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IAC Abschlussbericht TU Bergakademie Freiberg Institut für Anorganische Chemie Abschlussbericht: 5/2005 Vorhabensbezeichnung: „Entwicklung eines Verfahrens zum Recycling von Solarzellen und Solarmodulen“ Laufzeit des Vorhabens: 01.06.2002 – 31.05.2005 Auftraggeber: Forschungszentrum Jülich GmbH Projektträger Jülich Wallstr. 17-22 10179 Berlin Auftragnehmer: Institut für Anorganische Chemie Berichtszeitraum: 01.06.2002 – 31.05.2005 1

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IAC Abschlussbericht

TU Bergakademie Freiberg Institut für Anorganische Chemie Abschlussbericht: 5/2005 Vorhabensbezeichnung: „Entwicklung eines Verfahrens zum Recycling

von Solarzellen und Solarmodulen“

Laufzeit des Vorhabens: 01.06.2002 – 31.05.2005 Auftraggeber: Forschungszentrum Jülich GmbH Projektträger Jülich Wallstr. 17-22 10179 Berlin Auftragnehmer: Institut für Anorganische Chemie Berichtszeitraum: 01.06.2002 – 31.05.2005

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Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung und Motivation

2. Ablösen der verschiedenen Beschichtungen - Aufbau der Ätzstrecke und Peripherie - organische Rückstände der Pyrolyse - Metallisierungen, Katalog - Antireflexschicht

3. Ätzen der Siliciumwafer

4. Prozessanalytik

- Analysemethoden - Gasanalysen

5. Bilanzierung der Stoffkonzentrationen 6. Ätzbäder mit Nachdosierung

7. Substitution der Salpetersäure

8. Wärmebildexperimente

9. Zusammenfassung und Ausblick

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1. Einleitung und Motivation Der ständig steigende Weltenergiebedarf kann nicht dauerhaft mit Hilfe von fossilen Brennstoffen gedeckt werden. Eine Möglichkeit der Energiegewinnung durch regenerative Quellen ist die Photovoltaik. Zur Gewinnung von elektrischem Strom aus Sonnenlicht werden Solarzellen benötigt, deren Hauptbestandteil ein Siliciumwafer ist. Der wachsende Markt für Solarzellen und die Verteuerung des Siliciums motivieren Programme zur Rückgewinnung der Wafer aus alten Solarmodulen und Ausschusswafern. Recycling von alten Solarzellen oder Produktionsausschuss ist eine Möglichkeit den Bedarf an Silicium teilweise zu decken. Die Wafer müssen dann durch verschiedene Reinigungsprozesse von anhaftenden Verunreinigungen befreit werden. Die Erkundung solcher Prozesse war Inhalt dieses Projektes. Der prinzipielle Aufbau einer Solarzelle ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt.

Abbildung 1: Schematische Darstellung einer Solarzelle Die Zelle besteht aus der p-dotierten Siliciumschicht, einer durch CVD-Verfahren und anschließende Diffusion aufgetragenen n-dotierten Schicht, einer Antireflexschicht zur Verminderung von Reflexionen an der Oberseite sowie den Kontaktfingern und der Rückseitenmetallisierung zur Abnahme des elektrischen Stroms. Ziel der Ätzversuche ist die Rückgewinnung des p-dotierten Siliciumwafers, d.h. alle anderen Schichten müssen in mehreren Ätzschritten abgetragen werden. Um die Siliciumwafer den verschiedenen Ätzschritten zugänglich zu machen, müssen zunächst die beidseitig aufgeklebten Glasplatten entfernt werden. Die Methode der Wahl ist die Pyrolyse, da Versuche in Zusammenarbeit mit der Deutschen Solar AG gezeigt haben, dass das Ablösen der Platten mit Limonen nicht möglich ist. Ein Versuch mit dem organischen Lösungsmittel führte zur Zerstörung des Wafers. Um das Verhalten von Silicium in den Ätzlösungen verstehen zu können, soll zunächst seine Reaktivität thermodynamisch betrachtet werden.

