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7/18/2019 Thomas Müntzer in Lateinamerika http://slidepdf.com/reader/full/thomas-muentzer-in-lateinamerika 1/45 Thomas-Müntzer-Gesellschaft e. V. Veröffentlichungen Nr. 15 Alejandro Zorzin Thomas Müntzer, in Lateinamerika Anhang John Howard Yoders Aussagen über Thomas Müntzer in den Textos escogidos de la Reforma Radical (1976/77) Thomas-Müntzer-Gesellschaft e. V. Mühlhausen 2010

Thomas Müntzer in Lateinamerika

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Alejandro Zorzin. Thomas Müntzer in Lateinamerika.

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Thomas-Müntzer-Gesellschaft e. V.

Ver ö f f en t l i chungen N r . 15

Alejandro Zorzin

T h o m a s M ü n t z e r ,

i n L a t e i n a m e r i k a

Anhang

John Howard Yoders Aussagen über Thomas Müntzer

in den Textos escogidos de la Reforma Radical (1976/77)

T h o m a s - M ü n t z e r - G e s e l l s c h a f t e . V .

M ü h l h a u s e n 2 0 1 0

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Die Thomas-Müntzer -Gese l l schaf t e .V. dankt dem Oberbürgermeis te r der S tadt Mühlhausen/Thür , und

dem S tadtarch iv Mühlhausen/Thür , fü r d ie f inanz ie l l e Unters tü tzu ng der Druck legun g d ieser Pub l ika t ion .

Herausgeber:

Redaktion und Gestaltung:

ISBN-Nr. :

Satz und Druck :

Thomas-Müntzer -Gese l l schaf t e . V.

99962 Mühlhausen, Postfach 1243

Mar t in Sünder , Kat r in Pr in ich-Heutzenröder

978-3-935547-41-3

Dru ckhau s „Thomas Mü ntze r " Gm bH , Bad L angensa l z a

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Inhalt

Einleitung 5 

I. Spanische U bersetzu nge n von Friedrich Engels und Ernst Bloch 7 

II. Iberoam erikanische Beiträge zu Tho mas M ün tzer (1970 - 2006) 9 

III . Thom as M üntze r im Um feld der Befreiungstheologie: H ugo Echegaray 14

IV. Beiträge zu M üntze r im U mfeld evangelisch kirchlicher Ho chschulen

in Iberoamerika (1 98 0- 20 06 ) 16

V. Tex tausgaben in Spanischer

bzw . brasil ianisch-portuguiesischer Ub ersetzung 29 

VI. Fikt ionaler Realismus: Tom as M unz er in Chiapas 31

Anhang

John H ow ard Yoders Aussagen über Thomas M üntzer

in den   Textos escogidos de la Reforma Radical   (Buen os A ires 1976/77) 33

3

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Einleitung

Eine sehr gegenwartsnahe Wahrnehmung von Thomas Müntzer in Lateinamerika

findet sich in einem Interview eines argentinischen Religionsanthropologen. Auf die

Frage des Journ alisten nach dem Ursp rung der unterschiedlichen protestantischen

Richtungen, insbesondere der täuferischen, antwortet er: „Die Wiedertäufer tauchen

ku rz nach der Bauernrevolution von 1530 [s ie] auf, der ersten kom mun ist ischen Revo -

lution der modernen Epoche. Sie geht über Luthers Reformation hinaus, setzt auf

gemeinschaftlichen Besitz, Wegfall von Reichtümern, die Idee, dass die Armen ihre

Erbschaft angetreten haben. Sie bestand aus einer Reihe sehr wichtiger von Müntzer

angeführter Revolten, ein sehr radikaler Theologe, der die lutherischen Gedanken zu

weit vorangetrieben hatte, so weit, dass Luther selbst die Repression dieser Mobilma-

chungen befürwortete. Zu gefährlich war seine Lehre entstellt worden (...)-

Kl

  Es wird

zu fragen sein, wie ein solches Bild von Thomas Müntzer zustande kommt, aber auch,

wo auf diesem Kontinent

  Müntzer

1

  noch wahrgenomm en wird .

Lateinamerika ist ein vom iberischen (spanisch-portugiesischen und römisch- katholi-

schen) Kolonialisierungsprozess geprägter Kontinent. Dort konnte der Protestantis-

mus erst im Gefolge der antikolonialen Befreiungskämpfe seit Beginn des 19. Jahr-

hunderts langsam Fuß fassen.

3

  Trotz Fest igung protestantischer Minderheitskirchen

im Zusammenspiel europäischer Einwanderungsschübe mit nordamerikanisch-

evangelischer Missionstätigkeit (Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts) fand

jedoch über lange Zeit keine breitere Vermittlung protestantischer Inhalte oder Leitfi-

guren (wie Martin Luther

4

  oder Johannes Calvin) in die römisch-katholische Gesell-

schaft hinein statt. Der erste reflektierte Versuch einer solchen Vermittlung griff in

Lateinamerika nicht auf >angelsächsisch-exogen< anmutende protestantische Leitbil-

der zurück, sondern auf ursprünglich protestantisch-iberische. So wurde in den drei-

ßiger Jahren des 20. Jahrhunderts der iberoamerikanischen Gesellschaft spanisch-

evangelischer Glaube über den ihr naheliegenderen „Anderen [weil nicht römisch-

1

  Gespräch mit dem Religionsanthropologen Cesar Ceriani Cernadas („El evangelismo estä

llegando a las clases medias"), in der Tageszeitung Pdgina/12, Buenos Aires, vom  20. 04. 2009.

2

  Um laute werden in der spanischen Aussprache in ihre Grundvokale aufgelöst („Muenzer")

oder ganz weggelassen; so auch die dem Spanischen fremd anmutende Konsonantendichte

(„th" bzw. „tz").

3

  Prien, Hans Jürgen: Das Christentum in Lateinamerika, Leipzig 2007; Bastian, Jean-Pierre:

Geschichte des Protestantismus in Lateinamerika, Luzern 1995; Mfguez-Bonino, Jose: Faces

of Latin American Protestantism, Grand Rapids, Mich., 1997.

4

  Erste Auswahl und Übersetzung von Luthertexten: Martin Marczynski (in Zusammenarbeit

mit dem Institut Germanischer Studien der Fakultät für Philosophie und Literatur an der

Universität Buenos Aires), Buenos Aires 1946.

5

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I .

Spanische Übersetzungen von

Friedrich Engels und Ernst Bloch

Bis heute sind für die gesamte lateinamerikanische M üntzer-R ezeption die W erke vo n

Friedrich Engels (D er Deutsche Bauernkrieg,  1850/1870) und Ernst Bloch (Thom as

Münzer als Theologe der Revolution, 1921/1962) prägend.

Aus dem Jahr 1946 liegt eine erste in Argentinien veröffentlichte Übersetzung des

Deutschen Bauernkriegs  von Engels vor, mit dem Titel   D ie Bauernkriege in Deutsch-

land

1970 w urd e eine we itere Au sgab e dieser Schrift in Bueno s Aire s gedru ckt. In der

Einführung dazu schrieb der Herausgeber L. Paz, es handele sich um ein klassisches

Werk, das unmöglich ignoriert werden könne, „jede Studie, die sich auf das deutsche

16. Jahrhundert bezieht, muss es einsehen; seine Nichtbeachtung stellt eine nicht zu

rechtfertigende Lücke dar."

10

  Im Anh ang dieser Ausgabe befinden sich auch die  Zwölf

Artikel der Bauernschaft  in spanischer U bersetz ung , da sie - so der H erausg eber, „für

spanischsprechende Leser so gut wie unbekannt seien". Die Wirkung von Engels

Deutschem Bauernkrieg  im iberoam erikanisch en Kon text bestätigt eine A nfan g 1989

gemachte Aussage des brasil ianischen Befreiungstheologen Carlos Alberto Libänio

Christo O.P. („Frei Betto") . Auf den von seinem Gesprächspartner gegebenen Hin-

w eis, eine der popu lärsten „absoluten Wa hrheiten" des Marxismu s sei jene, die R eligi-

on mit Opium fürs Volk identif iziere, antwortete „Frei Betto": Engels äußere sich

durchaus posit iv über Religion, wenn er z. B. die Beziehungen zwischen dem Kampf

der Bauern im Deutschland des 16. Jahrhunderts und dem christ l ichen Glauben der

Bauern untersucht. „Wenn er [=Engels] den Bauernkampf von Thomas Müntzer ana-

lysiert, spricht er positiv von Religion als einem Faktor politischer Emulation unter

den Bauern.""

1964 wurde von Editions Juilliard in Paris Ernst Blochs

  Thomas Münzer, theologien

de la revolution  in kom men tierter Ub ersetzung von M aurice de Gandillac (mit einem

Vorwort von Rosemarie Ferenczi) veröffentlicht. Auf der Grundlage dieser französi-

9

  Engels, Federico: Las guerras campesinas en Alemania, (Editorial Calomino) La Plata,

Argentinien 1946; auch in Bogota (Editorial Oveja Negra) erschien 1969 eine Ausgabe mit

gleichem Titel.

10

  Engels, Federico: Las guerras campesinas en Alem ania, (Editorial And es) Buenos Aires 197 0,

S. 7.

11

  Frei Betto: Debate sobre marxismo - un aporte cristiano revo lucion ario. - In: Revista Envio /

digital (Universidad Centroamericana - Nicaragua) 91, enero 1989.

5

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I .

Spanische Übersetzungen von

Friedrich Engels und Ernst Bloch

Bis heute sind für die gesamte lateinamerikanische Müntzer-Rezeption die Werke von

Friedrich Engels (D er Deutsche Bauernkrieg,  1850/1870) und Ernst Bloch (Thom as

Münzer als Theologe der Revolution, 1921/1962) prägend.

Aus dem Jahr 1946 liegt eine erste in Argentinien veröffentlichte Ubersetzung des

Deutschen Bauernkriegs  von Engels vor, mit dem Titel   Die Bauernkriege in Deutsch-

land

1970 w urd e eine we itere Au sgab e dieser Schrift in Bueno s Aires ged ruck t. In der

Einführung dazu schrieb der Herausgeber L. Paz, es handele sich um ein klassisches

Werk, das unmöglich ignoriert werden könne, „jede Studie, die sich auf das deutsche

16. Jahrhundert bezieht, muss es einsehen; seine Nichtbeachtung stellt eine nicht zu

rechtfertigende Lücke dar."

10

  Im Anhang dieser Ausgabe befinden sich auch die   Zwölf

Artikel der Bauernschaft  in spanischer U berse tzun g, da sie - so der H erausge ber, „für

spanischsprechende Leser so gut wie unbekannt seien". Die Wirkung von Engels

Deutschem Bauernkrieg  im iberoam erikanisch en Kon text bestätigt eine A nfan g 1989

gemachte Aussage des brasil ianischen Befreiungstheologen Carlos Alberto Libänio

Christo O.P. („Frei Betto") . Auf den von seinem Gesprächspartner gegebenen Hin-

weis, eine der populärsten „absoluten W ahrheiten" des M arxismus sei jene, die R eligi-

on mit Opium fürs Volk identifiziere, antwortete „Frei Betto": Engels äußere sich

durchaus posit iv über Religion, wenn er z. B. die Beziehungen zwischen dem Kampf

der Bauern im D eutschland des 16. Jahrhun derts und dem christ lichen Glauben der

Bauern untersucht. „Wenn er [^Engels] den Bauernkampf von Thomas Müntzer ana-

lysiert, spricht er positiv von Religion als einem Faktor politischer Emulation unter

den Bauern."

11

1964 wurde von Editions Juilliard in Paris Ernst Blochs   Thomas Münzer, theologien

de la revolution   in kom men tierter Ub ersetzung von M aurice de Gand illac (mit einem

Vorwort von Rosemarie Ferenczi) veröffentlicht. Auf der Grundlage dieser französi-

9

  Engels, Federico: Las guerras campesinas en Alemania, (Editorial Calomino) La Plata,

Argentinien 1946; auch in Bogota (Editorial Oveja Negra) erschien 1969 eine Ausgabe mit

gleichem Titel.

10

  Engels, Fede rico: Las guerras campesinas en Alem ania, (Editorial Ande s) Buenos A ires 197 0,

S. 7.

11

  Frei Betto: Deb ate sobre marxismo - u n aporte cristiano revolu ciona rio. - In: Revista En vfo

 /

digital (Universidad Centroamericana - Nicaragua) 91, enero 1989.

7

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sehen Ausgabe und des deutschen Originals übersetzte Jorge Deike Robles für den

Madr ider Ver lag

  Ciencia Nueva

  das W er k ins Spanische. Diese Ub erse tzu ng erschien

unter dem Titel  Thom as M ünzer - teölogo de la revolucion  (196 8). Tr otz vieler Ein-

gri ffe in den Text durch die Zensur der Franco-Regierung'~ stand diese spanische

Bloch-Ausgabe ab 1968 den lateinamerikanischen Lesern zur Ver fügung. Eine ibero-

amerikanische Ausgabe von Blochs Müntzerbuch erschien 1973 in bras i l ianisch-

por tugies i scher Überse tzung von Vami reh Chacon und Ce les te A ida Ga leäo in R io de

Jan ei ro . Re zep t ions- und wirkun gsge schicht l ich is t in diesem Zusam me nhan g von

Bedeutung, dass B lochs Müntzerbuch im R ahmen e ines Anfang 1967 im

  Centro In-

ternational de Docum entaciön  ( C I D O C : C u e r n a v a c a / M e x i c o ) d u r c h g e f ü h r t e n K o l -

loquiums über >Gewal t , Imaginat ion und Soz ia le Veränderung in Late inamer ika<

besprochen wurde . P ie r re Fur te r s te l l t e dor t B lochs Interpre ta t ion von Müntzers

„G ew al t recht des Gu ten vo r ( aufgrund der f ranzös i schen Üb erse tzun g:

  Du hon usa-

ge de la violence).'*

  Dieses Beispie l mach t deut l ich, dass beim Na chze ichnen von Re-

zept ion und Wirkung a l le in anhand gedruckter Zeugnisse die für iberoamerikanische

Kommunikat ion wicht ige o ra le und mi t te l s hek tographier te r Publ ika t ionen s ta t t f in -

dende Verbre i tung von Wissen und Ideen immer Gefahr l äuf t , ausgeblendet bzw.

übersehen zu werden.

In rezept ionsgeschicht l icher Perspekt ive kommen, der sprachl ichen Nähe wegen, für

Iberoamerika auch Publ ikat ionen in Frage, die in Spanien, Portugal oder I ta l ien veröf-

fent l icht wurden. Dementsprechend muss noch auf die ers te im Bereich der neulateini -

s c h e n S p r a c h e n v e r ö f f e n t l i c h t e A u s g a b e v o n M ü n t z e r s   Politischen Schriften  h i n g e w i e -

sen werden. In mustergü l t iger Wei se von Emidio Campi überse tz t , e ingeführ t und

kommentier t , s tanden sei t Mit te 1972 die in Mai land gedruckten

  Scritti politici

  Thomas

M ü n t z e r s z u r V e r f ü g u n g .

1 5

12

  Ro jas Claro s, Francisco: U na editor ia l para los nuevos t iemp os: Cien cia Nucv a (196 5-1970) ,

Revista Histor ia de l Presente , Madr id 2005, S . 103-120. „Bevor e ine Veröffent l ichung

genehmigt wurde, hatte d ie Zensurste l le fünfz ig Se i ten mit Stre ichungen belegt ; aber wei l der

Vertrag unterze ichnet war und die Rechte bezahlt waren, fuhr der Ver lag fort , und das Buch

konnte trotz e iner so lchen Verstümmelung das Licht der Öffent l ichkei t erb l icken" (übers , v .

,3

  V f 0

-

" Bloch, Ernst : Th om as M ün zer : Teölogo da Rev olu§äo, Rio de Jane iro 1973.

14

  Vg l . CIDOC/Informa Vol .5 ( Jun io -Dic iembre ) 1967 , Cuernavaca 1968 ; e s hande l t s i ch um

das Mitte i lungsorgan des von Ivan I l l ich geführten Internat ionalen Dokumentat ions-

Zentrums; s iehe dazu auch Kal ler-Dietr ich , Mart ina : Ivan I l l ich (1926-2002) . Se in Leben, se in

Denken , Wien 2008 .

15

  Campi , Emidio :Thomas Müntzer . Scr i t t i Pol i t ic i , Mai land 1972. Campis Bestandsaufnahme

der b is Anfang der s iebz iger Jahre „ in e in igen west l ichen Ländern erschienenen

Forschungsarbei ten" zu Müntzer l iest s ich ernüchternd: für I ta l ien zwei ä l tere Arbei ten

8

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VI.

Iberoamerikanische Beiträge

16

zu Thomas Müntzer (1970 - 2006)

Der erste iberoamerikanische Beitrag zu Thomas Müntzer erschien 1970 in der vom

Seminar der Missouri-Lutheraner seit 1954 (in Buenos Aires) herausgegebenen   Revista

de Teologi'a.

  Un ter dem Titel

 D ie Theologie der Revolution und Thomas Müntzer

  ging

dessen Rektor Federico Lange dort mit stark polemischem Unterton gegen die haupt-

sächlich vom presbyterianischen (bis 1964 in Brasilien als Dozent tätigen) Richard

Shaull vertretenen Positionen vor (in denen Shaull sich jedoch nicht auf Müntzer be-

zogen hatte).

