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© creativ collection 3 Beckensitus 3.1 Ren (Niere) Die paarigen Nieren (Ren) liegen retroperitoneal (werden aber trotzdem hier beim Beckensitus besprochen) und dienen der Fil- tration des Blutes. 3.1.1 Entwicklung der Niere LERNTIPP Achten Sie beim Lernen der Nierenentwicklung darauf, wie sich die Strukturen der definitiven Niere aus zwei ursprünglichen Anla- gen (metanephrogenes Blastem und Ureterknospe) zusam- mensetzen, und merken Sie sich die Derivate der Ureterknospe. Machen Sie sich außerdem klar, wie beim Aszensus der Niere die Gefäßversorgung wechselt. Besonders Chirurgen fragen im Münd- lichen gern danach. Vorniere und Urniere. Die Niere entwickelt sich beim Menschen aus dem intermediären Mesoderm, wobei die einzelnen Ent- wicklungsstadien sich zeitlich teilweise überschneiden. Zunächst im Halsbereich die funktionslose Vorniere (Proneph- ros), die sich ab der 4. Woche wieder zurückbildet. Dabei ent- steht der Vornierengang, der sich zum Urnierengang (s.u.) weiterentwickelt. Ab der 4. Woche entsteht die Urniere (Mesonephros), die zeit- weilig Harn bildet. Sie besteht aus ca. 40 Nephronen und mün- det in den Urnierengang (Wol-Gang, primitiver Harnleiter), der an der Kloake endet. Ab der 6. Woche beginnt die Urniere sich zurückzubilden. Während sich die Urniere zurückbildet, beginnt sich ab der 6. Woche die Nachniere (Metanephros, s. u.) zu entwickeln. Diese wird schließlich zur definitiven Niere. Die Urniere spielt insbesondere beim Mann eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Genitalorgane (s. Abb. 3.1): Aus Ab- schnitten der Urnierenkanälchen entstehen beim Mann die Ductuli eerentes testis , aus dem Urnierengang entwickelt sich der Nebenhodengang und der Samenleiter. Nachniere und Ureterknospe. Die Nachniere (Metanephros, An- lagematerial der definitiven Niere) entwickelt sich aus dem me- tanephrogenen Blastem, das aus dem kaudalen Teil des interme- diären Mesoderms hervorgeht. In das metanephrogene Blastem wächst die Ureterknospe hinein, die sich als dorsale Ausbuch- tung am Urnierengang bildet. Die Spitze der Ureterknospe ist er- weitert (Ampulle), sie verzweigt sich dichothom und induziert im metanephrogenen Blastem die Proliferation. Sie entwickelt sich weiter zum Nierenbecken, es entstehen die großen Nieren- kelche (Calices majores). Die nachfolgenden Teilungen der Am- pulle führen zur Ausbildung von kleinen Nierenkelchen (Calices minores), Papillargängen (Ductus papillares) und dem Sammel- Kloake Nachniere Unterteilung der Kloake durch das Septum urorectale Enddarm Urnierengang primitives Perineum Sinus urogenitalis Gonade Urniere a b c Kloakenmembran Abb. 3.1 Unterteilung der Kloake in Sinus urogenitalis und Anorektalkanal. LERNPAKET 7 48 Anatomie 2 | 3 Beckensitus aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533838) © 2015 Georg Thieme Verlag KG

Thieme: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 · nen unteren Pol (Extremitas inferior) und den dazwischenlie-genden Parenchymteil. Die Niere ist von drei Hüllstrukturen um-geben: Capsula

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3 Beckensitus

3.1 Ren (Niere)Die paarigen Nieren (Ren) liegen retroperitoneal (werden abertrotzdem hier beim Beckensitus besprochen) und dienen der Fil-tration des Blutes.

3.1.1 Entwicklung der Niere

LERNTIPP

Achten Sie beim Lernen der Nierenentwicklung darauf, wie sichdie Strukturen der definitiven Niere aus zwei ursprünglichen Anla-gen (metanephrogenes Blastem und Ureterknospe) zusam-mensetzen, und merken Sie sich die Derivate der Ureterknospe.Machen Sie sich außerdem klar, wie beim Aszensus der Niere dieGefäßversorgung wechselt. Besonders Chirurgen fragen im Münd-lichen gern danach.

Vorniere und Urniere. Die Niere entwickelt sich beim Menschenaus dem intermediären Mesoderm, wobei die einzelnen Ent-wicklungsstadien sich zeitlich teilweise überschneiden.▪ Zunächst im Halsbereich die funktionslose Vorniere (Proneph-

ros), die sich ab der 4. Woche wieder zurückbildet. Dabei ent-steht der Vornierengang, der sich zum Urnierengang (s. u.)weiterentwickelt.

▪ Ab der 4. Woche entsteht die Urniere (Mesonephros), die zeit-weilig Harn bildet. Sie besteht aus ca. 40 Nephronen und mün-det in den Urnierengang (Wolff-Gang, primitiver Harnleiter),der an der Kloake endet. Ab der 6. Woche beginnt die Urnieresich zurückzubilden.

▪Während sich die Urniere zurückbildet, beginnt sich ab der6. Woche die Nachniere (Metanephros, s. u.) zu entwickeln.Diese wird schließlich zur definitiven Niere.

