43
[Aus dem hygienischen Institut zu Berlin.] Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie fiber reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien. 1 Von W. Heraeus. (Hierzu Taf. IV.) Eine der wichtigsten Fragen der Hygiene, die Bel~theilung des Trink- wassers, deren LSsung frilher lediglich yon ehemischen Gesichtspunkten aus erstrebt wurde, ist dutch die Entwickelung der Hygiene und namentlich eines Theils dieser Wissenschaft, tier Bacteriologie, in ein neues Stadium getreten. Seit man erkannte, dass in jedem~ aach dem reinsten Trink- wasser pflanzliche Organismen der niedersten Art vorkommen, und dass es unzweifelhaft auf solche zuriickzufflhren ist, wenn das Wasser einen gesundheitssch~dlichen Einfluss ausiibV and oft mit weitverbreiteten ver- heerenden Epidemien in unverkennbarem Zusammenhang steht, musste sich das Haaptinteresse bei der Untersuchung des Wassers diesen MJkro- organismen zuwenden. Freilich anterlag es keinem Zweifel, dass die im Wasser st~ndig vor- kommenden Arten yon Bacterien darehaus anschuldiger Natur seien und auch, wenn sie in grSsster Anzahl vorhanden waren, einen direeten ge- sandheitssch/idlichen Einfluss nicht ausiibten. Trotzdem abet glaabte man die Anforderung an ein gutes Trinkwasser stellen zu mfissen, dass es nicht mehr als eine bestimmte Zahl yon entwickelungsf~higen Keimen fin Cubikeentimeter enthalte, man glaabte aus der ge~undenen Zahl einen Schluss auf die Giite des Wassers ziehen zu kSnnen. Vor Allem muss aber das Streben aueh darauf gerichtet sein, die pathogenen Bac- terien, falls solche im Wasser vorkommen sollten, imter den anderen 1 W~hrend tier Drucklegung dieser Arbeit kommt mir die Abhandlung des Hrn. Meade Bolton (diese Zeitseltrift, I. S. 76 ft.) zu Gesieht, auf die ieh leider nieht mehr Riieksicht nehmen konate. Zeitschr. f. Hygiene. L 13

Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

[Aus dem hygienischen Institut zu Berlin.]

Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie fiber reducirende und oxydirende Eigenschaften

der Bacterien. 1

Von

W. Heraeus .

(Hierzu Taf. IV.)

Eine der wichtigsten Fragen der Hygiene, die Bel~theilung des Trink- wassers, deren LSsung frilher lediglich yon ehemischen Gesichtspunkten aus erstrebt wurde, ist dutch die Entwickelung der Hygiene und namentlich eines Theils dieser Wissenschaft, tier Bacteriologie, in ein neues Stadium getreten. Seit man erkannte, dass in jedem~ aach dem reinsten Trink- wasser pflanzliche Organismen der niedersten Art vorkommen, und dass es unzweifelhaft auf solche zuriickzufflhren ist, wenn das Wasser einen gesundheitssch~dlichen Einfluss ausiibV and oft mit weitverbreiteten ver- heerenden Epidemien in unverkennbarem Zusammenhang steht, musste sich das Haaptinteresse bei der Untersuchung des Wassers diesen MJkro- organismen zuwenden.

Freilich anterlag es keinem Zweifel, dass die im Wasser st~ndig vor- kommenden Arten yon Bacterien darehaus anschuldiger Natur seien und auch, wenn sie in grSsster Anzahl vorhanden waren, einen direeten ge- sandheitssch/idlichen Einfluss nicht ausiibten. Trotzdem abet glaabte man die Anforderung an ein gutes Trinkwasser stellen zu mfissen, dass es nicht mehr als eine bestimmte Zahl yon entwickelungsf~higen Keimen fin Cubikeentimeter enthalte, man glaabte aus der ge~undenen Zahl einen Schluss auf die Giite des Wassers ziehen zu kSnnen. Vor Allem muss aber das Streben aueh darauf gerichtet sein, die pathogenen Bac- terien, falls solche im Wasser vorkommen sollten, imter den anderen

1 W~hrend tier Drucklegung dieser Arbeit kommt mir die Abhandlung des Hrn. Meade Bolton (diese Zeitseltrift, I. S. 76 ft.) zu Gesieht, auf die ieh leider nieht mehr Riieksicht nehmen konate.

Zeitschr. f. Hygiene. L 13

Page 2: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

t94 W. HEaAEUS:

herauszufinden und mit Bestimmtheit naehzuweisen. Endlich ist es yon Interesse zu erforsahen, ob im Wasser noah nachweisbare Ver~nderungen durah die Mikroorganismen hervorgerufen werden, sowie die Einwirkungen derselben auf ihre Substrate iiberhaupt kennen zu lernen, damit wir uns ein Bild davon maahen kSnnen, welche Rolle den Bacterien bei dem Reinigungsproeess, wie er fortw~hrend im ~ossartigsten Maassstabe in der Natur vor siah geht, zufalle. Indem diese neuen Gesiahtspunkte for die Beurtheilung des Trinkwassers jetzt hinzutreten~ bedarf die Frage, wie das- selbe auf seine Reinheit zu prfifen, mehr denn je der Kl'~rung.

Die chemische Untersuehung wird unzweifelhaft stets eins der siehersten Kriterien ffir die Beurtheilung im Allgemeinen bleiben; in speciellen F'~llen, wo tier Verdacht einer Infiairung mit Ansteekungsstoffen vorliegt, wird nut die baateriologische Prfifung Aufschluss geben k5nnen. Ia wieweit die letztere im Uebrigen in Betracht kommen kann, ist zur Zeit noah nieht klar gestellt. Mir schien es dazu vor A.11em nothwendig, den Zu- sammenhang zu suchen, welaher zwisahen den Resultaten tier bacterio- logischen und denen tier chemisahen P~fung besteht; dieser Frage ist tier erste Theil der vorliegenden Arbeit gewidmet. Im Ansahluss daran theile ich die Versuche mit, welche iah fiber die Einwirkung tier Baaterien auf stickstoffhaltige Substanzen mit specieller Berficksichtigung der dutch sie hervorgerufenen Oxydations- und Reduationsvorg~nge anstellte. Es schien mir dieses besonders wiahtig, da die Hauptindicien einer Verunreini- gung des Wassers mit Abfallstoffen, die Anwesenheit yon Ammoniak und salpetriger S~ure, im engsten Zusammenhang,stehen re_it dem Wirken tier Baeterien im Erdreiah und eventuell noah im Wasser.

Als man anfing, bei der Untersuahung des Trinkwassers die Anzahl tier Keime zu bestimmen, die in je einem Cubikcentimeter desselben ent- halten waren und die ausserordentliehen Sahwankungen in den Resultaten beobaehtete, nahm man an, es liesse sieh, ~hnlich wie wit ffir die meisten Bestandtheile des Wassers, Chlor, Salpeters~ure. organisahe Substanz etc. Grenzzahlen haben, aueh eine Zahl festsetzen, bis zu weleher die Menge der Keime gehen dfirfe, deren Ueberschreiten abet eine Beanstandung des Wassers zur Folge haben mfisse.

Wirklieh ist man an manahen Orten kurzer Hand daran gegangen, eine solehe Grenzzahl aufzustellen, unbekfimmert darum~ class man h~ufig ein Wasser beanstanden musste, alas die ahemisahe Untersuehung als ein sehr gutes gekennzeiahnet hatte. Mir batten FSlle vorgelegen, wo ein als vorzfigliah anerkanntes Quellwasser beanstandet wurde, well man Tausende yon Keimen im Cubikcentimeter gefunden hatte, w~hrend einige stark ver- unreinigte Brunnenwasser nur einige hundert Keime enthalten sollten. Es war dieses die erste Yeranlassung ffir reich gewesen, tier Frage nSher

Page 3: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS YERHALTEN DER ~ACTERLEN I~ BRUh~ENWASSER U. S.W. 195

zu treten: ist es mSglich, dass ein gutes Quellwasser eine so enorme Zahl yon Bacterien enthSlt, oder aber ist ein solehes Resultat auf Fehler bei der Untersuchung zur%kzufflhren, so dass bei riehtiger Ausffihrung der- selben eine mit der Reinheit des ~Vassers con'espondirende Zahl yon Keimen gefunden wird? Zur Klarstellung dieser Frage habe ieh eine grosse Zahl yon Brunnen meiner Vaterstadt Hanau chemisch und bacteriologiseh unter- sucht, und mSohte ieh zun~chst kurz darauf hinweisen, warum ttanau ver- mSge seiner Lage ein ausnahmsweise giinstiges Terrain bietet, um der- artige Untersuehungen vorzunehmen.

Die Stadt, welche im nSrdliehsten Theil der mittelrheinischen Tief- ebene am Zusammenfluss yon Kinzig und Main gelegen ist, fiillt die Spitze eines Deltas aus. welches yon dem hier fast genau in tier Richtung yon Osten naoh Westen dem Rhein zueilenden Main einerseits und der yon Nordusten dem Main zufliessenden Kinzig andererseits gebildet wird- Die Kinzig n~hert sich dem Main mit starkem Gefiille, so dass ihr den Nordosten der Stadt berfihrendes Bert etwa 51/2 m fiber dem Spiegel des Mains liegt, bei einer direoten Entferung yon kaum 11/2 km w~hrend der Lauf des Flusses, noch gehemmt dutch verschiedene Wehre einen grossen Bogen am den Norden tier Stadt besohreibt und genau den doppelten Weg etwa 3 ~ zuriicklegt, bis er den Main erreicht. In Folge dessen sueht sioh das Kinzigwasser zum Theil den kilrzeren ~Veg dureh die Erde und durohstrOmt in der Richtung yon Ostnordost nach Westsfidwest den ganzen ITntergrund tier Stadt, eine Thatsaehe, die sich dureh jedes Steigen und Fallen der Kinzig in den Niveaus der Brunnen der Stadt geltend macht. Die Riehtung der Str5mung konnte in wieder- holten Fhllen genau festgestellt werden, wenn zuf~lhge u des Untergrundes, wie einmal namentlich in de~ Gasanstalt dutch Gaswasser, in einem anderen Falle dutch Petroleum sieh nur den in tier N~he be- findliehen Brunnen mitgetheilt hatten, welche in der Stromrichtung lagen. Das Wasser der Brunnen ist somit ein Gemenge yon filtrirtem Kinzig- wasser und Grundwasser. Eine sofort in die Augen springende Folge dieses Umstandes ist abet die, dass die Brunnen an tier Seite tier Stadt, we das Wasser in deren Untergrund eintritt, eine ganz andere Be- schaffenheit zeigen milssen, als die an der entgegengesetzten Seite, we es denselben wieder verl~sst, nachdem es sich mit seinen u beladen hat. In der That ffihrt die chemische Untersuehung des Wassers zu hiermit vollkommen fibereinstimmenden Resultaten. Wenn wir den Rfiekstand des Wassers eines im Nordosten der Stadt gelegenen Brunnens als 380ms ' im Liter betragend gefunden haben, wShrend ein am ent- gegengesetzten Ende hegender Brunnen solehes mit 1015 m~" Efiekstand liefert, so kOnnen wir jedem zwisehen diesen beiden Punkten gelegenen

13"

Page 4: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

196 W. I~ERAEUS:

Bezeichnung.

Nummer.

It 2t 3

4

5

6

7t 8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19t

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

Tag der En~nahme.

1885.

HShe des Wasserstand.

Meter.

Temperatur.