17

  Lange geht davon aus, dass „die Theologie der Revolution der Zweirei-

chelehre eine Absage erteilt , und T. Muenzer [sie] so zum Schaden M. Luthers gelobt

wird." Müntzer wird danach nur knapp anhand von Zitaten aus Roland H. Baintons

Lutherbuch

18

  vorgestellt . Der Grundtenor folgt Ulrich Asendorfs 1969 im   Jahrbuch

(1869 und 1927), für Frankreich zwei Beiträge (1927 und 1958), in den Niederlanden ein paar

Informations-Artikel, in Großbritannien bis auf zwei Beiträge in Church Quarterly Review,

1938 und 1939, nur die von Gordon Rupp 1966 veröffentlichte populäre Biographie

Müntzers, und in Spanien, Portugal und Griechenland keine Beiträge (S.64 f.). Der Überblick

zeigt, dass Lateinamerika im Vergleich zum außerdeutschen Europa damals keine Ausnahme

darstellte.

16

  Im Folgenden wird nur auf größere bzw . in die Rezeptionsgeschichte eigene Schw erpunkte

einbringende Beiträge eingegangen. Der Vollständigkeit halber sei noch folgender Beitrag

erwähnt: Seibert Cuadra, Ute: Thomas Müntzer y la Guerra Campesina en Alemania. - In:

Centro Intereclesial de Estudios Teolögicos y Sociales, Reforma y conquista : America Latina

500 anos despues. Estudios sobre protestantismo e historia, Managua 1989, S. 29-42.

17

  Vgl. Shaull, Richard: O Cristianismo e a Revolugäo social,1953; ders.: El nuevo espfritu

revolucionario de America latina. - In: Cristianismo y Sociedad (ISAL/Montevideo), Jg.l, 3

(1963/64), S. 30-42; ders.: El cambio revolucionario en un perspectiva teolögica. - In:

Cristianismo y Sociedad (ISAL/ Montevideo) Jg.4, 12 (1966), S. 49-69 (auch in: Christian

Social Ethics in a Changing World, Genf 1966, Hacia una revolueiön responsable: Ensayos

sobre socio-etica cristiana, Buenos Aires 1970; vgl. auch Shaulls späteres Werk: A Reforma

protestante e a teologi'a da libertagäo. Perspectivas para os desafios da atualidade [orig.

Englisch, Kentucky 1991] , Säo Paulo 1993. Vgl. auch Schuurman, Lambert: El cristiano, la

iglesia y la revolueiön, Buenos Aires 1970; der am ISEDET (Buenos Aires) als Dozent tätige

reformierte Niederländer Schuurman erwähnt Müntzer in seinem Buch an zwei Stellen (S. 26

und 109), lässt ihm gegenüber aber beide Male kritische Skepsis gelten.

Bainton, Roland H.: Martin Lutero, Buenos Aires 1955 (spanische Übersetzung von Raquel

Lozada und A dam F. Sosa).

9

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des Martin-Luther-Bundes erschienenem Beitrag   Die Lehre von den beiden Reichen

und die Theologie der Revolution.

Im Kontext dieser Debatte erschien Ende 1971 ein zweiter Müntzerbeitrag in den

Cuadernos de Teologia  (Instituto Superior Evangelico de Estudios Teo lögicos / Bue -

nos Aires) . Mit dem Titel

  Ein utopisches Treffen

  gestaltete der deutschstäm mige, lu-

therisch-nordamerikanische Dozent der Facultad Luterana de Teologia ( in Jose C.

Paz, Buenos Aires) Manfred Bahmann ein f ikt ives Gespräch zwischen Luther und

Müntzer." Es hätte nach Bahmann, „im Himmel, in der Hölle, im Fegefeuer oder an

jedem anderen Ort stattfinden können"

20

. Unter Verwendung von Auszügen aus

Müntzers   Hochverursachter Schutzrede   und Luthers   Sendbrief vom harten Büchlein

wider die Bauern  entstanden hier acht Seiten einer poin tierten Gegenü berstellung von

Posit ionen beider Reformatoren in den „krit ischen Jahren der Bauernrebell ion in

Deutschland."

21

  Dieser originelle Beitrag Bahmanns, der erstmals längere Zitate aus

den Primärquellen auf Spanisch vermittelte, verdeutlicht zwei Aspekte, die für die

gesamte iberoamerikanische M üntzerrezep tion charakterist isch bleiben:

1. die Ansiedelung der Arbeiten zu Müntzer im Umfeld der größeren Evangelischen

Kirchlichen Hochschulen auf dem süd- und mittelamerikanischen Kontinent (z. B.

dem Instituto Superior Evangelico de Estudios Teolögicos (ISEDET) in Buenos Aires,

Argentinien; der Escola Superior de Teologia (EST) in Säo Leopoldo, Brasilien, und

dem Seminario B iblico Latinamericano (SEB ILA ) in San Jose de Costa R ica) ;

2. die fehlenden M öglichkeiten einer direkten A rbeit mit M üntze rs Schriften in spani-

scher bzw. brasilianischer Sprache.

Während der Jahre 1970/1971 war der mennonit ische Theologe John Howard Yoder

Gastdozent am ISEDET (in Buenos Aires) und am Mennonit ischen Seminar ( in Mon-

tevideo).

22

  Bleibender und wichtiger Ertrag seiner Tätigkeit am Rio de la Plata wurde

seine r ichtungsweisende Zusammenstellung und Kommentierung von Quellen unter

dem Titel  Ausgewählte Texte der Radika len Reformation.   In spanischer Üb ersetzung

von Nelida Mendilaharzu de Machain und Ernesto Suärez Vilela lagen sie (erst) 1977

Bahman, Manfred: Un encuentro utöpico, Cuadernos de Teologia (Instituto Superior

Evangelico de Estudios Teolögicos

 /

 Buenos Aires), Bd. 1,1970, S. 53-6 0.

20

  Ebd., S. 53.

21

  Ebd.

1966 war John H. Yoder schon einmal am Rio de la Plata; vgl. Yoder, John Howard: El

Camino de la Cruz: Cinco conferencias (Seminario Evangelico de Teologia), Montevideo

1966; ders.: Revolucion y Etica Evangelica. - In: Certeza, Buenos Aires, Vol.11,44, 1971, S.

104 ff., ders.: Los cristianos y la violencia. - In: Certeza, Buenos Aires, 14,56, 1974, S. 231 -23 6.

10

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in Buenos Aires gedruckt vor.

23

  Erstmals waren darin einem breiteren iberoamerikani-

schen Publikum [2000 Exemplare] in spanischer Fassung zugänglich: Müntzers

  Fürs-

tenpredigt,  seine Briefe  an Friedrich den Weisen  (1523),   an die Allstedter   (1525) und   an

Albrecht und Ernst von M ansfeld  (1525) sow ie der  Brief des Züricher Grebelkreises an

Müntzer  (1524).

24

  Charakteristisch sei in Müntzers Botschaft, so Yoder, „die besonde-

re Verbindung zwischen seinem sehr verinnerlichten Mystizismus und der Hoffnung

auf eine soziale Revolution. Gleichwohl hatte er keine subversiven Absichten, denn er

erwartete, dass sich die Fürsten selbst zu Werkzeugen der nahe bevorstehenden Ver-

änderung machen lassen würden, die von Gott gefordert wurde."

25

23

  Yod er, Joh n H ow ard (Hg.): Textos Escogidos de la Reform a Radical, Buenos Aires 1977,

(Reprint: Buenos Aires 2007). In seine Auswahl nahm Yoder hauptsächlich Texte auf, die in

der Ausw ahl von Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation, Bremen 1962 , ediert

worden waren: Y[oder]: 2(a) = F[ast]: III.l; Y:4 = F:III.2; Y:6 = F:1.2; Y.7 = F:I.l; Y:8(a) =

F:I.5(a); Y:9 = F:I.5(b); Y:1 0 = F:I.4(a); Y : l l = F:I.4(b); Y :1 4 = F:1.7; Y :1 5 = F:I.9(a); Y 16 =

F:1.8; Y:17 = F:1.10; Y:19 = F:III.3(b); Y:20 = F:III.4; Y:21 = F:1.13; Y:22/A = F:I.ll(a); Y:24

= F:II.2; Y:25 = F.II.3(b). Außerd em hat er wie auch schon Angel M. M ergal und George H.

Williams in ihrer Auswahl (Mergal, A. /  Williams, G. (Hg.) Spiritual and Anabaptist Writers:

Documents Illustrative of the Radical Reformations and Evangelical Catholicism, Filadelfia

1957) von Hans Denck   Was geredet, dass die Schirft sagt, Gott tue und mache Gutes und

Böses

  [Y:12 = M/ W:IV] und Dirck Philipps' Schrift

  Von der Kirche

  [Y:23 = M/W :XI]

aufgenommen. Darüberhinaus hat Yoder aber noch weitere Texte in seine Auswahl

aufgenommen: Y:1 (Andreas Bodenstein von Karlstadt:

 Dass kein Bettler unter den Christen

sein soll);  Y:2(b) (Martin Luther: Vorrede zur  Deutschen Messe und Ordnung des

Gottesdienstes);  Y:3 (Jakob Strauß:  Hauptstücke und Artikel christlicher Lehre wider den

unchristlichen Wucher);

  Y:5 (vier

  Briefe

  von Thomas M üntzer); Y:8(b) (

T ä u f e r i s c h e

Gemeinderegel

  [1527]); Y :13 (Jakob Kautz:

  Sieben Artikel);

  Y:1 8(a- c) (drei Texte aus

Ziegelschmids  Chronik)  und Y:22(b -d) (drei weitere Texte von M enno Simons, aus W enger,

John C.: The Complete Writings of Menno Simons, Scottdale 1956).

24

  Zu seinen Ausw ahlk riterien sagt Yo de r (ebd., S. 32 ff.): „Wir haben den am besten les- und

übersetzbaren Schriften den Vorzug gegeben. Viele der aussagekräftigsten Texte für die

geschichtliche Entwicklung der Lehren sind schwer zu interpretieren. Das hängt mit ihrer

metapherreichen Sprache zusammen, den biblischen und zeitgenössischen, zuweilen

verdeckten Anspielungen, der vom literarischen Duktus abweichenden Syntax und singu-

lärem Wortgebrauch, aber auch mit der Komplexität bzw. Konfusion des Gedankenganges.

Darum verzichteten wir auf eine größere Anzahl von Schriften Thomas Müntzers und

Melchior Hofmanns; die Anmerkungen und Interpretierungshinweise zur besseren

Verständlichkeit hätten die Grenzen eines für nicht spezialisierte Leser intendierten Werkes

gesprengt. In einer Anm erkun g macht Yod er auf den eigentümlichen W ortgebrauch

Müntzers bei der Herabsetzung seines Gegners Luther aufmerksam und meint, am

verständlichsten wären noch Bezeichnungen wie „Do ctor Lügner und „Doc tor Ludibrii

(ebd., 37).

25

  Eb d,S. 17.

11

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Yoder, der Müntzer keiner abwertenden Kritik unterzieht, meint, dass es vergebliche

Mühe sei, nach einer Brücke zu suchen, die „den Mystiker und den Agitator vereint",

26

und die Verbindung beider Aspekte seines Denkens noch am ehesten gelingen könne,

wenn die „Einheit des Menschen Müntzer" vorausgesetzt und der Versuch gemacht

werde, „dessen Vision der Revolution aus der Perspektive seines Spiritualismus zu

interpretieren. Die Absicht des kurz bevorstehenden göttlichen Eingriffs - ob mittels

der Türken, der Fürsten oder des Volkes gegen die Fürsten - zielt nicht darauf, eine

neue Gesellschaft herzustellen, sondern eine neue Spiritualität. Es lässt sich erkennen,

dass [für Müntzer] die Gottlosen, denen kein Recht zu leben zusteht, nicht die unter-

drückerischen Fürsten sind, sondern die Mönche, Priester und Schriftgelehrten, die

dem einfachen Volk den Weg zum wahren Glauben verstellen. Auch lässt sich das

Fehlen jeglicher utopischer Vision oder detaillierter Beschreibung einer neuen Ord-

nung erkennen; es sei ausreichend, die Gottlosen zu töten - das Übrige werde Gott

«27

tun.

Des weiteren meint Yoder, nicht alle Gelehrten

28

  seien sich darüber einig, „ob Thomas

Müntzer über ein soziales Denken in dem Sinne verfügte, dass er sich Modelle gerech-

ter Strukturen vorstellte, eine normative Vision, eine Utopie hatte." Deutlich sei je-

doch Müntzers „Uberzeugung hinsichtlich der apokalyptischen Ausprägung der sozi-

alen Bewegung". Dieser Aspekt seines Denkens spiegele sich jedoch nicht in den ge-

druckten Flugschriften wieder, weil sie mit seiner „theologischen und persönlichen

Kampagne gegen Luther" in Verbindung stehen. Deshalb müsse dafür auf Müntzers

Briefe zurück gegriffen w erden.

29

So hatte Joh n H . Yoder M itte der s iebziger einen gut fund ierten Ansatz fü r die ibero-

amerikanische Beschäft igung mit Müntzer vorgelegt . Im Vorwort zu seiner Auswahl

und Kommentierung schreibt der argentinische Theologe Jose Mfguez Bonino (Do-

zent für Systematische Th eologie am ISEDET): „die Texte der Radikalen Reform ation

können für die theologische Erneuerung, die auf unserem Kontinent begonnen hat, ein

fruchtbringendes Potential haben (...) . Ein zeitgenössischer Historiker, im gleichen

Erbe verwurzelt, macht es uns nun möglich, sie geschichtlich zu verorten. Aber der

26

  Ebd. S. 98 (Einführung zur  Fürstenpredigt).

Ebd., S. 98f. Yoder scheint hier die theologische Intention herausstellen zu wollen, die

Müntzer leitete, und stellt zugleich fest, dass diesem nicht gelungen sei, zwischen mystischer

Frömmigkeit und sozialer Agitation theologisch zu vermitteln. Dass eine derartige

Vermittlung jedoch möglich ist, hatte Hans-Jürgen Goertz in

  Innere und äußere Ordnung in

der Theologie Thomas Müntzers  1967 aufgezeigt.

Bei Yoder finden sich keine Literaturangaben, die näheren Aufschluss über seine

Beschäftigung m it Mün tzer ermöglichen.

Ebd., S. 121 (Einführung zu den vier

 Briefen

  Müntzers).

12

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hermeneutische Kreis wird erst mit einer lateinamerikanischen Lektüre dieser Texte

vollkommen sein, einer Lektüre, die von der Krise unserer eigenen Geschichte, dem

Erleben und Engagement unseres eigenen Glaubens ausgeht."

30

Bei der Frage, warum dieser Ansatz damals nicht auf breiter Ebene produktiv aufge-

nommen wurde, sollte bedacht werden, dass über die gesamten siebziger Jahre die

polit ische Macht in Händen von Militärregimen lag und deren str ikte Zensurmaßnah-

men Forschungen zu „revolutionären" Leitbildern in den meisten Regionen Süd- und

Mittelamerikas aufs Äußerste erschwerten (Militärregierung seit April 1964 in Brasi-

lien, mit verstärkt repressiver Intensität ab 1968

31

; seit Juli 1973 in Uruguay und Sep-

tember dieses Jahres in Chile, seit März 1976 in Argentinien). Erst im Verlauf der

achtziger Jahre ände rte sich dieser repressive Kontext allmäh lich.

30

  Ebd., S. 5f.

Vgl. z.B.

 Frei Betto:

  Batismo de sangue. Os dom inicanos e a mo rte de Carlos M arighellla, Rio

de Janeiro 1982.

13

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III.

Thomas Müntzer im

Umfeld der Befreiungstheologie: Hugo Echegaray

Mit seinem 1976 in Lima (Peru) veröffentlichten Aufsatz   Luther und Müntzer, zwei

antithetische Auffasungen vom Prozess der Befreiung  bezeugte H ugo Echegaray

(1940-1979) das Interesse an Thomas Müntzer im Umfeld der römisch-katholisch

geprägten lateinamerikanischen Befreiungstheologie. Sein Beitrag erschien 1976 als 24-

seitige Beilage im Dezemberheft, der unter seiner Leitung herausgegebenen Zeitschrift

Pdginas

  (vom Zentrum für Studien und Veröffentlichungen = CE P).

32

  Er wird von

Echegaray als „Teil eines breiter angelegten Werks" vorgestellt , „das sich zur Zeit in

Vorbereitung befindet" (wohl aufgrund seines überraschend frühen Todes konnte es

nicht fertiggestellt werden).

Die von Echegaray benutzte Literatur zu Müntzer beschränkt sich auf Ernst Bloch

(Madrid 1968), Norman Cohn (En Pos del Milenio, Barcelona 1972) und eine in Spa-

nien veröffentlichte ausführliche Besprechung von Walter Elligers Buch (Thomas

Müntzer, Leben und Werk, Göttingen 1975) durch Hector Vall (1976)

33

. Damit wird

deutlich, dass es Echegaray (genau so wie schon Bahmann) nicht um einen For-

schungsbeitrag zur Auseinandersetzung zwischen Luther und Müntzer ging. Vielmehr

war das Ziel solcher Beiträge, unter Bezug auf beide Reformatoren, unterschiedliche

32

  Echegaray, Hugo: Lute ro y Mun zer, dos concepciones antiteticas del proceso de liberaciön. -

In: Päginas nr.7 (diciembre 1976), 24seitige Beilage. Der von den restlichen Beiträgen und

Abbildungen in diesem Heft gebildete Rahmen ist von starker befreiungstheologischer

Intensität. Hervorgehobene Texte, wie „Christus spricht nicht von Tugenden, es geht nicht

um eine Tugendm oral, sondern um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (S.10) oder

„Radikalität ist eine elementare Forderung, um in den Augen Gottes moralisch zu sein. Ohne

diese Radikalität wird weder ins Herz des Evangeliums eingegangen, noch wird das Herz der

Geschichte verwandelt (S .ll ), machen das deutlich. Ab er auch der Brief (Ok tobe r 19 76) des

brasilianischen Priesters und Befreiungstheologen Dom Pedro Maria Casaldäliga, in dem er

über die Umstände berichtet, unter denen Pater Joäo Bosco Penido Burnier in den Händen

der brasilianischen Polizei ums Leben kam, als er zwei Frauen zur Hilfe gekommen war, die

gefoltert worden waren (S. 51f.). Echegarays Aufsatz wurde auch abgedruckt in: CELADEC:

Apurando la historia: Reflexiones de Hugo Echegaray, Lima 1980; Hugo Echegaray:

Derecho del pobre - Derecho de Dios - y otros escritos teolögicos, Mexico 1982, S. 41-78;

Hug o Echegaray: Utopia e Reino na America Latina, Säo Paulo 198 9, S. 78-1 04 .