Die Urniere spielt insbesondere beim Mann eine wichtige Rollebei der Entwicklung der Genitalorgane (s. Abb. 3.1): Aus Ab-schnitten der Urnierenkanälchen entstehen beim Mann dieDuctuli efferentes testis, aus dem Urnierengang entwickelt sichder Nebenhodengang und der Samenleiter.

Nachniere und Ureterknospe. Die Nachniere (Metanephros, An-lagematerial der definitiven Niere) entwickelt sich aus dem me-tanephrogenen Blastem, das aus dem kaudalen Teil des interme-diären Mesoderms hervorgeht. In das metanephrogene Blastemwächst die Ureterknospe hinein, die sich als dorsale Ausbuch-tung am Urnierengang bildet. Die Spitze der Ureterknospe ist er-weitert (Ampulle), sie verzweigt sich dichothom und induziertim metanephrogenen Blastem die Proliferation. Sie entwickeltsich weiter zum Nierenbecken, es entstehen die großen Nieren-kelche (Calices majores). Die nachfolgenden Teilungen der Am-pulle führen zur Ausbildung von kleinen Nierenkelchen (Calicesminores), Papillargängen (Ductus papillares) und dem Sammel-

Kloake NachniereUnterteilung der Kloake

durch das Septum urorectale Enddarm Urnierengang

primitivesPerineum

Sinus urogenitalis

Gonade

Urniere

a b c

Kloakenmembran

Abb. 3.1 Unterteilung der Kloake in Sinus urogenitalis und Anorektalkanal.

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48 Anatomie 2 | 3 Beckensitus

aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533838) © 2015 Georg Thieme Verlag KG

Page 2: Thieme: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 · nen unteren Pol (Extremitas inferior) und den dazwischenlie-genden Parenchymteil. Die Niere ist von drei Hüllstrukturen um-geben: Capsula

rohrsystem. Die Glomeruli und das Tubulussystem dagegenstammen aus dem metanephrogenem Blastem. Der Stiel der Ure-terknospe wird später zum Harnleiter.

Aszensus der Niere. Bedingt durch das Längenwachstum desEmbryos erfährt die Niere während ihrer Entwicklung einen As-zensus. Das bedeutet, dass sie sich vom 1. bis 3. Sakralsegmentauf die definitive Höhe vom 12. Thorakalsegment bis zum 4. Lum-balsegment verlagert. Sie steigt also auf. Bei diesem Aszensusdreht sich die Niere so, dass das zunächst nach vorn gerichteteNierenhilum (Nierenpforte, mit A. und V. renalis und Ureter)schließlich nach medial zeigt.

Während des Aszensus wechselt die Gefäßversorgung derNierenanlage: Anfangs wird sie aus Ästen der Aa. iliacae, dannaus segmentalen Ästen der unteren Aorta versorgt. Die definitiveA. renalis ist ein segmentales Gefäß auf Höhe des 2. Lumbalseg-ments.

APROPOSNierenaplasie (Nierenagenesie). Dabei handelt es sich um das ein- oderdoppelseitige Fehlen der Nieren, Nierenarterien und Ureteren infolge früh-zeitiger Degeneration der Ureterknospe. Das Fehlen beider Nieren ist mitdem Leben nicht vereinbar. Die einseitige Aplasie (Kompensation derFunktion durch die gesunde Niere) ist häufig mit Fehlbildungen der Geni-talorgane kombiniert.

3.1.2 Funktion

Die Nieren produzieren den Urin, der über die ableitenden Harn-wege nach außen gelangt. Dadurch regulieren sie die Konzentra-tion der Elektrolyte und das Flüssigkeitsvolumen im mensch-lichen Körper und spielen eine wichtige Rolle bei der Regulationdes Blut-ph-Wertes. Die Nieren sezernieren bei Volumenmangeldie Protease Renin und regulieren so den Blutdruck. Außerdembilden sie das Hormon Erythropoetin für die Blutbildung.

3.1.3 Aufbau

Die Niere ist bohnenförmig, 10−12 cm lang, 5−6 cm breit undwiegt etwa 150 g. Sie wird bei der Aufsicht von außen eingeteiltin eine Vorderfläche (Facies anterior) und eine Hinterfläche (Fa-cies posterior), einen oberen Pol (Extremitas superior) und ei-nen unteren Pol (Extremitas inferior) und den dazwischenlie-genden Parenchymteil. Die Niere ist von drei Hüllstrukturen um-geben:▪ Capsula fibrosa (Organkapsel): Sie bildet die derbe, aus kolla-

genen Fasern bestehende innere Hülle. Am Nierenbecken-kelchsystem ist die Capsula fibrosa mit der Kelchwandung ver-wachsen und somit fixiert. Sie wird von pararenalem Fett um-geben.

▪ Capsula adiposa (Fettkapsel): Sie ist aus Baufett aufgebaut undumschließt die Niere und Nebenniere. Sie bildet das sog. Nie-renlager und ist nur locker mit der Organkapsel verbunden.

▪ Fascia renalis (Fasziensack): Die äußere Hülle umschließt Nie-re, Nebenniere und Fettkapsel. Sie besteht aus einem ventralendünnen und einem dorsalen dickeren Blatt. Diese Faszien-anteile sind am oberen und am seitlichen Rand miteinanderverwachsen. Nach medial (Nierenhilum) und kaudal ist derSack offen.

