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Teil 8

Die Rechtsstellung der Beteiligten in FG-Familiensachen

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A. Verfahrensrechte und -pflichten

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I. Verfahrensrechte

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1. Recht auf Hinzuziehung

• Regelung des Rechts auf Hinzuziehung in § 7 • Förmliche Zurückweisung des Antrags auf

Hinzuziehung nach § 7 Abs. 2, 3• Anfechtung der Zurückweisung mit der

sofortigen Beschwerde, § 7 Abs. 2, 3 i.V.m. §§ 567 – 572 ZPO, für Muss- und für Kann-Beteiligte

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2. Recht auf Unterrichtung und Belehrung

§ 7 Abs. 4:S. 1: Benachrichtigung von Muss- oder Kann-

Beteiligten vor VerfahrenseinleitungS. 2: Belehrung über Antragsrecht

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3. Recht auf Akteneinsicht

§ 13 Abs. 1: Einsicht in Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle,soweit nicht schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen.Abs. 6: Entscheidung durch das Gericht, bei Kollegialgerichten durch den Vorsitzenden

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4. Recht auf Bekanntgabe von Dokumenten und Entscheidungen

§ 15:- Bekanntgabe von Dokumenten, deren Inhalt eine

Frist- oder Terminsbestimmung enthält oder den Lauf einer Frist auslöst, durch Zustellung oder Aufgabe zur Post

- Bei Bekanntgabe an verfahrensunfähige Beteiligte ist gesetzlicher Vertreter Bekanntgabeempfänger

- Persönliche Bekanntgabe auch an Verfahrensunfähigen, wenn er nach dem Gesetz selbst Verfahrenshandlungen vornehmen kann

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5. Anhörungsrecht

§ 34: Persönliche Anhörung des Beteiligten erforderlich,• zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörsoder• wenn gesetzlich vorgeschrieben (z.B. §§ 159,

160, 167, 192, 278, 284, 296, 297, 319, 420).Bei Verletzung: Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung in aller Regel beruht (BVerfG BeckRS 2010, 42309).

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6. Beschwerderecht bei Rechtsbeeinträchtigungen

§ 59:Abs. 1: Rechtsbeeinträchtigung Abs. 2: Zurückweisung des Antrags im

AntragsverfahrenAbs. 3: Beschwerdeberechtigung von

Behörden

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II. Verfahrenspflichten

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1 . Objektive Feststellungslast

Grundsatz: Amtsermittlung (§ 26)Beteiligte sollen Anhaltspunkte für die Amtsermittlung beibringen. Sie haben keine Beweisführungslast (subjektive Beweislast).Ist eine Tatsache nicht aufklärbar, so trägt jeder Beteiligte die objektive Feststellungslast für die ihm günstige Norm.

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2. Mitwirkungspflichten

§ 27 FamFG: Abs. 1: Die Beteiligten sollen bei der

Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Abs. 2: Die Beteiligten haben ihre Erklärungen

über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

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3. Echte Handlungspflichten

• Verfahrensförderungspflicht(Zivilprozess: Pflicht zur sachgemäßen und sorgfältigen Prozessführung (Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 2 Rn. 14)• Vollständigkeitsgebot• Wahrheitspflicht (§ 138 ZPO) - Lügeverbot

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4. Folgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten

Mitwirkungspflichten sind nur begrenzt erzwingbar, aber:§ 33: Pflicht zu persönlichem Erscheinen, Ordnungsgeld,

Vorführung§ 35: Verhängung von Zwangsmitteln

§ 81: Nachteilige Kostenfolgen Einfluss auf den Umfang der gerichtlichen

Ermittlungen Keine Präklusion

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B. Ausübung der Beteiligtenrechte - Anwaltszwang

I. Grundsatz:Ein Anwaltszwang besteht in FG-Familiensachen im allgemeinen nur vor dem BGH, § 10 Abs. 4 (Ausnahme: Richterablehnung und VKH).Beachte: In Ehesachen und Folgesachen und in selbstständigen Familienstreitsachen müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, § 114 Abs. 1, Ausn.: Abs. 4.

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II. FG-Familiensachen als Folgesachen

Für FG- Familiensachen besteht vor den Amtsgerichten und den OLGs nur dann Anwaltszwang, wenn sie Folgesachen i.S.d. § 137 sind.

Abgetrennte Folgesachen nach § 137 Abs. 2 (VA, Ehewohnung- und Hausratssachen) bleiben Folgesachen, § 137 Abs. 5 S. 1, also Anwaltszwang.

