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www.fliegermagazin.de #5.2017 63 62 www.fliegermagazin.de #5.2017 TOUCH & GO BELGRAD Mit Vollgas voraus Die serbische Hauptstadt – ein Lieblingsziel? Achselzucken oder Kopfschütteln – wenn man Belgrad nicht kennt. Noch ist die aufstrebende Donaumetropole ein Geheimtipp REISE & ERLEBNIS TEXT & FOTOS Lukas Straubinger S üdosteuropa und Serbien haben kein besonders gutes Image. Pi- loten aus Deutschland befürch- ten, dort übermäßig zur Kasse gebeten zu werden. Davon habe ich bei meinen Besuchen nichts feststellen können, und Belgrad ist mittlerweile mein Lieblingsziel auf dem Balkan. Als einziges fliegerisches Hindernis be- trachte ich die Ostalpen, und auch die nur Wetter-technisch. Fliegt man IFR, genügt FL100, um sicher über die Berge zu gelan- gen. Was die Bürokratie betri, ist für den Flug von Deutschland nach Serbien, das weder EU- noch Schengen-Mitglied ist, ein Flugplatz mit Grenz- und Zollabfertigung obligatorisch. Dann steht einer spannen- den Reise auf den »wilden Balkan« nichts mehr im Weg. Die ungarische Tiefebene, der Balaton und Serbien selbst machen die Tour zu ei- nem auch landschaſtlich wunderschönen Ausflug. Bereits 110 Nautische Meilen vor Belgrad kommt die Donau in Sicht – damit stimmt schon mal die grobe Richtung. Als ich näher gekommen bin, begrüßt mich der Belgrader Lotse beinahe herzlich: Der Funk ist unkompliziert und professionell, der Ton zuvorkommend – besser geht’s nicht. Ich werde auf ein 25-Meilen-Final auf den Localizer gesetzt, die 3400 Meter lange und 45 Meter breite Piste des Nikola Tesla Airports ist schon von Weitem zu erkennen. Das Team um den General-Aviation- Supervisor empfängt jede Crew nach der Landung geradezu generalstabsmäßig. Im Handumdrehen sind ein Follow-Me-Auto, mehrere Flughafenmitarbeiter zum Ver- zurren des Flugzeugs und ein Tankwagen zur Stelle. Der Liter Avgas kostet aus dem mit »YUGOPETROL« beschriſteten Tank- wagen traumhaſte 97 Cent, Jet A1 gerade einmal 35 Cent. Es bleibt nur wenig Zeit, um die ausgemusterten DC-3 nahe dem Rollweg zu bestaunen – sozusagen ein Flugzeugfriedhof auf einem internationa- len Flughafen. Der Supervisor begleitet mich durch den Zoll und das VIP-Terminal, bis hin zum von ihm bestellten Taxi. Er bleibt mein ständi- ger Ansprechpartner während des Aufent- halts und gibt mir seine Handynummer, et- wa fürs Aufgeben eines Flugplans oder falls sich die Abreise verzögert. Die Damen am Empfang des VIP-Terminals geben gerne Auskunſt über Übernachtungsmöglichkei- ten und haben gute Tipps für Freizeitakti- vitäten in der Donaumetropole. Welch eine Begrüßung! Nur wenige hundert Meter vom Termi- nal entfernt überrascht das Aeronautical Museum Belgrade mit zahlreichen Expona- ten der ex-jugoslawischen Luſtwaffe und so- wjetischen Zivilflugzeugen. Sogar das Wrack des Tarnkappenflugzeugs F-117 Nighthawk und einer F-16, die beide während des NA- TO-Einsatzes vor 18 Jahren über Serbien ab- geschossen wurden, sind hier zu sehen. Auf der etwa halbstündigen Fahrt ins Zentrum Belgrads lässt sich in den Voror- ten, geprägt von Hochhäusern aus früheren, jugoslawischen Zeiten, der ehemalige sozi- alistische Einfluss nicht leugnen. Im Zent- rum angekommen, ändert sich dieses Bild schlagartig. Ich erlebe Belgrad als eine auf- strebende und dynamische Stadt mit einem jungen Publikum. Die Auswahl an Hotels ist riesig, sie sind allesamt sehr preiswert (Dop- pelzimmer ab 35 Euro). Grundsätzlich findet man in der Belgrader Altstadt eher kleinere und familiär geführte Hotels, während No- vi-Beograd etwas außerhalb des Zentrums mit Luxushotels der größeren Ketten auf- wartet. Bleibt man im Zentrum, lassen sich die gesamten Sehenswürdigkeiten der Stadt bequem zu Fuß erkunden. Z u diesen zählt ganz klar der Kale- megdan: Die aus dem 15. Jahrhun- dert stammende Festung und Burg- anlage gilt als Keimzelle der Stadt. Neben der Parkanlage gibt es hier einen Zoo und ein Freiluſt-Militärmuseum. Nach dem Besteigen der Festung wird man mit einem atemberaubenden Blick über Belgrad und den so berühmten Zusammenfluss von Donau und Save belohnt. Am Ufer der Save schließen sich weitere Parkanlagen an, die grüne Lunge der Stadt. Kulturliebhaber kommen in der Ska- darlija auf ihre Kosten. Die Flaniermeile im ehemaligen türkischen Bohème-Viertel, früher ein Ort der Dichter und Künstler, ist N S O W 0 500 km Berlin Mittelmeer Wien Belgrad Prag Zagreb Budapest Bratislava Bukarest Sarajevo d t t ava ava ava ava KARTE: DEINZER GRAFIK 1 | Angekommen: im Anflug auf LYBE über der Stadt. Gut erkennbar: der Zusammenfluss von Save und Donau 2 | Alpenpanorama: Bereits der Hin- flug über die Ostalpen ist ein Erlebnis 3 | Abgestellt: ausrangierte DC-3 und Li-3 am Nikola Tesla Airport 4 | Ausgehviertel: die Skadarlija im Belgrader Zentrum – Szenetreff und Flaniermeile für Touristen 2 3 4 1 heute eher eine touristische Sehenswürdig- keit mit zahlreichen Restaurants und Bars. Mit Einbruch des Abends spielen hier ser- bische Straßenmusikanten auf, und bei der (zugegebenermaßen fleischbetonten) ser- bischen Küche lässt man in der Skadarlija den frühen Abend ausklingen. Zu späterer Stunde verlagert sich das Nachtleben von den Höhen der Stadt hinab zu den Ufern der Save und Donau, wo sich eine Bar an die nächste reiht. Es überrascht kaum, dass

