Tod nach Abschiebung in den Kosovo

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  • 8/8/2019 Tod nach Abschiebung in den Kosovo

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    BECHER & DIECKMANN Andreas Becher Rechtsanwalt Rechtsanwlte Jens Dieckmann

    Rechtsanwalt ,

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    PRESSEMITTEILUNG

    Tod nach Abschiebung

    Nur einen Monat nach ihrer Abschiebung aus Mayen stirbt eine 47jhrige Kosovarin und

    Mutter eines 14jhrigen Sohnes an den Folgen einer Gehirnblutung

    Bonn, Mayen, den 07.01.2011

    Die Polizeibeamten kamen frh am 07.12.2010. Sie berraschten Frau Borka T.. ihren Ehemannund den 14jhrigen Avdil im Schlaf. Sie hatten nur 30 Minuten Zeit, das Ntigste einzupacken. IhreMbel mussten sie in ihrer Wohnung in Mayen zurcklassen. ber den Flughafen Dsseldorfwurde die Familie zusammen mit vielen anderen Flchtlingen aus dem Kosovo nach Pristina, dieHauptstadt des Kosovo, abgeschoben.

    Was folgte, war eine Odyssee, deren grausamer vorlufiger Hhepunkt der Tod von Frau T. ist.

    Frau T. kam mit ihrer Familie im Oktober 1999 nach Deutschland. Sie wohnte vor ihrer Flucht mitihrer Familie in Mitrovica, der umkmpften und bis heute faktisch zwischen Serben undKosovo-Albaneren geteilten Stadt im Kosovo. Sie musste miterleben, wie im Laufe des Krieges ihr

    Haus zerstrt wurde und viele Nachbarn, Freunde und Verwandte gettet wurden. Frau T. und ihreFamilie sind Angehrige der Volksgruppe der Roma, die im Krieg zwischen die Fronten derverfeindeten Serben und Albaner gerieten. Die Albaner vertrieben die Familie von Frau T. wie auchandere Roma aus Mitrovica, weil man ihnen vorwarf, mit den Serben zusammenzuarbeiten. So flohdie Familie aus dem zerstrten Mitrovica.

    Frau T. leidet seit ihrer Flucht, wo sie brennende Huser, unzhlige Tote und Verwundete sehenmusste, an einer Posttraumatischen Belastungsstrung. In Deutschland war sie deswegen instndiger fachrztlicher Behandlung und unterzog sich mit Untersttzung der Caritas Mayen einerspeziellen Trauma-Therapie. Doch wurde auch ihre letzte Klage vor dem VerwaltungsgerichtesTrier am 17.11.2010 auf Feststellung eines humanitren Abschiebungsschutzes abgelehnt. DasGericht, dass die behandelnde Therapeutin in der mndlichen Verhandlung eingehend befragte,glaubte zwar Frau T., dass sie in Folge des Erlebten nunmehr psychisch krank ist. Doch war dasGericht der Meinung, basierend auf Informationen des Auswrtigen Amtes, dass sie nach einer

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    Abschiebung in der Heimat von Fachrzten empfangen werden wrde und umgehend weiterbehandelt werden knnte vor Ort, so dass im Fall einer Abschiebung keine Gefahr fr ihreGesundheit bestnde.

    Die Situation, die die Familie nach der Abschiebung erleben musste, war eine vllig andere.

    Nach Auskunft der Familie war am 07.12.2010 ein Arzt im Flugzeug. Am Flughafen Pristina sind

    sie jedoch weder von rzten noch deutsch sprechenden Mitarbeitern der Deutschen Botschaft odersonstigen Mitarbeitern von Hilfsorganisationen empfangen worden. Nach Erledigung derEinreiseformalitten sind sie sich selbst berlassen worden. Sie knnten gehen, wohin sie wollten,hat man ihnen bei der Kontrolle gesagt. Die Familie hatte gerade 220 dabei gehabt. Da Frau T. inPanik war und unter keinen Umstnden zurck nach Mitrovica wollte wegen der erlebten Schreckenund sie dort kein Haus mehr hatten, fuhr die Familie ca. 2 Stunden mit einem Taxi zu einemSchwager von Frau T. nach Sd-Serbien. Dort leben ca. 40 Familienangehrige in verschiedenenBaracken. Die Familie hat vier Kinder, die alle dort leben und auch jeweils mehrere Kinder haben.Die Baracken haben jeweils nur eine Kochgelegenheit und einen Wohnraum, wo alle zusammenessen und auch schlafen auf dem Boden. Tische zum Essen gibt es nicht. Es gibt dort weder Bdernoch Duschen. Der Sohn Avdil ist vllig schockiert von der ihn umgebenden Armut. Er lebt seit

    seinem 3. Lebensjahr in Deutschland und beherrscht die einheimische Sprach in keiner Weiseausreichend, um eine Schule zu besuchen. Die Familie dort lebt vom Schrott- undKleinwarenhandel.

