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(Aus der Universit~ts-Hautklinik Freiburg i. Br, -- Direktor: Prof. Dr. G. A. Rost.) 13ber Blutzuekerwerte bei Hautkrankheiten. Volt Dr. Alfred Miiller, Assistent der Klinik. (Eingegangen am 6. Januar 1929.) In Anbetracht der Wichtigkeit der Blutzuekeruntersuchungen bei Hautkrankheiten im Sinne eines diagnostischen ttilfsmittels wurden unsere frfiheren Untersuehungen im Ansehlul3 an die Zusammenfassung yon M. Loeb systematisch fortgeffihrt, so dab nunmehr das Ergebnis einer weiteren grSl~eren Zahlenreihe vorliegt. Ehe wir jedoch hierauf eingehen, mSchten wir kurz fiber die yon anderer Seite in der Literatur der letzten 3 Jahre festgelegten Resultate berichten. Die beim Ekzem yon Campbell und Burgess angestellten Blutzuckerunter- suchungen liei]en hierbei 2 Gruppen unterscheiden. Die eine zeigte verminderte Zuckerassimilation und verl~ngerte Dauer bis zur Erreichung des Ausgangswertes, bei der anderen bestand neben verminderter Assimilation und herabgesetzter Zuckertoleranz gleichzeitig Glykosurie. Diese Zuckerintoleranz ist jedoeh nicht eindeutig mit dem Ekzem als Erkrankung sui generis in Beziehung zu setzen. Bei einer kleineren Gruppe yon Kranken bestand aul~er der Erkrankung Gravidit~t, bei einer gr6ileren Gruppe, die Leute um das 50. Lebensjahr herum ~n~al~te, wurden arteriosklerotisehe Veranderungen im Pankreas engenommen. Wir werden auf die Wiehtigkeit der Beachtung derartiger ,,akzessoriseher" Momente sparer eingehen. Hyperglyk~mie beim Ekzem fanden ferner Hudelo und Kourilsky; bei be- sonderen Ekzemformen aueh Macdonald. Unregelm~ige Befunde wurden erhoben yon lCreund, Lacroix, Raynaud, Lacroix und Hadida, Sti~mpke und Soika. ttyperglyk~mie bei ~'urunculose fanden in (~bereinstimmung mit den Unter suchungen yon M. Loeb auch Campbell und Burgess, Freund, Hudelo und Kourilsky, Baynaud, Lacroix und Hadida. Verhaltnismi~l~ig h~ufig und regelm~l~ig wird noeh bei Psoriasis Hyperglyk- ~mie ~estgestellt (Freund, Hudelo und Kourilsky, Lortat.Jacob und Bourgeois, Neumark, l~aynaud, Laeroix und Hadida). Eine Gesetzm~igkei~ scheint sich je- doeh aus diesen Befunden nieht ableiten zu lassen. Wie Lortat-Jacob betont, kommt eine StSrung des Kohlehydratstoffwechsels nut fiir gewisse FMle yon Psoriasis in BetraehL nur diese lassen sich dann dureh Insulingaben giinstig beeinflussen. Das Verhalten des Blutzuckers bei Syphilis wurde untersueht yon ~'reund, Sparracio, Soler und Blasco, Neumark und Czaczkowaska, Crosti, Rosen und Kras- now. Wiihrend letztere in 90 % normale Werte fanden, kamen die iibrigen Autoren iibereinstimmend zu dem Ergebnis, dal] haupts~ehlich die Sekund~rperiode mit Hyperglyk~mie einherginge. Die Ursaehe hierfiir mag tefls in spezifischen Organ st6rungen liegen (Soler und Biased, Crosti), tells auf einen ver~inderten Reiz- zustand des vegetativen Nervensystems zurfickzuffihren sein (Neumark und Czaezkowaska). Von sonstigen Erkrankungen, die zuweflen mit Hyperglyk~mie einhergehen kSnnen, sind zu nennen: Lupus vulgaris (Freund), Pyodermien (Lortat-Jacob und

Über Blutzuckerwerte bei Hautkrankheiten

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Page 1: Über Blutzuckerwerte bei Hautkrankheiten

(Aus der Universit~ts-Hautklinik Freiburg i. Br, - - Direktor: Prof. Dr. G. A. Rost.)