Vall, Hector: Thomas Müntzer. - In: Vida y obra, Actualidad bibliogräfica de filosoffa y

teologi'a, Bd.XIII, 25, enero-junio 1976,S. 103-113.

14

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Optionen im Verhältnis von christ l ichem Glauben und polit ischem Handeln zu be-

leuchten.

Echegarays Mün tzerdarstellung ist einfühlsam: „Indem Mün tzer die Bücher und qu ä-

lenden Gedanken beiseite lässt, auch seinen Anspruch, Leiter der Gewissen der sächsi-

schen Fürsten zu werden, hat er die Armen und Analphabeten als Vermittler   ag ent e s )

des künftigen Reiches entdeckt. Schwer fiel ihm zu verstehen, dass nicht die Fürsten

Mittler des Millenniums seien (...) . Bei Müntzer zeichnet sich eine edle Sicht der

Menschlichkeit der Armen ab; sie, die Schlimmes durchmachten, die gelitten haben,

die nicht vom Geiz leben, auch nicht für die Üppigkeit

  (Injuria),

  sondern die Gü ter

dieser W elt gering achten, sie sind es, die eine neue W elt vorbereiten".

34

Schließlich f indet der römisch-katholische Befreiungstheologe Echegaray aber bei

keinem der beiden Reformatoren einen wirklich weiterführenden Ansatz: „Die Welt

ihrer Gegenwart ist für beide eine unweigerlich verlorene. Deshalb versucht Luther,

sie zu ignorieren und behält so ein Nachwirken seiner Klosterperspektive aus jugend-

licheren Jahren bei. Münzter meint, es handele sich um eine Welt, die es ganz zu zer-

stören gilt . Beide erwarten das nahe Ende der Tage. Weder Luther - aufgrund seines

anthropologischen Pessimismus - noch Müntzer - wegen seiner apokalyptischen Ten-

denzen - nehmen mit Klarheit die Konsistenz nebengeordneter Ursachen (

cau sas s e~

gundas)  wa hr, die Ve rantw ortung des Menschen im Bereich polit ischen H andelns.

Müntzer s ieht nur den Raum für einen Heiligen Krieg. Luther entzieht dem Polit i-

schen jede moralische Relevanz. In beiden Fällen handelt es sich um eine Theologie

des Protestes, die die Welt verurteilt , [eine Theologie,] in der aber die transformative

Rolle des Menschen ihre wahre Dimension nicht erreicht."

35

Obwohl Echegaray Müntzers Empathie für die Armen und seine Absage an die Rei-

chen und Mächtigen hervorhebt, sieht er in ihm letztlich kein geschichtliches Leitbild

für christlich-politisches Handeln.

36

34

  Echegaray (wie A nm . 32), S. 9f.

35

  Ebd., S.20.

36

  In der lateinamerikanischen Befreiungstheologie fand die Rückbesinnung auf mögliche

Leitbilder im 16. Jahrhundert ihre Identifikationsfigur im romtreuen Fray Bartolome de Las

Casas (1474-1566). Das von Echegaray geleitete Zentrum für Studien und Publikationen in

Lima (Peru) hatte bereits zu dessen 500. Geburtstag 1974, ein von Juan Bautista Lassegue

zusamm engestelltes, umfassendes W er k üb er den „Verteidiger und Befreier der Indios de

Las Casas veröffentlicht (Lassegue, J. B.: La larga marcha de Las Casas, (CEP) Lima 1974,

418 S.); so auch Gutierrez, Gustavo: Theologie von der Rückseite der Geschichte her, (II.3)

Aus der Sicht der .gegeißelten Christusse in den indischen Ländern', Februar 1977.- In: ders.:

Die historische Macht der Armen, München 1984 (orig. Lima 1979), S. 159-164. Gutierrez

widmete seine Aufsatzsammlung Hugo Echegaray, der kurz vorher überraschend verstorben

war. Vgl. hierzu auch Rizzi, Armido: Thomas Müntzer e la teologia della liberazione, in La

15

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VI.

Beiträge zu Müntzer im Umfeld

evangelisch kirchlicher Hochschulen

in Iberoamerika (1980 - 2006)

i .

An der Theologischen Fakultät der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses

in Brasilien (IECLB) als Dozent tätig, veröffentlichte Martin Norberto Dreher 1982

den Beitrag  Der Prophet Thomas M üntzer. Ist Thomas M üntzer ein Prophet?   Dazu

verwendete er vor allem die Abhandlung von Carl Hinrichs   Luther und Müntzer

(1952/1962), Walter Elligers Müntzerbiographie (1975), die von Abraham Friesen und

Hans-Jürgen Goertz herausgegebene Sammlung von Beiträgen diverser Autoren zu

Müntzer (1978) und als (fast einzige) Textgrundlage, die spanische Übersetzung der

Fürstenpredigt

  M üntzers (aus der von John H . Yod er zusamm engestellten Auswahl) .

37

Für Dreher war „Müntzer ein Mensch, der versuchte, die Revolution theologisch zu

begründen" - weshalb er in seinem Beitrag der Frage nachgeht: „Wer war dieser

Mensch, was war seine Theologie?" Dabei stellt er ihn an die Seite seines „großen

Opponenten: Luther", weil es unmöglich sei, von dem einen ohne den andern zu re-

den. „Die Tragödie des einen ist die Tragödie des anderen".

38

Kern von Drehers Beitrag ist die eingehende Untersuchung und Interpretation der

Fürstenpredigt  (S.202-209). Sein Faz it lautet: „In dieser Pred igt M ün tzers w ird deu t-

lich, dass er die Revolution will und nicht die von Luther gepredigte Evolution. Das

Ende der alt [gläubig]en Kirche darf nicht bloß dem ,Wort ' überlassen werden. Am

Ende der alt[gläubig]en Kirche muss eine neue soziale Ordnung entstehen".

39

Rocca, Tommaso (Bearb.): Thomas Müntzer e la rivoluzione dell'uomo comune, Torino

1990, S. 159-176. Dabei stellt Rizzi gleich zu Beginn seines Beitrages fest, „ohne hier und da

etwaige Erwähnungen Müntzers auschließen zu können, läuft man kein Risiko zu

behaupten, dass Müntzers Prophetie und Theologie nicht den geringsten Einfluss auf die

Entstehung oder nach folgende Reifu ng der Befreiun gstheo logie ausgeübt haben (S.159;

übers, v. Vf.).

37

  Dreher, Martin N orbe rto: O P rofeta Thomas M üntzer. Thomas M üntzer, um profeta ? - In:

Estudos Teolögicos (Faculdade de Teologia da Igreja Evangelica de Confissäo Luterana no

Brasil / Säo Leopoldo) Ano 22,3, 1982, S. 1 95-2 14.

38

  Ebd., S. 196.

39

  Ebd., S. 209 .

16

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Nach einer knappen Gegenüberstellung mit Luthers Obrigkeits lehre und nach einem

Hinweis auf die verheerende Wirkung von dessen  Sendbrief an die Fürsten zu Sachsen

für Müntzers weiteren Lebensweg, stellt Dreher fest, dass Müntzer sich nach alttesta-

mentlichen Vorbildern zum „Kriegsprophet" gewandelt habe. Von den Fürsten ab-

und dem Bauernvolk zugewandt, war Müntzer „in den letzten fünf Monaten seines

Lebens ein verbitterter und mit Hass erfüllter Mensch."

40

  Seiner Führungsrolle im

Bauernaufstand war er wegen fehlender „militärischer und politischer Kenntnisse"

nicht gewachsen. Am Ende seines Beitrags kommt Martin Dreher zum Ergebnis, dass

M üntze r „vor dem Evangelium versagte, weil es für ihn Forderung Gottes w ar und

nicht Möglichkeit zum Leben. Es sei kein Zufall, dass der Begriff von der im Evange-

lium offenbarten Gnade Gottes, in seiner [=Müntzers-] Darstellung nicht vorkam (...) .

Müntzer wollte Welt und Reich Gottes vereinen und flüchtete auf diese Weise aus der

Realität. Damit konnte er weder die Bauern aus der Knechtschaft befreien, noch ihnen

einen Weg der Befreiung aufzeigen (...) . Er kündigte das Gericht an, war aber nicht in

der Lage, von der Gnade Gottes zu reden (...) . Thomas Müntzer ist kein Prophet im

biblischen Sinn. Er ist ein Mystiker und Apokalyptiker. Trotzdem bleibt er in seiner

Theologie für uns ein Prophet, auch wenn sie sich für ihn und die, denen er helfen

wollte, als katastrophal erwies. Müntzer hat entdeckt, dass die Herrschaft Gottes nicht

ohne innere und äußere Befreiung vom Volk zu verstehen ist. Mir scheint [sagt Dre-

her], Müntzer hat entdeckt, dass es notwendig ist zu vereinen, was wir heute übli-

cherweise trennen. Für uns gilt : entweder sind die Strukturen zu verändern, oder es

wird der Mensch bekehrt . .Müntzer hat entdeckt, dass das menschliche Herz ein

Problem d er Strukturen ist ( . .. ) und d ie Strukturen ein H erzensp roblem ' (Goertz) ."

41

Mit diesem Zitat aus  Der Mystiker mit dem Ham mer   von Han s-Jürgen Goertz

schließt Martin Dreher seinen Beitrag, den er dann (kaum verändert) 1996 wieder als

M üntzer-K apitel (7) in seinem d ritten K irchengeschichtsbändchen  (Krise und Erneue-

rung der Kirche in der Reformation)   abdruckte

42

, und 2006 noch einmal in den Aufsatz

Martin Luther und Thomas Müntzer. Die theologische Rechtfertigung der weltlichen

Obrigkeit und der politischen Revolution  einbaute.

43

40

  Ebd., S. 21 0.

41

  Ebd., S. 21 3f .

42

  Dreher, M artin N.: A Crise e a Renovagäo da Igreja no Periodo da Reform a (Cole^äo

Historia da Igreja: Bd. 3), Säo Leopoldo 1996, S. 79-93.

43

  Dreher, Martin N.: Martinho Lutero (1483-1546) e Tomas Müntzer (1489-1525): A

justifica?äo teologica da autoridade secular e da revolujäo polftica.- In: Veritas, Porto Alegre,

Bd. 51 ,3 ,2 00 6, S. 145-168.

17

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Als theologische Examensarbeit entstand 1989 an der Escola Superior de Teologia (in

Säo Leopoldo)  Dekadenz der Christenheit und Hermeneutik in der Theologie von

Thomas Müntzer.  Dieser gründlich recherchierte Forschungsbeitrag von Luis H enri-

que Dreher wurde im darauffolgenden Jahr (1990) in der renommierten   Revista Ecle-

siästica Brasileira

  abgedruckt.

44

  Es ist einer der wenigen iberoamerikanischen Beiträge,

der auf einer Lektüre aller wichtigen Schriften Müntzers aufbaut. Luis Dreher hat mit

den   Schriften und Briefen  M ün tzers gearbeitet, die Gerhard W ehr herausgegeb en hat

(1978), und sich vorgenommen, „zwei grundlegenden, der Theologie Müntzers inhä-

renten Ideen, nachzugehen: [zum einen] seiner Vorstellung, dass die Christenheit ei-

nen historischen Zerfallsprozess erleidet, und [zum anderen] der Vorstellung, dass

dieser [Pro zess] nur mittels einer R eform ulierung des hermeneu t ischen A nsatzes zu

verstehen ist."

45

Für seine Darstellung vom

  W erdegang und Lebensweg

  M ün tzers (I.)

46

  benutzte Luis

Dreher hauptsächlich Manfred Bensings  Thomas- Müntzer- Biographie   (3. A ufl. ,

1983), George H. Will iams'  Radika le Reformation   (spanische Ü berse tzun g 1983), aber

u. a. auch Gordon Rupps  Patterns of Reformation (1969),   Eric Gritschs   Reformer

without a Church   (1967) und die 1980 von James M. Stayer und Wern er O. Packull

herausgegebene Aufsatzsammlung  The Anabaptists and Thomas Müntzer.

Eine Idee von „der theologischen Achse, um die s ich Mün tzers G edankenw elt dreht",

lässt sich nach Meinung Luis Drehers am besten aus dem für Müntzer zentralen

„Thema der Dekadenz der Christenheit" (II.)

47

  gewinnen. Dabei stellt er fest, dass

Müntzers „Aufte i lung  (cisäo)   des Glaubensbegriffs , in der .wahrer G laube' auf- und

.gedichteter Glaube'  (Fe poesia)   abgew ertet w ird, aus ersterem ein theoretisches In-

strumen t macht, das M üntz er eine Aktualisierung   der Diagnose vom Zerfall der Ch ris-

tenheit ermöglicht (...) . Allein diese Aufteilung   (cisäo)   schafft es eigen tlich erst, die

inst itut ionelle Vereinnahmung von Schrift und Geschichte der Kirche als Hilfsmittel

der Selbstlegitimierung einer dekadenten Christenheit in Frage zu stellen, und ihnen

[Schrift und Kirchengeschichte] zu einer von falscher Objek tivität befreiten Un iversa-

lität zu verhelfen - falsche Objektivität, weil sie ausschließlich von der Institution

selbst erzeugt wird."

48

44

  Drehe r, Luis Henrique: Decadencia da Cristandade e Hermeneutica na Teologia de Thomas

Müntzer. - In: Revista Eclesiästica Brasileira 50, Fasc.200, 1990, S. 858-895.

45

  Ebd., S. 859 .

46

  Ebd., S. 859 -867 .

47

  Ebd., S. 867 -879 .

48

  Ebd., S. 87 3f.

18

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Im nächsten,  Hermeneutik und Neudefinierung der Funk tion der Schrift  genannten

Teil seiner Arbeit (III.)

49

, hinterfragt Luis Dreher die von der Forschung seinem Emp-

finden nach übertrieben zugespitzte Entgegensetzung von Geist und Schrift in Münt-

zers Theologie. „Müntzer scheint zu erkennen, dass auch die viel gelobte Schrift ein

Konstrukt der Zeit, der Doktoren ist; das Resultat einer verschleiernden Lesepraktik,

die - indem sie die Objektivität des Buches behauptet, zugleich sich selbst behauptet,

und mittels ihrer Hegemonie, die ihrer Autoren und Förderer. ( ...) . Eine rechte Lese-

praktik der Schrift, kann darum [für M ün tzer] nur legit im sein, insofern sie aus Leiden

kommt; [Leiden] als jener einzigartigen Erfahrung, in der Gott sich immer weiter so

offenbart, wie er sich den Vätern zu biblischen Z eiten offenbarte".

50

Für Müntzer war es - nach Luis Dreher - unmöglich, dass die Heilige Schrift nur als

Leidensgeschichte anderer (z.B. der Erzväter, der Apostel oder Christi) gelesen wurde,

um Heil zu erlangen. Der rechte Weg geht über die eigene Leidenserfahrung, wie es

das Beispiel der kleinen und einfachen Leute Maria und Zacharias zeigt. Damit er-

reichte Müntzer die Neuformulierung seines hermeneutischen Ansatzes: „Schrift lesen

[und -verstehen] beginnt nicht bei der Gelehrsamkeit von Schriftgelehrten, sondern

inmitten der Leidenserfahrung der kleinen Leute".

51

Deshalb kann Luis Dreher im letzten Teil seines Beitrages, wo er noch einmal auf die

enge Beziehung zwischen Zerfall/Dekadenz der Christenheit und hermeneutischem

Neuansatz hinweist (IV.)

52

, zusammenfassend sagen, Müntzers „epistemologischer

Dissens bei der Einschätzung der Christenheit" gründet in seiner scharfen Trennung

von „gedichtetem" ( leidensunfähigem) und „wahrhaft igem" ( leiderfahrenem) Glau-

ben.

53

 Trotzdem bleibe für M üntze r die Bibel „immer unersetzlich, w eil s ie im Z eugnis

vom Kreuz Christ i die normative und prototypische Form gött l icher Offenbarung

registriert, die in unsere historische Gegenwart [hinein-]reicht."

54

Diese feinsinnige und auf Müntzers eigenem theologischen Ansatz aufbauende Studie

Luis H. Drehers ist vielleicht der bisher bedeutsamste iberoamerikanische Beitrag zur

Müntzerforschung.

49

  Ebd., S. 879 -889 .

50

  Ebd., S. 884f.; Luis H. Dreher verweist auf Müntzers

 Protestation oder Erbietung,

  § 13.

51

  Ebd., S. 887 .

52

  Ebd., S. 889 -893 .

53

  Ebd., S. 89 1.

54

  Ebd., S. 893 .

19

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2.

Im Lutherjahr hielt Walter Altmann (Dozent für Systematische Theologie an der Es-

cola Superior de Teologfa /  Säo Leopoldo) Ende September 1983 am Instituto Superi-

or Evangelico de Estudios Teologicos (ISEDET) in Buenos Aires den Konferenzvor-

trag   Konfrontation und Befreiung. Eine lateinamerikanische Perspektive über M artin

Luther.

