbaren Stabilisators aufgelöst werden | Bild 2 |.
Schaltbar heißt, dass der Momentenfluss im Stabilisator mittels
einer hydraulisch betätigten Kupplung aufgehoben werden kann. On-
Road, also im Straßenbetrieb, ist die Kupplung geschlossen und der
Stabilisator arbeitet konventionell. Die Stabilisatoren können sehr
verdrehsteif ausgelegt werden, was für ein sportliches und sicheres
Fahrverhalten auf der Straße erforderlich ist.
Off-Road-Stabiliser (ORS©-System) | 2524 |
| Porsche Cayenne, Flussfahrt
Off-Road-Stabiliser (ORS©-System), ein innovatives Fahrwerksystem zur Optimierung der Fahreigenschaftenvon Geländefahrzeugen und Sport Utility Vehicles
DR.-ING. VOLKER MIDDELMANN Abteilungsleiter Fahrwerksysteme | ThyssenKrupp Automotive Mechatronics GmbH, München
DIPL.-ING. ANDREAS STAPELMANN Projektmanager Fahrwerksysteme/-module | ThyssenKrupp Automotive Systems GmbH, Bochum
Bild 1 | Zielkonflikt bei SUV-Fahrwerkentwicklungen
Sportliches und sicheres Fahrverhalten auf der Straße
Straffe Federung
Hohe Dämpfung
Verdrehsteife Stabilisatoren
Optimale Geländegängigkeit mit hohem Fahrkomfort
Weiche Federung
Geringe Dämpfung
Sehr verdrehweiche Stabilisatoren
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Off-Road-Stabiliser (ORS©-System) | 2726| Off-Road-Stabiliser (ORS©-System)
Off-Road, also im Gelände, werden die Stabilisatoren hydraulisch
entkoppelt, und die Achslastverteilung wird gleichmäßiger. Die Räder
können jetzt unabhängig voneinander ein- und ausfedern. Die Achs-
verschränkung wird bei völliger Freischaltung der Stabilisatoren deut-
lich erhöht, was bislang bei ebenfalls auf den Stabilisator eingreifenden
Systemen nicht möglich war. Die Geländegängigkeit wird gesteigert
und die Traktion erhöht. Die Aufbaubewegungen im Off-Road-Betrieb
werden auf ein komfortables Niveau gesenkt.
Systemanforderungen
Die wichtigsten funktionalen Anforderungen im Rahmen der Systement-
wicklung sind bezogen auf die Hauptkomponenten des Gesamtsystems
in | Bild 3 | zusammengestellt. Die Grundfunktion der Entkopplung
des Momentenflusses ist von wesentlicher Bedeutung für den Kom-
fortgewinn im Gelände, auch im Vergleich zu anderen Systemen. Nur
wenn das Übertragungsverhalten des Stabilisators entsprechend
gering ist, wie in | Bild 4 | mittels des normierten Amplitudenverhält-
nisses dargestellt, ist der gewünschte Komfortgewinn gegeben.
Systemkomponenten
Das unter Berücksichtigung der vorab genannten Systemanforderun-
gen entwickelte Gesamtsystem besteht in seiner aktuellen Ausführung
aus den im | Bild 5 | dargestellten drei Hauptkomponenten:
hydraulisch schaltbare Stabilisatoren inkl. Aktuatoren
für Vorder- und Hinterachse,
eine hydraulische Versorgungseinheit (Power-Pack) und
eine elektronische Steuereinheit (ECU).
Diese Komponenten werden nachfolgend detaillierter beschrieben.
Bild 2 | ORS© – System zur semiaktiven Wankstabilisierung, Funktionalität und Wirkung
Bild 4 | Übertragungsverhalten des ORS©-Stabilisators bei einseitiger Störanregung
Bild 5 | Systemkomponenten der Offroad-Stabilisatoren
Off Road Schalter
Straßenbetrieb: Stabilisator gekoppelt Geländebetrieb: Stabilisator entkoppelt
Frequenz der Störanregung [Hz]
1
0 10 20
NormiertesAmplituden-verhältnis
Passiver Stabilisator
ORS©-System
s(t)
F(t)
Grundfunktionen der schaltbaren Stabilisatoren
- Geländebetrieb: Vollständige Entkopplung des Momentenflusses
der Stabilisatoren
- Straßenbetrieb: Bei der Auslegung frei wählbare Wank-
stabilisierung/Verdrehsteifigkeit der Stabilisatoren
- Schalten (Koppeln und Entkoppeln) unter Last
- Sicheres Koppeln des Momentenflusses beim Durchwanken
(kurze Schließzeit)
- Fail-Safe Funktion
Steuerung
- Diagnose der Hardwarekomponenten des Gesamtsystems
- Überwachung der Systemparameter (Druck, Strom,
Fahrgeschwindigkeit, Schaltzustand...)
- Kommunikation mit anderen Bus-Teilnehmern
- Selbstdiagnostizierendes Steuergerät
Energieversorgung
- Geringe Geräuschentwicklung
- Minimale Leistungsaufnahme
- Unabhängig, d.h. nicht integriert in vorhandene Kreisläufe/
nachrüstbar
Bild 3 | Systemanforderungen
Schaltbare Stabilisatoren
Die hydraulisch betätigte Klauenkupplung der Stabilisatoren besteht
aus drei Elementen: jeweils einem eingangsseitigen und ausgangs-
seitigen Kupplungselement und einem Schaltelement, das axial frei
beweglich ist und je nach Druckbeaufschlagung und damit axialer
Position die formschlüssige Momentenleitung zwischen den eingangs-
und ausgangsseitigen Kupplungselementen herstellt.
Das Schaltelement ist ebenso in Umfangsrichtung frei beweglich,
so dass im geöffneten Zustand der Freiwinkel der Kupplung ver-
doppelt wird. Hierbei fährt das Schaltelement nicht komplett aus
der Überdeckung mit den Flanken heraus. Ein sicheres Schließen ist
in jedem Zustand gegeben. Durch diese innovative Anordnung erge-
ben sich zwei wesentliche Vorteile:
Schalten unter Last, das heißt auch bei verschränktem Stabilisator,
Verdopplung des Freiwinkels im Vergleich zu konventionellen
Klauenkupplungen mit gleicher Bauraumausnutzung.
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
ORS©-System
Aktuator
Hydraulische Versorgungseinheit
Elektronische Steuerungseinheit
elektromechanisch betätigte Schieberventile
Druckspeicher
Drucksensor
Ölbehälter
Pumpe
E-Motor
Positionssensor
Schaltelement
Fail-Safe-Feder
Ausgangsseitiges KupplungselementEingangsseitiges Kupplungselement
verhalten auf der Straße eine straffe Federung mit hoher Dämpfung
und verdrehsteife Stabilisatoren. Für eine optimale Geländegängigkeit
werden dagegen eine weiche Federung mit geringer Dämpfung und vor
allem verdrehweiche Stabilisatoren benötigt. Die Lösung dieses Ziel-
konfliktes besteht in einem unter Last hydraulisch schaltbaren Stabili-
sator. Durch die quasi vollständige Freischaltung der Stabilisatoren
im Geländebetrieb wird der Fahrkomfort gesteigert. Zugleich wird im
gekoppelten Zustand der Stabilisatoren eine optimale Auslegung für
den normalen Straßenbetrieb ermölicht. Das ORS©–System stellt eine
innovative technische Lösung dar, die in vergleichbarer Form noch in
keinem Geländewagen angeboten wurde und in 2003 zum ersten
Serieneinsatz im Porsche Cayenne und VW Touareg kommen wird.
ventilen möglich. Die praktisch nicht vorhandene Leckage in Kombi-
nation mit dem Druckspeicher und dem Steuerungskonzept redu-
ziert die Einschalthäufigkeit des E-Motors der Versorgungseinheit auf
einen einmaligen Ladevorgang beim „Scharfschalten“ des Systems
sowie nach jedem Schaltvorgang. Die hieraus resultierenden Vorteile
sind:
minimale Leistungsaufnahme und
reduzierte Einschalthäufigkeit.
Sowohl der Ladevorgang beim „Scharfschalten“ des Systems als auch
der Ladevorgang nach einem Schaltvorgang sind Systemreaktionen
auf eine vom Fahrer eingeleitete Aktion. Deshalb wird die Akustik des
Gesamtsystems als positiv beurteilt, auch wenn der Ladevorgang der
hydraulischen Versorgungseinheit akustisch vom Fahrer wahrgenommen
wird. Der System- oder Speicherdruck wird von einem Drucksensor
überwacht. Bei Unterschreitung eines Mindestdrucks wird der Druck-
speicher nachgeladen und ein vorgegebenes konstantes Energieni-
veau zum Schalten der Stabilisatoren bereitgestellt | Bild 7 |.
Elektronische Steuerungseinheit
Bei dieser Applikation wurde ein Hardwarekonzept gewählt, welches
eine optimale Funktionssicherheit gewährleistet. Die Steuereinheit
besitzt zwei Mikrocontroller, die nach dem Master/Slave-Konzept
arbeiten. Das bedeutet, dass die sicherheitsrelevanten Endstufen High-
und Low-Side jeweils von einem Mikrocontroller angesteuert werden.
Die eingesetzten Endstufen sind selbstschützende Bauelemente, so
dass bei Kurzschlüssen im Fahrzeug eine Zerstörung des Steuergerä-
tes ausgeschlossen ist.
Die Eingangsgrößen des Systems (Druck, Schaltzustand der Sta-
bilisatoren und Anwahlschalter) und vom CAN-Bus-Antriebsstrang
(CAN=Controller Area Network) des Fahrzeuges (Geschwindigkeit,
Querbeschleunigung etc.) werden ebenfalls von beiden Mikrocontrollern
erfasst. Des Weiteren findet ein Abgleich zwischen den beiden Mikro-
controllern statt, um die errechneten Stellgrößen zu vergleichen.
Diagnoseinformationen können über den CAN-Antriebsstrang des
Fahrzeuges mittels eines Diagnosetesters ausgelesen werden. Die
Kommunikation mit dem Kombianzeigeinstrument erfolgt ebenfalls
über den CAN-Antriebsstrang.
Zusammenfassung
Das ORS©–System löst den ständigen Zielkonflikt bei der Fahrwerks-
entwicklung von Geländefahrzeugen und Sport Utility Vehicles (SUV)
auf. Diese Fahrzeuge benötigen für ein sportliches und sicheres Fahr-
Off-Road-Stabiliser (ORS©-System) | 2928 | Off-Road-Stabiliser (ORS©-System)
Ein am äußeren Umfang des Gehäuses angeordneter Positionssen-
sor detektiert die Schaltstellung „Stabilisator gekoppelt“. Das Signal
des Positionssensors wird zur Überwachung des Systems von der
Steuerung eingelesen.
Eine Fail-Safe-Feder stellt sicher, dass bei einer Störung der hydrauli-
schen Versorgung die Stabilisatoren geschlossen werden. Die Feder-
kraft ist so dimensioniert, dass ein sicheres Schließen der Kupplung
beim Durchwanken des Fahrzeuges gewährleistet ist | Bild 5|.
Hydraulische Versorgungseinheit
Die hydraulische Versorgungseinheit besteht aus einer elektromotorisch
angetriebenen Pumpe, einem Ölbehälter, einem Druckspeicher, einem
Drucksensor sowie zwei elektromechanisch geschalteten Schieber-
ventilen | Bild 5 |. Somit können der Vorder- und der Hinterachssta-
bilisator | Bild 6 | getrennt voneinander in einer vorgegebenen Abfolge
geschaltet werden. Die sequenzielle Schaltfolge beim Entkoppeln
(zunächst HA (Hinterachse) dann VA (Vorderachse)) bzw. beim Koppeln
(zunächst VA dann HA) ist aus Sicherheitsgründen hinsichtlich der
Fahrdynamik erforderlich.
Das herauszustellende Merkmal dieser Schieberventile ist, dass sie
quasi keine Leckage aufweisen. Durch eine ausgeklügelte konstruktive
Gestaltung der Schieber in Kombination mit höchster Fertigungsprä-
zision wird erreicht, dass sich in dem sehr engen Spalt zwischen
Schieber und Buchse eine Spaltsättigung, d.h. ein Zusetzen des Spaltes
mit im Hydrauliköl befindlichen Schwebepartikeln, einstellt und die
Leckage quasi Null wird. Hierbei wird die Schaltfunktion der Ventile
nicht beeinträchtigt. Eine derartige Funktionalität ist sonst nur mit Sitz-
0 10 30 50 70 110 130 230150 170 190 21090
170
165
155
150
145
140
135
130
125
Dru
ck [
bar]
Zeit [s]
Sättigungsverhalten der Schieberventile nach 1230 Zyklen
Bild 6 | ORS© – Hydraulisch schaltbare Stabilisatoren der Vorder- und Hinterachse
Bild 7 | Dichtigkeit Schieberventile
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
DampMatic – Automatisch verstellbarer Pkw-Stoßdämpfer
30 |
Einleitung
Bei der Abstimmung eines Fahrwerks muss immer ein möglichst opti-
maler Kompromiss zwischen Fahrkomfort und Fahrsicherheit in extre-
men Situationen gefunden werden. Dabei verschlechtert eine Verbes-
serung des Verhaltens in der einen Funktion meist die andere. So ist
bei normaler Fahrt über gute Straßen eine möglichst geringe Dämp-
fung erforderlich, um beim Überrollen von kleinen Hindernissen, wie
z.B. Teerflicken und Dehnungsfugen in der Straße, die komfortmin-
dernden Störkräfte, die die Karosseriestabilität beeinträchtigen, gering
zu halten. Ganz anders dagegen bei dynamischen Fahrsituationen,
z.B. einem schnellen Fahrspurwechsel: Hier müssen bereits bei nied-
rigen Dämpfergeschwindigkeiten relativ hohe Dämpfkräfte aufgebaut
werden, um beispielsweise gefährliche Wankschwingungen des Auf-
baus wirkungsvoll zu beruhigen. Das wohl bekannteste Fahrmanöver
hierfür ist der sogenannte „Elchtest“, bei dem Fahrzeuge ohne ESP
(Electronic Stability Program) im Extremfall sogar zum Überschlag ge-
bracht werden können.
Bei aufwendigen, verstellbaren und elektronisch geregelten Fahr-
werken kann der oben genannte Kompromiss deutlich verbessert
werden, indem die Dämpfkräfte der Fahrsituation angepasst geregelt
werden. So verlässt ein Fahrzeug den normalen Komfortmodus, der
ein „Dahingleiten“ erlaubt, wenn die Regelung mit den Signalen der
Fahrzeugsensoren eine unzulässig hohe Bewegung der Karosserie
feststellt. Die Dämpfung des Fahrzeugs wird erhöht, was die Fahrsicher-
heit steigert, so dass der Fahrer das Fahrzeug auch in dynamischen
und kritischen Fahrsituationen sicher beherrschen kann. Für einen
breiten Einsatz dieser aktiven Systeme auch in kleineren Fahrzeug-
klassen ist der Aufwand jedoch meist zu hoch.
Daher wurde bei ThyssenKrupp Bilstein ein einfaches, passives
Dämpfungssystem entwickelt, was bei kleinen Anregungsamplituden
geringere Dämpfkräfte erzeugt, wodurch ein höherer Abrollkomfort
erreicht wird, bei größeren Anregungsamplituden jedoch selbsttätig
die für die Fahrzeugstabilisierung notwendigen erhöhten Dämpfkräfte
bereitstellt.
Funktionsbeschreibung
Zur Erzeugung der Dämpfkräfte im hydraulischen Stoßdämpfer wird
bei Federbewegungen Öl durch ein Ventil am Dämpferkolben gedrückt.
Durch elastische Ventilscheiben wird eine definierte, dämpferge-
schwindigkeitsabhängige Widerstands-Charakteristik erzeugt. Das
DampMatic-System stellt einen Bypass für das Öl dar (ähnlich dem
Prinzip des Herz-Bypasses), der durch das Ventilgehäuse und eine
Bohrung im Kolbenzapfen verläuft | Bild 1 |. Hierdurch kann ein Teil des
Ölstroms das normale Dämpfungsventil „umfahren“, wodurch der
hydraulische Gesamtwiderstand gesenkt wird und das Öl somit eine
geringere Dämpfkraft erzeugt.
DampMatic – Automatisch verstellbarer Pkw-Stoßdämpfer | 31
DIPL.-ING. CLAUS WEIMANN Projektleitung | Thyssen Krupp Bilstein GmbH, Ennepetal
DIPL.-ING. OLE GÖTZ Zukunftsentwicklung | Thyssen Krupp Bilstein GmbH, Ennepetal
Kolbenstange mit DampMatic-Modul
Steuerkolben
Bypasskanal
Dämpferkolben mit Scheibenventil
Bild 1 | Funktionsprinzip DampMatic
| Vorderachsfederbein mit DampMatic
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
32 | DampMatic – Automatisch verstellbarer Pkw-Stoßdämpfer
Wie stark die Dämpfkraft gegenüber der normalen Dämpferkennline
abgesenkt wird | Bild 2 | bestimmt der wählbare Durchmesser einer
Drosselbohrung.
Während Öl durch den Bypasspfad strömt wird ein Steuerkolben,
der das DampMatic-Gehäuse in zwei Räume teilt, vom einströmenden
Öl bewegt. Der Bypass ist solange geöffnet bis der Kolben seine End-
lage erreicht hat. Ab diesem Zustand muss der volle Ölvolumenstrom
den Arbeitskolben passieren; es wird wieder die normale Dämpfkraft
erzeugt.
Die Verbesserung des Abrollkomforts beim Einsatz der DampMatic
beruht darauf, dass bei kleinen Fahrbahnanregungsamplituden der
Steuerkolben seine Endlage nicht erreicht, d.h. der Dämpfer arbeitet
nur im Bereich abgesenkter Dämpfkräfte. Bei dynamischen Fahrvor-
gängen, bei denen es zu größeren Dämpferhüben kommt, schaltet
der Dämpfer, nachdem der Steuerkolben seine Endlage erreicht hat,
auf die härtere und damit sicherheitsrelevante Kennlinie.
Ein solches Wirkprinzip wird in ähnlicher Form millionenfach in
hydraulischen Motorlagern bei der Lagerung des Antriebsaggregats
verwendet. Auch für Stoßdämpfer gab es in der Vergangenheit Ideen
für amplitudenselektives Verhalten, jedoch erreichte bisher keine da-
von den Serieneinsatz. Bei der Entwicklung des DampMatic-Systems
waren insbesondere das Übergangsverhalten zwischen den beiden
Wirkfunktionen und die Abstimmbarkeit der Prototypen wichtige Schwer-
punkte. Der frühzeitige Einsatz von Simulationstools und spezieller
Funktionsmessungen unterstützte wirkungsvoll das notwendige
Systemverständnis, womit bei der Optimierung sehr zielgerichtet
vorgegangen werden konnte. In Fahrzeugmessungen konnte das
Komfortpotenzial des DampMatic-Systems aufgezeigt werden | Bild 3 |.
Industrialisierung
Nach den ersten erfolgreichen Konzeptbestätigungen im Fahrzeug im
März 2002 wurde intensiv an der Umsetzung der Prototypen in ein
serien- und prozessfähiges Design gearbeitet. Ziel ist der erste Groß-
serieneinsatz in 2004. Daraus ergaben sich zwei Hauptaufgaben:
Zum einen muss ein Gehäuse mit dem für die DampMatic benötigten
Steuerkolben in die Kolbenstangenbaugruppe integriert werden, zum
anderen sind ein Fertigungskonzept und die Materialauswahl für den
Steuerkolben zu entwerfen.
Während die DampMatic-Gehäuse bei den Prototypen noch mit
der Kolbenstange verschraubt wurden, ist bei dem Seriendesign eine
„gebaute“ Kolbenstange vorgesehen, die mittels Laserschweißen ge-
fügt wird | Bild 4 |. Laserschweißen eignet sich für diesen Anwendungs-
fall insbesondere aufgrund der niedrigen Temperatureinbringung. Der
Steuerkolben muss vor dem Schweißprozess ins Gehäuse montiert
werden und darf kurzzeitig mit maximal 200 °C beaufschlagt werden.
