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TU Bergakademie Freiberg Institut für Elektrotechnik Wechselstromtechnik Skriptum für Nichtelektrotechniker Verfasser: Prof. Dr.-Ing. habil. U. Beckert Datum: Januar 2006 Umfang: 39 Seiten

TU Bergakademie Freiberg · TU BAF, Inst. f. Elektrotechnik Prof. Beckert 2 Inhaltsverzeichnis 1. Definition und Kenngrößen eines Wechselstroms 2. Effektivwert 3. Verhalten von

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TU Bergakademie Freiberg Institut für Elektrotechnik

Wechselstromtechnik

Skriptum für Nichtelektrotechniker

Verfasser: Prof. Dr.-Ing. habil. U. Beckert Datum: Januar 2006 Umfang: 39 Seiten

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Inhaltsverzeichnis 1. Definition und Kenngrößen eines Wechselstroms 2. Effektivwert 3. Verhalten von R, L, C bei Wechselstrom 4. Analytische Berechnung von Wechselstromkreisen 5. Berechnung von Wechselstromkreisen mittels Zeigerdarstellung 6. Beispiele zur Zeigerdarstellung 7. Wechselstromleistung 8. Prinzip der Blindstrom-Kompensation 9. Beispiele zur Blindstrom-Kompensation

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1. Definition und Kenngrößen eines Wechselstromes Wechselstrom ist die wichtigste Form des elektrischen Stromes. Heute werden etwa 99 % der elektrischen Energie als Wechselstrom erzeugt, übertragen, verteilt und in andere Energieformen umgewandelt. Bei Verwendung von Wechselstrom lässt sich elektrische Energie sehr einfach und verlustarm mit einem Transformator auf beliebige Spannungswerte wandeln.

Ein Strom ist dann ein Wechselstrom, wenn er folgende zwei Bedingungen erfüllt:

Bei einem Wechselstrom i, s. Bild 1, ändern sich Größe und Richtung periodisch mit der Zeit t. Nach Ablauf der Periodendauer T wiederholt sich der Verlauf der zeitlichen Änderung.

i

0 t

T

T

t1 1t + T

Bild 1: Zeitlicher Verlauf eines Wechselstromes

Mit k als ganzer Zahl muss gelten (1. Bedingung):

)Tkt(i)t(i += (1)

Außerdem muss der arithmetische Mittelwert einer Wechselgröße, berechnet über eine Periode, Null sein (2. Bedingung):

0td)t(iT1i

0

== ∫T

(2)

Sofern die Bedingungen (1) und (2) erfüllt sind, kann eine Wechselgröße innerhalb einer Periode einen beliebigen Verlauf zeigen.

Besonders in der elektrischen Energietechnik (Starkstromtechnik) strebt man eine reine Sinusfunktion für Ströme und Spannungen an, denn diese erfordert den geringsten Aufwand beim Bau von elektrischen Maschinen und Geräten. Sie brauchen dann nur für eine Frequenz ausgelegt werden.

Im Folgenden werden stets rein sinusförmige Wechselströme und Wechselspannungen betrachtet. Bild 2 zeigt den zeitlichen Verlauf eines sinusförmigen Wechselstromes. Auf der Abszisse wird wahlweise entweder der Winkel tω oder die Zeit t aufgetragen.

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i

0 2(t)

πππ-

ϕ i

(T)

π2

I^

ωt

Bild 2: Sinusförmiger Wechselstrom

Es bezeichnen i den Augenblickswert,

die Amplitude oder den Scheitelwert, Iω die Kreisfrequenz, f die Frequenz, T die Periodendauer,

iϕ den (Null-) Phasenwinkel.

Es gilt:

T1f =

T2f2 π

=π=ω (3)

Schreibweise:

Ein Wechselstrom ist durch drei Größen gekennzeichnet:

1. die Amplitude I

2. die Frequenz f

3. den (Null-) Phasenwinkel iϕ

D. h. auch, zwei Wechselströme sind nur dann gleich, wenn sie in Amplitude, Frequenz und Phasenwinkel übereinstimmen!

Vereinbarungsgemäß werden für die Augenblickswerte die entsprechenden Kleinbuchstaben, also u und i, verwendet. Die Großbuchstaben, also U und I, bezeichnen in der Wechselstromtechnik die noch zu definierenden Effektivwerte von Spannung und Strom.

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2. Effektivwert Der Effektivwert, d.h. der „wirksame Wert“, ist die wichtigste Kenngröße eines Wechselstromes bzw. einer Wechselspannung. Wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, werden sämtliche Spannungen und Ströme in der Wechselstromtechnik als Effektivwerte angegeben. Wenn man z.B. sagt, die Netzwechselspannung hat den Wert 230 V, so bedeutet das, der Effektivwert der Netzwechselspannung beträgt 230 V.

Definition des Effektivwertes: Der Effektivwert eines Wechselstromes ist der Wechselstrom, der in einem ohmschen Widerstand die gleiche Stromwärme bewirkt, wie ein Gleichstrom mit demselben Betrag. Davon ausgehend lässt sich ein Ausdruck für den Effektivwert des Wechselstromes ableiten:

Ein zeitlich beliebig verlaufender Wechselstrom verursacht in der Zeit in einem Ohmschen Widerstand die Stromwärme:

)t(i td

5

t

T

T2

. dR)t(itd)t(pWd 2==

Während der Dauer einer Periode entsteht die Stromwärme:

(4) ∫=0

2 td)t(iRW

Ein Gleichstrom I erzeugt in der gleichen Zeit T die Stromwärme:

(5) IRW =

Durch Gleichsetzen der Ausdrücke (4) und (5) gemäß Definition erhält man über

∫=0

22 td)t(iT1RIR

T

die Definitionsgleichung des Effektivwertes:

∫=0

2 td)t(iT1I

T

(6)

Analog gilt für den Effektivwert einer Wechselspannung:

∫=0

2 td)t(uT1U

T

Der Effektivwert wird wie eine Gleichgröße gekennzeichnet, d.h. in Großbuchstaben ohne besondere Kennzeichnung. Die Schreibweise Ieff ist unüblich.

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Speziell für sinusförmigen Wechselstrom

6

ˆ )t(sinI)t(i iϕ+ω=

erhält man über

[ ]2Itd)t(2cos1

21

2Itd)t(sinI

T1I i

0i

0

222 =ϕ+ω−=ϕ+ω= ∫∫ˆˆ 2T2T

als Effektivwert

I707,02

II ==ˆ

(7)

Bei zeitlich sinusförmig verlaufenden Wechselgrößen ist der Effektivwert um den Faktor 2 kleiner als der Scheitelwert (die Amplitude).

