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Kapitel 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen Feststoffschüttungen oder Haufwerke sind geordnete oder regellose Anordnungen von Einzelkörpern verschiedener Form. Technisch bedeutsame Feststoffschüttun- gen sind Festbetten bzw. Füllkörperschüttungen. Festbetten werden in zahlreichen verfahrenstechnischen Apparaten eingesetzt, z. B. in Reaktoren, Adsorbern, Io- nenaustauschern, Chromatografiesäulen, Tiefenfilter und Hochöfen, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch Füllkörper- sowie Packungskolonnen können vereinfa- chend als Feststoffschüttungen angesehen werden. Da diese für die thermischen Trennverfahren, Rektifikation und Ab- bzw. Desorption eingesetzt werden, erfolgt ihr Betrieb allerdings zweiphasig (s. Kap. 13). Festbetten können demgegenüber so- wohl ein-, zwei- oder mehrphasig betrieben werden. Grundsätzlich stellt der Feststoff zwar bereits eine zweite Phase neben dem strömenden Medium dar, in den weiteren Betrachtungen wird er jedoch analog zur Rohrwand (Kap. 5) bzw. zur Oberfläche einer ebenen Platte (Kap. 6) nicht als weitere Phase angesehen, da er in diesem Ka- pitel als unbeweglich und inert behandelt wird. In diesem Sinne werden im Weiteren die physikalischen Grundlagen bei der einphasigen Durchströmung von ruhenden Feststoffschüttungen vorgestellt. Wird der Feststoff durch das von unten nach oben strömende Fluid aufgewirbelt, so spricht man von Fließbetten oder Wirbelschichten (s. Kap. 15). Die Gesetzmä- ßigkeiten mehrphasig betriebener Feststoffschüttungen und bewegter Fest/flüssig- Systeme werden in den späteren Kap. 13 und 15 behandelt. Ziel des Kapitels ist die mathematische Modellierung der gesamten Austausch- vorgänge in Feststoffschüttungen basierend auf der Charakterisierung der einzelnen Transportvorgänge. Nach der Einführung der kennzeichnenden Größen wird die Berechnung des Druckverlusts in Analogie zur Rohrströmung abgeleitet, und die zugehörigen Widerstandsbeiwerte werden dargestellt. Ebenfalls in Analogie zur Rohrströmung aber auch zur Umströmung von Partikeln werden anschließend der Wärme- und Stoffübergang in Feststoffschüttungen behandelt. Die mathematische Modellierung des gesamten Stofftransports in einer Feststoffschüttung auf Basis einer differenziellen Bilanz beendet das Kapitel. M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, 247 DOI 10.1007/978-3-642-25149-8_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

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Kapitel 8Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Feststoffschüttungen oder Haufwerke sind geordnete oder regellose Anordnungenvon Einzelkörpern verschiedener Form. Technisch bedeutsame Feststoffschüttun-gen sind Festbetten bzw. Füllkörperschüttungen. Festbetten werden in zahlreichenverfahrenstechnischen Apparaten eingesetzt, z. B. in Reaktoren, Adsorbern, Io-nenaustauschern, Chromatografiesäulen, Tiefenfilter und Hochöfen, um nur einigeBeispiele zu nennen. Auch Füllkörper- sowie Packungskolonnen können vereinfa-chend als Feststoffschüttungen angesehen werden. Da diese für die thermischenTrennverfahren, Rektifikation und Ab- bzw. Desorption eingesetzt werden, erfolgtihr Betrieb allerdings zweiphasig (s. Kap. 13). Festbetten können demgegenüber so-wohl ein-, zwei- oder mehrphasig betrieben werden. Grundsätzlich stellt der Feststoffzwar bereits eine zweite Phase neben dem strömenden Medium dar, in den weiterenBetrachtungen wird er jedoch analog zur Rohrwand (Kap. 5) bzw. zur Oberflächeeiner ebenen Platte (Kap. 6) nicht als weitere Phase angesehen, da er in diesem Ka-pitel als unbeweglich und inert behandelt wird. In diesem Sinne werden im Weiterendie physikalischen Grundlagen bei der einphasigen Durchströmung von ruhendenFeststoffschüttungen vorgestellt.

Wird der Feststoff durch das von unten nach oben strömende Fluid aufgewirbelt,so spricht man von Fließbetten oder Wirbelschichten (s. Kap. 15). Die Gesetzmä-ßigkeiten mehrphasig betriebener Feststoffschüttungen und bewegter Fest/flüssig-Systeme werden in den späteren Kap. 13 und 15 behandelt.

Ziel des Kapitels ist die mathematische Modellierung der gesamten Austausch-vorgänge in Feststoffschüttungen basierend auf der Charakterisierung der einzelnenTransportvorgänge. Nach der Einführung der kennzeichnenden Größen wird dieBerechnung des Druckverlusts in Analogie zur Rohrströmung abgeleitet, und diezugehörigen Widerstandsbeiwerte werden dargestellt. Ebenfalls in Analogie zurRohrströmung aber auch zur Umströmung von Partikeln werden anschließend derWärme- und Stoffübergang in Feststoffschüttungen behandelt. Die mathematischeModellierung des gesamten Stofftransports in einer Feststoffschüttung auf Basiseiner differenziellen Bilanz beendet das Kapitel.

M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, 247DOI 10.1007/978-3-642-25149-8_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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248 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.1 Kennzeichnende Größen einer Feststoffschüttung

Als kennzeichnende Größen der Feststoffschüttung sind zunächst die Form und dieAbmessungen des Feststoffs selbst zu nennen. Die regellose Anordnung der Par-tikeln innerhalb der Schicht beeinflusst das freie Volumen, welches der flüssigenoder gasförmigen Phase zur Verfügung steht. Dieses freie Volumen wird durch denLückengrad beschrieben. Im Hinblick auf die Strömung in der Schicht dient schließ-lich der hydraulische Durchmesser zur Kennzeichnung der Größe der verfügbarenStrömungskanäle.

8.1.1 Feststoffpartikeln

In nahezu allen technischen Anwendungsfällen soll innerhalb eines gegebenen Vo-lumens eine große Feststoffoberfläche erzeugt werden, um möglichst große Wärme-bzw. Stoffströme übertragen zu können. Eine wichtige Größe ist daher die spezifischeOberfläche aP des Feststoffs. Diese wird auf zwei Arten definiert. Zum einen als Ver-hältnis der Oberfläche AP eines Partikels zu seinem Volumen VP. Für kugelförmigeTeilchen gilt:

aP ≡ AP

VP= 6

dP. (8.1)

Zum anderen wird die gesamte Partikeloberfläche APges auf das Gesamtvolumen Vges

des betreffenden Systems bezogen, woraus sich die volumenspezifische Oberflächeergibt:

a ≡ APges

Vges. (8.2)

Die Kugel ist der geometrische Körper mit der kleinsten spezifischen Oberfläche.Insbesondere bei der Entwicklung sehr leistungsfähiger Füllkörper (s. z. B. Mers-mann und Deixler 1986) wird hoher Wert auf die Erzeugung großer spezifischerOberflächen gelegt. In Abb. 8.1 sind einige häufig eingesetzte Füllkörpergeometriendargestellt. Tabelle 8.1 enthält zugehörige Werte der volumenbezogenen Oberflächea, die von der charakteristischen Partikelabmessung abhängen.

Handelt es sich um nicht kugelförmige Teilchen, wird der charakteristische Par-tikeldurchmesser dP als Durchmesser der Kugel mit gleicher volumenbezogenerOberfläche bestimmt:

(8.3)

Stimmen Form und Größe für alle Partikeln überein, so spricht man von monodi-spersen Systemen. Unterscheiden sich die Partikeln hingegen in Form oder Größe,

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8.1 Kennzeichnende Größen einer Feststoffschüttung 249

Abb. 8.1 Gebräuchliche Füllkörperformen für regellose Packungen Werkstoffe: oben Keramik,Mitte Metall, unten Kunststoff. (Aus Stichlmair 2002)

bezeichnet man dies als polydisperses System. Für Haufwerke mit unterschiedlichgroßen Partikeln der Gesamtanzahl n wird der sogenannte Sauterdurchmesser d32 alscharakteristischer Partikeldurchmesser für das gesamte Partikelkollektiv ermittelt:

(8.4)

Dieser Durchmesser spielt für umströmte Teilchen eine ähnliche Rolle wie der hy-draulische Durchmesser für durchströmte Systeme. Die Definition geht auf dieArbeitvon Sauter (1926) zur Brennstoffvergasung zurück.