Grad C.

Riickstand.

Milligramm.

12./7.

25./8.

22.9.

8.i9. 6.9.

3./9.

22./9.

31 ./8.

19./9.

22./9.

25./9.

16./9.

8./9.

22./9.

6,9.

22.:9.

16./9,

12./'9.

3./9.

22. 9.

8./9.

3./'9. 8.~9.

16,9.

3./9.

8./9.

8./9.

16./9.

16.:9.

1.35

0 . 7 5

0.95

1.04

1.15

0-80

1.40

0.45

0.60

0.80

1.20

0.74

0.65

1.25

0.40

1.40

1.70

1.40

0-60

2.10

1"10

10.2

11.2

12.5

11.1

11.2

10.6

13

11.5

12.2

12.5

13.2

12.6

11.2

11.2

1t .2

13.4

10,4

10.8

13.4

11.6

10.8

14

12.6

10.9

11

11.75

13

13

285

316

345

380

454

464

470

450

570

575

575

578

607

663

685

711

715

730

75O

790

83O

855

865

90O

1005

1015

1078

1165

2035

GliihverlusL

Milligramm.

60

8O

92

85

135

8O

8O

1oo 115

158

162

193

150

221

114

6O

190

2O5

120

135

120

187

140

27O

133

24O

225

Page 5: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS VERHALTEN DER BACTERIEN I~WI BRUNNENWASSER U. s . W . 197

Kalk- Verbrauchtes : Chlor. Kalium- ~ Salpetr ige

Magnesia. pe r m angana t : Ammo•iak. S~ure.

3 I i l l i g r a m m . 3 I i l l i g r a m m . l ~ I i l l | g r a m m . _ : . , - : . . . . . : : . . . . , _ . . . . . . . . . . 2_ . . . . . . . . . .

143

138

78

104

190

130

89

137

148

215

187

218

150

94

148

202

195

140

118

230

186

152

195

468

150

210

226

507

260

35

Spur

35

46

45

35

35

65

80

76

53

64

106

71

78

105

106

97

70

102

120

118

108

131

157

198

165

170

385

17.00

2.8

19.3

9.5

4.7

10.0

11.7

13.0

18.4

9.8

8.6

12.9

14.6

10.7

8.3

8.9

11"0

12"2

10

10.7

8.9

12.4

8.6

14.6

9.7

9.5

10"4

16 .9

81.0

i

i _

L sehr riel

Spur I

r i

viel

viel

Spur

Spur

etwas

viel

etwas

etwas

etwas

Spur

viel

nur

etwas

etwas

viel

Spur

etwas

etwas

etwas

etwas

etwas

sehr viel

Spur

etwas

Spur

viel

etwas

etwas

etwas

etwas

etwas

etwas

Spur

etwas

Spur

etwas

etwas

Spur

etwas

etwas

Spur

etwas

etwas

viel

etwas

etwas

etwas

viel

Salpe~ers~iure.

: M i l l i g r a m m .

Spur

10

12

63

68

38

51.8

37.5

51.2

36

64

12

85

54.6

3O

5O

112

87

120

47

117

78

85

112

160

168

328

Page 6: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

198 W. H~RAEVS:

Brunnen in der aufsteigenden Reihe yon 380 bis 1015 im Voraus seinen Platz anweisen und finden mit wenigen Ausnahmen unser Urtheil durch die r Untersuchung best~tigt. Gerade abet da, wo ein Abweieheu yon der Regel stattfindet, kSnnen wit darauf schliessen, class eine direetere Verunreinigung stattgefunden hat, was oft mit Bestimmtheit auf in der N~he befindliche undichte Gruben zuriickgefiihrt werden kann. Entfernter yon der Stadt, ausserhalb des Kinzigbereiehes gelegene Brunnen, welche zum Theft in bebautem Terrain zum Theil entfernt yon solchem inmitten yon Wiesen sich befinden, konnten bei der Untersuchung zum Vergleich dienen, wie aueh das Wasser der Wiesbadener und Frankfurter Quellwasser- leitung mehrfach einer vergleichenden Untersuchung unterwoffen wurde.

Ich theile nun zun~chst tabellarisch das Ergebniss der chemischen Untersuchung yon 29 verschiedenen Brunnenwassern Hanau's mit, yon welehen 26 in die Kategorie der yon der Kinzig beeinflussten Brunnen gehSren, vier nieht derselben angehSren. 1 Die Reihenfolge ist so ge- wiihlt, wie sie sich aus der allm~hlieheu Zunahme des Gehaltes an festen Bestandtheilen ergiebt. Wo dieser der Lage des Brunnens nicht entspricht und eine stiirkere Verunreinigung vorHegt, wird speciell darauf hingewiesen werden. Bestimmt wurde der Gehalt an festen Bestandtheilen bei 100 ~ getrocknet, die Abnahme desselben beim "Gliihen, die ~enge des Ver-

brauches yon Kaliumpermanganat, die H~rte (durch Titriren mit Seifen- 15sung), Salpeters~ure dutch Titriren mit Indigo nach dem l [ a rx ' s ch en Veffahren, Chlor mit NormalsflberlSsung, sowie Ammoniak und salpetrige S~iure qualitativ. Ferner wurde die Temperatur des Wassers bei der Entnahme und die HShe des Wasserstandes in den meisten FSllen beigefiigt, letztere nach einer friiher vorgenommenen Messung. (Siehe S. 196 u. 197).

Das Ergebniss der chemisehen Untersuchung kann k~trz dahin' zu- sammengefasst werden:

Wasser, welches in keiner Weise zu einer Beanstandung Veranlassung giebt, liefert nur tier Brunnen Nr. 2. ~

Wasser, dessert Gehalt an festen Bestandtheilen die Grenze yon 500 met im Liter zwar nicht erreieht, das aber wegen des Vorhandenseins yon .4.mmoniak oder salpetriger Saure oder wegen zu hohen Gehalts an organischer Substanz nach den herrschenden Ansichteu beanstandet wer-

Letztere werden zur Unterscheidung mit einem Kreuz versehen werden. Derselbe ist etwa eine halbe Stunde unterhalb der S~adt dicht am Main in-

mitten eider Wiese mit sandigem Untergrund neu angelegt, und wurde zur Zeit der Untersuchung vermittelst einer Dampfpumloe 6 Wochen lang ununterbrochen gepumpt, um die Ergiebigkeit, bez. den Einfluss auf das Niveau des Grundwassers in der Um- gebung des Brunnens festzustellen, damit eventuell durch Anlegung mehrerer grosser Brunnen an dieser Stelle der Stadt ihr gesammtes Wasser yon bier aus zuge~iihrt werden kSnne.

Page 7: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS YERHALTEN DER BACTERIEN I~i BRUNNENWASSER U. S .W. 199

den miisste, enthalten die Brunnen Nr. I t u n d 3 bis 9. Von diesen ist es namentlieh das Wasser des Brunnens Nr. 1 t , welchem ich trotz seines hohen Gehaltes an organischer Substanz keineswegs die Eigensehaft eines guten Trinkwassers absprechen mSchte, da der starke Verbrauch yon Kaliumpermanganat unmSglich einer Verunreinigung durch Abfallstoffe zugeschrieben werden kann, was die gleichzeitige Anwesenheit yon Am- moniak oder salpetriger Shure bedingen wfirde. Unzweifelhaft ist tier Gehalt an organischer Substanz hier dutch das morsche Holzwerk des sekr alten Brunnens hervorgerufen, verbunden mit tier sehr geringen Be- nutzung desselben, was, so lange sich sein Einfiuss nicht in hSherem Maasse geltend macht, kaum der Gfite des Wassers Eintrag thun kSnnte. Ueberhaupt dfirfte die mit Kaliumpermanganat bestimmbare Menge organi- scher Substanz am wenigsten geeignet sein~ Aufschluss fiber die Gfite des Wassers zu geben, indem dieselbe auch bei ganz schlechten Brunnen oft die Grenze yon 10m~ ~ pro Liter nicht erreichte. Andererseits kann uns die Anwesenheit yon Ammoniak und salpetriger S~ure auch keines- wegs immer ein Beweis sein, class eine Verunreinigung mit Stadtlauge vor- liegt. Es kommen zur Zeit im hygienischen Institut in Berlin Wasser zur Untersuchung, bei welehen eine derartige Verunreinigung vollst~ndig ausgeschlossen ist, die trotzdem solche Mengen yon Ammoniak und sal- petriger S~ure enthalten, dass deren quantitative Bestimmung vorgenommen wird. Da solche u welche unzweifelhaft durch die Art des Terrains, welches das Wasser passirt, bedingt sind, in Hanau nicht vor- liegen, so mag bier tier Anwesenheit yon • und salpetriger S~ure immerhin die Bedeutnng beigelegt werden~ wie dieses bis jetzt allgemein fiblich war.

Wo eine grosse Menge organischer Substanz mit starkem Ammoniak- gehalt zusammentrifft, wie beim Brunnen ~'r. 3, gewinnt die Annahme einer Verunreinigung dutch Kloakeninhalt mehr an Wahrscheinlichkeit.

Shmmtliche andere Brunnen mfissen schon wegen ihres .hohen Rfick- standes, sowie fast durchweg wegen tier Anwesenheit yon Ammoniak und salpetriger S~ure beanstandet werden.

Ueberaus wechselvoll ist tier Gehalt eines und desselben Brunnen- wassers an diesen letzteren Bestandtheflen, so d~s ich bei mehrmaliger Entnahme selten ein fibereinstimmendes Resultat erzielte. Bei einer Pr~ifung fand ich wenig Ammoniak und viel salpetrige S~ure, bei einer anderen viel Ammoniak und wenig salpetrige S-~ure. Es trat schon ein merklicher Unterschied in den Reactionen ein, wenn ich eine Stunde lang einen Brunnen abpumpen liess und dann die Prfifung wiederholte. Auf directere Verunreinigung lassen die Brunnen Nr. 9 und Nr. 18 schliessen, sowie in ganz hervorragendem Maasse tier Brnnnen Nr. 29,

Page 8: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

200 W. HERAEUS:

dessen Wasser schon durch Geruch und Farbe seine bedenkliche Natur erkennen l~isst. Es soll damit indessen nicht gesagt sein, dass Gruben- inhalt ohne jegliche Filtration, sei es nun durch einen Spalt in der Erde und der Wandung des Brunnens, sei es yon oben in denselbeu gelange. Ich verstehe unter directerer Verunreinigung nut, class in Folge einer undichten Grube das Erdreich so fiberladen mit Abfallstoffen ist, dass die Filtration eine mangelhaftere ist und das in den Brunnen gelangende Wasser eine gr5ssere Menge yon Substanzen enthalt, welche theils un- mittelbar als solche in den Abwnrfstoffen enthalten sind, wie alas Chlor- natrium, theils durch Zersetzungsprocesse erst gebildet werden, wie Am- moniak, salpetrige SSure und Salpeters~ure.

Bevor ich mich nun den Resultaten der bacteriologischen Prfifung zuwende, muss ich kurz erw~hnen, was mir aus den sparlichen Literatur- angaben fiber die im Wasser vorkommenden Mikroorganismen, fiber das Verhalten derselben im Wasser, fiber die Art und Weise, wie die Unter- suchungen vorgenommen wurden, bekannt war, als ich im April 1885 in dem bacteriologischen Institut des Herrn Geh. Hofrath Prof. F r e s e n i u s unter Leitung des Hrn. Dr. l tu e p p e meine bacteriologischen Arbeite begann.