Des Weiteren dürfen keine großen Verzüge durch das Schweißen ent-
stehen, um die vorgegebenen Rundlauftoleranzen der Kolbenstangen
einzuhalten. Gegenüber anderen Schweißverfahren wie Kondensator-
entladungsschweißen oder Plasmatronschweißen zeichnet sich die
Laserschweißung durch eine besonders hohe Festigkeit und gute
Reproduzierbarkeit der Schweißverbindung aus. Die hohe erzielbare
Einbrandtiefe der Schweißnaht ist hier hervorzuheben. Die Festigkeit
der Fügeverbindung spielt bei einer McPherson-Vorderachse die ent-
scheidende Rolle. Denn hierbei übernimmt das Federbein und somit
die Kolbenstange als sicherheitsrelevantes Bauteil eine radführende
Funktion.
Als Hauptbewertungskriterium zur Qualifizierung der Fügeverbin-
dung wird die Kolbenstange einem dynamischen Biegeumlauftest
unterzogen. Hierbei wird auf den Kolbenstangenzapfen eine Quer-
kraft aufgebracht und die Kolbenstange in Rotation versetzt. Die Zahl
der erreichten Umläufe dient als Maß zur Bewertung der dynami-
schen Festigkeit. Hierbei bietet das Laserschweißen gegenüber an-
deren Fügeverfahren ein hohes Sicherheitspotenzial.
Beim Steuerkolben kamen bisher sowohl Kunststoff- als auch
Aluminiumausführungen zum Einsatz. Die Führung des Kolbens ist
ein wichtiges Kriterium, um ein Kippen und Verklemmen zu verhin-
dern. Die Anschlagpuffer des Steuerkolbens werden aus einem
Elastomer hergestellt. Sie dienen dem optimalen Kraftübergang
zwischen harter und weicher Dämpferkennung.
Zusammenfassung
Derzeit ist bei einigen Automobilherstellern die Tendenz zu beobach-
ten, dass anstelle von technisch komplexen und teuren Feder-Dämp-
fungssystemen einfache und effektive Systeme gefordert werden.
Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Vans, Sport Utility Vehicles
(SUV) und Geländewagen, d.h. nach Fahrzeugen, die aufgrund ihres
hohen Schwerpunkts zu verstärkten Wankbewegungen neigen und
daher zur Stabilisierung des Fahrzeugaufbaus eine hohe Dämpfung
bereits bei niedrigen Dämpfergeschwindigkeiten benötigen. Dies führt
zu deutlichen Verschlechterungen des Abrollkomforts. Mit der Bilstein
DampMatic ist es gelungen, den Zielkonflikt ein Stück weiter aufzulösen
und eine Komfortverbesserung ohne Einschränkungen bei der Fahrsi-
cherheit zu realisieren. Dies wird mit einem einfallsreichen kostengüns-
tigen hydromechanischen System ohne Aktuatoren, Sensoren und
Prozessoren realisiert. Hiermit ist eine wichtige Voraussetzung für eine
erfolgreiche Marktdurchdringung, insbesondere bei Fahrzeugen mit
hohem Schwerpunkt und geringer Spurweite gegeben.
DampMatic – Automatisch verstellbarer Pkw-Stoßdämpfer | 33
Konventioneller Dämpfer
DampMatic
F F
DampMatic große Amplituden
DampMatic kleine Amplituden
F: Dämpfkraftd: Bohrungsdurchmesserv: Kolbengeschwindigkeit
d v
Bild 2 | Dämpferkennlinien eines konventionellen Dämpfers im Vergleich zur DampMatic
Bild 4 | Kolbenstange eines Hinterachsdämpfers mit lasergeschweißtem DampMatic-Modul
Frequenz [Hz]
Leis
tung
sdic
hte
Bild 3 | Fahrzeugmessungen der Aufbaubeschleunigung zeigen das Komfort-potenzial der DampMatic
Konventioneller Dämpfer
DampMatic
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Impulsnieten im Karosseriebau | 3534 |
Impulsnieten im Karosseriebau
DIPL.-ING., M.S. IN MANAGEMENT THOMAS MEICHSNER Geschäftsführer | ThyssenKrupp Drauz GmbH, Heilbronn
DIPL.-ING. WULF LEITERMANN Expert Team Aluminium Light Weight Solutions | ThyssenKrupp Drauz GmbH, Heilbronn
KURT LAGLER Geschäftsbereichsleiter | ThyssenKrupp Drauz GmbH, Heilbronn
Einführung
ThyssenKrupp Drauz bietet den Automobilkunden von der Fahrzeug-
entwicklung, der Prototypenherstellung, der Umformtechnik, dem
Anlagenbau bis zur Karosseriefertigung die gesamte Leistungskette als
„Engineering Loop“ an. Mit dieser strategischen Ausrichtung setzt das
Unternehmen den Trend nach kostengünstigeren und komplexen Karos-
seriebaukonzepten wie dem Body Frame in Stahl oder Aluminium um.
Die Kompetenz für die Realisierung ermöglicht es der Karosserieentwick-
lung, innovative Leichtbaukonzepte mit neuen oder verbesserten Füge-
technologien ohne Schnittstellen zu realisieren.
Immer höhere Anforderungen an die Fahrzeuge, wie Crash- und
Standfestigkeit, bessere Ausstattung oder optimierte Verbrauchswerte,
führen zu steigendem Fahrzeuggewicht. Die Entwicklung von Leichtbau-
konzepten steuert diesem Trend entgegen. Die dadurch erforderli-
chen Mischverbindungen bzw. nicht schweißbaren Werkstoffpaarun-
gen, wie Stahl mit Leichtmetallen und Kunststoffen, erfordern andere
als thermische Fügeverfahren (z.B. Punkt-, MIG-, Laserschweißen).
Kraft- und formschlüssige Fügetechniken (Stanznieten u.a.) kommen
zum Einsatz.
Inzwischen hat die Niettechnik im modernen Karosserie-Leichtbau
den Stellenwert des Punktschweißens im traditionellen Stahlkarosse-
riebau erreicht. Das Stanznieten mittels Bügelzangen ist heutzutage
Stand der Technik. Es lässt prozesssichere Verbindungen im Karosserie-
bau zu. Ein Stempel drückt den selbstschneidenden Niet ohne jegliche
Vorlochung in das Blechpaket | Bild 1 |, das zwischen Niederhalter
und Matrize mit definierter Niederhaltekraft eingespannt ist. Das durch
das Eindringen des Niets zu verdrängende Material fließt in die ringför-
mige Matrizenausnehmung unter gleichzeitigem Aufspreizen des Nietfu-
ßes | Bild 2 |. Es entsteht eine hochfeste, formschlüssige Verbindung
der Blechlagen | Bild 3 |. Die Stempel-Fügekräfte liegen für heute üb-
liche Stanzniete mit 3 und 5 mm Durchmesser zwischen 50 und 70 kN.
Diese Kräfte müssen vom Bügel aufgenommen werden.
Begrenzt ist diese Technologie vor allem durch den physikalischen
Zwang, dass ein stabiler Bügel, der diese Kräfte aufzunehmen hat,
den Einsatz schwerer Zangen erfordert. Insbesondere bei geometrisch
weit ausladenden Aufgaben entstehen dadurch voluminöse und somit
schwere Zangen, die bei üblichem Roboterhandling an die mechani-
schen Grenzen eines Standardroboters stoßen. Heute besteht die wirt-
schaftlich maximal mögliche Ausladung bei ca. 600 mm. Nur statisch
angebrachte Zangen mit ca. 800 mm bis max. 1000 mm Ausladung
können noch in der erforderlichen Steifigkeit gebaut werden | Bild 4 |.
Der Einsatz ist durch die physikalischen und kinematischen Randbe-
dingungen begrenzt, er erfordert unerwünschte Zusatzkosten und
Investitionen. So ist z.B. im Tunnelbereich eine fertigungstechnische
Verbindung eines Vorderwagens in Aluminium mit einem Bodenblech
aus Stahl mit einer Bügelnietzange ohne Hilfslösungen und Zusatz-
kosten nicht möglich. Des Weiteren müssen für mehrere hundert Nieten
andere, aufwendigere konstruktive Lösungen erarbeitet oder thermische
Verbindungstechniken eingesetzt werden, die kostenintensiver sind
und die Maßlichkeit des Rohbaus negativ beeinflussen.
| Impulsnieten in einer Multi-Tech Zelle Bild 1 | Ablauf des Nietprozesses Bild 2 | Nietverbindung mit aufgespreiztem Nietfuß
Bild 3 | Nietverbindungen an einem Flansch
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Impulsnieten im Karosseriebau | 3736 | Impulsnieten im Karosseriebau
Impulsnieten im Karosseriebau
Derartige Fügeprobleme traten auch im Rahmen von Entwicklung
und Produktion bei ThyssenKrupp Drauz zu Tage. Aufgrund dessen
wurde ein Nietkopf entwickelt, der die zuvor beschriebenen Grenzen
für robotergeführte Nieteinrichtungen aufhebt. Bei dem entwickelten
Gerät läuft der Fügeprozess nicht wie heute üblich in einem quasi
statischen Vorgang mit hydraulischer oder elektro-mechanischer
Krafterzeugung „langsam“ ab, sondern der Niet dringt im Millisekun-
denbereich in die Verbindungsstelle ein. Auftretende Reaktionskräfte
werden von der Vorrichtung dosiert abgefangen. Der Roboter verfährt
bei diesem Prozess lediglich ein leichtes Impulsnietgerät mit Nietzufüh-
rung | Bild 5 |. Die erforderlichen Matrizen für die zu setzenden Niete
befinden sich fest und steif angeordnet in der Vorrichtung, d.h. jeder
Nietpunkt hat seine eigene Matrize. Die automatische Zuführung der
Niete erfolgt mittels üblicher Sortierung und Vereinzelung.
Prozess Impulsnieten
Mit der Einführung des ThyssenKrupp Drauz-Impulsnietverfahrens
findet die Stanzniettechnik im modernen Karosseriebau ein erweitertes
Anwendungsfeld. Durch sein hochflexibles, umformendes Fügeverfah-
ren ohne Vorlochen und ohne C-Bügel wird es aufwendige Verfahren in
bisher für das Impulsnieten nicht zugänglichen Bereichen ersetzen. Das
deutlich geringere Gewicht des Impulsnietkopfes und das kleine
Bauvolumen lassen den Einsatz kleinerer Roboter | Bild 6 | zu, verkürzen
die Taktzeit und eröffnen weitere Einsparpotenziale. Laborergebnisse
lassen erwarten, dass die Zentriergenauigkeit vom Impulsnietkopf zur
Matrize durch Veränderung der Matrizenform aufgrund der hohen Niet-
Eindring-Geschwindigkeit und einem damit anderen Nietspreizverhal-
ten deutlich verbessert werden kann.
Im Serieneinsatz ist das Nietergebnis von vielen Parametern ab-
hängig, u.a. von:
dem zu verbindenden Werkstoff bzw. der Paarung,
den Blechstärken und den daraus resultierenden Nietlängen,
dem Nietdurchmesser abhängig von der Gesamtblechstärke.
Qualitätskriterien
Aufgrund des Umfangs der Untersuchungen (hohe Anzahl an mögli-
chen Kombinationen und aufwendige Metallographie) ist dieser Teil
der Forschungsarbeit zusätzlich durch das Fraunhofer Institut für
Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) unterstützt worden.
Folgende Prüfverfahren wurden dabei angewandt:
Mikroschliff und daraus erkenntliche Spreizgeometrie und
ggf. Rissbildung
Kopfzug und Scherzug.
Prozessüberwachung
Das Gerät ist für den Serieneinsatz mit allen wegeabhängigen Ab-
fragen ausgerüstet. Darüber hinaus ist ein piezoelektronischer Sen-
sor eingebaut, der den Fügeprozess im Millisekundenbereich mit
einem vorgegebenen Toleranzfenster vergleicht und überwacht. Die
Auswertung wird grafisch am Bildschirm dargestellt. Die Daten kön-
nen abgespeichert und dokumentiert werden.
Einsatzgebiete Impulsnieten
Für das Impulsnietverfahren erweisen sich folgende Einsatzgebiete
als sinnvoll:
Ausladungen ohne Einschränkungen,
geometrisch schlecht erreichbare Bereiche, z.B. Tunnel,
Stahl, Alu, Kunststoff, Magnesium in jedmöglicher Paarung,
2 Blech/3 Blech,
Blech/Guss/Strang,
Nietdurchmesser 3-5 mm.
Umsetzbarkeit der Technologie und praktische Nutzung
Aufgrund des hohen Innovationsgrades des Verfahrens wird das Im-
pulsnieten bei der Fertigung der Karosserie des Lamborghini Gallar-
do von ThyssenKrupp Drauz erstmalig in Serie eingesetzt | Bild 7 |.
Die Verbindung Bodenbleche mit Sitzquerträger (80 Niete) wird in
einer Multi-Tech Zelle (Zelle, in der mehrere Technologien Verwen-
dung finden) gefertigt.
Das Impulsnieten wird gemeinsam mit weiteren Anlagen und
ergänzenden Entwicklungsleistungen exklusiv durch ThyssenKrupp
Drauz angeboten bzw. eingesetzt.
Zusammenfassung und Ausblick
Mit dem Impulsnietverfahren von ThyssenKrupp Drauz erhält die
Fahrzeugkonstruktion die Möglichkeit, kostengünstig z.B. hybride
Fahrzeugkonzepte umzusetzen. Dies gilt insbesondere bei Alu-Vorder-
wagen, Stahl-Boden-Hinterwagen und Verbindungen im Tunnelbe-
reich. Somit sind Karosserie-Bereiche in der Mitte des Fahrzeuges
(z.B. Tunnelbereiche) erreichbar, um diese Teile, Halter etc. z.B. aus
Toleranzgründen erst zum Schluss zu fügen.
Die ThyssenKrupp Drauz Impulsniettechnologie unterstützt Mate-
rialmischbauweisen im Karosserieleichtbau unter Verwendung einer
kostengünstigen Fertigungsintegration des Werkstoffes Stahl. Zukünf-
tig wird ein harmonischer Leichtbau mit Materialmix leichter und vor
allem wirtschaftlicher herstellbar sein.
Bild 4 | Standardbügelnietzange
Bild 5 | ThyssenKrupp Drauz Impulsnietgerät
Bild 6 | Impulsnieten mit Roboter Bild 7 | Impulsnieten im Serieneinsatz
Größenvergleich
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Einleitung
Geringer Treibstoffverbrauch, Geräusch- und Emissionssenkung,
erhöhte Zuverlässigkeit und Gewichtsreduzierung sind einige der
Triebfedern für die neuen Entwicklungsprogramme für Lkw-Motoren.
Sowohl die Konstruktion als auch die Herstellung von Kurbelwellen
wurden von dieser Entwicklung stark beeinflusst. Eine besondere
Herausforderung waren die immer höher werdenden Anforderungen
an die Dauerfestigkeit. Durch eine angemessene Oberflächenbe-
handlung während der Bearbeitungsphase ist dieses Ziel heute
weitgehend erreicht. Im Lkw-Segment ist die Induktionshärtung die
am meisten eingesetzte Technik. Sie bietet nicht nur ein optimales
Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern sorgt auch für eine begrenzte
Umweltbeeinflussung.
Dennoch besteht bei vielen Aspekten des Induktionshärtungspro-
zesses Erklärungsbedarf. Was uns zunächst einmal fehlt sind „Augen“:
Zur Zeit stehen keine zuverlässigen nicht-destruktiven Testmethoden
zu Verfügung, um die erzielte Härte und Eigenspannungsverteilung zu
ermitteln. Folglich erfordert jede Prozessbewertung die Fertigung einer
Prototypenkleinserie sowie eine vollständige Serie von Biege- und
Torsions-Dauerbelastungsversuchen mit entsprechenden metallurgi-
schen Profilschnitten, was insgesamt ca. 3 Monate dauert. Dadurch
wird das Prozessdesign zu einer sehr kostspieligen und zeitaufwendi-
gen Aufgabe, bei der nur wenige Daten zur Verfügung stehen und die
Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen einen langwierigen Pro-
zess darstellt.
Der Einsatz von numerischer Simulation als Konstruktions- und
Optimierungswerkzeug ist in diesem Projekt ausgiebig untersucht
worden. Die gewonnenen Ergebnisse belegen, dass die Computer-
modellierung eine leistungsstarke Technik sein kann, um die entspre-
chenden physikalischen Phänomene zu verstehen und die Schwach-
stellen des Induktionshärtens aufzudecken und zu beheben.
Problemdarstellung
Die Induktionshärtung von Zapfen und Auskehlungen ist ein kritischer
Vorgang bei der Bearbeitung von Lkw-Kurbelwellen, der den Preis und
die Dauerfestigkeit (Biegung und Torsion) des Produkts entscheidend
beeinflusst. Die Induktionshärtung erfolgt in einem dreistufigen Pro-
zess (Erhitzen, Abschrecken und Anlassen), der verschiedene physikali-
sche Phänomene auf komplexe und komplizierte Weise kombiniert
| Bild 1 |. Zu den Hauptprozessparametern gehören Induktordesign,
Erhitzungsenergie, -frequenz und -dauer, Durchfluss und Konzen-
tration des Abschreckmittels sowie Anlasstemperatur und -dauer.
Die größte innovative Herausforderung in diesem Projekt bestand
darin, ein umfassendes Modell zu schaffen, das in einer komplexen
3-D-Geometrie | Bild 2 | alle gekoppelten zeit- und temperaturabhän-
gigen, elektromagnetischen, wärmeübertragungstechnischen, metal-
lurgischen und mechanischen Phänomene berücksichtigen konnte.
3-D-Simulation einer Induktionshärtung bei Lkw-Kurbelwellen | 3938 |
DIPL.-ING. XAVIER OLAGNE Leiter Process Engineering | ThyssenKrupp Mavilor, L’Horme/Frankreich
DR.-ING. PHILIPPE BRISTIEL Process Engineering | ThyssenKrupp Mavilor, L’Horme/Frankreich
| Moderne Lkw-Kurbelwelle
Bild 2 | Digitalisierte Darstellung einer Kurbelwellen-kröpfung und eines Induktors
Bild 1 | Induktionserhitzung eines Kurbelwellenhublagers
3-D-Simulation der Induktionshärtung bei Lkw-Kurbelwellen
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Industrielle Anwendungen
Daraufhin wurde das Modell erfolgreich bei mehreren industriellen
Anwendungen eingesetzt.
Kapazitäts- und Produktivitätssteigerung
Ziel dieser Studie war es, die Taktzeit durch Reduzierung von Engpässen
in Hauptfertigungsstraßen zu optimieren. Die Simulation des derzeiti-
gen Verfahrens hat ein unzulängliches Induktionsspulendesign gezeigt.
Dieses weist eine herkömmliche Form mit nebeneinanderliegenden
Zuführ- und Ausgangsröhren auf, die entgegenwirkende Magnetfelder
erzeugen, was wiederum zu einer entweder zu hohen oder zu niedrigen
Erhitzung führt.
3-D-Simulation einer Induktionshärtung bei Lkw-Kurbelwellen | 4140 | 3-D-Simulation einer Induktionshärtung bei Lkw-Kurbelwellen
Folgende Schlüsselprobleme mussten dafür in Angriff genommen
werden:
Theoretisch sollte ein einziges, universales und gekoppeltes Pro-
gramm in der Lage sein, dieses Problem zu lösen. Eine derartige
Software ist zurzeit jedoch noch nicht auf dem Markt. Diese würde
ohnehin die derzeitigen Rechenkapazitäten der leistungsstärksten
Arbeitsplatzrechner oder PCs übersteigen. Deshalb müssen meh-
rere vereinfachende Rechenhypothesen aufgestellt werden, ohne
dass dabei die Exaktheit der physikalischen Darstellung beein-
trächtigt wird.
Für die Prozesse der strukturellen Umwandlung und des Ab-
schreckens gibt es keine genaue mathematische Beschreibung.
Die bestehenden Modelle sind lediglich an experimentellen Daten
angelehnt und fordern daher spezifische Eichverfahren: Schnell-
tests mit dem Dilatometer für die metallurgischen Umwandlun-
gen und in-situ Temperaturmessungen für die Parameter der
Abschreckung.
Eine weitere Schwierigkeit besteht in dem Mangel an Daten über
die Materialeigenschaften für solche Schnelltests. Glücklicherweise
können in der Literatur vorhandene Informationen häufig extrapo-
liert werden (z.B. magnetische Eigenschaften der Stahlgüte), aber
in einigen Fällen mussten spezifische Tests entwickelt werden, um
die fehlenden Informationen zu gewinnen (z.B. Durchlässigkeit
magnetischer Bleche).