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2 2 2

2 4 2

4 2

2 6 2

Si 2H O SiO 2H H 339,2kJ/mol (1)G 382,2kJ/mol

Si 4H O Si(OH) 2H H 313,6kJ/mol (2)G 153,3kJ/mol

Si 4HF SiF 2H H 524,8kJ/mol (3)G 474,1kJ/mol

Si 6HF H SiF 2H H 753,8kJ/mol (4)G 551,7kJ/mol

+ → + ∆ = −∆ = −

+ → + ∆ = −∆ = −

+ → + ∆ = −∆ = −

+ → + ∆ = −∆ = −

Die 4 Reaktionsgleichungen mit den dazugehörigen Enthalpie- und freien Enthalpiewerten (berechnet mit HSC 4: HSC, Chemical Reaction and Equilibrium Software, Outokumpu Research Oy, 28101 Pori, Finnland) verdeutlichen, dass Silicium eigentlich schon in Wasser zu SiO2 oxidiert wird bzw. sich mit Fluorwasserstoff zu SiF4 oder H2SiF6 umsetzen sollte, was jedoch praktisch nicht der Fall ist. Während es bei den Reaktionen (1) und (2) noch logisch erscheint, dass durch die Ausbildung einer passivierenden SiO2-Schicht eine weitere Reaktion unterbunden wird, ist es schwieriger für die Hemmung der Reaktionen mit HF ((3), (4)) eine schlüssige Erklärung zu finden. Die extrem negativen Werte der freien Enthalpie weisen eigentlich auf eine sehr hohe thermodynamische Triebkraft für diese Reaktionen hin. Aber offensichtlich existieren hier sehr starke kinetische Aktivierungsbarrieren, die eine unterstützende Si-Oxidation durch den Einsatz anderer Säuren notwendig machen. Ein sehr wichtiges Bewertungskriterium beim Ätzen von Silicium ist sein unterschiedliches Verhalten gegenüber einem bestimmten Medium in Abhängigkeit von der Kristallorientierung. Daraus resultiert isotropes oder anisotropes Abtragen seiner Oberfläche. Abbildung 2 zeigt die Oberflächenprofile beider Ätzverfahren. Zum besseren Verständnis sind die orange dargestellten Siliciumwafer hier mit einer unlöslichen Maske (braun) überzogen, unter der die Ätzlösung entweder in allen Richtungen gleichmäßig schnell reagiert (isotrop), oder das Silicium in ein oder auch zwei Richtungen bevorzugt abgetragen wird (anisotrop).

a) b)

{111} {100}

{111}

Abbildung 2: Ätzprofile a) isotrop, b) anisotrop In basischen Ätzbädern beobachtet man anisotropes Ätzverhalten, in sauren hingegen isotropes. Die zahlreichen Untersuchungen zu den Ursachen der Anisotropie konnten bislang keine befriedigenden Antworten geben. Die naheliegende Annahme, dass die unterschiedlichen Ätzgeschwindigkeiten allein aus der Dichte und den Bindungsverhältnissen der Oberflächenatome zu erklären sind, ist ebenso wenig

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haltbar, wie die Vermutung, dass das Oxidationsmittel die Orientierungsabhängigkeit und der Komplexbildner die Ätzgeschwindigkeit bestimmt. Die genannten Faktoren beeinflussen offenbar in sehr komplexer Weise die Anisotropie des Ätzens (H. Löwe, P. Keppel, D. Zach: Halbleiterätzverfahren; Akademieverlag Berlin 1990). 2. Ätzen 2.1. Aufbau der Ätzstrecke und der Peripherie Da bei der Durchführung der Ätzversuche mit dem Medium Flusssäure gearbeitet wird, musste zunächst entsprechend den sicherheitstechnischen Festlegungen nach DIN 12924 Teil 2 zu Abzügen für offene Aufschlüsse ein Laborabzug umgerüstet werden (Verkleidung mit Polypropylen, Installation eines Abgaswäschers). Die orientierenden Ätztests im Kleinmaßstab wurden in eigens dazu angefertigten Gefäßen aus Polypropylen in Einzelbädern durchgeführt. Diese Untersuchungen beschränkten sich auf die Variation von Ätzlösungen (Konzentration, Zusammensetzung), Bestimmungen des Masseverlustes von Waferbruchstücken in Abhängigkeit von Zeit und Temperatur sowie die Analyse der verbrauchten Badlösungen. Auf diese Weise konnte eine Vorauswahl für bestimmte Ätzbäder getroffen werden. Parallel dazu wurde eine Ätzstrecke konzipiert und aufgebaut (siehe Abbildung 3).

Thermostat

ProbenahmeEntsorgung

Umwälzpumpe Strömungsmesser

Mw 1 Mw 2 Mw 3Digitalvoltmeter

PC

MesswerterfassungAuswertungArchivierung

Wärme-austauscher Thermostat

ProbenahmeEntsorgung

Umwälzpumpe Strömungsmesser

Mw 1 Mw 2 Mw 3Digitalvoltmeter

PC

MesswerterfassungAuswertungArchivierung

Wärme-austauscher

Abbildung 3: Schema eines Ätzbades mit der zugehörigen Peripherie Sämtliche Teile der Ätzstrecke, die mit den Ätzmedien in Berührung kommen, bestehen aus resistenten Kunststoffen – größtenteils aus Polypropylen und Polyethylen. Das Ätzbad kann mit einem Volumeninhalt von ca. 4 l einen in der Zellenproduktion üblicherweise verwendeten Carrier für 25 Wafer aufnehmen. Der Carrier wird über eine Hebevorrichtung in der Ätzlösung auf- und abbewegt, während gleichzeitig von unten gerührt wird. Ein kontinuierlicher Badstrom erfolgt mittels Umwälzpumpe. Temperaturkonstanz ist durch einen thermostatierbaren

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Wärmeaustauscher gewährleistet. Die Temperaturkontrolle erfolgt eingangs und ausgangs des Bades (Messwerte Mw1 und Mw3). Die Datenerfassung, -auswertung und –archivierung erfolgt computergesteuert auf der Basis des entsprechend modifizierten Programms DMM 2000. Für die Tests mit unterschiedlichen Ätzlösungen in den einzelnen Verfahrensschritten stehen 3 dieser Ätzstrecken zur Verfügung. Die Säuberung der Wafer nach jedem Schritt erfolgt in mindestens 3 Spülbädern mit destilliertem Wasser. 2.2. Organische Reste Das Grundproblem in diesem ersten Verfahrensschritt war die vollständige Abtrennung des organischen Restmaterials, das nach der Pyrolyse auf den Wafern verbleibt. Eine Charakterisierung dieser organischen Reste wurde durch FTIR-Analyse mittels abgeschwächter Totalreflexion (ATR) angestrebt. Das IR-Spektrum eines im Sauerstoffstrom thermisch behandelten Wafers ist Abbildung 4 zu entnehmen. Das Inlet zeigt die Bandenlagen der Vergleichsmessung an einem reinen Si-Wafer mit Antireflexschicht. 4000 3600 3200 2800 2400 2000 1600 1200 800 Abbildung 4: IR-Spektrum der Oberfläche eines durch thermische Behandlung

verunreinigten Wafers (ATR; Auflösung: 1 cm-1) Primär ist eine deutliche Zunahme an Signalen im Spektrum des thermisch behandelten Wafers zu beobachten. Die Untersuchung der Verteilung von