3. Verhalten von R, L, C bei Wechselstrom Neben Spannungsquellen enthalten Wechselstromkreise Widerstände, Spulen und Konden-satoren.

Im Folgenden wird das Verhalten der drei Grundelemente Widerstand, Spule und Kondensator bei Wechselstrom untersucht. An diese drei Grundelemente wird die sinus-förmige Wechselspannung

(8) )t(sinU)t(u uϕ+ω= ˆ

ˆ

ˆ

ϕ−ϕ=

angelegt und der dann fließende Strom berechnet:

. (9) )t(sinI)t(i iϕ+ω=

Ermittelt werden die Amplitude des Wechselstromes und die sog. Phasenverschiebung, die Differenz der (Null-) Phasenwinkel von Spannung und Strom:

I

iuϕ (10)

3.1 Widerstand

Bei einem Widerstand R gilt der Strom-Spannungs-Zusammenhang (11) )t(iR)t(u =

Beim Anlegen einer Wechselspannung gemäß Gl. (8) erhält man für den Augenblickswert des Stromes

)t(sinI)t(sinRU

R)t(u)t(i iu ϕ+ω=ϕ+ω== (12)

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mit der Amplitude

RUI = . (13)

Die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom ist Null.

0iu =ϕ−ϕ=ϕ (14)

Beim ohmschen Widerstand sind Spannung u und Strom in Phase, s. Bild 3. )t( )t(i

3

u,i u (t)

tω0

(t)i

ππ2π

u

i

R

Bild 3: und i am ohmschen Widerstand )t(u )t(

3.2 Spule:

Bei einer Spule mit der Induktivität L gilt bekanntlich der Strom-Spannungs-Zusammenhang

td

L)t(u =)t(id td)t(u

L)t(i ∫=

1 (15)

Beim Anlegen einer Wechselspannung gemäß Gl. (8) erhält man für den Augenblickswert des Stromes:

( )utcosL

Utd)t(uL1)t(i ϕ+ω

ω−== ∫

ˆ

)t(sinI)2t(sinI)t(i iu ϕ+ω=π−ϕ+ω= ˆˆ (16)

mit der Amplitude

L

UIω

(17)

und der Phasenverschiebung

2iu (18) π+=ϕ−ϕ=ϕ

7

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8

)t(u )t(iBei einer Spule mit der Induktivität L eilt die Spannung dem Strom um 90° voraus, s. Bild 4.

3

u,i u (t)

tω0

(t)i

ππ2π /2π

u

i

L

Bild 4: u und i an der Induktivität )t( )t(

3.3 Kondensator:

Für einen Kondensator mit der Kapazität C lautet bekanntlich der Strom-Spannungs-Zusammenhang:

td

C)t(i =)t(ud (19)

Beim Anlegen einer Wechselspannung gemäß Gl. (8) erhält man für den Augenblickswert des Stromes:

)t(cosUCtd

C)t(i uϕ+ωω==)t(ud

)t(sinI)2t(sinI)t(i iu ϕ+ω=π+ϕ+ω= ˆˆ

ˆω=

(20)

mit der Amplitude

ˆ (21) UCI

und der Phasenverschiebung

2iu π−=ϕ−ϕ=ϕ (22)

Bei einem Kondensator mit der Kapazität C eilt die Spannung u dem Strom um 90° nach, s. Bild 5.

)t( )t(i

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u (t)

(t)i

π 2π ω t π3

u,i

0

u

C

i

/2π-

Bild 5: u und i am Kondensator )t( )t(

Bei einer Spule bezeichnet man den Quotienten

LXLIU

=ω=ˆ

(23)

als induktiven Blindwiderstand.

Beim Kondensator heißt der Quotient

CXC

1IU

ˆˆ

(24)

kapazitiver Blindwiderstand

Die Vorsilbe „Blind“ drückt aus, dass es sich um keine physikalisch reale Größe, sondern um eine reine Rechengröße mit der Dimension eines Widerstandes handelt. Bei den Schaltelementen L und C bildet der Quotient das Verhältnis zweier Größen, die wegen der 90°-Phasenverschiebungen zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten, s. Bilder 4 und 5.

I/U

4. Analytische Berechnung von Wechselstromkreisen Im Folgenden wird an einem einfachen Beispiel gezeigt, dass die analytische Berechnung von Wechselstromkreisen infolge der trigonometrischen Funktionen umständlich und zeitraubend ist.

Für das Rechnen mit Sinusgrößen sind folgende Regeln wichtig:

1. Die Überlagerung (die Summe) zweier Sinusgrößen gleicher Frequenz ergibt wieder eine Sinusgröße dieser Frequenz.

Z. B. ergibt die Addition von

)t(sinU)t(u 111 ϕ+ω=

(25) )t(sinU)t(u 222 ϕ+ω=

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die Wechselspannung

, (26) )t(sinU)t(u)t(u)t(u u21 ϕ+ω==+

wobei

)(cosUU2UUU 212122

21 ϕ−ϕ++= (27)

2211

2211u cosUcosU

sinUsinUtanϕ+ϕϕ+ϕ

=ϕ (28)

2. Das Produkt zweier Sinusgrößen gleicher Frequenz ist i. A. keine Sinusgröße.

3. Die zeitliche Ableitung einer Sinusgröße ist wieder eine Sinusgröße gleicher Frequenz.

)t(sinU)t(u uϕ+ω=

)2t(sinU)t(cosUtdud

uu π+ϕ+ωω=ϕ+ωω= (29)

Es besteht die Aufgabe, für die im Bild 6 dargestellte Schaltung die Zeitfunktionen des Stromes und der Spannungsabfälle zu berechnen.

Ru

C

R

uC

i

~e(t)

gegeben: )t(sinE)t(e ω=

Bild 6: Reihenschaltung von R und C

Der Maschensatz ergibt:

)t(e)t(u)t(u cR =+

)t(sinE)t(etdiC1iR ω==+ ∫ (30)

Der Lösungsansatz

)t(sinI)t(i iϕ+ω=

10

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wird in den Maschensatz eingesetzt:

)t(sinE)t(cosC

1)t(sinRI ii ω=⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡ϕ+ω

ω−ϕ+ω .