55

  In den parallel zu den Aben dvorträgen am Mo rgen stattf indenden Sem inaren

über

  Luthers politische und soziale Wirkung

  mit Studenten und Dozenten vom ISE-

DET kam es besonders im Rahmen der Diskussionsrunde zu   "W iderstand und Gewalt

- Ausgewählte Texte von Luther über die Bauern   zu Aussagen über M üntze r. An

ihnen lässt sich erkennen, dass eine gute Kenntnis von Müntzers Stellung zu den welt-

lichen Obrigkeiten bei Studenten bzw. Dozenten vorhanden ist (vor allem anhand

seiner Auslegung von Römer 13, wie sie Hinrichs beschrieb).

56

„Die Verortung der beiden Theologen [Luther und Müntzer] ist unterschiedlich, und

so ist das Verständnis vom Text [Rom 13] des einen mit dem des anderen inkompati-

bel. Einer stützt sich auf die Struktur, die den Machtanspruch der Fürsten verteidigt,

obwohl er einsieht, dass sie diese Struktur missbrauchen. Der andere reflektiert von

der Ebene des Volkes aus, um solche Missbräuche aufzuze igen und deren Absch affung

zu fordern (...) . Letztlich kommen wir zum Schluss, dass die evangelische Sichtweise

vom Problem Gewalt oder Gewalt losigkeit , vom Machtanspruch, von Chaos oder

Gerechtigkeit als Denkansatz, noch heute in unseren Kirchen mit den gleichen Argu-

menten und den gleichen Textstellen diskutiert wird, mit denen Luther damals das

repressive Vorgehen begründete. Die Veränderung einer solchen Theologie wird von

der jeweiligen Verortung eines jeden von uns abhängen (...) . Die Frage ist heute, von

welchen Polaris ierungsgrundlagen her der Theologe arbeitet : Ordnung gegen Chaos,

die Polaris ierung der nationalen Sicherheitsdoktrin? Oder Gerechtigkeit gegen Unge-

rechtigkeit, die Perspektive der biblischen Option?"

57

Es w ird aber Mü ntzer gegenüber auch eine krit ische Po sit ion eingenom men (basierend

auf dem 1976 veröffentlichten Beitrag Carter Lindbergs

  Theology and Politics: Luther

55

  Brumm el, Lee (editor): Con fronta ciön y L iberacion. Una perspectiva latinoamericana sobre

Martin Lutero, por Walter Altmann - Conferencias Carnahan 1983, Vox Evangelii / Segunda

Serie: 2 - 1 1985 , Buenos Aires 1987 .

56

  Vgl. Diskussion im Plenum, S. 203 - 2 15.

57

  Ebd., S. 20 5f.

20

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the Radical and Müntzer the Reactionaryf",

  der s ich Altman n jedoch nicht anzu-

schließen bereit war.

59

Am ISEDET (das über eine der bestausgestatteten evangelischen Bibliotheken Ibero-

amerikas verfügt) habe ich 1980 meine theologische Examensarbeit über   Thomas

Müntzer (1489-1525). Das christliche Problem von Gerechtigkeit und Ordnun g im

Rahm en seiner Geschichtsauffassung - Eine historisch- theologische Analyse  geschrie-

ben.

60

  Dazu konnte ich nicht nur die von Günther Franz edierten   Schriften und Briefe

M üntzers benutzen, sondern mir standen u. a. auch die Abhand lungen von An nemarie

Lohmann, Carl Hinrichs, Walter Elliger und der von Abraham Friesen und Hans-

Jürgen Goertz herausgegebene Sammelband zur Verfügung.

61

  Vielleicht besteht der

bleibende Beitrag meiner ersten Beschäftigung mit dem Spannungsfeld zwischen Ge-

58

  Die vom ISEDE T-Dozenten Mario Yutzis vorgetragenen „Lindberg-Thesen (vgl. Lindberg,

Carter: Theology and Politics. Luther the Radical and Müntzer the Reactionary. - In:

Encounter 37/4 (1976), S. 356-371) besagen: „laut Lindberg machte Müntzer keine klare

Un terscheidu ng zwischen Evangelium und Gesetz. In seiner utopischen Vorstellung dachte

er, dass es möglich wäre die Gesellschaft mit dem Evangelium zu regieren, bzw. das

Evangelium selbst gesellschaftliche Veränderung schaffen würde. Lindberg meint, dass

Müntzer das Evangelium so zu einem neuen Gesetz macht, und die Sache in einen neuen

Legalismus zurückführt. Das Problem bestünde darin, dass für Müntzer das Heil ein zu

eroberndes Ziel ist, während es für Luther Ausgangspunkt bleibt (...) Zum anderen meint

Lindberg, dass während Luther versucht, das Christenheitsschema aufzubrechen, indem er

Kritik an der klerikalen Machtstruktur übt, Müntzer in das überholte Christenheitsschema

zu rüc kfü hrt, mittels einer Perspek tive, die sich an den Bauernstand bindet. Vgl. Ebd., S.

211 f .

59

  Altm an n, W alte r sagt, dass er einigen dieser Asp ekte zu stimmen kön ne, jedoc h nicht allen.

„Zum Beispiel nicht der Kritik, dass Müntzer das Evangelium in ein neues Gesetz verwandelt

habe. Das ist Luthers Kritik an Müntzer, seither immer wieder von den Lutheranern

wiederholt. Ich meine, dass es eine dialektischere Beziehung gab, die wir anerkennen sollen

(...). Sicher hat Luther den im katholischen System vorhandenen Legalismus nun auf

Müntzer bezogen. Aber ich glaube nicht, dass wir dieses Argument heute einfach nur

wiederholen sollten. Müntzers Modell wird intensiv diskutiert und es gibt dazu gegenteilige

Meinungen. Die ausschlaggebende Frage lautet, ob sein Projekt ein Fortschritt war, bzw. in

wie fern es im mittelalterlichen Modell verwurzelt ist. Klar zu sein scheint, dass es in der

Bauernbewegung eine Tendenz gab, zu Alt[bewährt]em z ürückzukehren. Vgl. Ebd., S. 214 .

60

  Zorzin, Alejan dro: Thomas Mün tzer (1 489 -152 5). La problemätica cristiana de la justicia y

del orden en el marco de su cosmovisiön histörica. - Un anälisis histörico y teolögico

(Typoskript), Buenos Aires 1980.

61

  Lohm ann, Annem arie: Zu r geistigen Entwicklung Thomas M üntzers, Berlin / Leipzig 193 1;

Hinrichs, Carl: Luther und Müntzer. Ihre Auseinandersetzung über Obrigkeit und

Widerstandsrecht, Berlin 1962; Elliger, Walter: Thomas Müntzer. Leben und Werk,

Göttingen 1975; Friesen, Abraha m / G oertz , Hans-Jürgen (Hg.) Thomas Mün tzer, D arm -

stadt 1978.

21

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rechtigkeit und Ordnung in Müntzers Theologie in den spanischen Übersetzungen

seines  Sendbriefs an die Stoiberger

62

,  der zwei   Al lstedter-Predig t entwürf e

6 3

,  den   Brie-

fen an Georg  [Amandus?]

64

, an  Johann Zeiß

6

und  an die Mühlhäuser

6

.

In einem von m ir 1986 in den   Cuadernos de Teologia   veröffen tlichten Beitrag mit dem

Titel

  Gewalt und Frieden in den Theologien von Thomas Müntzer und Dietrich Bon-

hoeffer  habe ich das Ineinande rwirken von M ysti k (existenziell- innere Dim ension)

und Apokalyptik (geschichtlich-äussere Dimension) anhand einschlägiger Textstellen

von Müntzer dargestellt

67

; um dann der Frage seiner Aussagen zu Frieden und Gewalt

nachzugehen. „Inmitten einer von Gewalt durchtränkten Wirklichkeit ist kein Frie-

den".

68

  Als Pastor in Allstedt war Müntzer mit den alltäglichen Folgen der Reformati-

on vor Ort konfrontiert: gewalttätige Verfolgung der zu den Allstedter Gottesdiensten

ziehenden Bauern der Umgebung seitens ihrer Grundherren. „Auch Luther kennt

diese Problematik, erlebt sie jedoch nicht tagtäglich mit derselben Intensität wie

Müntzer. Deshalb sind beider [Lösungs-]Vorschläge gegenüber ein und derselben

Situation konkreten Unrechts verschieden. Luther sagt, der wegen seines evangeli-

schen Glaubens verfolgte Christ soll Dorf oder Stadt verlassen und sich mit dem

Evangelium woanders hinwenden; seinen (Grund-)Herrn und seine Stadt verlassen

und dem Evangelium folgen (WA 18, 323). „Aber dieser Vorschlag bleibt auf der Ebe-

62

  Franz, Günther (Hg.):Thomas Müntzer. Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe,

Gütersloh 1968; S. 21-24 (Einführung, Spanische Ü. und Anmerkungen: Zorzin, wie Anm.

60, S. 232-238).

63

  Ebd., S. 51 9f. (Einführung, Spanische Ü. und Anm erkungen: Z orzin, wie Anm . 60, S. 245 ff.).

64

  Ebd., N r. 61 (Einführung, Spanische Ü. und Anm erkungen : Zorzin, wie An m . 60, S. 23 9-

244).

65

  Ebd., N r.59 (Einführung, Spanische Ü. und Anmerku ngen: Z orzin, wie Anm . 60, S. 248 -

254).

66

  Ebd., N r.94 (Einführung, Spanische Ü.: Zorzin, wie Anm . 60, S. 255f.).

67

  Zorzin, A lejandro : La violencia y la paz en las teologias de Thomas M üntze r y Dietrich

Bon hoe ffer. - In : Cuad ernos de Teologia, Buenos Aires, Bd. VII ,4,198 6, S. 28 1-3 01 ; vgl. bes.

„I. Convergencia de M fstica y A pocaliptica en la teologia de Th. Müntzer , S. 282 -28 7.

Ebd., S. 286; eine persönliche Erfahrung aus meiner Jugend-, Studien- und Vikarszeit unter

Militärdiktaturen in Uruguay und Argentinien (1973 - 1983). In den Jahren meiner

kirchengeschichtlichen Dozententätigkeit am ISEDET (1990 bis 2000) war Thomas

Müntzerschwerpunktmäßig besonders in den Oberseminaren

  Radikale Reformation

  präsent.

Auch in der Verbreitung von Quellentexten in spanischer Ü. durch Seminarvorlagen (z. B.

der in die spanischen Lutherausgabe n nicht aufgenom me ne

 Brief

  von Luther

 an die Fürsten

zu Sachsen  [vgl. Vorlesun gsread er  Reforma Radical  (Alejand ro Zorzin, ISEDET / 1er

cuatrimestre 2000): Apunte (5)  Ruptura entre Lutero y Tomas Müntzer.  I. Martin Lutero:

Una misiva a los principes de Sajonia sobre el espfritu sedicioso, S. 1-9], bzw. die anonyme

Historie Thomas Müntzers

  [Span. Ü. in Zo rzin, Ale jand ro: Perspectivas protestantes en la

Historia (Privatdruck), Buenos Aires 1997 , S. 124 -144 ],

22

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ne der Theorie, weil er die Mechanismen des Feudalsystems nicht berücksichtigt. An-

gesichts des Problems bleibt es höchstens eine individuelle Lösung, niemals eine für

ganze wegen des Evangeliums verfolgte Personengruppen. Müntzer erlebt es am eige-

nen Leib" mit den in Allstedt Zuflucht suchenden Flüchtlingen aus den umliegenden

albertinischen Gebieten im Juli 1524. „Die Sangershauser Grundherren tolerieren

diese massive Flucht ihrer Untertanen nicht, weil sie damit einen Teil ihrer Produkti-

onsk räfte verliere n (...) Die Lö sung fü r die Situation des Einzelnen lässt sich nicht auf

die Gruppe übertragen (...) . Eine gemeinschaftliche Lösung ist gefragt, und für Münt-

zer braucht sie kämpferische Gewalt gegen ein in sich selbst gewalttätiges System.

.Gottes Auserwählte ' müssen sich organisieren, um ihren Glauben gegen die Angriffe

der Ty rann en zu verteidigen."

69

Der Frage nach der gesellschaft l ichen Relevanz und Gefährlichkeit apokalyptischer

Aspekte in Müntzers (und Hans Huts) Lehren bzw. der gesellschaft l ichen Irrelevanz

und fehlenden Gefährlichkeit endzeit l icher Naherwartung bei Michael St iefel und

Martin Luther widmete ich einen 1999 erschienenen Beitrag über

  Apokalyptische

Eschatologie in der Reformation bei Luther, Müntzer und den Täufern.

70

Müntzers apokalyptisch geprägte Vorstellung von den ihre Sicheln zur endzeit l ichen

Ernte schärfenden Gottesknechten (die er im Kontext des Bauernaufstandes in Thü-

ringen mit realen Bauern und Bergknappen identif izierte) war besonders virulent we-

gen ihrer Verbindung mit seinem Hinweis auf die eigentliche „Grundsuppe" sozialer

Ungerechtigkeit : der totale Besitzanspruch von Herren und Fürsten über alle Kreatu-

ren ( Hoch v e r u r sa c h t e S c hu tz r ed e ) .  So w ird deutlich, dass M üntze rs proph etisch-

apokalyptische Krit ik an der bestehenden Ordnung nicht nur die Gottlosigkeit der

Tyrannen im Augen hatte, sondern „auch deren unersätt l iche wirtschaft l iche Gier".

71

Während bei Stiefel oder Luther der Einbruch der Endzeit genauso nahe wie bei

Müntzer und Hut empfunden werden konnte, überließen erstere jedoch die läuternde

Aktion ausschließlich himmlischen Engeln (wie sie auf Holzschnitten von Albrecht

Vgl. Zorzin, wie Anm . 67, S. 286f.

70

  Zo rzin, A lejan dro : Escatologi'a apocah'ptica en la Re form a protestan te del siglo X VI . M artin

Lutero, Tomas Mü ntzer y los anabaptistas apocalfpticos. - In: Cay ota, M ario / Zorzin,

Ale jan dro / Bedrinän, Clau dio: Escatologi'a y esp iritualidad. Expectativas de fin de m ilenio

(Apuntes para peregrinos: n.16), Montevideo 1999, 119, S. 21-68. Vgl. „Die mystisch-

apokalyptische Symbologie der Sichel in Müntzers Vorstellung einer endzeitlichen Ernte

(ebd., S. 31 -38 ), „D ie Au sfü hre nd en in der (endzeitlichen) Ernte und Reinigung (ebd., S. 39 -

41), bzw . im Anhang die Auszüge aus den von M elchior H offma n veröffentlichten Visionen

der Ursula Jost (ebd., S. 51-55) und die Illustrationen endzeitlicher Vorstellungen in

reformatorischen Flugschriften (ebd., S. 56 -68).

71

  Ebd., S. 37 f.

23

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D ürer und Lucas Cranach

  2

) dargestel l t wurden. „Die Dissidenten hingegen (die . radi-

kale Per ipher ie ' der Reformationsbewegung) , getr ieben von ihrer Erfahrung his tor i -

scher Ausgrenzung und Ohnmacht und der Dringl ichkei t , die ihrer Forderung nach

baldiger Gerecht igkei t entsprang, übernahmen das bibl i sch-apokaivpt ischc Model l

(•esquema

) ihrer Zei t , jedoch nach A rt e ines kon kreten .Dreh buch s'

  iguion

), um selbst

an dessen Ablauf und Durchführung te i lzunehmen. Diese akt ive Betei l igung machte

aus ihnen unbequeme und subversive Elemente ( . . . ) . Sie selbst, nachdem sie ihren

Glauben im inneren Reinigungsprozess geläuter t hat ten, fühl ten s ich a ls Gottgesandte

(Engel) , vom Herrn angeheuert , um in der endzei t l ichen Ernte den Weizen (die

From me n) vom U nk rau t (Go t t lose und Tyrann en) zu t rennen. ' Wei l s ie von der b loß

spekula t i ven H ei l se rwar tung zur e r lösenden Akt ion übergehen, werden s i e von der

herrschenden pol i t i sch-re l igiösen Ordnung ver fo lgt , in die Enge getr ieben und hinge-

r i chte t . Im Unterschied zu harmlosen Apoka lypt ikern , ge fährden rad ika le Apoka lvp-

t iker den For tbes tand der ungerechten Gese l l scha f t so rdnung.

4

Der reformier te Nieder länder Enr ique Vi jver ( in den achtziger Jahren a ls Dozent am

ISEDET tät ig) ver fasste für die in Caracas/Venezuela erscheinende Zei tschr i f t  Presen-

cia Ecumenica  einen Beitrag zur  Ak tualität der Kontroverse zwischen Müntzer und

LutherP

  D ieser 198 9 verö f fe nt l i chte Au fsa t z e r schien im Zusamm enhang mit der in

demse lben H ef t abgedruck ten spani schen Uberse tzung der von der Arbe i t sgruppe des

Bundes der Evange l i schen K i rchen in der D D R verö f fent l i chten   Orientierungshilfe

zum Gedenken des  500. Geburtstages von Thomas M üntzer im Jahre 1989 .  ''

Vi jve r mö chte anhand der „a lten Ko nt rov erse zwischen M ün tzer und Luthe r „U ber -

l egungen zur Eth ik und zur Bedeutung (Mögl i chke i ten und Grenzen) unseres po l i t i -

schen Han delns anste llen. Desh alb beschränkt er seine Darste l lun g der Posi t ionen

72

  Hier (s iehe Zorz in , wie Anm.*71, S . 31: Anm.33) fo lg te ich e iner unveröffent l ichten

Untersuchung , d ie mir Ul r ich Bubenhe imer f reund l icherwe ise a l s Typoskr ip t ha t te

zukommen lassen ; vg l . Bubenhe imer , Ul r i ch : Symbol ik der Revo lu t ion . Thomas Müntzer

und der Bauern kr ieg im Spiege l der Kunst des 16. Jahrh und erts , ( Ty po skr ip t , 1989).