13ber Blutzuekerwerte bei Hautkrankheiten.

Volt

Dr. Alfred Miiller, Assistent der Klinik.

(Eingegangen am 6. Januar 1929.)

In Anbetracht der Wichtigkeit der Blutzuekeruntersuchungen bei Hautkrankheiten im Sinne eines diagnostischen ttilfsmittels wurden unsere frfiheren Untersuehungen im Ansehlul3 an die Zusammenfassung yon M. Loeb systematisch fortgeffihrt, so dab nunmehr das Ergebnis einer weiteren grSl~eren Zahlenreihe vorliegt. Ehe wir jedoch hierauf eingehen, mSchten wir kurz fiber die yon anderer Seite in der Literatur der letzten 3 Jahre festgelegten Resultate berichten.

Die beim Ekzem yon Campbell und Burgess angestellten Blutzuckerunter- suchungen liei]en hierbei 2 Gruppen unterscheiden. Die eine zeigte verminderte Zuckerassimilation und verl~ngerte Dauer bis zur Erreichung des Ausgangswertes, bei der anderen bestand neben verminderter Assimilation und herabgesetzter Zuckertoleranz gleichzeitig Glykosurie. Diese Zuckerintoleranz ist jedoeh nicht eindeutig mit dem Ekzem als Erkrankung sui generis in Beziehung zu setzen. Bei einer kleineren Gruppe yon Kranken bestand aul~er der Erkrankung Gravidit~t, bei einer gr6ileren Gruppe, die Leute um das 50. Lebensjahr herum ~n~al~te, wurden arteriosklerotisehe Veranderungen im Pankreas engenommen. Wir werden auf die Wiehtigkeit der Beachtung derartiger ,,akzessoriseher" Momente sparer eingehen.

Hyperglyk~mie beim Ekzem fanden ferner Hudelo und Kourilsky; bei be- sonderen Ekzemformen aueh Macdonald. Unregelm~ige Befunde wurden erhoben yon lCreund, Lacroix, Raynaud, Lacroix und Hadida, Sti~mpke und Soika.

ttyperglyk~mie bei ~'urunculose fanden in (~bereinstimmung mit den Unter suchungen yon M. Loeb auch Campbell und Burgess, Freund, Hudelo und Kourilsky, Baynaud, Lacroix und Hadida.

Verhaltnismi~l~ig h~ufig und regelm~l~ig wird noeh bei Psoriasis Hyperglyk- ~mie ~estgestellt (Freund, Hudelo und Kourilsky, Lortat.Jacob und Bourgeois, Neumark, l~aynaud, Laeroix und Hadida). Eine Gesetzm~igkei~ scheint sich je- doeh aus diesen Befunden nieht ableiten zu lassen. Wie Lortat-Jacob betont, kommt eine StSrung des Kohlehydratstoffwechsels nut fiir gewisse FMle yon Psoriasis in BetraehL nur diese lassen sich dann dureh Insulingaben giinstig beeinflussen.

Das Verhalten des Blutzuckers bei Syphilis wurde untersueht yon ~'reund, Sparracio, Soler und Blasco, Neumark und Czaczkowaska, Crosti, Rosen und Kras- now. Wiihrend letztere in 90 % normale Werte fanden, kamen die iibrigen Autoren iibereinstimmend zu dem Ergebnis, dal] haupts~ehlich die Sekund~rperiode mit Hyperglyk~mie einherginge. Die Ursaehe hierfiir mag tefls in spezifischen Organ st6rungen liegen (Soler und Biased, Crosti), tells auf einen ver~inderten Reiz- zustand des vegetativen Nervensystems zurfickzuffihren sein (Neumark und Czaezkowaska).