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organischen Resten Auf der Oberfläche gelang mittels FT-IR-Mapping der Wafer anhand der C-H-Streckschwingung bei 3000 cm-1. Generell sollte davon ausgegangen werden, dass die noch auf der Oberfläche befindlichen, klebrigen Filme eine ähnliche Zusammensetzung wie das Kondensat aus den Pyrolyseversuchen aufweisen (siehe Bericht des IEC). Die Schichten sind allerdings sehr dünn, so dass sie anderen Analysemethoden nur schwer zugänglich sind. Die visuelle Dokumentation der Ausgangswafer und der Waferoberflächen nach den unterschiedlichen chemischen Behandlungsversuchen erfolgte durch lichtmikroskopische Aufnahmen. Je nach Temperaturregime und Zusammensetzung der Gasatmosphäre im Pyrolyseofen reagieren die organischen Reste mit dem Silicium zu Carbiden oder es scheidet sich Ruß ab. Nach erfolglosen Versuchen zur Ablösung der Schichten durch gängige organische Lösungsmittel (Ethanol, Aceton, Toluol, n-Hexan, Essigsäureethylester, Isopropanol) und oxidierende Säuren (Salpetersäure in verschiedenen Konzentrationen, Carosche Säure (H2SO5)), konnten die Verunreinigungen mit einem Gemisch aus KOH und H2O2 entfernt werden. Nach bereits durchschnittlich vier Minuten waren die Wafer von organischen Resten gereinigt. Das Ergebnis einer solchen Behandlung zeigt Abbildung 5.

Abbildung 5: Solarzelle nach Pyrolyse (10%ige O2-Atmosphäre) (oben) und nach Reinigung mit KOH/H2O2

(unten) links: Vorderseite, rechts: Rückseite. Einziger Nachteil eines solchen Ätzschrittes ist das anisotrope Ätzverhalten basischer Bäder auf Siliciumoberflächen (Siehe Kapitel 1). Aus diesem Grund muss die Ätzzeit so gering wie möglich gehalten werden. 2.3. Metallisierungen Im zweiten Verfahrensschritt sollen die unterschiedlichen Metallisierungen auf den Solarwafern abgetragen werden. Eine vollständige Entfernung ist für einen Erfolg des

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anschließenden Ätzens des Siliciums von großer Wichtigkeit, da nur so ein optimaler Angriff am Wafer gewährleistet werden kann. Es gibt in Europa 5 größere Produzenten von Pasten für die Herstellung von Leiterbahnen und der Rückseitenmetallisierung, welche jeweils etwa 4 - 5 unterschiedliche Rezepturen anbieten. Da deren Zusammensetzung von Hersteller zu Hersteller stark schwanken kann, ist eine vorherige Analyse der Metallschichten notwendig. Hier bieten sich die Röntgendiffraktometrie (XRD) sowie elektronenmikroskopische Untersuchungen (REM/EDX) an. Die Beläge weisen einen durchschnittlichen Metallgehalt von 65 - 70 % auf, wobei die am häufigsten verwendeten Metalle Aluminium und Silber sind. Zur besseren Bindung an die Siliciumoberfläche sind die Metalle in Fritten eingefasst, welche oft aus Blei-Boro-Silikatgläsern bestehen. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung der nach der Metallisierung vorliegenden Schichten können unterschiedliche Ätzmedien in verschiedenen Konzentrationsbereichen zur Anwendung kommen. Eine reine Silberbeschichtung beispielsweise kann mit 40 %-iger Salpetersäure problemlos gelöst werden. Durch höherkonzentrierte Säure werden derartige Schichten oberflächlich passiviert, wodurch der Löseprozess sehr langwierig wird. Aluminiumschichten werden zum Teil schon durch die vorherige Laugebehandlung beim Abtrennen der Organik-Schichten gelöst oder können vollständig durch Einwirken von HCl oder HF beseitigt werden. Dabei wird das Frittenmaterial meist schon mitgelöst. Das unterschiedliche Verhalten der außerdem noch verwendeten Metalle (Kupfer, Nickel, Zinn, Titan sowie Phosphor und Calcium (Phosphorsilicatgläser)) gegenüber den verschiedenen Ätzmedien machte eine umfangreiche Literaturrecherche notwendig. An deren Ende stand ein allgemeines Ätzschema, das je nach An- und Abwesenheit der Metalle modifiziert werden muss. (Für ausführliche Darstellung des Ätzschemas siehe Zwischenberichte IAC). Ätzmedium Gelöst Noch vorhanden Abtrag organische Schicht KOH / H2O2

Verunreinigungen, teilw. Al, Pyrolyserückstände

PbO, Metalle

Laugen Al, Zn, teilweise: Pb, Sn Cu, Ni, Pd, Ag, Ti Mit Wasser waschen Hydroxide Säuren HNO3 (65%) Pb, Zn, Cu, Ni, Pd, Ag, Sn Ti, Hydroxide, Pb(NO3)2,

AgNO3 Mit Wasser waschen Hydroxide, Nitrate H2SO4 (97%) Al, Cu, Ni, Pb, Pd, Ag, Zn,