Deutlich gleichmäßigere Phasenverteilungen über den Kolonnenquerschnitt las-sen sich mit geordneten oder strukturierten Packungen erreichen. Durch einezusätzliche Oberflächenstrukturierung lassen sich die Turbulenz erhöhen und derStofftransport verbessern. Gegenüber Füllkörpern weisen strukturierte Packungenfolgende Vorteile auf:

• geringeren Druckverlust und• geringeres erforderliches Packungsvolumen für Energie- und Stofftransportpro-

zesse.

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250 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Tab. 8.1 Herstellerangaben zu Füllkörpern für regellose Packungen. (Aus Stichlmair 2002)

Füllkörper Charakterist.DurchmesserdP [mm]

Keramik Metall Plastik

Spez. Porosität Spez. Porosität Spez. PorositätOberfl. ε [−] Oberfl. ε [−] Oberfl. ε [−]a [m2/m3] a [m2/m3] a [m2/m3]

Kugeln 2 1800 0,44 900 0,46 600 0,48 450 0,4

10 360 0,415 240 0,420 180 0,425 144 0,430 120 0,435 100 0,450 72 0,4

Raschig 5 1000 0,56 1000 0,87Ringe 10 440 0,65 500 0,89

15 330 0,70 350 0,92 350 0,8620 240 0,72 290 0,8725 195 0,73 220 0,92 220 0,8735 140 0,76 150 0,93 150 0,9050 98 0,77 110 0,95 110 0,9180 60 0,77 65 0,96 65 0,91

Pall 10 515 0,92 350 0,88Ringe 15 360 0,93 220 0,91

25 220 0,73 215 0,94 160 0,9335 165 0,76 145 0,94 110 0,9350 120 0,77 105 0,9580 75 0,77 78 0,96

Bialecki 25 225 0,95Ringe 35 155 0,95

50 110 0,9680 68 0,97

Torus 15 450 0,71Sättel 20 355 0,72

25 255 0,7435 166 0,7650 120 0,7975 92 0,80

Telleretten No. 1 180 0,87No. 2 125 0,93No. 3 98 0,92

8.1.2 Lückengrad

Der Lückengrad bzw. die Porosität kennzeichnet dasVerhältnis des Lückenvolumensin einer Schüttung zum gesamten Schichtvolumen Vges:

(8.5)

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8.1 Kennzeichnende Größen einer Feststoffschüttung 251

Abb. 8.2 Abhängigkeit desörtlichen Lückengrades εlok

vom bezogenen Wandabstandy/dP für eine monodisperseKugelschüttung. (Daten nachRoblee et al. 1958)

Hierbei stelltVPges das gesamte Partikelvolumen dar. Der Lückengrad gibtAufschlussüber die Struktur einer Feststoffschicht, die von der Form und Größe der Partikelnund deren Orientierung zueinander abhängt. Eine Feststoffschüttung wird in dertechnischen Praxis fast ausnahmslos durch einen Schüttvorgang erzeugt, der seinerNatur nach ein stochastischer Prozess ist. Die Struktur des Haufwerks hängt also vomZufall ab und lässt sich daher nur durch Wahrscheinlichkeitsgesetze beschreiben.Hiermit sind lediglich Aussagen über die am häufigsten auftretende Struktur undüber den Bereich einer die Struktur kennzeichnenden Größe möglich. Eine solcheGröße ist der Lückengrad.

Aussagen über die Abhängigkeit des Lückengrades vom Ort sind für die Be-handlung der Strömung und der Wärme- und Stofftransportvorgänge innerhalb einerFüllkörperschicht von großer Bedeutung.

Der technisch übliche Schüttvorgang zur Apparatebefüllung führt immer zuregellosen Anordnungen, die größere Lückengrade und damit geringere Feststof-foberflächen beinhalten, als sie der theoretisch möglichen dichtesten Packung derPartikeln entsprechen. Im Fall einer monodispersen Kugelschüttung ergibt sich einmittlerer Lückengrad von etwa 0,4. Dieser Wert liegt zwischen dem einer regel-mäßigen kubischen Anordnung (ε = 1 − π/6 = 0,48) und der dichtesten regulärenKugelpackung (ε = 0,26).

Lückengrad bzw. Porosität hängen weiterhin von dem Abstand der Feststoffteil-chen von der Behälterwand ab. (Eine ausführliche Zusammenstellung der Literaturzu diesem Thema gibt (Tsotsas 1990)). Abbildung 8.2 zeigt ein beispielhaftesexperimentelles Ergebnis für diese Abhängigkeit. Unmittelbar an der Wand y/dP = 0muss der Lückengrad gleich eins sein, da die Partikeln die Wand nur punktuellberühren.

Übliche Werte des Lückengrads können Tab. 8.1 für verschiedene Füllkörperentnommen werden.

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252 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Abb. 8.3 Schüttungen aus Kugeln gleicher Größe und von gleichem Lückengrad a kubischePackung, b ungeordnete Packung

Bei polydispersen Systemen, in denen sich die Partikeln sowohl hinsichtlichder Größe als auch der Form unterscheiden, können deutlich geringere Porositätenauftreten, da feinere Partikeln die Hohlräume zwischen großen Teilchen auffüllenkönnen.

Die beiden Parameter Lückengrad ε und Partikeldurchmesser dP bzw. d32 solltengrundsätzlich allerdings nicht ausreichen, um die Strömung und damit auch denWärme- und Stoffübergang eindeutig zu beschreiben. In einer kubischen Packungaus hintereinander liegenden gleich großen Kugeln (s. Abb. 8.3a) kann das Fluiddurch die Gassen zwischen den Kugeln strömen. In einer ungeordneten Schüttunggleichen Lückengrades mit Kugeln gleichen Durchmessers können die Gassen, wieAbb. 8.3b zeigt, jedoch teilweise blockiert und die Durchströmung an einigen Stellenstärker behindert sein als an anderen. Trotz gleicher Werte von Lückengrad undPartikeldurchmesser ergeben sich also verschiedene Strömungsbilder. Wenn mandennoch Strömung, Wärme- und Stoffübergang allein durch die beiden Parameter εund dP recht gut beschreiben kann, so nur deshalb, weil sich in hinreichend großenSchüttungen im statistischen Mittel ein Ausgleich einstellt.

8.1.3 Hydraulischer Durchmesser

Für die Ermittlung des Druckverlustes einer durchströmten Feststoffschüttung reichtes nicht aus, zu wissen, wie groß das insgesamt verfügbare freie Volumen oder dieinsgesamt verfügbare freie Querschnittsfläche ist. Stellt man sich das freie Volumeninnerhalb einer Schicht aus vielen einzelnen Poren zusammengesetzt vor, dann wer-den die Poren um so größer sein, je größer die Partikeln sind. Eine aus großen Teilchengebildete Schicht wird also wenige große Poren und eine aus kleinen Teilchen ge-bildete Schicht wird entsprechend viele kleine Poren besitzen, obgleich der mittlereLückengrad für beide Schichten nahezu gleich ist. Die für die Strömung wichtige

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8.1 Kennzeichnende Größen einer Feststoffschüttung 253

Abb. 8.4 SchematisierteStrömungsmodelle fürFeststoffschüttungen.a gerade, parallele Kanälemit konstantem Durchmes-ser, b Kanäle größerer Län-ge mit konstantemDurchmesser, c Kanälegrößerer Länge mitwechselndem Durchmesser

Angabe der mittleren Größe der Einzelporen erfolgt durch den hydraulischenDurchmesser dh.

