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508 Technische schrittene die PAxsche Euphorbiaceenmonographie, deren nenes Heft der Gattung Acalypha gewidmet ist, welche bei ziemlich isolierter Stellung innerhalb der Familie noch am meisten zu den Mercur~ali~ae Be- ziehungen zeigt. Die Gattung, yon der insgesamt 39o sichere Arten beschrieben werden, dehnt ihr Ver- breitnngsgebiet iiber die Tropen nnd Subtropen der Alten nnd der Neuen Welt aus, wobei abet die Dichtig- keit der Yerbreitung eine recht wechselnde ist, so dal3 sich deutlich einige Hauptentwicklungsgebiete (das IZlochland" yon 5~exiko Ms das bei weitem artenreichste, die siidamerikanischen Anden zwischen dem 1o o n. Br. und dem 20. ° s. Br., die siidbrasilianische Provinz und das Hochland yon Ost- und Sfidostafrika) mit an- schlieBenden Ausstrahlungsgebieten abzeichnen. ~ I)er Artenreichtnm ist am grOBten in Hochlandern nnd den niederen Lagen der tropischen Gebirge; eigentliche Urwaldgebiete dagegen werden gemieden, nnd in der Wiiste Iehlt die Gattung ganz. Diese Verbreitnng tiber ein groBes, jetzt dnrchWeltmeere nnterbrochenes Areal IaBt anf ein hohes Alter der Gattnng schlieBen; ihr Ursprung dfirfte nach Anslcht der X, rerff, in die t~eide oder das friiheste Tertii~r zuriickreichen nnd der Ent- stehnngsherd anf der einstigen Sfidatlantis zu suehen sein. Hinsichtlich der VVuchsform sind die zahlreichen Arten der Ga~ung reeht inannigfach; rneist handelt es sieh um Sirgucher, Halbstrfiucher odor Baume, doch sind nicht wenige Arten anch einjfihrig. Ferner ist yon morptloIogischem Interesse anch die VariabiIit~t in der Yerteilung der Geschlechter in den Blfiten- stgnden, welche zngleich auch das ftir die schwierige Aufgabe der systematischen Gliedernng wichtigste hierkmaI daxstellt. In dem Anhang (S. I79--2o4) wer- den Nachtrlige zu Iriiheren Teilen der Nonographie gebracht, hauptsi~chlich inzwischen neu bekannt ge- wordene Arten be~-effend, yon denen ein erheblicher Tell yon den Verff. selbst beschrieben wird. -- ])ie Sisymbrieae, deren ~3earbeitnng ScHvLz in Fortsetzung seiner Cruciferenmonographie bietet, stellen eine nm- fangreiche (64 Gattungen, davon einige ziemlich groB) Gruppe tier schwierigen Familie dar, die auch in der mitteleuropi~ischen Flora vertreten ist, wenngleich die Mittelnleerli~nder, Zentralasien und die Gebirge yon Mittel- und Stidamerika ihre Hanptentwicklnngszentren darstellen, neben denen auch noch Anstralien sich durch den Besitz yon einigen eigenartigen Gattungen auszeichnet. Im allgemeinen Tell werden die I~au- verhMtnisse der Friichte und Samen besonders aus- fiihrlich behandelt; Verf. hat gefnnden, dab gerade bei dieser Gruppe die Orientierung des Wtirzelchens gegenfiber den Neimbl~ttern wegen ihrer auBerordent- lichen Konstanz ein fiir die Charakteristik und Ab- grenzung wesentliches 5Ierkmal darstellt, und es ist ihm ferner auf Grund seiner eingehenden Untersuchun- gen gelungen, die Einteilung der Gruppe mit HiKe yon znm Tell allerdings ziemtich subtilen Merkmalen Mitteilungen. [ Die Natur- [wissenschaften anf eine neue Basis zu stellen. -- Die Fortsetzung der Cucnrbitaceenmonographie enth'~lt ebenfalls die Be- arbeitung einer ziemlich groBen Zahl (Nr. 37--61) yon Gattungen, die zwar, yon Beyonia abgesehen, keine urspriinglich bei uns heimischen Formen enthalten, unter denen sich aber zahlreiche als wichtige Knltur- pflanzen (z. B. Citrullus, Lu]Ja und besonders Cueumls) oder wegen besonderer biologischer Eigenttimlichkeiten (z. B. die Spritzgurke Ecballium) wohlbekannte Typen befinden. Das yon dem verstorbenen COGNIAUXhinter- lassene Manuskript ist yon HARMS, der in neuerer Zeit aneh verschiedene andere Beitr~ge iiber die Familie ver6ffentlicht hat, druckfertig gemacht worden; ein besonderes Verdienst hat der letztere sich dadurch erworben, dab er bet allen Gattungen und Arten, die als Nutzpflanzen eine Nolle spielen oder deren morpho- logische, biologische oder sonstige Verh5ltnisse ein- gehender untersueht worden sind, iiberaus inhaltsreiche und sorgffiltige Erg~nzungen t~ber die Verwendung, die Heimat, die Soften, morphologische nnd biologische EigentfimIichkeiten usw. eingefiigt hat. Anch die yon KNVTH bearbeitete Famitie der Dioscoreaceen, die in der mitteleurop~ischen Flora nnr durch die mediterran-atlantische Tamus communls ver- treten ist, enth~lt in den Jamswurzeln (Dioscorea Ba~atas n. a.) einige bekannte NutzpfIanzen wi~rmerer L~nder. Sic umfaBt 9 Gattungen, yon denen Diosco~'ea mit fiber 600 Arten die bet weitem umfangreichste ist. Letztere ist fiber den ganzen Tropengiirtel verbreitet und zeigt in Sfidostbrasilien ihre st~rkste Entwieklung, w~hrend in der Alton Welt Hinterindien mit dem stidSstlichen China an erster Stelle steht nnd n~chst- dem anch Afrika (hier u. a. in Sfidafrika die ,,Schild- kr6tenpflanze", D. [Testudinaria] elephantipes, ein durch den riesigen knolligen Grundstock morphologisch und biologiscL in gleicher Weise interessanter extremer Xerophyt) eine betr~chtliche Zahl yon Arten aufweist; in Europa kommen nur zwei nahe verwandte Arten im 1~aukasus m:d Balkan vor. anBerdem in den ttoch- pyren~en noch die monotype Gattung Borderea. Ohne auf Einzelheiten n~her eingehen zu kSnnen, set doch wenigstens hervorgelaoben, dab der allgemeine Tell der Monographie, abgesehen yon der Schilderung der morphologischenVerhMtnisse,anch eine sehr eingehende Darstellung yon den Zusammenh~ngen zwischen systematischer Gliederung der verschiedenen Unter- gattungen und Sektionen mi[der geographischen Ver- breitung enth~lt und auch die phylogenetischen Be- ziehungen der Gattungen zueinander und die verwandt- schaftliche Stellung der ganzen ~'a.milie behandelt. In letzterer Hinsicht betont Yerf. die Beziehungen zu den Amaryllidaceen nnd Taccaceen und lehnt die neuer- dings wieder vertretenen Anschanungen yon einer ¥er- wandtschaft mit den Aristolochiaceen, wodurch die Familie aus dem Rahmen der Monocotylen ganz her- ausfallen wlirde, ab. W. WAI~G~RII%Danzig-Langfuhr. Technische Stral~enbahn und Kraftomnibus im Groflstadt- verkehr. Die Frage, ob der Kraftomnibus dazu be- stimmt ist, die etektrische StraBenbahn vollst~ndig aus dem verkehrsdichten Innern der Grogst~dte zu ver- dri~ngen, besch~ftigt die Verkehrstechniker schon seit etwa 2o Jahren, seitdem nXmlich die ersten, damals yon deutschen Firmen gebanten t~raftomnibusse in den StraBen yon London in ]~etrleb gesetzt wurden. Abet obgleich seit dieser Zeit die Zahl der I{ra~tomnibusse nngeheuer zugenommen hat, kann man auch heute Mitteilungen. noch nicht sagen, dab das Problem eindeutig entschie- den worden ist. Die Schwierigkeit dieser Frage ist namentlich darin zu suchen, daft mit ihr eine groBe Zahl anderer Fragen verknilpft sind, deren Entscheidung nicht ohne weiteres m6glich ist. Dazu kommt, dab wie bet allen Fragen, die die Offentlichkeit angehe~, auch polifische Riick- sichten mitspieIen nnd daher die Entscheidungen nicht ausschlieBlich yore sachtichen Standpnnkt aus gefallt werden k6nnen.