APROPOSBei der Untersuchung eines Patienten prüft man immer auch die sog. Nie-renlager auf Klopfschmerzhaftigkeit: Dabei klopft man dem sitzenden Pa-tienten leicht in die Flanken. Schmerzen in diesem Bereich können ein Hin-weis auf entzündliche Nierenerkrankungen sein.

Der konvexe laterale Rand der Niere wird als Margo lateralis be-zeichnet, der mediale, konkav geformte Rand alsMargo medialis.Am Margo medialis findet sich außerdem das Hilum der Niere(Hilum renale), durch das die großen Gefäße und der Harnleiterein- bzw. austreten. An das Hilum schließt sich die Nierenbucht(Sinus renalis) an, die von allen Seiten von Nierenparenchymumschlossen ist. Der Sinus renalis ist hinter der A. und V. renalisgelegen und beinhaltet das Nierenbecken.

Schneidet man die Niere längs in zwei Hälften, erkennt maneine Vielzahl von Strukturen, die eine weitere Gliederung in dieweiter außen gelegene Rindenschicht (Cortex renalis) und dasinnen gelegene Nierenmark (Medulla renalis) sowie das ganz imZentrum des Organs gelegene Nierenbeckenkelchsystem ermög-lichen (Abb. 3.2).

Die Nierenrinde umfasst den ca. 1 cm breiten Randsaum. Vonder Rinde kommend ragen säulenartige Gewebsanteile zwischenden Markpyramiden ins Organzentrum vor (Columnae renales).

Das Nierenmark gliedert sich in 8−12 Markpyramiden (Pyra-mides renales), deren Basis zur Nierenoberfläche zeigt und de-ren Spitze in das Nierenbecken hineinragt. Die Spitzen der Pyra-miden sind die Markpapillen (Papillae renales). Diese mündenjeweils in die Kelche des Nierenbeckens. In die Markpapille mün-den die Papillengänge (Ductus papillares). Die Papillengängesind zusammenfließende Sammelrohre. Der aus den Papillen-gängen tropfende Urin wird von den trompetenförmigen kleinenNierenkelchen (Calices renales minores) aufgefangen und vondort in die Hauptkelche (Calices renales majores) geleitet, dieschließlich in das Nierenbecken (Pelvis renalis) münden. Dieseurinsammelnden Hohlräume der Nieren bezeichnet man auchals Nierenbeckenkelchsystem (NBKS).

LERNTIPP

Details zum Feinbau der Niere finden Sie in den Skripten zur His-tologie und zur Physiologie (für die schnelle Wiederholung habenwir hier für Sie Abb. 3.3 eingebaut). Die Histologie der Niere isteinerseits spannend und andererseits notwendig, um die Filter-funktion der Niere zu verstehen. Es lohnt sich, an dieser Stelleetwas Ruhe und Zeit zu investieren, um den histologischen Auf-bau der Niere zu verstehen. Es wird Ihnen in fast allen anderen Fä-chern der Vorklinik dann zugutekommen.

3.1.4 Lagebeziehungen

Die Nieren sind retroperitoneal an der rückseitigen Bauchwandbefestigt. Sie erstrecken sich vom oberen Pol der Niere auf Höhedes 12. Brustwirbels bis zum unteren Pol auf Höhe des 3. Len-denwirbels. Das Nierenhilum ist in der Regel auf Höhe des 2. Len-denwirbels zu finden. Orientiert man sich an der Crista iliaca, so

Nierenrinde(Cortex renalis)

Nierenmark(Medulla renalis)mit denMarkkegeln(Pyramides renales)

Nierenkelche(Calices renales)

Nierenbecken(Pelvis renalis)

Ureter

Columnae renales Markstrahlen(Radii medullares)

Abb. 3.2 Längsschnitt der Niere mit Eröffnung des Nierenbeckens.

3.1 Ren (Niere) 49

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Page 3: Thieme: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 · nen unteren Pol (Extremitas inferior) und den dazwischenlie-genden Parenchymteil. Die Niere ist von drei Hüllstrukturen um-geben: Capsula

ist der untere Nierenpol ca. 3 Finger breit (5−6 cm) oberhalb lo-kalisiert.

Auch bei den Nieren sind die topografischen Beziehungen zuden Nachbarorganen von Bedeutung:▪ kranial: Beiden Nieren sitzen die Nebennieren auf.▪ kaudal: Beide Nieren grenzen im unteren Drittel ihrer Ventral-

fläche an die Flexuren des Colon transversum.▪ dorsal: Mit ihrer Rückseite grenzen beide Nieren an den

M. psoas major, den M. transversus abdominis und den M. qua-dratus lumborum, außerdem an den N. subcostalis, den N. ilio-hypogastricus und N. ilioinguinalis (Abb. 3.4).

▪ rechte Niere: Die Vorderfläche hat Kontakt zum Lobus dexterhepatis sowie zur Pars descendens duodeni vor dem Nieren-hilum.

▪ linke Niere: Ventral grenzen der Magen, die Milz und vor demHilum der Pankreasschwanz an die Niere.