Angesichts dieser Schwierigkeiten und Einschränkungen wurde ein
schrittweiser Ansatz verfolgt, um die verschiedenen Annahmen zu be-
werten. Angefangen hat ThyssenKrupp Mavilor mit einer einfachen
bekannten 1-D-Geometrie (Zylinderstange), die seit langem erforscht
und dokumentiert ist. Damit lässt sich das Problem bezüglich des
Materialverhaltens lösen. Zur Einführung der Prozessgeometrie (Kurbel-
wellenkröpfung und Induktordesign) ist ThyssenKrupp Mavilor anschlie-
ßend zu einer 2-D-achsensymmetrischen Beschreibung übergegangen,
bevor das volle 3-D-Modell zur Simulierung spezifischer geometrischer
Eigenheiten (Öllöcher, asymmetrische Materialverteilung) eingesetzt
wurde. In jeder Phase wurden die Endergebnisse, d.h. theoretische
Vorausberechnungen in puncto Härte und Eigenspannungen, mit
Versuchsdaten verglichen, um eine adäquate Kalibrierung des Modells
sicherzustellen | Bild 3 |. Dank dieser Methode konnten die Haupt-
ursachen für Ungenauigkeiten beseitigt werden. Die gewonnenen
Ergebnisse | Bild 4 | können als realitätsgetreu eingestuft werden,
selbst wenn einige Zwischenparameter wie z.B. die Temperatur nicht
exakt richtig sind. Durch Hinzufügen der Betriebsbelastungen zu den
aus der Induktionshärtung resultierenden Eigenspannungen | Bild 5 |
konnte ein echter Motorbetrieb mit Kurbelwelle simuliert werden.
Bild 4 | Martensitphasen-Verteilung [%] nach Härtung des Hublagers
Bild 5 | Spannungsverteilung [MPa] in einem Hublagerquerschnitt
Bild 3 | Vergleich von Simulations- und Versuchsergebnissen in den Auskehlungen des Hublagers
Axialschnitt Querschnitt
Eigenspannungen nach Härten und Anlassen Eigenspannungen und Torsions-Betriebsbelastungen
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Die Simulation hat zur Entwicklung eines einfacheren Spulendesigns
mit ausgewogener Wärmeverteilung und zu einer gesteigerten elektro-
magnetischen Effizienz geführt. Die Erwärmungszeit konnte um 25 %
reduziert und eine zusätzliche kostspielige Investition vermieden
werden | Bild 6 |. In einem zweiten Schritt wurde die Blechwinkelori-
entierung in der Spule optimiert, um die Druckeigenspannungen im
kritischen Bereich der Auskehlungen des Hublagers zu erhöhen und
somit die Biegedauerfestigkeit zu verbessern.
Härte-Tiefenprofil Tiefenprofil der Axialbeanspruchungen
Schicht | Bild 7|. Nach der Optimierung konnten die maximalen Haupt-
zugbeanspruchungen um 15 % reduziert werden.
Im Anschluss an die Simulationsstudie wurde ein Prototypenlos mit
den gewünschten Einstellparametern induktionsgehärtet. Die so
gewonnenen Ergebnisse bezüglich der Dauerfestigkeit haben die Min-
destanforderungen um 19 % überschritten und die Zustimmung des
Kunden für eine Produktion erwirkt.
Schlussfolgerungen
Bei diesem Projekt wurde ein numerisches 3-D-Modell entwickelt, um
den gesamten Induktionshärtungsprozess bei Lkw-Kurbelwellen zu
simulieren. Von diesem innovativen Durchbruch sind einige entschei-
dende Vorteile zu erwarten. Dieses leistungsstarke Tool trägt konkret
zu folgenden Verbesserungen bei:
erhebliche Kostenreduzierung sowie Senkung der Vorlaufzeiten für
die Produktentwicklung und -abnahme,
besseres Verständnis und breiteres Fachwissen über das Verfahren
als Quelle für neue Verbesserungsideen; Verstärkung eines ganz-
heitlichen und interdisziplinären Ansatzes der Prozesse Stahlher-
stellung, Schmieden und maschinelle Bearbeitung durch Simulation,
Optimierung der Gesamt-Produktionskosten besonders im Hinblick
auf den Mehrwert des Produktes: Induktionshärtung ist die kosten-
günstigste Oberflächenbehandlung, die derzeit zur Verfügung steht
(investiertes Kapital und Kosten pro Teil, geringer Umwelteinfluss).
Die Ausweitung der technischen Leistungsmerkmale kann beispiels-
weise dazu beitragen, dass kein Bedarf mehr besteht an kosten-
intensiven Alternativen wie Nitrierung oder an der Verwendung
von durch Abschreckung und Härtung vergüteten Stahlqualitäten
im Gegensatz zu geschmiedeten mikrolegierten Stahlsorten.
Stärkung der Position von ThyssenKrupp Automotive gegenüber
den Wettbewerbern als unangefochtener Experte im Bereich
Produkt-/Prozessentwicklung.
Sicherung/Verbesserung der Marktposition von ThyssenKrupp
Automotive durch einen verbesserten Service; Schaffung von
Wettbewerbsvorteilen auf neuen Märkten.
3-D-Simulation einer Induktionshärtung bei Lkw-Kurbelwellen | 4342 | 3-D-Simulation einer Induktionshärtung bei Lkw-Kurbelwellen
Verbesserung der Materialeigenschaften
In der jüngsten Entwicklung der geschmiedeten mikrolegierten
Stahlsorten ist die Auswirkung der Induktionshärtung auf das Verhal-
ten des Stahls nicht hinreichend berücksichtigt worden. Mit Hilfe
der Induktionshärtungssimulation lässt sich ein interdisziplinärer
Ansatz entwickeln, der den Einfluss der Geschichte der Kurbelwelle in
den früheren Phasen der Stahlherstellung, des Schmiedens und der
maschinellen Bearbeitung beschreibt.
Die Zusammenarbeit aller an dem Projekt beteiligten Fachleute, die
sich hauptsächlich auf bisher unbekannte Aspekte ihres Fachgebiets
konzentrierte, brachte bedeutende Verbesserungsvorschläge hervor:
Optimierung der Kühlrate nach dem Schmieden, um somit eine
feinere metallurgische Struktur zu erzeugen; diese soll die nach-
folgende Austenitisierung während der Induktionserhitzung be-
günstigen und gleichzeitig die Festigkeitseigenschaften des
Schmiedestückes erhöhen.
Optimierung der chemischen Zusammensetzung des Stahls, um
die Karbidauflösung während des Erhitzens zu erleichtern, wie durch
Schnelltests mit dem Dilatometer gezeigt; die Senkung der erforder-
lichen Erwärmungstemperatur ist ebenfalls ein Hauptaspekt bei der
Kontrolle der Umformung und bei der Reduzierung der Rissgefahr.
Durch die Verwendung von Stahlsorten mit reduziertem Kohlen-
stoffgehalt kann auf das Anlassen verzichtet werden.
Bei der häufig eingesetzten C38 mod.-Stahlsorte führte eine
optimierte chemische Zusammensetzung des Materials nach der
Induktionshärtung zu einem sechsprozentigen Anstieg der Härtetiefe
und einer verbesserten martensitischen Struktur.
Verbesserung der Dauerfestigkeit
Im Rahmen einer kürzlich in Nordamerika durchgeführten Entwick-
lungsstudie zu einem 15 Liter-Schwerlastmotor zog der Kunde die Aus-
gliederung der Kurbelwellenbearbeitung an ThyssenKrupp Automotive
in Betracht. Die entsprechende Kurbelwelle wurde intern hergestellt
und einer speziellen Wärmebehandlung der Oberfläche unterzogen.
Dieses Verfahren sorgt erfahrungsgemäß für eine ausgezeichnete
Torsions-Dauerfestigkeit, jedoch zu erheblichen Zusatzkosten. Als
technische Alternative dazu schlug ThyssenKrupp Automotive die
Verwendung einer induktionsgehärteten Kurbelwelle vor. Da Zweifel
bestanden, ob die Eigenschaften bezüglich einer hohen Torsions-
Dauerfestigkeit tatsächlich erreicht werden konnten, entschied man
sich für die Simulation als Optimierungswerkzeug.
Basierend auf der so genannten Design-of-Experiments Methode
von Taguchi, wurde in dieser Studie der Einfluss mehrerer Haupt-
verfahrensparameter auf die auferlegte Rest- und Torsions-Spannungs-
verteilung untersucht. Die kritischen Zugzonen lagen, wie erwartet,
auf der Oberfläche der Öllöcher unterhalb der induktionsgehärteten
Bild 6| Temperaturverlauf im Hublagerradius
Bild 7 | Kritische Zugbereiche [MPa] für Torsions-Dauerbelastungen
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Ursprüngliches Verfahren Verbessertes Verfahren
Einleitung
Aufzüge übernehmen in Hochhäusern den gesamten Personen- und
Lastentransport in die einzelnen Etagen. Hochhäuser sind deshalb ohne
Aufzüge nicht wirtschaftlich nutzbar. Die Aufzugsschächte bilden in den
meisten Fällen zugleich auch den tragenden und aussteifenden Ge-
bäudekern und sind somit Bestandteil der Gebäudestruktur selbst. So
verwundert es auch nicht, dass die Entwicklung im Hochhausbau eng
mit der Entwicklung im Aufzugsbau verknüpft war und ist.
Mit zunehmender Gebäudehöhe steigt die Transportleistung, die
die Aufzugsanlage eines Gebäudes zu erbringen hat, überproportional
an. So müssen immer mehr Personen und Lasten in immer größere
Höhen und in immer mehr Stockwerke transportiert werden. Da die
im Gebäude zur Verfügung stehende Grundfläche jedoch begrenzt ist,
begegnen die Aufzugshersteller und –planer dieser Anforderung mit
Maßnahmen, die die Förderleistung der einzelnen Aufzüge und der
gesamten Aufzugsgruppe erhöhen und damit die Anzahl der erforder-
lichen Aufzugsschächte minimieren sollen. Beispiele hierfür sind höhere
Fördergeschwindigkeiten, kürzere Türöffnungszeiten, ausgeklügelte
Steuerungssysteme und unterschiedliche Verkehrskonzepte.
Alle Maßnahmen stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn die Akzeptanz
durch den Benutzer nicht mehr gegeben ist. Dies kann durch Unwohl-
sein bei hohen Beschleunigungen oder schnellen Türbewegungen,
durch lange Verweilzeiten in der Kabine, aber auch durch eine kompli-
zierte Benutzung der Aufzugsanlage mit ein- oder mehrmaligem Um-
steigen gegeben sein.
Trotz der vielfältigen Maßnahmen führt dies bei hohen Gebäuden
häufig dazu, dass ein beachtlicher Teil der Gebäudegrundfläche durch
Aufzugsschächte eingenommen wird. Je höher die Gebäude sind, desto
ausgeprägter ist dieser Sachverhalt. Dies wiederum stellt seit Beginn
des Hochhausbaus ein Grundsatzproblem bei der wirtschaftlichen
Nutzung von Hochhäusern dar.
Das Aufzugssystem TWIN
Die Grundidee
Unabhängig von allen genannten Optimierungsmaßnahmen ist es vor
allem bei Aufzügen in Hochhäusern Tatsache, dass der größte Teil
des Aufzugsschachtes ungenutzt ist, während die Aufzugskabine im
anderen Teil des Schachtes ihre Zielrufe abarbeitet. Daraus läßt sich
ableiten, dass eine weitere signifikante Leistungssteigerung der Auf-
zugsanlage eines Gebäudes möglich wird, wenn pro Schacht mehrere
Kabinen übereinander und unabhängig voneinander betrieben werden.
Eine Recherche in der Patentliteratur zeigt, dass dieser Gedanke sehr
alt ist. So wurden bereits in den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts
viele Patente über den Betrieb von mehreren Kabinen in einer gemein-
samen Fahrbahn angemeldet. Diese beinhalten sehr unterschiedliche
Wirkprinzipien, Anordnungen, Sicherheitseinrichtungen usw.
Trotz der vielen Ideen wird in der Aufzugsliteratur nur eine Aufzugs-
anlage erwähnt, in der zwei, sich unabhängig voneinander bewegende
Kabinen in einer gemeinsamen Fahrbahn (an gemeinsamen Führungs-
schienen) betrieben werden. Die Anlage wurde 1931 in Pittsburgh in
ein Gebäude mit 20 Etagen eingebaut. Aufgrund des mit den damaligen
Mitteln realisierbaren, den Betrieb jedoch sehr einschränkenden
Sicherheitskonzepts und dem Fehlen von modernen Steuerungs- und
Verkehrskonzepten war der Anlage kein Erfolg beschert.
Aus der Patentliteratur geht auch hervor, dass die Idee immer wieder
aufgegriffen wurde. 70 Jahre später gelang es dem Unternehmen
ThyssenKrupp Aufzugswerke mit TWIN das erste leistungsfähige Auf-
zugssystem zu realisieren, bei dem zwei Kabinen weitgehend unab-
hängig voneinander in einer gemeinsamen Fahrbahn betrieben werden.
Aufbau und Funktionsweise
Eine TWIN-Anlage besteht im Grundsatz aus zwei Aufzügen, die im Bau-
raum eines traditionellen Aufzugsschachtes installiert sind. | Bild 1 | ver-
TWIN – Die neue Generation eines Aufzuges | 4544 |
TWIN – Die neue Generation eines Aufzuges
DR.-ING. GÜNTER REUTER Leiter Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) MANFRED DULLEN Entwicklung Elektronik | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. WOLFGANG MEIßNER Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) WALTER NÜBLING Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) HELMUT SCHLECKER Vorentwicklung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. STEFAN SCHNEIDER Entwicklung Elektronik | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
DIPL.-ING. (FH) GERHARD THUMM Geschäftsführung | ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH, Neuhausen
| TWIN: Zwei Kabinen in einem Aufzugsschacht
Bild 1 | Prinzip der Anordnung und Aufhängung
Antrieb der unteren Kabine
Antrieb der oberen Kabine
obere Kabine
untere Kabine
Gegengewichtobere Kabine
Gegengewichtuntere Kabine
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
der Aufzugsanlage positioniert sind | Bild 5 |. Diese moderne Art der
Aufzugssteuerung setzt sich auch immer mehr für traditionelle Aufzugs-
systeme in Gebäuden, bei denen mehrere Aufzüge zu einer Gruppe
zusammengefasst sind, durch. Der Vorteil besteht vor allem darin,
dass die Aufzugsanlage bereits vor dem Betreten der Kabine das
Fahrtziel jedes Benutzers kennt und die Zuweisung der Kabinen damit
optimaler gestalten kann. Bei TWIN können damit auch Fahrbewe-
gungen der beiden Kabinen vermieden werden, die die Bewegungs-
freiheit der jeweils anderen Kabine einschränken (z.B. die untere Kabine
erhält einen Fahrauftrag, dessen Ziel oberhalb der Position der oberen
Kabine liegt). In der Regel wird die Fahrzeit für den Benutzer kürzer und
er erreicht sein Fahrtziel mit weniger Stopps.
Mit TWIN lassen sich in hohen Gebäuden vollkommen neue Ver-
kehrskonzepte realisieren, die auf die gebäudespezifischen Anforde-
rungen und auf die unterschiedlichen Verkehrsströme z.B. während
eines Tages flexibler reagieren als traditionelle Aufzugssysteme.
Bei der Planung von neuen Gebäuden wird die zu erbringende
Förderleistung durch die geplante Gebäudebelegung und den zu er-
wartenden Benutzerverkehr im Gebäude vorgegeben. Ziel wird es meist
sein, die zu erbringende Förderleistung in einem möglichst geringen
Bauraum im Gebäude, d.h. mit einer minimalen Anzahl von Aufzugs-
schächten zu erbringen. TWIN zeigt hierbei bereits bei Förderhöhen
ab ca. 50 m deutliche Vorteile gegenüber traditionellen Aufzugssyste-
men. In | Bild 6 | ist der Vergleich einer traditionellen Aufzugsgruppe
mit vier Aufzügen in vier Schächten (linke Grafik) mit einer Aufzugs-
gruppe mit TWIN mit fünf Aufzügen in drei Schächten (rechte Grafik)
beispielhaft dargestellt. Bei gleicher Förderleistung kann ein Aufzugs-
schacht entfallen oder als zusätzliche Nutzfläche vermietet werden.
In bestehenden Gebäuden ändert sich die Gebäudebelegung im
Laufe der Zeit. In vielen Fällen erhöht sich die von der Aufzugsanlage
zu erbringende Förderleistung deutlich. Da es meist nicht möglich ist,
weitere Aufzugsschächte zu installieren, stoßen Optimierungsmaßnah-
men mit traditionellen Aufzugssystemen schnell an ihre Grenzen. Mit
TWIN besteht die Möglichkeit, in eine gleichbleibende Anzahl von
Aufzugsschächten mehr Aufzüge zu installieren und dadurch die Förder-
leistung zu erhöhen. Legt man die in | Bild 6 | dargestellte Aufzugs-
gruppe mit vier Aufzügen in vier Schächten zugrunde, so ließen sich
darin ein Einzelaufzug und drei TWIN-Anlagen installieren. Damit erhöht
sich die Anzahl der Aufzüge von vier auf sieben. TWIN eignet sich
deshalb zur Steigerung der Förderleistung in bestehenden Gebäu-
den auch dann, wenn dies trotz Optimierungsmaßnahmen mit tradi-
tionellen Aufzügen nicht mehr möglich ist.
Ausblick
Mit dem Aufzugssystem TWIN hat ThyssenKrupp Aufzugswerke als
erster und bislang einziger Hersteller ein leistungsfähiges Aufzugssys-
tem auf den Markt gebracht, bei dem zwei Kabinen unabhängig
voneinander übereinander in einer gemeinsamen Fahrbahn betrieben
werden. Das System wurde im März 2003 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die bisherige Resonanz aus Besuchen an der Pilotanlage, Publikationen
und Präsentationen ist groß und durchweg positiv. Nach der Pilotanlage
an der Universität Stuttgart wird die nächste TWIN-Anlage in der
Zentrale der ThyssenKrupp AG im Dreischeibenhaus in Düsseldorf
installiert. Die Anlage soll im Spätherbst 2003 betriebsbereit sein.
Obwohl es sich bei TWIN um eine Weltneuheit mit Alleinstellungs-
charakter handelt, die zudem erst seit kurzem publiziert ist, münden
bereits jetzt Besuche von Investoren, Consultants und Aufzugsplanern
in konkrete Projektierungsanfragen und Angebote - eine Aussicht, die
hoffen lässt.
Das in diesem Artikel vorgestellte neue Aufzugssystem der
ThyssenKrupp Aufzugswerke wurde mit dem 1. Preis des ThyssenKrupp
Innovationswettbewerbs 2003 ausgezeichnet.
TWIN – Die neue Generation eines Aufzuges | 4746 | TWIN – Die neue Generation eines Aufzuges
deutlicht das Prinzip des TWIN. Jeder Aufzug enthält die üblichen Kom-
ponenten:
Kabine mit Fangrahmen | siehe Titelbild Bericht |,
Treibscheibenantrieb | Bild 2 |,
Steuerung,
Gegengewicht | Bild 3 | und
Sicherheitseinrichtungen | Bild 4 |.
Das Besondere an TWIN ist, dass die beiden Kabinen weitgehend
unabhängig voneinander übereinander entlang der gleichen Führungs-
schienen betrieben werden. Daraus ergibt sich, dass die Kabinen auch
aufeinander zu fahren können.
Zentraler Punkt der Akzeptanz eines solchen Aufzugssystems ist es,
sicherzustellen, dass die Kabinen immer einen Mindestabstand zu-
einander einhalten, d.h. niemals miteinander kollidieren können. Bei
TWIN wird dies über ein vierstufiges Sicherheitskonzept sicherge-
stellt. Alle vier Stufen beruhen auf unterschiedlichen Wirkprinzipien.
Sie aktivieren sich selbstständig und zwangsweise, sobald die Akti-
vierung der vorgelagerten Stufe nicht zu einem sofortigen Stillstand
beider Kabinen geführt hat. Jede Stufe ist so ausgelegt, dass sie beide
Kabinen auch unter den ungünstigsten Beladungs- und Betriebszustän-
den bis zum Stillstand verzögert, bevor die nächste Stufe erreicht wird.