Bei der Einführung des hydraulischen Durchmessers geht man üblicherweise vonder Vorstellung aus, dass sich das Lückenvolumen Vges − VPges der Feststoffschichtin eine begrenzte Zahl von Strömungskanälen unterteilen lässt. Das kann gemäßAbb. 8.4a in der Weise erfolgen, dass man eine Reihe von geraden, parallelen Kanä-len annimmt, die alle den gleichen Durchmesser dh aufweisen und deren Längegleich der Schichthöhe H ist. Der Volumenanteil der Kanäle ε und die volumenbezo-gene Phasengrenzfläche a entsprechen denjenigen Werten der realen Schüttung. DieKanäle können aber auch unregelmäßig wie in Abb. 8.4b verlaufen. Die Länge die-ser unregelmäßigen Kanäle ist größer als die Schichthöhe H. Ihre Querschnittsflächeist längs des Strömungsweges unveränderlich. Schließlich sind auch Kanalformengemäß Abb. 8.4c denkbar. Hierbei wechseln Abschnitte mit konstanter und verän-derlicher Querschnittsfläche einander ab. Obgleich diese Kanalform den wirklichenVerhältnissen in der Feststoffschicht am besten gerecht wird, hat es sich als völligausreichend erwiesen, zur Bestimmung des hydraulischen Durchmessers von dereinfachen Vorstellung gemäß Abb. 8.4a auszugehen. Der hydraulische Durchmesserwird üblicherweise als Verhältnis des Vierfachen der durchströmten Fläche zu dembenetzten Umfang definiert (s. Gl. (5.36)). Im Fall der Feststoffschüttung muss dieseBeziehung sinngemäß durch Erweiterung mit der Schütthöhe modifiziert werden:

dh ≡ 4 · durchströmtes Volumen

benetzte Oberfläche= 4 · Vges − VPges

APges

. (8.6)

Hierin ist, neben dem bereits genannten freien Volumen Vges − VPges der Schicht,APges die gesamte Oberfläche aller Füllkörper der Schicht. Mit Vges =VPges/(1 − ε)aus Gl. (8.5) erhält man:

dh = 4ε

1 − ε

VPges

APges. (8.7)

Unter Verwendung von Gl. (8.3) für den charakteristischen Partikeldurchmesserergibt sich:

(8.8)

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254 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Abb. 8.5 Erläuterung der Geschwindigkeitsverteilung in Füllkörperschichten. a bei konstantemLückengrad und b bei örtlich veränderlichem Lückengrad mit einem Maximum nahe der Wand

Der hydraulische Durchmesser ist eine Funktion des Lückengrades ε und des Par-tikeldurchmessers dP. Der Lückengrad ε berücksichtigt das gesamte in der Schichtvorhandene Lückenvolumen. Der Partikeldurchmesser dP ist ein Maß für die über dieSchicht gemittelte Größe der einzelnen Poren, da die Poren zwischen benachbartenPartikeln um so größer sind, je größer der Partikeldurchmesser ist.

Die für monodisperse Schüttungen entwickelte Gl. (8.8) des hydraulischen Durch-messers lässt sich auch für polydisperse Systeme verwenden, wenn man den Partikel-durchmesser dP durch den für polydisperse Systeme geltenden Sauterdurchmesserd32 (Gl. (8.4)) ersetzt.

8.1.4 Geschwindigkeitsverteilung innerhalb einerFeststoffschüttung

Die Durchströmung von Schüttungen bzw. porösen Haufwerken tritt nicht allein inverfahrenstechnischen Prozessen auf, sondern stellt auch in vielen anderen techni-schen wie auch natürlichen Bereichen einen wiederkehrenden Grundvorgang dar.Beispielhaft sei hier das Eindringen von Regenwasser in den Boden oder dieGrundwasserströmung genannt.

Die ungleichförmige Verteilung des Lückengrades über dem Säulenquerschnittführt zu einer ungleichmäßigen Durchströmung der Feststoffschicht. Da der Lücken-grad in der Nähe der Behälterwand besonders groß ist, durchströmt in Wandnähe einhoher Anteil des gesamten Fluidstromes die Schicht. Man spricht in diesem Zusam-menhang von der Randgängigkeit oder Bypass einer Feststoffschüttung, die um soausgeprägter ist, je größer der örtliche Lückengrad in Wandnähe wird. Abbildung 8.5zeigt qualitativ die Geschwindigkeitsverteilung in einem durchströmten Haufwerk.Real ist die Geschwindigkeit direkt an der Behälterwand aufgrund der Haftbedingunggleich null (Abb. 8.5b). Mit zunehmendem Wandabstand steigt die Geschwindigkeit

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8.2 Druckverlust 255

zunächst sehr steil an, durchläuft ein örtliches Maximum und sinkt dann auf einenannähernd konstanten, vom Ortsradius also unabhängigen Wert ab. Für die Ge-schwindigkeitsverteilung ergeben sich demnach eine ausgeprägte Randzone und eineKernzone. Dieses Verhalten folgt unmittelbar aus dem ortsabhängigen Lückengrad(s. Abb. 8.2). (Eine umfangreiche Literaturübersicht gibt (Tsotsas 1990)).

Die theoretischen und experimentellen Möglichkeiten zur Bestimmung des Ge-schwindigkeitsprofils sind begrenzt. Analytische Vorausberechnungen sind nur fürgeordnete Schüttungen möglich und auch dann nur im Bereich der schleichendenStrömung. Eine aufwendige Berechnung wurde von (Sorensen und Stewart 1974)für eine monodisperse Kugelschüttung mit kubischer Packung durchgeführt. Mit-hilfe der numerischen Strömungssimulation werden allerdings in zunehmendemMaße Strömungsberechnungen erfolgreich durchgeführt. Im Fall der strukturier-ten Packungen bestehen aufgrund der festgelegten Geometrie kaum mehr Probleme,einphasige Strömungen zu berechnen. Im Fall der zufälligen Schüttungen ergibt sichdagegen das Problem, die Schüttungsgeometrie ausreichend exakt zu erfassen. Indiesem Bereich existiert eine Reihe aktueller Forschungsprojekte (s. z. B. Eppingeret al. 2011).

8.2 Druckverlust1

Die Geschichte der Erforschung des bei der Durchströmung von Festbetten auf-tretenden Druckverlusts ist mehr als 140 Jahre alt und umfasst Hunderte vonwissenschaftlichen Untersuchungen. Hieraus resultiert eine weitgehende Reife dermathematischen Beschreibung. Der Druckverlust in Schüttungen lässt sich in Analo-gie zur Durchströmung von Rohren oder Kanälen beschreiben, wenn die Struktur derporösen Schicht durch die Einführung des hydraulischen Durchmessers berücksich-tigt wird. Alternativ kann die Beschreibung auch durch die Betrachtung überströmterEinzelpartikeln erfolgen. Gebräuchlicher ist die Analogie zur Rohr- bzw. Kanalströ-mung, die deshalb hier dargestellt wird. Für den Druckverlust gilt dann analog zuGl. (5.32):

Δp = ζ ′ ρ2

w 2H

dh. (8.9)

Dabei wurde vereinfachend die tatsächliche Kanallänge L mit der Höhe H derSchicht gleichgesetzt. Der dazwischen liegende Faktor wird vereinfachend demWiderstandsbeiwert zugeschlagen.