3.1.5 Gefäßversorgung

Arterielle Versorgung. Die Aa. renales sind große Gefäße, dierechtwinklig auf Höhe von LWK 1 bzw. 2 aus der Aorta abdomi-nalis austreten. Die rechte A. renalis zieht hinter der V. cava in-ferior zum Nierenhilum, die linke A. renalis verläuft direkt zumOrgan.

Beide Aa. renales teilen sich im Nierenhilum jeweils in einenvorderen und hinteren Ast (R. anterior und R. posterior), die sichwiederum in 4−5 Äste aufspalten. Diese treten als Endarterien indie Niere ein und teilen sich intrarenal dann weiter in die Aa. in-

A. u. V. renalis

A. u. V. renalis

Nierenfettkapsel

Ureter

Ureter

V. cava inferiorOesophagus

Truncus coeliacus

Vesica urinaria

2. Engstelle

3. Engstelle

4. Engstelle

Glandula suprarenalis

A. suprarenalis media

Niere

N. intercostalis

XII. RippeN. iliohypogastricus

N. ilioinguinalis

A. mesenterica inferiorN. cutaneus

femoris lateralis

A. u. V. iliaca interna

1. Engstelle

A. mesenterica superior

Rectum

A. u. V. testicularis

Aa. u. Vv. iliacae communes

Abb. 3.4 Lage der Nieren im Retroperitoneum und Ureterverlauf mit Engstellen.

Verbindungsstück

distaler Tubulus,Pars convoluta

Nieren-körperchen(Glomerulus)

proximaler Tubulus,Pars convoluta

proximaler Tubulus,Pars recta

distaler Tubulus,Pars recta

IntermediärtubulusPars ascendens

IntermediärtubulusPars descendens

Sammelrohr

Abb. 3.3 Glomerulus, Nierentubuli und Sammelrohr.

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Page 4: Thieme: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 · nen unteren Pol (Extremitas inferior) und den dazwischenlie-genden Parenchymteil. Die Niere ist von drei Hüllstrukturen um-geben: Capsula

terlobares. Diese verlaufen in den Columnae renales zwischenden jeweiligen Markpyramiden (Abb. 3.5). Dort, wo die Gefäßevom Mark in die Rinde übertreten und von der Seite auf die Basisder Markpyramide ziehen, heißen sie Aa. arcuatae. Sie verlaufenan der Grenze zwischen Rinde und Mark.

LERNTIPP

Die Aa. arcuatae sind die „bogenförmigen“ Arterien.

Von der Basis einer Markpyramide ziehen Gefäße zwischen denMarkstrahlen in die Rinde (Aa. interlobulares). Diese Arteriengeben im weiteren Verlauf das Vas afferens für den Glomerulusab (Abb. 3.5).

Venöser Blutabfluss. Das venöse Blut erreicht über die rechtebzw. linke V. renalis die V. cava inferior. Die V. renalis sinistraüberkreuzt in ihrem Verlauf die Aorta. In sie münden die V. su-prarenalis sinistra sowie die V. testicularis sinistra bzw. dieV. ovarica sinistra. Die V. renalis dextra, die V. suprarenalis dex-tra, die V. testicularis bzw. V. ovarica dextra münden jeweils di-rekt in die V. cava inferior.

LERNTIPP

Machen Sie sich noch einmal klar:– Auf der linken Seite nehmen die V. suprarenalis und die V. testi-cularis/ovarica einen Umweg zum Ziel: Sie münden in die Nie-renvene.

– Auf der rechten Seite münden die Venen direkt in die V. cava.

Die Nierenvenen verlaufen – mit umgekehrter Fließrichtung –

parallel zu den Arterien. Dabei existieren zwei Möglichkeiten fürden venösen Rückfluss:▪ Vom Vas efferens des Glomerulus kann das Blut über Vv. inter-

lobulares und weiter über Vv. arcuatae und Vv. interlobares indie rechte bzw. linke V. renalis abfließen.

▪ Vom Glomerulus kann das Blut aber auch über die Vasa rectain das Mark abfließen, sodass das venöse Blut dann überVv. rectae weiter in die Vv. interlobares und dann in die V. re-nalis dexter oder V. renalis sinister gelangt.

Lymphabfluss. Die Lymphgefäße der Niere folgen dem Verlaufder venösen Nierengefäße und treten in die Nll. aortici lateralesein. Von dort gelangt die Lymphe über die Nll. iliaci interni undNll. iliaci communes schließlich in den Truncus lumbalis dexterund sinister und dann in den Ductus thoracicus.

3.1.6 Innervation

Die Innervation der Niere erfolgt über den Plexus renalis, beste-hend aus sympathischen und parasympathischen Fasern, diehauptsächlich aus dem Plexus coeliacus stammen (s. Anatomie-Skript 3).

FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN

– ! Aus den Kanälchen der Urniere (Mesonephros) entwickelnsich die Ductuli efferentes testis.

– ! Die Niere erfährt während ihrer Entwicklung einen Aszensus.

3.2 Ureter (Harnleiter)Die Ureteren transportieren den Urin mittels peristaltischer Wel-len von den Sammelbecken der Nieren in die Harnblase.

3.2.1 Entwicklung

Ureterknospe. In der 6. Woche entsteht am Wolff-Gang kurz vorseiner Einmündung in die Kloake die Ureterknospe (S.48), derenStiel sich zum Ureter entwickelt, der mit seinem unteren Ende indie Blase führt.

