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Thailand: Das unruhige Königreich

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In den vergangenen Tagen versammelten sich über 100.000 Anhänger des ehemaligen Premierministers Thaksin

Shinawatra – die sogenannten Rothemden - in Bangkok. Sie forderten die Regierung ultimativ zum Rücktritt auf.

Die Rothemden werfen dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei und jetzigen Premierminister Abhisit Vejjaji-va vor, an einer politischen Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. Abhisit war im Dezember 2008 mit Hilfe 

eines Urteils des Obersten Gerichtes ins Amt gekommen. Die Richter hatten die damalige Regierungspartei aus 

dem Thaksin-Lager wegen Wahlbetrugs aufgelöst. Abhisit weist den Vorwurf politischer Einflussnahme zurück.

Inzwischen verlieren die Proteste gegen ihn an Fahrt.

Thailand:

Das unruhige Königreich

Bangkok, 25.3.2010

Bericht aus aktuellem AnlassN° 10/2010

von Dr. Sebastian Braun

Aktuelle Informationen zur Projektarbeit der Stiftung für die Freiheit finden Sie unter www.freiheit.org

Premierminister Abhisit lehnt die zentralen Forde-rungen der Demonstranten nach Parlamentsauflö-sung und Neuwahlen ab. Aus Sicherheitsgründenverlegte der Regierungschef seinen Amtssitz vorü-bergehend in eine Militärkaserne. Die Regierung

möchte weiter an ihrem Vorhaben festhalten, eineeinvernehmliche Verfassungsänderung zu verab-schieden. Erst danach könnten vorzeitige Wahlenfolgen. Turnusgemäß wären die nächsten Parla-mentswahlen im Dezember 2011. PremierministerAbhisit schlug die nationale Menschenrechtskom-mission als Mittlerin in dem Konflikt vor. Die Rot-hemden lehnten dieses Gesprächsangebot vergan-gene Woche ab. Der Kommission mangele es anUnabhängigkeit, lautete die von Thaksin selbst vor-gebrachte Begründung. Somit halten die Spannun-gen an.

Den Streitkräften wurden am 11. März mit derAktivierung des Gesetzes über die innere Sicherheit(ISA) Sondervollmachten in und um Bangkok ein-geräumt. Sie können ein Ausgehverbot verhängenund Straßensperren aufstellen. Ursprünglich soll-

ten die Maßnahmen eine Woche lang gelten. Siewurde am 23. März um eine weitere Woche ver-längert.

Die Rothemden begannen am Freitag, den 12.März, sich in Bangkok zu versammeln. Die Zahl derProtestler erreichte am 14. März, dem Höhepunktder Kundgebungen, ca. 100.000 Teilnehmer. Dasentsprach jedoch nur einem Zehntel der zuvor vonRothemdensprechern angekündigten Teilnehmer-zahl von einer Million Menschen. Mittlerweile sindimmer weniger Demonstranten auf der Straße,

nach Polizeiangaben derzeit noch ca. 10.000.

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Dieses Mal sind die Kundgebungen bis dato weitge-hend frei von Gewalt. Lediglich am Anfang der Pro-teste explodierten drei Granaten in einer Kaserneund verletzten zwei Soldaten. Bei weiteren Explosi-

onen vor Regierungsgebäuden gab es keine Verletz-ten. Die letzte große Protestaktion der Rothemdenim April vergangenen Jahres war dagegen noch vonschweren Ausschreitungen begleitet gewesen. Mehrals 120 Menschen wurden verletzt und die Rothem-den beklagten sechs Todesopfer. Die Regierungzweifelte damals die von den Rothemden veröffent-lichte Zahl der Todesopfer an.

In den vergangenen Tagen hat Blutvergießen inThailand eine neue Bedeutung erlangt. In einer auf-

sehenerregenden Aktion spendeten DemonstrantenBlut, das vor Regierungsgebäuden und dem HausAbhisits verschüttet wurde. Das symbolische Blutop-fer rief bei vielen Bangkokern Befremden hervor undblieb ohne politische Wirkung. Möglich ist ein mys-tischer Hintergrund. Die ungebildete Landbevölke-rung gilt unter der urbanen Bildungsschicht alsabergläubisch.

Den Kundgebungen haftet mitunter eine gewisseKarnevalsstimmung an. Auf Zeitungsfotos warenTouristen zu sehen, die mit Demonstranten tanzten

und feierten. Schaulustige am Straßenrand winkteneinem Umzug von Rothemden zu.

Allerdings sehen viele Bangkoker, sie stehen mehr-heitlich den Gelbhemden nahe, die Demonstratio-nen skeptisch. Die Gelbhemden gehören der soge-nannten Volksallianz für Demokratie (PAD) an, eine

Gruppe, die sich in erster Linie aus der urbanenMittelschicht und den etablierten Eliten zusam-mensetzt. Die PAD sieht sich als Verfechter vonMonarchie und guter Regierungsführung. Vergan-genes Jahr standen die Gelbhemden vehement inder Kritik, weil sie eine Elitendemokratie propa-gierten. Die Zahl der gewählten Mandatsträgersollte in einem Entwurf auf 30 Prozent reduziertwerden. Im November 2008 besetzte die PAD beideFlughäfen Bangkoks, zehntausende Touristen sa-ßen fest.