Abgetrennte Folgesachen nach § 137 Abs. 3 (Kindschaftssachen) werden als selbstständige Verfahren fortgeführt, § 137 Abs. 5 S. 2, also kein Anwaltszwang.

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III. Vertretung durch Rechtsanwälte

Grundsatz: Vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen und die Beteiligten in Familienstreitsachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 114 Abs. 1). Jeder zugelassene RA kann vor dem AG und dem OLG auftreten.Ausnahme: Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 114 Abs. 2).

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch eigene Beschäftigte vertreten lassen, beim BGH müssen diese die Befähigung zum Richteramt haben (114 Abs. 3).

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C. Beschwerdebefugnisse

§ 59:Abs. 1: Rechtsbeeinträchtigung Abs. 2: Zurückweisung des Antrags im

AntragsverfahrenAbs. 3: Beschwerdeberechtigung von

Behörden

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I. Beeinträchtigung in einem Recht (§ 59 Abs. 1)

• Unmittelbar nachteiliger Eingriff in die materielle Rechtsstellung des Beschwerdeführers (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1), Möglichkeit der Beeinträchtigung reicht grundsätzlich nicht aus.

• Verletzung von Verfahrensrechten, falls hierdurch Möglichkeit der Verletzung in materiellen Rechten

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II. Beschwerdebefugnis im Antragsverfahren (§ 59 Abs. 2)

Im Antragsverfahren ist bei Zurückweisung des Antrags nur der Antragsteller beschwerdebefugt:Auch hier materielle Beschwer erforderlich, aber Einschränkung des Kreises der Beschwerdeberechtigten.

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III. Beschwerdeberechtigung von Behörden (§ 59 Abs. 3)

Verweis darauf, dass die Beschwerdebefugnis der Behörde gesetzlich geregelt sein muss. Die Behörde muss erstinstanzlich nicht beteiligt gewesen sein, keine weiteren Voraussetzungen! (Bsp.: 162 III, 176 II, 194 II, 195 II, 205 II, 303 I, 335 V FamFG, § 53 PStG)

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IV. Beschwerderecht Minderjähriger (§ 60)

Kind oder Mündel ab Vollendung des 14. Lebensjahres hat eigenes Beschwerderecht, unabhängig vom Willen der sorgeberechtigen Personen. In erster Instanz kann es allerdings nicht selbstständig Anträge stellen.

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Fall: Beschwerdebefugnis der Großeltern, BGH, Beschl. v. 2.2.2011 – XII ZB 241/09, FamRZ 2011, 434

„Das Verfahren betrifft die elterliche Sorge für den am 27. Januar 2000 geborenen Maximilian. Das Sorgerecht für das nichtehelich geborene Kind stand allein der Mutter zu. Der Vater hatte bis Anfang 2004 regelmäßige Kontakte zu dem Kind. Von 2004 bis Mitte 2006 verbüßte er eine Haftstrafe. Danach hatte er gelegentlich, aber unregelmäßig Umgang mit dem Kind.Am 3.2.2008 verstarb die Mutter. Seit ihrem Tod hält sich das Kind bei den Großeltern mütterlicherseits auf. Die Großeltern haben die Vormundschaft für das Kind beantragt.

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Das Amtsgericht - Familiengericht - hat zunächst das Jugendamt mit dem Wirkungskreis der Vertretung in allen Angelegenheiten zum Ergänzungspfleger bestellt, später - jeweils durch vorläufige Anordnung - die Vermögenssorge und Nachlassregelung auf die Großmutter mütterlicherseits, die Beschwerdeführerin, übertragen. Ferner hat es für das Kind einen Verfahrenspfleger bestellt.Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die elterliche Sorge dem Vater übertragen, hiervon aber erhebliche Bereiche ausgenommen.

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Die Befugnisse betreffend Aufenthaltsbestimmung, Antragsrecht nach SGB VIII, Gesundheitsfürsorge, Schulbelange und Regelung der Unterhaltsfragen und des Umgangs hat es dem Beteiligten zu 5 (Katholische Jugendfürsorge e.V.) als Ergänzungspfleger übertragen. Die bereits vorläufig der Großmutter übertragenen Befugnisse (Vermögenssorge und Nachlassregelung) hat es dieser dauerhaft übertragen.Gegen den Beschluss hat die Großmutter Beschwerde eingelegt und damit das Ziel verfolgt, die gesamte Personensorge übertragen zu erhalten. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde wegen fehlender Beschwerdeberechtigung der Großmutter verworfen. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde.