APROPOSBei der Entwicklung des Ureters kann es zu Fehlbildungen in Form von Ver-dopplungen kommen:– Beim Ureter fissus ist die Verdopplung inkomplett und auf den oberenTeil des Ureters beschränkt.

– Beim Ureter duplex liegt eine komplette Verdopplung von der Harnbla-se (zwei Ureterostien) bis zur Niere (zwei Nierenbecken) vor. Ein Ureterkann dabei am Blasenhals oder in die Urethra münden. Deshalb sindHarninkontinenz und Infektionen der Harnwege die führenden Sympto-me.

3.2.2 Aufbau und Lagebeziehungen

Jeder Harnleiter hat eine Gesamtlänge von 25−30 cm und einenDurchmesser von ca. 5mm. Die Ureteren sind primär retroperi-toneal gelegen und verbinden das Nierenbecken mit der Harn-blase. Von kranial nach kaudal werden sie in folgende Abschnitteunterteilt:▪ Pars abdominalis: Sie beginnt am Nierenbecken und endet auf

Höhe der Linea terminalis des Beckens und zieht senkrecht aufder Psoasfaszie nach kaudal. Bei der Frau hat der rechte Ureterbei seinem Austritt aus dem Nierenbecken Kontakt zur Parsdescendens duodeni.

▪ Pars pelvica: Sie schließt sich an die Pars abdominalis an undendet an der Harnblase.

▪ Pars intramuralis: Sie zieht durch die Harnblasenmuskel-schicht.

Vas afferens Vas efferens

peritubuläreKapillarnetze

A. interlobularis

V. interlobularis

V. arcuata

V. interlobaris

A. interlobaris

Vasa rectamit

Arteriolae rectae ↓und Venulae rectae ↑

A. arcuata

Abb. 3.5 Gefäßarchitektur in der Niere.

3.2 Ureter (Harnleiter) 51

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Die Ureteren ziehen vom Nierenhilum hinter der A. und V. rena-lis nach medio-kaudal (schräg-unten) ins Becken und tretenschräg von lateral hinten-oben in die Blase ein. Dort bilden sievon innen sichtbar jeweils eine rechts und eine links gelegeneUreteröffnung (Ostium ureteris, Abb. 3.7).

Auf ihrem Weg durch das Retroperitoneum und das kleineBecken kreuzen sie mehrere Strukturen (Abb. 3.4 und Abb. 3.6):▪ Der Ureter überkreuzt den N. genitofemoralis.▪ Der Ureter unterkreuzt die A. und V. testicularis bzw. A. und

V. ovarica.▪ Der Ureter überkreuzt die A. und V. iliaca communis (Pars pel-

vica).▪ Der Ureter unterkreuzt den Ductus deferens bzw. die A. uteri-

na (Pars pelvica).Dabei überkreuzt der linke Harnleiter die Iliakalgefäße in derHinterwand des Recessus intersigmoideus.

LERNTIPP

Das Wissen um die ganze Über- und Unterkreuzerei des Harnlei-ters scheint Ihnen vielleicht eine bloße Schinderei des IMPP zusein. Denken Sie aber daran, dass der Harnleiter im Bauchraum jaeine relativ große Strecke überwindet und dabei ein nur 5mm zar-tes Rohr ist. So kann man ihn bei Operationen leicht übersehenund muss daher genau wissen, an welchen Stellen man mit ihmrechnen muss!

Ureterengen. In seinem Verlauf weist der Ureter drei physiologi-schen Engstellen auf (Abb. 3.4):▪ 1. Engstelle: Nierenhilumaustritt nach medial und Biegung

um 90° nach kaudal▪ 2. Engstelle: Überkreuzung der A. und V. iliaca communis▪ 3. Engstelle: Durchtritt durch die Muskelschicht der Harnbla-

senwand.

3.2.3 Gefäßversorgung

Arterielle Versorgung. Die Ureteren werden stockwerkartig ver-sorgt:▪ oberer Abschnitt: Rr. ureterici aus der A. renalis▪mittlerer Abschnitt: A. testicularis bzw. A. ovarica, gelegent-

lich auch direkt aus der A. iliaca communis bzw. direkt aus derAorta

▪ pelviner Abschnitt: einerseits von der A. vesicalis superior,zum anderen beim Mann von Ästen der A. vesicalis inferioroder bei der Frau von Ästen der A. uterina. Auch die A. puden-da gibt kleine arterielle Äste für den Harnleiter ab.

FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN

– ! Bei seinem Austritt aus dem Nierenbecken hat der rechte Ure-ter der Frau Kontakt zur Pars descendens duodeni.

– !! Der Ureter unterkreuzt die A. und V. testicularis bzw. A. undV. ovarica.

– ! Der linke Harnleiter überkreuzt die Iliakalgefäße in der Hinter-wand des Recessus intersigmoideus.

– !! Der Ureter unterkreuzt den Ductus deferens bzw. dieA. uterina.

Venöser Blutabfluss. Der venöse Blutfluss erfolgt in die Venen,die die Arterien begleiten. Ihre Anordnung ist ebenfalls etagen-artig. Ihr Verlauf und ihre Benennung entsprechen denen der ar-teriellen Gefäße.

Lymphabfluss. Die Lymphe der Harnleiter fließt in die Nll. lum-bales.