Es lagen mir hauptsiichlich einige Abhandlungen yon Fol und Du- nan t vor ,,Dosage des germes de l'eau" Archives de Gen~ve Nr. 6, in welchen die beiden Forscher eine genaue Beschreibung der Yon ihnen befolgten und noch vervollkommneten Verdfinnungsmethode geben, indem sie die in Deutschland wohl allgemein fibliche Koch'sche Methode als durchaus unzureiehend und zu falschen Resuttaten ffihrend bezeichnen. Es dfirfte an sich kaum n6thig erscheinen," diese Ansichten zu wider- legen, denn Jeder, der nut einen Einblick in die Bacteriologie gethan, weiss die grossen Vorzfige des Koch'schen Verfahrens vor allen fibrigen zu schatzen und weiss, dass die grossen Fortschritte, welche die Bacterio- logie in den letzten Jahren gemacht, zum grossen Theil auf die Einffih- rung dieser I~Iethode zurfickzuffihren sind; indessen auch die Erfolge sprechen wenig ffir diese Ansichten yon Fol und Dunant . Bei ihren Untersuchungen wuren sie zu dem Ergebniss gekommen, dass beim Stehen des Wassers eine rasche Sedimentirung der in diesem befindlichen Bac- terien statttinde, den Nachweis bleiben sie indessen schnldig, und ist derselbe meines Wissens auch anderwarts bis jetzt nicht geffihrt worden. Ich komme auf die Frage tier Sedimentirung im Sp~teren zuriick.

Die ausserordentlich schnelle Vermehrung der Bacterien im Wasser, die den Kernpunkt der ganzen Frage bildet, scheint yon Fol und Du- nan t fibersehen zu sein, so dass diese VerSffentlichungen zum ~iindesten nicht dazu dienen konnten, irgendwelche Anhaltspunkte zu bieten.

Im Laufe des Sommers erschien dann ein Bericht der Sanitats-

Page 9: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DiS VERIIALTEN DER BACTERIEN iM BRUNI%'ENWASSER U. S.W. 201

commission in Zfirich fiber die im Sommer 1884 dort herrschende Tvphus- epidemie, in welchem eine ausffihrliche Arbeit yon Cramer fiber seine bacterio- logischen Wasseruntersuchungen enthalten war. Die Ergebnisse derselben stimmten im Wesentlichen mi t denen fiberein, die ich inzwischen erhalten hatte, vor Allem weist auch er auf die rasche Vermehrung der Bacterien hin, der nach einigen Tagen (beim Stehen bei Zimmertemperatur) eine ~/llm~hliche Wiederabnahme folgte, so zwar, dass die gefundene Zahl nach zweimonatlichem Stehen noch erheblich grSsser war, als die an~ngliche.

Endlich waren es noeh eine Anzahl yon Wasseruntersuchnngen, welche die Stadt Hanau auswhrts hatte ausffihren lassen, die in den meisten F~llen zu dem Ergebniss yon vielen tausend Keimen ffir den Cubikcen- timeter geffihrt batten.

Die ersten Untersuchungen, die ich ansteltte mit ~Viesbadener ~Vasser- leitungswasser, in welchem ich 12 bis 15 Keime im Cubikcentimeter land. belehrten reich zun~chst, dass die Fl~ischchen, wie sie theilweise im Gebraueh sind, um Wasser ffir die bacteriologische Untersuchung zu entnehmen, wie sie aueh ffir die Untersuchung der Hanauer Wasser zugeschickt und in An- wendung gekommen waren, in der Weise wie dieses geschah, ihren Zweck erfiillenkonnten. Es sind dieses etwa 15 ~ fassende dfinnwandige GlaskSlb- chert, deren Hals zu einer langen feinen Spitze ausgezogen ist. ~ Dieselben werden durch fiberhitzte WasserdSmpfe sterilisirt und mit den D~mpfen erffillt zugeschmolzen, so dass sie nach dem Erkalten einen fast luftleeren Raum enthalten. Zur Entnahme wird die Spitze in dem zur Untersuchung be- stimmten Wasser direct im Strahl einer Puml~e oder Leitung abgebro~hen und nachdem sich das KSlbchen momentan mit ~Vasser geffillt hat, wie- der zugesehmohen. Soll das Wasser zur Untersuchung gelangen, so wird die Spitze wiederum abgebrochen, das KSlbchen mit der Hand umfasst, worauf dureh die Erw~rmung und die dadurch hervorgerufene Ausdehmmg ein Tropfen des Wassers aus der Spitze heraustritt und direct in der Nhhrgeh~tine aufgefangen wird. Diese sehr elegante ~[ethode leidet an dem fundamentalen Fehler, dass es nicht mSglich ist, mehr als einige wenige Tropfen, manchmal sogar nur einen einzigen, auf diese Weise aus dem KSlbehen herauszubringen. Von einem ~Vasser aber, welches selbst 100 Keime im Cubikcentimeter enthSlt, mfissten bei genauen Unter- suchungen mindestens mehrere Platten mit je 1 ~ angefertigt werden,

1 In der erst nach Fertigstellung dieser Arbeit erschienenen zweiten Auflage yon C. F l f i g g e ' s ,~ik~'oo,'tlanismen" sincl diese Fl~schchen als sehr brauchbar em- pfohlen. Da ihre Anwendung hier in der Weise vorgeschrieben ist, dass mit H[dfr eines am Grunde angebrachten Feilstriches tier ganze Hals abgebrochen und die Entnahme durch Pipetten vollzogen wi rd , f,~llen die Bedenken, die ich gegen die- selben ge~ussert, natfirlich fort.

Page 10: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

202 W. HE~aEvs:

da hierdureh erst die ~Sgliehkeit gegeben ist, Bacterien, die in sehr ge- ringer Zahl neben einer ~ossen Zahl anderer Arten im Wasser enthalten sind, aufzufinden. Kleine Fl~schehen mit Glasstopfen, welche mit einer Gummikappe geschlossen oder auch nut mit Pergamentpapier iiberbunden werden, oder woes ang~ngig mit Baumwollepfropf versehene Flaschen dfirften deshalb unbedingt den Vorzug verdienen. Eine Gefahr, dass dutch den festen Verschluss des Glasstopfens ein Absterben maneher sehr luftbedfirftiger Arten eintreten kSnnte, di~rfte ffir die wenigen Stunden, um die es sigh nut handeln kann, ausgeschlGssen sein.

Ueber die Art der Ausf~ihrung meiner Untersuehungen ist kaum etwas binzuzuffigen, indem ich, wie es jetzt allgemein ~bliah, alas yon I(oeh eingeff~hrte Verfahren der Isolirung der Keime vermittelst Gelatine- plattenkulturen befolgte. Ich fertigte stets zwei Parallelplatten bei jedem einzelnen Versueh an, um dutch die Uebereinstimmung derselben die Ge- wissheit zu gewinnen, dass bei der Ausfi~hrung der UntersuGhung Gin Fehler night begangen sei.

Als eins tier wesentlichsten Momente ffir die bacteriologisehe Unter- suchung yon Wasser muss es angesehen werden, dieselbe unverzfiglich nach der Ent-nahme vorzunehmen. Es tritt namentlich in der Sommerzeit eine ausser- ordentlieh schnelle Yermehrung der Keime im Wasser Gin, SO dass wit, nehmen wir die Untersuchung etwa nach einem Tag erst vor, Gin total falsches Resultat in Bezug auf die Anzahl der Keime erhalten; ferner aber wird die Vermehrung soloher Arten yon Bacterien, die in ihren Anspriichen an alas • sehr bescheiden sind, das volist~ndige Ueberwuehern anderer anspruchsvollerer Arten zur Folge" haben, so dass deren Auf- findung ~berhaupt unmSglieh wird. Ueber die Zeit, in welGher eine Vet- mehrung eintritt, babe ich einige Versuehe angestellt, auf w~lGhe iGh weiter unten zurfickkommen werde. Hier braueht nur erw~hnt zu wet- den, dass ich s~mmtliehe Pr~ifungen alsbald nach der Entnahme vorge- nommen habe und class es dadurch erkl~rt wird, wenn ich zu ganz andren Resultaten gelangte, a!s die, welche ausw~rts gemachte Unter- suchungen ergeben batten.

Indem ieh im Folgenden nun die Ergebnisse der bacteriologisehen Untersuchung der in der Tabelle enthaltenen Brtmnenwasser mitthefle, . werde ich dieselbe Anordnung in der Reihenfolge, wie doff, treffen und zur besseren Uebersieht links in Klammern den gefundenen Riickstand des Wassers nochmals beiffigen, der bier mit dem Maasse der Verun- reinigung im Wesentlichen identificirt werden kann.

(285) Brunnen Nr. 1 f 500 Keime (380) Brunnen Nr. 4 20 Keime (316) ,, Nr. 2]" 15 ,, (454) ,, ~-r. 5 12 ,, (345) ,, Nr. 3 20 ,, (465) ,, ~N~r. 6 120 ,,

Page 11: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

(~BEP~ DAS VEI~HALTEN D~El~ ~ACTEl~IEN ~151 ~RUNNENNVABSER U, S.W. ~03

(470) Brunnen Nr. 7 t 400 Keime (750) Brunnen Nr. 19 t 75 Keime (480) ,, Nr. 8 470 ,, (790) ,, R-r. 20 20 ,, (570) ,, Nr. 9 50 ,, (830) ,, ~-r. 21 150 ,, (575) ,, Nr. 10 16 ,, (855) ,, ~-r. 22 200 ,, (575) ,, Nr. 11 25 ,, {865) ,, ~'r. 23 170 ,, (578) ,, Nr. 12 350 ,, (900) 7, ~'r. 24 1800 ,, (607) ,, Nr. 13 125 ,, (1005) ,, Nr. 25 85 ,, (663) ,, ~Nr. 14 14 ,, (1015) ,, Nr. 26 550 ,, (685) ,, Nr. 15 400 ,, (1078) ,, Nr. 27 206 ,, (711) ,, Nr. ]6 105 ,, (1165) ,, Nr. 28 95 ,, (715) ,, Nr. 17 130 ,, (2035) ,, Nr. 29 140 ,, (730) ,, Nr. 18 570 ,,

Ein Blick auf diese Zusammenstellung zeigt uns, dass eine Ueber- einstimmung zwischen den Resultaten der ehemischen Untersuohung und denen der bacteriologischen absolut nicht stattfindet. Das am wenigsten Rtickstand enthaltende Wasser ist in Bezug auf die Anzahl der Bacterien fast das schlechteste, das weitaus schlechteste ist in bacteriologischer Hin- sicht eins der besseren. Eine directere Verunreinigmng, wie si~ bei den Brunnen Nr. 3, Nr. 9, Nr. 18 und Nr. 29 angenommen werden musste, scheint ganz ohne Einfluss, so dass wit hieraus schon ersehen, dass die Anzahl tier in einen Brunnenwasser enthaltenen entwickelungsf~higen Keime an sich keinen Anhaltspunkt fiir die Beurtheflung desselben geben kann. Auch die gefundenen Arten yon Bacterien konnten kein Kriterium abgeben. Wenn man friiher theilweise der Ansicht war, dass die die Gelatine verfliissigenden Mikroorganismen, welche vielfaeh als besonders charakteristisch fiir Faulnissvorg~nge gegolten haben, einen Beweis liefem kSnnten, class alas Wasser mit faulenden Substanzen~ z. B. Grubeninhalt, in Beriihrung gekommen sei, so konnte auch ich eine Best~tigung dieser Ansicht nicht finden, da solche verfliissigendenArten sich allenthalben, auch in den reinsten Wassern fanden.