Technische Mitteilungen

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508 Technische

schrittene die PAxsche Euphorbiaceenmonographie, deren nenes Heft der Gattung Acalypha gewidmet ist, welche bei ziemlich isolierter Stellung innerhalb der Familie noch am meisten zu den Mercur~ali~ae Be- ziehungen zeigt. Die Gattung, yon der insgesamt 39o sichere Arten beschrieben werden, dehnt ihr Ver- breitnngsgebiet iiber die Tropen nnd Subtropen der Alten nnd der Neuen Welt aus, wobei abet die Dichtig- keit der Yerbreitung eine recht wechselnde ist, so dal3 sich deutlich einige Hauptentwicklungsgebiete (das IZlochland" yon 5~exiko Ms das bei weitem artenreichste, die siidamerikanischen Anden zwischen dem 1o o n. Br. und dem 20. ° s. Br., die siidbrasilianische Provinz und das Hochland yon Ost- und Sfidostafrika) mit an- schlieBenden Ausstrahlungsgebieten abzeichnen. ~ I)er Artenreichtnm ist am grOBten in Hochlandern nnd den niederen Lagen der tropischen Gebirge; eigentliche Urwaldgebiete dagegen werden gemieden, nnd in der Wiiste Iehlt die Gattung ganz. Diese Verbreitnng tiber ein groBes, jetzt dnrchWeltmeere nnterbrochenes Areal IaBt anf ein hohes Alter der Gattnng schlieBen; ihr Ursprung dfirfte nach Anslcht der X, rerff, in die t~e ide oder das friiheste Tertii~r zuriickreichen nnd der Ent- stehnngsherd anf der einstigen Sfidatlantis zu suehen sein. Hinsichtlich der VVuchsform sind die zahlreichen Arten der Ga~ung reeht inannigfach; rneist handelt es sieh um Sirgucher, Halbstrfiucher odor Baume, doch sind nicht wenige Arten anch einjfihrig. Ferner ist yon morptloIogischem Interesse anch die VariabiIit~t in der Yerteilung der Geschlechter in den Blfiten- stgnden, welche zngleich auch das ftir die schwierige Aufgabe der systematischen Gliedernng wichtigste hierkmaI daxstellt. In dem Anhang (S. I79--2o4) wer- den Nachtrlige zu Iriiheren Teilen der Nonographie gebracht, hauptsi~chlich inzwischen neu bekannt ge- wordene Arten be~-effend, yon denen ein erheblicher Tell yon den Verff. selbst beschrieben wird. -- ])ie Sisymbrieae, deren ~3earbeitnng ScHvLz in Fortsetzung seiner Cruciferenmonographie bietet, stellen eine nm- fangreiche (64 Gattungen, davon einige ziemlich groB) Gruppe tier schwierigen Familie dar, die auch in der mitteleuropi~ischen Flora vertreten ist, wenngleich die Mittelnleerli~nder, Zentralasien und die Gebirge yon Mittel- und Stidamerika ihre Hanptentwicklnngszentren darstellen, neben denen auch noch Anstralien sich durch den Besitz yon einigen eigenartigen Gattungen auszeichnet. Im allgemeinen Tell werden die I~au- verhMtnisse der Friichte und Samen besonders aus- fiihrlich behandelt; Verf. hat gefnnden, dab gerade bei dieser Gruppe die Orientierung des Wtirzelchens gegenfiber den Neimbl~ttern wegen ihrer auBerordent- lichen Konstanz ein fiir die Charakteristik und Ab- grenzung wesentliches 5Ierkmal darstellt, und es ist ihm ferner auf Grund seiner eingehenden Untersuchun- gen gelungen, die Einteilung der Gruppe mit HiKe yon znm Tell allerdings ziemtich subtilen Merkmalen