3.2.4 Innervation

In allen Schichten der Ureterwand gibt es autonome Nerven-geflechte. Die sensiblen Fasern ziehen mit ihren afferenten Fa-sern auf Höhe von Th11, 12 und L 1 in das Spinalmark ein.

APROPOSÜber diese Innervation wird der Schmerz wahrgenommen, wenn es z. B.zum Harnstau im Ureter aufgrund von Uretersteinen kommt. Die spasti-schen Peristaltikwellen im Rahmen einer Ureterkolik sind sehr schmerzhaft.

3.3 Vesica urinaria (Harnblase)Die Harnblase (Vesica urinaria) sammelt den von den Nieren abge-filterten und über die Harnleiter nach distal abgeleiteten Urin. Siespeichert ihn, bis die Miktion willkürlich eingeleitet wird. Das Fas-sungsvermögen der Blase liegt in der Regel bei 500ml Urin, aberschon ab einem Harnvolumen von 300ml tritt Harndrang ein.

3.3.1 Entwicklung

Die Harnblase sowie auch die Harnröhre entstehen aus dem en-todermalen Sinus urogenitalis, der aus dem ventralen Teil derKloake hervorgeht (Abb. 3.1). Der dem Mesoderm entstammen-de Urnierengang wird teilweise in die Harnblase einbezogen, so-dass der Ureter dann direkt in die Harnblase mündet (Abb. 3.6).Die Harnblase entsteht damit aus zwei Keimblättern, den meso-dermalen Anteil stellt das Trigonum vesicae (s. u.) dar. Der restli-che Teil des Urnierengangs entwickelt sich beim Mann zumDuctus deferens, bei der Frau bildet er sich zurück.

3.3.2 Funktion

Bei steigender Füllung der Blase relaxiert der M. detrusor vesicae,so dass der intravesikale Druck zunächst kaum ansteigt. Gleich-zeitig melden Dehnungsrezeptoren in der Harnblasenwand, derenPerikaryen in den Spinalganglien liegen, die zunehmende Füllungan das sakrale Miktionszentrum auf Höhe von S2–S4 und in su-praspinale Zentren. Bei einem bestimmten Füllungsgrad wird derMiktionsreflex eingeleitet: Durch Kontraktion steigt der Druck inder Blase nun stark an. Dieser Druckanstieg verstärkt über einensupraspinalen Reflexweg die Aktivität des Parasympathikus, so-dass es zu einer Kontraktion des M. detrusor vesicae kommt undgleichzeitig die Uretereinmündungsstellen verlegt werden.

APROPOSBei Querschnittslähmungen oberhalb des Miktionszentrums kann es zumBild einer autonomen Blase kommen: Dies führt zu unwillkürlichem Urin-abgang, gleichzeitig besteht jedoch oft eine unvollständige Blasenentlee-rung. Ein Blasenschrittmacher, der in der Vorderwurzel von S 2 implan-tiert wird, kann Patienten oft helfen.

Der in der Blase entstehende Druck dient dem Auspressen desUrins in die Harnröhre. Zur Harnentleerung wird derM. sphincterurethrae internus vorwiegend mechanisch geöffnet, die Erschlaf-fung des durch den N. pudendus innervierten M. sphincter ure-thrae externus kann dagegen willkürlich kontrolliert werden.

Weitere Mechanismen, die die Miktion unterstützen, sind einVenenplexus, der im Anfangsabschnitt der Urethra liegt, bei Mik-tion „ausgepresst“ wird und somit den Weg freigibt, und dieBauchpresse.

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3.3.3 Aufbau

Anteile. Die Harnblase ist ein Hohlorgan mit einer dicken mus-kulären Wand. Man unterscheidet:▪ Corpus vesicae (Harnblasenkörper)▪ Apex vesicae (Harnblasenspitze oder Harnblasenscheitel)▪ Fundus vesicae (Blasengrund).An dem zum Beckenboden hin gerichteten Teil der Blase tretenvon dorsal die Ureteren durch die Wandmuskulatur. Dem kau-dalen Anteil des Fundus liegt beim Mann von unten die Prostataan. Der Fundus verjüngt sich nach unten zum Blasenhals (Cervixvesicae urinariae), der dann in die Harnröhre übergeht.

Innenrelief. Die Innenwand der Harnblase zeigt Schleimhautfal-ten, die durch die locker mit der Schleimhautschicht verbundeneWandmuskulatur aufgeworfen werden. Sie dienen der Dehnbar-keit der Harnblase und verstreichen mit zunehmender Füllung.Im Fundusbereich liegt ein faltenfreies, dreieckiges Areal (Trigo-num vesicae). Hier ist die Schleimhaut mit der Muskelschicht festverwachsen und dadurch straff gespannt. Das Trigonum vesicaebefindet sich zwischen den Einmündungen der Ureteren (Ostiaureteris) und der Harnröhrenöffnung (Ostium urethrae inter-num). Am Ostium urethrae internum befindet sich zudem dieUvula vesicae. Dieses Blasenzäpfchen ragt von dorsal in dieUrethraöffnung hinein und dient dem Verschluss und der Ab-dichtung der Harnblasenausflussbahn.