Von sonstigen Erkrankungen, die zuweflen mit Hyperglyk~mie einhergehen kSnnen, sind zu nennen: Lupus vulgaris (Freund), Pyodermien (Lortat-Jacob und

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6~0 A. ~Iiiller:

Bourgeois), Urticaria (Macdonald), Erythema exsudativum multi/orme (Hudelo und Kourilsky).

Es interessiert uns natfirlich in erster Linie, ob zwischen Hauter- krankung und Hyperglyk~mie ein urs~ichlicher Zusammenhang besteht. Von Wichtigkeit hierbei ist die Ausschaltung oder wenigstens die Kennt- nis yon solchen Begleitumst~nden, die yon EinfluB auf den Blutzucker- spiegel sein kSnnen. Im Hinblick auf derartige ,,akzessorische" Mo- mente sind noeh einige diesbezfigliche Arbeiten zu nennen.

Der Einflul~ der Elektrolyte auf den Blutzucker ist noch nicht g~nz sicher- gestellt. Blutzuckersteigerung nach Calciuminjektionen, umgekehrt Senkung nach Kalium ist mehrfach beobachtet worden. Doch widersprechen sich die Ergcbnisse noch zu sehr; teilweise konnten iiberhaupt keine Ver~nderungen Icstgestellt werden. (Literatur bei HasenShrl und H6gler.)

Das Verhalten des Blutzuckers in Beziehung zur Temperatur wurde yon Geiger untersucht. Hiernach geh~ Fieberanstieg mit Hyperglyk~mie einher, die auf der FicberhShe wieder verschwindet. Spontane Entfieberung ffihrt zu Hypoglyk~mie, Entficberung durch Antipyretica zu Hyperglykiimie.

Vergleichende Blutzuckeruntersuchungen in capill~rem und venSsem Blute (D6rle und Frank) haben bei Gesunden, Hypertonikern und Luetikern gewisse Differenzen ergeben, die zeitlich yon der Nahrungsaufnahme ~bh~ngig waren. Die geringsten Unterschiede fanden sich rnorgens im Niichternblut, so dai~ Blutzucker- untersuchungen im venSsen Blute, die aus praktischen Griinden hin und wieder vorgenommen werden, kanm zu Bedenkcn AnlaI~ geben.

Schlie~lich ist noch interessant das Verhalten des Blutzuckers nach Intra- cutaninjektionen yon N~C1, Insulin u. a. Es ergibt sich bei Gesunden und Krankcn verschiedenes Verhalten, tells Ansteigcn, teils Absinkcn des Blutzuckers (Trdger). Verf. schlieBt uus den Untersuchungen, da]~ dem erhiihten par~sympathischen Tonus der Haut ein erh(ihter sympathischer Tonus der vegctativen 0rgane cnt- spricht und umgckehrt.

Die Durchsicht der Literatur der letzten 3 Jahre weist vor allem auf die Notwendigkeit hin, fiir Blutzuckeruntersuchungen bei Haut- krankheiten eine Reihe yon Forderungen aufzustellen, einerseits um die Untersuehungen flit die weitere Erforschung einzelner Erkrankungen wirklieh nutzbringend zu gestalten, andererseits um die MSglichkeit zu haben, die in der Literatur niedergelegten Ergebnisse miteinander vergleichen zu kSnnen 1.

Es wird schon jetzt mehr und mehr Wert darauf gelegt, Blutzucker- untersuchungen bei jedem in Betraeht kommenden Krankheitsfalle mehr]ach anzustellen, einerseits um die Beziehungen zum Krankheits- verlauI festzulegen (Hyperglyk~mie bei starker Exsudation, Freund)~ audererseits um dureh Belastungsproben etwaige StOrungen des Zucker- stoffweehsels festzustellen (Urbach u. a.).