Mitteilungen. [ Die Natur- [wissenschaften

anf eine neue Basis zu stellen. -- Die Fortsetzung der Cucnrbitaceenmonographie enth'~lt ebenfalls die Be- arbeitung einer ziemlich groBen Zahl (Nr. 37--61) yon Gattungen, die zwar, yon Beyonia abgesehen, keine urspriinglich bei uns heimischen Formen enthalten, unter denen sich aber zahlreiche als wichtige Knltur- pflanzen (z. B. Citrullus, Lu]Ja und besonders Cueumls) oder wegen besonderer biologischer Eigenttimlichkeiten (z. B. die Spritzgurke Ecballium) wohlbekannte Typen befinden. Das yon dem verstorbenen COGNIAUX hinter- lassene Manuskript ist yon HARMS, der in neuerer Zeit aneh verschiedene andere Beitr~ge iiber die Familie ver6ffentlicht hat, druckfertig gemacht worden; ein besonderes Verdienst ha t der letztere sich dadurch erworben, dab er bet allen Gattungen und Arten, die als Nutzpflanzen eine Nolle spielen oder deren morpho- logische, biologische oder sonstige Verh5ltnisse ein- gehender untersueht worden sind, iiberaus inhaltsreiche und sorgffiltige Erg~nzungen t~ber die Verwendung, die Heimat, die Soften, morphologische nnd biologische EigentfimIichkeiten usw. eingefiigt hat.

Anch die yon KNVTH bearbeitete Famitie der Dioscoreaceen, die in der mitteleurop~ischen Flora nnr durch die mediterran-atlantische Tamus communls ver- t reten ist, enth~lt in den Jamswurzeln (Dioscorea Ba~atas n. a.) einige bekannte NutzpfIanzen wi~rmerer L~nder. Sic umfaBt 9 Gat tungen, yon denen Diosco~'ea mit fiber 600 Arten die bet weitem umfangreichste ist. Letztere ist fiber den ganzen Tropengiirtel verbreitet und zeigt in Sfidostbrasilien ihre st~rkste Entwieklung, w~hrend in der Alton Welt Hinterindien mit dem stidSstlichen China an erster Stelle s teht nnd n~chst- dem anch Afrika (hier u. a. in Sfidafrika die ,,Schild- kr6tenpflanze", D. [ Testudinaria] elephantipes, ein durch den riesigen knolligen Grundstock morphologisch und biologiscL in gleicher Weise interessanter extremer Xerophyt) eine betr~chtliche Zahl yon Arten aufweist; in Europa kommen nur zwei nahe verwandte Arten im 1~aukasus m:d Balkan vor. anBerdem in den t toch- pyren~en noch die monotype Gattung Borderea. Ohne auf Einzelheiten n~her eingehen zu kSnnen, set doch wenigstens hervorgelaoben, dab der allgemeine Tell der Monographie, abgesehen yon der Schilderung der morphologischenVerhMtnisse, anch eine sehr eingehende Darstellung yon den Zusammenh~ngen zwischen systematischer Gliederung der verschiedenen Unter- gattungen und Sektionen m i [ d e r geographischen Ver- breitung enth~lt und auch die phylogenetischen Be- ziehungen der Gattungen zueinander und die verwandt- schaftliche Stellung der ganzen ~'a.milie behandelt. In letzterer Hinsicht betont Yerf. die Beziehungen zu den Amaryllidaceen nnd Taccaceen und lehnt die neuer- dings wieder vertretenen Anschanungen yon einer ¥er- wandtschaft mit den Aristolochiaceen, wodurch die Familie aus dem Rahmen der Monocotylen ganz her- ausfallen wlirde, ab. W. WAI~G~RII% Danzig-Langfuhr.

Technische

Stral~enbahn und Kraftomnibus im Groflstadt- verkehr. Die Frage, ob der Kraftomnibus dazu be- s t immt ist, die etektrische StraBenbahn vollst~ndig aus dem verkehrsdichten Innern der Grogst~dte zu ver- dri~ngen, besch~ftigt die Verkehrstechniker schon seit etwa 2o Jahren, seitdem nXmlich die ersten, damals yon deutschen Firmen gebanten t~raftomnibusse in den StraBen yon London in ]~etrleb gesetzt wurden. Abet obgleich seit dieser Zeit die Zahl der I{ra~tomnibusse nngeheuer zugenommen hat, kann man auch heute

Mitteilungen. noch nicht sagen, dab das Problem eindeutig entschie- den worden ist.

Die Schwierigkeit dieser Frage ist namentlich darin zu suchen, daft mit ihr eine groBe Zahl anderer Fragen verknilpft sind, deren Entscheidung nicht ohne weiteres m6glich ist. Dazu kommt, dab wie bet allen Fragen, die die Offentlichkeit angehe~, auch polifische Riick- sichten mitspieIen nnd daher die Entscheidungen nicht ausschlieBlich yore sachtichen Standpnnkt aus gefallt werden k6nnen.

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Heft 22. 1 T e c h n i s e h e 28.5 . X926 1

V~renn daher im nachstehenden der Versuch unter- nommen wird, den Leser dieser Zeitschrift fiber den Stand dieser Frage nach den bisherigen Erfahrungen in den meisten Grof3st~dten der XYelt zu unterrichten, so dart man nati~rlich kein abschlief3endes Urteil zu gunsten des einen oder des anderen Verkehrsmitte]s erwarten, das heute nicht m6glich w~re, sondern nut eine unbeeinfluBte Darlegung des Standes der An- gelegenheit und der Aussichten, die sich fiir eine end- gtiltige L6sung des Problems er6ffnen.

DaB der Kraftomnibus das erste Verkehrsmittel ist, das der elektrischen Stra8enbahn seit ihrer Einffihrung wirklich empfindlichen Wettbewerb bereiten konnte, s teht heute test. In allen GroBst~dten, wo neben gr6fleren Netzen yon Stral?enbahnlinien Kraftomnibusse ihren Verkehr aufgenommen haben, konnte man be- obaehten, dab yon diesem Zeitpunkt an die bis dahin gleichmagige Steigerung des Stral?enbahnverkehrs j~ih unterbrochen wurde, und obgteieh der Gesamtverkehr, namentlich in den Jabren nach dem IKriege, schne]l zunahm, bei den Stral3enbahnen keine Steigerung der Verkehrszahlen 2u verzeichnen war. Die Vorliebe der GroBst~dter wandte sich sofort dem neuen Verkehrs- mittel zn, so unvollkommen es in bezug auf Ger~iusch- und namentlich auf Geruchlosigkeit in den ersten Zeiten auch sein mochte, und an den VerkehrszaMen der Untergrundbahnen in London und Paris konnte man sogar erkennen, dab selbst diese Verkehrsmittel unter dem Wettbewerb der Kraftomnibusse zu leiden hatten, obgleich sie Ms ]3ahnen ft~r die Schnellverbindung zwi- schen weiter voneinander entfernten Punkten nicht unmit te lbar dutch den Verkehr ant der Oberfl~che der Straf3e berfihrt wurden.