Sn Ti

Mit Wasser waschen Sulfate HF (40%) Al, Ni, Pb, Ti Alles gelöst Nachbehandlung H3CCOOH Restl. Pb, Sn, Zn Königswasser (HNO3 + 3HCl)

Pd wird gelöst

Alle untersuchten bisher zugänglichen Solarzellen wurden in einem Katalog aufgenommen und mittels Fotographien und elektronenmikroskopischer Bilder kategorisiert. Die halbquantitativen Analysenergebnisse aus Röntgenpulverdiffraktometrie (XRD) und energiedispersivem Röntgen (EDX) sind

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jeweils beigefügt. Zusätzlich wurde die Zusammensetzung der Antireflexschicht bestimmt. Diese umfangreiche Zusammenstellung macht es möglich ohne größeren analytischen Aufwand den Recyclingprozess auf den Durchsatz unterschiedlicher Chargen von verbrauchten Solarzellen ein- bzw. umzustellen, um eine optimale Behandlung der Zellen vor dem eigentlichen Ätzen des Siliciumwafers zu gewährleisten. Der Katalog steht der Deutschen Solar AG zur Verfügung. Abbildung 6 zeigt zwei Beispiele aus der Zusammenstellung.

a) b)

c) d) Abbildung 6: a) u. b) Rückseite einer Zelle der Fa. Kyocera: die Leiterbahnen

(Grätenstruktur) bestehen aus Pb (helle Flecken) und Sn (dunkel) c) u. d) Frontseite einer Zelle der Fa. Photowatt: die Leiterbahnen be-

stehen aus Ag und die AR-Schicht aus TiOx Der Hauptbestandteil der meisten Metallisierungen ist Silber. Eine Rückgewinnung des Edelmetalls ist bei großem Durchsatz von Wafern aus ökonomischen Gründen zu erwägen. Es wurden 30 Zellen der Fa. AEG, die eine reine Silberbeschichtung aufweisen, in 400 ml 40 %iger HNO3 durchgesetzt. Dabei gingen 14,7 g Ag als AgNO3 in Lösung, was einer Anreicherung auf 36,75 g Ag / l HNO3 entspricht. Damit erschien die Säure allerdings noch nicht erschöpft. Zur Rückgewinnung des Silbers bieten sich verschiedene, technisch gängige Verfahren an. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Investitions- und Betriebskosten muss, unter Berücksichtigung der letztendlich zurückzugewinnenden Menge an Silber, entschieden werden, welches dieser Verfahren für den Recyclingprozess ökonomisch relevant wäre. Sie sind aus der Literatur hinlänglich bekannt und sollen aus diesem Grunde nur genannt werden. - Elektrolyse - Zementation - Fällung Im Labor gelang die Rückgewinnung von Silber durch Zementation und eine vorhergehende Reinigung durch Fällung mit HCl als AgCl.

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2.4. Antireflexschicht Der überwiegende Teil der untersuchten Solarzellen war mit Antireflexschichten aus TiOx überzogen. Andere Zelltypen besaßen Schichten aus Si3N4. Diese konnte mittels eines Bades mit 25% HF bei 25 °C entfernt werden. Abbildung 7 zeigt einen mit dieser Lösung behandelten Wafer.

a) b) Abbildung 7: Oberflächenbeschaffenheit eines Si-Wafers vor (a) und nach (b) dem Ätzen mit 25%iger HF Die Entfernung von Siliciumnitritschichten gelingt mit Bädern aus HF und HNO3. Eine neue Aufgabe ergab sich bei der Aufarbeitung von Ausschusswafern mit TiOx-Schichten nach der n-Dotierung (Abbildung 8). Eine Behandlung der Antireflexschicht mit dem oben beschriebenen HF-Bad löste nur das Titanoxid, während die Flecken zurückblieben.

a) b) Abbildung 8: Produktionsausschuss nach der n-Dotierung vor (a) und nach (b) dem Ätzen in einem HF-Bad Die qualitative Röntgenfluoreszenzanalyse dieser Flecken ergab eine Zusammensetzung aus Chrom, Phosphor, Sauerstoff und Schwefel. Durch ca. 3 minütiges Ätzen mit 30%iger KOH oberhalb einer Temperatur von 34,5°C (30%ige NaOH: Tmin = 36,5°C) konnten diese Flecken abgelöst werden. Erstaunlicherweise wurde in diesem Ätzschritt auch die Titanoxidschicht aufgelöst. Da die Ätzraten alkalischer Bäder in diesem Temperaturbereich noch sehr niedrig sind (r < 1 nm/s), sollte sich ihr anisotropes Ätzverhalten nicht so negativ auf die Oberflächenbeschaffenheit von multikristallinem Silicium auswirken. Prinzipiell gilt jedoch auch beim Ätzen der Antireflexschichten wieder, dass die Verwendung isotrop arbeitender, saurer Bäder als günstiger anzusehen ist.

