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XXVI. Aus dem pharmakologischen Institut der Kgl. Universit~tt Palermo. Direktor: Prof. V. Cervello. Uber alas Pikrotoxinin und einige seiner Derivate. Pharmakologische Untersuchung yon Dr. Carlo Cervello, Assistent. Das Pikrotoxin, 1812 yon Boullay aus Menispermum coceulus gewonnen~ ist ein Stoff7 welcher ein besonderes ehemisches Verhalten zeigt, weshalb es Gegenstand versehiedener Untersuchungen ge- wesen ist. Barth and Kretschy ~) kamen zu dem Resultat, dal~ das Pikro- toxin aus einer Mischung yon drei Substanzen besteht, d. h. Pikro- toxinin~ Pikrotin und Anamyrtin. Paternb und Oglialoro 2) trugen ausgiebig zur Aufkliirung des Gegenstandes bei; sie fanden ein Verfahren, welches gestattet, das Pikrotoxinin (015tI~606) yon dem Pikrotin (0~H1807) auf dem Um- weg durch ein Bromderivat des ersteren scharf zu trennen. Dieso Resultate win'den griJl~tenteils bestgtigt dureh S c h m i d t u n d L 5 w e n- hardta). Spgter wnrde das Pikrotoxin untersueht yon R. Meyer und P. Burger4), welche mit Hilfe der Bromierung feststellten~ dal~ dieser Stoff zu 54--55 Proz. aus Pikrotin und zu 45--46 Proz. aus Pikrotoxinin besteht, und auf Grund der yon P a t e r n b u n d O g li al o r o naehgewiesenen und yon ihnen bestiitigten Tatsache, dal~ es dureh Benutzung yon Liisungsmitteln nicht gelingt, diese beiden Kiirper zu trennen, meinten, dal~ es sich am ein isomorphes Gemiseh (feste L6sung) handle. Indem sie aul~erdem die Abwesenheit yon Aldehyd- l) Barth n. Kretschy, Sitzungsber. d. k. Ak. d. Wiss. Bd. XLVIII S. 25. 2) Paternb e Oglialoro, Gazzetta chimica italiana vol. XI p. 36--52. 3) Schmidt u. L6wenhardt, Annalen 222 p. 213. 4) Bruger u. Meyer~ Berl. Berichte Bd. XXXI S. 2958--74.

Über das Pikrotoxinin und einige seiner Derivate

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Page 1: Über das Pikrotoxinin und einige seiner Derivate

XXVI.

Aus dem pharmakologischen Institut der Kgl. Universit~tt Palermo.

Direktor: Prof. V. Cerve l lo .

Uber alas P ik ro tox in in und einige seiner Derivate.

Pharmakologische Untersuchung yon

Dr. Ca r lo Cerve l lo , Assistent.

Das Pikrotoxin, 1812 yon B o u l l a y aus Menispermum coceulus gewonnen~ ist ein Stoff7 welcher ein besonderes ehemisches Verhalten zeigt, weshalb es Gegenstand versehiedener Untersuchungen ge- wesen ist.

B a r t h and K r e t s c h y ~) kamen zu dem Resultat, dal~ das Pikro- toxin aus einer Mischung yon drei Substanzen besteht, d. h. Pikro- toxinin~ Pikrotin und Anamyrtin.

P a t e r n b und O g l i a l o r o 2) trugen ausgiebig zur Aufkliirung des Gegenstandes bei; sie fanden ein Verfahren, welches gestattet, das Pikrotoxinin (015tI~606) yon dem Pikrotin (0~H1807) auf dem Um- weg durch ein Bromderivat des ersteren scharf zu trennen. Dieso Resultate win'den griJl~tenteils bestgtigt dureh S c h m i d t u n d L 5 w e n- hardta).