73

  Barthe l B eham hatte so e inen i rd isch „f lüge l losen" Bauern schnitter auf se iner I llustrat ion in

der be i Hans Hergot in Nürnberg (1524) gedruckten Bibel dargeste l l t

74

  Zorz in , w ie Anm .70, S . 50.

75

  Vi jver , Enr ique: La actual idad de la controversia entre T. Müntzer y M. Lutero . - In :

Presencia Ecu men ica (Ca racas ) 14 (octubre 1989) , S . 6-10.

76

  De clarac iön de las Ig les ias Evangel icas de la Rep übl ica D emo crät ica de Alem ania sobre los

500 anos de l nac imiento de Thomas Müntzer (S .49-50) ; von Akos Pukv übersetzte

Orientierungshilfe zum Gedenken des 500. Geburtstages von Thomas Müntzer im Jahre

1989. - In:

  Zeichen der Zeit 42/3 (1988) S. 79-81; vgl . dazu Mau, Rudolf : Rollentausch bei

der Müntzer rezept ion? Zum Müntzervers tändn is im Gedenkjahr 1989 . - In :Ber l iner

Theologische Zeitschrift Jg .7/1 (1990), S. 66-77.

24

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beider Theologen auf ein Minimum. „Fundament allen Denkens und Handelns Münt-

zers ist seine apokalyptische Enderwartung."

77

  In Anlehnung an Heiko A. Oberman,

der Müntzers Denken als eine Theologie der großen Scheidung charakterisierte, resü-

miert Vijver: „Es bricht der Krieg aus zwischen den Obrigkeiten, die Gott nicht ge-

horchen wollen, und dem einfachen Volk, das sich zur Schar

  t r o pa )

  Gideons wandelt

und Instrument des Reiches Gottes sein wird."

78

  Für die in Lateinamerika anzutref-

fenden Überlegungen zur Ethik f indet Vijver wichtig, dass „Müntzers Denken stark

utopische Züge aufweist", dass er der Meinung sei „ein kleines auserwähltes Volk

könne die Ebene der Sündhaftigkeit überschreiten, ein geheiligtes Volk sein und dem-

entsprechend die großen Veränderungen durchführen, die nötig sind. (...) Die Position

Müntzers beruht nicht auf Argumenten oder konkreten Daten, auf die sich eine nach-

vollziehbare Debatte aufbauen ließe, sondern gründet ausschließlich auf einer spekula-

t iven und folglich nicht kontroll ierbaren Glaubensansicht vom nahenden Weltende,

auf deren Grundlage eine Auseinandersetzung unmöglich ist."

79

  Diese bei Müntzer

deutlich werdende Position, schreibt Vijver, taucht „auch in unserer Zeit auf", zum

Beispiel in der von Enrique Dussel innerhalb der lateinamerikanischen Befreiungs-

theologie vertretenen Richtung.

80

  In der 1986 erschienen   Gemeinschaftlichen Ethik

behaupte dieser, „dass wir auf dem lateinamerikanischen Kontinent die .Agonie eines

alten Prozesses und die Geburt einer neuen geschichtlichen Ordnung erlebten' ( ...) . In

dem erwähnten Buch spricht auch Dussel öfters von Heiligen, Helden und Propheten

als Gründern einer neuen Welt. Deren Kampf stehe logischerweise jenseits der Sünd-

haftigkeit normaler Menschen, ,der Kampf des Armen, der unterjochten Klasse, ist

selbst die Praxis vom Reich; der Kampf gegen die Sünde; ist gütig, heilig, ist tugend-

haft'.

81

  Dagegen wollte Luther mit seiner Unterscheidung zweier Reiche „den Bereich

der Polit ik aus der ewigen Vormundschaft durch Kirche und Theologie befreien, in

diesem Sinn ist er ein viel moderner Denker als Müntzer (...) . Die Vermengung religiö-

77

  Ebd., S. 6.

78

  Ebenda, S.7; wenngleich Vijver nur allgemein auf ihn verweist bezieht er sich wohl auf

Oberm an, Heiko A.: Thomas Mün tzer: van verontrusting to t verzet. - In:Ke rk en Theologie,

24 (19 73), S. 20 5- 21 4 („theo logie van de grote scheiding , S. 209 ).

79

  Ebd., S. 8.

80

  Ebd.

Ebd., S. 9; Dussel, Enrique: Etica Comunitaria, Buenos Aires 1986, S. 99, 188 und 193f. Vgl.

auch Dussel, Enrique: Herrschaft und Befreiung. Ansatz, Stationen und Themen einer

lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, Freiburg/Schweiz 1985. Vijver promovierte

1985 an der Freien Universität Amsterdam mit der Dissertation: Theologie en bevrijding -

een onderzoek naar de relatie tussen eschatologie en ethiek in de theologie van G[ustavo]

Gutierrez, J[uan] Cfa rlos] Scannone en R[uben] Alve s.

25

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ser Ideen mit der Politik

82

, die Luther so intensiv bekämpft, kommt in der Geschichte

Lateinamerikas häufig vor."

 83

  Vijver ist der Meinung, dass auch diese zentralen Ideen

Luthers Parallelen in einer der Richtungen innerhalb der gegenwärtigen lateinameri-

kanischen Theologie f inden , vor allem bei den Befreiungstheologen Juan Carlos Scan-

none und Clovis Boff. Beide seien der Auffassung, dass „der theologische Ansatz (

l o

teolögico)

  nicht die Inhalte unserer politischen Prog ram me bestimm en darf."

84

Interessant ist, dass den Leserinnen und Lesern von der Redaktionsleitung der kolom-

bianischen Zeitschrift als weiterführende Literatur zum Thema die in spanischer Spra-

che erschienen Bücher von Bloch (1968), Engels (1970), Williams (1983) und Yoder

(1977) empfohlen w erden.

3.

Im Jahr 1988 wurde in Zusammenarbeit des Goethe-Instituts und der in San Jose de

Costa Rica (Mittelamerika) ansässigen

  Ökumenischen Forschungs-Abteilung

  (DEI -

Departamente Ecumenico de Investigacion) eine Konferenzreihe veranstaltet, die dem

Dialog zwischen deutscher Theologie und lateinamerikanischer (Befreiungs)Theologie

gewidmet war. Der am Ökumenischen Fachbereich für Religionswissenschaften der

Nationalen Universität (und dem Seminario Bfblico Latinoamericano) dozierende

Juan Stam referierte in diesem Rahm en über   Thomas Müntzer und die Lateinamerika-

nische Theologie.

  Sein Beitrag erschien 1990 im Sam melban d dieser Kon ferenzreihe.

85

Mit seinem Anfangssatz, dass Müntzer „eine genauso tragische wie bril lante Figur

gewesen sei, eine kom ische Mischung aus Johanne s von Patmos und Don Q uijote", -

setzt Stam lateinamerikanische Akzente. „Wie Johannes von Patmos dachte Müntzer

apokalyptisch, in drast ischen und dramatischen Farben. Er donnerte gött l iches Ge-

richt gegen die Ungerechtigkeit seiner Zeit und träumte vom Reich Gottes auf Erden.

Wie Don Quijote war sein Kopf voll mit Visionen, aber es fehlte ihm der Pragmatis-

mus und die realitätsnahe Berechenbarkeit eines Sancho Panza. Dennoch war er einer

82

  Vijve r verweist auf Schuurman, Lambert: Con fus io regnorum. Studie zu einem Thema aus

Luthers Ethik, Den Haag 1965.

83

  Vijver, wie An m . 75, S. 9.

84

  Ebd., 9f. Vijv er verw eist auf B of f, Clo vis: Teologfa de lo po lftico. Sus mediaciones, Salamanca

1980, und Scannone, Juan Carlos: Das Theorie-Praxsis Verhältnis in der Theologie der

Befreiung. - In: Rahner, Karl (Hg.): Befreiende Theologie, Stuttgart 1977, S. 77-96.

Stam, Juan: Tomas Müntzer y la teologfa latinoamericana. - In: Hinkelammert, Franz (et al.),

Teolog fa alemana y teologia latinoamericana de la liberacion: un esfu erzo de diälogo, San Jose

de Costa Rica 1990, S. 25-35.

26

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der brillantesten Anführer seiner Zeit und vielleicht der am gewagtesten Konsequente

in seinen christ lichen Üb erzeugun gen."

8

'

Im Anschluss daran hebt Stam (auf der Grundlage von Bloch, Cohn, Will iams, Will i-

ams/Mergal und Echegaray

87

) kurz folgende Schwerpunkte hervor: 1. Müntzer als

Pastoral-Theologe (Arbeiterpastoral und Kirche der Armen)

88

, 2. Müntzer als kon-

textbezogener Theologe

89

, 3. Müntzer als charismatischer Theologe

90

, und 4. Müntzer

als revolutionärer Theologe". Unter Bezugnahme auf die   Fürstenpredigt   und weitere

bei Bloch zitierte Auszüge aus Müntzers Schriften unterstreicht Stam, dass Müntzers

Exegese „ein ums andere Mal die biblische Verkündigung mit Perspektiven ausleuch-

ten kann, die Luther und Calvin aufgrund ihrer ideologischen Blockaden verborgen

blieben (...) . Wichtig an Müntzers Hermeneutik sei nicht seine relativ gute Handha-

bung exegetischer Methodik, auch nicht die Fehler seiner Interpretation, sondern sein

unbändiger

  imp l a c ab l e )

  Entschluss, die Bibel aus der Situation der Armen heraus zu

lesen und inmitten des Kampfes für die Unterdrückten ( . . .) . Müntzers Hermeneutik

w ar aufgru nd dieses Engagements konsequenterweisepraxeologisch. *

2

Jaime Prieto, der als Dozent an der aus dem Seminario Biblico Latinoamericano her-

vorgegengenen Universidad Biblica Latinoamericana tätig ist, veröffentlichte 1999 den

Aufsatz  Gä rten, Träume und Rätsel: Müntzers apokalyptische Daniel-Auslegung.

93

Ulr ich Bubenheimers  Thomas Müntzer. Herkunft und Bildung  (1989),  Pfaffenhass

und groß Geschrei  von H ans-Jürg en Goertz (1987), Lu dw ig Fischers   Lutherische

Pamphlete gegen Thomas Müntzer  (1976), aber auch Jean D elum eaus   Angst im

Abendland  (1978) u. a. sind H inw eise auf die Belesenheit des A uto rs. Keinesw egs

handele es sich, meint Prieto, bei der Fürstenpredigt   um „eine oberflächlich apo kaly p-

tische Lektüre der Ereignisse in jener Zeit religiöser, wirtschaftlicher und sozialer

Ungewissheiten". Müntzer stelle in diesem „Schlüsseltext zum Verständnis der im

geschichtlichen Kontext von Reformation und Bauernkrieg in Zentraleuropa im 16.

Jahrhunderts ausgelösten großen theologischen Diskussionen", in Parabeln und Sym-

86

  Ebd., S. 25

87

  Bloch (wie Anm.13); Cohn, Norman: The pursuit of the millenium , New York 1961;

Williams, George H.: The Radical Reformation, Philadelphia 1962; Williams, G.H. /  Mergal,

A.: Spiritual and Anabaptist Writers, London 1957; Echegaray (wie Anm.32).

88

  Ebd., S. 26 f.

89

  Ebd., S. 27 -29 .

90

  Ebd., S. 30-32 .

Ebd., S. 32-34.

92

  Ebd., S. 29 .

Prieto Valladares, Jaime Adrian: Jardines, suenos y enigmas (interpretaciön apocalfptica de

Daniel segun Thomas Müntzer). - In: Vida y Pensamiento (San Jose de Costa Rica) Vol. 19/

n. 2 (1999 ), S. 76-92.

27

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ser Ideen mit der Politik

82

, die Luther so intensiv bekämpft, kommt in der Geschichte

Lateinamerikas häufig vor."

 83

  Vijver ist der Meinung, dass auch diese zentralen Ideen

Luthers Parallelen in einer der Richtungen innerhalb der gegenwärtigen lateinameri-

kanischen Theologie f inden , vor allem bei den Befreiungstheologen Juan Carlos Scan-

none und Clovis Boff. Beide seien der Auffassung, dass „der theologische Ansatz

  (lo

teologico)  nicht die Inhalte unse rer politischen Prog ram me bestimm en darf."

84

Interessant ist, dass den Leserinnen und Lesern von der Redaktionsleitung der kolom-

bianischen Zeitschrift als weiterführende Literatur zum Thema die in spanischer Spra-

che erschienen Bücher von Bloch (1968), Engels (1970), Williams (1983) und Yoder

(1977) empfohlen werden.

3.

Im Jahr 1988 wurde in Zusammenarbeit des Goethe-Instituts und der in San Jose de

Costa Rica (Mittelamerika) ansässigen   Ökumenischen Forschungs-Abteilung   (DEI -

Departamente Ecumenico de Investigaciön) eine Konferenzreihe veranstaltet, die dem

Dialog zwischen deutscher Theologie und lateinamerikanischer (Befreiungs)Theologie

gewidmet war. Der am Ökumenischen Fachbereich für Religionswissenschaften der

Nationalen Universität (und dem Seminario Bfblico Latinoamericano) dozierende

Jua n Stam referierte in diesem Rahm en über  Thomas Müntzer und die Lateinamerika-

nische Theologie.  Sein Beitrag erschien 1990 im Samm elband dieser Ko nferenzreihe.

85

Mit seinem Anfangssatz, dass Müntzer „eine genauso tragische wie bril lante Figur

gewesen sei, eine komische Mischung aus Johannes von Patmos und Don Quijote", -

setzt Stam lateinamerikanische Akzente. „Wie Johannes von Patmos dachte Müntzer

apokalyptisch, in drastischen und dramatischen Farben. Er donnerte göttliches Ge-

richt gegen die Ungerechtigkeit seiner Zeit und träumte vom Reich Gottes auf Erden.

Wie Don Quijote war sein Kopf voll mit Visionen, aber es fehlte ihm der Pragmatis-

mus und die realitätsnahe Berechenbarkeit eines Sancho Panza. Dennoch war er einer

82

  Vijve r verweist auf Schuurman, Lam bert: Co nfu sio regnorum. Studie zu einem Thema aus

Luthers Ethik, Den Haag 1965.

83

  Vijver, wie An m . 75, S. 9.

Ebd., 9f. Vijver verweist auf Boff, Clovis: Teologfa de lo polftico. Sus mediaciones, Salamanca

1980, und Scannone, Juan Carlos: Das Theorie-Praxsis Verhältnis in der Theologie der

Befreiung. - In: Rahner, Karl (Hg.): Befreiende Theologie, Stuttgart 1977, S. 77-96.

Stam, Juan: Tomas Müntzer y la teologfa latinoamericana. - In: Hinkelammert, Franz (et al.),

Teologfa alemana y teologfa latinoamericana de la liberaciön: un esfuerzo de diälogo, San Jose

de Costa Rica 1990, S. 25-35.

26

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der brillantesten Anführer seiner Zeit und vielleicht der am gewagtesten Konsequente

in seinen christlichen Uberzeugungen."

86

Im Anschluss daran hebt Stam (auf der Grundlage von Bloch, Cohn, Will iams, Will i-

ams/Mergal und Echegaray

87

) kurz folgende Schwerpunkte hervor: 1. Müntzer als

Pastoral-Theologe (Arbeiterpastoral und Kirche der Armen)

88

, 2. Müntzer als kon-

textbezogener Theologe

89

, 3. Müntzer als charismatischer Theologe

90

, und 4. Müntzer

als revolutionärer Theologe

91

. Unter Bezugnahme auf die   Fürstenpredigt   und weitere

bei Bloch zitierte Auszüge aus Müntzers Schriften unterstreicht Stam, dass Müntzers

Exegese „ein ums andere Mal die biblische Verkündigung mit Perspektiven ausleuch-

ten kann, die Luther und Calvin aufgrund ihrer ideologischen Blockaden verborgen

blieben (...) . Wichtig an Müntzers Hermeneutik sei nicht seine relativ gute Handha-

bung exegetischer Methodik, auch nicht die Fehler seiner Interpretation, sondern sein

unbändiger  imp l a c ab l e )  Entschluss, die Bibel aus der Situation der Armen heraus zu

lesen und inmitten des Kampfes für die Unterdrückten ( . . .) . Müntzers Hermeneutik

w ar aufgru nd dieses Engagements konsequenterweisepraxeologisch.

n

Jaime Prieto, der als Dozent an der aus dem Seminario Bfblico Latinoamericano her-

vorgegengenen Universidad Bfblica Latinoamericana tätig ist, veröffentlichte 1999 den

Aufsatz

  Gärten, Träume und Rätsel: Müntzers apokalyptische Daniel-Auslegung™

Ulr ich Bubenheimers  Thomas Müntzer. Herkunft und Bildung  (1989),   Pfaffenhass

und groß Geschrei  von H ans-Jü rgen Go ertz (1987), Lu dw ig Fischers  Lutherische

Pamphlete gegen Thomas Müntzer

  (1976), aber auch Jean De lum eaus

  Angst im

Abendland  (1978) u. a. sind H inw eise auf die Belesenheit des A utor s. Keinesw egs

handele es sich, meint Prieto, bei der Fürstenpredigt   um „eine oberflächlich apo kalyp -

tische Lektüre der Ereignisse in jener Zeit religiöser, wirtschaftlicher und sozialer

Ungewissheiten". Müntzer stelle in diesem „Schlüsseltext zum Verständnis der im

geschichtlichen Kontext von Reformation und Bauernkrieg in Zentraleuropa im 16.