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§ 59 Abs. 1 FamFG: Beschwerderecht der Großmutter?Jeder, "dessen Recht" durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Ist ein subjektives Recht der Großmutter beeinträchtigt?1. Subjektives Recht der Großmutter:

Als Großmutter? Als Vermögens- und Nachlasssorgeberechtigte? Als Betreuungsperson?

2. Beeinträchtigende Verfügung: Übertragung des Sorgerechts auf den Vater und Übertragung einzelner Sorgerechtsbefugnisse auf den Beteiligten zu 5

(Katholische Jugendfürsorge e.V)

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(1) Subjektive Rechte der Großmutter

1. Großeltern nicht Träger des Elternrechts:„Aus dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG ergibt sich ein Beschwerderecht der Beschwerdeführerin nicht. Unabhängig von der Frage, ob aus Art. 6 Abs. 2 GG eine Beschwerdeberechtigung hergeleitet werden kann, sind die Großeltern grundsätzlich nicht Träger des Elternrechts. Denn die Verfassung sieht keine Grundrechte der Großeltern vor, die den Rechten der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG entgegengesetzt werden könnten (BVerfGE 19, 323, 329 = FamRZ 1966, 89, 90; Badura in Maunz/Dürig GG Art. 6 Rn. 99).“2. Großeltern als Vormund (hier: Vermögens- und Nachlasssorgeberechtigte):„Etwas anderes gilt, wenn Großeltern - etwa als Vormund - anstelle der Eltern für die Erziehung und Pflege des Kindes verantwortlich sind. In diesem Fall steht auch ihnen in diesem Bereich der Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG zu (BVerfGE 34, 165, 200). Ob die Großeltern in diesem Fall generell beschwerdeberechtigt sind, kann im vorliegenden Fall offenbleiben.“

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3. Großeltern als Betreuungspersonen:„Eine Beschwerdeberechtigung ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin und dem Großvater übernommenen tatsächlichen Verantwortung für das Kind. Zu beachten ist allerdings, dass die Großeltern mütterlicherseits das Kind seit dem Tod seiner Mutter betreuen und versorgen. Insofern ist der Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG berührt. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in der staatlichen Schutzpflicht für die aus Eltern und Kindern bestehende Familiengemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 GG) sowie aus dem Vorrang der Eltern bei der Verantwortung für das Kind (Art. 6 Abs. 2 GG) Verfassungsgrundsätze gesehen, die eine grundsätzlich bevorzugte Berücksichtigung der Familienangehörigen bei der Auswahl von Pflegern und Vormündern gebieten (BVerfG FamRZ 2009, 291 Rn. 21). Zugleich hat es hervorgehoben, dass nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das von Art. 8 EMRK gewährleistete Familienleben zumindest auch nahe Verwandte - zum Beispiel Großeltern und Enkel - umfasse.“

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„Auch auf diese Grundsätze kann indessen jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls eine Beschwerdeberechtigung der Großeltern nicht gestützt werden. Zwar gebietet § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass bei der Auswahl des Vormunds unter anderem die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel berücksichtigt werden muss. Entsprechendes gilt gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Auswahl des Pflegers. Dieser materiellen Rechtslage entsprach die ursprüngliche Beschwerdeberechtigung in Vormundschaftssachen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1, 3, 8, 9 FGG (vgl. § 69g Abs. 1 FGG für Betreuungssachen). Im Zuge der gesetzlichen Neuordnung und der Zuordnung dieser Angelegenheiten zu den Familiengerichten ist allerdings - wie oben ausgeführt - der Kreis der Beschwerdeberechtigten verkleinert worden. Der Gesetzgeber hat diese Folge bereits durch die Einführung des § 57 Abs. 2 FGG bezweckt, um im Interesse der Rechtssicherheit den Kreis der Beschwerdeberechtigten bei mit befristeten Rechtsmitteln anfechtbaren Entscheidungen überschaubar zu halten.

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Die Fachgerichte haben den nach den vorbeschriebenen gesetzlichen Änderungen seit 1998 vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss des allgemeinen Beschwerderechts Verwandter zu respektieren und sind auch im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht dazu befugt, den unmissverständlichen Willen des Gesetzgebers zu korrigieren (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/09 - FamRZ 2009, 1477 Rn. 28 mwN).Eine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Beschwerdeführerin aus dem Kreis der Beschwerdeberechtigten vermag der Senat nicht zu erkennen.Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 GG ist bereits ausgeführt worden, dass die Großeltern grundsätzlich nicht Träger des Elternrechts sind. Sind die Großeltern teilweise in die Rechtsstellung der Eltern eingerückt, so ist der ihnen zukommende verfassungsrechtliche Schutz auf die ihnen übertragenen Rechtszuständigkeiten begrenzt. Das Elternrecht der Beschwerdeführerin kann durch den Beschluss des Amtsgerichts demnach nicht verletzt worden sein.