Spgter wnrde das Pikrotoxin untersueht yon R. M e y e r und P. Burger4) , welche mit Hilfe der Bromierung feststellten~ dal~ dieser Stoff zu 54--55 Proz. aus Pikrotin und zu 45--46 Proz. aus Pikrotoxinin besteht, und auf Grund der yon P a t e r n b u n d O g li al o r o naehgewiesenen und yon ihnen bestiitigten Tatsache, dal~ es dureh Benutzung yon Liisungsmitteln nicht gelingt, diese beiden Kiirper zu trennen, meinten, dal~ es sich am ein isomorphes Gemiseh (feste L6sung) handle. Indem sie aul~erdem die Abwesenheit yon Aldehyd-

l) B a r t h n. K r e t s c h y , Sitzungsber. d. k. Ak. d. Wiss. Bd. XLVIII S. 25. 2) P a t e r n b e O g l i a l o r o , Gazzetta chimica italiana vol. XI p. 36--52. 3) S c h m i d t u. L 6 w e n h a r d t , Annalen 222 p. 213. 4) B r u g e r u. Meyer~ Berl. Berichte Bd. XXXI S. 2958--74.

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oder Ketongruppen in dem Pikrotoxinin bestiitigten, nahmen sie an, dal~ dieser KSrper als ein Polyphenol mit Laktonsauerstoff betrachtet werden miisse. Die yon ihnen gemachten Versuche, das Pikrotoxinin in Pikrotin iiberzufiihren oder umgekehrt~ waren erfolglos,

Es folgen dann die neueren Arbeiten yon Ange l i co l ) , welche kurz wie folgt zusammengefai~t werden kSnnen:

Das Pikrotoxinin und Pikrofin, die voneinander durch ein Molekiil Wasser abweichen, welches ersteres weniger enth~]t, verhalten sich ganz verschieden gegen Permanganat in alkalischer Liisung, denn ersteres ist iiufierst leicht oxydierbar, w~hrend das letztere sieh ziemlich stabil zeigt.

Dagegen ist das Bromderivat des Pikrotoxinins recht stabil, und gibt bei Behandlung mit Alkalien eine bromhaltige Sitffre (C15 It1; Br Of), die bereits yon M e y e r und B r u g e r erhalten wurde und ebenfalls sehr stabil ist. Letztere liefert dureh Oxydation mit Chroms~iure eine neue isomere sehr stark reducierende S~iure, we]che mit Alkalien zu- sammen mit anderen S~uren beim Ausschiitteln mit Xther eine syrup- artige Substanz gibt, in der durch die charaktcristische smaragdgriine F~irbung mit Eisenchlorid, welche mit Natriumkarbonat in Violett iibergeht, deutlich die Anwesenheit einer aromatischen Orthodioxy- verbindung konstaticrt wird.

Das Pikrotoxinin und Pikrotin haben, wie A n g e l i e o nach. gewiesen hat, denselben Grundkern; in der Tat entstehen, wenn man auf das eine wie auf das andere verdiinnte Salzs~ure in gesehlossener l~Shre oder Jodwasserstoffs~ure und roten Phosphor einwirken 1K~it, die gleichen Produkte. Unter diesen ist eine S~ure bemerkenswert (C~5 Hls O4), welche mit der bereits durch A n g e l i c o und F o r t e aus dem Pikrotin isolierten identisch ist. Durch Oxydation derselben ent- steht eine Reihe yon KSrpern, ebenfalls yon S~ureeharakter:

C1 ~ H,_ 6 06 C14 H~6 06 C13 HI 2 06 C13 Ht~ 07

Gestiitzt auf letztere zwei S~uren und abgesehen yon den Carboxylen~ welche er theoretisch dureh Wasserstoff ersetzt~ ist A n g el ic o zu dem Sehlul~ gekommen, dab diese Produkte als Derivate des ttydronaphtalins mit einer Briicke in dem hydroaromatischen

i) Angelico, F., Gazzetta chimica itaiiana, vol. XXXVI u. XL.

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Kern z u betrachten sind, und hat ihnen folgendes Schema zu- . gewiesen:

Die ehemische Untersuchung des Pikrotoxins und seiner Derivate erSffnet der pharmakologisehen Forschung ein weites Feld. In der Tat ist es nicht ohne Interesse zu erforsehen, wie die pharmakologisehe Wirkung dieser Kiirper je nach den verschiedenen Anderungcn variiert, welebe sic in ihrer chemischen Struktur erleiden. Die Kenntnisse~ welehe wir bisher in dieser ttinsicht besitzen~ sind gering und unvoll- stiindig, da nur die Wirkung des Pikrotoxins des Handels and des Pikrotins bekanntfist, welches letztere, wie sich aus den Versuchen von L a n g g a a r d ergibt, bedeutend wemger wirksam ist als das erstere and durch Einwirkung der Alkalien unwirksam wird.

