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politik 26 DFZ 12 · 2013 © (7) BZÄK/axentis.de Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, DGZMK (mehr zu seiner Nachfolgerin lesen Sie auf Seite 7) Geschichtsträchtiger Ort: In der Frankfurter Paulskirche lauschten die Vertreter aus der Zahnärzteschaſt den Reden. Der Deutsche Zahnärztetag nahm die Rahmenbedingungen ins Visier Themen, Trends und Talk Er war dennoch gekommen. Trotz der blamablen Wahlschlappe der FDP bei der Bundestagswahl kam der Bundesgesundheitsminister der abgewählten liberal-konservativen Regierung, Daniel Bahr, auf den Zahn- ärztetag, um seiner Stammwählerschaft über Chancen und Möglichkeiten liberaler Gesundheitspolitik zu berichten sowie das gute Verhältnis seiner Partei zur Zahnärzteschaft herauszustellen. Vorerst bleibt den Zahnmedizinern jedoch nur der Blick nach hinten: Die schwarz-rote Regierungsbildung in Berlin läuft. „Liberalismus deutscher Provenienz ist ein ‚politisches Loo- ser-Modell‘. Ein Politikstil, der kaum mehr zu bieten hat, als ‚Mieten rauf und Steuern runter‘“, bemängelte Bundeszahn- ärztekammerpräsident Dr. Peter Engel in Frankfurt am Main und unterstrich demgegenüber die „fachliche Funktion“ der Berufskammer sowie die Rolle „wirklich freier Ausübung des zahnärztlichen Heilberufs“ – diese würde „politisch mehr und mehr vernachlässigt und übersehen“. Freie Berufsausübung, freie Praxis, freie Behandlung? Zwar wurden die Debatten auf der innerhalb des Zahnärztetags stattfindenden Vertreterversammlungen von Kassenzahn- ärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärzte- kammer (BZÄK) zumeist zielorientiert und sachlich geführt, doch es bleibt überfassend der Eindruck, dass das Bekennt- nis zu freiheitlichen Werten in Praxisführung und Behand- lungskonzept immer schwieriger wird: „Nur wenn die Rah- menbedingungen stimmen, bleibt der Zahnarztberuf für jun- ge Menschen ein attraktives Berufsziel, und wir müssen uns auch zukünſtig keine Sorgen über die zahnmedizinische Ver- sorgung machen“, so Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzen- der der KZBV. Rahmen muss stimmen Heruntergebrochen machen es immer neue bürokratische Hür- den bei der Behandlung von Patienten, Konkurrenzsituationen zwischen den Kollegen - gerade in urbanen Ballungszentren -, Probleme bei der Gewinnung und Bindung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie die Frage, wie dem Trend zu mehr angestellten Zahnärzten, Mehrbehandlerpra- xen sowie immer mehr Frauen in der Zahnmedizin Rechnung zu tragen sei den Standesvertretern in ihrer Kommunikation offenbar schwer, die einfache Formel „freie Praxis“ auf die diverse zahnärztliche Lebenspraxis zu übertragen. Weil alles komplexer wird, müsse sich nun verstärkt der Sicherung stabiler und tragfähiger Rahmenbedingungen gewidmet werden. Das „duale Gesundheitssystem“, also die beiden Versicherungsstränge aus privater und gesetzlicher Versicherung, sei zu „stabilisieren“. Bei der Kammer fordert man in Richtung der Politik eine „mit einem Sozialausgleich verbundene Gesundheitspauschale“ für die gesetzliche Kran- kenversicherung (GKV) und die Möglichkeit für die privat Versicherten, bei einem Wechsel von einem zum anderen privaten Anbieter die angesammelten Altersrückstellungen mitzunehmen. Das klingt ein bisschen wie die Quadratur des Kreises, denn dass nun gerade unter einer Regierung von SPD und CDU/ CSU das Konzept einer Kopfpauschale, noch dazu als GKV- Einzelweg, umsetzbar sein sollte, bleibt abzuwarten. Daten: einzeln oder kumuliert Bei der KZBV wurde insbesondere der „zielgerichtete Ausbau der zahnmedizinischen Prävention“ unterstrichen. Es gelte mit »»»

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DFZ 12 · 2013

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Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, DGZMK (mehr zu seiner Nachfolgerin lesen Sie auf Seite 7)

Geschichtsträchtiger Ort: In der Frankfurter Paulskirche lauschten die Vertreter aus der Zahnärzteschaft den Reden.