Im Rahmen der Durchführung einer Gefahrenanalyse wurde das
Aufzugssystem TWIN auf mögliche Risiken untersucht, erforderliche
Maßnahmen wurden definiert und umgesetzt.
Die Prototypenanlage
Die erste TWIN-Anlage wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 2002
in ein Gebäude der Universität Stuttgart eingebaut. In dem öffentlich
zugänglichen Gebäude sind auf 11 Etagen mehrere Institute der
Fakultät Architektur, sowie die für den Forschungs-, Lehr- und Semi-
narbetrieb erforderlichen Hörsäle, Seminar- und Werkräume unterge-
bracht. In dem in den 60-er Jahren für ca. 800 Personen geplanten
Gebäude verkehren heute täglich ca. 2.000 Studenten und Univer-
sitätsangestellte. In die ursprüngliche Gruppe aus 6 Aufzügen wurde
in einen Schacht eine TWIN-Anlage eingebaut und die Anlage damit
auf 7 Aufzüge in 6 Schächten erweitert. Die beiden Aufzüge der
TWIN-Anlage haben eine Nutzlast von jeweils 1.000 kg (13 Personen)
und eine Fördergeschwindigkeit von jeweils 2 m/s. Die Förderhöhe
beträgt ca. 40 m.
Die TWIN-Anlage wurde im Dezember 2002 vom TÜV eingehend
geprüft und ohne Einschränkung abgenommen. Seit Januar 2003
läuft die Anlage im Normalbetrieb.
Leistungsfähigkeit des Aufzugssystems TWIN
Aufzugsanlagen mit TWIN werden in der Regel mit traditionellen
Aufzügen (Aufzüge mit einer Kabine pro Schacht) kombiniert. Damit
wird ermöglicht, dass auch Rufe von der untersten in die oberste
Haltestelle direkt und ohne Umsteigen bedient werden können.
Von besonderem Vorteil ist es, wenn das Gebäude zwei Haupt-
zugangsebenen hat (z.B. Erdgeschoß und Tiefgarage oder U-Bahn,
auf die sich die morgendlichen und abendlichen Verkehrsströme
aufteilen. Bei dieser Konstellation können beide Kabinen eines TWIN
simultan befüllt werden.
Im Gegensatz zu den meisten traditionellen Aufzugsanlagen teilt
der Benutzer sein Fahrtziel einer Aufzugsanlage mit TWIN bereits
vor dem Betreten der Kabine mit und erhält dann einen für ihn opti-
malen Aufzug zugewiesen. Dies erfolgt an sogenannten Zielwahlter-
minals, die in jeder Haltestelle im Bereich der Schachttüren bzw. vor
Bild 6 | Gegenüberstellung: Traditionelle Aufzugsgruppe mit vier Aufzügen in vier Schächten (links) und TWIN-Anlage mit fünf Aufzügen in drei Schächten (rechts)
Bild 2 | Beide TWIN-Antriebe im Maschinenraum Bild 3 | Obere Kabine und beide Gegenge-wichte von der unteren Kabine aus gesehen
Bild 4 | Beide Gegengewichtsfahrbahnen und die Schachtgrube mit Sicherheitseinrichtung
Bild 5 | Zielwahlterminal zur Eingabe des Fahrtzieles
Traditionelle Aufzugsgruppe TWIN Aufzugsgruppen
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
ISIS: vielseitig einsetzbarer Aufzug ohne Maschinenraum
48 |
Einleitung
Obwohl weltweit hauptsächlich Seilaufzüge zum Einsatz kommen,
beherrschen hydraulische Aufzüge den nordamerikanischen Markt.
Die Anzahl von Gebäuden mit niedriger Bauhöhe ist im Verhältnis zu
Gebäuden mit hoher Bauhöhe weitaus höher. Für einen Markt, in dem
niedrige Gebäude vorherrschen, ist es nicht verwunderlich, dass an-
gesichts der geringen Kosten (geringe Anschaffungs-, Betriebs- und
Wartungskosten) 85 % der Aufzüge Nordamerikas hydraulisch und
nicht mittels technisch ausgefeilterem Seilaufzug angetrieben werden.
Trotz der zahlreichen Vorteile, über die der hydraulische Aufzug ver-
fügt, weist er auch einige Schwachstellen auf. Das Hydraulikmodell
ist weder umweltfreundlich, da eine ständige Gefahr von Ölkontami-
nierungen besteht, noch arbeitet es energiesparend. Dies hat die
TRIaD Group von ThyssenKrupp Elevator dazu veranlasst, einen neu-
en Aufzug zu entwickeln, der ohne Maschinenraum auskommt, um
damit den Nachteilen des hydraulischen Aufzugs entgegenzuwirken
und gleichzeitig seine Stärken zu nutzen. Dieser Aufzug ohne Maschi-
nenraum ist gegenüber hydraulischen Aufzügen kostengünstiger, er
bietet mehr nutzbare Fläche, indem die für die Aufzugsanlage not-
wendige Fläche reduziert wird. Darüber hinaus benötigt er lediglich
1/3 des Energiebedarfes von hydraulischen Aufzügen und verfügt
über eine innovative Aufhängung, die die Fahrqualität des Aufzugs-
systems verbessert.
Systementwicklung
Der Aufzug
Die TRIaD Group hatte sich der Herausforderung gestellt, einen Auf-
zug ohne Maschinenraum zu entwickeln, der in seinem Marktsegment
ebenso führend werden könnte wie seit 30 Jahren der konventionelle
hydraulische Aufzug in seinem Bereich. ISIS wurde auf einer globalen
Plattform entwickelt, zeichnet sich durch eine niedrige Preisstruktur
aus und soll weltweit zum Einsatz kommen. Hauptmerkmale sind ein
maschinenraumloses Design, eine Aufhängung aus Kunststoff, kon-
taktfreie magnetische Schalter sowie Wände und Decken mit Waben-
struktur, die dem Aufzug sein geringes Gewicht verleihen | Bilder 1,
2 und 3 |.
ISIS: vielseitig einsetzbarer Aufzug ohne Maschinenraum | 49
RORY SMITH BS Vice President, Product Planning | ThyssenKrupp Elevator, El Cajon/USA
ELIZABETH PERRY BS, IMBA Market Research | ThyssenKrupp Elevator, El Cajon/USA
Bild 1 | Innenraum ISIS Bild 2 | Tür mit Wabenstruktur Bild 3 | Gestell des ISIS| ISIS-Design
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
ISIS: vielseitig einsetzbarer Aufzug ohne Maschinenraum | 5150 | ISIS: vielseitig einsetzbarer Aufzug ohne Maschinenraum
Die Fahrhöhe des ISIS beträgt bis zu 24 Meter, die Tragfähigkeit bis
zu 1150 Kilogramm und die Geschwindigkeit 1 Meter pro Sekunde.
Durch den Einbau der Antriebsmaschine am Boden der Schienen-
struktur kann auf einen separaten Maschinenraum verzichtet werden.
Da sämtliche Lastkörper des Aufzugs am Boden des Schachtes ein-
gebaut sind, kann der ISIS in bestehende Gebäude installiert werden,
ohne dass die Baustruktur des Gebäudes maßgeblich verändert
werden muss. Das Antriebssystem verfügt über einen Spannungs-/
Frequenzantrieb mit geschlossenem Kreis, wodurch ein geglättetes
Geschwindigkeitsprofil bis zur Höchstgeschwindigkeit erreicht wird.
Das neue System der Aufhängung
Die in das System von ISIS integrierte neue Aufhängung ist ein Bei-
spiel für eine Technologie mit optimiertem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Seile aus Aramidfasern ersetzen herkömmliche Stahlseile, die derzeit
in Seilaufzügen eingesetzt werden. Durch die Verwendung kleinerer
Riemenscheiben | Bilder 4a, 4b und 5 | bieten diese synthetischen
Seile mehr Flexibilität, was zu erheblichen Kosteneinsparungen beim
Einbau des Aufzugs führt. Außerdem halten sie der doppelten Last
wie Stahlseile mit vergleichbarem Durchmesser stand, die Lebensdauer
von synthetischen Seilen ist dreimal so hoch. Die Elastizität von syn-
thetischen Seilen ist nur halb so groß wie bei Stahlseilen, was dazu
führt, dass Höhenschwankungen der Fahrstuhlkabine beim Ein- und
Austreten der Passagiere reduziert werden. Darüber hinaus führt der
Einsatz dieser Seile zu einer Verkleinerung der Aufzugsanlage.
Scheiben aus technischem Verbundstoff, die bei synthetischen Seilen
zum Einsatz kommen, ersetzen herkömmliche Stahlscheiben | Bild 6 |.
Der Transport zum Maschinenraum am oberen Ende des Aufzugs-
schachtes wird durch den Einsatz der erheblich leichteren Kunststoff-
scheiben vereinfacht. Ein weiterer Vorteil besteht in der Lärmminde-
rung, da diese Seile weniger Geräusche von der Maschine zur Kabine
übertragen. Aufgrund der Gewichtsvorteile wird der Einbau des Auf-
zugs erleichtert und Wartungs- und Modernisierungsprozesse werden
beschleunigt. Mit ISIS erhält die erste Aufhängung, die ohne Stahl
auskommt, Einzug in den nordamerikanischen Markt.
Bild 4a | Treibscheibe des ISIS (Frontansicht) Bild 4b | Treibscheibe des ISIS (Seitenansicht)
Bild 6 | Herkömmliche Scheibe im Vergleich zur wesentlich kleineren Scheibe des ISIS aus technischem Verbundstoff
Bild 5 | Montage der Scheibe
Ausblick
Mit der Einführung des ISIS wird ThyssenKrupp Elevator nicht nur in
der Lage sein, Marktanteile in Nordamerika zu gewinnen, sondern
auch den Ansprüchen des weltweiten Aufzugsmarktes gerecht zu
werden. Aufgrund staatlicher Vorschriften zur behindertengerechten
Baugestaltung gibt es einen rasch wachsenden Markt für Aufzüge in
Gebäuden mit niedriger Bauhöhe. Für diese Wachstumsmärkte ist
der ISIS-Aufzug die richtige Lösung.
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Einleitung
Seit über 100 Jahren streben Experten des Personentransports die
Entwicklung eines Hochleistungsprodukts an, das den Anforderungen
von Strecken zwischen 150 und 1000 Metern entspricht. Dabei werden
traditionell zwei unterschiedliche Systeme benutzt: Kabinen-A.P.M.-
Systeme (Automatic People Mover), die jedoch mit hohen Einbaukosten
verbunden sind und nur über begrenzte Transportkapazitäten verfügen,
oder konventionelle Personenfahrsteige, die für Strecken dieser
Größenordnung zu langsam sind. Das Zurücklegen einer Strecke von
1000 Metern würde beispielsweise 25 Minuten in Anspruch nehmen,
viel länger also als zu Fuß.
Vor vier Jahren hat ThyssenKrupp Norte mit der Entwicklung eines
Fahrsteigs mit Tempo-Dynamik begonnen. Als Ausgangspunkt für die
Entwicklung stellte man sich folgende Frage: Ist es möglich, ein
kontinuierlich laufendes Personen-Transportsystem zu entwickeln,
das mit hoher Geschwindigkeit Strecken zurücklegen kann und gleich-
zeitig mit einer niedrigeren Geschwindigkeitsstufe im Ein- und Aus-
trittsbereich fährt? ThyssenKrupp Norte hat einen Fahrsteig entwickelt,
der im mittleren Abschnitt eine Höchstgeschwindigkeit von 2 m/s
erreicht, während im Ein- und Austrittsbereich eine Geschwindigkeit
von 0,65 m/s gehalten wird. Diese Geschwindigkeit entspricht der
konventioneller Fahrsteige. Die Gehgeschwindigkeit eines Menschen
beträgt durchschnittlich 4 km/h. Der Fahrsteig mit Tempo-Dynamik
ist in der Lage, diese Geschwindigkeit auf 7 km/h zu bringen und
damit nahezu zu verdoppeln. Rechnet man die Geschwindigkeit hinzu,
mit der eine Person auf dem Fahrsteig geht, so erreicht man eine
Gesamtgeschwindigkeit von 11 km/h.
Auf dem Gebiet der Fahrsteige ist dieses Produkt eine bahnbre-
chende Innovation. Darüber hinaus wurden aber auch zahlreiche
Teilinnovationen erzielt. Die bedeutendsten Innovationen sind die
Beschleunigungskette, die überlappenden Paletten sowie der Hand-
lauf, der sich verschiedenen Geschwindigkeitsstufen anpasst. Dieses
neue Produkt wird es z.B. Reisenden in Flughäfen, Untergrundbahnen
und Bahnhöfen ermöglichen, in relativ kurzer Zeit große Strecken
zwischen Terminals oder Bahnsteigen zurückzulegen. Das vertraute
Bild von Flugpassagieren, die völlig außer Atem und ihr Gepäck
hinter sich her schleppend von Terminal zu Terminal hetzen, um
ihren Flug zu erwischen, wird bald der Vergangenheit angehören.
Hintergrundinformationen
Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde darüber nachgedacht,
ein Transportsystem mit variabler Geschwindigkeit zu konstruieren.
Der erste Prototyp eines Fahrsteiges mit Tempo-Dynamik wurde auf
der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 vorgestellt. Er bestand aus
zwei Förderbändern, die parallel und mit unterschiedlichen Geschwin-
digkeiten liefen. Durch Betreten des entsprechenden Bandes wählte
der Benutzer die gewünschte Laufgeschwindigkeit.
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten mehrere
Unternehmen verschiedene Konzepte, um das komplizierte Problem der
Tempo-Dynamik zu lösen. Von all diesen Versuchen ist einer besonders
hervorzuheben: der von Mitsubishi entwickelte Fahrsteig mit Tempo-
Dynamik, der auf einem Original-DUNLOP-Patent aus den sechziger
Jahren basiert. Aufgrund der Probleme beim Einbau der gewählten
Lösung konnte mit diesem Produkt jedoch kein Erfolg erzielt werden.
In Zusammenarbeit mit R.A.T.P. (Réseau pour l'abolition des
transports payants) stellte das französische Unternehmen C.N.I.M.
(Constructions Industrielles de la Méditerranée) einen Fahrsteig zur
Verfügung, der in der Pariser Bahnstation Montparnasse von der
Öffentlichkeit getestet wird. Aufgrund von Sicherheitsproblemen, die die
eingesetzte Lösung aufweist, sind die bisher vorliegenden Ergebnisse
jedoch nicht viel versprechend.
Der Fahrsteig mit Tempo-Dynamik
Die im Fahrsteig mit Tempo-Dynamik verwendete Technologie ist
äußerst komplex. Eine Reihe von Innovationen war notwendig, um
dieses Produkt zu entwickeln:
Zunächst einmal musste man sich für ein geeignetes Personen-
Transportsystem entscheiden. Ein für den Personentransport inakzepta-
bles Problem musste zunächst gelöst werden: Wird bei herkömmlichen
Fahrsteigen die Geschwindigkeit verändert, entstehen Lücken zwi-
schen den Paletten. Um diese Lücken zu schließen, stehen mehrere
Alternativen zur Verfügung. Viele von ihnen wurden bereits von anderen
Unternehmen getestet. ThyssenKrupp Norte hat sich aus mehreren
Gründen für ein System mit klappbaren überlappenden Paletten
entschieden:
Im Hinblick auf Aussehen und Verwendung unterscheidet sich dieser
Fahrsteig nur wenig vom herkömmlichen Fahrsteig.
Die Sicherheitsvorrichtungen eines herkömmlichen Fahrsteigs las-
sen sich problemlos einsetzen.
Die Oberfläche des Fahrsteigs ist während eines Großteils der
Strecke vollständig flach.
Darüber hinaus entspricht der Raumbedarf für den Einbau
dieser Lösung in etwa dem Raumbedarf eines herkömmlichen
Fahrsteigs.
Fahrsteig mit Tempo-Dynamik | 53
Fahrsteig mit Tempo-Dynamik
52 |
DIPL. ING. MIGUEL ANGEL GONZÁLEZ ALEMANY Technischer Leiter | ThyssenKrupp Norte S.A., Mieres/Spanien
DIPL. ING. MANUEL ALONSO CUELLO Leiter für mechanische Entwicklung (FuE) | ThyssenKrupp Norte S.A., Mieres/Spanien
| Fahrsteig mit Tempo-Dynamik bei ThyssenKrupp Norte in Mieres, Spanien
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
schiedliche Methoden zur Verfügung, um einen Handlauf für ver-
schiedene Geschwindigkeitsstufen zu konstruieren. Bei der ersten
Methode kommt eine Reihe von Handläufen mit konstanter Geschwin-
digkeit zum Einsatz, die aber jeweils auf unterschiedlicher Geschwin-
digkeitsstufe laufen. Diese Alternative ist zwar wirtschaftlich attraktiv,
weist jedoch einige Mängel in puncto Sicherheit auf. Die zweite Alter-
native sieht die Verwendung eines verlängerbaren Materials vor, das
sich zu jeder Zeit an die Geschwindigkeit des Fahrsteigs anpasst.
Aufgrund der technischen Probleme, die diese Lösung mit sich bringt,
ist eine praktische Umsetzung jedoch gegenwärtig nicht realisierbar.
Die dritte Alternative besteht in der Verwendung eines Handlaufs
bestehend aus mehreren Einzelgriffen, die mit derselben Geschwin-
digkeit laufen wie die angrenzenden Paletten. Für diese Lösung hat
sich ThyssenKrupp Norte entschieden.
Das Antriebssystem für den variablen Geschwindigkeits-Handlauf
besteht aus einer Reihe von Ketten, die sich unterschiedlichen Ge-
schwindigkeitsstufen anpassen. Im Beschleunigungsbereich steigt
die Bewegungsgeschwindigkeit allmählich an, während sie in der Ab-
bremszone reduziert wird. Der Einzelgriff bewegt sich von einer Kette zur
nächsten und erhöht bzw. reduziert somit die Geschwindigkeit. | Bild 5 |
zeigt einen Handlauf für verschiedene Geschwindigkeitsstufen.
Darüber hinaus musste ein neues Antriebssystem konstruiert werden,
das sich aus folgenden Gründen vom Antrieb der Paletten für den
Personentransport unterscheidet:
um Kosten einzusparen: Das neue System ist aufgrund der ver-
wendeten Ketten wirtschaftlicher als der Antrieb für herkömmliche
Paletten. Für den Handlauf werden Standardketten verwendet,
während die für die Paletten verwendeten sehr speziell und kom-
plex sind.
um den Platzbedarf zu reduzieren, der für den Einbau notwendig ist.
Die Verwendung des kleineren Antriebs für den Handlauf ermög-
licht den Einsatz moderner Glasbalustraden, die dem aktuellen
optischen Trend entsprechen.
Fazit
Der Fahrsteig mit Tempo-Dynamik wurde von einem interdisziplinären
Team der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei ThyssenKrupp
Norte entwickelt. Experten und Spezialisten von der Oviedo Univer-
sität und der I.T.M.A. (Instituto Tecnológico de Materiales) Stiftung wa-
ren ebenfalls an der Entwicklung beteiligt.
Der erste 80 m lange Prototyp durchläuft derzeit eine Testphase in
der spanischen Fabrik von ThyssenKrupp Norte. Fabrikbesichtigungen
wurden organisiert, um herauszufinden, wie Verbraucher auf dieses
neue Produkt reagieren. Die bisher gewonnenen Ergebnisse sind
durchgehend zufrieden stellend. Gleichzeitig wird an weiteren Verbes-
serungsmaßnahmen für die derzeit eingesetzten Antriebssysteme der
Paletten und des Handlaufs gearbeitet, um Kosten zu senken. Darüber
hinaus wurden erste Kontakte zu mehreren Kunden geknüpft, um mit
ihnen den Einbau der ersten Vorserieneinheit zu diskutieren. Erwar-
tungen zufolge wird die erste Einheit im Laufe des Jahres 2004 zum
Einsatz kommen.
Die Entwicklung dieses High-Tech-Produktes hat ThyssenKrupp Norte
nicht nur an die Spitze der Personen-Transportsystementwicklung beför-
dert, sondern auch für eine breite Anerkennung ihrer Qualitätsprodukte
unter den Kunden gesorgt. Das Projekt wurde 2002 mit dem in Asturias
verliehenen Geschäftsinnovationspreis von IDEPA (Instituto de Desarrollo
Económico del Principado de Asturias) ausgezeichnet.