    Frau T. hatte keine Medikamente mehr und auch kein Geld fr einen Arzt. Die Abschiebungbedeutete faktischen einen Abbruch der fachrztlich gebotenen psychiatrischen Behandlung.

    Kurz nach dem Jahreswechsel brach sie zusammen und verlor das Bewusstsein. Die Familie brachtesie in eine Klinik in Kragujevac. Sie fiel in eine tiefes Koma in Folge einer Gehirnblutung.

    Am 07.01.2010 - einen Monat nach der Abschiebung - erreichte die vllig verzweifelte Familie in

    Deutschland die Nachricht, dass Frau T. verstorben ist.

    "Diese Nachricht ist schrecklich und emprend!" erklrt Jens Dieckmann, Rechtsanwalt der Familieaus Bonn. "Das Vorgehen der Kreisverwaltung Mayen und des Landesinnenministerium in Mainzwirft zahlreiche Fragen auf, die dringend umfassend zu klren sind:

    Wie kann es sein, dass es keine fachrztliche Untersuchung von Frau T. unmittelbar vor ihrerAbschiebung gab?

    Warum waren keine Fachrzte und Hilfsorganisationen in Pristina am Flughafen, wo den deutschenBehrden doch bekannt war, dass eine psychisch schwerkranke Frau an diesem Tag abgeschobenwurde?

    Warum hat sich Rheinland Pfalz nicht dem Abschiebungs-Stop fr Roma aus dem Kosovo vonNordrhein-Westfalen angeschlossen? Die Landesregierung in Dsseldorf sttzt sich insb. auch aufAusknfte des Auswrtigen Amtes und die dort beschriebene katastrophale Lage der Roma.

    Und warum gab es keinen Abschiebungs-Stop nach dem letzten Beschluss desInnenministerkonferenz vom 19.11.2010? " Dort hatten die Innenminister beschlossen, sehr gutintegrierten, aber lediglich geduldeten minderjhrigen Flchtlingen eine Aufenthaltserlaubnisanzubieten und, bei Stattgabe, auch die Eltern bis zur Volljhrigkeit des Kindes aufenthaltsrechtlich

    abzusichern. Hier besuchte Avdil seit Jahren in Deutschland die Schule und wrde wohl exakt dieBedingungen der Innenminister erfllen. Doch hat das Land Rheinland Pfalz erst am 23.12.2010,mithin mehr als 2 Wochen nach den Abschiebungen am 07.12.2010, einen vorlufigen

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    Abschiebestop fr mgliche Kandidaten fr diese im Moment noch auszuarbeitendebundesgesetzliche Regelung erlassen.

    "Htte die Landesregierung einen solchen Abschiebungsstop unmittelbar nach dem 19.11.2010erlassen, dann htte Avdil und mithin auch seine Eltern nie abgeschoben werden drfen", soRechtsanwalt Dieckmann. Nach Auskunft seines Klassenlehrers war Avdil ein guter, fleiiger undwissbegieriger Schler, sehr gut integriert und beliebt bei seinen Mitschlern. Er ging auf die

    Elisabethschule in Mayen.

    "Der Familie ist groer Leid und Unrecht zugefgt worden in dem vergangenen Monat, das kaumwiedergutgemacht werden kann. Ich werde werde die Landesregierung auffordern, dafr Sorge zutragen, dass Avdil und sein Vater so schnell wie mglich nach Deutschland zurckkehren drfenauf der Basis der von den Innenministern beschlossenen Regelung. In diesem Hrtefall ist einhumanitrer Aufenthalt dringend geboten", so Rechtsanwalt Dieckmann.

    Die Staatskanzlei und das Innenministerium in Mainz wurde bereits eingeschaltet.

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    RA Jens Dieckmann