1
DIENSTAG, DEN 4. JULI 2017 THEMA OSTFRIESEN-ZEITUNG, SEITE 10 WIESMOOR - Marco ist stolz: Jetzt ist er der Hausherr. Seine Eltern haben ihm ein eigenes Haus ge- kauft – und auch dort wird er rund um die Uhr betreut. Marco Renken ist schwer geistig und körperlich behindert. Seine El- tern Sigrid und Klaus Renken wa- ren immer für ihn da – rund um die Uhr, 42 Jahre lang. Ihre größte Sorge war es immer, was aus Marco werden soll, wenn sie nicht mehr da sind. „Es war klar, dass unser Sohn nicht in ein Heim soll“, sagen sie. Lange haben sie hin und her überlegt, bis sie eine Lösung ge- funden haben: Sie haben Marco ein kleines Reihenhaus in Wies- moor gekauft und drei Pfleger an- gestellt, die abwechselnd 24 Stunden lang für ihren Sohn da sind. „Die Kosten für Marcos Betreuung trägt das Versorgungs- amt“, erzählen Sigrid und Klaus Renken. Ihr Sohn ist ein aner- kanntes Impfopfer und damit den Kriegsbeschädigten gleichge- stellt. Marco kam als völlig gesundes Baby auf die Welt. Im Alter von neun Monaten wurde er gegen Keuchhusten geimpft. Dieser alte Impfstoff konnte Fieber- und Krampfanfälle auslösen. Das Se- rum wurde deshalb bereits vor Jahren vom Markt genommen – zu spät für Marco. Sein Leben hat es zerstört (die OZ berichtete schon 2002). Der jetzt 42-Jährige leidet im- mer wieder an epileptischen An- fällen, kann kaum laufen und sprechen. „Man kann ihn nie al- lein lassen“, sagen seine Eltern. Sorge und Fürsorge haben ihr Le- ben in den vergangenen 42 Jah- ren geprägt. „Wir passen manch- mal gar nicht mehr in die Gesell- schaft. Wir können nicht so un- beschwert sein wie andere Men- schen. Wir hatten immer wenig Zeit, mussten immer fit sein – für Marco“, sagen sie. Und jetzt müs- sen sie üben, loszulassen. „Im Moment wissen wir gar nicht, was wir mit der neugewon- nen Zeit anfangen sollen“, geste- hen die Eltern. Sie sind froh, dass es ihrem Sohn in seinem Haus so gut gefällt. Die Kosten dafür ha- ben sie komplett selbst getragen, auch die behindertengerechte Einrichtung finanziert. Selbst für Treppenlift und Sitzbadewanne gab die Krankenkasse keine Zu- schüsse „Darum kümmert sich jetzt unser Anwalt. Nach 42 Jah- ren Pflege und den Auseinander- setzungen mit Kassen und Behör- den sind wir einfach müde“, sagt Klaus Renken. Die Freude seines Sohnes über das eigene Heim wiegt den Ärger wieder auf. Zu Marcos Team ge- hören Henning Grohn (30), Timo Janssen (25) und Kai Adden (29). Alle drei stammen aus Wiesmoor und waren in der Pflege tätig. „Meine Frau ist der Chef. Die drei bekommen von uns Gehalt wie bei der Caritas. Die Kosten trägt aber das Versorgungsamt“, er- klärt Klaus Renken. Mit seinen Betreuern versteht sich Marco gut – und sie sich mit ihm. „Er ist sehr stolz auf seine Wohnung und hier richtig glück- lich“, sagt Henning Grohn, der Marco schon seit Jahren kennt. „Wir mögen ihn alle sehr und se- hen das hier gar nicht so sehr als Job an.“ Das geht auch seinen Kollegen so. „Man fühlt sich wie ein integriertes Familienmit- glied“, sagt Timo Janssen. Er hat im neuen Haus die erste Nacht- schicht bei Marco gehabt. „Marco hat geschlafen wie ein Stein“, er- zählt er. Die drei jungen Männer arbei- ten jeweils drei Tage am Stück, dann wird gewechselt. In der Wo- che ist Marco von 7.30 bis 16 Uhr bei der Lebenshilfe. „Dann haben wir frei. Wenn er wieder zurück ist machen wir Essen für ihn, ge- ben ihm seine Medikamente und kümmern uns um ihn“, erklärt Kai Adden. „Wir haben großes Vertrauen zu den Drei. Die machen das wirklich gut“, betonen Marcos Eltern, die etwa fünf Minuten entfernt wohnen. „Wir müs- sen erstmal die Zähne zu- sammenbeißen und uns an die Trennung von unserem Sohn gewöhnen“, sagen sie. Doch sie sind froh, dass sie jetzt diesen Schritt gegangen sind. Damit ist ihnen ihre größte Sorge genom- men: „Marco ist gut versorgt, wenn wir mal nicht mehr sind.“ Marco hat jetzt sein eigenes Zuhause VON PETRA HERTERICH Die große Sorge von Sigrid und Klaus Renken war es im- mer, was aus ihrem Sohn wird, wenn sie nicht mehr da sind. Das Problem haben sie nun gelöst. MEDIZIN Der 42-jährige Wiesmoorer ist seit einer Impfung schwerstbehindert / Er braucht 24 Stunden Betreuung Endlich ein eigenes Zuhause: Marco und seine Eltern Sigrid und Klaus Renken beim Einzug. BILD: PRIVAT In Deutschland besteht keine gesetzliche Impf- pflicht. Das Bundesminis- terium für Gesundheit hat mit der Ständigen Impf- kommission ein unabhän- giges Expertengremium für Impfempfehlungen be- rufen. Die Kommission empfiehlt, welche Impfun- gen von hohem Wert für den Gesundheitsschutz des Einzelnen und der All- gemeinheit sind, um über- tragbaren Krankheiten vorzubeugen. Gesetzlich Versicherte haben einen kostenfreien Anspruch auf empfohlene Schutzimpfun- gen. Schutzimpfungen für private Auslandsreisen sind davon ausgenommen. Schutzimpfungen Marco (rechts) und sein Team: Seine Eltern Sigrid (2. von rechts) und Klaus Renken (links) vertrauen den Betreu- ern ihres Sohnes (von links) Henning Grohn, Timo Janssen und Kai Adden voll und ganz: „Sie sind ein Teil von Marcos Familie.” BILD: HERTERICH Persönlich erstellt für: Klaus Renken