Der Auslöser der aktuellen Proteste

Hintergrund der aktuellen Proteste ist das EndeFebruar ergangene Urteil des Obersten GerichtsThailands. Demnach behält der thailändische Staateine Milliarde Euro aus dem eingefrorenen Vermö-gen Thaksins ein. Das Oberste Gericht entschied,dass er sich das Geld während seiner Amtszeitunrechtmäßig angeeignet und gegen Gesetze ver-stoßen habe. Ob der Rest des umstrittenen Geldes,

umgerechnet etwa 700 Millionen Euro, an Thaksinzurückgegeben wird oder eingefroren bleibt, istnoch unklar. Dem ehemaligen Premier könnte we-nig davon übrig bleiben, weil zahlreiche Folgekla-gen und weitere Verfahren möglich sind. Zudemsollen die Kinder Thaksins noch Steuern in Millio-nenhöhe nachzahlen.

Die UDD

Hinter den Massenprotesten der Rothemden stehtdie Vereinigte Front für Demokratie gegen Diktatur(UDD). Sie ist der Gegenpol zur gelben PAD undkopiert deren Straßenaktivismus. Die UDD besteht

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mehrheitlich aus Anhängern Thaksin Shinawatras.Ihre Mitglieder gehören überwiegend der armenLandbevölkerung an.

2006 setzte das Militär den damaligen Premierdurch einen Coup ab. Seitdem ist er im Exil, zuletztvorwiegend in Dubai. So entgeht Thaksin seinerHaftstrafe wegen Korruption und Amtsmissbrauchs.Thaksin finanziert die UDD. Berichten zufolge wer-den die Rothemden für ihre Teilnahme an Protestak-tionen entlohnt. Vertreter der gebildeten Mittel-schicht sprechen der UDD deshalb die Legitimationals genuine gesellschaftliche Bewegung ab unddiffamieren sie als bezahlten Mob.Das Argument, die in Rot gekleideten Protestlerwären nur bezahlte Unruhestifter, greift aber zukurz. Thaksin hatte seine Amtszeit nicht nur zureigenen Bereicherung, sondern auch zur Umsetzungeiner äußerst populären Sozialpolitik genutzt. Er-schwingliche medizinische Versorgung und Mikro-kredite für Dörfer waren Eckpfeiler dieses staatli-chen Programms. Viele Rothemden nennen die da-maligen Geschenke als Hauptgrund für ihre Teil-nahme an den Protesten – sie wollen Thaksin zu-rück.

Zerwürfnisse auf der Führungsebene könnten die

Bewegung schwächen: Während der Demonstratio-nen wurden zwei leitende Mitglieder aus der UDDausgestoßen. Sie hatten sich gegen die gewaltfreienMethoden der UDD ausgesprochen. Unterstützungerhielt die UDD von einer Gruppe von Mönchen.Nach Presseberichten beteiligen sich hundertebuddhistische Geistliche an den Protesten. Aller-dings hatte auch die PAD von Mönchen Unterstüt-zung erhalten. Das zeigt, dass die gesellschaftlicheSpaltung Thailands sich auch unter Mönchen fort-setzt. Deren politische Bedeutung hatte bereitsThaksin erkannt. Er hatte versucht, auf die Ernen-

nung eines Oberhauptes des thailändischen Budd-hismus Einfluss zu nehmen. Das war anmaßend,obliegt diese Ernennung doch dem König.

Die UDD könnte breitere Anerkennung erlangen,wenn sie sich von Thaksin loslösen und nur noch fürihre sozialpolitischen und demokratischen Zielekämpfen würde. Mit einer neuen Führungspersonder UDD – diese fehlt momentan - wäre auch eine

 Versöhnung der polarisierten Gesellschaft Thailandsdenkbar. Dafür müssten allerdings die etablierten

Eliten und die gebildeten Schichten anerkennen,dass die arme Land- und Stadtbevölkerung Thai-

lands gleiche Rechte hat und Regierungspolitikden Bedürfnissen aller Bürger Rechnung tragenmuss.

Bewertung

Ein Ende des Konflikts in Thailand ist nicht inSicht. Es ist ungewiss, wie weit die Rothemdenbereit sind zu gehen. Wahrscheinlich werden dieAktivitäten der Rothemden erst einmal abnehmen,weil organisierter Straßenprotest auch von Finan-zen abhängt. Deshalb ist die richterliche Beschlag-nahmung des größten Teils von Thaksins Vermögenein Rückschlag für ihn und seine Anhänger. Solltendie Rothemden zur Gewalt greifen, werden sie auf den Widerstand des Militärs stoßen. Die Armeehatte Thaksin 2006 des Amtes enthoben und be-schützt mittlerweile die Abhisit-Regierung.

Die Regierungsparteien wollen ihre Koalition nichtscheitern lassen. Die Thaksin-Partei Pheu Thaibrachte vergangene Woche einen Misstrauensan-trag ins Parlament ein. Dieser scheiterte, weil dasnötige Quorum der Sitzung nicht erreicht wurde.Die jetzigen Koalitionspartner Abhisits unterstütz-ten früher Thaksin und liefen im Dezember 2008zu Abhisit über. Sollten sie nun wieder eine politi-

sche Kehrtwendung vollziehen, würden sie anGlaubwürdigkeit einbüßen.

Im Ausland wird der Konflikt zwischen Rot- undGelbhemden zunehmend mit der Zukunft der kon-stitutionellen Monarchie verbunden. Der 83-

 jährige König Bhumibol, in den Augen vieler ThaisStabilitätsgarant, ist seit September 2009 im Kran-kenhaus. Öffentlich ist nicht bekannt, wer einesTages seine Nachfolge antreten soll. Aufgrund desstrikten Majestätsbeleidigungsgesetzes darf nur imAusland offen über die Zukunft der Monarchiespekuliert werden. Der Economist tat das in seiner

 jüngsten Ausgabe, welche in Thailand nicht veröf-fentlicht wurde. Gegner von Thaksin befürchten,dass die Rothemden eine Republik anstreben, inder der reiche Ex-Premier Thaksin wieder eineChance hätte.

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