Ferner ist unbedingt auf Begleitumstgnde zu achten, z. B. Schwanger- schaft, Fieber, HShensonnenbestrahlungen und dergleichen. F~lle, wo eine Hyperglyk~mie eventuell auf derartige ,,akzessorisehe" Momente

1 Wir folgen bier im wesentlichen den Anschauungen yon Rost, s. Festschr. fiir Lo Monaco.

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Uber Blutzuckerwerte bei Hautkr~nkheiten. 641

zurtickgeffihrt werden kSnnte, oder wo mehrere Krankheiten neben- einander bestehen, sollten ffir vergleichende Untersuchungen besser weggelassen werden. Weiter ist zu fordern die ausschlie~liche Verwen- dung yon ~iichternblut. Wenn aueh die Untersuchungen yon Lgwy fiir die Nachmittagsstunden eine ziemliche Konstanz des Blutzucker- sloiegels ergeben haben, so bleibt doch ein Moment der Unsieherhei~ bestehen, das entspreehend der gestellten Forderung leieht beseitigt werden kann.

Schwierigkeiten mehr individueller Art bietet eine exa/ste Diagnosen. stellung. Ein Schulbeispiel hierffir ist der Begriff ,,Ekzem". Wie ein Einbliek in die Literatur lehrt, ist gerade beim Ekzem eine weit- gehende Verschiedenheit der Blutzuckerbefunde festzustellen. Diese kann auch unseres Erachtens solange nicht ausbleiben, als dieser Krankheitsbegriff noeh in so umfassenden Mal~e gebraucht wird wie bisher. Wir erinnern bier an die Bestrebungen yon Rosl, ekzemghnliehe Krankheitsbilder, die einem besonderen Status entsprechen, als Ek- zematoide abzutrennen. Hierher gehSrt ebenfalls die Unterseheidung von Ekzem und Dermatitis, so da~ ffir die Bezeichnung ,,Ekzem" nur eine verhgltnismal~ig kleine, nach klinisehen und kausalgenetisehen Gesichtsp~nkten wohl definierte Krankheitsgruppe iibrigbteibt.

Welter ergeben sich Fehlerquellen, die in der Methodik oder in der PersOnliehkeit des Untersuchers liegen. Dera~rtige ,,individuelle Unter- schiede" bei den einzelnen Untersuchern lassen sich nur sehwer aus- schalten. Diese Fehlerquelle kann vermindert werden, wenn der Unter- sucher sich mOglichst eng an eine der als zuverlgssig bekannten Me- thoden h~ilt, ohne bewuSt oder unbewu~t kleine Abgnderungen vor- zunehmen. Es sei bier noch auf die im allgemeinen durchaus nicht als selbstverstgndlich angesehene Forderung hingewiesen, bei jedem Versueh eine analytisch abgewogene ZuckerlSsung mitzubestimmen.

Sehliel~lich ist die Bewertung der Ergebnisse sehr yon der individuellen Einstellung abhgngig, da schon die Angaben fiber den Normalwert stark auseinander gehen und d~her in dem einen Falle Werte als nor- mal angesehen werden, die einem anderen Untersucher als pathologiseh erscheinen.

Die in der Literatur als normal angesehenen Werte liegen zwischen 60 und 120rag%, also innerhalb einer sehr grol3en ]~reite I. In An- betraeht dieser grol~en Versohiedenheit ist es unzulgnglich, einfach yon einer prozentualen ErhShung oder Erniedrigung zu spreehen, eine ver- gleiehende Betrachtung ist dabei unmSglich. Entweder mfissen die ab- �9 soluten Zahlen flier Fglle angegeben werden oder aber die variations- statistisch errechneten Mittelwerte, die mit einem Blick fiber die Zu- sammensetzung ~ler zugrunde liegenden Zahlenreihen Aufschlul] geben.