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Dass der Gesetzgeber sich dieser Folgen bewusst war, zeigt sich in der bereits in Bezug genommenen Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/11035 S. 26), nach welcher gerade der Fall eines nach §§ 1671 Abs. 3, 1666 BGB angeordneten Sorgerechtsentzugs erfasst werden sollte, obwohl für diesen das sogenannte Verwandtenprivileg nach § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB regelmäßig greift. Dass der Ausschluss der Beschwerdeberechtigung auch naher Verwandter vielmehr stets gewollt war, zeigt sich auch an der im Rahmen der Neuregelung durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl I S. 2586) getroffenen Regelung. Aus § 59 FamFG ergibt sich, dass die Beschwerdeberechtigung nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich von einer Rechtsbeeinträchtigung abhängt. Wie zum Vergleich die gesetzliche Regelung für Betreuungssachen in § 303 Abs. 2 FamFG belegt, bedarf eine weitergehende Beschwerdeberechtigung der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Gleichzeitig stellt das Gesetz in der Ausnahmevorschrift klar, dass den Angehörigen und Vertrauenspersonen das Beschwerderecht, das ebenso vor dem Hintergrund bestehender Auswahlvorschriften (§ 1897 Abs. 5 BGB) steht wie die Vormundschaft (§ 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB) und die Pflegschaft (§ 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht aus eigenem Recht, sondern nur "im Interesse des Betroffenen" eingeräumt worden ist (ebenso § 335 Abs. 1 FamFG für Unterbringungssachen und § 429 Abs. 2 FamFG für Freiheitsentziehungssachen).

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4. Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG/ Art. 8 EMRK„Das Familienleben zwischen Großeltern und dem betroffenen Kind bleibt bestehen. Die Großeltern sind insoweit durch § 1632 Abs. 4 BGB geschützt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. August 1999 - XII ZB 109/98 - FamRZ 2000, 219 f. und vom 11. September 2003 - XII ZB 30/01 - FamRZ 2004, 102 sowie vom 13. April 2005 - XII ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975 jeweils zu vergleichbaren Fragen bei Pflegeeltern). „

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(2) Rechtsbeeinträchtigung

1. Kein Eingriff in Rechte als Vormund:keine Rechtsbeeinträchtigung durch die „Verfügung“, weil die Großmutter nur Vermögenssorge und Nachlassregelungsbefugnis hatte, nicht aber die an den Beteiligten zu 5 übertragenen Rechte. Die ihr eingeräumten Befugnisse sind ihr vielmehr verblieben:„Denn in die den Großeltern vorläufig eingeräumten Befugnisse (Vermögenssorge und Nachlassregelung nach der Mutter) hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss nicht eingegriffen, sondern hat sie der Beschwerdeführerin vielmehr dauerhaft übertragen.Auch wenn die Beschwerdeführerin in diesem Rahmen an die Stelle der Eltern getreten ist und sich demnach auf das Elternrecht berufen kann, fehlt es an der Rechtsbeeinträchtigung, weil der übertragene Bereich der Beschwerdeführerin unverändert zusteht. Dementsprechend kann sie sich

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auch nicht gegen die Übertragung von Sorgerechtsbefugnissen auf den Beteiligten zu 5 als Ergänzungspfleger wenden. Denn die dem Beteiligten zu 5 übertragenen Befugnisse haben ihr nie zugestanden. Die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin unterscheidet sich insofern im Übrigen nicht von derjenigen der am Verfahren nicht beteiligten Großeltern väterlicherseits, die allein im Hinblick auf die Verwandtschaft dem Kind gleich nahe stehen.“2. Kein Eingriff in das Familienleben„Soweit die Beschwerdeführerin sich auf den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG berufen kann, ist darin ebenfalls nicht eingegriffen worden. Dass das Kind seinen Aufenthalt weiterhin bei den Großeltern haben soll, ist Grundlage der amtsgerichtlichen Entscheidung und wird weder vom Vater noch von den sonstigen Beteiligten in Frage gestellt. Das Familienleben zwischen Großeltern und dem betroffenen Kind bleibt bestehen. Die Großeltern sind insoweit durch § 1632 Abs. 4 BGB geschützt