TOUCH & GO BELGRAD Mit Vollgas voraus - fliegermagazin.de · 64 #5.2017 Belgrad weltweit zu den Top-Ten der Party-Metropolen gehört. G efeiert wird bis in die frühen Mor-genstunden

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Mit Vollgas vorausDie serbische Hauptstadt – ein Lieblingsziel? Achselzucken oder Kopfschütteln – wenn man Belgrad nicht kennt. Noch ist die auf strebende Donaumetropole ein Geheimtipp

REISE & ERLEBNIS

TEXT & FOTOS Lukas Straubinger

Südosteuropa und Serbien haben kein besonders gutes Image. Pi-loten aus Deutschland befürch-ten, dort übermäßig zur Kasse gebeten zu werden. Davon habe

ich bei meinen Besuchen nichts feststellen können, und Belgrad ist mittlerweile mein Lieblingsziel auf dem Balkan.

Als einziges fliegerisches Hindernis be-trachte ich die Ostalpen, und auch die nur Wetter-technisch. Fliegt man IFR, genügt FL100, um sicher über die Berge zu gelan-gen. Was die Bürokratie betrifft, ist für den

Flug von Deutschland nach Serbien, das weder EU- noch Schengen-Mitglied ist, ein Flugplatz mit Grenz- und Zollabfertigung obligatorisch. Dann steht einer spannen-den Reise auf den »wilden Balkan« nichts mehr im Weg.