Als charakteristische Geschwindigkeit wird die mittlere effektive Fluidgeschwin-digkeit w in den Kanälen durch die sogenannte Leerrohrgeschwindigkeit v ≡ V/AS,die sich für den betreffenden Fluidvolumenstrom in der leeren Säule AS ergebenwürde, ersetzt:

w = v

ε. (8.10)

1 Speziell hierzu s. Wirth 2002.

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256 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Die Ortsabhängigkeit der Strömungsgeschwindigkeit wird demzufolge in seinenAuswirkungen auf den Druckverlust nicht berücksichtigt. Wird zusätzlich der hy-draulische Durchmesser gemäß Gl. (8.8) in Gl. (8.9) eingesetzt, so ergibt sich fürden auf die Schichthöhe bezogenen Druckverlust:

Δp

H= 3

4ζ ′ 1 − ε

ε3

ρv2

d32. (8.11)

Da der konstante Faktor 3/4 für den Widerstandsbeiwert bedeutungslos ist, ergibtsich der Widerstandsbeiwert ζ als:

ζ = ε3

1 − ε

Δp

ρv2

d32

H. (8.12)

Der Widerstandsbeiwert hängt von der Reynoldszahl der Durchströmung ab. Inder Definitionsgleichung für Re werden demzufolge die mittlere Geschwindigkeitw und der hydraulische Durchmesser dh verwendet, die für das Innere der Schüttungcharakteristisch sind:

Redh ≡ wdhν

= v · d32

ν

2

3

1

1 − ε. (8.13)

Streicht man den Faktor 2/3, so ergibt sich als charakteristische Reynoldszahl für dieStrömung in Festbetten:

Re = v · d32

ν

1

1 − ε. (8.14)

Der Zusammenhang zwischen dem Widerstandsbeiwert und der Reynoldszahl, derauch als Widerstandsgesetz bezeichnet wird, ist von der Geometrie der Feststoffpar-tikeln sowie ihrer Größenverteilung abhängig. So gilt für eine regellose Schüttungvon Kugeln gleicher Größe (dP = d32) die empirische Gleichung (Brauer 1960):

ζ = 160

Re+ 3,1

Re0,1 , (8.15)

die in Abb. 8.6 dargestellt ist.Für Schichten aus Granulaten gilt das von (Ergun2 1952) aufgestellte empirische

Widerstandsgesetz:

ζ = 150

Re+ 1,75. (8.16)

Der erste Summand in beiden Gleichungen ist bestimmend für den Widerstandsbei-wert der laminaren Strömung und erfasst die Reibungsverluste, während der zweite

2 Sabri Ergun 1918–2006, geboren in der Türkei, studierte Chemical Engineering an der ColumbiaUniversity und promovierte an der Technischen Universität in Wien. Danach lebte er in den USA undforschte an verschiedenen Einrichtungen im Bereich der Festkörperphysik und Brennstoffforschung.

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8.2 Druckverlust 257

Abb. 8.6 Widerstandsgesetz für Schichten aus Kugeln (Brauer 1971) bzw. Granulaten (Ergun 1952)

Summand für die turbulente Durchströmung gilt. Bei der laminaren Strömung istder erste Summand in beiden Gleichungen deutlich größer als derjenige der lami-naren Rohrströmung (64/Re). Die erhöhten Werte können als eine Korrektur für dieVerlängerung des effektiven Strömungswegs im Vergleich zur Höhe der SchüttungH interpretiert werden.

Bei unterschiedlichen Reynoldszahlen setzt sich der Druckverlust aus folgen-den Komponenten zusammen: Bis Re = 2 ist nur die Reibung durch streng laminareUmströmung der Partikeln wirksam. Für 2 < Re < 104 treten örtlich turbulenzarti-ge Strömungen auf, und es wirkt zunehmend der Carnotsche Stoßverlust3 infolgeder zahlreichen relativ schroffen Änderungen des Strömungsquerschnitts innerhalbder Kanäle. Ab Re = 104 ist nahezu nur noch der Carnotsche Stoßverlust für denDruckverlust von Bedeutung.

Neben den beiden angegebenen gibt es noch eine Reihe weiterer Widerstands-gesetze für unterschiedliche Partikelformen (s. z. B. Brauer 1971; Reichelt 1972;Achenbach 1982). Insbesondere für die verschiedenen Füllkörper ist auf der Basisexperimenteller Ergebnisse eine große Zahl unterschiedlicher Gleichungen aufge-stellt worden, die sich in ihrer Struktur allerdings nur unwesentlich von den obigenGln. (8.15) und (8.16) unterscheiden. Einen Überblick vermittelt Abb. 8.7, in derWiderstandsbeiwerte für unterschiedliche Füllkörper dargestellt sind.

Aus der Gl. (8.12) wird der starke Einfluss der Porosität deutlich. Für Füllkörperwerden deshalb hohe Porositäten bei gleichzeitig großer spezifischer Oberfläche

3 Der Carnotsche Stoßverlust entsteht bei der unstetigen Erweiterung eines Strömungsquerschnitts.Infolge starker Wirbelbildung in der Strömung hinter der Erweiterung kommt es zu Druckverlusten.

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258 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Abb. 8.7 Widerstandsbeiwert ζ als Funktion der Reynoldszahl, gültig für verschiedene Formen.(Nach Mackowiak 1991)

angestrebt (s. Tab. 8.1), um den Druckverlust möglichst gering zu halten. Wei-terhin ist für die gleichmäßige Durchströmung des gesamten Apparatequerschnittsauf die sorgfältige Befüllung und damit einheitliche Verteilung des Feststoffs zuachten. Andernfalls treten Bypassströmungen auf (s. z. B. Abb. 8.5b wandnaher Be-reich), die beispielsweise in Festbettreaktoren die Reaktorproduktivität nachhaltigbeeinträchtigen können.

Die Gln. (8.15) und (8.16) gelten lediglich für Festbetten aus monodispersenTeilchen. Da die Porosität polydisperser Schüttungen kleiner als diejenige monodi-sperser Systeme ist, ergeben sich erhöhte Druckverluste. Nach (Jeschar 1964) könnendie Widerstandsbeiwerte polydisperser Schüttungen mit einem Korrekturfaktor ausdenjenigen entsprechender monodisperser Schüttungen berechnet werden:

ζpolydisp = ζmonodisp

(

εmonodisp

εpolydisp

)0,75

. (8.17)

Der Unterschied wird allerdings erst bei breiten Größenverteilungen signifikant.

8.3 Wärme- und Stoffübergang

Die Wärme- und Stoffübertragung zwischen einem Fluid und den Partikeln einerFeststoffschüttung spielt bei der Auslegung von Regeneratoren, bei Trocknungs-prozessen, in Festbettreaktoren und anderen Reaktionsapparaten eine maßgebliche

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8.3 Wärme- und Stoffübergang 259

Rolle. In den ersten Reihen der Packung wachsen die Übergangskoeffizienten α undβ rasch an und erreichen dann feste Endwerte (Gillespie et al. 1968). Die Endwertesind infolge der häufigen Umlenkungen und Verwirbelungen der Strömung in einerSchüttung deutlich größer als die einer umströmten Einzelkugel.

Es gibt zwei Methoden, den Wärme- oder Stoffübergang an Partikeln in einerSchüttung zu berechnen. Die erste Methode orientiert sich an der Einzelkugel und diezweite am Rohr. Da Wärme- und Stofftransport analog zueinander ablaufen, lassensich beide Analogien sowohl zur Berechnung von β als auch von α heranziehen.

Bei praktischen Problemen empfiehlt es sich, Berechnungen nach beiden Metho-den durchzuführen. Dabei dürften durchaus Unterschiede von 20 % und mehr inmanchen Sonderfällen auftreten. Anzumerken ist noch, dass der Stoffübergang insehr fein dispersen Systemen erheblich schlechter als hier angegeben ist (Schlün-der 1977). Die beiden Methoden werden im Folgenden am Beispiel einerseits desWärme- und andererseits des Stoffübergangs erläutert.