Jahrhunderts ausgelösten großen theologischen Diskussionen", in Parabeln und Sym-

86

  Ebd., S. 25

87

  Bloch (wie Anm.13); Cohn, Norman: The pursuit of the millenium , New York 1961;

Williams, George H.: The Radical Reformation, Philadelphia 1962; Williams, G.H. / Mergal,

A.: Spiritual and Anabaptist Writers, London 1957; Echegaray (wie Anm.32).

88

  Ebd., S. 26 f.

89

  Ebd., S. 27 -29 .

90

  Ebd., S. 30 -32 .

91

  Ebd., S. 32 -34 .

92

  Ebd., S. 29 .

Prieto Valladares, Jaime Adrian: Jardines, suenos y enigmas (interpretaciön apocaliptica de

Daniel segun Thomas Müntzer). - In: Vida y Pensamiento (San Jose de Costa Rica) Vol. 19/

n. 2 (1999 ), S. 76-92.

27

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bolen folgendes dar: „Schöpfung und Menschheit als Weinberg Gottes, zertreten von

der Korruption mittelalterlicher Christenheit

94

; Prophezeiungen, Visionen und Träu-

me als Mittel gött l icher Kommunikation zur Unterscheidung von Bösem und Gu-

tem

95

; Merkmale wahrhaft (offenbarender) Prophetie Gottes, wie sie aus dem Seelen-

abgrund seiner Auserwählten entspringt

96

; Bedeutung der Offenbarung Nebukadne-

zars für die sächsischen Fürsten

97

."

Prieto bemerkt, dass es schwer fällt festzustellen, inwieweit Müntzer zum Zeitpunkt

dieser Predigt der Meinung war, „die tradit ionell unterdrückerische Haltung der Fürs-

ten dem gemeinen Mann gegenüber, d. h. Bergknappen, Tuchwebern und Bauern

gegenüber" noch ändern zu können. „Müntzers an die sächsischen Fürsten gerichtete

Predigt findet zu einem Zeitpunkt pastoraler und theologischer Reife seines Lebens

statt. Hatte er sich früher leidenschaftlich die gegen klerikale Missbräuche und römi-

sche Machtansprüche gerichtete reformatorische Botschaft zu eigen gemacht (...) , so

spitzt er in dieser Predigt seine Kritik an Luthers Theologie der Gnade und der zwei

Reiche zu, die Stütze fürstlicher Macht (...) . Weit davon entfernt, in dieser Predigt zum

Danielbuch auf der Ebene einer wenig bedeutsamen eschatologischen Auslegung zu

verweilen, erreichte er eine enorme historisch-politische Dimension."

98

Dieser Uberblick der wesentlichsten iberoamerikanischen Beiträge zu Müntzer in den

achtziger und neunziger Jahren macht wiederum zwei Dinge deutlich: 1. Auf breiter

iberoamerikanischer Ebene werden die grundlegenden Informationen zu Müntzer

unverändert durch die Werke von Bloch, Engels und ( in gewissem Maß) auch von

Williams geprägt. 2. Es fehlt weiterhin eine zuverlässige spanische bzw. brasiliansich-

portugiesische (kommentierte) Ausgabe der Schriften und (wichtigsten) Briefe Tho-

mas Müntzers (vergleichbar jener, die 1988 in mustergült iger Formen Peter Matheson

in englischer Sprache vorlegt wurde*').

94

  Ebd., S. 77-7 9

95

  Ebd., S. 79 -81

%

  Ebd., S 82f.

97

  Ebd., S. 83-8 9.

98

  Ebd., S. 89 f.

95

  Mathe son, Peter (translator and editor): The collected w ork s of Thom as M üntz er, Edinburgh)

1988.

28

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V.

Textausgaben in Spanischer

bzw. brasilianisch-portuguiesischer Ü bersetzu ng

In Brasilien erschien im Jahr 2000 eine vom Mediävisten Luis Alberto De Boni zu-

sammengestellte und mit einer Einführung versehene Auswahl von Schriften Martin

Luthers, Thomas Müntzers und Johannes Calvins. Darin sind Müntzers   Fürstenpre-

digt  und  Hochverursachte Schutzrede,  sowie Luthers  Brief an die Fürsten zu Sachsen

100

enthalten.

101

Der katalanische Mönch und Religionsanthropologe Llufs Duch hat 2001 eine spani-

sche Ubersetzung der

  Traktate und Predigten

  Tho mas M ün tzers veröffentlicht.

10 2

  Die

ersten 70 der insgesamt 196 Textseiten gelten seiner ausführlichen Einführung

  Thomas

Müntzer: Der Mensch und seine Zeit.  Mit den Übersetzungen vom   Prager Manifest,

der  Fürstenpredigt, Hochverursachten Schutzrede, Ausgedrückten Entblößung   und

dem

 Aufruf an die Allstedter

  gibt Duch genau jene Mü ntzerschriften wied er, die schon

Emidio Campi (1972) in seine hervorragende ital ienische Übersetzung aufgenommen

hatte. Auffallend sind Duchs bisweilen wörtliche Anlehnungen an Campi, besonders

bei den Einfü hrun gen zu den einzelnen Schriften (vgl. S. 81, 93f., 119f. 149f. und

201).

103

  Einziger originaler Texteinführungs- und Übersetzungsbeitrag Duchs (über

Campi hinaus) ist Müntzers  Ordnung und Berechnung des Deutschen Am ts  (S. 185-

199). Hier werden jedoch die Schwierigkeiten des Übersetzers mit der ihm vorliegen-

100

 Die Übersetzung der Carta aos principes da Saxonia sobre o Espiritu Revoltoso  war erstmals

1996 im Bd. VI der brasilianischen Lutherausgabe erschienen (von Ricardo Willy Rieth

eingeführt und kommentiert). In der auf Spanisch in Buenos Aires herausgegebenen

(zehnbändigen) L utherausgabe [M artin L utero. O bras (1 967 bis 198 5)] fehlt diese Schrift.

101

  De Boni, Luis A lbe rto (editor): Escritos seletos de Martinho Lutero, Tomas Mue ntzer e Joäo

Calvino (Clässicos do pensamento polftico 11) Petropolis 2000. Hinweis auf die positive

Aufnahme solcher Quelleneditionen bei iberoamerikanischen Historikern geben die von

Ivan Feijö im brasilianischen Internet-Blog >cafehistoria.ning.com< veröffentlichten

Rezensionen zu Luthers Brief an die Fürsten und den beiden Sch riften von Mü ntzer.

102

  Duch, Lluis (Introducciön y traducciön) Thomas Müntzer. Tratados y sermones; Madrid

2001.

103

  So schon offensichtlich bei der Einführung zum Prager Manifest, wo er (von Campi) den

Verweis auf A[nnemarie] Lohmann übernommen hat, ohne dass ein eigener biblio-

graphischer Hinweis vonDuch deutlich machen würde, um welches Werk es sich dabei

handeln könnte (vgl. S. 81).

29

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d e n d e u t s c h e n V o r l a g e o f f e n s i c h t l i c h . " S i e g f r i e d B r ä u e r s u n d W o l f g a n g U l l m a n s i m

m o d e r n i s i e r t e n T e x t i n K l a m m e r n g e s e t z t e W o r t v e r g l e i c h e v e r w a n d e l t D u c h ü b e r r a -

s c h e n d e r w e i s e in e i g e n e „ p h i l o l o g i s c h e " A n m e r k u n g e n .

D a s G e s a g t e e r k l ä r t m . E . , w a r u m i n D u c h s A u s w a h l w e d e r d e r  Sendbriet an die Brü-

der zu Stolberg,

  die wichtigen Schriften

  Vom gedichteten Glauben, Protestation oder

Erbietung  n o c h M ü n t z e r s a u f s c h l u s s r e i c h e B r i e t e v o m S o m m e r 1 52 4 z u f i n d e n s i n d .

T r o t z d e m s o l l t e d i e s e s p a n i s c h e A u s g a b e v o n S c h r i f t e n M ü n t z e r s i n d e r a u f d i e s e m

G e b i e t „ k a r g e n " i b e r o a m e r i k a n i s c h e n L a n d s c h a f t r e f o r m a t o r i s c h e r Q u e l l e n d u r c h a u s

a ls w e i t e r f ü h r e n d e r B e i t r a g g e w e r t e t w e r d e n .

104

  Bräuer , S iegfr ied

 /

  U l lman , W o l fg ang (Hg . ):

  Theologische Schriften aus dem Jahr 1523,

  Ber l in

1975 ; 2. Überarb. u. erw. Aufl . 1982, S. 52-63.

30

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VI.

Fiktionaler Realismu s: Tomas M un zer in Ch iapas

Für die im lateinamerikanischen Rom an

 Hundert Jahre Einsamkeit

  (1967) von Gabriel

Garcia Märquez erzählte zauberhafte Verklärung krudester lateinamerikanischer

Wirklichkeit prägte die Literaturwissenschaft den Begriff des „magischen Realismus".

In der weiteren Entwicklung lateinamerikanischer Romane mit historischen Anspie-

lungen und Inhalten, wie die vom Argentinier Tomas Eloy Martfnez geschriebene

Peron-Novelle  (1985) oder   Heilige Evita   (1986), w urd e diese literarische Verschm el-

zung historischer Fakten und alptraumhaft anmutender Handlungsverläufe mit der m.

E. treffenderen Bezeichnung „fiktionaler Realismus" beschrieben.

Bei einer flüchtigen Internet-Recherche stößt man nach Eingabe der hispanisierten

Form von Müntzers Namen „Tomas Munzer" auf Hinweise, die s ich wohl am besten

unter dem Sammelbegriff des lateinamerikanischen f ikt ionalen Realismus einordnen

lassen. Sie zeigen, dass Thomas Müntzer zur Jahrtausendwende hin auf eine ganz eige-

ne Art und Weise in Iberoamerika „heimisch" wurde. Im mexikanischen Bundesstaat

Chiapas, im Landkreis Ocosingo, wurde (wahrscheinlich Anfang der neunziger Jahre)

ein kleines Dorf „Primer Agrarista Tom as M unz er" genannt.

In der vier Jahre vor dem Ersten (europäischen) Weltkrieg ausgerufenen Mexikani-

schen Revolution galt der Begriff

  agrarista

  jenen An führern , die s ich wie Em iliano

Zapata für die Landverteilung der Agrarlat ifundien an die arme indianische Bevölke-

rung stark machten. Als erster Kämpfer für eine generelle Landverteilung an die

Ärmsten, als „Primer Agrarista", galt seitdem in Mexiko Zapata. Die Namensgebung

„Primer Agrarista Tomas Munzer" in einem mexikanischen Bundesstaat wie Chiapas,

wo seit Anfang 1994 ein   Nationales Zapatistisches Befreiungs-Heer   (EZLN ) mit U n-

terstützung der verarmten Mayabevölkerung für generelle Landverteilung kämpfte,

sollte zumindest nachdenklich st immen. Wurde hier vielleicht aufgrund des von En-

gels dargestellten Bauernkampfes versucht, eine (evangelisch) christlich-revolutionäre

Identif ikat ionsfigur zu f inden? Dabei sollte bedacht werden, dass Fray Bartolome de

Las Casas (1474-1566) den gewalt losen Weg zur Einklage indianischer Rechte gegen-

über den spanischen Behörden gegangen w ar.

Bei der digitalen Spurensuche nach „Munzer" in Lateinamerika taucht auch noch eine

in jener Region von Chiapas aktive   Brigada Tomas M unzer  auf. Spätestens an diesem

Punkt verläuft s ich jeder Interpretat ionsversuch im Labyrinth des lateinamerikani-

schen f ikt ionalen Realismus. Bei dieser   Brigada Tomas M unzer  hande lte es sich um

eine der von den reichen Großgrundbesitzern ( im Schatten der Mexikanischen PRI

31

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Re g i e r u n g s p a r te i ) g e fö r d e r te n p a r a mi l i t ä r i s c h e n G r u p p e n , d i e mi t te l s Te r r o r a r me

M a v a b a u e r n d r a n g s a l i e r t e n , u m s i e v on i h r e n s i c h z u me i s t i n k ommu n a le m B e s i tz

b e f i n d l i c h e n L a n d - u n d W a l d f l ä c h e n   zu  ver t re iben .

Der mexikanische Soz io loge Jorge Fuentes Morua , der e inen Bei t rag mi t dem Ti te l   Von

der Auferstehung zum Aufstand

  ( 1 9 9 4 ) v e r ö f fe n t l i c h t h at , b e m e r k t : „M ög l i c h e r we i s e

we rde n e in ige De utsche n icht wissen , we r Th om as M ün ze r [sie] wa r , und s icher we rde n

s ie auch Schwier igke i ten haben , Mexiko auf der Landkar te zu f inden ; Besorgnis würde

ihren Köpfen bere i ten , wenn e in Fragender außerdem wissen wol l te : wo l i egt Chiapas?

Ei n e s o l c h e h y p o th e t i s c h e B e f r a g u n g wü r d e d i e B e h a u p tu n g j e n e s a l t e n Re v o lu t i on ä r s

bes tä t igen , der vom mexikanischen Sur rea l i smus sprach . In der Tat i s t es außergewöhn-

l ich , dass Bauern aus Chiapas s ich dazu entsch ieden , e ine ih rer Organisa t ions ins tanzen

a u f d e n Na me n Th oma s M ü n z e r z u ta u fe n . A l s Th e o log e d e r Re v o lu t i on - s o [Er n s t ]

Bloch - ha t d ieser legendäre chr i s t l i che Kommunis t b is in den Tod auf der Se i te der

deutschen Bauern gekämpft , d ie s ich gegen den Despot i smus der Grundbes i tzer au fge-

lehnt ha t ten . Der energ ische Revolu t ionär forder te den gemeinschaf t l i chen Bes i tz von

Land, Wasser , Wäldern , Jagd und gar vom Gesang der Vöge l ( . . . ) . [Die Stadt] San

Cr is töba l [ in Chiapas] t rägt zusä tz l ich den Namen [von Fray Bar to lome] de Las Casas ,

wei l d ie ko l lekt ive Er innerung, d ie in den Dor f - , S t rassen- , und Schulnamen bewahr te

Geschichte , d iesen würd igen Ver t re te r jenes Pro jekts e iner Kathol iz i tä t n icht vergessen

konnte , d ie versucht ha t te , in den neu entdeckten Ländern auf den kommunalen Prakt i -

ken der ind igenen Bevölkerung aufzubauen ( . . . ) . Während der langen Jahre kapi ta l i s t i -

schen Expans ionsprozesses au f dem Land, der mi t Raub

  d e s p o j o )

  und Gewal t gegen d ie

ursprüngl ichen Landbes i tzer zusammenfie l ( . . . ) , haben der Geis t von Münzer [s ie]

  und

v on F r a y B a r to lome mi t e mp ör te m u n d e n e r g i s c h e m B l i c k d i e u n b e s c h r e i b l i c h e G e wa l t

gesehen, der die indigene Bevölkerung in Chiapas ausgel iefert is t .

105

M i t d i e s e m Z i ta t a u s M e xi k o s c h l i e ß t s i c h d e r mi t d e m A n fa n g s z i ta t a u s A r g e n t i n i e n

g e s c h la g e n e B og e n a u f d e r Sp u r e n s u c h e n a c h   T h o m a s  M ü n tz e r i n La te i n a me r i k a . So

v i e l s c h i c h t i g d i e Re z e p t i on   T h o m a s  M ü n tz e r s d o r t i s t , s o k a n n d oc h d e r E i n d r u c k v on

H o m o g e n i t ä t i n d e r W a h r n e h m u n g M ü n t z e r s n i c h t v e r k a n n t w e r d e n . U n d d a s i s t e i n

A s p e k t d e s d i e s e n s ü d l i c h e r e n a m e r i k a n i s c h e n K o n t i n e n t p r ä g e n d e n   fiktionalen Rea-

lismus  und seiner besonderen Aneignung  von Thomas  Müntzer.

05

  /

o r

g

e

  Fuentes

  Morüa De l a re sur reee iön a la i nsur recc ion . - In : Ig l e si a s (C E N C O S / M ex i co )

Jg .X ,127 (Augus t 1994) , S . 25-33 , 30 . Morüa we iß , das s de r Landkre i s Münzer in Chi apas au f

Se i te der mexikanischen PRI-Regierungsparte i akt iv war . Es i s t für ihn e in k lares Be ispie l

da für , das s „ im Bere i ch de r i deo log i s chen Ause inanderse tzung d i e Ver t re t e r de r mächt i gen

Klas sen ve rsuchen , d i e Er innerung fü r s i ch zu ve re innahmen; e ine üb l i che Vorgehenswe i se

der mex ikan i s chen Reg i e rungspar t e i , d i e z .B . das Präs identenf lugzeug au f den Namen

,Emi l i ano Zapata ' taufte" ( ebd . , S . 33 , Anm. 18) .

32

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A n h a n g

John Howard Yoders Aussagen über Thomas Müntzer

in den

  Textos escogidos de la eforma adical

(Buenos Aires 1976/77)

John H. Yoders

1

  Aussagen über Thomas Müntzer, die er im Kontext sozialer Ausei-

nandersetzungen in lateinamerikanischen Ländern Anfang der s iebziger Jahre vortrug

und die nun durch eine unveränderte Neuauflage seiner   Ausgewählten Texte der Ra-

dikalen Reformation  (Bueno s Aire s 2007) we iterhin Verb reitung finde n, sind unter

dem Gesichtspunkt interessant, dass hier ein radikaler Pazifist dem Bild Thomas

Müntzers in Iberoamerika eine bleibende Prägung gab. Da sich Yoder sonst in keinen

weiteren Beiträgen zu Müntzer geäussert hat, sind diese nur auf Spanisch zugänglichen

Texte von ganz eigenem historischen Wert. Gelegentlich zeigt sich, dass Yoder Anga-

ben zu Müntzer macht, die nicht dem heutigem Forschungsstand entsprechen. Auf

diesbezügliche Korrekturen wird jedoch im Folgenden verzichtet , weil der dokumen-

tarische Charakter seiner Quellensamm lung im Vordergrund steht.