Unter Berücksichtigung von Gl. (27) und (28) wird daraus

)t(sinERC

1tanarctsinC

1RI i

22 ω=⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

−ϕ+ω⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+ .

Betrag und Phase müssen auf beiden Seiten gleich sein:

2

2

C1R

EI

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+

=

0RC

1tanarci =ω

−ϕ RC

1tanarci ω=ϕ

In den Lösungsansatz eingesetzt, ergibt die Lösung:

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+

=RC

1tanarctsin

C1R

E)t(i2

2

(31)

Bei bekanntem Stromverlauf erhält man für die Spannungsabfälle

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+

==RC

1tanarctsin

C1R

REiR)t(u2

2

R (32)

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛π−

ω+ω

ω+== ∫ 2

RC1tanarctsin

)RC(1Etdi

C1)t(u

2C (33)

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5. Zeigerdarstellung Enthält ein Wechselstromkreis außer ohmschen Widerständen auch Spulen und/oder Kon-densatoren, so führt die Berechnung der Ströme und Spannungen auf das Problem der Lösung von Differentialgleichungen. Ihre analytische Lösung erfordert gute Kenntnisse der Additionstheoreme trigonometrischer Funktionen, ist umständlich und zeitraubend. Verlaufen die Ströme und Spannungen in einem Stromkreis zeitlich rein sinusförmig, so können die Differentialgleichungen sehr effektiv mit Hilfe einer graphisch-analytischen Methode gelöst werden. Hierbei werden die Sinusfunktionen als Zeiger dargestellt. Mit Hilfe weniger Konstruktionsregeln kann man für eine Schaltung das Zeigerdiagramm konstruieren, aus dem man mit Hilfe geometrischer Beziehungen die gesuchten Größen leicht berechnen kann.

Im Folgenden wird zunächst ein mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit

T2=f 2= π

πω (34)

umlaufender Zeiger der Länge A betrachtet. Zum Zeitpunkt t = 0 hat der Zeiger gegen die Bezugsachse den Winkel ϕ, zu einem beliebigen Zeitpunkt t den Winkel

ˆ

ϕ+ω=α t , Bild 7.

ϕ

t = 0

ϕA sin^

achseBezugs-

ω t +

ϕ

^A

ω t

t ωa

t +a(t) = A ωsin ϕ )(^

t0 t ϕ

T

t = T

A^

Bild 7: Zeigerdarstellung einer Sinusgröße

Die Projektionen des Zeigers auf die Bezugsachse bzw. deren Senkrechte haben die Längen bzw. . )t(cosA ϕ+ω )t(sinA ϕ+ω

Man kann also eine sich zeitlich sinusförmig ändernde Größe durch einen umlaufenden Zeiger darstellen.

Die Länge des Zeigers entspricht der Amplitude der Sinusfunktion.

Der umlaufende Zeiger der Sinusfunktion wird mit )t(sinA)t(a ϕ+ω= a gekennzeichnet, z.B. u , i usw.

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Zwei Sinusfunktionen gleicher Frequenz, unterschiedlicher Amplitude und unterschiedlicher Phasenlage, z. B. u(t) und i(t) in einer Wechselstromschaltung, werden, wie in Bild 8 dargestellt, durch zwei Zeiger u und i abgebildet. Die Längen der Zeiger entsprechen den Amplituden der Sinusfunktionen.

I^

U^ ω

i = I ωsin ^

ϕ^( )sin ωu = U t +u,i

t

^I

^U

ϕ

Zeiger zur Zeit t = 0

u

ϕ( )t + i

ϕi

ϕu

Bild 8: Zeigerdarstellung einer Sinusspannung und eines Sinusstromes

In linearen Wechselstromschaltungen haben alle Wechselspannungen und Wechselströme die gleiche Frequenz. In Zeigerbildern, bei denen alle Zeiger Sinusfunktionen der gleichen Frequenz darstellen, kann der Umlauf weggelassen werden, denn für die relative Lage der Zeiger zueinander ist es gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt man die "Momentaufnahme" des Zeigerbildes macht. Im Allgemeinen interessieren nur die Amplituden und die Phasenlage der Zeiger zueinander. Man geht zweckmäßig zu ruhenden Zeigern über, die nur noch durch ihre Amplitude und ihre Phasenlage gekennzeichnet sind. Ruhende Zeiger werden mit A, U, I usw. bezeichnet. Die Vorteile der Zeigerdarstellung sind: 1. Bei der Addition/Subtraktion mehrerer Sinusfunktionen erhält man die resultierende

Größe durch vektorielle Addition/Subtraktion der entsprechenden Zeiger. 2. Die Multiplikation einer Sinusfunktion mit einem skalaren Faktor R i(t) = u(t) drückt sich im Zeigerbild durch einen gleichphasigen Zeiger zum Zeiger der

Sinusfunktion aus. 3. Die Differentiation einer Sinusfunktion drückt sich durch einen um 90° voreilenden

Zeiger, die Integration durch einen um 90° nacheilenden Zeiger gegenüber dem Zeiger der Ausgangsfunktion aus.

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Daraus ergeben sich drei Grundregeln für die Konstruktion von Zeigerbildern:

1. Am ohmschen Widerstand gilt

iRuR =

Die Zeiger des Stromes und des Spannungsabfalles sind in Phase, Bild 9a. Für ihre Amplituden und Effektivwerte gilt:

IRUR = IRUR = (35)

2. Für die Induktivität gilt der Strom-Spannungszusammenhang

tdidLu L = (36)

Der Zeiger des Spannungsabfalles eilt dem Stromzeiger um 90° voraus, Bild 9b. Für die

Amplituden und Effektivwerte gilt:

IXILU LL =ω= IXU LL =

3. Am Kondensator gilt der Strom-Spannungszusammenhang

td

udCi C= ∫= tdiC1uC (37)

Der Stromzeiger eilt dem Zeiger des Spannungsabfalles um 90° voraus, Bild 9c. Für die

Amplituden und Effektivwerte gilt:

IXIC

1U CC =ω

= IXU CC =

I_

U_ R

U_ L

I_

U_ C

I_

a) b) c)

Bild 9: Zeigerbilder für R, L und C

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6. Beispiele zur Zeigerdarstellung 6.1 Reihenschaltung von R und C:

Ru

C

R

uC

i

u

I_ U_R

_ U U_C

ϕ

Bild 10: Reihenschaltung von R und C:

Schaltung und Zeigerbild

Gegeben: (38) )t(sinU)t(u ω=Gesucht: )t(i Bei einer Reihenschaltung fließt durch jedes Element der gleiche Strom . Es treten drei Spannungsabfälle , und auf. Der Maschensatz liefert:

)t(i)t(uR )t(uC )t(u

)t(u)t(u)t(u CR =+ in Zeigerschreibweise: UUU CR =+ (39) Das Zeigerbild muss den Stromzeiger I und die drei Spannungszeiger RU , CU und U phasenrichtig anordnen. 1. Bei der Konstruktion des Zeigerbildes verwendet man den Stromzeiger I , den Zeiger der

beiden Elementen gemeinsamen Größe, als Bezugszeiger.