Fahrsteig mit Tempo-Dynamik | 5554 | Fahrsteig mit Tempo-Dynamik
Die Paletten bestehen aus zwei unterschiedlichen Teilen, die durch ein
Gelenk verbunden sind. Durch dieses Gelenk kann ein Teil in Relation
zum anderen rotieren. | Bild 1 | zeigt die Detailansicht einer Palette.
Die Vorderseite der Palette ist auf vier Führungsrollen gestützt, wäh-
rend der hintere Teil durch das bereits erwähnte Gelenk mit dem vor-
deren Teil verbunden ist. Der hintere Teil ist wiederum auf die Vor-
derseite der nächstfolgenden Palette gestützt.
Durch die Bewegung der Führungen kann eine Palette unter eine
andere gleiten, so dass der Benutzer in der Niedriggeschwindigkeits-
zone nur den hinteren Teil der Paletten zu sehen bekommt. Wird der
Fahrsteig beschleunigt, trennen sich die Paletten voneinander und die
Lücke wird durch den vorderen Teil der Palette geschlossen. | Bild 2 |
zeigt die Position der Paletten in der Beschleunigungszone und im
mittleren Bereich.
Um die höchstmögliche Sicherheit des Benutzers zu gewährleisten,
hat ThyssenKrupp Norte eine Kammkonstruktion entwickelt, die ver-
hindert, dass durch die Bewegung der Paletten Gegenstände zwischen
den Paletten eingeklemmt werden. | Bild 3 | zeigt eine genaue Ab-
bildung der Kammkonstruktion.
Die vielleicht schwierigste Aufgabe bei der Konstruktion eines
Personen-Transportsystems war die Entwicklung eines Regelantriebs für
die Paletten. Gefragt war ein Mechanismus, der gleichzeitig unter-
schiedliche Geschwindigkeitsstufen an unterschiedlichen Stellen
erreichen konnte. Für diese Aufgabe kamen modernste Konstruk-
tionswerkzeuge zum Einsatz, einschließlich Simulationen mit virtu-
ellen Prototypen.
Die von ThyssenKrupp Norte gewählte Lösung besteht aus einer
Kette speziell geformter Verbindungsglieder. Es gibt zwei Arten von
Verbindungsgliedern: Erstens ein Glied in L-Form, das sich auf drei
Rollen stützt, und zweitens ein gerades Verbindungsglied, das auf zwei
Rollen gestützt ist. Die Geschwindigkeitsstufe wird verändert, indem
die Kette stärker gefaltet und somit der Abstand zwischen den Gliedern
reduziert wird. Wenn die Kette also gefaltet wird, wird die Fahrgeschwin-
digkeit verringert, und wenn die Kette auseinander gefaltet wird, erreicht
die Fahrgeschwindigkeit ihren Höchstwert. Entsprechend geformte
Führungen sorgen für die Falt- und Entfaltbewegungen. Durch die Um-
setzung dieser Lösung wird eine kontinuierliche Geschwindigkeitsstufe
erreicht, wobei die Beschleunigung stets begrenzt ist. Dadurch wird
eine komfortable Beförderung entlang des gesamten Fahrsteigs ge-
währleistet. | Bild 4 | zeigt die Kettenform in gefalteter und auseinander
gefalteter Position.
Im Hochgeschwindigkeitsbereich, dem längsten Abschnitt des
Fahrsteigs, ist diese Spezialkette nicht notwendig. Zum Antrieb der
Paletten in diesem Bereich wurde deshalb eine standardmäßige
Fahrsteigkette gewählt. Dadurch konnten die Kosten des Produkts
erheblich reduziert werden.
Wesentliche Teile des Fahrsteigs sind die Antriebssysteme für den
Handlauf und die Paletten. Um die von den Nutzern geforderten Sicher-
heitsnormen zu gewährleisten, muss die Einheit über bewegliche Hand-
läufe verfügen, die sich mit derselben Geschwindigkeit bewegen wie
die entsprechenden Paletten. Es stehen grundsätzlich drei unter-
Bild 2 | Paletten für den Personentransport
Bild 3 | Überlappende Paletten
Bild 4 | Spezialkette für verschiedene Geschwindigkeitsstufen Bild 5 | Handlauf für verschiedene Geschwindigkeitsstufen
Hochgeschwindigkeitssektion Beschleunigungssektion Niedriggeschwindigkeitssektion
Hochgeschwindigkeitssektion Beschleunigungssektion Niedriggeschwindigkeitssektion
Bild 1 | Detailansicht der Paletten-Kammkonstruktion für den Personentransport
hinterer Teil
vorderer Teil
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Einleitung
Die Ausführung von automatisierten Montageanlagen für Pkw-Motoren
ist durch hohe Komplexität und Individualität gekennzeichnet. Dement-
sprechend wurden diese Anlagen bisher im Rahmen von „maßge-
schneidertem“ Sondermaschinenbau konzipiert, konstruiert und gefertigt.
In der jüngsten Vergangenheit zeichnet sich in der Automobilindustrie
eine steigende Planungsunsicherheit in Bezug auf Stückzahlen, Varian-
tenvielfalt und Modelllaufzeiten ab. Diese Tendenz geht auf die sich
schnell verändernde Marktanforderung sowie auch beispielsweise auf
Emissionsvorgaben zurück und fordert ein erhöhtes Maß an Flexibilität.
Da diese Anforderungen mit konventionellen Konzepten nur mit nicht
marktgerecht hohem Zeit- und Kostenaufwand bedient werden kön-
nen, hat die Johann A. Krause Maschinenfabrik ein neues Montage-
konzept entwickelt.
Die Anforderungen
Die in der Einleitung erwähnten Zusammenhänge führen unter Berück-
sichtigung sonstiger permanenter Optimierungsanforderungen zu
den nachstehend genannten Zielsetzungen:
unterschiedliche Motorarchitekturen gleichzeitig auf einer Monta-
gelinie (Reihendreizylinder bis V8-Motor, Benziner und Diesel),
Reduzierung der Lieferzeit für Neuanlagen um 30 %,
Reduzierung der Liefer- und Umsetzungszeit bei Modifikationen
bestehender Anlagen um 50 %,
Reduzierung der Bauteilvielfalt, um die Ersatzteilaufwendungen
beim Kunden zu senken und die Anzahl von Wiederholbaugruppen
(Modulen) zu erhöhen,
Reduzierung der Investitionsbedarfe um ca. 20 % bei Neuanlagen
und 30 % bei Umbauten,
Verbesserung der Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit,
Erstellung eines Produktkataloges und einer Preisliste, was im
Sondermaschinenbau als Besonderheit bezeichnet werden darf,
globale Einsatzmöglichkeit, d.h. Produktionskapazitäten können
durch Verlagerung bestehender austauschbarer Module den
lokalen Marktanforderungen angepasst werden.
Die Lösungen
Die wesentlichen Bestandteile von Montagelinien wurden simultan
neu entwickelt, um schließlich als homogenes Montagekonzept in
modularer Bauweise individuell zusammengefügt werden zu können
und so die Eigenschaften Flexibilität und Standardisierung miteinan-
der zu kombinieren. Im Folgenden werden die wesentlichen Einhei-
ten des COMMONALITY-Montagekonzeptes aufgeführt.
Das Maschinenkonzept
In der Vielzahl von automatischen und halbautomatischen Montage-
und Teststationen muss der Motor den Werkzeugen wiederholgenau
präsentiert werden. Darüber hinaus gibt es Basisinhalte, die sich in
allen dieser Stationen wiederfinden. Hierzu gehören z.B. Bearbeitungs-
module (Werkzeuge), Schaltschränke, Schraubersteuerungen, Pneu-
matiksteuerungen, Kurbelwellendreheinrichtungen, Schutzgitter etc.
Im Rahmen der Neuentwicklung wurde ein modularer Standard ge-
schaffen, mit dem sich das Investitionsvolumen den jeweils benötig-
ten Umfängen bei Neuanlagen und späteren Umbauten ohne indivi-
duelle Konstruktionsaufwendungen anpassen lässt. Auf- und Abrüstun-
gen von Modulen sind durch Verwendung von Schraubverbindungen
und Adapterstücken auch innerhalb kürzester Produktionsunterbre-
chungen möglich. Die einheitlich angeordneten Werkstückgreifpunkte
ermöglichen die Bearbeitung beliebiger Motorvarianten. Der Kunde
erhält somit die für zukünftige Umbauten gewünschte Flexibilität,
ohne dies in der Erstinvestition berücksichtigen zu müssen | Bild 1|.
COMMONALITY – Flexibel standardisiertes Montagesystem für die Aggregatemontage | 57
COMMONALITY– Flexibel standardisiertes Montagesystem für die Aggregatemontage
56 |
DIPL.-ING. KARL-HEINZ GERTJEGERDES Leiter Maschinenbaukonstruktion | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
DIPL.-ING. UWE NORDHAUSEN Produktmanager Commonality | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
DIPL.-ING. STEFAN LENZ Koordinationsverantwortlicher Steuerungstechnologie | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
VOLKER KRETSCHMER Koordinationsverantwortlicher Maschinenbaukonstruktion | Johann A. Krause Maschinenfabrik GmbH, Bremen
Bild 1 | Standardisiertes Spann-, Hub- und Drehmodul
| Sektion einer V6-Motormontagelinie
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
leichten Überquerbarkeit möglich. In Verbindung mit den Werkstück-
trägereigenschaften kann das System im Gegensatz zu konventionel-
len Ausführungen als „Single Loop“ aufgebaut werden.
Das Installationskonzept ist modular aufgebaut. Aufgrund dessen
können Installationseinheiten in Serienfertigung kostengünstig produ-
ziert werden. Die Komponenten werden innerhalb des Transportsystem-
hüllbereiches montiert und sind durch Abdeckbleche vor mechanischer
Beschädigung und Verschmutzung geschützt. Damit die Zugänglichkeit
dennoch gewährleistet ist, können alle Komponenten um- oder zur
Seite geschwenkt werden. Ein- und Ausschleusungen für Motorrepa-
raturen können modular ein- oder ausgebaut werden und sind somit
entsprechend den Erfahrungen des Produktionsbetriebes nahezu
simultan optimierbar | Bild 4 |.
Die Anzahl der Funktionselemente wurde auf ein Minimum hochfle-
xibler Einheiten begrenzt. Innerhalb des Gesamtangebotes sind Trans-
portwagen für Werkstückträger genauso standardmäßig verfügbar, wie
auch modular adaptierbare elektrische Antriebsaggregate.
Das Steuerungskonzept
Die softwareseitigen Steuerungseinheiten, Funktionsblöcke und Pro-
gramme wurden simultan entwickelt und sind gleichermaßen modular
aufgebaut. Der Aufbau wurde für den maximal möglichen Ausstat-
tungsumfang konfiguriert, so dass im Rahmen der Inbetriebnahme
lediglich kopiert und parametriert werden muss. Diese Strukturen fin-
den sich für standardisierte Funktionseinheiten genauso wie auch bei
Standardsequenzen für manuelle Arbeitsplätze wieder. Aufgrund der
synergiereichen Applikationsweise können selbst umfangreiche Vari-
anten zukünftig ohne Engineeringleistung zu entsprechend günstigen
Preisen und Lieferzeiten angeboten werden.
Die Hardware ist so gestaltet, dass Schaltschränke durch Gleichheit
und Modularisierung kosteneffizient „am Band“ hergestellt werden
können und durch Komponentenbauweise mit geringem Aufwand un-
tereinander austauschbar sind.
Ergebnis
Innerhalb von 2 Jahren hat die Johann A. Krause Maschinenfabrik mit
dem COMMONALITY-System eine Produktlinie entwickelt, die die ge-
stiegenen Kundenerwartungen ganzheitlich bezüglich Kosten, Liefer-
zeit und Flexibilität bedient.
Der globale Einsatz baugleicher Einheiten bietet direkt umsetzbaren
Informationsrückfluss der Felderfahrungen, was zur kurzfristigeren
Zuverlässigkeitssteigerung bei gleichzeitiger Kostenreduktion führt
und die Marktposition nachhaltig stärken soll.
Darüber hinaus entsteht eine besondere Kundenbindung, da der
Kundennutzen bezüglich Flexibilität und Wiederverwendbarkeit mit
jeder weiteren COMMONALITY-Anlage auch für die schon in Betrieb
befindlichen Anlagen steigt.
COMMONALITY – Flexibel standardisiertes Montagesystem für die Aggregatemontage | 5958 | COMMONALITY – Flexibel standardisiertes Montagesystem für die Aggregatemontage
Unter Einsatz des höchstmöglichen Ausrüstungsgrades können bei
Bruchteilen der sonst üblichen Investitionsbedarfe auch Motorwende-
operationen innerhalb Automatikstationen angeboten werden, so dass
für diese nicht wertschöpfenden Operationen keine separaten Statio-
nen mit entsprechendem Platzbedarf mehr erforderlich sind.
Als Standard vorgesehene multiple Montageflächen für Bearbeitungs-
module an der Front der vertikalen Pfosten sowie Montageflächen im
hinteren Bereich bieten die gewünschten Variationsmöglichkeiten.
Durch die standardisierte Flanschbauweise ist die Verbindung zur Ma-
schinenbasis immer gleich und Bearbeitungsmodule hierdurch aus-
tauschbar. Der Automatisierungsgrad kann frei gewählt werden und
auch später wechselnden Produktionsanforderungen angepasst werden.
Sämtliche Einheiten sind „grundgestellfest“ montiert und so angeord-
net, dass Stationen als eine Einheit ohne Einfluss auf angrenzende
Systeme versetzt werden können.
Neben den bereits genannten Eigenschaften schätzt der Kunde
auch die in jedem Betriebszustand gewährleistete Zugänglichkeit zu
den Modulen, so dass im Falle von Betriebsstörungen die Produkti-
on schnell wieder aufgenommen werden kann | Bild 2 |.
Der Werkstückträger
Der Werkstückträger ist ein elementarer Bestandteil, um das Werk-
stück (den Motor) von Funktionseinheit zu Funktionseinheit zu trans-
portieren. Hierbei hat die präzise Zuführung in automatischen Mon-
tagemaschinen die gleiche Bedeutung wie die ergonomisch ideale
Präsentation an manuellen Arbeitsplätzen. Des Weiteren beinhaltet
eine Montagelinie ca. 400 Werkstückträger, so dass Einsparungen
von Herstellkosten einen bedeutenden Multiplikator finden.
Der Basiswerkstückträger mit Drehgestell ist für alle Motortypen
ohne individuelle konstruktive Bearbeitung einsetzbar. Multiple Flansch-
flächen erlauben den Anbau individueller weiterer Komponententräger
je nach Kundenvorstellung. Hierfür sind ebenfalls Schnellverschlüsse
standardmäßig verfügbar, so dass Komponententräger auch zur Ver-
wendung in begrenzten Abschnitten eingehängt werden können | Bild 3 |.
Der Motor wird durch eine Schraubverbindung am Adapter befestigt
und kann in 2 Lagen auf dem Basiswerkstückträger abgelegt werden
(Ölwanne oben und unten). Der ergonomisch notwendige Motorla-
genhöhenunterschied wird durch entsprechenden Versatz des einge-
hängten Adapters erreicht. Hierdurch entfällt die bisher erforderliche
Variation von Transportsystemhöhen mit den daran gebundenen
Investitionen und Flexibilitätsverlusten. Der Werkstückträger ist einsetz-
bar von Beginn bis Abschluss des Montageprozesses (inkl. Endfunkti-
onstest des Motors). Die Notwendigkeit unterschiedlicher Werkstück-
träger und entsprechender nicht wertschöpfender Übersetzer entfällt.
Das Transportsystem
Das Transportsystem setzt sich im Wesentlichen aus bewährter Frik-
tionsrollentechnik zusammen. Innerhalb des COMMONALITY-Konzepts
ist durch die einheitlich niedrige Transportsystemhöhe von 330 mm
ein Werkereinsatz auf beiden Seiten der Montagelinie aufgrund der
Bild 2 | Schraubmaschine „Ladderframe“ eines V6-Dieselmotors Bild 3 | Basiswerkstückträger mit Motoradapter und V6-Motor (Benzin)
Bild 4 | Einschleusung einer Reparaturschleife
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Der neue Klinkerkühler POLYTRACK® | 6160 |
Richtungweisende Neuentwicklung für die Zementindustrie:Der neue Klinkerkühler POLYTRACK®
DR.-ING. SEBASTIAN MORGENROTH Fachbereichsleiter FuE | Polysius AG, Neubeckum
DIPL.-ING. LUDWIG KÖNNING Abteilungsleiter Konstruktionstechnik | Polysius AG, Neubeckum
DIPL.-ING. GÜNTER MILEWSKI Konstruktion Wärmetechnik | Polysius AG, Neubeckum
Einleitung
Die Herstellung von Zement erfolgt in den Verfahrensstufen Rohmate-
rialaufbereitung, Klinkererzeugung und Zementmahlung | Bild 1 |. Zur
Klinkererzeugung wird Rohmehl auf Temperaturen um 850 °C er-
hitzt und dann auf den Drehofen aufgegeben. Bei Temperaturen von
ca. 1450 °C bilden sich hauptsächlich Kalzium-Silikat-Mineralien, die
zum so genannten Klinker zusammensintern. Der Klinker wird an-
schließend im Klinkerkühler sehr schnell mit Hilfe von Luft auf ca.
100 °C abgekühlt. Die dabei ausgetragene Wärme wird zum großen
Teil zurückgewonnen, indem die erhitzte Luft als Verbrennungsluft dem
Ofen zugeführt wird. Die Polysius AG, eines der weltweit führenden
Engineering-Unternehmen für die Zement- und Minerals-Industrie,
errichtet sowohl komplette Produktionslinien als auch einzelne
Maschinen zur Zementherstellung.
Im Zementanlagenbau ist zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit
ein hoher Innovationsgrad bei der Produktentwicklung unerlässlich.
Insbesondere der Klinkerkühler erfordert aufgrund der harten Einsatz-
bedingungen und seiner zentralen Bedeutung für die Produktqualität
und die Verfügbarkeit der gesamten Produktionslinie ein großes Maß
an Innovation. Der mehrjährigen Neuentwicklung des POLYTRACK®,
in dessen Verlauf auch das verfahrenstechnische Wirkprinzip zum
Patent angemeldet wurde, folgte im November 2002 die erfolgreiche
Inbetriebnahme der zweiten Ausbaustufe in einem Zementwerk in
Deutschland. Überzeugt durch die guten Ergebnisse konnten bis März
2003 vier weitere POLYTRACK® in drei Erdteilen verkauft werden.
Problembeschreibung
Der Klinkerkühler ist mehr als jede andere Maschine im Zementher-
stellungsprozess extremen Anforderungen ausgesetzt: Er ist dem
Drehofen direkt nachgeschaltet und wird von diesem ohne Zwischen-
speicher in einem häufig über 300-tägigen Dauerbetrieb mit einem in
seiner Beschaffenheit sehr unterschiedlichen Klinker beaufschlagt.
Die Temperatur des ofenfallenden Klinkers beträgt ca. 1.350 °C. Er
fällt in geringem Maß staubförmig an, hat üblicherweise Korngrößen
von wenigen bis einigen hundert Millimetern, kann aber auch Ansatz-
stücke mit Durchmessern von weit mehr als einem Meter enthalten.
Klinker ist extrem abrasiv und verursacht durch seine mechanische
Beanspruchung in Kombination mit der Temperaturbelastung erheb-
liche Verschleißkosten. Deshalb müssen in den jährlichen Winterstill-
ständen regelmäßig große Teile der Kühlereinbauten ersetzt werden.