Die ungarische Tiefebene, der Balaton und Serbien selbst machen die Tour zu ei-nem auch landschaftlich wunderschönen Ausflug. Bereits 110 Nautische Meilen vor Belgrad kommt die Donau in Sicht – damit stimmt schon mal die grobe Richtung. Als ich näher gekommen bin, begrüßt mich der Belgrader Lotse beinahe herzlich: Der Funk ist unkompliziert und professionell, der Ton zuvorkommend – besser geht’s

nicht. Ich werde auf ein 25-Meilen-Final auf den Localizer gesetzt, die 3400 Meter lange und 45 Meter breite Piste des Nikola Tesla Airports ist schon von Weitem zu erkennen.

Das Team um den General-Aviation-Supervisor empfängt jede Crew nach der Landung geradezu generalstabsmäßig. Im Handumdrehen sind ein Follow-Me-Auto, mehrere Flughafenmitarbeiter zum Ver-zurren des Flugzeugs und ein Tankwagen zur Stelle. Der Liter Avgas kostet aus dem mit »YUGOPETROL« beschrifteten Tank-wagen traumhafte 97 Cent, Jet A1 gerade einmal 35 Cent. Es bleibt nur wenig Zeit, um die ausgemusterten DC-3 nahe dem Rollweg zu bestaunen – sozusagen ein

Flugzeugfriedhof auf einem internationa-len Flughafen.

Der Supervisor begleitet mich durch den Zoll und das VIP-Terminal, bis hin zum von ihm bestellten Taxi. Er bleibt mein ständi-ger Ansprechpartner während des Aufent-halts und gibt mir seine Handynummer, et-wa fürs Aufgeben eines Flugplans oder falls sich die Abreise verzögert. Die Damen am Empfang des VIP-Terminals geben gerne Auskunft über Übernachtungsmöglichkei-ten und haben gute Tipps für Freizeitakti-vitäten in der Donaumetropole. Welch eine Begrüßung!

Nur wenige hundert Meter vom Termi-nal entfernt überrascht das Aeronautical Museum Belgrade mit zahlreichen Expona-ten der ex-jugoslawischen Luftwaffe und so-wjetischen Zivilflugzeugen. Sogar das Wrack des Tarnkappenflugzeugs F-117 Nighthawk und einer F-16, die beide während des NA-TO-Einsatzes vor 18 Jahren über Serbien ab-geschossen wurden, sind hier zu sehen.

Auf der etwa halbstündigen Fahrt ins Zentrum Belgrads lässt sich in den Voror-ten, geprägt von Hochhäusern aus früheren, jugoslawischen Zeiten, der ehemalige sozi-alistische Einfluss nicht leugnen. Im Zent-rum angekommen, ändert sich dieses Bild

schlagartig. Ich erlebe Belgrad als eine auf-strebende und dynamische Stadt mit einem jungen Publikum. Die Auswahl an Hotels ist riesig, sie sind allesamt sehr preiswert (Dop-pelzimmer ab 35 Euro). Grundsätzlich findet man in der Belgrader Altstadt eher kleinere und familiär geführte Hotels, während No-vi-Beograd etwas außerhalb des Zentrums mit Luxushotels der größeren Ketten auf-wartet. Bleibt man im Zentrum, lassen sich die gesamten Sehenswürdigkeiten der Stadt bequem zu Fuß erkunden.

Zu diesen zählt ganz klar der Kale-megdan: Die aus dem 15. Jahrhun-dert stammende Festung und Burg-anlage gilt als Keimzelle der Stadt.

Neben der Parkanlage gibt es hier einen Zoo und ein Freiluft-Militärmuseum. Nach dem Besteigen der Festung wird man mit einem atemberaubenden Blick über Belgrad und den so berühmten Zusammenfluss von Donau und Save belohnt. Am Ufer der Save schließen sich weitere Parkanlagen an, die grüne Lunge der Stadt.