2. Am ohmschen Widerstand sind Strom und Spannungsabfall in Phase, folglich hat der Zeiger RU die gleiche Richtung wie I .

3. Am Kondensator eilt die Spannung dem Strom um 90° nach, folglich ist der Zeiger CU gegenüber den Zeigern I und RU um 90° nacheilend anzutragen.

4. Den Zeiger der Gesamtspannung U erhält man als vektorielle Summe der Teilspannungs-zeiger RU und CU .

Man erhält das in Bild 1 dargestellte Zeigerbild, in dem der Stromzeiger I dem Zeiger der gegebenen Gesamtspannung U um den Winkel ϕ voreilt.

15

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Bei )t(sinU)t(u ω= gilt also: . (40) )t(sinI)t(i ϕ+ω= Aus dem Zeigerbild liest man ab: 2

C2R UUU +=

und

R

C

UUtan =ϕ .

Mit IRUR =

IC

1IXU CC ω==

erhält man daraus: 2

C2 XRIU +=

2C

2 XRUI+

= (41)

und

RC

1R

XUUtan C

R

C

ω===ϕ

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

=ϕRC

1tanarc . (42)

Bei der Schreibweise ist zu beachten, dass allgemein A den Betrag des Zeigers A bezeichnet: AA = (43) Dabei entspricht A dem Effektivwert von a(t).

16

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6.2 Reihenschaltung von R und L

Ru

R

i

u Lu

L

I_

U_R

U_L

ϕ

U_

Bild 11: Reihenschaltung von R und L:

Schaltung und Zeigerbild

Gegeben: )t(sinU)t(u ω=Gesucht: )t(i Die Konstruktion des Zeigerbildes erfolgt analog zum vorhergehenden Beispiel, wobei zu beachten ist, dass bei der Induktivität die Spannung dem Strom um 90° vorauseilt. Aus dem Zeigerbild liest man ab, dass jetzt der Strom I der Gesamtspannung U um den Winkel ϕ nacheilt. Es gilt also . (44) )t(sinI)t(i ϕ−ω= Aus 2

L2R UUU +=

R

L

UUtan =ϕ

und IRUR = ILIXU LL ω== erhält man

22 )L(R

UIω+

= (45)

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ω=ϕ

RLtanarc . (46)

17

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6.3 Parallelschaltung von R und L:

i

uLu

LRuR

iLiR

I_

I_ R_ U

ϕ

L_I

Bild 12: Parallelschaltung von R und L: Schaltung und Zeigerbild Gegeben: )t(sinU)t(u ω=Gesucht: )t(i Bei einer Parallelschaltung tritt über jedem der parallelen Zweige die gleiche Spannung auf. Es gilt also: )t(u)t(u)t(u LR == UUU LR == (47) Der Kirchhoffsche Knotenpunktsatz liefert: )t(i)t(i)t(i LR =+

III LR =+ (48)

Der Zeiger des Gesamtstromes I ist die vektorielle Summe der Teilstromzeiger RI und LI . Aus dem Zeigerbild liest man ab, dass der Gesamtstrom I der Spannung U um den Winkel ϕ nacheilt, also gilt: (49) )t(sinI)t(i ϕ−ω= Aus 2

L2R III +=

R

L

IItan =ϕ

18

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sowie

RUIR =

LU

XUI

LL ω

==

erhält man:

22

L1

R1UI ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛= (50)

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

=ϕL

Rtanarc . (51)

6.4 Gemischte Schaltung

i

R

i1 LR

2

uR2u

LuR1u

i2

1

I_

ϕψ

_I

1

2_I

ψ2I sin. ψ

ψ.cosI 2 Gegeben ist die Gesamtspannung ( )tsinU)t(u ω= . Gesucht ist der Gesamtstrom ( )ϕ−ω= tsinI)t(i .

I_ U_R1

U_L

ϕ

U_ R2_ U=

ψ

_I

1

2_I

Bild 13: Gemischte Schaltung Schaltung und Zeigerbild

(52)

19

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Die gegebene Schaltung stellt eine Kombination von Reihen- und Parallelschaltung dar. Bei der Reihenschaltung wird bekanntlich jedes Element vom gleichen Strom durchflossen. Die Gesamtspannung der Reihenschaltung ergibt sich als Summe der Teilspannungen (bei Wechselstrom natürlich unter Berücksichtigung ihrer Phasenverschiebung). Bei einer Parallelschaltung liegt über jedem Zweig die gleiche Spannung. Der Gesamtstrom ergibt sich als Summe der Zweigströme.

Für die gegebene Schaltung gilt in Zeigerschreibweise: 2RL1R UUUU ==+ (53) III 21 =+ (54) Bei der Konstruktion des Zeigerbildes verwendet man zweckmäßig 1I als Bezugszeiger. 1RU liegt in Phase mit 1I , LU eilt 1I um 90° voraus. Die vektorielle Summe von 1RU und LU ergibt die Gesamtspannung U , die auch über dem parallelen Zweig liegt: 2R UU 2R = Der Strom 2I liegt in Phase mit 2RU . Der Gesamtstrom I ist die vektorielle Summe der Teilströme 1I und 2I . Aus dem Zeigerbild liest man ab: 22

112L

21R )L(RIUUU ω+=+=

22

1

1)L(R

UIω+

= (55)

1R

L

UUtan =ψ

( )1R/Ltanarc ω=ψ (56) Außerdem: 222R IRUU ==

2

2 RUI = (57)

Dem erweiterten Zeigerbild der Ströme entnimmt man: 2

22

212 )sinI()cosII(I ψ+ψ+=

ψ++= cosII2III 21

22

21 (58)

ψ+

ψ−ψ=ϕ

cosIIsinI

tanarc21

2 (59)

20

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6.5 Gemischte Schaltung:

i

u

LuL

uR1

iLi 1

uR2

R1

R2

I_ϕ

U_ L_ U=

ψ1

R1

U_R2 U_

_II_L

U_ L_ U=

ψ

R1

U_R2 U_

. ψcos UR2

UR2 sinψ.