Die Beantwortung der Frage, auf welchen Umstand es zuriickzufiihren ist, dass die Anzahl der Keime so imsserordentlieh variirt, war mir dadurch nahe gelegt, dass die drei Brunnen, welche bei tier bacteriologischen Unter- suchung mit 15, 12 und 14 Keimen das beste Resultat ergeben batten, Brunnen Nr. 2t~ Nr. 5 und Nr. 14, solehe waren, bei welchen dutch Dampfbetrieb pemanent Wasser gepumpt wurde. In Betreff des Brunnens Nr. 2 t kann ich auf die oben Seite 198 gemachten Angaben verweisen, die beiden anderen befinden sich in Brauereien und werden ausser zu sonstigen Zwecken zur Herstellung yon Eis benutzt.

Es schien demnach in dem ununterbrochenen Zu- und Ablauf yon Wasser der Grund zu liegen, class wir in ihnen nut so wenige Keime

Page 12: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

204 W. HER.~CSUS:

fanden - - es schien, dass eine gr5ssere Zahl yon Baeterien im Wasser durch u derselben beim ruhigen Stehen in dem Brunnenseha~ht dutch die stere Beri~hrung mit den W~nden hervorgerufen sei.

Es fragte sigh zun~chst, ob diese Annahme auch in den Resultaten der flbrigen Brunnenwasser ihre Best~tigung finde. Von dem Brunnen Nr. 10. welcher mit 16 Keimen sich als der viertbeste in dieser Hinsieht erwiesen hatte, war mir bekannt, dass er einer der am meisten benutzten Brunnen der Stadt sei, ebenso der Brunnen Nr. 4, welcher 20 Keime im Cubik- centimeter enthalten hatte. Brunnen Nr. 3 befindet sich in einer Sehule und hat nur geringe Tiefe und dementspreohend niedrigen Wasserstand, so dass er, als ich das Wasser entnahm, wegen vorheriger starker In- anspruchnahme, beim Abpumpen alsbald versagte und ich nach einigem Warten erst alas nSthige Wasser ffir die Untersuchung erhalten konnte. Von den Brunnen Nr. 20 (20 Keime) und Nr. 11 (25 Keime) war mir nicht bekannt, ob sie immer sehr stark in Anspruch genommen worden, oder ob dieses zuf~llig kurz vor der Entnahme der Fall gewesen war. Andererseits befindet sich der Brunnen Nr. 1 % der sich bei der ehemischen Untersuchung als der wenigst verunreinigte erwiesen, abet die hohe Zahl yon 500 Bacterien im Cubikcentimeter ergeben hatte, in einer geschlosse- hen Besitzung ausserhalb der Stadt und wird nut yon den Bewohnern des einen ttauses benutzt. Brunnen ~r. 6 (120 Keime) in einem Schloss- garten gelegen, wird ebenfalls nut yon wenigen Haushaltungen, die sieh in dem Schloss befinden, in Anspruch genommen. Nr. 7 f (400 Keime) am Nordbahnhof - - entfernt yon der Stadt gelegen, wird fast gar nicht benutzt, da das etwas eisenhaltige Wasser ~on den wenigen Bewohnern des Bahnhofs ffir sehleeht gehalten w i r d - und man sich solches aus einem in der N~he befindlichen Brunnen holt, so dass nach Aussage der Bahnbediensteten nur etwa 10 bis 15 Eimer Wasser tSglieh zum Begiessen dem Brunnen entnommen wurden. Yon den fibrigen Brunnen konnte nicht constatirt werden, wie stark der Gebrauch derselben ist. Die Anzahl der Keime schwankt zwisehen 50 und 550 und nut der Brunnen ~Nr. 24 weicht mit 1800 und bei einer zweiten zur Controle ausgeffihrten Untersuchung, bei der ich etwas 15nger hatte abpumpen lassen, mit 1000 Keimen erheblich ab. Auffallend war es noch, dass Brunnen ~Nr. 29 trotz seiner ausser- ordentlichen Verunreinigung nut 140 Keime enthalten hatte. Von letz- terem hatte ich vermuthet, dass er kaum henutzt w~rde, da wie erw~hnt, die sehlechte Beschaffenheit seines Wassers den Umwohnern bekannt ist, und sich in unmittelbarer N:~he mehrere andere Brunnen mit hesse- rein Wasser befinden. Dieser schien also in direetem Widerspruch mit meiner Annahme zu stehen. Eine genauere Information ergab indessen, dass der Brunnen sogar ausserordentlich stark in Anspruch genommen

Page 13: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~B:ER DAS %rERHALTEN DER ~ACTERIEN IAI BRUNNENWASSER U. S.W. 205

wird und in Folge dessert oft am Tage mehrere Male vollkommen ausgepumpt ist. Der Brunnen Nr. 24 unterscheidet sich insofern yon s~mmtlichen anderen, als der Brunnenschacht nicht unmittelbar unter oder neben tier Pumpe liegt~ sondern etwa 50 Schritte Yon dieser entfernt, das Wasser in Folge dessert die lange RShrenleitung passiren muss, und Jedenfalls ~fters l~ngere Zeit in derselben steht, wobei im Sommer die hShere Temperatur eine rasche u der Bacterien sehr begiinstigt. Um deshalb mSglichst das Wasser zu erhalten, wie es im Brunnenschaeht ent- halten ist, Hess ich eine Viertelstunde lang abpumpen, entnahm dana eine Probe und fand nun nur 300 Keime im Cubikcentimeter. Es war somit under den untersuchten Brunnen keiner mehr, welcher der Annahme widersprach, dass die Anzahl der im Wasser enthaltenen Baoterien ledig- lieh davon abh~nge, wie lange das Wasser in dem Brunnen stehe.

Der Beweis, dass es in tier That so sei, konnte auf zweierlei Weise erbracht werden, einmal indem ich einem Brunnen, der viele Keime ent- hielt, eine Probe Wasser entnahm und nachdem der Brunnen mSglichst ausgepumpt und frisches Wasser in denselben gelangt war, eine zweite Probe entnahm-- andererseits dadureh, dass einer der Brunnen, die sichvorher als sehr frei yon Baoterien erwiesen batten, einige Zeit ausser Betrieb gesetzt und dann nachgewiesen wurde, dass er jetzt ebenfalls eine weir hShere Zahl yon Bacterien enthalte. Es wurde demgemiiss dem Brunnen Nr. 21 Morgens 7 Uhr, als er noch kaum gebraucht worden war, nach etwa zweiminfitigem Pumpen eine erste Probe entnommen, dann 3/4 Stunden anhaltend gepumpt und eine zweite Probe entnommen, nach abermals 3/~stfindigem Pumpen und nachherigem halbstiindigen Stehen eiae dritte Probe (ein Auspumpen war wegen des zu starken Zuflusses nieht mSglich).

Probe Nr. 1 ergab 195 Keime ,, Nr. 2 ,, 125 ,, ,, Nr. 3 , 55 ,

Es wurde derselbe Versuch sodann mit einem Brunnen in unserer Behausung wiederholt, welcher mit einem durch Gasmotor getriebenen Pumpwerk, sowie auoh mit mekreren Handpumpen versehen ist. Am Montag friih, nachdem der Brunnen etwa 36 Stunden sehr wenig ge- braucht war, entnahm ich die erste Probe, dann liess ich vollstiindig aus- pumpen, wa~tete eine halbe Stunde und entnahm die zweite Probe.

1. Probe ergab 5000 Keime 2. ,, , 35 ,

Das Leerpumpen gesehah mit dem dutch die ~aschine getriebenen Pumpwerk, w~hrend ich zur Entnahme eine gewShnliehe Handpumpe be- nutzte, so dass dadurch die Annahme ausgeschlossen ist, dass nur in der

Page 14: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

206 W. tLEm~E~S:

PumpenrShre eine so starke Vermehrung stattgefunden babe. Das Wasser dieses Brunnens ist, da derselbe dicht neben einer Grube liegt, ausser- ordentlich schlecht, es enth~lt stets grosse Mengen Ammoniak und sal- petrige S'aure.

Es wurde endlich dem Brunnen IN'r. 2 f , tier inzwJschen ausser Be- trieb gesetzt war, nachdem er schon eine ganze Woche vollst~ndig ruhig gestanden, eine Probe entnommen, indem ich eine beschwerte sterflisirte Flasche in den Schacht hinabliess. Es fanden sieh im Cubikcentimeter 3000 Keime, w~hrenddem, so lange der Brunnen in Betrieb war, nur 15 Keime in demselben fi~r den Cubikcentimeter gefunden worden waren.

Durch diese Versuche mSchte es hinlhnglieh erwiesen sein, dass dutch das Grundwasser, selbst wenn es in hohem Maasse dutch Abfallstoffe ver- unreinigt ist. doch in der Regel nur eine sehr beschr~nkte Anzahl yon entwieklungsf~higen Keimen den Brunnen zugeffihrt wird, dass eine hohe Zahl meist in der im Brunnenschacht stattfindenden Vermehrung ihren Grund hat. Diese Vermehrung wird abh~ngig sein yon der Temperatur des Wassers, yon dem Umstand, ob 5fters s~mmtliches Wasser aus dem Brunnen ausgepumpt wird, oder immer ein grosser Theil in demselben verbleibt~ endlich auch unzweifelhaft abhangig yon der Beschaffenheit des Wassers.

Wean wir auch einen Brunnen durch anhaltendes Pumpen dahin bringen kSnnen, dass er nur noch 20 bis 30 Keime im Cubikcentimeter enthiilt, so glaube ich darin doch nicht eine Gew~ihr erblicken zu kSnnen, dass ein directer Zusammenhang mit einer in der N~he befindliehen Grube ausgeschlossen i s t . Wenn aueh durch einen grSsseren Riss in der Erde, dutch einen yon einer Ratte gegrabenen Gang, oder dutch .das Ueberlaufen einer Grube, so dass deren Inhalt yon oben in den Brunnen- schacht eintritt, zugleieh mit dem immer zustrSmenden Wasser eine so grosse 3~enge tier ausserordentlich bacterienreichen Flfissigkeit in den Brunnen gelangen mfisste, dass wir im Cubikcentimeter noch Tausende yon Bacterien fanden, so kann doch ein Ritz in der Erde so besohaffen sein, dass ein langsames Fortsickern in demselben stattfindet und in tier Zeit wo ein Cubikmeter, nehmen wit an, keimfreien Wassers in den Brunnen gelangt, vielleicht nur ein Cubikcentimeter Jauehe eintritt. Nehmen wir nun an, dass der Cubikeentimeter Jauche eine Million Keime enthielte, so wfirde durch die Verdfinnung 1:1 Million ein Wasser resul- tiren, welches im Cubikeentimeter nur einen Keim enthielte.

Die ge fundene Zahl ist n ieh t im Stande , uns d i r ec t en Auf- sehluss fiber d ieGf i te d e s W a s s e r s zu geben. Der beste Brun- nen kann , wenn er wenig oder gar n i eh t benu tz t wird, ein Wasser m i t Tausenden yon en twick lungs fSh igen Is:eimen im

Page 15: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS u DE~ BACTERIEN IM BR~NNEXWASSER U. S.W. 207

C u b i k c e n t i m e t e r l ie fern , der sch lech tes te kann oft durch an- h a l t e n d e s P u m p e n dahin gebrach t werden, dass sein Wasser nur wenige Keime im C u b i k c e n t i m e t e r enthfil t .