Dieser Erfolg der Kraftomnibusse griindet sich zweifellos ant wirklich vorhandene technische Vorzi~ge und nicht auf voriibergehende Launen der Grol3stadt- bev61kerung. Wegen ihrer Unabh~ngigkeit von Schie- nenwegen nnd wegen ihrer im Verh~ltnis zum Gewicht hohen Motorleistung haben diese Fahrzeuge eine viel grSgere Beweglichkeit Ms die StraBenbahnwagen, was sich insbesondere im diehten Verkehr der Grol3stadt, wo hfi~ufiges Anfahren nnd ]3remsen notwendig ist und Strat3enbahnen dutch Hindernisse aufgehalten werden, denen tier Kraftomnibus noch ausweichen kann, in einer erhebliehen Verki~rzung der IRelsedauer geltend macht, obgleich die tt6chstgeschwindigkeit des Kraft- omnibusses nur selten die der Stral3enbahn erreicht: Mit dieser l~7berlegenheit in bezug ant die Daner der ganzen Reise verbindet der ]3etrieb des I~2raftonmibusses die Bequemlichkeit des Ein- und Aussteigens an der Bord- schwetIe ohne Oberschreiten des Fahrdammes uiid vor allem die geringe I-IShe des erforderlichen Anlage- kapitals, das bei StraBenbahnen zu einem groBen Teit yon den Baukosten der beim IKraftomnibusbetrieb entfallenden Gleise und der Fahrleitung verschlungen wird.

Auf der anderen Seite hat sich aber ergeben, dab die engen Stral3en im Inneren der GroBst~dte bei weite- rer Zunahme des Yerkehrs mit Kraftomnibusseii sehr leicht an der Grenze ihrer Leistungsf~higkeit anlangen k6nnen, d a b man also dann mit starker Stauuiig der Fahrzeuge an den wichtigeren Yerkehrspunkten rechnen muB, die ant IKosten der Reisegeschwindigkeit und der erreichbaren Transportleistung des Fahrzeuges geht. In London hat z. ]3. die Anzaht der IKraftomni- busse im Laufe des Jahres i924/1925 yon 3664 aul 55o2 zugenommen, so dab die Regierung gezwungen war, dutch gewisse MaBnahmen den weiteren Znstrom namentl ich der ohne bestimmten Fahrp]an verkehren- den Wagen einzuschrgnken.

Mitteilungen. 509

Gegen den ldraftomnibus macht man ferner auch geltend, dab sein Betrieb insofern zum Teil auf 6ffent- liche Kosten erfotge, Ms die Omnibus-Geseltschaften im Gegensatz zur StraBenbahn nictit verpftichtet seien, die yon ihnen befahrene StraBe zu erhalten. X, Venn man aber davon absieht, dab es bei den vielfaeh in stXdtischen I-I~nden befindlichen Omnibus-Unter- nehmungen an sich gleichgtittig ist, ob diese selbst oder ob 'die Stadt die Kosten der Stral3enerhaltung trXgt, well die etwaigen Clberschiisse in der gleichen Kasse verbleiben, so ist die Heranziehung. der StraBenbahnen zu den StraBenkosten doch welt tiefer begriindet, einmal wegen der h6heren 1Rectlte, die dieses Verkehrsmittel nach denl Kleinbahngesetz genief3t, und dann auch des- halb, well die Gleise den Stragenk6rper in besonders hohem Grade beanspruchen und viele Ausbesserungen~ namentlich der asphaltierten StraBendecken vor allem dutch die StraBenbahnschienen notwendig werden. Eine Verbesserung in dieser Hinsicht bieten die neueren Ver- fahren zum 13au solcher Stragen, wobei die Gleiszone mit sauber behauenen Granitwt~rfeln ausgeflastert wird, deren Zwischenr~ume und Anschlui3stellen an die Asphaltdecke mit Pech ausgegossen werden.

Die ,wirtscha]tlichen Ergebnisse der StraBenbahnen sind in den letzten Jahren nicht so sehr durch den Wett- bewerb der Kraftomnibusse als durch die verhMtnis- m~Big niedrigen Fahrpreise beeintr~chtigt worden, die die mittlere Einiiahme fiir je einen bef6rderten Fahrgast sehr beeintr~chtigen. Diese Einnabme ist im aii- gemeineii wesentlich geringer Ms bei den Kraftomni- bussen, deren ]3etrieb zudem yon den groBen Lasten des 14apitaldienstes und den Stragenausbesserungen nicht im gleichen NaB betroffen wird. Diesem Nachteil der StraBenbahnen gegeniiber macht es wenig aus, dab die reinen BetrJebsausgaben der Kraftomnibusse, be- rechnet auf i km zuriickgelegte Strecke, hSher~ als bei den StraBenbahnen sind und dab auch die Abschrei- bungen auf die Fahrzeuge wegen ihrer h6heren Ab- ni~tzung h6her angesetzt werden iniissen.

In bezug ant die Leistungs]it.Mg~ei~ bei der BefSrde- rung yon stoBartig aufLretendeii Menschenmassen ist allerdings die Straf3enbahn dem Kraftomnibus insofern i]berlegen, als ein StraBenbahnwagen mi t Anh~nger einschtieBlich der stehenden etwa 15o, der Kraft- omnibus mit Oberdeck dagegen bei ~,uf3erster Belastung nicht viel iiber 60 Menscheii ant einmal aufnehmen kann. Beriicksichtigt man aber , dab die Zahl der Kraft- omnibusse, die gleiehzeitig bereitgestellt werden k6nnen, nicht so beschr~nkt ist, wie bei .den an die Gleise ge- bundenen Stral3enbahnen und dab die Kraftomnibusse wegen ihrer hSheren Reisegeschwindigkeit eine ge- gebene Strecke auch 6fter als eine StraBenbahn zuri~ck- legen, so diirite, yon besondereii Ausnahmen abgesehen, in bezug auf die Leistungsf~higkeit bei der Bew~iltigung des Massenverkehrs nicht vie1 zu gunsten der StraBen- bahn tibrig bleiben.