S. Tab. 1, bei Rost, Festschr. ftir Lo Monaco.

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642 A. 3Iiiller:

F~lle, die trotz , ,normalen" Niichternwertes durch Belastungs- proben eir~e StSrung im Zuekerstoffwechsel erkennen lassen, weisen auf das Problem bin, wie die Beziehungen zwischen Hauterscheinungen and Blutzuekerstoffweehsel fiberhaupt zu erkl~ren sind. Wit sind mi t unseren Erkenntnissen hier noch sehr im Anfang, doch lassen einige bisher bekannte Ta~sachen verschiedene M5gliehkeiten zu. Aus dem Blute wird Zueker durch die Zellen der Hau t aufgenommen und in der Hau t gespeiehert. Diese Speicherung ist durch Urbach u. a. naehgewiesen. Wir wissen nieht, wie der Abbau des Hautzuckers vor sieh geht; es l~l~t sich vielleicht n~ch den analogen Untersuehungen yon Wohlgemuth, Melczer, die ein diastatisehes Ferment in der Hau t feststellten, bei dem weiteren Abbau des Hautzuekers die Mitwirkung eines glykolytischen F e r m e n t s vermuten. Rost h~lt es demnach fiir mSglieh, da[~ der normale Ablauf auch bei normMem Blutzuekerangebot eine StSrung erleiden kann. Durch diese lokale StSrung des Zueker- stoffwechsels werden in der Hau t Vorg~nge angeregt, die sieh nach aul~en als Krankheitserscheinungen manifestieren. Es ist sehlie61ich aueh rein quant i ta t iv mSglich, dal~ ein gewisser Blutzuckergehalt fiir die eine Hau t bereits ein Zuviel bedeutet, fiir die andere nicht; bzw. nach Lippitz die Zellen der Hau t durch mangelhafte Glucose- aufnahme in ihrer Ern~hrung gestSrt werden. Wie die Verh~ltnisse ira einzelnen aueh sein mSgen, eine indlvidueIle Realctions]~higlceit der Haut betreffs des vom Blute angebotenen Zuekers kann als wahr- seheinlich angenommen werden (Rost).

Wir kommen nunmehr zu unseren eigenen Untersuchungen. Da die friiheren Blutzuckeruntersuehungen in unserer Klinik yon M. Loeb auf Grund eines sehr gro~en Zahlenmateri~ls (462 FMle) bereits fiir die Mehrzahl der Hautkrankhei ten eine gewisse Kl~rung gebraeht hatten, so schien uns eine allzu breite Basis fiir die weiteren Untersuchungen nicht mehr nStig zu sein. Best immt wurde der Blutzuckernfichtern- wert des Capillarblutes naeh Bang in der durch Benutzung der Lands- bergersehen Capillarmischpipette gegebenen Variation. Die ~olgenden Ergebnisse stiitzen sich auf 196 Falle 1.

1 Wie wir schon andeuteten, ist es u.E. nStig, die Ergebnisse v~ri~tions- statistisch zu ver~rbeiten. Das arithmetische Mittel allein gibt absolut keinen Auf- schlul] darfiber, wie die Zahlenreihe im einzelnen zusammengesetzt is~. Ein Bei- spiel: Die beiden Z~hlenreihen 1, 10, 19 und 9, 10, 11 ergeben jedesmal das

arit~hmetisehe Mittel i0. Variationsstatistiseh'lS~Bt sieh naeh der Formel ~ ~- - -

flit die 1. Zahlenreihe die Streuung 7,35 bereehnen, ffir die zweite 0,8. Je kleiner Nso der St~reuungswert~ ist, um so eher l~Bt sieh aus den zugrunde li.egenden Zahlen- reihen eine aUgemein giiltige Geset~zm~Bigkeit ableit~en. Bei Bertieksiehlbigung dieser Yerhaltmisse kann eine kleine Zahlenreihe l~r die zu ziehenden Sehltisse wer~bvoller sein Ms eine groge, sofern der Sgreuungswerg der let~zteren die erlaub~en Grenzen iibersehreitet (vgl. Psoriasis, Tabelle).