ψ

Bild 14: Gemischte Schaltung Schaltung und Zeigerbild

Gegeben ist wieder die Gesamtspannung: )t(sinU)t(u ω= Gesucht ist der Gesamtstrom: (60) )t(sinI)t(i ϕ−ω= Die gegebene Schaltung stellt wieder eine Kombination von Parallel- und Reihenschaltung dar. Es sei nochmals daran erinnert, dass bei einer Parallelschaltung über jedem Zweig die gleiche Spannung liegt. Dies liefert auch der Maschensatz: 0UU 1RL =− L1R UU = (61) Der Gesamtstrom ist die Summe der Zweigströme III L1 =+ (62)

21

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Bei der Reihenschaltung ergibt sich die Gesamtspannung als Summe der Teilspannungen. Der Maschensatz liefert 0UUU 2R1R =−+ UUU 2R1R =+ (63) Bei der Konstruktion des Zeigerbildes verwendet man zweckmäßig L1R UU = als Bezugs-zeiger. 1I liegt in Phase mit 1RU , LI eilt LU um 90° nach. Die vektorielle Summe von 1I und

LI ergibt den Zeiger des Gesamtstromes I . Der Widerstand wird vom Gesamtstrom durchflossen;

2R

2RU liegt in Phase mit I . Die gegebene Gesamtspannung U ist die vektorielle Summe von L1R UU = und 2RU . Für die Zweigströme gilt:

1

1R1 R

UI = L

UI 1RL ω= (64)

Aus dem Zeigerbild liest man ab:

YUL

1R1UIII 1R

22

11R

2L

21 =⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=+= (65)

L

RIItan 1

1

L

ω==ψ

L

Rtanarc 1

ω=ψ (66)

In Gl.(65) bezeichnet

22

1 L1

R1Y ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

+⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=

den sog. Schein-Leitwert der Parallelschaltung von und . 1R LXDer Widerstand wird vom Gesamtstrom durchflossen 2R . (67) IRU 22R = Aus dem erweiterten Zeigerbild der Spannungen entnimmt man: 2

2R2

2R1R2 )sinU()cosUU(U ψ+ψ+=

ψ++= cosUU2UUU 2R1R

22R

21R

22

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ψ++= cosYR2R

Y1IU 22

22

ψ++

=cos

YR2R

Y1

UI22

22

(68)

ψ+

ψ=ϕ−ψ

cosUUsinU)(tan

2R1R

2R

ψ+

ψ=ϕ−ψ

cosRY1sinRYtanarc

2

2 (69)

6.6 Reihenschwingkreis

iuR

R L

Lu uC

Cu

L_ U

I_

U_C U_

R_ U

ϕ

L_ U

I_

U_C U_

R_ U

ϕ

L_ U

I_ U_C

R_ U U_ =

Bild 15: Reihenschwingkreis Schaltung und Zeigerbilder

23

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Gegeben ist: )t(sinU)t(u ω= Gesucht ist:

)t(sinI)t(i ϕ−ω= Der Maschensatz ergibt: UUUU CLR =++ (70) Außerdem gilt:

IRUR = ILUL ω= IC

1UC ω= (71)

Die Konstruktion des Zeigerbildes beginnt man zweckmäßig mit dem Strom I , der allen drei Elementen gemeinsamen Größe. Aus den Zeigerbildern liest man ab:

2

22CL

2R C

1LRI)UU(UU ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

−ω+=−+= (72)

Den Wurzelausdruck bezeichnet man als sog. Scheinwiderstand:

2

2

C1LRZ ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ω

−ω+= (73)

Bei der Konstruktion des Zeigerbildes sind drei Fälle zu unterscheiden:

1. : In diesem Fall eilt die Spannung C/1L ω>ω U dem Strom I voraus, . Der Schwingkreis zeigt ohmsch-induktives Verhalten.

0>ϕ

2. : In diesem Fall eilt der Strom C/1L ω<ω I der Spannung U voraus, . Der Schwingkreis zeigt ohmsch-kapazitives Verhalten.

0<ϕ

3. : In diesem Fall sind Strom C/1L ω=ω I und Spannung U in Phase, . Der Schwingkreis verhält sich wie ein ohmscher Widerstand: Z = R. Diesen Betriebszustand bezeichnet man als Resonanz. Bei gegebenen Werten von R, L und C lässt sich dieser Betriebszustand durch entsprechende Wahl der Frequenz einstellen.

0=ϕ

Die Resonanzfrequenz erhält man aus 0f

C

1L0

0 ω=ω

CL2

1f0 π= (74)

24

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Bei der Resonanzfrequenz besitzt der Scheinwiderstand Z ein ausgeprägtes Minimum (Bild 16). 0f

4

v

= 10ρ

1

ωω

2

Z/R

41-1-4 2 3-2-3 ρ

0 ω−ω 45 45+

2

3

Bild 16: Frequenzabhängigkeit des Scheinwiderstandes Z

Speist man den Reihenschwingkreis mit konstanter Spannung und variiert die Frequenz, so erreicht der Strom bei der Resonanzfrequenz ein Maximum. Obwohl bei der Resonanz-frequenz

0f

RUU =

gilt, können die Spulenspannung und die Kondensatorspannung sehr viel (ρ-fach) größere Werte als die Gesamtspannung U annehmen (Bild 17).

LU CU

5

10

ω ω

-3 -2 32-4 -1 1 4

ω ω

ρ = 10ULCU

L,CI, U

45+−45 0

I

Bild 17: Frequenzabhängigkeit der Spannungen und beim Reihenschwingkreis LU CU

25

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Man definiert als Resonanzüberhöhung (Güte)

RC

1R

LU

UU

U

0

0CL

00ω

===ρωω

. (75)

Ohne Schwierigkeiten lassen sich ρ - Werte von mehr als 100 realisieren.