In der  A llgemeinen Einführung

2

  zu seiner Tex tausw ahl stellt Yod er klar, dass er die

angewandten Kategorien für seine Untersuchung ( c a t e g o r i a s d e anä lis is)  von seinen

Vorgängern auf diesem G ebiet übernomm en hat (George H. W ill iams / An gel. M .

Mergal: Spir itual and Anabaptist Writers, London 1957, und Heinold Fast : Der Linke

Flügel der Reformation, Bremen 1962).

3

  Da sich die reformatorische Bewegung im

stet igen Fluss befunden habe und individuelle Uberzeugungen schnellen Änderungen

unterlagen, „können die Kategorien der Untersuchung keine festen   r i g i d a s )  sein".

Deshalb r iskiere er „versuchsweise" folgende Einteilung: I . Von Luther bis zum Bau-

ernaufstand

4

, II. Der radikale Zwinglianismus

5

, III. Die „Spiritualisten"

6

, IV. Die En-

thusiasten

7

, V. Kirchliches Täufertum

8

, und VI. Evangelischer Hu manism us

9

.

' Vgl. Nation, Mark Thiessen: Joh n How ard Yo der. Menn onite Patience, Evangelical Witness,

Catholic Conviction, Grand Rapids,Mich., und Cambridge 2006, und auch seinen kurzen

Artikel zu John H. Yoder (1927-1997), in Mennonitisches Lexikon V (www.mennlex.de).

2

  Yod er, Joh n H ow ard (Hg.): Textos escogidos de la Reform a Radical, Buenos Aires 1976/77,

S. 9 - 3 8 .

3

  „Versuch einer analytischen Perspektive , S. 15- 32.

4

  Ebd., S.16 -19.

5

  Ebd., S.19 -21 .

6

  Ebd., S. 21 -24 .

7

  Ebd., S. 24- 28 .

33

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1. Vo n Lu ther bis zum Bauernau fstand

Einführung

Zu Beginn der luther ischen Reformat ion war die inst i tut ionel le Handhabung sehr

einfach. Wenn es der Fürst in der Region zul ieß, konnte sich jeder Priester oder

Mönch auf der Grundlage e iner entsprechenden Predigter laubnis für die luther ische

Bewegung einsetzen und, nach eigenem Ermessen der daraus entstehenden Folgen, in

seiner Pfarrei handeln. Ohne wei teres konnte es deshalb vorkommen, dass an einem

Ort e in Reformator mit se inen Erneuerungsbestrebungen wei ter oder weniger wei t

voran kam als Luther selbst . Solchen Unterschieden Grenzen zu setzen, konnte nur

mit pol i t ischen Mitteln erreicht werden. Das heißt , es musste an den Fürsten oder die

lokalen Obr igkei ten appel l ier t werden, dem zu radikal agierenden Prediger ihre Un-

terstützung zu entziehen. Innerhalb des von Fr iedr ich dem Weisen, dem Beschützer

Luthers , regier ten Kursachsen geschah das bei drei wich t igen Persön l ichkei ten:

1) Andreas Bodenstein von Karlstadt [ . . . ]

2) Jakob Strauss [ . . . ]

3) Thomas Müntzer war wie Kar lstadt ä l ter a l s Luther und auch ein August iner-

mön ch. Anfa ngs wu rde er von L uther a l s Kol lege akze pt ier t und von ihm f ür die Stel le

eines Predigers an einer Zwickauer Kirche vorgeschlagen, wo er auf Anhänger mit

ähnl ichen Ideen t raf . Was Luther am meisten beunruhigte war , dass ( . . . ) j ene behaup-

teten, direkte Eingebu ngen vo m hei l igen G eist zu haben. Luther n annte s ie „Zw ickau-

er Propheten". S ie wurden von den Obrigkei ten 1521 ausgewiesen. Müntzer wanderte

daraufhin durch ganz Mit te ldeutschland und kam sogar bis nach Böhmen

10

, bevor er

sich im Frühl ing 1523 im kleinen Städtchen Allstedt niederl ieß. Er war es, der die ers-

ten deutsch-evangel i schen Li turgien veröffent l ichte .

11

  Von den Stadträten bekam er

moral i sche Unterstützung, st ieß aber bald auf die Gegnerschaft des Grafen Ernst von

Mansfeld, dessen in der Umgebung von Al lstedt lebende Unter tanen zu Müntzers

„häret i schen Predigten und Messen" gingen. Dennoch unterstützten die sächsischen

Fürsten, mehr aus Unentschlossenhei t a l s aus Überzeugung, die Freihei ten Al lstedts

und seines Predigers . Im März 1524 entstand eine a ls „Bund" bezeichnete Organisat i -

on fre iwi l l iger Akt ivisten, und ob wo hl e ine nahegelegene Kapel le , e in W al l fahrtso rt zu

Ehren der Hei l igen Mutter [Gottes] , in Brand gesteckt worden war , hie l ten die Al l -

8

  Ebd., S. 28 -30 .

9

  Ebd., S. 30 -32 .

[Anm. 20] Die erste Schrift Müntzers war seine   Protestation, die Sache der Böhm en

betreffend,  vom November 1521, später Prager M anifest  genannt.

[Anm. 21] Seine Liturgie war noch Jahre nach seinem Tod in Gebrauch. Eine Kritik

derselben auf S. 142 (Brief des Grebelkreises an Müntzer).

34

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stedter Obrigkeiten zu Müntzer. Nicht einmal die Fürsten wagten es, ihn zu verurtei-

len, sondern kamen sogar im Juli, um eine Predigt von ihm zu hören.

12

Das C harakterist ische in M üntzers Botschaft ist die Verbindun g zwischen seinem sehr

verinnerlichten Mystizismus und der Hoffnung auf eine soziale Revolution. Dennoch

hatte er keine subversiven Absichten, denn er erwartete, dass die Fürsten selbst zu

Werkzeugen der nahe bevorstehenden, von Gott geforderten Veränderung würden.

Durch Zweifel, sich in theologische Angelegenheiten einzumischen, traf Friedrich der

W eise keine sofort igen M aßnahm en. R esultat w ar, dass er so, gewissermaßen unter der

Hand, Müntzer auf seiner Predigerstelle bestätigte. Zum „Bund", der beinahe einer

heutigen politischen Partei entsprach, zählten damals auch Vertreter der lokalen Ob-

rigkeit und hund erte Bergknappen aus den Mansfelder T erritorien.

Die Situation änderte sich radikal, als Luther Tage darauf eine Flugschrift mit dem

Titel

  Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist, W ider die himm-

lischen Propheten, von den Bildern und der Messe

  [sie] verö ffentlicht hatte.

13

  Müntzer

und der Allstedter Rat wurden an den Weimarer Hof bestellt und mit ihnen am 1.

August 1524 jeweils getrennt verhandelt . Die Unterredung Müntzers mit den Fürsten

war für ihn stimulierend: Er musste nur versprechen, keine Schriften mehr zu veröf-

fentlichen, ohne sie vorher der offiziellen Zensur vorgelegt zu haben. Dennoch erhielt

der Rat Allstedts in der Audienz den Befehl, Müntzers Druckerei zu schließen und

den „Bund" aufzulösen. Müntzer erfuhr von dieser Entscheidung erst, als er wieder in

Allstedt wa r. Im Bewu sstsein, erstmals beinahe von den [ lokalen ] Au toritäten verraten

worden zu sein (und wahrscheinlich daran gehindert , am Sonntag, dem 7. August zu

predigen), flüchtete er in die freie [Reichs-]Stadt Mühlhausen. Dort traf er auf eine

andere, s ich schon in Gang befindliche Bewegung sozialer Agitat ion. Auch aus Mühl-

hausen ausgewiesen, konnte er [nach seiner Rückkehr] im Februar 1525 an den Wah-

len teilnehmen, die der Stadt ein seiner Botschaft zugewandtes Regiment brachten. So

verwandelte s ich Mühlhausen zum neuen Sitz der Bewegung sich auflehnender Bauern

und Bergknappen; Müntzer erwartete nun von ihnen, die Aufgabe zu erfüllen, die er

für das Gericht Gottes vorher den Fürsten angetragen hatte. Er war nicht Urheber der

Bewegung, aber ohne seine Beteiligung wären die Bauern bereit gewesen, mit den

Fürsten Frieden zu schließen. Tausende von Bauern kam en in der Hoffn ung auf einen

wundersamen Sieg in Frankenthal [sie] zusammen, aber am 15. Mai, als die Fürsten-

heere eintrafen, wurden die Bauern sofort und gänzlich besiegt . Nach Verhör und

12

  [Anm . 22] Vgl. S.108 -13 9. Die Fürsten ware n am 13. Juli 152 4 in Allstedt.

13

  [Anm. 23 ] Martin Lu ther, Werke, ( W A )XV , S. 21 Off. Der Traktat trägt das Datum v om 24.

Juni; aber es ist das Datum des Vorworts. Die Fürsten kannten diesen Traktat noch nicht, als

sie Mü ntzer am 13. Juli an hörten.

35

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Folter sagte Müntzer a l l se inen „Häresien" ab und wurde am 27. jenes Monats [Mai ]

hingerichtet .

Uns fehl t e ine Dokumentat ion zur letzten Etappe im Denken Müntzers , a l s er se ine

Erwartungen einer radikalen Reformat ion in den Händen gerechter Fürsten aufgege-

ben hatte.

14

  Wenn überhaupt , dann war es e in spontaner Entschluss und kein bewuss-

tes Programm einer Veränderung der Strukturen. Dazu rechnete er mit göt t l icher Hi l -

fe, die ihm da nn versagt bl ieb.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Keiner der radikalen Versuche im lutherischen

Umfeld (Kar lstadt , Strauß, Müntzer) hinter l ieß e ine erkennbare Wirkung, weder in

kirchl icher Gestal tung noch in sozia len Veränderungen. Mit der Ausnahme Müntzers

haben die (zwei) anderen nicht einmal versucht, ihre sozialkr i t ische Auffassung in die

Praxis umzusetzen (so z . B. den Wucher auch wirkl ich abzuschaffen) . Es fehl te ihnen

der Rahmen einer grei fbaren Gemeinschaft , d ie in der Lage gewesen wäre, ohne ob-

r igkei t l iche Unterstützung eine Luther entgegengesetzte Hal tung zu ver treten. Den-

noch haben ihre Bemühungen und Schr i ften dazu beigetragen, dem [reformator ischen]

Imp uls an anderen O rten eine um fassendere G estalt zu ver le ihen.

Die Ausnahme Müntzers bestät igt die Veral lgemeinerung. Obwohl er der bestehenden

sozia len Ordnung gegenüber sehr kr i t i sch eingestel l t war , rechnete er immer mit ob-

r igkei t l icher Unterstützung, um die [ re l ig iöse und sozia le] Lage zu verbessern. Er

konnte nur unabhängig vom fürst l ichen Landesherrn agieren, wei l er s ich (bestenfal l s

übergangsweise) auf die Unterstützung der lokalen Autor i täten in Al lstedt und Mühl-

hausen stützen konnte. Sogar seine Tei lnahme am Bauernaufstand wies dieselbe

Schwäche auf: Er schloss sich einer schon in Gang befindl ichen Bewegung an, der er

einen wu nde rsam en Erfolg versprach und die er in den M isserfolg hineinzog .

[...]

2. 4 Thom as Mü ntzer - Predigt vo r den Fürsten

Einführung

Müntzers Werk ste l l t den modernen Interpreten vor e ine auf dem Feld der Reforma-

t ionsgeschichte ungewöhnl iche Herausforderung. Was die meisten Persönl ichkei ten

jener Zei t wol l ten und was s ie nicht wol l ten, i s t bekannt . Zwischen ihrer Lehre und

ihrem H and eln besteht Kohä renz, so verma g die e ine die andere zu er läutern.

14

  [Anm . 24] In der angesprochenen Predigt vo r den Fürsten erwartete er noch eine offizielle

Reformation. Zwei weitere Schriften wurden 1524 gedruckt und sofort konfisziert. Ohne aui

neue soziale Vorhaben einzugehen, führten beide Schriften seine Debatte mit Lu ther for t.

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Bei Müntzer ist diese Kohärenz jedoch nicht so offensichtlich. Bis in seine letzten

Schriften

15

  tritt er als Spiritualist auf. In seiner Auffassung kommt von Gott das Heil in

Form des Kreu zes - sowo hl als innerl iches w ie als soziales Leid, das den M enschen

zur Zermürbung (

q u e b r a n t a m i e n t o

) und Selbstaufgabe treibt ; am Ende [dieses Pro zes-

ses] offenbart s ich unmittelbar der gött l iche Geist . Diese unmittelbare Offenbarung

kann mehr spir itual ist ischer Art (eine innere, unfehlbare Überzeugung) oder mehr

enthusiastischer Art sein ( in Visionen bestehen)

16

. Wichtig ist die persönliche Wahr-

haft igkeit  au t en t i c i dad) .  Einem Glauben, der nur auf „objektiven" Bibelworten grün-

det, fehle diese Wahrhaft igkeit . Die eigentl iche Absicht der Schrift ist nicht, e iner his-

torischen und sprachlichen Auslegung unterzogen zu werden, sondern dass s ie in

persönlicher Erfahrung „geöffnet" oder „beleuchtet" wird.

17

Diese spir ituel le Sichtweise stel l t Müntzer sowohl der katholischen Tradit ion wie dem

im Entstehen begriffenen Protestantismus gegenüber, da beide bei dem Oberflächl i-

chen, dem Äu ßeren verw ei len . Der Kathol iz ismus tut das aufgrund von Sakram enta l i -

tä t und Aberglaube, der Protestant ismus aufgrund se ines doktr inären Anl iegens

  (in-

quietud doctrinal) . Desh alb kan n die Erneu erung der Kirche nicht auf bloß form ale

Veränderungen beschränkt bleiben; es geht vielmehr darum, die Botschaft selbst wie-

derherzustellen.

18

15

  [Anm . 1 ] Nach dieser Predigt gelangten zwei weitere Texte in den Dru ck, aber nicht an die

Öffentlichkeit. Beide wurden von der Nürnberger Obrigkeit konfisziert. Bei der einen

handelt es sich um eine direkte Replik auf Luthers   Brief an die Fürsten zu Sachsen

[Hochverursachte Schutzrede].  In der anderen [A u sg ed rü ck te Entblößung des falschen

Glaubens

], ob wo hl in Mü hlhausen geschrieben, gibt es we de r Ansp ielungen auf Politik noch

auf sein persönliches Schicksal; sie ähnelt sehr der früheren Schrift   Von dem gedichteten

Glauben.

16

  [in der A nm . 13, zur Fürstenpred igt, S.1 19 , schreibt Yod er:] „D ie Tatsache, dass G ot t sich

weiterhin mittels Vision und Audition offenbart, erscheint hier für Müntzer als logische und

theologische Notwendigkeit. In seinen Schriften behauptet er nicht, selbst solche

persönlichen Offenbarungen empfangen zu haben (obwohl ihm das in den Schriften seiner

Gegner vorgeworfen wird). Auch gibt er keine Visionen anderer wieder (wie z. B. Melchior

Hoffman). Dennoch bejaht er die Möglichkeit ständiger Offenbarungen, die sich

gewissermaßen einer institutionellen Kontrolle entziehen.

17

  [in der An m . 2, zu r Fürstenp redigt, S.11 8, schreibt Yo de r:] „Die Tatsache, dass M üntz er so

viele Verweise auf Bibelpassagen bringt, sollte bei der Darstellung seines .Spiritualismus'

oder .Enthusiasmus' berücksichtigt werden. Er versteht sich nicht als jemand, der die Bibel

abweist (

r e c h a z a r

), sondern als jemand, der der Bibel ihre wahre .spirituelle' Bedeutung zu

geben vermag.

18

  [Anm. 2] O f t spielt er auf die Vors tellu ng eines ,,Verfalls (c<wc&?) der Kirc he an, der zu

Beginn des 2. Jahrhunderts stattfand („zur Zeit des Todes der Apostelschüler ). Vgl. S. 101,

Anm.5; S.118. [ Hegesip-Zitat aus der Kirchengeschichte des Eusebius von Cäsarea].

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Auf der anderen Seite steht der „soziale" Müntzer, der in Allstedt seinen „Bund" aus

Bürgern und Bergknappen bildet, der aus Angst vor seiner zu erwartenden subversi-

ven Wirkung von den Obrigkeiten ausgewiesen wird und sich zuletzt den Bauern in

Frankenhausen anschließt. Vergebens sucht man [in den Texten Müntzers] nach einer

bewussten gedanklichen „Brücke", die den Mystiker mit dem Agitator verbindet.

Dazu reichen seine Verweise auf das sanfte Leben und gute Essen der Mönche und

Priester bzw. Luthers nicht aus. Darin geht es allenfalls um eine Kritik an deren Man-

gel an mystischer [Frömmigkeits-]Disziplin, nicht an wirtschaft l icher Vorteilnahme.

Auch reicht sein Bild vom Laien dazu nicht aus, der, wenn ihn die Lehre der Kleriker

nicht verdorben hätte, besser als jene wüsste, wie „Gelassenheit" zu erreichen sei.

19

Darin drückt sich ein Angriff auf Theologie und Hierarchie aus, aber nicht auf poli-

t isch-wirtschaft liche Un terdrücku ng als solche.