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(vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. August 1999 - XII ZB 109/98 - FamRZ 2000, 219 f. und vom 11. September 2003 - XII ZB 30/01 - FamRZ 2004, 102 sowie vom 13. April 2005 - XII ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975 jeweils zu vergleichbaren Fragen bei Pflegeeltern). Soweit die Beschwerdeführerin befürchtet, das Familiengericht könne zumindest mittel- oder langfristig das Aufenthaltsbestimmungsrecht in Zukunft dem Vater übertragen, und der Meinung ist, auch eine vorbereitende Entscheidung stelle eine Rechtsverletzung der Großeltern dar, ist dem nicht zu folgen. Erforderlich ist vielmehr eine aktuelle und unmittelbare Rechtsverletzung. Demnach liegt schließlich auch kein Eingriff in das Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK vor.“

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Fall: Beschwerderecht Minderjähriger

V und M haben um das Sorgerecht gestritten. Das Amtsgericht hat der M die elterliche Sorge übertragen.Das Kind K möchte gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen, weil es lieber bei V leben möchte. Es ist a) 10 Jahreb) 15 Jahre alt.Welche Möglichkeiten hat K?Wann beginnt die Beschwerdefrist, wenn der Beschluss nur den Eltern und dem Verfahrensbeistand, nicht aber K zugestellt worden ist?

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Falllösung:

Frage 1:§ 59 FamFG: K ist in seinen subjektiven Rechten durch die Entscheidung unmittelbar betroffen und daher beschwerdeberechtigt. Fraglich ist aber die Verfahrensfähigkeit bzw. Beschwerdefähigkeit. Ist er über 14 Jahre, so ist er nach §60 FamFG ohne die Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter zur Beschwerdeeinlegung berechtigt. Ist er hingegen unter 14 Jahre, so müssen für ihn nach § 7 Abs. 2 seine gesetzlichen Vertreter handeln, M wird aber bei der Vertretung nicht mitwirken wollen. Hier kommt die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Betracht. Allerdings sieht § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG vor, dass der Verfahrensbeistand im Interesse des Kindes Beschwerde einlegen kann, ohne allerdings dessen gesetzlicher Vertreter zu sein. Dies dürfte ausreichen, um die Interessen des unter 14-jährigen Kindes zu schützen. Frage 2:Die Beschwerdefrist beginnt nach § 63 Abs. 3 mit der Bekanntgabe an die Beteiligten, für den Minderjährigen mit Zustellung des Beschlusses an seinen gesetzlichen Vertreter, § 15 FamFG. Aber: Interessenkonflikt der Eltern. Bedarf es für die Entgegennahme des Beschlusses der Bestellung eines Ergänzungspflegers?

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Fall: Beschwerderecht des Kindesvaters gegen Fremdplatzierung des Kindes

(OLG Bremen, Beschl. v. 29.0.5.2012 – 4 UF 50/12, juris)

Der alleinsorgeberechtigten M wurde nach § 1666 BGB die elterliche Sorge für K entzogen und auf das Jugendamt übertragen. K befindet sich in einer Pflegefamilie. Im erstinstanzlichen Verfahren hat M mit Billigung des Familiengerichts eine Umgangsregelung mit dem Jugendamt geschlossen. Der Vater V war im erstinstanzlichen Verfahren nicht vertreten, ihm wurde allerdings das Terminprotokoll mit dem Billigungsbeschluss zugeleitet. V legt gegen den Billigungsbeschluss Beschwerde ein, mit der er geltend macht, dass die vereinbarte Ausweitung der Umgangskontakte mit M für das Kind schädlich sei. Außerdem gehe die Vereinbarung zu seinen Lasten, weil die Pflegemutter den Umgang des K mit ihm einschränken werde.Ist die Beschwerde zulässig?

Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey 258

Page 39: Teil 8 Die Rechtsstellung der Beteiligten in FG-Familiensachen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey 221

Lösung

§ 59 Abs. 1: Beeinträchtigung eines dem V zugeordneten Rechts?Unmittelbare Beeinträchtigung oder Gefährdung eines subjektiven Rechts erforderlich. Mittelbare Beeinträchtigung oder berechtigtes Interesse genügen hingegen nicht. Hier: Beeinträchtigung des Rechts auf Umgang?

(-), kein subjektives Recht auf Umgang zu jeder beliebigen Zeit Beeinträchtigung des Elternrechts?

(-), nicht Inhaber der elterlichen Sorge Geltendmachung einer Schädigung des Kindes?

(-), kein eigenes subjektives Recht

Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey 259