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3. Ätzen der Siliciumwafer Von vordergründigem Interesse ist für das Recycling der Solarwafer das anisotrope Ätzen in HF / HNO3 / H2O – Gemischen gemäß dem Brutto-Prozess:

3 4 23Si+4HNO +12HF 3SiF +4NO+8H O (5)→

Formal ist dieser differenzierbar in die beiden Reaktionen Oxidation des Siliciums

3 2 23Si 4HNO 3SiO 4NO 2H O (6)+ → + +

und Spaltung der Si-O-Bindung

2 4 23SiO 12HF 3SiF 6H O (7)+ → +

gekoppelt mit der Bildung eines wasserlöslichen Komplexes [SiF6]2- nach

4 2 63SiF 6HF 3H SiF . (8)+ →

Für diese Reaktionen werden in der Literatur mehrere Mechanismen diskutiert, welche sicherlich einer Abhängigkeit von pH-Wert und Konzentration der Reaktionspartner unterliegen. Je nach Konzentration des Oxidationsmittels Salpetersäure entstehen zweifellos unterschiedliche Stickoxide NOx und damit unterschiedliche kinetische Faktoren für den weiteren Reaktionsablauf. Detaillierte Untersuchungen zur Kinetik der Reaktion wurden beispielsweise von Robbins und Schwartz (H. Robbins, B. Schwartz, J. Electrochem. Soc. 106, (1959) 505 / 107, 960) 108) durchgeführt. Jedoch wurden diese Versuche an idealen Siliciumoberflächen und zudem an n-dotiertem Material durchgeführt, so dass die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf die vorliegenden Systeme übertragbar sind. Beim Recycling liegen auf Grund der vorhergehenden Behandlung stark gestörte Oberflächen vor. Außerdem handelt es sich bei den Solarwafern in der Regel um p-dotiertes Material. Aus diesem Grunde wurden im ternären System HF / HNO3 / H2O die Ätzraten r von Siliciumwafern in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Lösung bei Raumtemperatur bestimmt. Aus etwa 100 Durchschnittswerten von jeweils 5 Parallelbestimmungen ergibt sich die im Dreiecksdiagramm aufgetragene Situation gemäß Abbildung 9. Auf diese Weise und verfeinert durch multiple Regression konnten charakteristische Ätzratenbereiche festgelegt werden. Diese weichen erheblich von den bisher für Elektronik-Siliciumwafer angegebenen Ätzraten ab. Aus der Abbildung 9a wird deutlich, dass das Ätzen nur in sehr schmalen Konzentrationsbereichen technisch steuerbar ist. Bei einer Ätzrate von 2000 nm/s beispielsweise würde ein Wafer der üblichen Dicke von 300 µm bei beidseitigem Ätzangriff nach 75 s vollständig aufgelöst sein. Bei zu geringen Konzentrationen hingegen sinken die Ätzraten auf Werte, die unökonomisch sind. Eine präzise Prozesskontrolle erscheint damit notwendig.

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10 20 50 100 200 300 500 1000 2000 3000 aboveH2O HNO3 (65%)

HF (40%)

0,25

0,50

0,75

0,25 0,50 0,75

0,25

0,50

0,75

r [nm/s]

drt

=

>3000

10 20 50 100 200 300 500 1000 2000 3000 aboveH2O HNO3 (65%)

HF (40%)

0,25

0,50

0,75

0,25 0,50 0,75

0,25

0,50

0,75

r [nm/s]

drt

=

>3000

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 abovexHF/xHNO3

X H2O

0,60

0,62

0,64

0,66

0,68

0,70

0,72

0,74

0,76

0,78

0 2 4 6 8 10 12 14 16

r [nm/s] 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 abovexHF/xHNO3

X H2O

0,60

0,62

0,64

0,66

0,68

0,70

0,72

0,74

0,76

0,78

0 2 4 6 8 10 12 14 16

r [nm/s]

Abbildung 9: Gebiete gleicher Ätzrate im System HF/HNO3/H2O, a) Dreieckdiagramm, b) Darstellung xH2O über xHF/xHNO3 Beim Ätzen in sauren Lösungen wird zwischen Politur- und Strukturätzen unterschieden. Im Prinzip ist die Reaktionsgeschwindigkeit der Auflösung des Siliciums stark vereinfacht durch Gleichung zu beschreiben: r(Ätz) = dn/dt = n∞ [A*D(T) / δ] exp[-A*D(T)*t / δ]

dn/dt = Ätzrate n∞ =Grenzkonzentration A = Waferfläche D = Diffusionskonstante δ = Diffusionsschichtdicke d.h. sie wird bestimmt durch die Diffusion von HF an die Oberfläche, die eigentliche chemische Reaktion zum SiF4 und die Abdiffusion der Reaktionsprodukte in die Lösung. Beim Politurätzen ist ein Diffusionsschritt geschwindigkeitsbestimmend, d.h. die Ätzrate ist unempfindlich gegen Verunreinigungen und Kristallfehler. Aus der Oberfläche hervortretende Unebenheiten werden stärker abgetragen. So entsteht eine glatte Oberfläche. Beim Strukturätzen hingegen ist die chemische Reaktion geschwindigkeitsbestimmend. Demzufolge wird die Oberflächenstruktur nach dem Ätzen erheblich durch die Kristallorientierung und die Kristallfehler des Siliciums beeinflusst. Die stark geschädigten Waferoberflächen aus dem Recyclingprozess müssen zunächst weitgehend geglättet werden. Erst dann kann je nach Wunsch eine Strukturierung bzw. Texturierung der Oberfläche vorgenommen werden. Um eine Einteilung des ternären Diagramms aus Abbildung hinsichtlich der Oberflächenqualitäten treffen zu können, wurden elektronenmikroskopische Untersuchungen an den Proben aus der Ätzratenbestimmung durchgeführt. So konnten Reaktand-Konzentrationsbereiche, bei denen eine ähnliche Oberflächenstruktur resultiert, für das Dreiecksdiagramm ermittelt und von anderen Bereichen abgegrenzt werden (Abbildung 10). Wiederum wird deutlich, dass nur ganz bestimmte Konzentrationsbereiche der Ätzreaktanden für eine gezielte Oberflächengestaltung nutzbar sind. In davon abweichendem Fall kann die Oberfläche so stark angegriffen werden, dass der Wafer mechanisch sehr instabil oder die Oberfläche so rau wird, dass er nach der vorgesehenen Ätzprozedur nicht mehr prozessierbar ist.