Neben der Resonanzfrequenz und der Resonanzüberhöhung ρ gibt es beim Schwingkreis noch weitere wichtige Kenngrößen:

0f

Die Frequenz-Verstimmung v ist folgendermaßen definiert:

ωω

−ωω

= 0

0

v (76)

Bei den 45°-Frequenzen beträgt die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom (vergl. Bild 15) genau 45°. Hier gilt

RC

1L ±=ω

−ω (77)

Den Frequenzabstand zwischen den 45°-Frequenzen bezeichnet man als Bandbreite (78) °−°+ −= 4545 ffb Zwischen Bandbreite, Resonanzfrequenz und Resonanzüberhöhung besteht der Zusammenhang

ρ

= 0fb (79)

Die frequenzselektiven Eigenschaften von Schwingkreisen werden in der Elektrotechnik vielfach ausgenutzt, z.B. zur Senderabstimmung.

26

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7. Wechselstromleistung Im Folgenden wird der in Bild 18 dargestellte Grundstromkreis, bestehend aus einem Wechselstromgenerator und einem beliebigen Verbraucher, betrachtet.

i X i R

_U_

_

~

I

E

Generator Verbraucher

L X

R

Bild 18: Grundstromkreis

Die Phasenverschiebung ϕ zwischen Spannung und Strom hängt von der Art des Verbrauchers ab. Sie kann positiv oder negativ sein. Bei einem ohmsch-induktiven Verbraucher, der in der Praxis am häufigsten vorkommt, gilt:

u (80) )t(sinU)t( ω=

ϕ−ω=

ϕ−ωω==

i (81) )t(sinI)t(

Der Augenblickswert der im Verbraucher umgesetzten Leistung ergibt sich aus dem Produkt der Augenblickswerte von Spannung und Strom:

p (82) )t(sin)t(sinIU)t(i)t(u)t(

Unter Berücksichtigung der Additionstheoreme für Sinusfunktionen

[ )(cos)(cos21sin ]β+α−β−α=βαsin

βα−βα=β+α sinsincoscos)(cos

und des Zusammenhanges zwischen den Scheitelwerten und den Effektivwerten

U2U = I2I = (83)

lässt sich der Augenblickswert der Leistung in folgende Form bringen:

27

p )t2(sinsinIU))t2(cos1(cosIU)t( ωϕ+ω−ϕ=

)t(p)t(p)t2(sinQ))t2(cos1(P)t( +

p 21=ω+ω−= . (84)

Darin sind

P U I= cos ϕ und Q U I= sin ϕ . (85)

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Die Leistung p(t) setzt sich aus zwei Komponenten und zusammen. p t1 ( ) p t2 ( )In der Wechselstromtechnik interessiert im Allgemeinen nicht der Augenblickswert, sondern der Mittelwert der Leistung über eine Periode:

21

T

0

pptd)t(pT1p +== ∫ (86)

Der zeitliche Mittelwert von (t) ist p1

ϕ=== ∫ cosIUPtd)t(pT1p

T

011 (87)

Der zeitliche Mittelwert von p2 (t) ist Null.

-O~

~O

it

2p

1p

+

P

2P

p, i

Bild 19: Komponenten der Wechselstromleistung

Die im Mittel im Verbraucher umgesetzte Leistung

ϕ=== cosIUPpp 1 (88)

(die z.B. bei einem Elektromotor in mechanische Leistung umgewandelt wird), heißt Wirkleistung. Ihre Maßeinheit ist Watt:

[P] = 1 W.

Die zweite Komponente der Leistung p2(t) pendelt zwischen Generator und Verbraucher mit der doppelten Frequenz des fließenden Stromes (im üblichen 50 Hz-Netz also mit 100 Hz) hin und her. Ihre Amplitude

Q U I= sin ϕ (89)

heißt Blindleistung. Ihre Maßeinheit ist voltampere reaktiv:

[Q] = 1 var.

28

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Blindleistung kann nur auftreten, wenn der Verbraucher Spulen und/oder Kondensatoren, d.h. Energiespeicher, enthält.

29

IDas Produkt S U (90) =

heißt Scheinleistung. Ihre Maßeinheit ist Voltampere:

[S] = 1 VA.

Das Verhältnis von Wirkleistung und Scheinleistung

λ ϕ= =cos PS

(91)

bezeichnet man Leistungsfaktor. Er drückt die im Verbraucher umgesetzte Leistung an der maximal möglichen Leistung aus.

Zwischen Wirk-, Blind- und Scheinleistung besteht der Zusammenhang:

P Q (92) S2 2+ = 2

Die Blindleistungen von Spule und Kondensator lassen sich auch mit Hilfe der Blindwiderstände

bzw. LXL ω=C

1XC ω=

ausdrücken:

L2L

L

2L

LLL XIXUIUQ === (93)

C2C

C

2C

CCC XIXUIUQ === (94)

Messung der Wirkleistung: Um die in einem Verbraucher umgesetzte Wirkleistung

ϕ=== ∫ cosIUtd)t(i)t(upPT

0

zu bestimmen, muss ein Wirkleistungs-Messgerät den arithmetischen Mittelwert des Produktes der Augenblickswerte von Verbraucherspannung u(t) und Verbraucherstrom i(t) bilden.

Zur Messung der Wirkleistung wird das im Bild 20 dargestellte elektrodynamische Messwerk eingesetzt. Es besitzt zwei Spulen, eine erste drehbar im Luftspalt eines Elektromagneten angeordnete Drehspule (Index D) und eine zweite auf dem Eisenkern festsitzende Feldspule (Index F). Die niederohmige Feldspule wird vom Verbraucherstrom i(t) durchflossen und erzeugt im Luftspalt ein radialhomogenes magnetisches Wechselfeld:

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)t(sinIk)t(ikAR

)t(iw)t(B FF

Fem

F ϕ−ω==⋅

= (95)

An die hochohmige Drehspule wird die Verbraucherspannung u(t) angelegt, die in der Drehspule zu einem proportionalen Strom führt:

)t(sinUk)t(ukR

)t(uDD

DD ω===i (96)

FF

Φ (t)

i(t)

Eisenkern

Feldspule

Drehspule

Bild 20: Elektrodynamisches Messwerk

Die Wirkungsweise des elektrodynamischen Messwerkes beruht auf der Kraftwirkung auf einen stromdurchflossenen Leiter im magnetischen Feld, also auf dem elektrodynamischen Kraftgesetz.

Da das magnetische Feld im Luftspalt radialhomogen angenommen werden kann, ist das elektromagnetisch entwickelte Drehmoment unabhängig vom Drehwinkel:

m RDel =

D=

)t(Fw2)t( Darin sind

F (97) )t(il)t(B)t(

die Kraft auf einen Leiter der Drehspule, l ihre axiale Länge im Magnetfeld, R ihr Radius und wD ihre Windungszahl.