Page 5: Über Blutzuckerwerte bei Hautkrankheiten

Ober Blutzuckerwerte bei Hautkrankheitcn.

Tabelle I.

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Kra~kheit

Sp~exs. Ekzematoid . . . Mycosis fung . . . . . . . Carcinom . . . . . . . . Urticaria . . . . . . . . Dermatopathia photogenica Erythematodes . . . . . Ekzem . . . . . . . . . Duhring . . . . . . . . Hauttbc. (auger L u p u s ) . . Dermatit is toxiea . . . . Dermutopathia cyanotica . Artefakte . . . . . . . . Pyodermien . . . . . . . Aclie . . . . . . . . . . Seborrhoisches Ekzemutoid Tuberculosis luposa . . . Furunkulose . . . . . . Pruritus . . . . . . . . Psoriasis . . . . . . . . Lues I I I . . . . . . . . Dermatitis intertriginosa .

Zahl ] F~ille Arithmet. der ' m't / Mittel

I/ f~lle I surx~ ] ] ~

88,3 4- 4,4 93,5 4- 4,6 95,2 • 6,2 96,2 4- 5,0 97,5 4- 1,0 99,0 • 4,3 99,2 4- 3,2 99,3 4- 9,9

100,2 4- 5,8 100,2 • 2,4 100,8 4- 6,6 101,0 i 2,6 103,7 4- 3,7 104,0 4- 104,3 4- 104,4 4- 107,0 4- 119,0 4- 119,4 4- 122,0 4- 133,5 4-

S t r e u u n g

6 1 - 2 - - 4 4 - - 2 3

12 3 - - 4

34 5 3

21 4 - - 9 - -

19 - - 8 3 1

23 3 4 - -

1 0 1

t 10,5 6,5

12,4 10,1

1,5 7,5

1t,0 17,2 11,6 13,9 13,3 4,5

14,1 6,3 12,6 2,4 7,1 2,7 11,7 2,5 7,0 12,5 21,7 8,4 40,5 8,1 16,2 3,9 12,6

B l u t z u c k e r w e r t in m g

70 91 bis b is 90 110

3 1

1

2 2 3 7 1

3 7 2 3 8 2 3 3 5

9 1

2

111 130 bis u. 130 m.

1 - - 1 - -

3 - - 1 - -

11 - -

2 - -

8 - - 1 - - 4 - - 3 1 3 - - 1 1 8 4 1 2 6 2

W i e die Tabe l l e ze ig t , n i m m ~ die Dermatitis intertriginosa e ine 5be r -

r a g e n d e S o n d e r s t e l l u n g ein. Die E r k r a n k u n g f i nde r s ich o f f e n b a r

a m h ~ u f i g s t e n z w i s c h e n d e m 45. u n d 60. L e b e n s j a h r , Mso g e r a d e in

e iner Pe r iode , die s t a r k y o n i n n e r s e k r e t o r i s c h e n E in f l i i s sen a b h ~ n g i g

ist . D a B e z i e h u n g e n der H y p e r g l y k ~ m i e z u m A l t e r n i c h t v o r l a g e n ,

~ n d e r e r s e i t s die B l u t z u c k e r b e f u n d e v o n uns , wie a u c h v o n M. Loeb, bei de r D e r m a t i t i s i n t e r t r i g i n o s a m i t g roBer R e g e l m ~ B i g k e i t g e f u n d e n

w o r d e n s ind, so k a n n m a n w o h l h i e r d e r H y p e r g l y k ~ m i e - - be i geb t ih ren-

de r W e r t s c h ~ t z u n g der s o n s t i g e n E n t s t e h u n g s u r s a o h e n - - e ine p a t h o -

g e n e t i s c h b e d e u t s a m e Ro l l e zuschrMben. W e n n es s ich bei de r D e r m a -

t i t i s i n t e r t r i g i n o s a u m i n n e r s e k r e t o r i s c h g e s t e u e r t e V e r ~ n d e r u n g e n de r