Der Deutsche Zahnärztetag nahm die Rahmenbedingungen ins Visier

Themen, Trends und TalkEr war dennoch gekommen. Trotz der blamablen Wahlschlappe der FDP bei der Bundestagswahl kam der Bundesgesundheitsminister der abgewählten liberal-konservativen Regierung, Daniel Bahr, auf den Zahn-ärztetag, um seiner Stammwählerschaft über Chancen und Möglichkeiten liberaler Gesundheitspolitik zu berichten sowie das gute Verhältnis seiner Partei zur Zahnärzteschaft herauszustellen. Vorerst bleibt den Zahnmedizinern jedoch nur der Blick nach hinten: Die schwarz-rote Regierungsbildung in Berlin läuft.

„Liberalismus deutscher Provenienz ist ein ‚politisches Loo-ser-Modell‘. Ein Politikstil, der kaum mehr zu bieten hat, als ‚Mieten rauf und Steuern runter‘“, bemängelte Bundeszahn-ärztekammerpräsident Dr. Peter Engel in Frankfurt am Main und unterstrich demgegenüber die „fachliche Funktion“ der Berufskammer sowie die Rolle „wirklich freier Ausübung des zahnärztlichen Heilberufs“ – diese würde „politisch mehr und mehr vernachlässigt und übersehen“.

Freie Berufsausübung, freie Praxis, freie Behandlung? Zwar wurden die Debatten auf der innerhalb des Zahnärztetags stattfindenden Vertreterversammlungen von Kassenzahn-ärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärzte-kammer (BZÄK) zumeist zielorientiert und sachlich geführt, doch es bleibt überfassend der Eindruck, dass das Bekennt-nis zu freiheitlichen Werten in Praxisführung und Behand-lungskonzept immer schwieriger wird: „Nur wenn die Rah-menbedingungen stimmen, bleibt der Zahnarztberuf für jun-ge Menschen ein attraktives Berufsziel, und wir müssen uns auch zukünftig keine Sorgen über die zahnmedizinische Ver-sorgung machen“, so Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzen-der der KZBV.

Rahmen muss stimmenHeruntergebrochen machen es immer neue bürokratische Hür-den bei der Behandlung von Patienten, Konkurrenzsituationen zwischen den Kollegen - gerade in urbanen Ballungszentren -,

Probleme bei der Gewinnung und Bindung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie die Frage, wie dem Trend zu mehr angestellten Zahnärzten, Mehrbehandlerpra-xen sowie immer mehr Frauen in der Zahnmedizin Rechnung zu tragen sei den Standesvertretern in ihrer Kommunikation offenbar schwer, die einfache Formel „freie Praxis“ auf die diverse zahnärztliche Lebenspraxis zu übertragen.

Weil alles komplexer wird, müsse sich nun verstärkt der Sicherung stabiler und tragfähiger Rahmenbedingungen gewidmet werden. Das „duale Gesundheitssystem“, also die beiden Versicherungsstränge aus privater und gesetzlicher Versicherung, sei zu „stabilisieren“. Bei der Kammer fordert man in Richtung der Politik eine „mit einem Sozialausgleich verbundene Gesundheitspauschale“ für die gesetzliche Kran-kenversicherung (GKV) und die Möglichkeit für die privat Versicherten, bei einem Wechsel von einem zum anderen privaten Anbieter die angesammelten Altersrückstellungen mitzunehmen.