Die Frage, ob der Kraftomiiibus die Stral3enbabn im GroBstadtverkehr ersetzen kann, h~ingt also nicht, wie man bisher vielfaeh angenommen hatte, yon der Breite der vorhandenen StraBen ab, oder. yon der StraBenfl~che, die das Bef6rderungsmittel fflr einen bef6rderten Fahrgast b e a n s p r u e h t . Denkt man sich z. 13. in den" Potsdamer und der Leipziger Strage yon Berlin die Strat3eiibahngleise beseitigt und den ganzen StraBendamm fiir den Verkehr yon IKraftomnibusseii verffigbar gemacht, so wfirde sieh hierdurch nicht etwa eine Stauung, sondern vielleicht sogar eine Erleichte- rung in der Abwicklung des Verkehrs ergeben. Atler- dings ist die Zeit des i3berganges sehr sehwierig, well auf der einen Seite die nicht roll ausgenittzten Stragen-

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bahnwagen die Stral3enbreite beengen und anf der ande- ren Seite noch nich~ genug Kraftomnibnsse im Verkehr sind.

I~Iit dem Nachweis, dab theore~isch eine 13esserung erreieht werden kann, wenn mail in gewissen, besonders s tark befahrenen Hanptverkehrsst raBen yon GroB- s tadten die StraBenbahn v611ig beseitigt nnd die Breite des Straflendammes rol l ffir den Verkehr mit Kraft- omnibussen fret maeht, soll der StraBenbahn ihre Daseinsberechtigung in GroBst~dten keineswegs ab- gesprochen werden. Denn der Kraf tomnibus ist der StraBenbahn als Verkehrsmit tel nur in einem Umkreis yon etwa 7 km um das besonders verkehrsreiche Stadt- innere fiberlegen. Darfiber hinaus steigen die Betriebs- kosten des Kraftomnibusses gegenfiber denen der StraBenbahn so schneI1, dab sick hier der ~Vettbewerb mi t der StraBenbahn yon selbst verbietet . H.

Eigenschaften des Glases. Wie mehrfach durch Aufnahme yon R6ntgenspektrogrammenT) nachge- wiesen wurde, entspr icht der innere Anfban des starren Glases durchweg dem einer Flfissigkeit~ Damit best~t igt sich die insbesondere dutch die Arbeiten von T~NN ~) begrfindete Ansicht, dab Iestes Glas eine unterkfihlte Fifissigkei~ oder L6sung dar- stetlt, also insofern etwas Regelwidriges, als fast alle anderen Stoffe beim Abkfihlen in der V~reise erstarren, dab die in der Fliissigkeit regellos vertei l ten ~otekfile sich unvermi t te l t ordnen nnd zu wohlge- s ta l te ten festen Krystal len oder KrystMliten zu- sammentreten. Wenn du tch lang anhal tendes Er- hitzen bet h6heren Tempera turen zwar auch beim Glase sich ein gewisses Krystal l isat ionsbestreben be- merkbar machen kann, so geht doch nach atlgemeiner Ansicht flfissiges Glas beim Abkfihlen ganz allm~hlieh in den knetbaren, teigigen und schlieBlich in den starren, spr6den, unterkf ihl ten Zustand fiber, wobei sick anscheinend alle Eigenschaften fortlaufend und ohne Sprung ~ndern. Neuere Forschnngen haben jedoch ergeben, dab sick hierbei deutHch mindestens drei Znst~nde in Abh~ng/gkeit yon der Tempera tur unter- scheiden tassen, die nach ihrem molekularen Aufbau verschieden sind und dutch ihr Verhal ten die Ar t der Arbeitsverfahren bet der Glasherstellung mal3gebend beeinflussen ~).

Das flfissige Glas bet Schmelztemperatur ~etwa 14oo o) ist, entsprechend dem elektrolytischen Charakter seiner Leitf~higkeit, als eine Salzl6sung aufzufassen (Silikate, Borate usw. gel6st in Glass~uren, wie Kiesel- s~ure, 13orsXure u.a . ) . Es stellt somit ein Gemisch yon Ionen und von Molekfilen des L6sungsmittels dar, die bet h6chsten Tempera~uren vieltMcht einzeln vor- liegen, im allgemeinen aber wohl Ms assoziiert zu denken sind. Die Eigenschaften dieses Gemisehes, wie LSslichkeit, Yerdampfung usw., sind durch die Gesetze der physikalischen Chemie best immt.

Das hieraus durch Abkfihlung im Gebiet der Ar- be i t s tempera tur (unterhalb etwa IOOO°) entstehende z~he Glas dfirfte insofern einen anderen molekularen Aufbau besitzen, als hlerbei einzelne Silikat-Ionen und assoziierte SiOa-MolekfiIe zu gr6Beren Komplexen zu-

~) SCH~RRE~ in Zs I~o~I )Y, Kolloidchemie t92o, S. 4o8; JAIJNc~Y, Phys. Rev. ~o, 4o5. 1922; WYCKOFF, Americ. Journ. of science 5, 455. 1923; R~ .~A~, Nature xxI, 185. 1923; SgLJAKOW nsw., Zeitschr. f. Phys. 33, 53- 1925.

~) T A ~ N I ~ , Krystallisieren nnd Schmelzen. Leip- zig 19o3.

a) 13ERaSe, Zeitschr. d. Ver. Dtsch. Ing. 7 o, 37, I29. 1926.