30

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Unter Berücksichtigung der Gln. (95) bis (97) erhält man, dass der Augenblickswert des Drehmomentes dem Augenblickswert der Verbraucherleistung entspricht.

31

)

)

t(i)t(ukklRw2)t(m DFDel =

(98) t(pk)t(i)t(uk)t(m elelel ==

Der Mittelwert des Drehmomentes entspricht dann der im Verbraucher umgesetzten Wirk-leistung:

ϕ==== ∫ ∫ cosIUkPktd)t(pkT1td)t(m

T1M

T

0elel

T

0elelel (99)

Die Drehspule ist über eine Drehfeder gefesselt. Sie kann sich dadurch nur um einen begrenzten Winkel verdrehen. Das Federmoment ist bekanntlich dem Drehwinkel proportional:

M (100) α= c

=

ff

Wegen des relativ großen Massenträgheitsmomentes der Drehspule folgt der Auslenkungswinkel α nicht dem Augenblickswert, sondern dem Mittelwert des elektromagnetischen Drehmomentes. Es stellt sich das Momentengleichgewicht

M (101) fel M

ein. D.h. der Ausschlagwinkel

PkPcc f

el

f

el ===kM

α (102)

ist der Wirkleistung des Verbrauchers proportional.

Bild 21 zeigt die Schaltung zur Messung der Wirkleistung bei einphasigem Wechselstrom. Der niederohmige Strompfad (die Feldspule des elektrodynamischen Messwerkes) wird vom Verbraucherstrom durchflossen. An den hochohmigen Spannungspfad (an die Drehspule) wird die Verbraucherspannung angelegt.

Verbraucher

R

X L

i(t)L1

N

P

u(t)

Bild 21: Schaltung zur Messung der Wirkleistung

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8. Prinzip der Blindstrom-Kompensation Die Blindstromkompensation ist eine wichtige Maßnahme zur Verminderung der Verluste bei der Übertragung elektrischer Energie und damit auch zur CO2-Verminderung. Bild 22 zeigt das vereinfachte Ersatzschaltbild einer elektrischen Energieübertragung, beste-hend aus der Zusammenschaltung von Wechselstromgenerator, Netz und Verbraucher.

Bild 22: Ersatzschaltbild der elektrischen Energieübertragung

Der Generator ist durch eine Wechselspannungsquelle mit (ohmschen und induktiven) Innenwiderstand nachgebildet. Der Verbraucher besteht – wie meistens in der Praxis – aus einem Wirkwiderstand RL und einem induktiven Blindwiderstand XL (Index L: Last-). Das Netz wird stark vereinfacht durch den ohmschen Netzwiderstand RN nachgebildet.

Im Netz fließt der Verbraucherstrom

IIN = . (103)

Bild 23 zeigt das Zeigerbild der Spannungen am Verbraucher

UUU XR =+ , (104)

sowie die Zerlegung des Verbraucherstromes in seine Wirkstromkomponente (in Phase mit der Spannung U)

ϕ= cosIIw (105)

und seine Blindstromkomponente (senkrecht zur Spannung U)

ϕ= sinIIb . (106)

Bild 23: Zeigerbild des Verbrauchers

32

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Dabei gilt: (107) 22

b2w III =+

Die im Verbraucher genutzte Leistung, die sog. Wirkleistung, ist dem Wirkstrom Iw proportional:

wIUcosIUP =ϕ= (108)

Die Blindleistung des Verbrauchers ist dem Blindstrom proportional:

bIUsinIUQ =ϕ= (109)

Wegen des induktiven Blindwiderstandes XL des Verbrauchers ist der zur Übertragung dieser Wirkleistung erforderliche Strom I größer als bei einem rein ohmschen Widerstand als Verbraucher. Dieser größere Strom verursacht im Netz größere Stromwärmeverluste

( ) N2b

2wN

2N,V RIIRIP +== (110)

und erfordert größere Leitungsquerschnitte.

Das Ziel der Blindstromkompensation ist es, die Verluste bei der elektrischen Energie-übertragung zu minimieren. Dazu wird der Blindstrom bzw. die Blindleistung kompensiert, indem dem Verbraucher ein Kondensator parallel geschaltet wird (Bild 24).

Bild 24: Blindleistungskompensation mittels Kondensator

Für den Netzstrom gilt jetzt (Knotenpunktsatz):

CN III += (111)

Die Kondensatorspannung ist identisch mit der Spannung am Verbraucher:

UUC = (112)

Da bekanntlich der Kondensatorstrom CI der Kondensatorspannung CU um 90° vorauseilt, sind somit Kondensatorstrom CI und Verbraucherblindstrom bI genau um 180° phasenverschoben. Die Kapazität C des Kondensators wird so gewählt, dass der kapazitive Blindstrom CI des Kondensators den induktiven Blindstrom bI des Verbrauchers vollständig kompensiert (Bild 25).

33

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Nach der Kompensation fließt im Netz nur noch der Wirkstrom:

wCbwCN IIIIIII =++=+= (113)

Die Stromwärmeverluste im Netz nehmen dadurch ihren minimalen Wert an:

N2wN,V RIP = (114)

Bild 25: Zeigerbild bei vollständiger Kompensation

Den Wert der Kapazität C erhält man aus:

UCXUII

CCb ω===

Uf2I

C b

π= (115)

Für die Blindleistung des Kondensators gilt:

C

2

C

2C

CCC XU

XU

IUQ === (116)

Als Kompensationskondensatoren werden meistens Papier- oder Metallpapier-Kondensatoren eingesetzt. Ihr Dielektrikum besteht aus Isolierpapier, aus im Vakuum getrocknetem und anschließend getränktem Papier. Die Bemessungsspannung der Kondensatoren muss mindestens gleich der Betriebsspannung des Netzes sein.

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9. Beispiele zur Blindstrom-Kompensation 9.1 Wechselstrommotor Ein Einphasen-Wechselstrommotor mit folgenden Nenndaten (Index n = Nenn-):

kW5,1Pn = ; ; V230Un = Hz50fn =

; 75,0cos n =ϕ %80n =η

werde an der Welle mit Nennmoment belastet. Zu berechnen ist die Kapazität C des Kondensators, der dem Motor zur vollständigen Blindstromkompensation parallel zu schalten ist.