THEMA Marco hat jetzt sein eigenes Zuhausekr-communication.net/wp-content/uploads/2017/07/O... · 7/4/2017  · Endlich ein eigenes Zuhause: Marco und seine Eltern Sigrid und Klaus

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: THEMA Marco hat jetzt sein eigenes Zuhausekr-communication.net/wp-content/uploads/2017/07/O... · 7/4/2017  · Endlich ein eigenes Zuhause: Marco und seine Eltern Sigrid und Klaus

DIENSTAG, DEN 4. JULI 2017 T HE M A OSTFRIESEN-ZEITUNG, SEITE 10

WIESMOOR - Marco ist stolz: Jetztist er der Hausherr. Seine Elternhaben ihm ein eigenes Haus ge-kauft – und auch dort wird errund um die Uhr betreut. MarcoRenken ist schwer geistig undkörperlich behindert. Seine El-tern Sigrid und Klaus Renken wa-ren immer für ihn da – rund umdie Uhr, 42 Jahre lang. Ihre größteSorge war es immer, was ausMarco werden soll, wenn sienicht mehr da sind.

„Es war klar, dass unser Sohnnicht in ein Heim soll“, sagen sie.Lange haben sie hin und herüberlegt, bis sie eine Lösung ge-funden haben: Sie haben Marcoein kleines Reihenhaus in Wies-moor gekauft und drei Pfleger an-gestellt, die abwechselnd24 Stunden lang für ihren Sohnda sind. „Die Kosten für MarcosBetreuung trägt das Versorgungs-amt“, erzählen Sigrid und KlausRenken. Ihr Sohn ist ein aner-kanntes Impfopfer und damitden Kriegsbeschädigten gleichge-stellt.

Marco kam als völlig gesundesBaby auf die Welt. Im Alter vonneun Monaten wurde er gegenKeuchhusten geimpft. Dieser alteImpfstoff konnte Fieber- undKrampfanfälle auslösen. Das Se-rum wurde deshalb bereits vorJahren vom Markt genommen –zu spät für Marco. Sein Leben hat

es zerstört (die OZ berichteteschon 2002).

Der jetzt 42-Jährige leidet im-mer wieder an epileptischen An-fällen, kann kaum laufen undsprechen. „Man kann ihn nie al-lein lassen“, sagen seine Eltern.Sorge und Fürsorge haben ihr Le-ben in den vergangenen 42 Jah-ren geprägt. „Wir passen manch-mal gar nicht mehr in die Gesell-schaft. Wir können nicht so un-beschwert sein wie andere Men-schen. Wir hatten immer wenigZeit, mussten immer fit sein – fürMarco“, sagen sie. Und jetzt müs-sen sie üben, loszulassen.