Immerhin soll tier bacterioskopischen Untersuchung auch yon Bruunen- wSssern nicht jeglicher Werth deshalb abgesprochen werden. Es kann wohI der Fall vorkommen, dass ein Brunnen, dessert Wasser in Bezug auf das chemische Verhalten zu keiner Beanstandung Anlass giebt, bei wiederholten Prfifungen immer einen abnorm hohen Gehalt an Bacterien aufweist, der dutch die schlechte Beschaffenheit des Schachtes, durch unsaubre modrige W~nde, die einen tteerd ffir Zersetzungsvorg~inge bilden, bedingt ist. In solchen FSllen dfirfte das Ergebniss der bacterioskopisehen Prfifung ein Grund sein, den Brunnen als sehlecht zu bezeichnen. Andererseits whre die Frage wohl berechtigt, ob das Wasser eines Brunnens als Trink- wasser gebraucht werden soll, das bei normalem chemischen Befund eine abnorm hohe Zahl yon Bacterien aufweist, selbst wenn letztere nur in der sehr geringen Benutzung des Brunnens ihren Grund hat und die Anzahl tier Bacterien nut den Beweis liefert, dass wit ein Wasser vor uns haben, das schon lange Zeit im Brunnenschacht gestanden hat. Es mag deshalb immerhin berechtigt erscheinen als N o r a aufzustellen, dass ein Trink- wasser, also auch Bruanenwasser, nicht mebx als eine gewisse Anzahl, etwa 500 entwicklungsf~higer Keime im Cubikcentimeter enth~lt.

Da es keinem Zweifel unterliegt, dass die u beim Stehen um so schneller erfolgt und um so grSssere Dimensionen annimmt, je mehr das Wasser mit Abfallstoffen verunreinigt ist, so ist es mSglich, dass wit auf diesem Wege ein Kriterium ffir die Beurtheilung yon Trinkwasser finden, doch muss dieses durch eingehendere Untersuehungen erst fest- gestellt werden.

Die Versuche, welche ich fiber die Vermehrung der Bacterien im Wasser, wenn solches in Flaschen aufbewahrt wird, angestellt, dienten ledig- lich der Frage, ob es fiberhaupt mSo'lich ist, Wasser zu bakteriologisehen Untersuchungen nach ausw~rts zu versenden, oder ob die Vermehrung so schnell eintritt, dass dieses als unthunlich anzusehen ist. Von der grSssten Wichtigkeit ist hierbei nat~irlich die Temperatur. Ich stellte meine Beobachtungen einmal beim Stehen des Wassers im Eisschrank (bei 10 ~ C.), im anderen Falle bei Zimmertemperatur zwischen 17 und 24 o C. an. Das Wasser der st~dt. Wasserleitung in Wiesbaden hatte bei der Entnahme 16 Keime im Cubikcentimeter, nachdem es acht Tage bei 10 ~ C. gestanden 300 Keime. Wasser aus einem Brunnen im Hof des Laboratoriums, welches bei tier Entnahme 550 Keime im Cubikcentimeter enthielt, ergab nach dreit~gigem Stehen bei 10 ~ 3380; bei einem zweiten Versuche fand ich anfangs 650 Keime, nach dreitSgigem Stehen bei

Page 16: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

208 W. H_vmAxvs:

10 ~ C. 9000 Keime in demselben. Dasselbe Wasser mit 650 Keimen bei der Entnahme ergab, nachdem es drei Tage bei 20 bis 240 gestanden, 240000 Keime ffir den Cubikcentimeter. Von dem Brunnen Nr. 2 f wurde Nachmittags 4 Uhr eine Probe entnommen; Msbald untersueht ergab dieselbe 15 Keime ffir den Cubikcentimeter, naehdem das Wasser 20 Stunden bei einer Temperatur yon circa 20 o C. gestanden, ergab die Untersuchung 7000 Keime.

Es wurden ferner sechs Flaschen mit Wasser des Brunnens Nr. 21 ge- ffillt und in dem Arbeitsraum aufgestellt. Die Temperatur in demselben schwankte zwischen 17 und 200 C.; das Wasser enthielt bei der Ent- nahme 250 Keime im Cubikcent.imeter.

Flasche Nr. 1 ergab nach 23 Stunden 5000 Keime 24 ,, 5000 , ,

451.'., ,, 156000 ,, ,, Nr. 2 ,, ,, 21 ,, 4000 ,,

27 ,, 4000 ,, 281/. ,, 38000 ,, 31 ,, 65000 , 451.% ~ ,, 275000 ,

,, Nr. 3 ,, ,, 19 ,, 900 ,, ,, Nr. 4 ,, ,, 171,.'2 296

40 ,, 63000 ,, ,, Nr. 5 ,, ,, 151/2 ,, 369 ,,

211% ~. ;, 30000 ,, 23 ,, 12500 ,, 251j2 ,, 33000 ,, 40 ,, 84000 ,,

,, Nr. 6 ,, ,, 2 ,, 155 ,, 31/~,

Gemmere versohiedenen

,, 140 ,,

Untersuchungen fiber die Vermehrung der Bacterien bei Temperaturen und mit verschiedenen Arten yon Wasser

habe ich mir vorbehalten. Ich will hier kurz nut noch einige Versuche el~v~ihnen, die ich fiber die Sedimentirung der Bacteriea im Wasser angestellt habe. Die Ansicht, dass bei ruhigem Stehen des Wassers die in demselben befindlichen Baoterien sich auf den Boden allm~ihlich nieder- setzten, class eine Sedimentirung derselben stattfinde, wurde wie erw~ihnt zuerst yon Fo l und D u n a n t ausgesprochen und zwar in Folge der Beobachtung die sie gemacht batten, dass ein Wasser, welches in einem 40 cm hohen Glascylinder aufgestellt wurde, zun/ichst 150000 Keime ffir den Cubikcentimeter bei der Untersuchung ergeben hatte, nach etwa

Page 17: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS u DER ]~ACTERIEN I~ BRUNNENWASSER U. S.W. 209

achtt~gigem Stehen nur noch 12000 Keime und nach weiteren drei Wochen nut noch 7000 Keime. Der Nachweis, dass eine dieser Abnahme entsprechende AnhSufung yon Bacterien am Boden des Cylinders statt- gefnnden, wird yon ihnen night gefilhrt. Sie grfinden aber auf diesel u die Annahme, dass das ~Vasser des Genfer Sees, welches an der OberflSche entnommen wurde, deshalb meist nur eine verh~ltnissm~ssi~' geringe Zahl yon entwicklungsf'~higen Keimen enthalte, well eine Sedimen- tirung derselben auf den Boden des Sees stattfinde.

C r a m e r hat das Ergebniss eines einzigen Versuches mitgetheilt. Er wies in Brauchwasser bei der Entnahme nach:

am l. h'ovember 438 Keime , 2. , 37370 ,. , , 4. , 985628 ,, ,, 8. ,, 670356 , , 17. ,, 34872 ,. , , 9. Januar 500 ,, oben,

7500 Keime nach dem Umschiitteln.

Jedenfails kann in diesem letzteren Resultate kein Beweis fiir Sedi- mentirung erklickt, sondern nut daraus gefolgert werden, dass die Yertheilung eine ungleichm~ssige war, wo aber die Anhhufung statt- gefunden, ob an der 0berfliiche, oder am Boden, oder ob sich die Bac- terien nut an den ~Vandungen des GefSsses festgesetzt hatten, das ging aus dem Versuehe aicht hervor.

I c h hatte am 2. Juni mehrere Flaschen eines ~u das bei der Entnahme 750 Keime im Cubikcentimeter enthielt in einem Eissehrank bei 10 ~ C. aufgestellt. Eine Flasche ergab

am 3. August naGh zweimonatlichem Stehen oben 660000 Keime nach Umschi~tteln 1056000 ,,

eine zweite Flasche oben 1104000 ,, unten 1222000 ,

Wasser der sti~dtischen Wasserleitung zu ~Viesbaden in einem 25 on1 hohen Cylinder im Eisschrank aufgestellt

ergab nach vierwSchentlichem Stehen oben 3000 Keime nach krSftigem Umschiitteln 3000 ,,

Alle weiteren Yersuche fiihrten zu denselben Resultaten, aus welchen auf eine Sedimentirung night geschlossen werden konnte. Auffallen musste es bei diesen Versuchen, dass die Fortpflanzung der Bacterien in den Gelatineplatten, wenn ich solches Wasser untersuchte, welches 15ngere Zeit gestanden, eine ausserordentlich langsame war. WShrend in den

Zeitsehr. f. Hygiene. I. 1 4

Page 18: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

210 W. HERAEUS:

ersten Tagen nach der Entnahme die Platten schon am zweiten Tage mit unz~hligen Colonieen bedeckt und in der Regel schon zum grSssten Theil verflfissigt waren, war jetzt nicht eine einzige Co]oaie vorhanden, welche Verfltissigung herbeiffihrte und bei sonst gleicheu Verhiiltnissea dauerte es 4 bis 5 Tage; bis die Colonieen recht sichtbar ~mrden und ein Z~ihlea ermSglichten. 3Iir scheint dies so erkl'~rt werden zu mfissen, dass gewisse Arten yon Bacterien, so z. B. die vel~lfissigenden, beim Stehen des Wassers allmfihlich verschwinden und andre Arten fiberhandnehmen, welche sich dutch ]angsames Wachsthum yon diesen unterseheideu. Die Begriindung dieser Ansicht wird aus dem nun folgenden Capitel fiber Reductions- und 0xydationsvorgSnge hervorgehen.

Wir haben aus Vorstehendem ersehen, dass in jedem, auch dem reinsten, Trinkwasser beim Stehen eine Vermehrung der darin entha]tenen Baeteriea stattfindet und dfirfen als unzweifelhaft amlehmeu, dass die Vermehrung eine um so grSssere ist, je mehr das Wasser mit Stoffen verunreinigt ist, welche alas N/ihrmaterial f~r Bacterieu abgeben. Liegt es auf der Hand, dass die u demgem~iss gewisse Aenderungen in den Bestand- theilen des Wassers hervorrufen muss, so tritt die Frage an uns heran, ob wir im Stande sind, mit unseren chemischen Reagentien diese Ver- ~nderungen nachzuweisen. Leicht konnte diese Frage beantwortet werden, da woes sich um sehlechtes Wasser handelt, welches durch hohen Gehalt an Salpeters~ure sowie dutch Anwesenheit yon Ammoniak uud salpetriger S~mre starke Verunreinigung dutch Stadtlauge zn erkennen giebt. Wenn man ein mit den erw~ihnteu Indicatoren einer starken Verunreinigung behaftetes Wasser bei Zimmertemperatur stehen liisst, so wird man nach wenigen Tagen die Beobaehtung maehen, dass die salpetrige SSure-Reactiou auf Kosten der Ammoniakreaetion erheblich zugenommen hat, dass oft eine tief dunkelblaue F~llung durch Jodamylum helworo'erufen wird, wShrend anfangs kaum merkliehe Blaufi~rbung eingetrereu war, dass die 3_mmoniakreaetion mit Ness ler ' s Reagens, selbst wenn sie sehr stark war, vollkommen ausb]eibt. Nach weiterem u yon einigen Tagen beobachten wit ein allm~ihliches Wiederschwfieherwerden der salpetrigen S'~ure-Reaetion, bis auch diese sehliesslich ganz verschwunden und nur noch Salpeters~lure in dem Wasser nachweisbar ist.