Mitteilungen, [ Die Natur- [wissenscha~ten

sammentreten, zwisehen denen sich kleinere Teilchen, insbesondere die Alkali-Ionen, rascher bewegen k6nnen, Dieser Znstand zeigt also eine gewisse ~_hnlichkeit mi t kolloiden L6sungen (Solen). Die Abht~ngigkeit der Menge und Gr6Be der Sol-Teilchen yon der Tem- pera tur bes t immt die Eigenschaften, yon denen arbeitstechnisch besonders wichtig die rasche .~nderung der Z~higkeit ist (Verdoppelung Ifir je etwa 5 - 1 2 ° ) • Bemerkenswert ist der Einflul3, den die zweiwertigen Ionen (und dreiwertige) ausfiben. Vergleicht man 4) den Zahigkeitsverlauf eines reinen Natron-Kiesel- s~ureglases mit dem eines ~hnlichen, in dem ein Tell des Natrons durch z. ]3. Katk ersetzt ist dadurchj dab man den Unterschied beider Z~higkeiten in Abh~ngig- keit yon der Temperatur auftr~gt, so ergibt sich dieser fflr h6here Temperaturen als nnr gering und fast gleich- bleibend. Von einer gewissen Tempera tur ab (Ag- gregations-Temp.) zeigt jedoch das Kalkglas eine st~ndig zunehmende ¥ergr6Berung der Zahigkeit, und zwar nm so starker, je mehr Alkali im Glase du tch Kalk ersetzt wurde. Die Ca-Ionen f6rdern also die 13ildung gr6•erer Ionen-Komplexe. Von der Ag- gregat ions-Temperatur an abw~rts wird auch die Krystall isationsneigung erkennbar, wobei aber t ro tz des groBen H~ufungsbestrebens tier Teilchen ihr Ord- nungsbestreben unmerkl ich Mein bleiben kann.

Der Anschein eines forf laulenden lJberganges des z~hen Glases in festes en t s t eh t infolge der Langsam- keit, mit der sick das Gleichgewicht des inneren Anf- baues einstellt. Tats~chlich l~13t sich beim Festwerden eine W~rmeemissionS), also eine Unstetigkeit , beobach- ten. Sorgt man durch langsames Abkfihlen fflr die Ausbildung des Gleiehgewichts (im sog. Kt~hlverfahren), so l~Bt sich zeigen, dab derartiges festes Glas (bet technischen GI~sern etwa unterhMb 400--500 °) andere Eigenschaften besi tzt Ms zf~hes. Tr~gt man z. t3. die Ansdehnung gut gekfihlten Glases in Abh~ngigkeit yon der steigenden Tempera tur auf, so ents tehen zwei gerade Linien mit einem 14aliCkpunkt [iflr 13zOa-Glas 6) z. t3. bei etwa 260 °, ffir SiO2-Glas 7) bet IOOO°] und die Ausdehnungszahl oberhatb dieses Knickpunktes ist um ein mehrfaches, Iomal und hock mehr, gr6Ber als unterhalb. Bet optischen Gl~sern Iinden sich meist 3 Grade mit 2 Knickpunkten, oder noch kompliziertere Verh~ltnisseS). Gleichgelegene Knicke ergeben sick ffir den Logari thmus des elektrischen Widerstandes in Abhi~ngigkeit vom Kehrwert der absoluten Tem- peraturg). Auch ifir die Lichtbrechung und andere Eigenschaften scheint ~hnliches zu gelten. Verfolgt man die W'~rmezufuhr zu elnem Glaspntver oberhalb des h6chst gelegenen Ha~apt-Knickpunktes (Trans- formations-Temp.), so ergibt sick deutIich eine Vv'~rme- absorption, die sich bis 5 ° ° yore Transformat ionspunkt an anfwXrts erstrecktS).

Alle diese Erscheinungen m6gen sich vielleicht erkl~ren ans einem Zusammentre ten der Jonen- Komplexe (oder der Molekfilassoziationen bet reinem B208- oder SiO~-Glas) des z~hen Glases zu gr6Beren Gruppen (Micelle) im festen, in fiknlicher Weise, wie

4) FI~LC~tER, Journ. of the Americ. cer. soc. 8, 339. 1925.

~} TOOL U. EIC~LIN, Jonrn. of the Americ. cer. soc. 8, 1. 1925.

6) 13~RGEl~, loc. cir. S. 129. ~) M ~ I ~ r , Journ. of the Amerie. cer. soc. 7, 8o3.

1924. ~) S A ~ s o ~ , Cpt. rend. hebdorn, des s6ances de

l 'acad, des sciences 181, 354. 1925. 9) Sc~61~BO~N, Zeitschr. f. Phys. 22, 305 . I924.

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I-Iat 2~. ] Technische ~8. 5. 1926]

sich die Kolloidchemie die Bildung eines Gels aus einem Sol vorstellt . Jedenfalls wird man festes Glas als einen besonderen Zustand aufzufassen haben, dessert ~xdchtigste Arbeitseigenschaft die Spr6digkeit ist3). Bemerkenswert ist das elektrotytische Verhal ten des festen Glases. Es wurde mehrfach gefunden, dab der S t romtranspor t du tch Glas nicht du tch die SiO 8- Ionen, sondern in der Hanptsache durch die Atkali- Ionen [vielleicht such Sauerstoif-Ionenl°)] erfoIgt. Diese sind also je nach der Temperatur mehr oder weniger s tark yon dem starren Gerfist aus dem Kom- plex der iibrigen 13estandtefle abdissoziiert und dadurch beweglich. Die zweiwertigen Jonen z. t3. der Metalte wandern, wenn fiberhaupt, nu t ~uBerst langsam und ihre Einwanderung yon auBen Ifihrt zu Produkten, die beim Erhi tzen bis zum Erweichen das Metall ab- spattenlQ). Es zeigt sich also such hier wieder, dab die zweiwertigen Ionen im Glase eine andere Rolle spielen als die einwertigen, vielleicht weil erstere in den Micell-I(omplex mi t eintreten, die letzteren draugen bleiben. Inwieweit die melhrfachen Knickpunkte bei der Ausdehnung oder Leitf~higkeit mi t einer Ver- xnderung in der Bindung der AlkMi-Ionen zusammen- h~ingen, bleibt noch zu untersuchen.

AIIe drei Glaszust~inde: flfissig, z~h, lest, h a t man vorlXufig ~1) entsprechend den R6ntgenogrammen zu den amorpben zu rechnen. Es ha t den Anschein, als ob unterha lb des Transformationspunktes ein Krystalli- sat ionsbestreben nicht meb-r vorhanden istl~), so dab diese F~daigl:eit begrenzt wiirde durch jene und die Aggregationstemperatur, und vdr ienseits dieser Punk te mit stabilen ZustAnden zu rechnen h~ t ten~) .