Typisch für den Ofenprozess ist auch die ungleichmäßige Klinkerver-
teilung über die Kühlerbreite. Der Ofen wirft groben Klinker auf der
| POLYTRACK®, statischer Vorrost und Modul 1 Bild 1 | Klinkerkühler in der Zementanlage
Rohmaterialaufbereitung Klinkererzeugung Zementherstellung
POLYTRACK®
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Der neue Klinkerkühler POLYTRACK® | 6362 | Der neue Klinkerkühler POLYTRACK®
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
einen und feinen Klinker auf der anderen Seite des Kühlers ab. Dies
kann zu unterschiedlichen Kühlluftmengen und damit zur Entstehung
von „red river“ auf dem Klinkerbett führen. | Bild 2 | zeigt das Phäno-
men „red river“: Man erkennt den von Luft durchströmten, gekühlten
Klinker in dunkelrot und darin eingebettet Bereiche hoher Klinkertem-
peratur in orangeroter Farbe. Bei Übertemperatur besitzt das Material
eine sehr klebrige Beschaffenheit, die zum Verfritten neigt und zu-
dem einen Kühlluftdurchtritt sehr erschwert. Schließlich wirft der
Ofen zeitweise unterschiedlich große Klinkermengen ab, wodurch der
Mengenfluss kurzzeitig auf das Mehrfache der Nennleistung anwachsen
kann. Für die Produktqualität ist eine schnelle Abkühlung erforderlich.
Das soll mit möglichst geringen Luftmengen geschehen, um einen
hohen Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung zu erreichen. Des-
halb werden zur Verbesserung der Wärmeabfuhr die groben Klinker-
körner nach der ersten Kühlstufe (Rost 1) mit einem Walzenbrecher
in Partikel mit Kantenlängen von kleiner als 60 mm zerkleinert, um
die noch innen weißglühenden Bruchstücke danach auf die gefor-
derte Endtemperatur zu kühlen. Ferner muss die Kühlerbaureihe
die gängigen Tagesleistungen der Öfen von ca. 1.000 t/d bis 12.000 t/d
abdecken.
Die Lösung
Der POLYTRACK® ist eine Kombination aus statischem Belüftungsbo-
den mit einem darüber angeordneten Fördersystem. Er basiert auf
einem modularen Aufbau | Bild 3 |. Jedes Modul ist 4,8 m lang und
steht in den Breiten 1,5 m, 2,0 m und 2,5 m zur Verfügung. Sind für
höhere Durchsatzleistungen breitere Kühler erforderlich, so werden
die Breiten 3,0 m, 3,5 m, 4,0 m, 4,5 m und 5,0 m durch seitliches
Zusammenfügen zweier Module erreicht. Die gewünschte Länge des
Kühlers erhält man über die stirnseitige Verschraubung der Module.
Dadurch, dass auch Zwischenlängen von 2,4 m möglich sind, lassen
sich Abmessungen mit einem Vielfachen dieser Länge realisieren.
Weitere Hauptkomponenten des POLYTRACK® sind der statische
Vorrost, der Zwischenbrecher, der sich dem Rost 1 anschließt und
der Rost 2, der als Nachkühler den gebrochenen Klinker auf die End-
temperatur (ca. 80–100 °C) kühlt | Bild 4 |. Konzeptionell sind die
Module von Rost 1 und Rost 2 identisch.
Die Vormontage der Module findet bereits im Fertigungsbetrieb
statt. Aufgrund der Abmessungen kann man sie problemlos und
kostengünstig transportieren sowie schnell und einfach montieren.
Das Förderprinzip besteht aus Förderplanken, die über einem statischen
Belüftungsboden in Förderrichtung angeordnet sind. Die Planken
besitzen einen bestimmten Abstand zueinander und die Kühlluft
tritt zwischen ihnen in das Klinkerbett ein | siehe Titelbild Bericht |. Die
Klinkerförderung erfolgt dergestalt, dass das gesamte Plankensystem
gemeinsam in Förderrichtung schiebt und dabei den Klinker über
Abstützkräfte mitnimmt. Danach erfolgt der Rückhub benachbarter
Förderplanken jeweils einzeln im Wechsel. Da dann die Abstützkräfte
zwischen den einzelnen zurückfahrenden Förderplanken und dem
Klinkerbett klein sind, wird der Klinker nicht mit zurückgenommen.
Mit der Frequenz der Förderhübe und deren Hublänge werden die
Klinkerschichthöhe, der Klinkerdurchsatz und die Breitenverteilung
auf dem Rost festgelegt. Auf diese Weise entsteht ein Transportme-
chanismus mit hohem Förderwirkungsgrad. Der Transportmechanis-
mus ist ähnlich dem von Pendelböden und erfordert ein unabhängi-
ges Betätigen benachbarter Förderelemente. Beim POLYTRACK®
treiben die Hydraulikzylinder, die unterhalb des statischen Belüf-
tungsbodens montiert sind, die Förderplanken an | Bild 5 |. Der stati-
sche Belüftungsboden besteht aus einzelnen Belüftungsplatten, die
auf das Tragwerk aufgeschraubt sind. Über eine Labyrinthkonstruktion
der Belüftungsplatten | Bild 6 | wird Kühlluft aus den unter dem sta-
tischen Boden befindlichen Belüftungskammern in die Klinkerschicht
gedrückt. Der POLYTRACK® stellt im Gegensatz zu alten Konstruktio-
nen sicher, dass Klinkerdurchfall aus dem Kühler in die Belüftungs-
kammern nicht mehr auftritt.
Bild 3 | POLYTRACK®, statischer Vorrost und zwei Module
Bild 4 | POLYTRACK® mit Zwischenbrecher und Rost 2 Bild 5 | Hydraulikzylinder zum Antrieb der Förderplanken
Bild 2 | „Red river“ auf einem Klinkerkühler
Bild 6 | Labyrinth der Belüftungsplatte
Walzenbrecher
POLYTRACK®, Rost 2POLYTRACK®, Rost 1
5 Förderelemente
Modul 1
Rost 1
statischer Vorrost
Modul 2
64 | Der neue Klinkerkühler POLYTRACK® Der neue Klinkerkühler POLYTRACK® | 65
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Betriebskosten
Die Belüftungselemente des Belüftungsbodens weisen großflächige
Kammern auf, die sich bei der Inbetriebnahme dauerhaft mit Klinker
füllen und so einen autogenen Verschleißschutz bilden. Im Gegensatz
zu den Rostplatten bisheriger Kühlerkonstruktionen verschleißen diese
Elemente praktisch nicht mehr. Der gute Förderwirkungsgrad führt zu
relativ geringem Abrieb an den Förderplanken und damit zu einem
deutlich niedrigeren Wartungsaufwand. Der Wegfall des Rostdurchfall-
förderers erspart Kosten in der Ersatzteilhaltung und -montage und
erhöht die Verfügbarkeit der Ofenanlage.
Fazit
Mit der Entwicklung des POLYTRACK® hat die Polysius AG im hart
umkämpften Markt der Klinkerkühler die technologische Führerschaft
übernommen und ihre Wettbewerbsposition deutlich gestärkt. Viele
innovative Verfahrens- und Konstruktionsdetails ergeben herausra-
gende Eigenschaften, die zu beträchtlichem Kundennutzen führen:
Der POLYTRACK® ist sehr kompakt, robust, verschleißarm und war-
tungsfreundlich. Dadurch erreichte er innerhalb weniger Monate eine
sehr hohe Marktakzeptanz, wertet durch seine strategische Bedeutung
die Polysius-Gesamtanlagen technisch und wirtschaftlich auf und
belebt das Einzelgeschäft.
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Kundennutzen
Investitionskosten
Der hohe Förderwirkungsgrad führt dazu, dass der POLYTRACK® als
einziger moderner Klinkerkühler waagerecht installiert werden kann
und damit das kompakteste Aggregat auf dem Markt ist. Daraus
ergeben sich erhebliche Bauhöhenreduzierungen des vorgeschalte-
ten Drehofens und des Vorwärmers und damit Investitionskostenein-
sparungen, die bei Neuanlagen je nach Anlagengröße mehrere
hunderttausend Euro betragen können.
Gegenüber anderen Schubrostkühlern tritt beim POLYTRACK® auf-
grund seines statischen Belüftungsbodens kein Rostdurchfall auf.
Dadurch entfällt der bislang obligatorische, sehr verschleißintensive
Rostdurchfallförderer, und die Kühlerbauhöhe wird weiter reduziert.
Die Vormontage der Module in der Werkstatt | Bild 7 | ist kosten-
günstiger als eine Baustellenmontage, denn Ausrichtarbeiten, Schwei-
ßungen und sonstige Fügearbeiten können zuverlässiger im Eigenferti-
gungsbetrieb ausgeführt werden. Zudem spart der Kunde Montagezeit.
Bei Umbauten, also dem Ersatz eines vorhandenen Klinkerkühlers,
erreicht man zudem kürzere Anlagenstillstände und damit weniger
Produktionsausfall. Durch die kompakte Bauweise des POLYTRACK®
ist es viel besser als bisher möglich, einen Kühler so umzubauen,
dass sich sogar das bestehende Gehäuse wieder benutzen lässt. Das
| Titelbild des Berichts | zeigt ein Beispiel für einen Umbau eines
Wettbewerbskühlers, bei dem das ursprüngliche Kühlergehäuse
weiter im Einsatz verbleibt.
Leistungssteigerung
Oft müssen im Rahmen von Produktionssteigerungen vorhandene
Klinkerkühler ersetzt werden. Da sich aber die Aufstellungsflächen
wegen der bestehenden Anlagenteile im Allgemeinen nicht vergrö-
ßern lassen, stellt der POLYTRACK® durch seine kompakte Bauweise
in vielen Fällen die einzige technisch-wirtschaftliche Lösung dar.
Verfahrenstechnische Eigenschaften
Die gute Belüftung bewirkt einen hohen thermischen Wirkungsgrad:
| Bild 8 | zeigt die Temperaturverteilung über die Breite des Kühlers,
die mittels CFD- (Computational Fluid Dynamics-) Berechnung ermit-
telt wurde. Man erkennt die gleichmäßige Temperaturverteilung in
der Klinkerschicht des POLYTRACK®.
Durch die variable Vorschubgeschwindigkeit der einzelnen Förder-
planken kann man erstmalig ein Querfließen des Klinkers über die
Kühlerbreite erreichen und damit insbesondere einen außermittigen
Abwurf des Ofens kompensieren oder auch Verfrittungen vorbeugen.
Das neue Förderprinzip transportiert feinen sowie groben Klinker mit
wenig Schlupf, und auch bei größten Durchsatzschwankungen der
Klinkermenge wird die gewünschte Klinkerendtemperatur zuverläs-
sig erreicht.
Bild 7 | Installierter POLYTRACK® in einem bestehenden Gehäuse Bild 8 | CFD-Berechnung der Temperaturverteilung [°C] in der Klinkerschicht
Einleitung
Die wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Vermarktung von
Produkten oder Dienstleistungen kann eigentlich in einem häufig
zitierten Satz zusammengefasst werden:
„Adapt your products to the market requirements“
(„Passen Sie Ihre Produkte den Marktanforderungen an“)
Was für den Anbieter eigentlich nichts anderes bedeutet, als attraktive
Produkte zu entwickeln, die nicht nur den Erwartungen der potenziellen
Käufergruppen entsprechen, sondern auch nachvollziehbare Vorteile
gegenüber herkömmlichen Angeboten darstellen. Natürlich dürfen
auch die Veränderungen der Verbrauchergewohnheiten und die stra-
tegische Positionierung des Unternehmens bei der Entwicklung neuer
Produkte nicht außer Acht gelassen werden.
NovoPort®
Diese und weitere Überlegungen haben nach sehr intensiver Zusam-
menarbeit der beiden zur Novoferm Gruppe gehörenden Unternehmen
tormatic GmbH und Novoferm GmbH mit der Entwicklung des auto-
matischen NovoPort®-Torsystems zu einem zukunftsweisenden Ergebnis
geführt. Dabei wurden die Marktentwicklung und die sich ändernde
Erwartung des Verbrauchers und der Handelspartner in besonderem
Maße berücksichtigt.
Garagentor-Antriebe gehörten aufgrund ihres hohen Preisniveaus
noch vor ca. 20 Jahren zu begehrten Luxusartikeln mit entsprechend
geringer Nachfrage. Die stark wachsende Zahl von Eigenheimen in
Europa, zunehmender Wohlstand und der Wunsch des Verbrauchers
nach Komfortausstattungen im Privatbereich haben im Laufe der
Jahre zu einer deutlich gestiegenen Nachfrage für diese Artikel geführt.
Auf der anderen Seite begründete die Erschließung dieses Wachstums-
marktes durch zahlreiche Hersteller ein stetig sinkendes Preisniveau
in Verbindung mit geringeren Margen. Heute sind automatische
Garagentore vielgefragte Standardausstattungen für Eigenheimbesitzer
geworden, die sogar in Zeiten einer rückläufigen Baukonjunktur jährlich
zweistellige Zuwachsraten erzielen können. Ein wesentlicher Grund ist
der ausgesprochen hohe Bestand an Privatgaragen und das damit
verbundene, interessante Renovierungspotenzial. Allein in Deutsch-
land existieren ca. 3,5 Mio Privatgaragen mit Toren, die älter als
20 Jahre sind. Grund genug, sich diesem Marktsegment intensiv zu
widmen, zumal im Renovierungsbereich die Entscheidung des Käufers
fast ausschließlich zu Gunsten eines automatischen Torsystems ge-
troffen wird.
Das NovoPort®-Torsystem wurde unter Berücksichtigung des bereits
bestehenden, umfangreichen Novoferm-Sektionaltor-Programms mit
dem strategischen Ziel entwickelt, die Stellung des Unternehmens im
Markt als Systemlieferant automatischer Toranlagen für den Privat-
bereich europaweit weiter zu festigen und eine höhere Wertschöpfung
durch die Vermarktung kompletter Torsysteme zu erzielen. Durch patent-
rechtlich geschützte Alleinstellungsmerkmale, die sich für den Ver-
braucher in nachvollziehbarem Nutzen ausdrücken, konnten selbst in
einer für die Baukonjunktur schwierigen Zeit deutliche Zuwachsraten
durch die Übernahme von Wettbewerbsanteilen erzielt werden.
NovoPort® – das innovative Garagentorsystem mit integriertem Antrieb | 6766 |
NovoPort® – das innovative Garagentorsystem mit integriertem Antrieb
ARMIN BECHTLOFF Produktmanagement Torsysteme | Novoferm GmbH, Dortmund
| Gesamtansicht NovoPort®-Garagentor
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Da automatische Garagentore im Privatbereich genutzt werden, ist
die Sicherheit besonders wichtig. Eine selbstüberwachende Kraftbe-
grenzung mit 2-Prozessor-Technologie sorgt dafür, dass die in den
neuesten Europäischen Normen geforderten Schließkräfte nicht nur
eingehalten, sondern deutlich unterschritten werden.
Ausblick
Seit der europaweiten Markteinführung des NovoPort®-Sektionaltores
im Oktober 2001 wurden insgesamt ca. 35.000 Einheiten verkauft,
was einer deutlichen Steigerung der Automatisierungsquote bei Sek-
tionaltoren entspricht. Novoferm ist damit seinem Ziel, der führende
Anbieter von automatischen Garagentorsystemen zu werden, ein
bedeutendes Stück nähergekommen | Bild 3 |.
NovoPort® – das innovative Garagentorsystem mit integriertem Antrieb | 6968 | NovoPort® – das innovative Garagentorsystem mit integriertem Antrieb
Anders als bei herkömmlichen, nachträglich automatisierten Toren
können beim integrierten NovoPort®-Antrieb keine Adaptionsprobleme
zwischen Tor und Antrieb entstehen, da alle Komponenten schon in
der Entwicklung exakt aufeinander abgestimmt wurden und als Einheit
zusammengehören, wie der Motor beim Auto | Bild 1 |. Ein laufruhiges,
kompaktes und zuverlässiges System ist das Ergebnis.
Bei der Auswahl für ein automatisches Garagentor sind für den
Verbraucher aber nicht nur die Optik und Funktionsmerkmale interes-
sant. Vielmehr wird seine Entscheidung häufig von einem günstigen
Komplettpreis beeinflusst, bei dem die geringen Montagekosten des
NovoPort®-Torsystems eine entscheidende Rolle spielen. In Anlehnung
an andere Branchen wünscht der Kunde heute darüber hinaus
„all-inclusive“-Angebote, die für ihn die Anschaffung kalkulierbar
machen und vor möglichen, unerwarteten Zusatzkosten schützen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Torantrieben, die abhängig von
der Torgröße ausgewählt und oftmals mit viel Aufwand unter der
Garagendecke und am Sturz montiert werden müssen, wurde mit
dem automatischen NovoPort®-Torsystem ein neuer Weg beschritten,
der die Montage völlig unabhängig von den baulichen Gegebenheiten
in der Garage macht | siehe Titelbild Bericht |. Das Motoraggregat des
Antriebes läuft entlang einem geschützt in der vorhandenen Torlauf-
schiene liegenden Zahnriemen. Dadurch wird nur noch Platzbedarf
für den Einbau des Tores benötigt, und die für herkömmliche Decken-
antriebe erforderliche Schiene entfällt als kosten- und montageintensive
Baugruppe vollständig. Das lästige Bohren und Dübeln in Sturz und
Garagendecke gehört ebenso der Vergangenheit an wie ein entspre-
chender Zusatzaufwand für den Fall, dass die Garagendecke mit
Gipsplatten verkleidet ist oder aus einer Stahlbetonkonstruktion besteht.
Durch die Trennung von Motoraggregat und der an der Garagenwand
in der Nähe der Wandsteckdose befestigten Steuerung vereinfacht sich
der Installationsaufwand beträchtlich. Eine Deckensteckdose wird
nicht mehr benötigt | siehe Titelbild Bericht |. Durch dieses einzigartige
Antriebskonzept, das schon in der Entwicklung die spätere Verarbei-
tung in hohem Maße berücksichtigt, werden die Montagekosten erheb-
lich reduziert, was sich in günstigeren Komplettpreisen gegenüber
Wettbewerbsangeboten bzw. größeren Margen für den Handelspart-
ner ausdrückt.
Die formschöne Steuerung ist serienmäßig mit Anschlussmöglich-
keit für eine Außenbeleuchtung bis 500 W und einem integrierten
Drucktaster ausgestattet. Dies bedeutet neben der komfortablen Be-
dienung einen weiteren Kostenvorteil | Bild 2 |.
Bild 2 | NovoPort®-Steuerungseinheit mit Garagenbeleuchtung
Bild 3 | Entwicklung der Stückzahlen NovoPort® nach „Product launch“ kumuliert
Bild 1 | NovoPort®-Antrieb, integraler Bestandteil der Torkonstruktion
Dieser Erfolg ermutigte uns, im Januar 2003 auf der Messe
„Bau 2003“ in München mit VivoPort® ein automatisches Schwingtor
mit einem integrierten Antrieb einem breiten Publikum vorzustellen.
Das neue Tor, bei dem der Antrieb zukünftig werksseitig komplett auf
dem Torblatt vormontiert sein wird, wurde vom Handel mit Begei-
sterung aufgenommen. Diese konsequente Weiterentwicklung des
mit NovoPort® begonnenen Konzeptes von integriert angetriebenen
Torsystemen für den Privatbereich ist im Mai 2003 europaweit einge-
führt worden.
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Stück
40.000
30.000
35.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
01 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Monate
Einleitung
Das Jahrhunderthochwasser der Elbe in Ost- und Norddeutschland
Mitte 2002 hat auf katastrophale Weise gezeigt: steigende Pegelstände
drücken mit wiederkehrender Regelmäßigkeit Wassermassen auf die
vorhandenen Deiche und Sicherungsanlagen, weichen sie auf, unter-
oder überspülen sie und lassen sie brechen.
Den betroffenen Gemeinden bleibt oft nur der verzweifelte Versuch,
mit meist unzureichenden Mitteln, wie Planen und Sandsäcken, abzu-
dichten, zu verstärken oder aufzuschichten. Zum Jahreswechsel 2003
haben die Wassermassen erneut bedrohliche Ausmaße angenommen
und weitere Schäden angerichtet. Meteorologen prophezeien eine Zu-
nahme dieser extremen Wettersituationen. Die Hochwasserschäden
allein des letzten Jahres betragen mehrere Milliarden Euro. Mit einem
geringen Teilbetrag dieser Summe lassen sich Deiche in den von Hoch-
wasser gefährdeten Gebieten dauerhaft sichern und flexibel erhöhen.
Dadurch kann der Aufwand für Technisches Hilfswerk oder Bundes-
wehr bei Extremsituationen erheblich gesenkt werden.