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Abbildung 10: Bereiche ähnlicher Oberflächenbeschaffenheit im Ätzsystem HNO3/HF/H2O Die Darstellung im Dreieckdiagramm ist für wissenschaftliche Auswertung nicht immer sinnvoll. Werden die Molenbrüche der Komponenten bzw. ihre Quotienten gegeneinander Aufgetragen, ergibt dies eine interessante zweidimensionale Darstellung, welche es ermöglicht, die technisch nutzbaren Konzentrationsbereiche leicht zu bestimmen. Der Einfluss der Flusssäurekonzentration auf die Geschwindigkeit der Reaktion wird so wesentlich deutlicher, als in alternativen Darstellungen (siehe Abbildung 9b). Alle Einzelergebnisse aus den bisherigen Bestimmungen der Ätzraten und der Oberflächenmorphologien sind in einem Ätzkatalog zusammengestellt worden, um Ätzbäder entsprechend den jeweiligen Anforderungen ganz gezielt einstellen zu können. Der Katalog steht der Deutschen Solar AG zur Verfügung. Durch den schrittweisen Ersatz von Wasser durch Eisessig konnten neue Varianten für Politur und Textur von Waferoberflächen getestet werden. Ziel war dabei die Wasseraktivität in der Lösung herabzusetzen. Die Ergebnisse sind im Dreieckdiagramm dargestellt (Abbildung 11).

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HNO3 (65%)0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

HF (40%)

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

CH3COOH

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

12

34

56

789

1011

1213

1415

16

1718

19

202122

2324

25

262728

293132

3334

30

hellerwerdend

sehr dunkle Textur;oft ungleichmäßig;Korngrenzen

hell; Korngrenzen angegriffen

mehr oder weniger stark polierend

mattgraue Textur

Abbildung 11: Regionen von Konzentrationsverhältnissen mit uniformen Ätzergebnissen im System HF/HNO3/CH3COOH 4. Prozessanalytik Beim Ätzen der Siliciumwafer treten in den Lösungen, entsprechend den Reaktionsgleichungen 9 und 10,

NOOHSiFHHNOHFSi 4834183 2623 ++→++ (9)

22623 4446 NOOHSiFHHNOHFSi ++→++ (10) die Spezies HF, H2SiF6, HNO3 sowie die Stickoxide NO und NO2 auf. Anliegen der Prozessanalytik zur Kontrolle der Ätzbäder muss demzufolge eine schnelle und einfache Bestimmung von Gesamtacidität, Hexafluorokieselsäurekonzentration, Fluorid- und Nitratgehalt sowie der Art und des Anteils an gelösten Stickoxiden (NOx) sein. (Detaillierte Beschreibung der Analysen siehe Zwischenberichte IAC) Zur Analyse der Badkomponenten wurden folgende Methoden herangezogen:

- Salpetersäure, Hexafluorokieselsäure: RAMAN-Spektroskopie - Gesamtacidität, Hexafluorokieselsäure: Titration - Nitrat, Nitrit, Fluorid: Ionenchromatographie - Fluorid: Fluoridselektive Elektrode - Silicium: ICP-AES

Aufgrund der unterschiedlichen Löslichkeiten von NO und NO2 in den Bädern und der sich einstellenden Gleichgewichte zwischen NO2 und HNO3 sowie NO2 und NO kann davon ausgegangen werden, dass in den Lösungen überwiegend NO2 vorliegt (siehe Zwischenberichte IAC). Über den Gehalt an NO2 können also Aussagen zum Verbrauch an HNO3 und damit zum Fortschritt der Reaktion getroffen werden. Die Lage des eingestellten Gleichgewichtes hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ätzverhalten der Lösung.

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IAC Abschlussbericht

Die Bestimmung des NO2-Gehaltes gelingt gasvolumetrisch durch Auffangen des bei der Reaktion mit 10 %iger Amidoschwefelsäure gebildeten Stickstoffs in einer Gasbürette. Die Bestimmung der Gesamtacidität erfolgt nach Zersetzung des NO2 mit Harnstoff durch Titration mit NaOH gegen Tashiro-Indikator (Methylrot-Methylenblau, Umschlagspunkt pH 4,4-6,2). Salpetersäure und Flusssäure verbrauchen je ein Äquivalent Lauge, Hexafluorokieselsäure zwei. Der Indikator muss im sauren Bereich umschlagen, da sonst die Hexafluorokieselsäure hydrolysiert und mehr als zwei Laugeäquivalente verbraucht. Günstig erscheint deshalb die vorherige Fällung des SiF6

2- durch Zugabe des gleichen Volumens gesättigter Kaliumchloridlösung und des doppelten Volumens Ethanol nach

+ − + − + −+ + + → + +262H SiF 2K 2Cl 2H 2Cl K SiF ↓2 6

2

(11) So kann teilweise Hydrolyse durch lokale Alkalisierung verhindert werden. Zur bereits neutralisierten Lösung wird das zweieinhalbfache Volumen 4 N-Calciumchloridlösung gegeben und daraufhin erhitzt. Das Hexafluorosilicat zersetzt sich, wobei Säure frei wird, die wiederum mit NaOH titriert wird.