8.3.1 Wärmeübergang in Analogie zur Einzelkugel4

Der Wärme- und Stoffübergang an einer Einzelkugel (s. Abschn. 7.4) ist gut unter-sucht worden, weshalb zu dieser Geometrie folgende empirische Gleichungen zurBestimmung der mittleren Nusseltzahl vorliegen:

NuK = 2 + (Nu2Klam

+ Nu2Kturb

)1/2(8.18)

Im Einzelnen gilt für die mittlere Nusseltzahl der laminaren Strömung

NuKlam = 0,664 Re1/2 Pr1/3 (8.19)

bzw. für diejenige der turbulenten Strömung (analog zu Gl. (7.56)):

NuKturb = 0,037 Re0,8Pr

1 + 2,443 Re−0,1(Pr2/3 − 1). (8.20)

Darin ist die mittlere Nusseltzahl, der mittlere dimensionslose Wärmeübergangsko-effizient, wie folgt definiert:

NuK ≡ αdK

�. (8.21)

α bezeichnet den mittleren Wärmeübergangskoeffizienten und λ die Wärmeleitfä-higkeit des umströmenden Fluids (s. Abschn. 1.3). Zur Berechnung der mittlerenNusseltzahl mit den Gl. (8.18) bis (8.20) werden die Reynoldszahl der Einzelkugelund die Prandtlzahl benötigt, die folgendermaßen definiert sind:

Pr ≡ ν

a, (8.22)

4 Speziell hierzu s. Gnielinski 2002.

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260 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Tab. 8.2 Werte des Anordnungsfaktors fε für verschiedene Partikeln

Partikel fε überprüft für

Zylinder, Länge L, Durchmesser d 1,6 0,24 < L/d < 1,2, 0,6 ≤ Pr bzw. Sc ≤ 1300Würfel 1,6 Pr = 0,7Raschigringe 2,1 Sc = 0,6 sowie Sc = 2,5Berlsättel 2,3 Sc = 0,6 sowie Sc = 2,5

Re ≡ wdKν. (8.23)

Die Gleichungen gelten im Bereich 0,7 < Pr < 600 und 1 ≤ Re ≤ 106.

In dieser Herleitung unterstellt Gl. (8.19) die völlige Übereinstimmung derNusseltzahl bei laminarer Umströmung NuKlam mit der Sherwoodzahl bei der Rohr-strömung (Gl. (5.59)) sowie der Plattenströmung (Gl. (6.25b).

Der Endwert der mittleren Nusseltzahl Nu in einer Kugelschüttung und diemittlere Nusseltzahl NuK der umströmten Einzelkugel stehen, wie Versuche zeig-ten, in einem bestimmten nur vom Lückengrad abhängigen Verhältnis zueinander(Gnielinski 1975, 1978). Es ist

Nu = fε NuK , (8.24)

worin fε ein nur vom Lückengrad abhängiger Anordnungsfaktor ist. In den Rech-nungen für eine durchströmte Schüttung ist die Reynoldszahl mit der effektivenmittleren Geschwindigkeit w = v/ε und, bei polydispersen Systemen, mit demSauterdurchmesser d32 zu bilden.

Der Faktor fε lässt sich im Bereich 0,26 < ε < 1 aus dem einfachen Ansatz(Gnielinski 1975, 1978)

fε = 1 + 1,5(1 − ε) (8.25)

mit ausreichender Genauigkeit berechnen. Die regellose monodisperse Kugel-schüttung stellt den Prototyp eines Haufwerks dar. Gleichung (8.24) gilt auchfür Schüttungen aus nichtkugelförmigen Partikeln. Einige Anhaltswerte für denAnordnungsfaktor fε enthält die Tab. 8.2. Die Werte gelten im Bereich 102 < Re < 104.

Den bei der Durchströmung der Schüttung übertragenen Wärmestrom berechnetman in bekannter Weise aus

Q = αAPges �ϑlog (8.26)

mit der mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz

Δϑlog = (ϑw,ein − ϑein) − (ϑw,aus − ϑaus)

lnϑw,ein − ϑein

ϑw,aus − ϑaus

, (8.27)

Page 15: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.3 Wärme- und Stoffübergang 261

wenn ϑein, ϑw, ein die Eintritts-, ϑaus, ϑw, aus die Austrittstemperatur des Fluids bzw.die Oberflächentemperatur der Partikel ist. Die Stoffwerte zur Berechnung von Nu,Re und Pr sind bei der mittleren Temperatur des Fluids einzusetzen.

Gleichungen (8.18) bis (8.20) und (8.24) lassen analog auch zur Berechnung desmittleren Stoffübergangskoeffizienten β einer durchströmten Schüttung heranziehen.Die Nusseltzahl Nu ist dann durch die Sherwoodzahl zu ersetzen

Sh = βdK

DAB(8.28)

und die Prandtlzahl durch die Schmidtzahl:

Sc = ν

DAB. (8.29)

Der übergehende Stoffstrom berechnet sich dann analog zu den Gln. (8.26) und(8.27) folgendermaßen:

N = βmA(cAw, ein − cAein ) − (cAw, aus − cAaus )

lncAw, ein − cAein

cAw, aus − cAaus

. (8.30)

8.3.2 Stoffübergang in Analogie zum durchströmten Rohr

Die vereinfachende physikalische Betrachtungsweise, eine Feststoffschüttung inAnalogie zur Durchströmung von Rohren oder Kanälen zu beschreiben, lässt sichebenfalls für den Wärme- und Stoffübergang nutzen (Krischer und Kast 1992). DasVorgehen wird hier anhand des Stoffübergangs dargestellt. Die Schüttung wird alsein System paralleler Kanäle mit einem äquivalenten mittleren Kanaldurchmesserd∗ entsprechend

d∗ =(

16 ε3

9π (1 − ε)2

)1/3

dP (8.31)

betrachtet. Bei der Modellbildung wurde von einer regelmäßigen, kubischen Kugel-packung ausgegangen. Der Durchmesser d∗ ist so definiert, dass das Ersatzsystemund das Partikelsystem dasselbe Lückenvolumen ε und dieselbe volumenbezogeneOberfläche a besitzen. Für eine kubische Kugelpackung entspricht d∗ daher demhydraulischen Durchmesser dh. Das Modell kann aber auch bei unregelmäßigenSchüttungen genutzt werden (Krischer und Kast 1992).

Die Stoffübergangsbeziehungen der Rohrströmung können für Schüttungenverwendet werden, wenn die Kennzahlen mit dem äquivalenten mittleren Kanal-durchmesser d∗ gebildet werden:

Shd∗ ≡ βd∗

DAB, (8.32)

Page 16: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

262 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Red∗ ≡ vd∗

ν · ε , (8.33)

und

Ped∗ ≡ vd∗

DABε. (8.34)

Es konnte gezeigt werden (Krischer und Kast 1992), dass sich die Gleichungen fürdie Stoffübertragung bei der Rohrströmung (Rohrlänge z = L) für die laminare An-laufströmung, für die ausgebildete Laminarströmung mit Konzentrationsanlauf undfür die vollständig ausgebildete Laminarströmung auf Partikelsysteme anwendenlassen, wenn zu dem für das Partikelsystem gegebenen Verhältnis d∗/dP ein entspre-chendes Längenverhältnis (d/L)R der Rohrströmung bekannt ist. Die entsprechendenSherwood-Gleichungen wurden bereits in Kap. 5 angegeben:

Laminare Anlaufströmung:

Shd∗ = 0,664

Red∗d

LSc1/3. (5.59)

Laminarströmung mit Konzentrationsanlauf:

Shd∗ = 1,61

(

Red∗ · Sc · dL

)1/3

. (5.60)

Vollständig ausgebildete Laminarströmung:

Shd∗ = 3,66. (5.61)

Alternativ für den gesamten Bereich der laminaren Rohrströmung (Brauer 1985):

Shd∗ = 3,66 +0,188

(

Red∗Scd

z

)0,80

1 + 0,117

(

Red∗Scd

z

)0,467 . (5.63)

In Abb. 8.8 ist ein Diagramm für die Parameterzuordnung (d/L)R als Funktion von(d∗/dP) dargestellt, welches auf der Basis zahlreicher Versuche aus dem Gebiet derTrocknungstechnik erstellt wurde. Ist das relative Lückenvolumen ε eines Hauf-werks bekannt, kann das Verhältnis d∗/dP gemäß Gl. (8.31) berechnet werden. Dannergibt sich aus Abb. 8.8 das Verhältnis (d/L)R der Rohrströmung, welches bei denGleichungen für die Stoffübertragung einzusetzen ist. Aufgetragen ist das VerhältnisRohrdurchmesser zu -länge (d/L)R inAbhängigkeit vomVerhältnis äquivalenter mitt-lerer Kanaldurchmesser zu Partikeldurchmesser d∗/dP. Die Länge L, die sich nachAbb. 8.8 als äquivalente Rohrlänge ergibt, ist eine charakteristische Überströmlängeund entspricht nicht der Höhe der Schüttung.