Bei Nennbelastung (M = Mn) gibt der Motor an der Welle die Nennleistung

(117) kW5,1PP n,mechn ==

ab. Er arbeitet dabei mit seinem maximalen Wirkungsgrad = Nennwirkungsgrad

%80n =η

und nimmt die Wirkleistung

kW875,1P

cosIUPn

n,mechnnnn,el =

η=ϕ= (118)

auf. Dabei fließt der Nennstrom

A9,10cosUP

Inn

n,eln =

ϕ= . (119)

Aus dem Leistungsfaktor erhält man 75,0cos n =ϕ

°=ϕ 41,41n 661,0sin n =ϕ .

Der Blindstrom des Motors im Nennbetrieb beträgt

. (120) A2,7sinII nnn,b =ϕ=

Die Blindleistungsaufnahme des Motors im Nennbetrieb beträgt

kVAr654,1cossinPQ

n

nn,eln =

ϕϕ

= . (121)

Der Blindstrom des Kondensators soll den Blindstrom des Motors kompensieren:

(122) A2,7II n,bC ==

35

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Am Kondensator gilt:

nCC

CC UCUC

XU

I ω=ω=== (123)

Hieraus folgt:

F5,99Uf2

IC

nn

n,b µ=π

= (124)

9.2 Mittelfrequenz-Induktionsofen Ein Induktionsofen wird aus einem Mittelfrequenz-Generator gespeist. Er nimmt bei einer Wechselspannung U = 750 V, f = 1 kHz die Wirkleistung P = 10 kW bei einem Leistungs-faktor = 0,05 auf. ϕcos a) Zu berechnen sind der Strom I, der Wirk- und der Blindstrom und sowie die

Blindleistung Q. wI bI

b) Durch eine dem Induktionsofen parallel geschaltete Kondensatorbatterie wird der Blindstrom vollständig kompensiert. Zu berechnen sind die erforderliche Kapazität C sowie der Generatorstrom, der Kondensatorstrom sowie der Strom durch die Ofenspule beim kompensierten Ofen.

c) Der Generator besitze einen Innenwiderstand Ω= 5,0Ri . Zu berechnen sind die Verluste im Innenwiderstand vor und nach der Kompensation.

Erläuterung Induktionsofen: Bild 26 zeigt die prinzipielle Anordnung zur Induktions-erwärmung: Das elektrisch leitfähige Wärmegut (hier ein Metallzylinder) wird von einem magnetischen Wechselfeld durchsetzt, das durch eine wechselstromdurchflossene Spule erzeugt wird. Nach dem Induktionsgesetz wird in dem Wärmegut eine Spannung induziert, die im Wärmegut zu einem Wirbelstrom führt. Seine Stromwärme wird bei der induktiven Erwärmung genutzt. Mit steigender Frequenz werden die Wirbelströme an die äußeren Randzonen des Wärmegutes verdrängt (Stromverdrängung). D.h., über die Frequenz kann die Verteilung der Wärmequellen im Wärmegut gesteuert werden.

Bild 26: Induktive Erwärmung eines Metallzylinders

36

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Aus der Beziehung für die Wirkleistung

ϕ= cosIUP

erhält man den Ofenstrom = Generatorstrom

A7,266cosUPII G =

ϕ== . (125)

Aus dem Leistungsfaktor folgt 05,0cos =ϕ °=ϕ 13,87 9988,0sin =ϕ . Daraus erhält man für Wirk- und Blindstrom sowie für die aufgenommene Blindleistung des Ofens: (126) A

A

33,13cosIIw =ϕ= (127) 3,266sinIIb =ϕ=

kVAr75,199cossinPQ =

ϕϕ

= (128)

Bei vollständiger Kompensation gilt:

(129) A3,266II bC ==

Daraus erhält man die Kapazität des Kondensators:

F6,56Uf2

IC b µ=π

= (130)

Nach der vollständigen Kompensation wird der Frequenz-Generator nur noch vom Wirkstrom belastet:

(131) A33,13III wG ===

Für die Stromwärmeverluste im Innenwiderstand des Generators gilt:

2Gii,v IRP =

Sie betragen vor der Kompensation

kW56,35P i,v =

und nach der Kompensation

. (132) W8,88P i,v =

37

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9.3 Teil-Kompensation Ein ohmsch-induktiver Verbraucher nimmt aus dem - Wechselstromnetz die Wirkleistung bei einem Leistungsfaktor

Hz50/V230kW5P = ϕcos = 0,6 auf.

a) Zu berechnen sind der Strom I, der Wirk- und der Blindstrom und sowie die

Blindleistung Q. wI bI

b) Durch Parallelschalten eines Kondensator soll der Leistungsfaktor bezüglich des Netzes auf verbessert werden. Die erforderliche Kapazität C sowie der Strom , der Wirk- und Blindstrom und sowie die Blindleistung nach der Kompensation sind zu berechnen.

9,0cos / =ϕ/I /

wI /bI /Q

Aus dem Leistungsfaktor folgt 6,0cos =ϕ °=ϕ 13,53 8,0sin =ϕ . Daraus erhält man für die Strom- und Blindleistungsaufnahme:

A2,36cosUPI =

ϕ= (133)

(134) A

A

7,21cosIIw =ϕ= (135) 0,29sinIIb =ϕ=

kVAr67,6cossinPQ =

ϕϕ

=

Nach dem Parallelschalten des Kondensators wird der Leistungsfaktor auf

9,0cos / =ϕ

verbessert. Dazu gehören: °=ϕ 84,25/ 436,0sin / =ϕ Der Strom I, der Blindstrom und die Blindleistung Q verringern sich dadurch auf bI

A2,24cosUPI /

/ =ϕ

= (136)

(137) A53,10sinII ///

b =ϕ=

kVAr42,2cossinPQ /

// =

ϕϕ

= (138)

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Page 39: TU Bergakademie Freiberg · TU BAF, Inst. f. Elektrotechnik Prof. Beckert 2 Inhaltsverzeichnis 1. Definition und Kenngrößen eines Wechselstroms 2. Effektivwert 3. Verhalten von

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Der Wirkstrom und die Wirkleistungsaufnahme P bleiben durch diese Maßnahme unbeeinflusst. Der Kondensatorstrom ergibt sich aus der Differenz der Blindströme vor und nach der Kompensation:

wI

CI

(139) A45,18III /

bbC =−= Über

C

1IUX

CC ω

==

folgt daraus der Wert der Kapazität des Kondensators

F3,255Uf2

IXf2

1C C

C

µ=π

= . (140)

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