Das klingt ein bisschen wie die Quadratur des Kreises, denn dass nun gerade unter einer Regierung von SPD und CDU/CSU das Konzept einer Kopfpauschale, noch dazu als GKV-Einzelweg, umsetzbar sein sollte, bleibt abzuwarten.

Daten: einzeln oder kumuliertBei der KZBV wurde insbesondere der „zielgerichtete Ausbau der zahnmedizinischen Prävention“ unterstrichen. Es gelte mit »»»

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Der Vorsitzende der Bundeszahnärztekammer, Dr. Wolfgang Eßer Der Präsident der Bundeszahnärztekammer Dr. Peter Engel

Bekanntes Gesicht: Wolfgang Eßer neuer Vorstandsvorsitzender der KZBVEin Wechsel an der Spitze der vertragszahnärztlichen Selbst-verwaltung: Die Vertreterversammlung der Kassenzahn-ärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) wählte in Frankfurt den Mönchengladbacher Zahnarzt Dr. Wolfgang Eßer (59) zum neuen Vorsitzenden des dreiköpfigen Vorstands. Er erhielt 50 der 59 Delegiertenstimmen. Er folgt damit auf Dr. Jürgen Fedderwitz, der seit 2005 die Interessen der Zahnärzteschaft als KZBV-Vorstandsvorsitzender vertrat. Die Einrichtung des Öffentlichen Rechts ist beispielsweise im höchsten Gremium der Selbstverwaltung, dem Gemein-samen Bundesausschuss, assoziiert.

Eßer ist seit 2002 Vorstandsmitglied der KZBV. Der 63-jäh-rige Fedderwitz wird neben Dr. Günther E. Buchholz (61) weiterhin als stellvertretender Vorsitzender im Vorstand bleiben. Bei der vergangen Vorstandswahl wurde ein Bruch zwischen Fedderwitz und seinem Stellvertreter Eßer erkennbar: Beide kommunizierten offen ihr Begehren um den Posten des Vorstandsvorsitzenden.

Wolfgang Eßer gilt als Vertragsexperte und war in der Vergangenheit bei Versorgungsfragen federführend. Unter anderem war er maßgeblich an der Entwicklung des neuen Versorgungskonzepts der Zahnärzteschaft für Pflegebe-dürftige und Menschen mit Behinderung beteiligt. Nicht bei jedem jedoch trifft seine sehr selbstbewusste Rheto-rik, die gerade beim Thema „Alters- und Behindertenzahn-heilkunde“ mitunter als „unsensibel“ eingeordnet wurde, auf Sympathien.

Zu seiner Wahl sagte Eßer in der offiziellen Pressemit-teilung der KZBV: „Das etablierte dreiköpfige Vorstands-team der KZBV bleibt für die nächsten drei Jahre zusam-men. Gemeinsam stehen wir für Kontinuität in der zahn-ärztlichen Berufspolitik. Die Erfolge in der zahnmedizini-schen Versorgung und der Berufspolitik der letzten Jahre haben uns darin bestärkt, diesen Weg weiterzugehen.“

eb

Dr. medic/IfM Timisoara Kerstin Blaschke, Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), hielt auf dem Zahnärztetag ein Grußwort.

Hände hoch: die Delegierten der Bundeszahnärztekammer

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DFZ 12 · 2013

KOM

MEN

TAR Viel hilft nix

Der Rahmen in der Zahnärzteschaft steht gewöhnlich für: Groß ist gut, und viel bringt viel. Auch auf dem Deutschen Zahn-ärztetag wurden diese Größenordnungen deutlich. Die feier-liche Eröff nung der Tagung durch Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ist in der Frankfurter Paulskirche anberaumt. Dort ist schon viel passiert; etwa traf sich hier im Zuge der März-revolution 1848 das erste demokratisch gewählte Parlament.

So sind auch die Reden von Prof. Henning Schliephake (DGZMK), Dr. Peter Engel (BZÄK) sowie Dr. Wolfgang Eßer (KZBV) mit Bedacht gewählt, und ein salbungsvolles Schnar-chen aus der letzten Reihe gibt der Veranstaltung den letz-ten Schliff .