Eine weitere Vertiefung unseres Wissens fiber die Eigenschaften des Glases kann nu t du tch zahlreiche Messungen un te r Berticksichtigung der verschiedenen Zustandsm6glichkeiten erfolgen. Ich hoffe, in Kfirze einige Beitfiige hierzu aus dem Laborator ium des Jenaer Glaswerkes ver6ffentlichen zu k6nnen.

Die ersten Polarisationsapparate. Beim Auf- suchen der Originalpublikation yon GATJSS Theoria at t ract ionis land ich in demselben ]3ande der Ab- handlungen der G6tt inger Societ~it eine Arbei t yon J. TOBIAS IV~AYtgR mi t dem Titel : Commentat io de Polar i ta te Luminis, welche er am 21. Nov. 1812 der Gesellsehaft der Wissensehaften vorgetragen ha t~ ) , und die ich bisher in keinem Buche, such nicht in ~ilteren Lehrbfichern, erw~hnt gefunden habe, und doch gibt MAYER dar in die erste Form des Apparates an, den wit ganz allgemein als den N6rrembergschen Polari- sa t ionsapparat bezeichnen. Nebenstehende Figur ist nach dem Original MAYERS photographiert . Es bedarf keiner langen Beschreibung, nur sei erwXhnt, dab MAYER den unteren Spiegel Z mi t einem Firnis, aus Colophoniunl in Weingeist aufgel6st mi t KienruB gemiseht, auf der Rfickseite bestreicht, um das rfick- wgrtige Licht abzuhalten. JEr setzt such auseinander, dab ein mi t Amalgam belegter Spiegel ungeeignet ist, such gibt er an, diesen Appara t kons~u ie r t and be-

~0) GONTHeR-SCHULZS, Ann. d. Phys. (4) 37, 435. I912; HEYDWtgILER U, I~0PFERMANN, Ann. d. Phys. (4) 32 , 739- 191o,

~1) Vgl. v. WEIMARN, Kolloid-Zeitschr. 38, 129. 1926. ~) TOOL U. VALESEK, Scient. Pap. Bur. of Stand.

(Nr. 358 ) 15, 554. 192o. ~a) Vgl. die Bezeichnung ,,obere" und , ,untere"

Entg lasungs tempera tur bei SC~ALL~, Zeitschr. f. angew. Chem. 22, 2369. 19o9 .

~a) Commentat iones Soc, reg. scien. G6tt ingen 1813, Nr. 9.

Mitteilungen. 511

schrieben zu haben, weil die Erscheinungen bei MALUS, wegen des Fehlens eines geeigneten Apparates nicht deutlich hervor t ra ten (atque sic t an to clariora simul evadent , quae ob defectum appara tus idonei paululum obseura leguntur spud CEL. MArius). MAL~Js h a t be- kannt l ich seine Entdeckung der Polarisation so ge- macht, dab er das yon einer Glasscheibe reflektierte Sonnenlicht mi t einem Doppelspat untersuchte, einen besonderen Appara t ha t er t iberhaupt n icht angegeben. Dagegen h a t BIOT 1) einen weniger brauch- baren Appara t konstruiert , indem er die beiden Spiegel an den Enden eines weiten Rohres anbrachte , der untere war nur u m eine horizontale Achse in dem Rohr welches an dieser Stelle fast zur t-Iiilfte aufgeschnit ten war, drehbar ; der obere wurde yon zwei auf einem

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0 H M q G c~

Polar isat ionsapparat yon S. ToB. M A Y ~ I8IZ.

Ringe stehenden S~tulen gehalten, drehbar um eine horizontale Achse, und der Ring war in dem Rohre drehbar u m die Rohrachse. Der Appara t war weniger brauchbar als der MAYERsche, weiI in den Gazlg des polarisierten Lichtstrahles im Rohr keine Krystall- p la t ten oder andere Substanzen gebraeht werden konn- ten. Aber BlOT h a t hierbei den geschw~rzten Spiegel MAYORS durch den Obsidiansspiegel ersetzt.

Wenn man die MAYERsche Anordnung mi t den BIOTschen Saulen kombiniert , ha t man den ersten N6RREMBERGschen Apparat , wie er in der ersten Auflage yon MOLLEI~-PouILL~T 1842 abgebildet ist. DaB N6RR~MBERG sieh mi t Polarisation besch~ftigte~ er- fahren wir zuerst dutch eine Notiz yon POGG~NDORFF,

1) Bull. de la soc. philom. 1815.

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der bei einer Reise nach Sfiddeutschland 1832 N6RREM- BERG in Darmstad t besuchte und dort eine Reihe htibscher Polarisationsexperimente sail. E r erw~.hn* dabei aber keinen besonderen Apparat , sondern be- schreibt z u m ersten Male ein NlcoLsehes Prisma, welches ,,wenige Jahre vorher" erfunden war1). Man darf daraus woht schIiel3en, dab der Apparat , welcher naeh N6RREMBERG genannt wird, daillals noch nicht konstruier t war. Ers t auf der Naturforscherversamm- lung in Karlsruhe 1858 zeigte N6RREMBERG seinen vollkommenen Apparat .

BlOT ha t bekannt l ich in d e n oben erw~hnten Jahre auch die Absorption des ordentlichen polari- sierten Strahles durch die parallel zur Achse ge- schnit tenen Turmal inplat te entdeckt, ha t dieselbe auch ats Polarisator benutzt , aber keinen Appara t d a m i t gebaut. Das versuchte zuerst JOHN HERSCHEL'), der 2 solcher F la t ten aufstellte, yon denen die dem Auge zugewandte um die Sehrichtung drehbar war. Die uns gel~ufige Form der Drahtzange mi t den beiden Fla t ten ist yon 5IARX 1826 konstruiert3).

