2
Beziehungen ein unentwirrbares Durcheinander entsteht, das dazu fiihren konnte, an der Verwerthbarkeit der Einwirkung von Jod aof 8-Naphtol fiir titrimetrische Zwecke iiberhaupt zu verzweifeln. Aus dem Vorstehenden ist aber ersichtlich, dass sich auch auf Reactionen, die unter verschiedenen B6dingungen quantitativ ganz verschieden ver- laufen, sehr wohl unbedingt zuverlassige Titrirmethoden griinden lassen, wenn man nur die Miihe nicht scheut, durch systematisches Vorgehen die Abhangigkeit der Resultate von allen Aenderungen der Verhiilt- nisse, die eintreten konnen, festzulegen. 350. Johannes Thiele und Arthur Lachman: Ueber das Nitremid. [ Vorliufige Mbittheilung aus dem chemischeu Laboratorium der Academie der Wissenschaften in MBnchen.1 (Eingegangen am 9. Juli.) Vor Kurzem theilten wir mitl), dass sich aus dem Urethan durcb Salpeterschwefelsaure leicht Nitrourethan, NO2 . NHCOOQH5, gewinnen Iasst. Seitdem ist es uns gelungen, dasselbe in N i t r a m i d , NO2. NH2, iiberzufiihren. Versetzt man eine concentrirte wassrige Losung von Nitrourethan oder einem seinerlsalze mit stark iiberschiissiger, concentrirter, methyl- alkoholischer Ealiliisung, so krgstallisirt nach kurzem Stehen in Eis nitrocarbaminsaures Kalium, NO2. NR. COOK, in schonen Blattern aus. Wird dieses Salz in Wasser gelost, so zerfallt es augen- blicklich unter starker Erhitzung in Kaliumcarbonat und Stickoxydul. Tragt man das Ealisalz dagegen in ein Gemisch von Eis und iiberschiissiger Schwefelsaure ein, so zerfallt die frei werdende Nitro- carbaminsaure in Nitramid und Kohlensaure. Der mit Ammonium- sulfat gesattigten Lijsung wird das Nitramid durch sehr anhaltendes Ausathern entzogen. Die Ausziige hinterlassen nacb dem Verdunsten des Aethers im Luftstrome das Nitramid in schonen , wasserhellen Prismen. Durch AuflGsen in Aether und Fallen mit Ligroi'n werden glanzende, weiche Blatter erhalten, die bei 720 unter Zersetzung schmelzen. Die geringsten Spuren Feuchtigkeit driicken den Schmelz- punkt sehr stark herab. Nitramid ist schon bei Zimmertemperatur etwas fliichtig, es 16st sich leicht in Aether, Alkohol, Wasser, Aceton, schwerer in Benzol, nicht in Ligroi'n. Die wassrige Lijsung reagirt stark sauer. Nitramid ist ausserst zersetzlich , schon durch Mischen mit CuO, PbCrOa, selbst mit Glaspulver, zerfallt es unter starker l) Diese Berichte 27, 1519. 123'

Ueber das Nitramid

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber das Nitramid

Beziehungen ein unentwirrbares Durcheinander entsteht, das dazu fiihren konnte, a n der Verwerthbarkeit der Einwirkung von J o d aof 8-Naphtol fiir titrimetrische Zwecke iiberhaupt zu verzweifeln. Aus dem Vorstehenden ist aber ersichtlich, dass sich auch auf Reactionen, die unter verschiedenen B6dingungen quantitativ ganz verschieden ver- laufen, sehr wohl unbedingt zuverlassige Titrirmethoden griinden lassen, wenn man nur die Miihe nicht scheut, durch systematisches Vorgehen die Abhangigkeit der Resultate von allen Aenderungen der Verhiilt- nisse, die eintreten konnen, festzulegen.

350. Johannes Thie l e und Arthur Lachman: Ueber das Nitremid.

[ Vorliufige Mbittheilung aus dem chemischeu Laboratorium der Academie der Wissenschaften in MBnchen.1

(Eingegangen am 9. Juli.) Vor Kurzem theilten wir mitl), dass sich aus dem Urethan durcb

Salpeterschwefelsaure leicht N i t r o u r e t h a n , NO2 . N H C O O Q H 5 , gewinnen Iasst. Seitdem ist es uns gelungen, dasselbe in N i t r a m i d , NO2. NH2, iiberzufiihren.