Als treibende Konzentrationsdifferenz ist die mittlere logarithmische analog zuGl. (8.27) einzusetzen.

Page 17: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.4 Modellierung von Austauschvorgängen in Festbetten 263

Abb. 8.8 Parameter-zuordnungs-Diagramm.(Nach Krischer undKast 1992)

Die Rohranalogie kann ebenfalls zur Berechnung des Wärmeübergangs in einerSchüttung genutzt werden. Die Gleichungen (5.59) (5.60) und (5.61) gelten auch fürdie Berechnung der mittleren Nusseltzahl, wenn statt der Schmidtzahl die Prandtlzahleingesetzt wird. Diese muss analog zu Gl. (8.32) folgendermaßen gebildet werden.

Nud∗ = αd∗

�. (8.35)

8.4 Modellierung von Austauschvorgängen in Festbetten

8.4.1 Berechnung des Konzentrationsverlaufs

Festbetten werden überwiegend für Prozesse eingesetzt, in denen Energie- oder Stof-faustauschvorgänge eine entscheidende Rolle spielen. Dabei können parallel auchchemische Reaktionen auftreten, die überwiegend an katalytisch wirkenden Parti-keloberflächen stattfinden. Um denWärme- und/oder Stofftransport in durchströmtenFestbetten zu beschreiben, wird gewöhnlich ein sogenanntes homogenes Modell ver-wendet. Dabei wird das zweiphasige Fluid/Feststoff-System als eine kontinuierlichePhase betrachtet (Einphasenmodell). Die Ableitung der Stoffbilanz wird für ein dif-ferenzielles Volumenelement vorgenommen (s. Abb. 8.9). Es werden zylindrischeKoordinaten benutzt und Winkelunabhängigkeit vorausgesetzt. Diese Geometrie be-zieht sich auf die für die Praxis wichtigste Bauform von Festbettsystemen, nämlichdas Schüttungsrohr. Die Massenbilanz an einem differenziellen Kreisringelement füreine Komponente A in einem Mehrkomponentensystem bei heterogener chemischerReaktion 1. Ordnung an der Partikeloberfläche lautet:

ε∂cA

∂t= −1

r

∂(rnr )

∂r− ∂nz

∂z− v

∂cA

∂z− kAw1 acA. (8.36)

Page 18: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

264 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Abb. 8.9 Homogenes Modell zur Ableitung der Stoffbilanz der Komponente A eines Gemischesan einem differenziellen Element eines Schüttungsrohres

Dabei ist v die Leerrohrgeschwindigkeit und cA die Konzentration der betrachtetenKomponente A in der fluiden Phase, die durch eine heterogen katalysierte Reaktionverbraucht wird. kAw1 ist die spezifische Geschwindigkeitskonstante der heterogenenReaktion für die Komponente A und a die volumenspezifische Katalysatoroberflä-che. Hierbei wird vereinfachend angenommen, dass der Transport von A an dieKatalysatoroberfläche wesentlich schneller als der Verbrauch durch die chemischeReaktion verläuft (Reaktionslimitierung). Die Konzentration von A an der Kataly-satoroberfläche cAw ist demzufolge gleich der Konzentration cA in dem strömendenFluid.

Für den Stofftransport in radialer und in axialer Richtung sind Dispersionseffektewesentlich. In radialer Richtung ist dies der dominante Transportmechanismus. Inaxialer Richtung tritt noch die Konvektion hinzu, die je nach Durchströmungsge-schwindigkeit stärker oder schwächer als die Dispersion sein kann. Für den durchDispersion transportierten Stofffluss gilt in radialer Richtung

nr = −Dr

∂cA

∂r(8.37)

und in axialer Richtung:

nz = −Dax

∂cA

∂z. (8.38)

Die darin auftretenden Transportkoeffizienten Dr und Dax werden als Dispersionsko-effizienten (s. Abschn. 4.2.2) bezeichnet. Durch diese Koeffizienten wird der Einflussder ungleichmäßigen Durchströmung erfasst. Der mathematische Ansatz ist analog

Page 19: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.4 Modellierung von Austauschvorgängen in Festbetten 265

zum Fickschen Gesetz. Auf die Ermittlung der Dispersionskoeffizienten wird imfolgenden Abschn. 8.4.2 eingegangen.

Durch Einfügen der Gln. (8.37) und (8.38) in die Bilanzgleichungen ergibt sich

ε∂cA

∂t= Dr

(

1

r

∂cA

∂r+ ∂2cA

∂r2

)

+Dax

∂2cA

∂z2− v

∂cA

∂z− kAw1 a cA (8.39)

für den Stofftransport. Im stationären Fall folgt:

Dr

(

1

r

∂cA

∂r+ ∂2cA

∂r2

)

+Dax

∂2cA

∂z2= v

∂cA

∂z+ kAw1 a cA. (8.40)

Die Gl. (8.40) lässt sich unter Umständen weiter vereinfachen. Es wird zwischenzwei Fällen unterschieden:

• Vernachlässigung der axialen Dispersion (Dax = 0). Es folgt für den Stofftransport:

Dr

(

1

r

∂cA

∂r+ ∂2cA

∂r2

)

= v∂cA

∂z+ kAw1 a cA. (8.41)

• Wegfall der radialen Dispersion bei eindimensionalen Vorgängen. Das Problemlässt sich anhand von gewöhnlichen Differenzialgleichungen formulieren. Es gilt:

Dax

d2cA

dz2= v

dcA

dz+ kAw1 a cA. (8.42)

Die Leerrohrgeschwindigkeit v wird in der Regel als konstant über dem Radius rangesehen. Die Randbedingungen ergeben sich wie folgt (Abb. 8.10):

1. R.B.: Für r = R (an der Wand) und 0 ≤ z ≤ H gilt:

∂cA

∂r= 0, (8.43)

es findet also kein Stofftransport durch die Rohrwand statt.Die Randbedingungen am Ein- und Austritt lassen sich anhand einer Mas-senbilanz, wie in Abb. 8.10 illustriert, ableiten. Lässt man das betrachteteBilanzvolumen mittels �z → 0 ebenfalls gegen null gehen, so ergeben dieRandbedingungen für z = 0 bzw. z = H.

2. R.B.: Für z = 0 (am Eintritt) und 0 ≤ r ≤ R gilt:

v(cA, ein − cA) = −Dax

∂cA

∂z. (8.44)

Am Eintritt findet also ein Konzentrationssprung statt, der durch die Dispersionhervorgerufen wird.

Page 20: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

266 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Abb. 8.10 Erläuterung der Randbedingungen bei der Berechnung der Konzentrationsverläufe mitdem homogenen Modell

3. R.B.: Für z = H (am Austritt) und 0 ≤ r ≤ R gilt:

∂cA

∂z= 0. (8.45)

An der oberen Grenze der Schüttung verschwindet Dispersion demzufolge.

Bei instationären Vorgängen muss zusätzlich das Konzentrationsprofil bei t = 0vorgegeben werden (Anfangsbedingung).

Gleichung (8.42) kann mit der Einführung der dimensionslosen KonzentrationξA = cA/cA,ein und der dimensionslosen Länge z∗ = z/H als

d2ξA

dz∗2− Bo

dξA

dz∗ −Daw ξA = 0 (8.46)

geschrieben werden. Darin ist neben der Bodensteinzahl Bo

Bo ≡ v ·HDax

(8.47)

die Damköhlerzahl Daw enthalten, die bei dem heterogenen Reaktionsansatz als

Daw ≡ kAw1 · a ·H 2

Dax

(8.48)

definiert ist.