− + ++ + → + +2 26 2 2SiF 3Ca 2H O 4H 3CaF SiO (12)

Aus dem Verbrauch kann der Gehalt an Hexafluorokieselsäure bestimmt werden. (s. W. Fresenius, G. Jander, Handbuch der analytischen Chemie, 3. Teil, Bd. IV aα, Springer 1967). Die HF-Konzentration der Lösung wird mittels fluoridionenselektiver Elektrode nach DIN 38405 unter Zugabe eines Puffers (TISAB – total ionic strength adjustment buffer) analysiert. Die Nitratbestimmung wird ionenchromatografisch an einem DX-100 der Firma Dionex mit der Säule AS9-HC durchgeführt. Da durch die Verwendung des basischen Eluenten die Hexafluorokieselsäure hydrolysiert wird, kann mit dieser Methode zusätzlich nur der Gesamtfluoridgehalt der Lösung bestimmt werden. Aus den Werten für NO3

- und F-gesamt lässt sich allerdings eine weitere Berechnung der

Gesamtacidität durchführen. Der Siliciumanteil der Ätzlösungen lässt sich mittels ICP-AES (Perkin-Elmer Plasma 2000) bestimmen. Dabei muss besondere Sorgfalt auf die Kalibrierung mit matrixangepassten, also fluoridhaltigen Lösungen, verwendet werden. Die Messungen ergeben sonst deutlich zu hohe Werte aufgrund des teilweisen Auflösens der Quarzfackel im Gerät. Auf Grundlage der beschriebenen Methoden gelingt eine vollständige Analyse der Ätzlösungen und somit eine genaue Bilanzierung der Ätzprozesse. Die Methoden zur Charakterisierung der Wafer wurden bereits im Kapitel 2. genannt:

- IR-Analyse nach Abtrag der organischen Reste - Röntgenpulverdiffraktometrie zur Charakterisierung der

Metallisierungen - Röntgenfluoreszenzanalyse zur Bestimmung der Zusammensetzung

der Antireflexschichten.

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IAC Abschlussbericht

Mit dem Ziel die Prozesse in den Bädern besser zu verstehen und vor allem um eine Redoxbilanz aufstellen zu können, wurde die Gasphase über den Bädern mittels IR-Spektroskopie untersucht. Dabei wurde sowohl unter Inertgas (Argon) als auch unter Sauerstoffhaltiger Atmosphäre (Luft) geätzt. Der Vergleich der aufgenommen Spektren zeigt, dass erst durch Luftsauerstoff das beim Ätzen entstehende und NO zu NO2 oxidiert wird. In die Redoxbilanz des Ätzprozesses muss also NO aufgenommen werden. In der Gasphase wurden auch SiF4 und N2O nachgewiesen. SiF4 ist in wässrigen Lösungen nicht stabil. Eine Erklärung seines Auftreten impliziert die Annahme, dass es aufgrund der großen Wärmeentwicklung im Bad in Gasblasen aus der Lösung ausgetrieben wird. 5. Bilanzierung der Stoffkonzentrationen Um Reaktionsgleichungen aufstellen zu können die allen experimentellen Befunden Rechung tragen und um somit die Badzusammensetzung optimieren zu können, wurde eine Stoffbilanz der auftretenden Verbindungen erstellt. Durch vollständiges Auflösen von abgewogenen Siliciumstücken und anschließendes Analysieren das Badzusammensetzung konnten die Vorgänge bilanziert werden. Die gasförmigen Produkte konnten durch die IR-Experimente identifiziert werden. Es gibt zwei mögliche Bilanzgleichungen für das Auflösen von Silicium, die nicht mit den experimentellen Ergebnissen kollidieren:

3 Si + 4 HNO3 + 18 HF 3 H2SiF6 + 4 NO + 8 H2O (13)

3 Si + 12 HNO3 + 18 HF 3 H2SiF6 + 12 NO2 + 12 H2O (14) Der experimentelle Verbrauch der Säuren pro Mol aufgelöstes Silicium lässt sich aber mit keiner der aufgeführten Gleichungen erklären. Die Aufnahme von N2O würde das Verhältnis nur noch ungünstiger werden lassen. Die Frage nach einer Bruttoreaktionsgleichung, die allen experimentellen Ergebnissen gerecht wird, muss also unbeantwortet bleiben. Die ermittelten Stoffbilanzen erlauben aber eine gezielte Abstimmung der Bäder für den jeweiligen Anwendungszweck. Abbildung 12 zeigt eine solche Stoffbilanz am Beispiel eines Politurbades bei 25°C. Der limitierende Faktor scheint bei allen Bädern die Konzentration an HF zu sein. Das folgt aus formalkinetischen Betrachtungen der Bäder (siehe auch Zwischenbericht 5). Eine Steigerung der Standzeit kann durch Nachdosierung der verbrauchten Komponenten erreicht werden.

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IAC Abschlussbericht

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0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Ätzdurchgänge