Die in der gegenwärtigen Forschung offensichtlichste Lösung ergibt sich, wenn der

Historiker seinen eigenen hermeneutischen Schlüssel nutzt, um die Ereignisse von

außen her zu deuten. Aus Sicht des orthodoxen Marxismus

20

  konnte behauptet wer-

den, dass die spirituellen Ideen Projektionen einer sozioökonomischen Realität sind

und deshalb nicht aus sich selbst interpretiert werden dürfen. Von Seiten eines mehr

esoterischen Marxismus

21

  konnte argumentiert werden, dass eine sozioökonomische

Bewegung den Impuls einer nicht „wissenschaft l ichen", apokalyptischen Vision benö-

tige. Dennoch kann diese Interpretation nicht erklären, warum Müntzer das seiner

Zeit so bewusste sozialkritische Denken

22

  nicht teilte oder warum er [zunächst] mit

den bestehenden Regierungen als Werkzeugen für seine Reform rechnete: mit den

evangelischen Fürsten, wie in diesem [nachfolgenden] Text, und mit den lokalen

kleinbürgerlichen Stadträten in Allstedt und Mühlhausen, und sich erst sehr spät aus-

schließlich den Bauern zuw andte.

Andere Erklärungsversuche werden von Verwirrung ( c o n f u s i o n ) oder Täusch ung

sprechen. Die off izielle lutherische historische A uslegung und die katholische wü rden

auf unsere Frage antworten, dass Müntzer den Bauern und Bergknappen sehr wohl

19

  [in der Anm . 9 zur Fürstenpredigt, S. 11 8, schreibt Yod er:] „Es ist auffallend, dass M üntzer

das einfache Volk nicht verherrlicht; er sieht es nicht als eine messianische Klasse an.

Vielmehr beschreibt er es als Opfer, das (durch die Schuld des gottlosen Klerus) nicht in der

Lage ist, aus seiner Unw issenheit und dem Ab erglauben herauszufinden.

20

  [Anm . 3] A n erster Stelle Karl K autsk y, Vo rläu fer des neueren Sozialismus, Stuttgart 192 0;

danach ist es wieder die offizielle Interpretation des russischen und ostdeutschen Marxismus.

21

  [Anm . 4] V or allem Ernst Bloch, Thomas M ünzer, teölogo de la revoluciön, Ed itorial

Ciencia Nueva, Madrid, 1968 (Deutsches Original von 1921). Bloch wirft Kautsky „religiöse

Kurzsichtigkeit vor.

22

  [Anm . 5] Er sagt z.B. nichts von einem Wu che rverbo t, wie es Strauß, Karlstadt und in

abgemildeter Form sogar Lu ther und Zwingli vorschlagen.

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Aufruhr ( s e d i c i ö n ) pred igte, es aber nicht in seinen Sc hriften aussp rach, d. h. hier eine

bewusst vol lzogene Täuschung stattfand oder die Täuschung ihren Grund in unbe-

wusster Naivität hatte: Müntzer predigte gegen die „feisten Mönche", wei l s ie den

Heilsweg verdunkelten, merkte jedoch nicht, dass die armen Leute das als Urtei l über

die ökonomischen Privi legien der Klöster interpretierten.

Ein weiterer, weitaus komplexerer Erklärungsversuch auf breiterer Grundlage der

Dokumente selbst wird auf der Einheit des Menschen Thomas Müntzer zu bestehen

haben und versuchen, dessen Vision von einer Revolution aus der Perspektive seines

Spiritual ism us zu interp retieren. Der baldige gött l iche Eingriff - ob durch die Türken

23

oder die Fürsten oder durch das Volk gegen die Fürsten - verfolgte nicht die Absicht,

eine neue Gesel lschaft herzustel len, sondern eine neue Spir itual i tät . Es wird deutl ich,

dass die Gottlosen, die kein Recht mehr zu leben haben

24

, nicht die unterdrückenden

Fürsten sind, sondern die Mönche, Priester und Schriftgelehrten, die verhindern, dass

die einfachen Menschen zum wahren Glauben gelangen. Es wird auch deutl ich, dass

jegl iche utopische Vision fehlt , jegl iche detai l l ierte Beschreibung einer neuen Ord-

nung.

25

  Es reicht aus, wenn die Gottlosen getötet werden, Gott wird dann das Übrige

tun.

Auf den historischen Kontext dieser Predigt haben wir schon hingewiesen.

26

  Die säch-

sischen Fürsten wissen bereits im Mai und Juni 1524, dass die Allstedter Bewegung

gefährl ich geworden ist ; trotzdem wollen sie s ich nicht dem Vorwurf aussetzen, s ie

würden die Predigt des gött l ichen Wortes verhindern. Sie erfül len deshalb die übl iche

Pfl icht, den Prediger anzuhören, bevor seine Ernennung auf diese Kanzelstel le defini-

t ive Gült igkeit erhält . Über ihren unmittelbaren Eindruck nach dieser Predigt auf die

obrigkeit l ichen Zuhörer, noch bevor ihnen Luthers Angriff (auf Müntzer) vorlag, ist

nichts bekannt

27

; zumindest haben sie die Veröffentl ichung von Müntzers Predigt über

23

  [Anm. 6] Die erste Veröffen tlichung M üntzers, sein Prager M anifest (152 1), endete damit,

dass all jene die seine Ermahnungen nicht ernst nehmen wollten, in die Hände der Türken

übergeben würden, deren Regiment (als Antichrist) eine Zeit vor der Errichtung des ewigen

Reiches Christi und seiner Auserw ählten ausgeübt werde.

24

  [Anm. 7] S. 11 1-1 16 .

25

  [Anm. 8] Zur gleichen Zeit brachten die Bauernbewegungen haufenweise Artikel h ervor, in

denen sie die geforderten Rechte beschrieben. Andere Reformatoren, wie Hubmaier und

sogar Luther selbst, stimmten einigen dieser praktischen Forderungen zu (z. B. dem Recht

zur Waldnutzung und zur Nutzung der Allmende, auch der Forderung, fischen und jagen zu

dürfen). Mün tzers H altung w ar das nicht.

26

  [Anm. 9] Vgl. die Allgemeine Einführung, S. 16-1 7.

27

  [Anm . 10 ] De r Titel des Briefes spielt auf einen „au frührerischen (

s e d i c i o s o

) Geist an. Das

eigentliche Anliegen ist jedoch die theologische Gefahr des Enthusiasmus; aber der Aspekt,

39

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den Druck nicht verhindert . Daraus könnte gefolger t werden, dass auch s ie keiner le i

Aufruhrabsichten in der Aufforderung erkannten, s ich an die Spi tze e iner theokra-

t i sch-apokalypt ischen Erneuerung zu ste l len. Gleichfal l s haben s ie den Vorschlag

Müntzers nicht ernst genommen, ihn an ihrer Ausübung der Herrschaft zu betei l igen,

so wie es N ebu kad nez ar m it dem Propheten D aniel tat .

[...]

3 .5 Briefe Thomas Müntzers

28

Einführung

Nicht a l le Gelehrten werden s ich darüber e inig sein, ob Thomas Müntzer e in sozia les

Denken in dem Sinn besaß, dass er sich Model le gerechter Strukturen vorstel l te, eine

normat ive Vis ion oder e ine Utopie [entwickel t ] hat te . Eindeut ig i st aber se ine Über-

zeugung hinsicht l ich der apokalypt ischen Prägung einer sozia len Bewegung. Dennoch

kann sich die Erforschung seines Denkens auf diesem Gebiet nicht auf seine Publ ika-

t ionen stützen, wei l d iese seine theologische und persönl iche Kampagne gegen Luther

zu m Inhal t haben.

29

 Deshalb grei fen wir dafü r auf se ine Br iefe z urüc k.

Das erste Zeugnis (Brief vom 4. 10. 1523 an Friedrich den Weisen

30

) stammt aus der

Zei t vor der Bauernbewegung. Schon hier wird e in Engagement Müntzers für die Un-

terdrückten deut l ich, auch dass er von seiner prophet ischen Gabe überzeugt i st . Den-

der den Fürsten am stärksten ins Auge fiel, war Luthers Vorwurf, dass diese Geister „jetzt

mit der Faust dreinschlagen w ürde n .

28

  AZ : Yo der verwen det die von H einrich Böhm er und Paul Kirn (Leipzig 19 31 ) edierten Briefe

(S.48ff., 61 ff. und 109 ff.)

29

  [Anm . 1] Vgl. S.14 („Auch die sichtbare Gem einschaft, von d er allgemeinen Gesellschaft

unterschieden, war Teil einer gemeinsamen Perspektive der Radikalen. Bei Zwingli und

Müntzer <*Anm.l5> wurde eine solche Gruppierung, obwohl anfangs freiwillig und lokal,

als Grundzelle einer zukünftigen Theokratie verstanden, die sich aufgrund ihrer sowohl

spirituellen wie weltlichen M acht bei allen durchsetzen wü rde. ). <

;i

Anm. 15, S.36:

„Mü ntzer bildete in Allsted t im Juni 15 24 eine Gru ppe , die „Bund genannt wu rde. Vo n

ihrer Struktur wissen wir nichts, ob sie vielleicht eine interne Organisation hatte oder nur die

Ansammlung der Müntzeranhänger darstellte. >

30

  [in seiner An m .6, die diesem Brief gilt, schreibt Yod er:] „Es ist bem erkensw ert, dass dieser

Bezug auf Daniel 7,18 neun Monate vor der Fürstenpredigt gemacht wird und 22 Monate vor

Müntzers Entscheidung, die aufständischen Bauern zu unterstützen. D. h. dieser [Daniel-

]Bezug ist Teil eines festen und von den Ereignissen unabhängigen geschichtlichen bzw.

„prophetischen Schemas. Das Schema existierte schon, bev or es seine Ve rwirk lichu ng in den

Ereignissen fand. Ausschlaggebender Maßstab ist die Pflicht des Fürsten, die Reformation zu

unterstützen bzw. zu verteidigen. Wenn er die Macht verliert, dann geschieht das, weil er

dieser Verpflichtun g nicht erfü llt.

40

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noch verteidigt er sich mit den „üblichen" Mitteln, indem er an den Fürsten appelliert,

seine Unschuld [gegen Vorwürfe anderer] einklagt und um ein Verfahren in einem

offenen Gespräch bittet. Auch ermahnt er den Fürsten, sich als ein Werkzeug göttli-

cher Gerechtigkeit zur Verfügung zu stellen.

Im Juli 1524 spricht er einer Gruppe von Bauern Mut zu.

31

  Wir befinden uns in der

Zeit der Fürstenpredigt.

32

  Er fordert sie [die Bauern] auf, Mut zu zeigen, vermittelt

ihnen aber keine konkreten Vorschläge.

Im April und Mai 1525 dagegen, wenige Tage vor dem Zusammenbruch [des Auf-

stands bei Frankenhausen], interpretiert er erlebte Heilsgeschichte. Er fordert die Bau-

ern auf, den Frieden nicht zu akzeptieren, den ihnen die Fürsten anbieten werden.

33

Die drei Texte lassen eine Gewissheit des göttlichen Sieges verspüren. Es ist eine Ge-

wissheit, die nicht auf strategischer Beobachtung, sondern in prophetischer Vision

gegründet ist.

31

  AZ : hier liegt in der Edition offenb ar eine Auslassung v or. In der Einführung bezieht sich

Yoder m. E. auf den Brief an die (gefangenen) Christen von Sangerhausen (verfasst zwischen

15. und 22. Juli 1524). Im Textteil fehlt dieser Brief jedoch. In Anm. 7, zum Brief an die

Allstedter (Ende April 1525), wird ein längerer Auszug aus dem ersten Brief an die

Sangerhauser Christen (15. Juli 1524) wiedergegeben.

32

  [Anm. 2] Vgl. S. 108-139 .

33

  [Anm . 3] W ähre nd die Spannung stieg, versuchten einige aus dem bäuerlichen Lager, eine

Schlacht zu vermeiden. Zuletzt wandten sie sich an den Grafen Albrecht [von Mansfeld] mit

dem Vorschlag einer Friedensverhandlung. Dieser gab darauf eine positive Antwort und

schlug als Datum Sonntag, den 14. (Mai) vor. In der Zwischenzeit griff Müntzer mit Briefen

ein, wie die hier wiedergegebenen (B, C und D), und machte einen Ausgleich unmöglich.

Sein Brief an die Anhänger in Allsted (B) eröffnet eine Reihe von Mitteilungen an

verschiedene aufständische Gruppen (Frankenhausen, 29. April; Schmalkalden, 7. Mai;

Sonderhausen, 8.Mai; Eisenach 9. Mai; Erfurt, 13. Mai).

41

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Veröffent l ichungen der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft e .V

Nr. 1: (Vergriffen)

M ühlhausen, der Bauernkrieg un d Thomas M üntzer

Realitäten - Visionen - Illusionen

Protokol lband zum w issenschaf t li chen Kol loquium

am 27. M ai 2000 in M ühlhausen/ Thür ingen

133 Seiten, M ühlha usen 2000; ISBN -N r. : 3-935547 -00-5, 5 ,00 €

N r. 2 : (Vergr i ffen )

G ün ter V ogler: Müntzerbilder im 20. Jah rhu nd ert. Tendenzen und Perspektiven

der Forschung.

Vortrag anläss l ich der Gründung der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft e .V

am 26. M ai 2001 in M ühlhausen /Th ür ingen

32 Sei ten, M üh lhaus en 2001; ISB N -N r. : 3-935547-04-8, 3 ,00 €

Nr. 3:

Hans-Jürgen Goertz: Ende der Welt und Beginn der Neuzeit.

Modernes Zeitverständnis im „apokalyptischen Saeculum :

Thomas M üntzer und Martin Luther.

Vortrag auf der Jahrestagung der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft e .V

am 25. M ai 2002 in M ühlhausen /Th ür ingen

26 Sei ten, Mühlhausen 2002; ISBN-Nr. : 3-935547-04-8, 3 ,00 €

Nr. 4:

Günter Vogler: Thomas Müntzer und die Gesellschaft seiner Zeit

Au fsätze, 197 Sei ten, M ühlha usen 2003; ISB N -N r. : 3-935547 -06-4, 9 ,80 €

Nr. 5:

Siegfried Bräuer: Thomas Mü ntzer von Stolberg.

Neue Forschungen zur Biographie und zum familiären Um feld.

52 Sei ten, Mühlhausen 2003; ISBN-Nr. : 3-933557-08-0, 3 ,00 €

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Nr. 6:

Thomas T. M üller: Thomas M üntz er in der M ühlhäuser Ch ronistik.

Untersuchung und Neuedition der den Bauernkrieg betreffenden Abschnitte des

„Chronicon Mulhusinum .

75 Sei ten, Müh lhausen 2004; ISB N -N r. : 3-935547 -10-2, 4,80 €

Nr. 7:

Eike W olgast: Der gem eine M ann bei Thom as M ün tzer - und danach

39 Sei ten, Müh lhause n 2006; ISB N -N r. : 3-935547-14-5, 3 ,00 €

Nr. 8:

Go ttfr ied Braasch: Thomas Mü ntzer - W irkungen an Uns trut und Kyffhä user.

Erwei ter ter Vortrag zur Jahrestagung der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft am 20. Mai

2006 in M ühlhausen , Ko rnmarktk i rche

40 Sei ten, Mühlhausen 2006; ISBN-Nr. : 3-935547-18-8, 3 ,00 €

Nr. 9:

Gü nter V oglen: Das Thom as-Müntzer-Denkm al in Mühlhausen.

Die Denkmaltradition, und das Monument von Will Lammert.

128 Seiten, M ühlha usen 2007; ISB N -N r. : 3-935547-21 -8, 6 ,00 €

Nr. 10:

Thomas Müntzer in der Erinnerungskultur. Das Beispiel bildende Kunst.

Herausgegeben von Günter Vogler

Ko l loquium vom 12. M ai 2007 in Mü hlhausen/Thür ingen

198 Seiten, M ühlha usen 2008; ISB N -N r. : 3-935547-24 -2, 11,00 €

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Nr. 11:

Björn Opfer-Klinger: Zwischen Staatsideologie und Vergessen - Thomas Müntzer

im deutschen Schulbuch.

Mit einem Beitrag von Maxie Fischer: Der Wandel des Geschichtsbewusstseins

in Ost- und Westdeutschland seit der Herstellung der deutschen Einheit. Eine

Befragung zu r Person Thomas M üntzers.

Vorträge auf der Jahrestagung der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft e .V

am 17. M ai 2008 in M ühlhausen/ Thü r ingen

52 Seiten, M ühlha usen 2008; ISB N -N r. : 3-935547-27 -7, 5,00 €

Nr. 12:

Thomas Ka ufm ann : Thomas M üntzer, „Zwickauer Propheten und sächsische

Radikale. Eine quellen- und traditionskritische Untersuchung zu einer komplexen

Konstellation

Vortrag auf der Jahrestagung der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft e .V. am 16. Mai 2009

in Mühlhausen /Thür ingen

129 Sei ten, M ühlh ause n 2009; ISB N -N r. : 3-935547-35-8, 9 ,00 €

Nr. 13:

Günter Vogler: Thomas Müntzer in einer Bildergeschichte. Eine kulturhistorische

Dokumentation.

136 Sei ten, M ühlh ause n 2010; ISB N -N r. : 978-3-935547-37-6, 19,80 €

Nr. 14:

Thomas Müntzer. Zeitgenossen. Nachwelt.

Siegfr ied Bräu er zum 80. Geburtstag

Herausgegeben von Har tmut Kühne, Hans- Jürgen Goer tz , Thomas T. Mül l er und

Günter Vogler .

320 Se it en , M ühlhausen 2010; ISB N -Nr . : 978-935 547-36-9 ,16 ,80 €

Nr. 15:

Alejandro Zorzin: Thomas Müntzer in Lateinamerika

Vortrag auf der Jahrestagung der Thomas-Müntzer-Gesel l schaft e .V. am 8. Mai 2010