Ausgangssituation
Seit Jahrhunderten schützen sich Menschen gegen Hochwasser mit
Deichbauten aus Erdreich. Diese Deichbauwerke sind aber häufig nicht
mehr in der Lage, die Menschen dauerhaft und sicher vor den gewal-
tigen Wassermassen zu schützen. Dies liegt zum einen daran, dass
einige der bei der Deichhöhenberechnung zugrunde liegenden Infor-
mationen und Erkenntnisse noch aus dem Beginn des 20. Jahrhun-
derts stammen, zum anderen datieren selbst die Deichbauten aus
dieser Zeit.
Aus heutiger Sicht müssen die Deiche so aufgebaut werden, dass
sie bei allen Lastfällen standsicher sind. Der innere Aufbau eines
Deiches unterteilt sich in 3 Zonen:
durchlässiger Stützkörper, vornehmlich aus Sand,
abgedichtete vorgelagerte Böschungszone aus Lehm oder anderen
kohäsiven Materialien,
stark durchlässiger Filterkörper, der das durchgehende Wasser in
einer Drainage sammelt.
Häufig sind die Dämme nicht so aufgebaut. Speziell ältere Dämme
bestehen aus einem Erddamm, der sich aus beliebigem Material
zusammensetzt. Bei diesen Deichen ist die Gefahr der Unter- und
Durchströmung sehr groß.
Die Ursachen bei Dammbrüchen liegen häufig in der Unterströmung
| Bild 1a | und Überströmung | Bild 1b |. In der Praxis wird die Gefahr
unterschätzt, die bei Durchweichung und Unterströmung des Deich-
körpers entsteht. Durch die Unterströmung kommt es zu Auswaschun-
gen und Sackungen, die die Stabilität des Deiches gefährden und
häufig erst ein Überströmen ermöglichen. Um die Durch- und Unter-
strömung von Deichen und Dämmen zu verhindern, sollte eine Innen-
dichtung in der Mitte des Deiches vorgesehen werden.
Die Basis: Stahl-Spundwände
Basis für den Hochwasserschutz sind Stahl-Spundwände, die sich im
Hafen- und Spezialtiefbau bewährt haben, und die mit modernen Ge-
räten umweltfreundlich und materialschonend eingerammt werden.
Als Deichsicherung ist die Stahl-Spundwand eine wirtschaftliche,
praktikable und dauerhafte Lösung. Dabei ist es unerheblich, ob die
Spundwand direkt beim Deichneubau zum Einsatz kommt oder nach-
träglich eingebaut wird. Gerade aber in der schnellen Deichsanierung
und für den temporären Einsatz bei akuter Hochwasserbedrohung
liegen die Stärken des Spundwand-Systems | Bild 2 |.
Stahl-Spundwände und Aufbaukonstruktionen für Hochwasserschutzsysteme | 71
Stahl-Spundwände und Aufbaukonstruktionen für Hochwasserschutzsysteme
70 |
DIPL.-ING. GODEHARD DREES Geschäftsführung | ThyssenKrupp GfT Bautechnik GmbH, Essen
CHRISTIAN WALTER Geschäftsführung | ThyssenKrupp GfT Bautechnik GmbH, Essen
| Deich mit Innendichtung aus Stahl-Spundwänden
Bild 1a | Unterströmung bei Deichen Bild 1b | Überströmung bei Deichen Bild 2 | Spundwände sichern die Jeetzel beiDannenberg gegen rückstauendes Elbehochwasser
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Stahl-Spundwände und Aufbaukonstruktionen für Hochwasserschutzsysteme | 73
Permanentes Glassystem
Stahl-Spundwände lassen sich mit Klinkerverblendungen oberhalb
der Deichkrone dekorativ und entsprechend regionalen Gegebenheiten
verkleiden | Bild 6a |.
Eine ästhetische und gleichzeitig elegante Lösung für den Hoch-
wasserschutz sind bruchsichere Glaswände. Dabei werden von Alu-
miniumstützen gehaltene Verbundsicherheitsgläser auf die eingebauten
Spundwandprofile befestigt. Ohne den Deichquerschnitt zu verändern,
lässt sich so ein idealer Schutz für stark gefährdete Ortskernbereiche
realisieren | Bild 6b |.
Fazit
Das Wesentliche an der Innovation ist eine Systemlösung durch das
Zusammenführen von ingenieurtechnischem Know-how mit modernster
Gerätetechnik und umweltgerechten Materialien. Das bedeutet: Pla-
nung, Statik sowie die Rammpläne werden im eigenen technischen
72 | Stahl-Spundwände und Aufbaukonstruktionen für Hochwasserschutzsysteme
Die Spundwand übernimmt im Deich dichtende, lastabtragende und
stabilisierende Funktionen. Sie verhindert Unterströmungen und gibt
dem Deich auch Stabilität bei wasserseitigem Ausspülen des Bodens.
Sie ist undurchdringbar für Wühltiere und Baumwurzeln und verhin-
dert somit dauerhaft das Entstehen von Sickerwegen. Im Boden ein-
gebracht ist die Spundwand korrosionsunempfindlich, die maximale
Abrostung liegt unter normalen Bedingungen nach EAU (Empfehlungen
des Arbeitsausschusses Ufereinfassungen, Häfen u. Wasserstraßen)
bei 0,03 mm/Jahr, in 50 Jahren also bei 1,5 mm. Ein weiterer Erfolgs-
faktor für die Spundwand im Deich ist der umweltfreundliche Werk-
stoff Stahl. Er ist homogen, elastisch sowie plastisch mit Trägheits-
reserven und hohen Sicherheiten versehen. Der Werkstoff durchläuft
Qualitätskontrollen, die in den EN-Normen verankert sind. Stahl ist
außerdem zu 100 % recycelbar und somit wiederverwendbar.
Die Spundwand wird als fertiges Produkt geliefert und ist sofort
einsetzbar. Bauliche Veränderungen wie Umsetzen, Tieferrammen,
Aufständern und Anschließen, sind jederzeit möglich. Die Spund-
wand hält problemlos Bewegungen im Deich stand. Risse, wie bei
anderen Baustoffen, sind auch bei Setzungen nicht möglich.
Systemlösung
Aufsatz-Systeme werden immer dann erforderlich, wenn der Wasser-
pegel die Deichkrone erreicht. Je nach örtlichen Gegebenheiten und
Hochwassersituation werden verschiedene Systeme eingesetzt. Aus-
gehend von unsichtbar im Deichkern eingebauten Stahl-Spundwän-
den sorgen Aufsatzkonstruktionen für eine Reihe von Möglichkeiten,
die Sicherheit schnell und flexibel zu erhöhen:
Stahl-Spundwandaufsätze
Hier wird ein modulares, vorgefertigtes Stahlelement bestehend aus
vier Spundwandprofilen, einem U-Profil und Dichtungen auf die mit
einem Holm versehene Spundwand aufgesetzt und mit Spannvor-
richtungen verbunden. Mit dieser einfachen und wasserdichten Kon-
struktion, die beliebig horizontal verlängert werden kann, lässt sich
die Dammkrone um etwa 1,00 m erhöhen.
Deich-Aufsätze aus Stahl-Spundwänden garantieren eine schnelle
und sichere Montage und sind ein preisgünstiges Systemangebot
| Bilder 3a und 3b |.
Aluminiumaufsätze
Zum Schutz der Dammkrone bei drohenden Überströmungen verfügt
ThyssenKrupp GfT Bautechnik über nachmontierbare Systeme, die den
Deich temporär bis zu einer Höhe von 2,40 m über Krone schützen.
Hierfür steht eine Aluminiumkonstruktion zur Verfügung, die mit einer
Kopfplattenbefestigung auf die Stahl-Spundwände aufgesetzt wird.
Die Alu-Profile zeichnen sich sowohl durch leichte Handhabung
und Montage als auch durch einen geringen Platzbedarf für die
Lagerung aus und sind robust bei gleichzeitig hoher Stabilität und
Dichtigkeit | Bilder 4a und 4b |.
Aqua-Damm
Der Aqua-Damm ist eine temporäre Dammwand zum schnellen Auf-
bau bei Hochwasser. Als Ersatz für Sandsäcke ist die Wand schneller
und wirtschaftlicher einsetzbar. Die Konstruktion besteht aus einem
A-förmigen Kunststoffteil mit abgewickeltem Fußauflager, hergestellt
aus glasfaserverstärktem, ungesättigtem Polyesterharz | Bild 5 |.
Eine Spreizbremse aus Stahl bildet die solide Unterkonstruktion. Der
Aqua-Damm wird in einer Länge von 2,20 m und einer Höhe von
1,00 m geliefert. Die Elemente werden beliebig aneinander gesetzt.
Gedichtet wird das Dammsystem mit einer aufgelegten wasserdich-
ten, UV-beständigen Folie. Die Elemente lassen sich nach Einsatz
leicht abtransportieren, hervorragend reinigen und können zügig und
platzsparend verstaut werden. Eine 100 m lange Dammwand kann in
1,5 Stunden von 2 Personen ohne Kraneinsatz aufgebaut werden.
Bild 3a | Deichquerschnitt mit Deich-Aufsätzen aus Stahlspundwänden
Bild 3b | Deich-Aufsätze aus Stahlspundwänden Bild 6b | Verkleidete Spundwand mit aufgeständertenGlasplatten
Bild 4a | Deichquerschnitt mit Aluminium-System zur Deicherhöhung
Bild 4b | Aluminium-System zur Deicherhöhung
Büro aus einer Hand ausgearbeitet. Darüber hinaus ermöglicht die
moderne Gerätetechnik ein schonendes und umweltfreundliches Ein-
bringen der Spundwände. Für den Einbau in Deichen haben sich in
eigener Fertigung hergestellte Hochfrequenzvibratoren mit resonanz-
freiem An- und Auslauf sowie Hydraulikpressen bewährt. Der um-
weltgerechte Werkstoff Stahl ist ein weiterer, zusätzlicher Erfolgs-
faktor.
Mit den Systemen auf Basis der Spundwandtechnik bietet
ThyssenKrupp GfT Bautechnik komplette Lösungen für den Hoch-
wasserschutz, sowohl für die dauerhafte Sicherung von Deichen als
auch für den temporären Einsatz bei akuter Bedrohung. Die für die
unterschiedlichen Hochwassersituationen entwickelten Systeme
machen ThyssenKrupp GfT Bautechnik zu dem führenden Komplett-
anbieter im Hochwasserschutz. Die Spundwand-Basiskonstruktion
hat sich, mit und ohne Aufsatzsysteme, bei zahlreichen Projekten in
der Praxis bewährt | Bild 7 |.
Bild 5 | Aqua-Damm
Bild 7 | Der Deich zum Schutz der Ortslage Osmarsleben
Bild 6a | Verkleidete Spundwand mit Klinkermauer verblendet
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Einführung
ThyssenKrupp Materials France ist im Lager- und Dienstleistungsgeschäft
mit Edelstählen und NE-Metallen in Frankreich tätig. 19 Verkaufsnieder-
lassungen, die mit mehreren zentralen Lägern elektronisch verbunden
sind, erwirtschaften einen Jahresumsatz von 400 Millionen Euro. Es
werden ca. 700 Mitarbeiter beschäftigt. Bei Werkzeugstählen ist das
Unternehmen in Frankreich Marktführer und arbeitet mit zahlreichen
spezialisierten Verarbeitern zusammen, die pulvermetallurgisch
erzeugte Stähle, Kaltarbeits-, Kunststoffformen- und Warmarbeits-
stähle einsetzen. Für diesen Kundenkreis wird ein umfangreiches
Lagerprogramm vorgehalten. Hinzu kommen Dienstleistungen
nach individuellen Vorgaben der Kunden. Waren es früher haupt-
sächlich Zuschnittdienste, so bietet ThyssenKrupp Materials France
inzwischen auch wesentlich weitergehende Leistungen, wie Fräsen,
Bohren und Tiefbohren von Werkzeugstählen nach Kundenzeich-
nungen, an | Bild 1 |.
1997 wurde ein Projektteam „Neue Werkzeugstähle“ gegründet,
das aus den Metallurgen Gèrard Krämer (Technischer Direktor) und
Bertrand Rémi (Technischer Direktor) sowie den Produktmanagern
Yves Metzger (Verkaufsdirektor Langprodukte) und Christian Sergent
(Verkaufsdirektor) von ThyssenKrupp Materials France besteht. Die
Gesellschaft verfügt über umfangreiches Know-how und betreibt
seit 20 Jahren in Maurepas ein eigenes Labor | Bild 2 |. Das Pro-
jektteam wurde während seiner mehrjährigen Arbeit von weiteren
Experten aus dem Unternehmen unterstützt. Ziel der Projektarbeit
war es, Werkzeugstahlgüten für spezifische Einsatzzwecke zu opti-
mieren bzw. neu zu entwickeln. Die Optimierung betraf Verände-
rungen in den Legierungskombinationen. Dadurch sollten wesentli-
che metallurgische Vorteile sowie Vorteile der Wirtschaftlichkeit für
die daraus herzustellenden Werkzeuge erreicht werden.
Während die von breiten Anwenderkreisen in Standardgüten ein-
gesetzten Werkzeugstähle seit Mitte der 90er Jahre zunehmend in
einen nationalen und internationalen Preis- und Mengenwettbewerb
gerieten und somit die Marktstellung und Rentabilität des Lagerhalters
ThyssenKrupp Materials France beeinträchtigten, bieten Werkzeug-
stähle für spezifische Einsatzzwecke und exakt definierte Beanspru-
chungen Chancen für bessere Produkt- und Geschäftsergebnisse. Aus
Sicht eines Handelshauses mit laufenden hohen Aufwendungen für
eigene Lagerhaltung, Kapitalbindung und Marketing verstärken sich die
Alleinstellungsmerkmale durch Produktgüten, über die die Wettbewerber
im Markt nicht in entsprechendem Umfang verfügen. Durch speziell ent-
wickelte Güten können Geschäftsverbindungen zu maßgeblichen Verar-
beitern von Werkzeugstählen gesichert und ausgebaut werden.
Bis heute sind vom Projektteam 15 neue Stahlgüten entwickelt
worden. Dabei bestand eine enge Zusammenarbeit mit Partnerwerken,
insbesondere hinsichtlich Probeschmelzungen und Materialtests
sowie für die Herstellung von Kundenmustern. Inzwischen ist rund
die Hälfte der neuen Stahlgüten europaweit oder zumindest für den
französischen Markt patentiert worden. Im abgelaufenen Geschäftsjahr
hat ThyssenKrupp Materials France mit den neu entwickelten Stahlgüten
bereits einen Umsatzanteil von 13 % am Gesamtgeschäft der Werk-
zeugstähle erzielt. Der Bruttogewinn aus diesen Geschäften lag über
dem Durchschnitt im Lagergeschäft.
Der vorliegende Beitrag dokumentiert in Kurzform Eigenschaften,
Einsatzgebiete und Vorteile der neu entwickelten Stahlgüten, soweit
sie patentrechtlich geschützt sind.
Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte Neuentwicklungen | 75
Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte Neuentwicklungen
74 |
DR. RER. POL. CLAUS ALGENSTAEDT Abteilungsdirektor Zentrales Marketing | Thyssen Schulte GmbH, Düsseldorf
YVES METZGER Verkaufsdirektor Langprodukte | ThyssenKrupp Materials France S.A.S., Maurepas/Frankreich
Bild 1 | Sägeanlage, Lager Maurepas, mit pulvermetal-lurgisch hergestelltem Block aus neuer Stahlgüte TSP 6
| Presswerkzeug für die Pulververdichtung aus TSP 8
Bild 2 | Metallurgisches Labor Maurepas, genutzt für Untersuchungen zur Kundenberatung
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Kaltarbeitsstähle
Die Einsatzbreite für Kaltarbeitsstähle ist besonders groß und umfasst
die Anwendungsgebiete Stanzen, Schneiden, Scheren ebenso wie
Prägen, Umformen, Tiefziehen, Walzen, Abkanten etc. Hier steht der
Werkzeugbau speziellen Anforderungen hinsichtlich Verschleißbestän-
digkeit, Härte, Zähigkeit und Zerspanbarkeit gegenüber. Dieser Bereich
des Werkzeugbaus ist ein Arbeitsfeld, dem sich das Projektteam be-
sonders gewidmet hat, weil längere Standzeiten, hohe Stückzahlen
und kurze Taktzeiten wesentliche Vorteile für die Verarbeiter von
Werkzeugstählen bedeuten.
Mit der Stahlgüte FOR 821 ESR hat ThyssenKrupp Materials France
unter Verwendung des Elektroschlacke-Umschmelzens (engl. ESR:
Electroslag Refining) auf metallurgischem Wege einen speziellen Kalt-
arbeitsstahl mit stabilen, ausgewogenen Matrixeigenschaften entwickelt
| Bild 5 |. Er kombiniert die charakteristischen Eigenschaften der 5%igen
Chromstähle [Werkstoffnummer 1.2363 (AISI A2)] und der 12%igen
ledeburitischen Chromstähle [Werkstoffnummer 1.2379 (AISI D2)].
Wesentliche Vorteile sind die feinere Struktur der Karbide und die
Gefügegleichmäßigkeit. FOR 821 ESR verbindet hohe Härte mit guter
Zähigkeit und zeichnet sich darüber hinaus durch hervorragende
Härtbarkeit – auch bei Stickstoffabschreckung im Vakuumofen – aus.
Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte Neuentwicklungen | 7776 | Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte Neuentwicklungen
Pulvermetallurgisch erzeugte Stahlgüten
Die pulvermetallurgische Herstellung von Stahlgüten bietet Möglich-
keiten, die beim konventionellen Erschmelzen von Stahl nicht gegeben
sind. Durch das Verdüsen von Pulver entstehen Legierungen, die
eine weitgehende Beherrschung der Seigerungsproblematik bieten.
Im speziellen Fall, der vom Projektteam genutzt wurde, ergibt sich
eine besonders homogene Mikrostruktur und perfekte Isotropie und
damit eine Beeinflussung der Karbide in Größe, Form und Verteilung.
Hieraus resultieren Leistungsmerkmale für die hochlegierten Stahlgü-
ten, die bei der Herstellung von Werkzeugen zu der gewünschten
Verbesserung der Basiseigenschaften entscheidend beitragen.
Bei höchstem Verschleißwiderstand weisen die neuen Güten eine
extreme Zähigkeit auf, die für Schneid- oder Kaltumformwerkzeuge
von großem Vorteil ist. Sie lassen sich gut bearbeiten und haben ein
hervorragendes Schleifverhalten. Ihre Gebrauchshärte bleibt auch bei
Anlasstemperaturen bis zu 600 °C erhalten. Die aus diesen Stählen
hergestellten Werkzeuge zeichnen sich durch eine wesentlich höhere
Lebensdauer (Standzeit) aus als die Schnellarbeitsstähle, die aus kon-
ventioneller Herstellung stammen. Für die Hersteller von Werkzeugen
liegen die Vorteile des Einsatzes der patentierten Stahlgüten von
ThyssenKrupp Materials France darüber hinaus vor allem in den hervor-
ragenden Gebrauchseigenschaften und der hohen Wirtschaftlichkeit.
Die unter TSP (Thyssen Stahl Pulvermetallurgie) im Markt einge-
führten, pulvermetallurgisch erzeugten und durch ThyssenKrupp
Materials France optimierten Werkzeugstähle sind in ihrer chemischen
Zusammensetzung aus der Tabelle ersichtlich | Bild 3 |.
TSP 0 ist eine aushärtbare Stahlgüte mit guter Beständigkeit gegen
Verschleiß, Härteverlust bei hohen Temperaturen sowie guten Werten
hinsichtlich Formbeständigkeit und Kühlbarkeit für Anwendungen,
bei denen der Werkstoff erwärmt werden und hohen mechanischen Be-
anspruchungen standhalten muss, z.B. bei der Herstellung von Ventilen
im Gesenkschmiedebetrieb. Diese Eigenschaften wurden durch geziel-
tes Hinzulegieren von Kobalt und Molybdän erreicht. Der niedrige Gehalt
an Kohlenstoff und Silizium wirkt sich positiv auf die Zähigkeit aus.