Auch das NlCOLsche Prisma ha t eine Vorgeschichte. Man ha t te seit MALIJS' Entdeckung vielfach mit dem vollst~indigen Doppelspatkrystall als Analysator ge- arbeitet . BR~WSTER empfand es sehr st6rend, dab i n n e r die beiden 13ilder s ichtbar waren. Um das zu vermeiden, *schnitt er den Krystall schr~g durch und machte die Schnittfl~iche ranh, so dab sie beide Strahlen diffus reflektierte~). Um nun einen der beiden Strahlen doch durchzulassen, t r~nkte er die rauhe Schnittfl~che mi t einer Flfissigkeit, deren Brechungsquotient dem des ordentlichen Strahles entsprach, so ging der ordentliche Strahl durch die Fl~che ungehrochen hindurch, w~ihrend der auBer- ordentliche nach wie vor reflektiert wurde. Ffir eine best immte Lage des t~rystalls war es natfirlich auch m6gtich, den aui3erordentlichen zum Durchgehen zu bringen und den ordenflichen zu reflektieren. Diese BREWSTERsche Methode, die ja mancherlei M~ngel hat te , war der Wegweiser itir NlcoL, der die diffuse Reflektion durch die totale des ordentl ichen S~ahles ersetzte. Der erste Apparat , bei welchem zwei Nicols angewandt wurden, sowohl als Polarisator wie Analysa- tor, ist yon Dove konstruier t und war gleich sehr vollkommenS).

Die Geschwindigkeit der Zersetzung yon Ammoniak in Stickstoff und Wasserstoff bei hoher Temperatur wird nach Mteren Beobachtungen s tark verminder t du tch Zusatz yon Wasserdampf wie aueh von Chlor- wasserstofL U m diese Angaben naehzuprfifen und ins- besondere anch alas Wesen dieses Einflusses kennenzu- lernen, ha t A. SCHMIDT (Zeitschr. f. angew. Chem. 38, I I46 , 1925) die Kinetik des Ammoniakzerfalles einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Die Versuche wurden n i t s t rSmendem Gas in einem PorzellangefXt~ von IOO ccm ausgeffihrt, das in einem elektrischen Ofen

~) Pogg. Ann, 29, I8Z. 1833 u. Edinb. New phil. journ . 1I, 83.

2) P h i l Trans. i82o, S. 45~ a) Schweigg. Jah rbuch 49, 181. 1827. a) Phil: Trans, 1819, S. 146. ~) Pogg. Ann. 35, 596. 1835.

Mitteitungen. r Die Natur- [wissenschaften

auf kons tanter Temperatur (7oo ° - IOOO °) gehalten wurde. ZunAchst zeigte sich die sehr merkwfirdige Erscheinung, dab die Zersetzungsgeschwindigkeit tage- lang s tark zunahm, so dab sie nach etwa 8 Tagen auf das Ft~nfzigfache ihres Anfangswertes gestiegen war; weiterhin blieb sie aber konstant . Die Erkl~trung hierftir konnte nur in der Bildung eines wirksamen Kataly- sators des Alnmoniakzerfalles gesucht werden, und ta t - s~chlich liel3 sich auf der inneren Wand des Porzellan- gef~Bes ein grauer Beschlag erkennen, der sich nach seinen chemischen Reaktionen als Eisen erwies, das durch die Reduktionswirkuflg yon Wasserstoff auf die Eisenverbindungen des Porzellans gebildet war. Hier- mit ha t die Zunahme der Zerfallsgeschwindigkeit eine befriedigende Erkl~rung gefunden, da Eisen als s tarker Katalysator des Ammoniakzerfalles bekannt ist. Gleichzeitig erh~lt man aber auch eine Deutung fiir den frfiher beobachteten verz6gernden Eillflul3 yon Wasserdampf, denn da dieser bei den in Frage kommen- den Temperaturen das Eisen 0xydiert, so vernichtet er den Katalysator oder verhinder t dessert Bildung. Diese Deutung lieB sich in eleganter Weise experimen- tell beweisen. Die Reaktion zwischen Eisen und Wasser- dampf -- 3 1 ? e + 4 H ~ O ~ - F e s O a + 4 H 2 -- ist um- kehrbar, d. h. Itir jede Temperatur ist ein best immtes VerhXltnis yon H~O/H 2 vorhanden, oberhMb dessen Eisen oxydiert, un terha lb dessen Eisenoxyd reduziert wird. Indem nun A. SCHMII)T dem zu zersetzenden Ammoniak wechselnde Wasserdampfmengen zusetzte, konnte er feststellen, dab der Zerfall des Ammoniaks eine sehr merkliche VerzOgerung erleidet, sobMd der Part iaIdruck des ~Vasserdampfes diejenigen XYerte er- reicht, die nach den bekannten Zahlen iflr das Gleich- gewicht zwischen Eisen und Wasserdampf eine Oxyda- t ion des Eisens erm6glichen. Die Wirkung des Wasser- dampfes ist demnach keine unmit te lbare Ver~nderung der Zerfallsgeschwindigkeit des Ammoniaks, sondern eine mittelbare, bedingt durch Zerst6rung des die Zer- setzung regelnden Katalysators.

,In ~thnlicher Weise l~Bt sich nun auch die Wirkung yon Ct~orwasserstoff erkl~tren; indem dieser sich mi t Eisen zu einem fl~chtigen Chlorid vereinigt, das aus der Reaktionszone entweicht, kann die Bildung eines wirksamen Katalysators (feinverteiltes Eisen) nicht zustande kommen, und so wird in Gegenwart yon HC1 nut die ,,natflrliche" (katalysatorfreie) langsame Zer- fallsgeschwindigkeit des Ammoniaks zur Beobachtung gelangen. Auch diese Vorg~nge lieBen sich experimen- telt verfolgen.

Die Zersetzung des Ammoniaks bei holler Tempera- tu r spielt eille erhebliche Rolle bei der Verkokung von Steinkohlen, w o e s wesenttich ist, den Stickstoff der Kohle mSglichst vollst~ndig in Form yon Ammoniak zu gewinnen. Um dies Ziel zu erreichen, ha t man auch die schtitzende Wirknng yon Wasserdampf und Chlor- wasserstoff benutzt , und eine groBeAnzahl von Pa ten ten besch~iftigt sieh mi t den verschiedenen Verfahren, u m diese ,,Schutzstoffe" in die Vergaser einzuffihren. Man darf wohl annehmen, dab die Aufkl~run~en, die die ScHmOTschen Untersuchungen fiber den Mechanismus tier sch~tzenden ~¥irkung yon ~¥asserdampf und Chlor- wasserstoff beim AmmoniakzerfaI1 gebracht haben, auch auf die Entwicklung der Verkokungstechnik nicht ohne EinfluB bleiben werden. KI, L.