Page 21: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.4 Modellierung von Austauschvorgängen in Festbetten 267

Abb. 8.11 Nach Gl. (8.49) berechnete Konzentrationsverläufe im Festbettreaktor in Abhängigkeitvon der dimensionslosen Lauflänge

Unter Einbeziehung der Randbedingungen gemäß Gln. (8.44) und (8.45) ergibtsich folgende Lösung für den Konzentrationsverlauf innerhalb des katalytischenFestbetts

ξA = c1exp

(

Bo

2(1 + q) · z∗

)

+ c2 exp

(

Bo

2(1 − q) · z∗

)

(8.49)

mit:

q =√

1 + 4 Daw

Bo2, (8.50)

c1 = −2(1 − q)

exp (Bo q) (1 + q)2 − (1 − q)2 , (8.51)

c2 = 2(1 + q)

(1 + q)2 − exp (−Bo q) (1 − q)2 . (8.52)

InAbb. 8.11 sind dieVerläufe der dimensionslosen Konzentration ξA über der dimen-sionslosen Lauflänge z∗ dargestellt. Als Scharparameter dient die Bodensteinzahl Bo.Die Werte der Leerrohrgeschwindigkeit v, der ReaktionsgeschwindigkeitskonstantekAw1 und der Reaktorlänge H wurden konstant gehalten. Man erhält mit Bo → ∞den Grenzfall der Kolbenströmung, der zur niedrigsten Austrittskonzentration führtund mit Bo → 0 den Grenzfall der idealen Durchmischung. Die Ergebnisse verdeut-lichen, dass die axiale Dispersion i. Allg. die chemische Umsetzung reduziert, dasich die Austrittskonzentration mit kleiner werdender Bodensteinzahl erhöht und derUmsatz demzufolge abnimmt.

Page 22: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

268 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Abb. 8.12 Axiale Pecletzahl in Festbetten für Flüssigkeiten und Gase; Vergleich experimentellerErgebnisse (Edwards und Richardson 1968) mit Berechnungsgleichungen

8.4.2 Dispersionskoeffizienten in Feststoffschüttungen

Für die Berechnung des Stofftransports mittels der beschreibenden Differenzialglei-chungen werden radiale und axiale Dispersionskoeffizienten benötigt. Zur Messungder axialen Dispersionskoeffizienten existieren unterschiedliche Methoden. Einehäufig verwendete Technik besteht in der Ausführung eines Tracerexperimentes. AmEingang in das Festbett wird die Markierung in Form eines Puls-, Schritt- oder peri-odischen Signals aufgegeben, wie dies zur Bestimmung einer Verweilzeitverteilung(s. Abschn. 4.3) üblich ist. An einem Querschnitt stromabwärts wird die Konzentrati-on der Tracer-Substanz als Funktion der Zeit aufgenommen. Die resultierende Kurvestellt dieAntwort des Systems auf die eingeführte Störung dar und wird alsAusgangs-signal, Output oder Response bezeichnet. Aus dem Vergleich des Ausgangssignalsmit der analytischen Lösung von Gl. (8.39) wird der gesuchte Dispersionskoeffizi-ent Dax ermittelt. Durch die enorme Weiterentwicklung der Numerik ist es ebenfallsmöglich solche Tracerexperimente mittels Computational Fluid Dynamics zu simu-lieren, um daraus Informationen über die Dispersion zu erhalten (z. B. Freund 2008).So wird derAufwand für die Ermittlung undValidierung von Korrelationen erheblichreduziert.

Axiale Dispersion Im Bereich kleiner Reynoldszahlen besteht ein linearer Zusam-menhang zwischen der axialen Pecletzahl

Peax = v dP

εDax

(8.53)

und der Reynoldszahl Re:

Re = v dP

ν. (8.54)

Demzufolge sind die Dispersionskoeffizienten unabhängig von der Durchströmungs-geschwindigkeit, wie Abb. 8.12 und Abb. 8.13 verdeutlichen. Interessanterweise ist

Page 23: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.4 Modellierung von Austauschvorgängen in Festbetten 269

Abb. 8.13 AxialerDispersionskoeffizient inFestbetten. (Edwards undRichardson 1968; Freund2008)

der Wert des axialen Dispersionskoeffizienten in Feststoffschüttungen für geringeReynoldszahlen sogar kleiner als der Diffusionskoeffizient DAB, wie dies Abb. 8.13zeigt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Feststoffmatrix die molekulare Dif-fusion behindert. Der minimale Dispersionskoeffizient wird auch als effektiverDispersionskoeffizient Deff bezeichnet. Das Verhältnis des effektiven Dispersions-koeffizienten zum Diffusionskoeffizienten drückt die Tortuosität τ aus, die quasi einMaß für die Verwundenheit des Weges durch die Schüttung ist:

1

τ≡ Deff

DAB. (8.55)

Im Bereich großer Reynoldszahlen werden die Dispersionskoeffizienten direkt pro-portional zur Strömungsgeschwindigkeit. Die Pecletzahlen sind daher unabhängigvon der Reynoldszahl.

Im Fall der axialen Dispersion basiert eine Abschätzung für Peax auf folgenderÜberlegung: Betrachtet man die Freiräume in einem Festbett als ideale Rührkesselsowie die Anzahl der Freiräume als annähernd gleich

n ≈ H

dP

und verwendet die Beziehung n = Bo/2 = w H/(2 Dax) gemäß Gl. (4.40), dannresultiert hieraus für den axialen Dispersionskoeffizienten:

(8.56)

Ab welcher Reynoldszahl die Pecletzahl konstant wird, ist abhängig von der Schmidt-zahl des strömenden Fluids. Im Gegensatz zu Flüssigkeiten gilt Gleichung (8.56) wiein Abb. 8.12 zu sehen bei Gasen erst bei höheren Reynoldszahlen (ca. Re > 10).

Page 24: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

270 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Im Übergangsgebiet kann folgende Gleichung verwendet werden (Bischoff 1969;Edwards und Richardson 1968):

1

Peax= 0,73 · εRe · Sc + 0,45

1 + 7,3 ε

Re · Sc. (8.57)

Diese Beziehung wurde für Luftströmungen mit Sc = 0,72 und 1 < Re < 50 inverschiedenen regellosen Schüttungen ermittelt.

Die Ergebnisse für den axialen Dispersionskoeffizienten nach Gl. (8.57) stimmensehr gut mit denen einer Gleichung überein, die für regellose Kugelschüttungenmittels Particle Tracking CFD Studien ermittelt wurde (Freund 2008):

Dax

DAB= 0,69 + 0,005 · (Re · Sc) + 0,177 · (Re · Sc) · ln (Re · Sc). (8.58)

Die Bereiche, in denen experimentell ermittelte Werte von Peax-Zahlen für Gase undFlüssigkeiten liegen, verdeutlicht Abb. 8.12. Dazu sind auch die nach Gl. (8.57) be-rechneten Peax-Zahlen in einer regellosen Kugelschüttung (ε = 0.4) für Sc = 1 undSc = 1000 eingetragen. Aus der Größenordnung der Pecletzahlen wird deutlich,dass die axiale Dispersion in Festbetten relativ gering ist. Für eine Schüttung mitH/dp > 100 ergibt sich zum Beispiel annähernd das Vermischungsverhalten einesidealen Strömungsrohres.

Radiale Dispersion Radiale Dispersionskoeffizienten sind im Festbett etwa um denFaktor 6 höher als axiale. Dies lässt sich anhand theoretischer Betrachtungen eben-falls ableiten (s. z. B. Levenspiel und Bischoff 1963). Folglich bilden sich nur geringeKonzentrationsunterschiede über den Radius aus, sodass die radiale Vermischung inden meisten Fällen nur eine untergeordnete Problematik darstellt.

Zur Berechnung radialer Dispersionskoeffizienten können die Gl. (8.59) nach(Edwards und Richardson 1968) oder (8.60) nach (Freund 2008) genutzt werden:

1

Per= 0,73 · εRe · Sc + 0,1, (8.59)

Dr

DAB= 0,69 + 0,1 · (Re · Sc)0,85. (8.60)

8.5 Verständnisfragen

1. WelchesVerhältnis kennzeichnet die volumenspezifische Oberfläche? In welcherGrößenordnung bewegen sich übliche Werte von a?

2. Wie ist der Lückengrad definiert? Wie groß sind übliche Werte von ε?3. Wie ist der Sauterdurchmesser definiert?4. Welchen Effekt kennzeichnet die sogenannte Randgängigkeit?5. Wovon hängt das Verhältnis hydraulischer zu Partikeldurchmesser ab?