~us d e m K b r p e r a u s g e s c h i e d e n e n S e k r e t e h a n d e l n sol l te , so b l e i b t es

Mlerd ings i m m e r n o c h dah inges t e l l t , ob die b e o b a c h t e t e Hype rg lyk~ ,mie

n u t e in B e g l e i t s y m p t o m ode r ftir den A b l a u f de r D e r m a t i t i s k a u s a l

y o n W i c h t i g k e i ~ ist . I m l e t z t e r e n F a l l e wf i rde der e r h b h t e B l u t z u c k e r

d u r c h V e r b e s s e r u n g des N ~ h r b o d e n s fi ir die bei de r D e r m a t i t i s in t e r - t r i g i n o s a sehr h a u f i g zu f indender l H e f e p i l z e heg f in s t i gend wi rken . I n

1 AuBerdem kamen noch 13 Einzelfs zur Untersuchung, deren Ergebnisse bindende Schlfisse natfirlich nicht zulassen.

A r c h i v f. D e r m a t o l o g i e u. Syphi l is . Bd . 157. 4 ~

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644 A. Mfiller:

diesem Zusammenhange sind wohl die Untersuchungen yon Usher und Rabinowitsch zu nennen, die nachwiesen, dab Zucker im SchweiBe schon normalerweise vorhanden ist. Der Gehalt an Zucker war erhOht bei Ekzemformen mit herabgesetzter Zuckertoleranz.

I m Zusammenhang mi t der Hyperglykgmie bei der Dermati t is intertriginosa verweisen wir auf die erh6hten Blutzuckerwerte beim Pruritus. Wir kSnnen diese F~lle bier anschlieBen, wenn man mi t Rest beide Erkrankungen auf eine gemeinsame Basis zurfickffihren will. Demzufolge gelten fiir den Pruritus, besonders bei Lokalisation am Anus und Genitale, im wesentlichen die gleiehen ~berlegungen wie bei der Dermatit is intertriginosa.

Innersekretorisehe Einfliisse sind m6glicherweise auch fiir die Hyper- g lyk~mie bei Psoriasis anzunehmen. Diese Erkrankung hat bekannt- lich nach dem Kriege - - vielleicht durch die bessere Ern~hrung -- wie- der sehr zugenommen, andererseits sind gerade zur Zeit der Pubert~t die meisten Krankheitsausbriiche zu verzeichnen, wie die aus unserer Klinik s tammende Arbeit yon van Ackeren zeigt. Vielleicht lassen diese endogenen und exogenen Momente den SchluB zu, dab die Xtio- togie der Psoriasis nieht vOllig einheitlich ist; oder dab die ausl6senden Faktoren verschiedener Art sein k6nnen. Wir wiirden dann' natfirlieh keine einheitliehen Blutzuckerbefunde bei der Psoriasis zu erwarten haben, und das trifft in der Ta t zu. Unsere Tabelle zeigt bei Psoriasis die eminent hohe Streuung yon 40,5, ein Weft, der nicht allein dureh die 3 Fiille mit Glykosurie zu erkl~ren ist. Wir entnehmen den variations- statistisehen Zahlen, dal~ das zugrunde liegende Material nicht einheit- lich sein konnte, wie aueh ein Blick auf 'die reehte Seite der Tabelle lehrt. Fassen wir die Psoriasisf~lle mit einem Blutzuckerwert his zu 110 rag% zusammen, so haben 11 yon 23 nntersuchten Fallen = 47% einen normalen Blutzucker! Die t Iyperglyk~mie bei den fibrigen Fi~llen steht wohl mit der yon Lortat-Jacob betonten Tatsache in Zusammen- hang, dab Mle F~lle von Psoriasis, die erh6hten Blutzucker aufweisen, dutch Insulin gfinstig zu beeinflussen sind. Es lEBt sich noeh nicht end- giiltig sagen, inwieweit eine StSrung des Zuckerstoffwechsels bei Psori- asis mit Hypercholesteringmie vergesellsehaftet ist; Untersuehungen hieri iber werden zur Zeit an unserer Klinik angestellt.