Folgende Brunneu mOgeu als Beispiel dienen:

Nr. 18 enthielt bei Entnahme reichlich _~-H~, wenig X~O 3

nach 8 Tagen wenig N H3, sehr viel N_~O: 3 ,, 14 ,, kein ,, sehr viel ,, ,, 20 ,, ,, ,, weniger , .' 2~ . . ,, keiu .

Page 19: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BEl~ DAS u DEl~ ]~ACT;EI~IEN 13I BI~UNNEN~TASSER U. S.W. 211

Nr. 22 enthielt bei Entnahme reiehlieh NIt:3 , wenig N203

naeh 6 Tagen wenig NH 3 stark N203 ,, 14 ,, kein ,, stark ,, ,, 24 ,, ,, ,, kein ,,

Brmmen 3iolkenmarkt in Berlin enthielt bei Entnahme am 31 Decbr. 1885 ~-iel NH 3 sehr wenig N203

nach 4 Tagen weniger NH 3 stark 52,03 ,, 9 ,, kein ,, sehr stark ,, ,, 14 ,, ,, ,, weniger ,, ,, 28 ,, ,, ,, kein ,,

Die Bestimmung tier Salpeters~ure ergab bei der Entnahme

70 m~r ft~r den Liter naeh 28 Tagen 72 ,, ,, ,, ,,

doch kann bei tier geringen Differenz und der nicht grossen Genauigkeit unserer Methoden tier Salpeters~urebestimmung auf eine wirkliche Zunahme nicht mit Bestimmtheit geschlossen werden.

Dass die Umsetzung tier Einwirkung der Baeterien zuzuschreiben ist, konnte leicht nachgewiesen werden. Es wurden in mehrere Reagenscylinder ca. 10ecru eines Wassers gebracht, bei welchem diese Ver~nderung be obachtet war. Die Cylinder wurden mit WattepfrSpfen versehlossen und nun die H~lfte derselben zum Kochen erhitzt, wodurch die Bacterien in dem Wasser getSdtet wurden. Naeh 8 und 14 Tagen gab ,das Wasser dieser letzteren Cylinder noch genau dieselben Reactionen wie bei der Entnahme, enthielt viel Ammoniak und wenig salpetrige SSure, w~hrend in den anderen Ammoniak versehwunden und starke salpetrige 8~ure- Reaction eingetreten war.

Ersteres erwies sieh beim Einimpfen in Nahrgelatine als keimfrei, letzteres enthielt im Tropfen Tausende yon Baeterien. Impfte ich nun in das sterilisirte Wasser eine der Bacterienarten, welehe demselben ent- stammten, so spielte sieh jetzt in diesem derselbe Prozess ab, wie in dem anderen.

Es schien aus diesem Versueh hervorzugehen, dass in dem Wasser dureh die Bacterien eine Oxydation des Ammoniaks zu Salpetersgure be- wirkt werde, denn ich beobaehtete in keinem Falle das Auftreten yon salpetriger S:~ture, wenn in dem Wasser nieht Ammoniak enthMten war, so dass die Annahme, die salpetrige Siture kSnne aueh dureh Reduction aus der Salpeters~ture entstanden sein, ausgesehlossen sehien. Ieh machte deshalb den Versuch, dutch Zusatz einer geringen Menge yon Niihr-

14"

Page 20: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

212 W. HE~AEUS:

material die Vermehrung der Bacterien zu beschleunigen, um zu sehen, ob die quantitative Bestimmung der Sa]peters~iure vor und naeh der Ver- mehrung zu einer Differenz fiihre. u Erfo]g konnte ich mir freihch schon deswegen nicht versprechen, da die 5Ienge des Ammoniaks und der salpetrigen Siiure im Wasser immer eine sehr geringe ist und unsere Methoden der SalpetersSurebestimmung keine sehr genauen Resultate er- geben. Ich setzte also zwSlf verschiedenen Brunnenwassern in mit Baum- wollepfrSpfen verschlossenen Flaschen einige Tropfen N~hrgelatine zu (zu etwa 50 ten1 des Wassers) und liess sie bei Zimmertemperatur stehen. Am folgenden Tage war in sSmmtlichen starke Trfibung eingetreten. Das ~Vasser der Brunnen 2, 6 und 31 (mit Nr. 31 ist ein Brunnen an tier Siidliesiere der Stadt bezeichnet, tier inmitten eines Bleichgartens ge]egen, sich als ausserordentlich rein erwiesen hatte) gab keine Reaction auf salpetrige Siiure, das der Brunnen Nr. 1, 3, 4, 14 nut schwache, wShrend alle iibrigen ausserordentlich starke Reaction gaben. Am niichsten Tage war in den meisten Flaschen die salpetrige S~ure verschwunden, am lhngsten, fiinf Tage, hielt sie sich in dem schlechtesten Wasser Nr. 29. Als ich indessen an die Salpeters~urebestimmung gehen wollte, bemerkte ich, dass dieselbe in s~mmtlichen Wassern verschwunden war, dagegen trat in den meisten starke Ammoniakreaction mit Ness le r ' s Reagens ein. Es hatte mithin hier eine Reduction der Salpeters~ure, eventuell Assimilation stattgefunden und die Verschiedenheit in dem ~erhalten be- ruhte lediglich auf dem verschieden hohen Gehalt tier ~'asser an Salpeter- siiure. Wenn auch bei dem Vorgang in dem Wasser ohne Zusatz yon Niihrgelatine die SalpetersSure nicht nachweisbar abgenommen hatte, so wurde meine Ansicht darfiber, wie er zu erkl~ren, hierdurch doch schwankend. 51an konnte sich auch denken, class die Baeterien zuniichst ihren Stickstoff- bedarf dutch das Ammoniak decken, welches deshalb bald verschwindet, dass dieses unter Freiwerden yon Wasserstoff geschieht, welcher eine theil- weise natfirlich nur sehr geringe Reduction der Salpetersaure zu salpetriger Shure bewirkt, und dass schliesslich letztere wieder zu Salpeters~ure oxydirt oder auch assimilirt werde.

Um indessen zu sicheren Resultaten fiber die Einwirkung der Bacterien auf stickstoffhaltige Substanzen zu gelangen, durfte in dieser Weise nicht weiter operirt werden, da wit es hier stets mit einer ganzen Anzahl be- liebiger Mikroorganismen zu thun hatten, deren Einwirkung auf die Sub- strate eine untereinander durchaus verschiedene sein konnte. Die Frage, ob alle Bacterien dieselbe Einwirkung auf stickstoffhaltige Substanzen ausfiben, oder ob bestimmten Arten reducirende Eigenschaften zukommen, anderen oxydirende, ob der Zutritt yon Luft yon dem wesentlichen Einfluss sei, iiberhaupt wie es zu erklSren, dass wird bald Reduction, bald 0xy-

Page 21: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BEI~ DAS VERHALTEN DER BACTEl~IEN I~I ~I~UNNEN~VASSE]~ U. S, W. 213

darien als die Folge der Einwirkung der Bacterien erblicken, konnte nut durch Versuche mit Reinculturen ihre Beantwortung finden.

Die Fortsetzung meiner Arbeiten nach dieser Richtung nahm ich in dem hygienischen Institut tier Universit~it Berlin unter Leitung des Hrn. Geh.-Rath Prof. Koch vor; beret ich indessen zur Besprechung derselben fibergehe, miissen wir uns erst wieder kurz dartiber orientiren, was bis zu dieser Zeit fiber die vorliegenden Fragen bereits publicirt war.

Die Yersuche, welche in frfiheren Jahren yon SchlSsing und Miintz, Fodor u. A. angestel]t wurden, mussten an dem oben erwShnten Uebel- stand leiden, dass sie nicht mit einer gesonderten Art, einer Reincultur yon Baeterien vorgenommen wurden, was bei dem damaligen Standpunkt der Bacteriologie noch nicht mSglich war. Man hatte sich dureh das Experiment iiberzeugt, x class beim Ffltriren von verdiinntem Hum dutch etwa 1 ~n lange und 3 ~ weite GlasrShren, welche mit Gartenerde geffillt, waren, ein Filtrat resultire, welches seinen Urspmng kaum noch erkennen liess, indem es farblos war, wenig durch Kaliumpermanganat bestimmbare organische Substanz, wenig Ammoniak, dagegen grosse Mengen Salpeter- s:<:mre enthielt, dass aber der Ham fast unveriindert durchsiekere, ohne eine Spur yon Salpeters~iure zu bilden, wenn man zun~chst Chloroformdhmpfe dutch die RShren leitete und dadureh die in der Erde enthaltenen 5iikro- organismen ,,tSdtete".

Man hatte auch erkannt, ~ dass yon dem ~'Sssten Eintiuss die Gegen- wart der Luft ffir dieses Experiment sei, denn wenn diese nieht in ge- nfigendem Maasse zutreten konnte, so trat nicht Oxydation zu Sa]peter- s~ure, sondern eine ,,faulende G'~hrung" ein, welche den Hamstoff in Ammoncarbonat fiberffihrte, yon Salpeters';ture aber war keine Spur in dem Yiltrat nachweisbar. Ebensowenig gelang die Oxydation, wean man start verdfinnten Hams diesen concentrirt aufgoss. Diese letztere That- sache begnfigte man sieh so zu erkliiren, dass die Erde dadurch zu sehr mit YSulnissstoffen iiberladen wfirde, was freilich als eine eigentliche Er- kl~rung nicht aufgefasst werden konnte.

SchlSs ing und Miintz versuchten dann a mit Reinculturen yon einigen bekannten Arten yon Schimmelpihen, sowie mit 5iycoderma aceti und villi in NiihrlSsungen Oxydation yon Ammon zu Salpetershure her- vorzm'ufen, ohne dass ihnen dieses gelang, bis sie schliesslich in der Erde Mikroorganismen fanden, ~ mit welchen sie in geeigneten NShrlSsungen

1 Compt rend. t. LXXVII . t ). 1018. '~ F o d o r , .Boden zend IVctsse~" und ihre .Beziehze~zgen z~e eTidemische~ tt'ra~dc-

]~eiten. 3 Co,apt. rend. t. LXX,~iVL p. 892. + Compt. rend. t. LX,K.)[IX. p. 891.

Page 22: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

214 W. ]-IERAEUS :

diese Umsetzung bewirken konnten. Sie kamen hiernach zu der Ansicht. class den Bacterien gemeiniglich nitrificirende Eigenschaften nicht zu- k~men, sondern dass es diese bestimmte Art immer sei, die sich haupt- s~tchlich in der Erde, doch auch im Wasser~ nicht aber in der Luft vor- finde, welcher die Eigenschaft zukomme, Ammonsahe in salpetersaure Salze fiberzuffihren. Wenn wir hiermit auch der ErklSrung der Nitrifi- cationsvorg~inge im Erdreich einen guten Schritt nSher kamen, so blieben doch manche Tha~sachen noch vSllig unaufgeklfirt. ~Varum vor Allem erleidet conc. Ham eine andere Zersetzung in derselben Erde wie ver- dfinnter ?