Meine Untersuehung habe ieh mit dem Pikrotoxinin als Ausgangs- punkt begonnen, um dann zu der der S[iure C15H~s04 und ihrer Oxydationsprodukte und darauf zu den dutch Einfiihrung yon S~iure- radikalen in das Molekiil des Pikrotoxinins erhaltenen Derivaten zu kommen. Zu diesem Zweek versuchte ieh die Darstellung der ent- spreehenden Alkylester, indem ich Jod~thyl unter den verschiedensten Bedingungen auf das Pikrotoxinin einwirken licit; doeh ist mir das nicht gelungen.

P i k r o t o x i n in. - - Kristallisiert aus Wasser mit einem Molekiil Wasser in weil~en ~ rhombischen Tafeln. Bei 100 o verliert es das Kristallisationswasser. Es sehmilzt bei 200 20l o. In Wasser ist es im Verh~ltnis ~von 0.138~0.148~ 100 bei der Temperatur yon 15--180 15slieh. Leicht 15slich in heiBem Wasser, I gut in Alkohol~ ziemlich in Chloroform und in Benzol:

Angesiehts dieser Liislichkeit in Wasser und seiner gTofien Wirk- samkeit h~tte ieh bei meinen Versuehen eine w~isserige LSsung ver- wenden kiinnen. Da ich e s aber unter denselben Bedingungen wie sein Acetylderivat untersuchen wollte, welches in Wasser fast ~un]~islich ist, bediente ieh reich einer w[isserig-alkoholischen LSsung.

Die yon mir benutzte Liisung ist folgende:

: ~ : Pikrotoxinin eg 2 Alkohol 900 ccm 2 Dest. Wasser ccm 48

AEchiv L experiment: Path. u. Pharma~ol. Bd. 64. ~7

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Die Anwesenheit des Alkohols kann nieht schaden und die dem Pikrotoxinin eigenen Erseheinungen modifizieren oder verdeeken~ da die verwendeten Mengen der Liisung so klein sind, daiS sie kaum Spuren yon Mkohol enthalten.

Meine Versuehe habe ieh an FrSschen (Discoglossus pietus) an- gestellt, denen ich die Liisung in die dorsalen Lymphspalten injieierte I).

Anstatt die einzelnen Versuche aufzufiihren, fasse ieh die all- gemeinen Erscheinungen, welehe die Pikrotoxininvergiftung bei den Friisehen eharakterisieren, in einer einheitlichen Besehreibung zusammen.

Einige Minuten lang nach der Injektion ist bis auf eine Ver- minderung der Lebhaftigkeit und der Sieherheit der Bewegungen keinerlei merkliehes Symptom wahrzunehmen. Naeh und naeh ge- lingt es dem Frosch nieht mehr zu hiipfen u n d e r erseheint nieder- gesehlagen, jedoeh ist er, auf den Riieken gelegt, noeh imstande, sieh umzudrehen. Atmung frequent.

In einer folgenden Periode, welche um so rascher eintritt, je hiiher die Dosis ist, treten nahezu gleiehzeitig iu s~mtliehen Teilen des KSrpers krampfhafte Bewegungen auf, die progressiv an St~rke zunehmen. Die Hinterbeine streeken sich nieht gleiehzeitig, sondern naeheinander mehr oder weniger pliitzlich, um gleieh darauf in die normale Lage zuriickzukehren. Der Kopf wird emporgehoben und gegen den Riicken gebeugt; die Unterlider heben sieh, w~ihrend die Aug~pfel sieh zuriickziehen. Die Vorderbeine bewegen sieh naeh- einander heftig und die seitliehen Bauehmuskeln kontrahieren sieh unregelm~l~ig. Diese Erseheinungen wiederholen sieh naeh kurzen Zwisehenr~umen.