Kon

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ratio

n in

g/l

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Nitr

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in g

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HF

H+

NO2-

H2SiF6

Abbildung 12: Stoffbilanzen in einem Politurbad bei 25°C 6. Ätzbäder mit Nachdosierung Da beim Ätzprozess die Komponenten der Ätzbäder verbraucht und gleichzeitig neue gebildet werden, muss ein Weg gefunden werden, die Bäder möglichst lange nutzen zu können. Er wurden Experimente mit Nachdosierung der verbrauchten Komponenten durchgeführt. Jeweils nach 10 Durchgänge wurden die Säure-konzentrationen durch Zugabe der konzentrierten Säuren auf die Ausgangswerte eingestellt. Die Ätzrate konnte so immer wieder auf den Ausgangswert gesteigert werden. Allerdings sinkt die Ätzrate dann immer schneller ab, was wahrscheinlich auf die höher werdende Salzlast der Bäder zurückzuführen ist. Hier spielt sowohl die Ionenstärke eine Rolle als auch Adsorptionseffekte auf der Siliciumoberfläche. Die Standzeit eines Bades kann durch Nachdosierung der verbrauchten Säuren gesteigert werden. Die Qualität der erzeugten Siliciumoberflächen nimmt durch die höhere Salzlast keinen Schaden. Abbildung 13 zeigt die Ätzraten und die Temperatur eines Bades mit Nachdosierung nach 10 Durchgängen. Zum Nachdosieren der verbrauchten Komponenten ist eine Patentanmeldung in Vorbereitung. Um in einem Ätzbad die entscheidenden Konzentrationen zu bestimmen, sind etwa zwei Stunden erforderlich. Der Zeitaufwand gliedert sich in ca. eine Stunde Titration (Doppelbestimmung der Gesamtacidität und Hexafluorokieselsäure) und ca. eine Stunde Arbeit am Ionenchrommatograph zur Bestimmung der Anionen (Doppelbestimmung). Dieser Wert ist allerdings stark abhängig vom verwendeten Gerät und kann durch Einsatz moderner Technik leicht auf die Hälfte reduziert werden.

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IAC AbschlussberichtÄnderung der Ätzrate bei Nachdosierung und Kontrolle der Ätzendtemperatur

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0 5 10 15 20 25 30 35 40

Ätzdurchgänge

Ätzr

ate i

n nm

/s

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°C

1. Nachdosierung 2. Nachdosierung 3. Nachdosierung

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Abbildung 13: Ätzraten (rot) und Temperatur (blau) eines Texturbades mit Nachdosierung der verbrauchten Säuren 7. Substitution der Salpetersäure Beim angestrebten Recycling von Solarzellen fallen große Mengen von verbrauchten Ätzbädern an. Die Entsorgung dieser HF/HNO3-haltigen Lösungen stellt ein ökologisches und ökonomisches Problem dar. Wünschenswert ist eine möglichst vollständige Substitution der Salpetersäure durch stickstoffhaltige Salze. Erste Experimente zu dieser Problemstellung haben gezeigt, dass dies ein möglicher Weg für zukünftige Entwicklungen ist. Durch Substitution der HNO3 gegen NO+-Salze konnte eine Reaktivitätssteigerung isotroper Ätzsysteme erreicht werden. Die erzielte Oberflächenqualität der so geätzten Wafer steht der in herkömmlichen Bädern erzeugten in nichts nach. Vermutlich ist das NO+-Kation die entscheidende Spezies in der Lösung. Um seine Konzentration möglichst hoch zu halten, müssen die Ätzbäder eine geringe Wasseraktivität aufweisen. 8. Wärmebildexperimente Um die Wärmeentwicklung während des Ätzens beobachten zu können, wurden Experimente mit einer Wärmebildkamera durchgeführt. Die Verteilung der Wärme im Bad gibt Hinweise auch auf den Stofftransport im Bad. Die Versuche machten deutlich, dass innerhalb der Küvette Temperaturunterschiede von einigen Kelvin auftreten. Die unterschiedliche Temperatur muss auch einen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit haben und könnte eine Ursache der experimentell beobachteten Ränder an geätzten Wafern sein. Diese Ränder sind an den Stellen zu beobachten, die in den Führungsschienen der Carrier stecken. Der Entwurf einer neuen Form von Carriern zur Vermeindung von Rändern ist derzeit Gegenstand intensiver Bemühungen der Deutschen Solar AG. Die Wärmebilder (Abbildung 13) können hier Hinweise auf ein besser geeignetes Design liefern.

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IAC Abschlussbericht

nach 2 min nach 6 min n nach 9 min nach 12 min Abbildung 14: Wärmebilder eines Wafers im Ätzbad Die abgeschrägten Kanten des Carriers sind in den Wärmebildern zu erkennen (siehe Pfeil). Die aufgenommenen Bilder sind zu Filmen zusammengeschnitten und stehen der Deutschen Solar AG zur Verfügung. Sie erlaben einzigartige Einblicke in Wärme- und Stoffverteilung von Ätzbädern. 9. Zusammenfassung und Ausblick In enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Solar AG und den Instituten für Thermische Verfahrenstechnik und Experimentelle Physik der TU Bergakademie wurde ein Verfahren zum Recycling von Solarzellen entwickelt. Aufgabe des Instituts für Anorganische Chemie war das Reinigen und Ätzen der thermisch von den Glasplatten befreiten Solarwafern. Es ist gelungen, alle Wafer die geliefert wurden von Pyrolyserückständen zu befreien. Die aufgebrachten Rückseitenmetallisierungen können mittels eines zusammengestellten Katalogs schnell bestimmt werden. Ein erarbeitetes allgemeines Ätzschema erlaubt die Rückgewinnung der p-dotierten Solarwafer. Das allgemeine Schema muss je nach den vorhandenen Metallen modifiziert und angepasst werden. Antireflexschichten können in einfacher Weise mit HF-Lösungen entfernt werden. Die Aufgabenstellungen des Projektes konnten gelöst werden.

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IAC Abschlussbericht

Für zukünftige Arbeiten bleibt die Frage bestehen, wie mit NO+-Salzen die Salpetersäure ersetzt werden kann, oder wie die Ätzprozesse auf molekularer Ebene ablaufen (woher z. B. die großen kinetischen Hemmungen kommen).

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