Schliisi~tg und Mfiatz geben yon der in tier Erde gefundenen Species yon Bacterien eine go wenig eingehende Beschreibung, class es nach unseren Anschaunngen kaum sichergestellt w~re, dass sie wirklich auch eine Reincultur vor sich hatten. Im Uebrigen ging ich yon der Ansicht aus, dass es jedenfalls mehr wie eine Art geben wfirde, welcher solche Eigenschaften zuk~men und beschloss daher gleichzeitig aus Yv~asser, Luft und Erde eine Anzahl yon Reinculturen herzustellen und diese auf nitrificirende bezw. reducirende Eigenschaften zu prfifen, vielleicht class man doch mit derselben Species dureh verschiedene Versuchsanordnung beide Wirkungen hervormfen konnte. Es schien mir abet rathsam, zu- n~chst die Versuche mit sotchen Arten anzustellen, yon denen anzunehmen war, dass sie in kfinstlichen NShrsalzlSsungen sich rasch vermehrten, da ich in solchen eine verschiedene Einwirkung auf die Substrate am leichtesten beobachten konnte. Hatte ich erst auf diese Weise einen Einblick erhalten, so konnten spSter die Untersuchungen auf andere bekannte namentlich auch pathogene Bacterienarten ausgedehnt werden.

Wollte ich zum Beispiel Fleischwasser ffir die Versuche anwenden, so hot dieses zwar den Vorthei], dass die meisten Arten yon Bacterien sehr schnell in demselben sich vermehren und in Folge dessert eine Um- setzung in den Bestandtheilen raseh erfolgt, es hatte abet den Nachtheil, (lags es stickstoffhaltige Substanzen enth~lt, deren Menge und Zusammen- setzung nicht bestimmbar ist, so dass ich schon yon einer unbekannten GrSsse h~tte ausgehen mfissen. Harn , welcher auch fi~r die meisten Bacterienarten ein sehr gutes Substrat bietet, hatte in dieser ttinsicht vor Fleischinfus nichts vomus. Wendete ich dahingegen eine LSsung yon Sahen an, phosphorsaurem Kali, Chlorcaleium und Magnesiumsulfat, setzte dieser als Kohlenstoffsubstanz Traubenzucker zu, go konnte ich den Stick- stoffbedarf, je nachdem ieh nun oxy(lirende oder reduciren(le Eigenschaften wahrnehmen wollte, durch Ammonsalze oder salpetersaure Sahe decken.

Die Reinculturen yon Bacterien stellt .ich mh' in folgender Weise her. Von tier Erde wur(le eine geringe Menge, einige Decigramm~ mit

Page 23: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS VERHALTEN DER f~iCTERII~lg L!~ BRUlg.N-ENWASSE~ U. S. ~V. ~15

etwa 10 ecra sterilisirten Wassers gesehtittelt, yon diesem ein Tropfen in einen Reagenscvlinder mit flfissig gemachter Niihrgelatine gebraeht, nm- o'esehiittelt und yon diesem Reagense3-1inder nun in der bekannten Weise mit der PlafinSse ein zweites Glas mit Nfthrgelatine, yon diesem ein drittes geimpft. Die Gelatine wurde dann auf Platten ausgegossen und nachdem die Keime zu Colonieen ausgewaehsen waren, auf deljenigen der Platten, auf weleher keine zu grosse Zahl yon Colonieen entstanden war, eine mikroskopisehe Priifung derselben vorgenommen, welche leicht die verschiedenen hauptsfchlieh vertretenen Arten yon Baeterien finden liess. 3iit diesel wurden dann wieder andere Reagensgliiser mit NShrgelatine geimpft, weleh~ uns Reinculturen der betreffenden .&rten lieferten. In 5hnlicher Weise wurde mit Spreewasser und Brunnenwasser verfahren. Um aus der Luft Reinculturen Yon Bacterien zu erhalten, brauchte ieh nut Gelatineplatten eine Stunde unbedeckt aufzustelle~ und dieselben in Glasglocken zu bringen, wo die Keime, welehe sieh darauf abgesetzt batten, zu Colonieen auswuchsen. Ieh wShlte mir zunfehst zwSlf i r t e n yon tleinkulturen aus, deren Besehreibung ich iibergehen zu diirfen glaube, da eine hinreichende Charakterisirung zu welt ftihren win'de und insofern auch unwesentlich ist, da es jedenfalls viele i r t e n giebt, deren Eigen- schaften mit denen tier yon mir untersuchten Species iibereinstimmen. Diese Reineulturen waren folgende:

ee. Kurzst~behen aus Brunnenwasser mit gr~iner Farbe die Gelatine verflfissigend.

~. StSbchen aus Spreewasser, farblos verfltissigend. 7- Kurze dieke StSbchen aus Spreewasser, einen braunen Farbstoff

erzeugend. 3. Mikrokokken aus Brunnenwasser.

I .

7, .

i.

Ich stellte mir nun eine SalzlSsung her yon:

Kaliumphosphat 1.0 ~m Magnesiumsulfat 0 .2 ,, Chlorealcium O. 1 ,,

St~tbchen aus Erde, griin fluorescirend. Mukor aus Spreewasser. ispergillus flavus aus Brmmenwasser. Stiibehen aus Spreewasser. Sthbchen aus Spreewasser. Kokken aus tier Luft, r5thlichen }'arbstoff erzeugend. StSbchen aus Erde. StSbchen aus Erde.

und

Page 24: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

216 W. I ~ v s :

auf 1000 ~cm destillirtes Wasser, stellte dieselbe eine Stunde in den Dampf- sterilisationsapparat, wobei sich die Fliissigkeit etwas triibte, liess absetzen, filtrirte und kochte nochmals auf. Ferner machte ich mir eine LOsung yon Calciumnitrat, indem ich eine gewogene Menge Calciumcarbonat mit soviel verdiinnter Salpeters~ure in der W~rme behandelte, dass eben noch etwas yon dem Salze ungelSst blieb, dann setzte ich, um sicher zu gehen, dass keine freie S~ure in der LSsung verblieb, noch etwas Calciumcarbonat zu und dampfte in einer gewogenen Porzellanschale soweit ein, class ich eine LSsung yon ungefiihr einem Theil Calciumnitrat auf ffinf Theile Wasser hatte, welche filtrirt uud ebenfalls aufbewahrt wurde.

Endlich machte ich mir noch LSsungen yon Traubenzucker, Ammonium- carbonat sowie Harnstoff, alle in dem Yerhaltniss 1:5.

Zum Versuche setzte ich mir eine NahrlSsung zusammen aus:

25 cam der Salzl5sung 1 ,, ,, ZuckerlSsung 2 Tropfen AmmoncarbonatlSsung und 2 ,, CalciumnitratlSsung

auf 250 ~ mit desti]lirtem Wasser verdiinnt. Ein Liter dieser LSsung wiirde demnach enthalten:

0.1 ~ Kaliumphosphat 0.02 ,, Magnesiumsu]fat 0.01 ,, Chlorcalcium 0.8 ,, Zucker 0.8 ,, Calciumnitrat.

Diese LSsung wurde auf mehrere 50 ~ fassende Flaschen, welche mit Wattepfropf versehen und durch Erhitzen im Sterilisationsschrank sterilisirt waren, vertheilt, und durch halbstiindiges Einsetzen in den Dampfapparat dann auch die Fliissigkeit sterilisirt. Ich wandte zu diesen Versuchen stets 3Iedicinflaschen an, welche vor den sonst gebr~uchlichen Erlen- meyer 'schen KSlbchen den Vorzug haben, dass sie welt weniger Platz einnehmen, was einen nicht zu untersch~tzenden Vortheil bietet.

Um (lie Anwendbarkeit dieser N'~hrlSsung zu prflfen, impfte ich die- selbe zunSchst mit der aus Spreewasser erhaltenen Bacterienart t, welche sich dutch schnelles Wachsthum auszuzeichnen schien, indem ich mit der SpJtze der gegltihten Platinnadel eine Spur aus der Reagensglascultur in die Fliissigkeit iibertrug.

Die Flaschen wurden dann in den Brutschrank gesetzt, in welchem ein constante Temperatur yon 30 o herrschte. Am anderen Tage schon waren s~immtliche Flaschen stark getriibt. Die Uutersuchung ergab, dass

Page 25: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~,~B:ER DAS VEI~HALTEN DER BACTERLEN IM BRUN.~,'EN~VASSER U. S .W. 217

das Ammon fast vollst~ndig aus der LSsung verschwunden war und Jodamylum eine tief dunkelblaue F~llung verursachte. Mithin war die LSsung fiir diese Species yon Bacterien sehr geeignet und ]ch konnte a]s- bald der Frage n~ther treten, ob die entstandene salpetrige Shure durch Oxydation aus dem Ammon oder dutch Reduction aus der Salpeters~ure entstanden sei. Es wurde deshalb eine NhhrlSsung yon der sonst gleichen Zusammensetzung hergestellt, nur dass ich der einen H~lfte a) nut Ammoncarbonat als Stickstoffsubstanz, der anderen HSlfte b)nut Calcium- nitrat zusetzte. Der Gehalt an SalpetersSure wurde in letzterer dutch Einstellen auf IndigolOsung bestimmt.

Da ich voraussichtlich bei meinen Versuohen hSufig in die Lage kam, den Salpetershuregehalt in den LOsungen bestimmen zu miissen, so war ich gezwungen, reich nach einem Verfahren umzusehen, welches bei mOglichst geringem Zeitaufwand hinreichend sichere Resultate gab und vor Allem nicht zu viel yon den LOsungen in Anspruch nahm, so dass ich z. B. mit 50 ~ Fliissigkeit an verschiedenen Tagen Priifungen vor- nehmen konnte. Dieseu Zweck erreichte ich mit der Indigobestimmung in der yon Meyerhofer ~ angegebeneu Modification in sehr befriedigender "vVeise. Bei riehtiger Anwendung und hinreiohender Uebung liefert diese Methode vollkommen iibereinstimmende Resultate, man kann in einer Stunde bequem 20 his 25 Bestimmungen ausfiihren und gebraucht zu jeder einzelllen nur 5 ~ der zu untersuchenden Fliissigkeit. Ich setzte meinen LSsungen wenn mSglich soviel Calciumnitrat zu, dass 5 r162 derselben 5 bis 7 r162 IndigolSsung zur Blau~rbung gebrauchten, da in diesen Grenzen die Bestimmungen am genauesten ausfallen. Die Indigo- 15sung butte eine solche Concentration, dass 6 r162 derselben 5 ~~ einer SalpeterlSsung entsprachen, welche im Liter 60 rag: Salpetershure enthie]t.

~Iit Hfilfe dieser Methode f,~nd ich nun, dass 5 ~~ meiner N~hr- 15sung 6.5 ~ Indigol5sung zur Blau~rbung gebrauchten. Nun wurde sterilisirt und wie vorher mit t geimpft.

.~m nhchsten Tage waren wieder shmmtliche geimpfte Flaschen ge- triibt, wShrend die Controlflaschen, welche nicht geimpft waren, vollkommen klar gebheben waren.

In den LSsungen a war kein ~mmon mehr dutch Ness ler ' s Reagens nachweisbar, salpetrige S~ure und Salpeters~iure war nicht vorhanden.

In den LSsungen b gab Jodam)'lum starke Reaction~ ebenso zeigte N e s s l e t ' s Reagens die Anwesenheit yon Ammoniak an.

Der Indigoverbrauch betrug start 6.5 ~ nur noch 4.8 ~m.

1 M e y e r h o f e r , Co~'resTondenz der f re ien l;'ereinijuaff 5a~je~'isc]ter F'ertre~er de~, anffewandten C]~emle. I884. Nr. 1.

Page 26: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

218 W. HERAEUS:

In den Controlflaschen war eine Aenderung in dem Verbrauch an Indigo nicht eingetreten und salpetrige SSure nicht vorhanden.