Zwar hatte man sich mit Festredner Udo Di Fabio, bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht, einen bekannten Kopf ergattert, doch die Teilnahme der örtlichen Kommunalpoli-tik lässt auf sich warten. Vergeblich sucht man den Namen des Oberbürgermeisters auf der mehr als ansehnlich lay-outeten Karte. Stattdessen sagt sich die Zahnärzteschaft gegenseitig „Hallo!“.

Di Fabio spricht von der Unverlässlichkeit der Märkte, der Moral im Westen und der Freiheit im Allgemeinen sowie dem verfassungsrechtlichen Speziellen. Prima.

Da passt, dass am nächsten Tag Bundeszahnärztekammer-präsident Engel über die Nichtannahme der Verfassungsbe-schwerde gegen die GOZ-Punktwert-Nichtanhebung jam-mert. Dass schon zum Zeitpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung selbst Laien mit juristischem Basiswissen den Erfolg einer solchen Klage als „realitätsfern“ einordneten, hilft da auch nicht weiter.

Dass unter so viel Tamtam die gute und patientenorien-tierte Arbeit von deutschen Zahnärzten da manchmal ein bisschen in Vergessenheit geraten muss, ist klar. Denn außer der Fachpresse verirren sich höchst selten Vertreter aus Film, Funk und Fernsehen auf den Zahnärztetag, um über Wissen-schaft und Berufspolitik zu berichten.Vielleicht im nächsten Jahr.

Eva Britsch

Blick auf den demografi schen Wandel, „für weitere zahnmedi-zinische Risikogruppen spezifi sche Lösungen zu entwickeln.“ Die KZBV sucht daher – so Vorsitzender Eßer – „verstärkt den Dialog mit Akteuren, die nah an den Lebenswelten der Risikogruppen“ sind.

Diskutiert wurde bei der KZBV weiter das Th ema „Daten-schutz“. Um das zahnärztliche Abrechnungs- und Leistungsge-schehen – beispielsweise „Parodontalbehandlung“ oder „Kie-ferorthopädie“ – darzustellen, liegen der KZBV kumulierte Daten aus den Praxen vor. Dies erlaube, so die Einrichtung, zum Beispiel Angaben über die Zahl der Abrechnungsfälle und Abrechnungshäufi gkeit einer bestimmten Leistung zu machen. Innerhalb des Versorgungsstrukturgesetzes wurde nun aber eine „morbiditätsorientierte oder versorgungspolitisch tiefer gehende Analyse“ notwendig und so eine Neuordnung der Daten fällig – es bedürfe „der Analyse einzelfallbezogener Daten auf Ebene der Versicherten“, so die KZBV. Ein „Min-deststandard“, der diese Analyse erlaubt, besteht bereits: Es werden die relevanten Datenfelder, die über die Datenübertra-gung im Zuge der Leistungsabrechnung zwischen Zahnarzt-praxis und KZV angesiedelten Datenschnittstelle extrahiert. Die KZBV-Delegierten verabschiedeten dazu einen Antrag, der den Datenkranz in dieser Form koordiniert: In Bezug auf die Schaff ung des Datenkranzes sei insbesondere eine stärke-re „Routinisierung und Standardisierung der Datenlieferun-gen durch die KZVen“ zu gewährleisten.

Tempo ins StudiumHandlungsbedarf gibt es weiterhin – auch das wurde auf dem Zahnärztetag deutlich – bei der Überarbeitung der denta-len Approbationsordnung. Diese ist seit den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts nicht mehr angerührt worden. Eine Reihe von Verbänden und Funktionären drängt im Moment darauf, dass den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung getragen wird. Die Zahnärzteschaft mahnt, dass, „die den Bun-desländern abschließend vorgelegte Approbationsordnung endlich umzusetzen“ sei.

Dies scheint schon im Hinblick auf eine angestrebte Auf-wertung der zahnärztlichen Hilfsberufe durch deren Vertre-ter und die Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung angebracht zu sein.

Eva Britsch