Page 25: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

8.6 Aufgaben 271

6. Welche Analogie wird bei der Herleitung des Druckverlustes in Feststoffschüt-tungen genutzt?

7. Skizzieren Sie den Zusammenhang zwischen dem Widerstandsbeiwert ζ undder Reynoldszahl. Erläutern Sie die verschiedenen Bereiche. Nennen Siebeschreibende Gleichungen.

8. Wie lässt sich der Stoffübergang in Feststoffschüttungen in Analogie zurRohrströmung beschreiben?

9. Durch welche mathematischen Ansätze wird die ungleichmäßige Durchströ-mung von Feststoffschichten in der Massenbilanz erfasst?

10. Welche Randbedingungen gelten für die Bestimmung der Konzentrationsver-läufe in Festbettschüttungen?

11. Wie sind die Bodensteinzahl und die Damköhlerzahl definiert?12. Skizzieren Sie qualitativ den Konzentrationsverlauf einer durch heterogene che-

mische Reaktion in einem Festbettreaktor verbrauchten Komponente über dieReaktorlänge für unterschiedliche Werte des axialen Dispersionskoeffizienten.

8.6 Aufgaben

1. Eine metallische 50 mm Pallringschüttung besitze die SchüttungsdichteN = 6690 l/m3 (Anzahl der Füllkörper pro Volumen)5.Für diese Schüttung sind die geometrische Füllkörperoberfläche a und derLückengrad ε zu bestimmen.Folgende Standardwerte gelten nach Herstellerangaben:

N0 = 6100 l/m3

a0 = 110 m2/m3

ε0 = 0,952 m3/m3

2. Eine Säule von 0,1 m2 Querschnitt und 2 m Länge ist mit 2 mm Kugeln gefüllt.Eine Kunststofflösung fließt unter einer Druckdifferenz von 1,1 × 106 kg/(ms2)mit einem Massenstrom von 120 kg/min durch das Haufwerk. Die Lösung besitzteine Zähigkeit von η = 56,5 m Pas bei einer Dichte von ρ = 1290 kg/m3.

a. Wie groß ist die Porosität der Kugelschüttung?b. Welcher Druckverlust ergibt sich bei einer Halbierung bzw. Verdoppelung des

Volumenstroms?

3. In einem Laborversuch wurde eine Mehrkornschüttung von 1 m Höheaus kugelförmigen Füllkörpern (dP1 = 9,9 mm; dP2 = 19,9 mm; dP3 = 33,6 mm;dP4 = 80,4 mm; ρ1-4 = 2,3 × 103 kg/m3) in eine Säule von D = 500 mm Durch-messer eingebracht. Die Masse der vier Kugelfraktionen wurde zu

m1 = 75,7 kg; m2 = 81,9 kg; m3 = 75,7 kg; m4 = 81,9 kg

5 nach (Mackowiak 1991).

Page 26: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

272 8 Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

ermittelt. Die Schüttung wird mit Luft von 20 ◦C (ρ = 1,2045 kg/m3, ν = 15,11 ×10−6 m2/s) und einer Geschwindigkeit von w = 0,55 m/s (bezogen auf die Flächeder Säule) durchströmt.Wie groß sind das Lückenvolumen εm, der Sauterdurchmesser d32 und derDruckverlust der Schüttung?

Hinweis:

Für die Berechnung des Widerstandsbeiwerts der Schüttung muss das polydisper-seVerhalten berücksichtigt werden. Hierzu ist der für monodisperse kugelförmigePartikeln berechnete Widerstandsbeiwert noch mit dem Faktor (ε/εm)0,75 zu mul-tiplizieren, mit: ε = 0,375 + 0,34 dP/D, wobei für dP der Durchmesser der kleinstenFraktion anzusetzen ist.

4. Eine bestehende Feststoffschüttung (Höhe: 15 m, Durchmesser D = 1,5 m) sollbezüglich ihrer Gasreinigungskapazität erhöht werden. Derzeit werden kerami-sche Kugeln mit d = 35 mm als Füllkörper eingesetzt. Der Gasvolumenstrombeträgt 3400 m3/h, (ρg = 1,35 kg/m3, ηg = 17,5 × 10−6 Pa s, DAB = 10−5 m2/s).Die Reinigung läuft bei T = 293 K und p = 101,3 kPa ab.Die Ein- und Ausgangskonzentrationen cA ein und cA aus des Gases sind nichtbekannt, sollen aber durch die Modifikation nicht verändert werden.

a. Um welchen Faktor lässt sich der volumenbezogene Stoffdurchgangskoeffi-zient β ·A durch

i. keramische Raschig-Ringe (35 mm)ii. keramische Pall-Ringe (35 mm)

im Vergleich zu den Kugeln verbessern?

b. Wie stark ändert sich der Druckverlust?c. Welche der betrachteten Füllkörper sind für diesen Anwendungsfall die

geeignetsten?

5. Aus einem Wassermassenstrom (νf = 10−6 m2/s) von 1 m3/h sollen Ca2 + Ionen(DCa2+/H2O = 10−9m2/s) entfernt werden.6 Die Konzentration soll von einemAusgangswert von 500 mg/L auf eine Endkonzentration von 10 mg/L reduziertwerden. Dieser Prozess wird in einer Ionenaustauschersäule durchgeführt, diemit annähernd kugelförmigen Partikeln (dP = 2 mm, ε = 0,4) gefüllt ist. DieCa2 + -Konzentration in Wasser, die sich im Gleichgewicht mit der Ionenaustau-scheroberfläche ergibt, ist annähernd gleich null. Der geschwindigkeitsbestim-mende Schritt des Austauschvorgangs ist der Stofftransport aus der Flüssigkeitan die Partikeln.Wie groß ist das Produkt aus Säulenhöhe und –durchmesser HD, das für diesenProzess erforderlich ist?

Hinweis:

Dispersionseffekte können vernachlässigt werden.

6 nach (Beek et al. 1999).

Page 27: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Einphasig durchströmte Feststoffschüttungen

Literatur 273

6. In einer mit Katalysatorpartikeln (dP = 1 mm) gefüllten Kolonne (ε = 0,4) wirdeine Komponente (DAB = 10−9 m2/s) eines Flüssigkeitsstroms (vf = 0,04 m/s,ν = 10− m2/s) durch eine chemische Reaktion umgesetzt. Diese heterogene Re-aktion ist irreversibel, 1. Ordnung (kAw1 = 4 × 10−5 m/s) und erfolgt an derPartikeloberfläche.Welche Schüttungshöhe wird benötigt, um einen Umsatz von 0,63 (= 1 − e−1) zuerreichen?

Hinweis:

Die Konzentration der übergehenden Komponente sei an der Partikeloberflächeüberall identisch.

7. Um die Konzentration von Wasser in einem organischen Lösungsmittel vonursprünglich 0,1 Massen-% herabzusetzen, wird die Flüssigkeit durch einAdsorber-Festbett transportiert, das aus 3 mm Kugeln besteht.7 Die Betthöhebeträgt 0,35 m und der Lückengrad 0,38. Die Flüssigkeitsleerrohrgeschwindig-keit wird auf 1,1 cm/s eingestellt. Unter den Betriebsbedingungen ergeben sichfolgende Stoffwerte: Flüssigkeitsdichte ρf = 790 kg/m3, -viskosität ηf = 1,2 mPasund Diffusionskoeffizient für Wasser im Lösungsmittel 2,6 × 10−9 m2/s.

a. Wie groß ist der Massenanteil an Wasser am Austritt?b. Welche Bedeutung besitzt die axiale Dispersion?

Hinweise:

• Die Wasserkonzentration an der Kugeloberfläche kann gleich null gesetztwerden.

• Die entstehende Differenzialgleichung kann mit dem Ansatz gemäß der Gln.(8.49–8.52) unter Berücksichtigung der Randbedingungen gelöst werden.

• Zur Berechnung des axialen Dispersionskoeffizienten ist Gl. (8.57) zu verwen-den. Der Stoffübergangskoeffizient lässt sich nach Abschn. 8.3 berechnen.

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