Zuweilen ~indert sieh die Form der krampfhaften Bewegungen der Hinterbeine: dieselben streeken sieh und heben sieh zu gleieher Zeit derart, dab sie mit dem Kiirper einen naeh oben offenen Winkel bilden.

Gleieh darauf stiiiSt der Froseh einen seharfen Sehrei aus und verf~llt in einen hSehst heftigen Krampf yon tonisehem Charakter mit

1) Da ich Bruehteile eines eem der LSsung injieieren muBte, benutzte ieh anstatt einer Pravazspritze, welche mir wenig genaue Messungen gegeben h~tte, eine graduierte Pipette mit Hundertstelteilung eifles Kubikzentimeters, die an ihrem unteren Ende einen mit einer Pravazschen Spritzennadel armierten Gummi- schlauch t~g. Ieh beobachtete die Vorsicht, dig Nadel nicht sofort nach In- jection der Fliissigkeit zu entfernen, sondern lieg sie einige Minuten stecken, um zu vermeiden, dab eine gewisse Menge Fliissigkeit verloren ginge.

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starker Kontraktur siimtlieher Muskelgruppen. Der Krampfanfall bleibt selten vereinzelt, gewiihnlich besteht er aus mehreren An: f~il|en yon wenigen Sekunden Dauer, welehe allm~hlieb an Intensit~t abnehmen.

I n dem Moment, in dem die Krampfanf~ille ihre A k m e erreichen, kommen die Atembewegungen zum Stilistand.

Naeh Aufh6ren der Konvulsionen verf~llt der Froseh in L~hmung mit Sehlaffheit s~mtlicher Muskeln; das Herz schl/igt regelm~ifiig, die Zungenbeinbewegungen sind intermittierend mit Pausen yon variabler Dauer.

Auf diesen Zustand kann rasch der Tod folgen. Zuweilen jedoch tritt derselbe naeh l~ngerer oder ktirzerer Zeit ein, w~ihrend welcher das einzige Organ, das man funktionieren sieht, das tterz ist.

Die individuelle Empfindliehkeit der Friisehe gegen das Pikro' toxinin ist sehr ver~inderlich. In der Tat treten bei denselben Dosen und bei Tieren yon gleichem Gewieht die oben besehriebenen Er- scheinungen zuweilen ganz oder teilweise auf, zuweilen fehlen sie vollst~ndig. In einigen F~llen sodann werden zuerst die Konvulsionen und dann der Tod bedingt, in anderen tritt dieser ein, ohne da{~ konvulsive Erscheinungen vorausgegangen w~iren. Im allgemeinen jedoeh betriigt die zur Erzeugung der Vergiftungserseheinungen ge- niigende Durchsehnittsdosis der LSsung fiir 100 g Frosch lJh ecru, entsprechend 0.0006 g Pikrotoxinin.

In der folgenden Tabelle sind einige der Versuebe mit ver- sehiedenen Dosen zusammengestellt.

Tab. I.

~ r .

des Ver- suches

Gewicht d. Tieres

g

Injicierte Menge der

L6sung cam

Bemerkungen

I II

I l I IV V

V I VII VIII IX X

XI

16 16 16 19 19 20 16 16 26 26 26

2!1o 2 '10

2/lo 2.5h o. 2.5/1o 2:5/,o 2.5/io 2.5/1o 3.5/~o 35~o

3.5/1o

Fehlen yon konvulsiven Erscheinungen. Charakteristische Konvulsionen - - Lebt. Fehlen yon konvulsiven Erscheinungen.

Charakteristisehe Konvulsionen - - Lebt. Fehlen yon konvulsiven Erscheinungen. Tod ohne vorausgehende konv. Erscheinungen. Fehlen yon konvulsiven Erscheinungen. Charakteristische K o n v u l s i o n e n - Tod.

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Die Beschreibung der Pikrotoxininvergiftung zeigt also, daft dieser Stoff qualitativ wie das Pikrotoxin des Handels wirkt, das in allen seinen Eigentiimlichkeiten yon O r f i la (1815), T s e h u d i (1897), besonders eing'ehend yon R o e b e r (1869), ferner yon V u l p i a n l ) (1882), G o t t l i e b (1894) und yon G u i n a r d und D u m a r e s t ~) unter- sucht wurde.