Kulturliebhaber kommen in der Ska-darlija auf ihre Kosten. Die Flaniermeile im ehemaligen türkischen Bohème-Viertel, früher ein Ort der Dichter und Künstler, ist

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1 | Angekommen: im Anflug auf LYBE über der Stadt. Gut erkennbar: der Zusammenfluss von Save und Donau

2 | Alpenpanorama: Bereits der Hin-flug über die Ostalpen ist ein Erlebnis

3 | Abgestellt: ausrangierte DC-3 und Li-3 am Nikola Tesla Airport

4 | Ausgehviertel: die Skadarlija im Belgrader Zentrum – Szenetreff und Flaniermeile für Touristen

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heute eher eine touristische Sehenswürdig-keit mit zahlreichen Restaurants und Bars. Mit Einbruch des Abends spielen hier ser-bische Straßenmusikanten auf, und bei der (zugegebenermaßen fleischbetonten) ser-bischen Küche lässt man in der Skadarlija den frühen Abend ausklingen. Zu späterer Stunde verlagert sich das Nachtleben von den Höhen der Stadt hinab zu den Ufern der Save und Donau, wo sich eine Bar an die nächste reiht. Es überrascht kaum, dass

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Belgrad weltweit zu den Top-Ten der Party-Metropolen gehört.

Gefeiert wird bis in die frühen Mor-genstunden auf den für Belgrad so typischen Splavs – schwimmende, fest an den Ufern der Save und Do-

nau vertäute Diskotheken und Nachtklubs. Manch ein Kahn wirkt leicht baufällig, doch das stört hier niemanden. Viele Besucher, vor allem aus Skandinavien und Westeuro-pa, kommen extra für ein Partywochenende eingeflogen.

Selbstflieger können von Belgrad aus weitere, sehr spannende Reisen unterneh-men. Nur knapp über 100 Nautische Meilen entfernt bietet sich dafür das kulturell inter-essante Sarajevo an. Jedoch ist die bosnische Metropole aufgrund ihrer Kessellage nicht immer einfach anzufliegen. Auch für IFR-Anflüge können im Talkessel aufziehende Towering Cumulus ein ernsthaftes Problem darstellen. Alternativ ist nach einem Wo-chenende in Belgrad auf dem Rückweg nach Norden ein Stopp am Balaton möglich. Und wer einen Zwischenstopp sucht für einen Trip ans Schwarze Meer oder preiswert auf-

tanken will auf dem Weg in die Ägäis – Bel-grad ist eine sehr gute Adresse und auf jeden Fall eine Reise wert.

Vor allem aber ist die Gastfreundschaft der Belgrader immer wieder ein Erlebnis. Ich fühle mich in Belgrad, egal ob in der Stadt oder auf dem Flughafen, ausgesprochen wohl und willkommen. Es stimmt: Die Stadt ist wild, ungehalten und umtriebig – doch genau das macht den Charme der Balkan-metropole aus. Hier ist der Blick nach vorn gerichtet, Sozialismus und Krieg sind vor-bei und überstanden. Diesen Optimismus merkt man den Belgradern an.

REISE & ERLEBNIS

Der Flugplatz

Nikola Tesla Airport BelgradKennung LYBEFrequenz 118.10 MHzHöhe 336 ftLage 7 NM NW BelgradKoordinaten N 44° 49' 6'', E 20° 18' 33''Piste 12/30, 3400 m x 45 m,

AsphaltKraftstoff Avgas, Jet A1Betriebszeiten 24 hGebühren Landung 6 Euro (bis

1,2 t MTOM), Nutzung Infrastruktur 8 Euro, Handling 15 Euro

Zoll jaBetreiber Belgrade Nikola Tesla

Airport plc, 11180 Beo-grad 59, Serbia

Telefon 00381 (11) 228 60 23 (Ops)

1 | Hereinspaziert: Die ersten Nachtschwärmer gehen an Bord eines Splavs

2 | Historisch: Militärmuseum in der Festung Kalemegdan, der Keimzelle der Stadt Belgrad

3 | Heißhunger: Die Portionen in Belgrads Restau-rants sind üppig – und man sollte Fleisch mögen2 3

Spaßmeile: Auf den Splavs – schwimmenden Clubs und Disco-theken – steigen in der Nacht die heißesten Partys der Stadt

Abflug: ein letzter Blick über Belgrad – die Rückkehr ist so gut wie sicher

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