Versetzt man eine concentrirte wassrige Losung von Nitrourethan oder einem seinerlsalze mit stark iiberschiissiger, concentrirter, methyl- alkoholischer Ealiliisung, so krgstallisirt nach kurzem Stehen in Eis n i t r o c a r b a m i n s a u r e s K a l i u m , NO2. N R . C O O K , in schonen Blattern aus. Wird dieses Salz in Wasser gelost, so zerfallt es augen- blicklich unter starker Erhitzung in Kaliumcarbonat und Stickoxydul.

Tragt man das Ealisalz dagegen in ein Gemisch von Eis und iiberschiissiger Schwefelsaure ein, so zerfallt die frei werdende Nitro- carbaminsaure in Nitramid und Kohlensaure. Der mit Ammonium- sulfat gesattigten Lijsung wird das Nitramid durch sehr anhaltendes Ausathern entzogen. Die Ausziige hinterlassen nacb dem Verdunsten des Aethers im Luftstrome das Nitramid in schonen , wasserhellen Prismen. Durch AuflGsen in Aether und Fallen mit Ligroi'n werden glanzende, weiche Blatter erhalten, die bei 720 unter Zersetzung schmelzen. Die geringsten Spuren Feuchtigkeit driicken den Schmelz- punkt sehr stark herab. Nitramid ist schon bei Zimmertemperatur etwas fliichtig, es 16st sich leicht in Aether, Alkohol, Wasser, Aceton, schwerer in Benzol, nicht in Ligroi'n. Die wassrige Lijsung reagirt stark sauer. Nitramid ist ausserst zersetzlich , schon durch Mischen mit C u O , PbCrOa, selbst mit Glaspulver, zerfallt es unter starker

l) Diese Berichte 27, 1519. 123'

Page 2: Ueber das Nitramid

1910

Erhitzung in Stickoxydul und Wasser. Da der Kiirper bei raschem Erhitaen iiber den Schmelzpunkt leicht verpufft, boten die Analysen einige Schwierigkeiten.

Analyse: Ber. fiir NHa .Nos. Procente: N 45.16, H 3.23, C -

Gef. 1) * 44.97, )) 3.47, * 0.43. Durch vorsichtiges Erhitzen iiber den Schmelzpunkt und Auf-

fangen dee gebildeten Wassers wurden gefunden H 3.47, ber. 3.23 p c t . Die Eigenschaften der meisten Alkylnitramine machten von vorn-

herein wahrscheinlich , dass das Nitramid in alkalischer Losung recht bestandig sein wiirde. H i n s b e r g hat dieser Vermuthung gelegent- lich seiner Untersuchung des Benzolsulfonnitramids Ausdruck gegeben '). Uni so iiberraschender war es uns, dass Nitramid nicht bloss von atzenden Alkalien , sondern auch von Carbonaten, Ammoniak, Borax, ja selbst von Natriumacetat, in der Kalte augenblicklich in Stickoxydul und Wasser gespalten wird.

Es scheint danach, als ob Salze des Nitramids, wenigstens in Liisung, nicht existenzfahig seien.

Man kann diese Zersetzung als Reaction auf Nitramid benutzen. Festes Nitramid verpufft rnit Aetzlauge unter Feaererscheinung. Durch Zersetzung mit Aetzkali im Nitrometer wurden 68.1 pCt. NzO erhalten, ber. 71.0 pCt. Die geringe Differenz diirfte durch die Lijslichkeit des Stickoxyduls in der Sperrfliissigkeit bedingt sein.

Die atherische LBsung des Nitramids lasst mit alkoholischem Ammoniak ein Salz fallen, das sich aber sofort unter Gasentwicklung zersetzt.

Concentrirte Schwefelsaure oder heisses Wasser zersetzen den Kiirper ebenfalls. Bei der Reduction entsteht ein stark reducirender Kijrper, wahrscheinlich Hydrazin.

Rereits 1890 hat M a t h i e u - P l e s s y angegebena), durch Erhitzen von Ammoniumnitrat mit Oxalsaure das Nitrat einer B a s e , NHt.NO2, erhalten zu haben. I n der ganz kurzen Notiz ist weder ein Wort iiber die Eigenschaften des Ktirpers, noch irgend eine analytische Zahl, noch etwas Naheres uber die Darstellung angegeben. Die oben an- gegebenen Eigenschaften des Nitramids lassen die Angaben von Hrn. M a t h i e u - P l e s s y ausserst zweifelhaft erscheinen, doch wollen wir seinen Versuch wiederholen.

Wir behalten tins das fernere Studium des Nitramids vor, such hoffen wir, gestiitzt auf die Kenntiiiss seiner Eigenschaften, es anf anorganischem Wege darzustellen.

l) Diese BericLte 23, 1193. 2, Compt. rend. 1S90, 111, 354.