SKure C15H1s04 u n d i h r e 0 x y d a t i o n s p r o d u k t e . Wie oben erw~hnt, geben sowohl das Pikrotoxinin wig das Pikrotin bei besonderer Behandlung die gleiGhen Produkte. Eines derselben, die S~ure C~IIlsOa, ftihrt zur Bildung weiterer KSrper von Siiure- charakter.

Bei der pharmakologischen Untersuchung haben sieh die eine wig die anderen auch bei verh~ltnism~ftig hohen Dosen als unwirksam erwiesen.

A c e t y l p i k r o t o x i n i n . Dasselbe wird erhalten dutch drei- sttindiges Kochen yon einem Tell Pikrotoxinin mit fiinf Teilen Essig- s~iureanhydrid und vier Teilen gesehmolzenem Natriumazetat. Bei Zusatz von Wasser scheidet sieh tin ( ) lab , welches sofort erstarrt. Es wird auf dem Filter gesammelt und aus absolutem Alkohol bei Gegenwart yon Tierkohle umkristallisiert. Auf diese Weise wird es in diinnen weil~en Nadeln erhalten. Xuferst wenig lSslich in Alkohol auch in der WKrme, fast g~nzlieh unliislich in Wasser. Es sehmilzt bei 254o--255 ~

DiG yon mir verwendete Liisung hat denselben Titer wie die des Pikrotoxinins, hi,milch:

Aeetylpikrotoxinin cg 2 Alkohol 90 o/o ccm 2 Dest. Wasser cem 48

Die Versuehe sind auch fiir diese Substanz an derselben Froschart (Disc0glossus pietus) und mit dem gleichen oben besGhriebenen Ver- fahren angestellt worden.

Die Wirkungsweise ist vollkommen gleich derjenigen des Pikro- toxinins, so da[~ yon ihrer Beschreibung Abstand genommen werden kanm

Der Untersehied ist nut ein quantitativer, wie aus naehstehender TabeUe, in der ich einige Versuehe mit denjenigen des Pikro- toxinins bei entspreehenden Dosen zusammengestellt habe, ersehen werden kann.

1) Vu}piun, Lec.ons sur les substances toxiques et mgdicamenteuses. Paris 1882.

2) L. G u i n a r d et F. Dumarest~ Arch. Intern. de Pharmacodynamie et de Th6rapie, vol. u p. 283. 1899.

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Tab. II. In~izierte

iNr. Gewicht hlenge der des Ver- d. Tieres LSsung Bemerkungen suches g ccm

I 16 2ho Charakteristische Konvulsionen. II 16 2/1 o

III 16 211o IV 19 2.5/1o V 20 2.5/lo V[ 1 t; 2.5 '1o

VI[ 16 2.5/1o VIII 26 3.5/1o IX 26 3.5/1o

~' X 26 3.5ho

Lebt

Stirbt Lebt Stirbt

Lebt Stirbt

Vergleicht man diese Tabelle mit der vorausgehenden, so ergibt sich deutlich, dal~ das Acetylpikrotoxinin giftiger ist als die Substanz, yon der es sich ableitet. Dieser quantitative Unterschied ist noch griiBer, als es auf den ersten Blick scheint, insofern die verwendeten LSsungen mit gleichen Gewichtsmengen hergestellt wurden, w~hrend in dem molcku|~iren Verh~Itnis das Pikrotoxinin sich zu seinem Acetylderivat wie 292:376 verh~ilt.

Die Ahnlichkeit und man kann sagen, auch die Identit~it der Wirkung der beiden yon mir untersuchten Kiirper und des Pikro- toxinins des l:Iandels liel~en bercits voraussehen, dab auch der Mecha- nismus ihrer Wirkung identisch sein mu~te. In der Tat ist eine Be- scbreibung der Versuche, die ich immerhin in dieser Hinsicht habe ausffihren wollen, nutzlos~ da sie nut wiederholen, was fiir alas Pikro- toxin dutch die oben genannten Forscher angegeben ist~ welche die |etztere Substanz den Excitantien des Bulbus rhachiticus anreihten.