TSP 1 ist ein Semi-Schnellarbeitsstahl mittlerer Gehalte an Legie-
rungselementen, der für die Herstellung von halbwarm arbeitenden
Schmiedewerkzeugen geeignet ist, aber auch für Kaltumformwerk-
zeuge, besonders wenn sie groß dimensioniert sind. Entsprechendes
gilt für PVD- und CVD-Beschichtungen sowie Salzbad-, Gas- oder
Plasmanitrieren. Diese Stahlgüte zeichnet sich durch sehr hohe
Zähigkeit aus. Weitere Vorteile sind hoher Verschleißwiderstand und
hohe Warmhärte als Ergebnis der speziellen Legierungskombination
durch Zusatz von Niob, Vanadium und Kobalt.
TSP 6 ist ein Hochleistungs-Schnellarbeitsstahl | Bild 3 |, der für
Werkzeuge besonders geeignet ist, die bei harten und verschleißend
wirkenden Materialien zur Bearbeitung eingesetzt werden, wie:
Zerspanwerkzeuge für stark abrasiv wirkende Materialien,
Abstech- und Automatendrehwerkzeuge,
Fräswerkzeuge mit hoher Leistungsfähigkeit und thermischer
Belastbarkeit.
Die Vorteile von TSP 6 liegen in hervorragender Schnitthaltigkeit,
hohem Verschleißwiderstand sowie ausgezeichneter Warmhärte und
sind durch den speziellen Legierungsgehalt an Wolfram, Vanadium
und Kobalt bedingt.
TSP 8 ist ein Werkzeugstahl, der vor allem für den Einsatz in der
Fertigung von Presswerkzeugen | s. Titelbild Bericht | sowie zum
Schneiden von hochabrasiven Materialien, z.B. Papier, Karton oder
glasfaserverstärkten Kunststoffen, entwickelt worden ist. Der hohe
Gehalt an Vanadium und Niob | Bild 3 | sichert den ausgezeichneten
Verschleißwiderstand bei guter Zähigkeit. | Bild 4 | zeigt die Eigen-
schaften der pulvermetallurgisch erzeugten Werkstoffgüten TSP im
Vergleich zu konventionell erzeugten Werkzeugstählen.
Güte Patent Chemische Zusammensetzung – Richtwerte in %
C Cr Mo V W Co Nb
TSP 0 Frankreich � 0,05 � 0,50 19,5 � 0,2 � 1,0 30,5 –
TSP 1 Europa 0,80 6,2 3,0 1,1 – 3,0 1,0
TSP 4 1,30 4,3 4,8 4,1 5,4 – –
TSP 5 1,60 4,8 2,3 5,1 10,0 7,9 –
TSP 6 Europa 1,85 4,8 4,8 6,3 18,5 5,8 –
TSP 8 Frankreich 2,40 6,2 3,0 8,0 – � 0,8 1,8
TSP 30 1,30 4,3 5,0 3,2 6,3 8,5 –
Bild 3 | Übersicht über die neu entwickelten, pulvermetallurgisch erzeugten Werkzeugstähle mit Richtanalysen
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Güte Patent Chemische Zusammensetzung – Richtwerte in %
C Si Mn S Cr Mo V Nb
FOR 821 ESR Europa 1,10 0,90 0,40 � 0,005 8,25 2,15 0,30 –
ADS 331) Europa 0,18 0,10 1,80 � 0,005 2,20 0,45 – 0,12
ADS 381) Europa 0,18 0,10 1,80 � 0,005 2,20 0,45 – 0,12
ADS 40 VAR2) 0,18 0,20 1,80 � 0,005 � 0,30 0,40 – –
ADS 40 ESR2) 0,18 0,20 1,80 � 0,005 � 0,30 0,40 – –
SPAL 38 0,37 0,30 0,30 � 0,005 5,10 1,35 0,45 –
SPAL 36 ESR 0,35 0,25 0,30 � 0,005 5,10 1,35 0,50 –
FORAL 390 ESR 0,38 0,16 0,35 � 0,003 5,20 1,50 0,50 –
1) Bor-Gehalt: 0,0025; Nickel-Gehalt: � 0,202) Nickel-Gehalt: 3,00; Kupfer-Gehalt: 1,10
Bild 5 | Übersicht über die weiteren, neu entwickelten Werkzeugstähle einschließlich Richtanalysen
1.2550
1.2363 1.3343
1.2379
FOR 821
TSP 1
TSP 4
TSP 5
TSP 30
TSP 8
Zähi
gkei
t
Verschleißwiderstand
Pulvermetallurgisch erzeugte Stähle Konventionell erzeugte Stähle
Bild 4 | Vergleich der neuen, pulvermetallurgisch erzeugten Werkstoffgüten TSP mit konventionell erzeugten Stählen hinsichtlich Zähigkeit und Verschleißwiderstand
Hinsichtlich der Schweißbarkeit weist ADS 33 attraktive Eigenschaften
auf, die zum Reparierschweißen und Aufschweißen besonders von
Interesse sind: durch einfaches Anlassen (Aushärtung-Wärmebehand-
lung) werden die Eigenschaften von ADS 33 in der Schweißzone wie-
der zum ursprünglichen Zustand gebracht.
ADS 38 ist eine Variante von ADS 33 mit höheren Härtewerten
(38 HRC) durch eine speziell angepasste Wärmebehandlung. Der
höhere Härtewert führt dazu, dass eine bessere Druckfestigkeit erreicht
wird, ohne dass die übrigen Vorteile von ADS 33 beeinträchtigt werden.
Warmarbeitsstähle
Die hier entwickelten neuen Güten sind im Werkzeugformenbau beson-
ders geeignet für die spanlose Formgebung, wenn lange Standzeiten
der Formen und entsprechend hohe Wirtschaftlichkeit gefordert sind.
Warmarbeitsstähle müssen durch Merkmale wie Temperaturwechsel-
beständigkeit, hoher Verschleißwiderstand, hohe Warmfestigkeit,
Warmzähigkeit und Anlassbeständigkeit gekennzeichnet sein.
Die von ThyssenKrupp Materials France in der Einsatzmatrix gezielt
auf die Verarbeiterbedürfnisse veränderten Güten weisen als 5%ige
Chromstähle eine besonders gute Wärmeleitfähigkeit und Zähigkeit
auf. Ein besonderer weiterer Vorteil ist die gute Beständigkeit gegen
Warmrissempfindlichkeit.
Bisher wurden drei neue Güten entwickelt. Während SPAL 38
als Basisgüte ausgeprägt ist, können die Güten SPAL 36 ESR und
FORAL 390 ESR | Bild 5 | vor allem in kritischen Anwendungsbereichen
eingesetzt werden, wie z.B. zur Herstellung von Werkzeugen im Ge-
senkschmiede- und Druckgussbereich.
Fazit
Die mehrjährigen Eigenentwicklungen durch das Projektteam
„Neue Werkzeugstähle“ haben zu einer Stärkung der Geschäftsver-
bindungen von ThyssenKrupp Materials France geführt. Neben den
spezifischen Werkstoffeigenschaften wirken sich vor allem die Vorteile
der höheren Einsatz- und Prozesswirtschaftlichkeit der neuen Stahlgü-
ten positiv auf die Zusammenarbeit mit den Kunden aus (Alleinstel-
lungsmerkmal). Die Entwicklungskosten sind inzwischen durch die
erhöhten Bruttogewinne aus den steigenden Lieferungen der neu-
en Werkstoffgüten mehr als überkompensiert worden.
Die Markteinführung der neuen Stahlgüten war durch intensive
Beratungsgespräche mit den Experten der Verarbeiterbetriebe ver-
bunden. Darüber hinaus wurden vielfältige Maßnahmen im technischen
und kundenorientierten Marketing von ThyssenKrupp Materials France
eingesetzt. Seit geraumer Zeit hat auch Thyssen Edelstahl Service,
Krefeld, als Spezialanbieter und Dienstleister die neuen Werkzeugstähle
von ThyssenKrupp Materials France ins Lager- und Verkaufsprogramm
übernommen. Entsprechendes gilt für die Tochterunternehmen, u.a. in
Portugal, Spanien, der Schweiz, Österreich und in den Benelux-Ländern.
Für die patentierte Kaltarbeitsstahlgüte FOR 821 ESR gibt es eine
Vereinbarung, nach der Edelstahl Witten-Krefeld (EWK) die Güte selbst
produzieren kann. Der Verkauf erfolgt jedoch nur über die Gesellschaf-
ten der ThyssenKrupp Materials AG. Gespräche über die Übernahme
von weiteren, neu entwickelten Güten in das EWK-Produktionspro-
gramm sind angelaufen.
Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte Neuentwicklungen | 7978 | Werkzeugstähle als verarbeiterorientierte Neuentwicklungen
Weitere Vorteile sind hohe Druckfestigkeit und hoher Verschleißwider-
stand ebenso wie sehr gute Anlassbeständigkeit mit Härten > 60 HRC
bei Anlasstemperaturen von über 500 °C und gute Maßhaltigkeit bei
der Wärmebehandlung. Weitere gute Resultate werden hinsichtlich
Weichbearbeitbarkeit und Schleifbarkeit erzielt.
Durch die ausgezeichneten mechanischen Werkstoffeigenschaften
von FOR 821 ESR | Bilder 6 und 7 | ist dieser Kaltarbeitsstahl im
Werkzeugbau – vor allem für Kaltumformung, Schneiden und Stanzen –
gut einsetzbar:
Schnittwerkzeuge (Stempel, Matrizen)
Abscherwerkzeuge
Profil- und Lochstempel
Kaltumformwerkzeuge (Ziehwerkzeuge, Tiefziehwerkzeuge,
Kaltfließpressstempel, Matrizen)
Riffelwerkzeuge
Gewindewalzrollen und Gewindewalzbacken
Messer und Messerwerkzeuge
Holzbearbeitungswerkzeuge
Sendzimierwalzen
Richtwalzen und Richtrollen.
Kunststoffformenstähle
Hohe Standzeiten, hervorragende Wärmeleitfähigkeit, guter Verschleiß-
widerstand, hohe Maß- und Formstabilität, Härte und Druckfestigkeit
– das sind einige der ständig wachsenden Anforderungen, die der
Kunststoffformenbau heute an die einzusetzenden Werkzeugstähle
stellt. Das Projektteam von ThyssenKrupp Materials France hat diese
wachsenden Anforderungen des Formenbaus aufgegriffen und schritt-
weise drei neue Güten für den Einsatz in dieser Branche entwickelt.
Davon sind die Güten ADS 33 und 38 europaweit patentiert worden
| Bild 5 |.
Mit einer Härte von 33 HRC ist ADS 33 eine aushärtbare Stahlgüte
mit reduziertem Kohlenstoff-Anteil. Wesentlich ist, dass die Härte-
vorgänge der Bor-Mischkristalle kombiniert zusammen mit den Niob-
Ausscheidungen erfolgen. ADS 33 ist durch folgende Merkmale
gekennzeichnet:
ausgezeichnete Ätz- und Polierfähigkeit, da keine auffallenden
Seigerungen mehr eintreten,
hervorragende Druckfestigkeit,
gleichmäßige Härte über alle Querschnitte,
bessere Bearbeitbarkeit beim Bohren und Fräsen,
gute Senkerodierbarkeit,
gute Ergebnisse beim Nitrieren, PVD-Beschichten und Hartchromen.
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Cha
rpy-
Sch
lagb
iege
wer
te [
J/cm
2 ]
80
60
40
20
0
Härte [HRC]
54 56 58 60 62 64
Bild 7 | Kerbschlagzähigkeit in Abhängigkeit von der Härte der neu entwickelten Stahlgüte FOR 821 ESR im Vergleich zu Standardgüten
50
52
54
56
58
60
62
64
66
300200nurgehärtet
400 500 600
Anlasstemperatur [°C]
Här
te [
HR
C]
FOR 821
DIN 1.2379 (AISI D2)
Bild 6 | Anlasskurven für FOR 821 ESR: Abhängigkeit der Härte HRC von der Anlasstemperatur bei der jeweiligen Härtetemperatur
Härtetemperatur 1030 °C
FOR 821
AISI A2 (DIN 1.2363)
AISI D2 (DIN 1.2379)
Einleitung
Die anhaltende Konjunkturflaute erhöht den Effizienz- und Wettbewerbs-
druck auf produzierende Unternehmen. Um die Kosten zu senken und
sich somit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, konzentrieren sich die
Unternehmen daher immer stärker auf das, was sie besser können als
andere – auf ihr Kerngeschäft, die Herstellung von Produkten. Aus
diesem Grund werden vermehrt Einzelteile von Zulieferern hergestellt
und nur noch zur Endmontage an den Produzenten geliefert. Dadurch
entsteht ein erhöhter Logistikaufwand von Zulieferteilen, die - je nach
Branche - in speziellen Behältnissen, sogenannten Kleinladungsträgern
| Bild 1 |, transportiert werden. Diese Kleinladungsträger, die meist aus
Kunststoff bestehen, werden häufig durch Zwischenlagen, Formteile,
Deckel, Kunststoffpaletten etc. | Bild 2 | komplettiert. Aufgrund der
großen Vielfalt an Zulieferteilen können sich die einzelnen Ladungsträger
und Einsätze erheblich voneinander unterscheiden. So handhabt die WIG
Industrieinstandhaltung, ein Unternehmen der ThyssenKrupp Serv,
acht verschiedene Ladungsträgertypen und über 150 verschiedene
Zwischenlagen und Formteile alleine an ihrem Standort in Remseck.
Das Problem
Die Sortierung, Reinigung, Lagerung, Kommissionierung, Konfektio-
nierung und zeitgerechte Bereitstellung der Kleinladungsträger mit
den entsprechenden Zwischenlagen und Formteilen ist personal-, zeit-
und kostenintensiv. Eine besondere Herausforderung stellt in diesem
Zusammenhang die Reinigung der Kleinladungsträger, Zwischenlagen
und Formteile dar. Da diese während ihres Einsatzes oft stark ver-
schmutzt werden (z.B. durch Öl, Staub und Produktionsrückstände),
bedürfen sie einer regelmäßigen Reinigung. Häufig lohnt sich jedoch
für einzelne Firmen die Investition in eigene, automatische Waschanla-
gen nicht. Die Auslastung der Anlagen wäre durch die Kleinladungs-
träger einer einzigen Firma nicht sichergestellt.
Die Lösung
Um ihre Kunden von diesem nicht-wertschöpfenden Aufwand zu ent-
lasten, bietet die WIG Industrieinstandhaltung ihren Industriekunden
eine neue Systemdienstleistung rund um das Handling von Kleinla-
dungsträgern an. Dabei werden alle anfallenden Arbeitsschritte von
der Sortierung und Reinigung über die Lagerung bis hin zur Kommis-
sionierung, Konfektionierung und zeitgerechten Bereitstellung der
Kleinladungsträger inklusive der Dokumentation übernommen. Der
Kunde zahlt hierfür lediglich einen Festpreis pro Kleinladungsträger.
Die Systemdienstleistung
Sofort nach der Anlieferung werden die Kleinladungsträger zunächst
nach Behältnistypen, Deckeln, Einsätzen und Sauberkeitsanforderungen
sortiert. Anschließend erfolgen Reinigung, Spülung und Trocknung
sowie Qualitätskontrolle. Für Sonderbehälter, die aufgrund ihrer Größe
nicht automatisch gereinigt werden können, steht ein mit Spritzpistolen
ausgerüsteter Handwaschplatz zur Verfügung. Abschließend werden
alle Behältnisse und Flachteile erneut sortiert, auf Paletten gestapelt
und eingelagert. Um die gereinigten Behälter und Teile zu schützen,
werden diese mit Hilfe einer Stretchmaschine automatisch mit PVC-
Folie umwickelt.
Den gereinigten Ladungsträgern wird von einer Lagerverwaltungs-
software der WIG Industrieinstandhaltung ein Platz im Regal- oder
Blocklager | Bild 3 | zugeordnet, parallel werden sie über einen Online-
Anschluss in die Bestandsverwaltung des Kunden eingegeben. Erfolgt
eine Bedarfsmeldung des Kunden an die WIG Industrieinstandhal-
tung, wird das geforderte Teilespektrum dem Lager entnommen, zum
Versand bereitgestellt und erst jetzt dem Kunden berechnet. Zum Rund-
um-Service der WIG Industrieinstandhaltung gehört natürlich – falls
erforderlich – auch die Entsorgung unbrauchbar gewordener Kleinla-
dungsträger.
Systemdienstleistungen rund um Kleinladungsträger für Industriekunden | 81
Systemdienstleistungen rund um Kleinladungsträger für Industriekunden
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DIPL.-ING. DIRK BARTELS Unternehmensentwicklung | WIG Industrieinstandhaltung GmbH, Köln
HARDY SCHWEIGL Geschäftsleiter Niederlassung | WIG Industrieinstandhaltung GmbH, Stuttgart
DIPL.-PSYCH. SABINE STOFFELS Marketing | WIG Industrieinstandhaltung GmbH, Köln
| Rhönradanlagen zur Reinigung von Kleinladungsträgern
Bild 1 | Kleinladungsträger vor und nach der Reinigung Bild 2 | Zwischenlagen und Deckel von Kleinladungsträgern
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003ThyssenKrupp techforum Juli | 2003
Fazit
Die neu entwickelten Waschanlagen erzielen eine höhere Qualität be-
züglich Sauberkeit und Trocknung der Kleinladungsträger als alle bis-
her bekannten Reinigungsmethoden. Des Weiteren ergeben sich
für die Kunden nennenswerte Kosteneinsparungen, da sie nicht in
eine Waschanlage investieren müssen und sie darüber hinaus von
Lagerhaltungs- und entsprechenden Personalkosten befreit werden.
Die WIG Industrieinstandhaltung ist in der Lage, diese Systemdienst-
leistung wirtschaftlich anzubieten, da sie die Aufträge mehrerer
Kunden an einem Standort ausführt. Auf diese Weise kann die Auslas-
tung sowohl der Waschanlagen als auch der Mitarbeiter gewährleistet
werden. Ursprünglich wurden die automatischen Waschanlagen für
einen speziellen Großkunden entwickelt, jedoch erfreut sich diese
Systemdienstleistung inzwischen einer immer größeren Nachfrage –
bedingt durch den verstärkten Outsourcing-Trend in der produzierenden
Industrie und die dadurch wachsende Bedeutung von Transportbe-
hältnissen. So hat die WIG Industrieinstandhaltung zwischenzeitlich
sogar die Reinigung von Kleinladungsträgern übernommen, die ein-
mal wöchentlich aus der Türkei und aus Frankreich angeliefert werden.
82 | Systemdienstleistungen rund um Kleinladungsträger für Industriekunden
Die Reinigungstechnik
Die Reinigung der Kleinladungsträger erfolgt in drei vollautomatischen
Waschanlagen, die von der WIG Industrieinstandhaltung mit Hilfe eines
Ingenieurbüros entwickelt und gebaut wurden. Die mit SPS-Steuerungen
ausgestatteten Waschanlagen sind Eigentum der WIG Industriein-
standhaltung und werden von ihr auf eigene Kosten betrieben.
Zwei Rhönradanlagen | siehe Titelbild Bericht | dienen der Reinigung
der Kleinladungsträger, eine Vierspurdurchlaufanlage reinigt Deckel, Zwi-
schenlagen, Formteile, Euro-Paletten und sonstige Flachteile | Bild 4 |.
Der Zu- und Abtransport der Kleinladungsträger erfolgt dabei auto-
matisch über Förderbänder.
Die Waschanlagen verfügen über einen geschlossenen Wasserkreis-
lauf. Das anfallende Schmutzwasser wird innerhalb dieses Kreislaufs
zunächst durch einen Bandfilter vorgereinigt. In einer Zwischenstufe
wird die vorgereinigte Waschflüssigkeit dann durch eine Ultrafiltrations-
anlage geleitet. Nach der abschließenden Reinigung in einer Vakuum-
verdampfungsanlage erhält das Wasser wieder Trinkwasserqualität
und steht somit dem Reinigungsprozess erneut zur Verfügung. Dank
dieses geschlossenen Systems kann die Einspeisung von Frischwasser
auf ein Minimum reduziert und die Anlage umweltverträglich betrie-
ben werden. Die Waschanlagen wurden in einer 3.500 m2 großen
Halle installiert, in der sich zusätzlich noch Lagerplätze für ca. 3.700
Paletten befinden.
Bild 3 | Eingelagerte Kleinladungsträger und Formteile Bild 4 | Bestückung der Durchlaufanlage zur Reinigung von Flachteilen
ThyssenKrupp techforum Juli | 2003