„Im Moment wissen wir garnicht, was wir mit der neugewon-nen Zeit anfangen sollen“, geste-hen die Eltern. Sie sind froh, dass

es ihrem Sohn in seinem Haus sogut gefällt. Die Kosten dafür ha-ben sie komplett selbst getragen,auch die behindertengerechteEinrichtung finanziert. Selbst fürTreppenlift und Sitzbadewannegab die Krankenkasse keine Zu-schüsse „Darum kümmert sichjetzt unser Anwalt. Nach 42 Jah-ren Pflege und den Auseinander-setzungen mit Kassen und Behör-den sind wir einfach müde“, sagtKlaus Renken.

Die Freude seines Sohnes überdas eigene Heim wiegt den Ärgerwieder auf. Zu Marcos Team ge-hören Henning Grohn (30), TimoJanssen (25) und Kai Adden (29).Alle drei stammen aus Wiesmoorund waren in der Pflege tätig.„Meine Frau ist der Chef. Die drei

bekommen von uns Gehalt wiebei der Caritas. Die Kosten trägtaber das Versorgungsamt“, er-klärt Klaus Renken.

Mit seinen Betreuern verstehtsich Marco gut – und sie sich mitihm. „Er ist sehr stolz auf seineWohnung und hier richtig glück-lich“, sagt Henning Grohn, derMarco schon seit Jahren kennt.„Wir mögen ihn alle sehr und se-hen das hier gar nicht so sehr alsJob an.“ Das geht auch seinenKollegen so. „Man fühlt sich wieein integriertes Familienmit-glied“, sagt Timo Janssen. Er hatim neuen Haus die erste Nacht-schicht bei Marco gehabt. „Marcohat geschlafen wie ein Stein“, er-zählt er.

Die drei jungen Männer arbei-ten jeweils drei Tage am Stück,dann wird gewechselt. In der Wo-che ist Marco von 7.30 bis 16 Uhrbei der Lebenshilfe. „Dann habenwir frei. Wenn er wieder zurückist machen wir Essen für ihn, ge-ben ihm seine Medikamente undkümmern uns um ihn“, erklärtKai Adden.

„Wir haben großes Vertrauenzu den Drei. Die machen daswirklich gut“, betonen MarcosEltern, die etwa fünf Minutenentfernt wohnen. „Wir müs-sen erstmal die Zähne zu-sammenbeißen und uns andie Trennung von unseremSohn gewöhnen“, sagensie. Doch sie sind froh,dass sie jetzt diesenSchritt gegangen sind.Damit ist ihnen ihregrößte Sorge genom-men: „Marco ist gutversorgt, wenn wirmal nicht mehrsind.“

Marco hat jetzt sein eigenes Zuhause

VON PETRA HERTERICH

Die große Sorge von Sigridund Klaus Renken war es im-mer, was aus ihrem Sohnwird, wenn sie nicht mehr dasind. Das Problem haben sienun gelöst.

MEDIZIN Der 42-jährige Wiesmoorer ist seit einer Impfung schwerstbehindert / Er braucht 24 Stunden Betreuung

Endlich ein eigenes Zuhause: Marco und seine Eltern Sigrid undKlaus Renken beim Einzug. BILD: PRIVAT

In Deutschland bestehtkeine gesetzliche Impf-pflicht. Das Bundesminis-terium für Gesundheit hatmit der Ständigen Impf-kommission ein unabhän-giges Expertengremiumfür Impfempfehlungen be-rufen. Die Kommissionempfiehlt, welche Impfun-

gen von hohem Wert fürden Gesundheitsschutzdes Einzelnen und der All-gemeinheit sind, um über-tragbaren Krankheitenvorzubeugen. GesetzlichVersicherte haben einenkostenfreien Anspruch aufempfohlene Schutzimpfun-gen. Schutzimpfungen fürprivate Auslandsreisensind davon ausgenommen.

Schutzimpfungen

Marco (rechts) und sein Team: Seine Eltern Sigrid (2. vonrechts) und Klaus Renken (links) vertrauen den Betreu-ern ihres Sohnes (von links) Henning Grohn, Timo Janssenund Kai Adden voll und ganz: „Sie sind ein Teil von MarcosFamilie.” BILD: HERTERICH

Persönlich erstellt für: K

laus Renken