Auf Grand der durch die Untersuehung erlangten Resultate glaube ieh, dfirften mir einige Betrachtungen fiber den Zusammenhang zwischen der chemischen Konstitution und der pharmakologischen Wirkung der yon mir studierten Kiirper gestattet sein.

Zun~ichst war angesichts der Tatsache, dab das Pikrotoxlnin und das l:'ikrotin, wie aus den chemischen Untersuchungen hervor- geht, denselben Grandkera besitzen, vorauszusehen, dab in ihnen der- selbe pharmakologische Wirkungstypus mit versehiedener Intensiffit und zwar m umgekehrtem Verh~ltnis zu ihrer Besflindigkeit gegen Oxydationsmittel gefunden werden mu[~te. In der Tat besteht zwiseben dem toxischen Vermiigen dieser Substanzen ein bedeutender Unterschied, so dai~, wiihrend das Pikrotoxinin~ das gegen Oxy-

Lebt

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dationsmittel wenig best~indig ist, pharmakologisch /~ufierst wirksam ist~ das Pikrotin dagegen, welches gegeniiber dem ersteren sehr stabil gegen Oxydation ist, eine sehr sehwache pharmakologisehe Wirkung entfaltet (L a n g g a a r d).

Und da das Pikrotoxinin und das Pikrotin untereinander dutch ein MolekiilWasser differieren, welches das erstere weniger enthKlt, so ist es sehr wahrscheinlich: daft die grSfiere Intensit~t in der Wirkung des Pikrotoxinins auf die Existenz einer Doppelbindnng mehr in demselben zuriickzufiihren ist, was auch mit seinem starken ReduktionsvermSgen in Einklang steht.

Das konvulsionserregende VermSgen dieser beiden KSrper kSnnte, glaube ieh~ als yon der Konstitution ihres Kernes nach der An- schauungsweise yon A n g eli c o abh~ngig betraehtet werden~ d. h. von der Existenz jener Briicke~ mit der ich mich welter oben beschKftigt habc. Diese ttypothese ist vielleicht gewagt; doch findet sie darin eine Stiitze~ daft die Substanzen vom Terpencharakter, in deren Struktur eine sogenannte Briieke vermutet wird, wie das Santonin, das Kantharidin, der Kampf% die Filixs~ure usw. s~mtlieh eine kon- vulsionserrcgendc Wirkung enffalten.

Zur BekrKftigung dieser Idee suehte ich festzustellen, ob und welche pharmakologische VerKndernng eintritt~ sobald der Grundkern des Pikrotoxinlns ver~indert wird. Zu diesem Zwecke behandelte ich diese Substanz mit wKsserig-alkoholischer SodalSsung (0.10:20) und injieierte nach ca. 24 Stunden zwei Meerschweinehen je 4 ecru der erhaltenen L~sung, entsprechend 2 cg Substanz. Einem dritten Meer- schweinchen injicierte ich 1 cg Pikrotoxinin in w~sserig-alkoholischer LSsung. Letzteres ging ungef~hr I/4 Stunde nach der Einspritzung' zugrunde und zeigte die gew5hnlichen Vergiftungserseheinungen. Die beiden ersten Tiere dagegen iiberlebten nicht n u r die Injection, sondern zeigten auch keinerlei toxisehe Erscheinung, obwohl sie eine doppeite Quantit~t der Substanz erhalten batten.

Dieses Resultat seheint mir die oben dargelegte Vorstellung zu best~tigen, da das Alkali, indem es den Grundkern des Pikrotoxinins ver~ndert, wahrscheinlich dcssen Briieke sprengt.

Endlich war zu erwarten, daft das Acetylpikrotoxinin wirksamer als das Pikrotoxinin sein muf~te, da es bekannt ist, dab die Einfi~hrung' des Acetyls in das Molekiil vieler KSrper deren Wirkung verst~rkt. So weifi man z. B. nach den Untersuchungen yon Got t l i eb~ Cash und D u n s t a n und yon Mering~ dab das Acetyltropin, das Aeetyl- benzaconin (Aconitin) und das Heroin giftiger sind als die KSrper, yon denen sie sich ableiten.