HyperglykEmie land sich ferner bei Lues 1II . Trotz des kleinen Zahlenmaterials war doeh die grebe ~Tbereinstimmung in 3 Fallen be- merkenswert; der 4. Fall mit Aortitis luetica fiel mi t 94 rag% vSllig aus dem Rahmen. Es zeigt sich schon hieraus die Notwendigkeit, aueh bei den einzelnen Perioden der Syphilis die klinischen Verschieden- heiten zu bea~hten.

SehlieBlieh land sieh aueh noeh bei der Furunculose eine Hyper- glyk~mie m~13igen Grades. Offenbar wirkt aueh hier der erhShte

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(]ber Blutzuckerwerte bei H~utkrankheiten. 645

Blutzuckergehal t im Sinne einer Virulenzsteigerung, sei es durch Verbesserung des Ni~hrsubstrates, sei es durch Verschlechterung der natfirl ichen Schutzfunkt ionen des K6rpers (S~uremantel nach Sehade und Marchionini). Von Pawlowsky (zitiert bei Cornioley und Ischlinsky) konn te die Virulenz der S taphylokokken und St reptokokken durch Einspr i tzung yon Zuckerl6sungen betri~chtlich gesteigert werden. P. Mi~ller andererseits glaubt weniger an eine Virulenzsteigerung als an eine Sch~digung des Gewebes, da das im Diabetes herabgesetzte Oxydat ionsverm6gen der Gewebe ffir Kohlehydra te die Lebenst~tig- keit der Zellen und dami t aueh die Widerstandsf~higkeit vermindert .

Von den t t au tkrankhe i ten , die mi t Hypoglyk~mie einhergehen, interessiert uns vor allem das sp~itexsudative Ekzematoid (Rost). Die Besonderheiten dieses Krankhei tsbi ldes wurden zuletzt yon Rost auf dem Bonne t Xongrel3 mitgeteilt , so dal~ sich hier eine Besprechung erfibrigt. ~bereinss mi t den fffiheren Befunden yon M. Loeb konnten wit wiederum eine sehr regelm~l]ige Erniech'igung des Blut- zuckerspiegels feststellen. Letztere ha t t e diese schon ~ls S y m p t o m der bei dieser E rk rankung bestehenden Vagotonie angesprochen. Eine derartige Erniedr igung des Blutzuckerspiegels infolge Tonus- s teigerung des Vagus konnte auch experimentell nach kfinstlichen Kohlensgureb~tdern naehgewiesen werden (Buchstab und Sribner).

Wegen der therapeutischen Beziehungen, die sich aus den vorstehen- den Ergebnissen folgern lassen, verweisen wir auf die Ausffihrungen yon Rost.

Zusammen/assung.

Hyperglyk~mie l and sieh in ausgesprochenem MaSe bei Dermatitis intertriginosa, bei terti~irsyphilitischen Ulcerationen und in etwa der H~lfte der Fi~lle yon Psoriasis; ia geringerem Mal3e bei Furunculose.

Hypoglykamie l and sich beim spdtexsudativen E]czematoid.

Literatur. van Acke~'en, H., Statistische Bei~ri~ge zur Frage der ~tiologie der Psoriasis.

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Page 8: Über Blutzuckerwerte bei Hautkrankheiten

6~t6 A. NIiiller: ~ b e r Blu$zuekerwerte bei Hautkrankhe i ten .

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