Die Wand der Harnblase besteht aus insgesamt drei Schichtenglatter Muskulatur, die zusammenfassend als M. detrusor vesi-cae bezeichnet werden. Am Blasenhals bilden speziell angeord-nete Muskelfasern den M. sphincter urethrae internus (auchM. sphincter vesicae), der die Blase verschließt. Der M. sphincterurethrae externus enthält quergestreifte Muskulatur und kanndaher willkürlich kontrolliert werden. Er wird durch den N. pu-dendus innerviert.

3.3.4 Lagebeziehungen

Die Harnblase ist ein subperitoneales Organ und vom Blasen-scheitel bis zum Blasengrund von Peritoneum überzogen. Die ge-leerte Harnblase liegt beim Erwachsenen hinter den Schambein-bögen im kleinen Becken. Die Harnblasenspitze reicht im ent-leerten Zustand ein wenig über den Symphysenoberrand des Be-

ckens hinaus. Je stärker die Blase gefüllt ist, desto mehr steigt sieins große Becken auf. Eine prall gefüllte Blase kann sogar bis aufHöhe des Bauchnabels reichen.

APROPOSBei einem akuten Harnverhalt kann der Patient trotz starken Harndrangsaufgrund mechanischer oder neurogener Ursachen kein Wasser mehr las-sen. Die übermäßig gefüllte und schmerzhafte Harnblase kann dann alsgroßer Tumor im Unterbauch getastet werden. Eine Ultraschallunter-suchung bestätigt den Verdacht sofort. Akuter Harnverhalt ist ein Notfall,der zunächst durch eine Einmalkatheterisierung behandelt wird. Dabeimuss der Urin in mehreren Schritten abgelassen werden, damit es beieiner zu schnellen Entleerung nicht zu einer Blutung aus komprimiertenBlasenvenen kommt.

Beim Mann liegen der Harnblase von dorsal die Ampullen desDuctus deferens und dorsolateral die Samenbläschen an. Außer-dem befindet sich zwischen der Harnblase und dem Rektum dieExcavatio rectovesicalis. Der Unterfläche der Harnblase liegtbeim Mann die Prostata an.

Bei der Frau liegt zwischen Harnblase und Rektum die Gebär-mutter und untergliedert den Raum im weiblichen kleinen Be-cken in eine Excavatio vesicouterina (Raum zwischen Harnblaseund Uterus) sowie eine Excavatio rectouterina (sog. Douglas-Raum, zwischen Uterus und Rektum). Der Uterus liegt der Harn-blase von dorsal an, überragt die Blase und lagert sich ihrschließlich von kranial oben auf.

Die Harnblase ist ventral mit Bändern im kleinen Becken be-festigt:▪ Lig. pubovesicale (bei der Frau): von der Symphyse zum Bla-

senhals▪ Lig. puboprostaticum (beim Mann): von der Symphyse zur

Prostata.

3.3.5 Gefäßversorgung

Arterielle Versorgung. Die A. vesicalis superior (nicht obliterier-ter Anteil der A. umbilicalis) versorgt den anterio-superioren An-teil der Blase, die A. vesicalis inferior aus der A. iliaca interna denBlasengrund. Bei der Frau stammt die A. vesicalis inferior aus derA. vaginalis.

Zusätzlich sind kleinere Äste aus der A. obturatoria, A. rectalismedia, A. pudenda interna und bei der Frau auch aus der A. ute-rina an der Versorgung beteiligt.

Venöser Blutabfluss. Der Plexus venosus vesicalis sammelt dasvenöse Blut der Blase und drainiert es dann in die V. iliaca inter-na.

Bei der Frau liegt der Plexus venosus vesicalis um den Blasen-hals und den Anfangsteil der Urethra. Das Venengeflecht der Bla-se kommuniziert zusätzlich noch mit der V. dorsalis clitoridisprofunda und dem Plexus venosus vaginae.

Beim Mann ist der Harnblasenplexus verbunden mit demProstataplexus, welcher das venöse Blut aus Prostata, Samenbläs-chen und Ductus deferens aufnimmt und in die V. vesicalis infe-rior und dann in die V. iliaca interna abführt. Das Blut kann auchüber Vv. sacrales in den Plexus venosus vertebralis abfließen.

Lymphabfluss. Die Lymphe aus dem oberen und seitlichen Teilder Blase fließt über die Nll. iliaci externi, der untere und hintereTeil (einschl. Trigonum vesicae) fließt ab über die Nll. iliaci inter-ni und schließlich in die Nll. iliaci communes.

Urnierengang

Ureter-knospe

Harnblasenhinterwand

Ureter

Ductus deferensTrigonum vesicae

Abb. 3.6 Trennung des Ureters (Ureterknospe) vom Urnierengang(Ductus deferens). [aus Ulfig, Kurzlehrbuch Embryologie, Thieme, 2009]

3.3 Vesica urinaria (Harnblase) 53

LERNPAKET7

aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533838) © 2015 Georg Thieme Verlag KG

Page 7: Thieme: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 · nen unteren Pol (Extremitas inferior) und den dazwischenlie-genden Parenchymteil. Die Niere ist von drei Hüllstrukturen um-geben: Capsula

3.3.6 Innervation

Die Innervation erfolgt über den Plexus vesicalis. Die sympathi-schen Fasern stammen aus den Rückenmarksegmenten Th11−L 1(Blasenzentrum), die parasympathischen Fasern aus den Seg-menten S2−S 4. Der Sympathikus bewirkt eine Kontraktion derBlasenwandmuskulatur im Bereich von Blasenhals und obererUrethra und reguliert die Blasenfüllung im Sinne einer Retentionvon Urin. Die parasympathischen Fasern sorgen für eine Kon-traktion des M. detrusor vesicae und eine Relaxation desM. sphincter urethrae internus, sodass der gesammelte Urin aus-gepresst werden kann. Bei einer Schädigung der parasympati-schen Fasern kommt es zu einer Beeinträchtigung der Miktion.

FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN

– ! Die Perikaryen der Dehnungsrezeptoren der Harnblasen-wand liegen in den Spinalganglien.

– ! Bei einer Schädigung der parasympatischen Fasern aus denRückenmarksegmenten S 2–S 4 kommt es zu einer Beeinträch-tigung der Miktion.

3.4 Urethra (Harnröhre)Die Harnröhre (Urethra) ist der letzte Teil des ableitenden Harn-systems und transportiert den Harn aus der Harnblase ins Freie.Wie die Harnblase auch entsteht die Harnröhre aus dem Sinusurogenitalis.

3.4.1 Aufbau und Lagebeziehungen

Urethra feminina. Die weibliche Harnröhre ist 4−5 cm lang. Siebeginnt an der Harnblase am Ostium urethrae internum undzieht zwischen der Symphyse und der vorderen Wand der Vaginazum Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae). Hier mündet sie mitdem länglich-schlitzförmigen Ostium urethrae externum hinterder Glans clitoris. Lateral des Ostium urethrae externummündendie ausführenden Gänge der Glandulae urethrales, kleiner tubu-lärer Schleimdrüsen.

APROPOSDie weibliche Harnröhre ist sehr kurz, daher ist auch der Aufstieg von Kei-men in die Harnwege und die Blase erleichtert. Dies ist der Grund dafür,dass Frauen häufiger unter Harnwegsinfektionen leiden als Männer.

Urethra masculina. Die männliche Harnröhre ist ein ca. 25 cmlanger, muskulärer Schlauch und zieht vom Boden der Harnblase(Ostium urethra internum) bis zur äußeren Öffnung (Ostiumurethrae externum) an der Spitze der Glans penis. In die männ-liche Urethra münden die Ausführungsgänge der Samenblasengemeinsam mit den beiden Ductus deferentes. Somit bildet dieHarnröhre gleichzeitig den Weg für die Ejakulation der Sperma-flüssigkeit.

Die männliche Urethra wird in vier Abschnitte eingeteilt(Abb. 3.7 und Abb. 3.8).▪ Pars intramuralis: Ein kurzer Abschnitt der Urethra innerhalb

der Muskelwand der Harnblase, der am Ostium urethrae inter-num beginnt und vom M. sphincter urethrae internus umge-ben wird.

▪ Pars prostatica: Sie ist 3−4 cm lang und der weiteste Teil derHarnröhre. Hier münden die zahlreichen kleinen Ausfüh-rungsgänge der Prostata. Lateral des sog. Samenhügels (Colli-culus seminalis), der an der Rückseite der Harnröhre liegt, zie-hen die Ausführungsgänge der Samenbläschen jeweils zusam-men mit dem Ductus deferens und münden als Ductus ejacu-latorii in der Mitte der Pars prostatica auf dem Samenhügel indie Harnröhre.

▪ Pars membranacea: Dieser Teil der Urethra ist 1–2 cm langund tritt durch den Beckenboden hindurch, der vom Diaphrag-ma pelvis und Diaphragma urogenitale gebildet wird (s. Ana-tomie-Skript 1). Er ist damit fest am Beckenboden fixiert. DiePars membranacea wird zudem vom M. sphincter urethraeexternus umschlossen. Mit einem Lumen von 3mm Durch-messer ist sie der engste Teil der männlichen Harnröhre.

▪ Pars spongiosa: Sie zieht durch den Bulbus sowie das Corpusspongiosum des Penis (S.68) und endet am Ostium urethraeexternum. In diesem Abschnitt der Harnröhre finden sich dieLacunae urethrales und die Mündungen der Glandulae ureth-rales und Glandulae bulbourethrales.

Urethraengen und Aufweitungen. Sowohl die männliche alsauch die weibliche Harnröhre besitzen drei typische Engstellen:▪ 1. Engstelle: innere Öffnung der Harnröhre am Blasenaustritt

(Ostium urethrae internum→ Pars intramuralis)▪ 2. Engstelle: Durchtritt durch den Beckenboden im Diaphrag-

ma urogenitale (Pars membranacea urethrae)▪ 3. Engstelle: äußere Öffnung der Harnröhre (Ostium urethrae

externum).

M. detrusor vesicae

Ostium ureteris

Ostium urethrae internum

M. sphincter internusPars intramuralis

M. levator ani

M. transversus perinei

M. bulbospongiosus

Pars membranacea

Pars spongiosa

ProstataPars prostatica

ba

Trigonum vesicae

Abb. 3.7 Anatomie des unteren Harn-trakts. a Männlich. b Weiblich

54 Anatomie 2 | 3 Beckensitus

aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533838) © 2015 Georg Thieme Verlag KG