Dieser ~Tersuch zeigte, dass sowohl Ammoniak wie auch Salpeters~ure ausreiehte, um den Stickstoffbedarf dieser Species yon Bacterien zu decken, dass bei Gegenwart yon SalpetersSure diese zu salpetriger S~ure und Ammoniak redueirt werde.

Dass bei Gegenwart yon Ammon dieses zu salpetriger Siinre oxydirt werde, schien zwar absolut nicht wahrscheinlich, doch war die MSglichkeit dutch den Versuch nicht ausgeschlossen, da aller Stic];stoff scheinbar assimilirt worden war und bei Gegenwart yon grSsseren 5Iengen Ammons immerhin eine Oxydation hatte stattfinden kSnnen. Es war somit dieser Yersuch zu wiederholen, sowie auch festzustellen, wie welt man in dem Zusatz yon Ammoncarbonat gehen dtirfe, ohne dass dadurch das Waehs- thum tier Bacterien behindert wtirde. Endlich sollte auch constatirt werden, wie sich Chlorammonium in dieser Hinsicht verhalte.

Es wurden zu diesem Zweck drei Flaschen N'ahrlSsung hergestellt yon welchen

Nr. 1. auf 100 ~ einen Zusatz yon 1 Tropfen AmmoncarbonatlSsnng ,, 2. ,, 100:,, , , solchen , , 5 , , , ,

, , 3 . , , 100 , , ,, solchen , 1 oam derAmmoncarbonatlSs, erhielt.

In den Flaschen 1 und 2 trat Triibung ein, in Flasche 3 nicht. Ammon war noch in allen Flaschen vorhanden, salpetrige S:,iure in keiner nachweisbar.

Es wurden ferner 4 Flasehen NgthrlSsung hergestellt, i'on welchen

Nr. 4 einen Zusatz v. 1 Tropfen (NIt4) 2 CO 3 LSsg. u. Ca(N03) ~ -- 6.5 ~ Indigo ,, 5 ,, ,, ,, 5 ,, (NK,) 2C03 ,, ,,Ca(N03) 1 = 8 . 4 , , ,, , , 6 , , , , , ,10 ,, (NH~)2CO 3 ,, ,, Ca(N03)._=8.7 ,, ,, , , 7 , , , , , , 1 ecru (~]:[t)2C03 ,, ,, Ca(N03).~=6.7 ,, , ,

erhielt. In den Flaschen 4, 5 und 6 trat Triibung ein, Flasche 7 blieb klar. Dementsprechend gab Jodanylum mit aen drei ersteren LSsungen

starke Reaction, mit der letzteren keine. Der Indigoverbrauch war in

4. statt 6 .5 r = 11.6 ~176 IndigolSsung, 5 . , , 8 - 4 e ~ m = 1 1 . 6 ~ m ,, 6. ,, 8.7~em = 13.7 ~ ,, 7. ,, 6- 7 ~ geblieben.

Es wurde eine Flasche Nr. 8. mit 0 .5 Procent Chlorammonium versetzt und Calciumnitrat =

10.7 oc,~ Indigo.

Page 27: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~ B E R DAS V:ERHALTEh ~ DER ]~ACTERIEN IM ]~RUR*NER'WASSER U. S . W . 219

In derselben trat Trfibung ein, sowie starke Reaction auf salpetrige Saure.

I)er Indigoverbrauch ging yon 10.7 auf 8"8 c~m herunter. Eine letzte Flasche Nr. 9 wurde mit 0.005 Procent Chlorammonium versetzt. Auch in

dieser t rat Trfibung ein, Oxydation zu salpetriger Siiure oder Salpetersiiure land nicht start. Nach weiterem viert~igio'en Stehen wurden s~hnmtliche Flaschen einer erneuten Priifung unterzogen und zeiote sich, dass keine Aeuderung mehr in den Reactionen eino'etreten war, nur in 8 war der Iu- digoverbrauch noch auf 7.6 ecru zuriickgegangeu.

Es ging aus diesen Versuchen hervor, dass eine Oxydation des Am- mons zu salpetriger S~ture dutch die Bacterienart ~ unter den Verh~iltnissen, wie sie bei dem u obwalteten, nicht hervorgerufen werde, bei Gegenwart yon Salpeters:~ure dahingegen stets starke Reduction desselben zu salpetriger Saure und Ammoniak. Es ging ferner aus den u hervor, dass ein Zusatz you 1 ~ der AmmoncarbonatlSsung zu 100 ~m N~hrfli~ssigkeit, welcher einem Gehalt yon 0.2 Procent entspricht, eine Yermehrung dieser Bacterien verhindere, wShrend ein Zusatz yon 0.5 Pro- cent Ammouchlorid noch ohne hinderlichen Einfluss auf die Vermehrung sei. Auffallend mug in den Resultaten zun~chst der Umstand erscheinen. dass tier Verbrauch an Indigo mit dem Auf'treten yon salpetriger S~iure in den LSsungen oft in erhebhchem l~Iaasse zunimmt, obgleich die Bil- dung tier salpetrigen S~iure mit einem entsprechenden Verlust an Salpeter- s~ure verkniipft ist. Erklfirt wird dieses dadurch~ dass die salpetrige S~ure in weit stSrkerem Maasse auf Indigo einwirk~, als Salpeters:~iure. Ich stellte dieses durch einen Versuch fest. indem ich iiquivalente 5Iengen der beiden Kalisalze in je einem Liter destillirten Wassers 15ste und diese LSsungeu mit Indigo priifte.

5 ~~ der salpetersauren I(alilSsung gebrauchten -~ 5.4 r162 Indigo, 5 ~ salpetrigsauren -- 9" 5 ~om

In der LSsung Nr. 4 war hiernach alle Salpetersiiure in salpetrige S~ure i~bergefi~hrt. Nach der Formel:

5-4 6.5 - - = - - - ; x = 11.4 9 .5 x

entsprechen die 6.5 ~m Indigo, welche die zugesetzte S~tlpetersiiure ge- braucht hatte, 11" 4 ~m Indigo, wenn man die der Salpetersfure ~iquivalente Menge salpetriger Sfure dafiir einsetzt und in Wirklichkeit hatten wit 11.6 r176 gebraucht.

Die L5sungeu 5 und 6 zeigen indesseu, dass solches Verhalten nicht constant ist, bez. sein kanu~ da wit aus einem frfiheren Versuch bereits

Page 28: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

220 W. HEaA~vS:

ersahen, class die salpetrige S~iure auch weiter zu Ammoniak redueirt wird. Es kann somit hSchstens den Anschein gewinnen, dass die Reduction zu Ammoniak erst dann beginnt, wenn alle SalpetersSure bereits in salpetrige Siiure tibergeffihrt ist, und dass bei gleichzeitiger Anwesenheit yon Am- moniak und Salpeters[iure zuniichst der Stickstoff des erstereu dutch assimilirt wi~l, die SalpetersSure aber hierbei reducirt wird.

Naehdem ich dutch diese Versuehe ffir die Baeterienart t die Be- dingungen im Wesentlichen festgestellt hatte, unter welchen sie sich in eiuer ktinst]ichen NiihrsalzlSsung rasch vermehrt, konnte ich daran gehen, vergleichende Versuche mit den anderen Bacterienarten anzustellen uM wurden die vorerw~hnten 12 Reinculturen gleiehzeitig in Arbeit ge- llommen.

Znn~chst wurden sie in eine LSsung geimpft, welche als Stickstoff- substanz einen Zusatz yon Calciumnitrat = 6 "~ IndigolSsung erhielt, im Uebrigen wie die vorher angewandte zusammengesetzt war.

Nach zweit~gigem Stehen im Brutschrank bei 300 zeio'ten die mit ee, r , 7, ~, ~ und ~ geimpften Flaschen starke Trfibung, die Schimmel- pilze ~ und y waren zu ansehnlieher GrSsse herangewachsen, w~ihrend &, x, ~ u n d u keine wahrnehmbare Aenderung in den L5sungen hervor- gerufen hatten. Die Parallelversuehe, bei weleheu gleiehzeitig auch Ammouearbonat der LSsung zugesetzt war, hatteu ganz dasselbe Ergebniss.

In beiden Versuehsreihen ergab die Priifung re_it Jodamylum, dass nur in den mit ee und ~ geimpften L6sungen salpetrige S~iure vorhan- den war.

Die Bestimmung der Salpeters'~ure ergag:

Im 1. Versuch. Im 2. Versuch.

fiir a 7.4 ~om Indigo Veruno'liickt ,, i~ Spuren Spuren ,, 7 Spuren Spuren , ~ 6.0~~ Indigo 6 . 0 ~ . ~ 6 . 0 . . 6 . 0 . , ,, ~ 6"0 ,, ,, 6 .0 ,, . ~] 6 .0 . . 6"0 . ,, 5 ~ 6"0 ,, ,, 6"0 ,, ,, l 5 . 0 ,, ,, 4"0 ,, . ~ 6 - 0 . . 6"0 ,, ,, ;~ 6 .0 ,, ,, 6 .0 ,, , u 6 .0 ,, ,, 6"0 ,,

Es hatte durch [~ und ohne Reduction derselben

7 fas~ vollstiindiger A~ffbrauch tier SalpetersSure zu salpetriger SSure stattgefunden. W~thrend

Page 29: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~TBER DiS u DER ~ACTERIEN IM BI~UNN:ENWASSER U. S.W. 221

Diphenylamin no ch deutliche BlaufSrbung hervorrief, trat die sehr em- pfindhche Reaction mit Jodamylum nicht ein. Durch ~', ~, _~ und ~ war, trotzdem die Triibung eine starke u anzeigte, bez. bei den Schimmelpilzen deren bedeutende Zunahme, eine Aenderung in dem Sal- petersSuregehalt nicht eingetreten. Die Bacteriearten ~, x~ ~. und ~- schienen sich iiberhaupt nicht vermehrt zu haben.

Bei einem weiteren Versuch wurden 0.1 Procent ttarnstoff als Stickstoffsubstanz angewandt und war das u jetzt insofern ein

analoges, als Triibung bez. u auch nur bei denjenigen Arten eintrat, bei welchen solches auch vorher beobachtet war. Eine Bildung yon Ammoniak war durch ~ und L hervorgerafen worden, welche vorher reducirend gewirkt hatten, ausserdem aber auch dutch ~ unde. Salpetrige Shure war in keiner der VersuchslSsungen nachweisbar.

Bei einem viertenVersuch endlich mit immoncarbonat als Stickstoff- substanz, trat ebenfalls bei allen i r ten ausser ~, z, ~ und ~ Vermehrung ein, ohne dass auch nur in einem Falle salpetrige S:~iure gebildet worden wSre.

Das Ergebniss dieser Versuche war, dass vier unter den zwSlf in Arbeit genommenen Bacterienarten in solchen kfinstlichen N~hrlSsungen sich nicht vermehrten, oder wenigstens so langsam, dass sie fiir die vor- liegende Frage nioht in Betracht kommen konnten. Unter den acht ir ten, welche sich vermehrten, waren zwei:

a und t, welche Salpetershure zu salpetriger S~ure und Ammoniak reducirten, Hamstoff in kohlensaures Ammon iiberffihrten;

eine Art/~, welche Salpeters~ure ohne Reduction zu salpetriger SSure aufbrauchte und Harnstoff in Ammonsalze verwandelte;

eine Art y, welche ebenfalls Salpeters~ure ohne Reduction aufbrauchte, aber Hamstoff nicht in Ammon iiberffihrte;

eine Art ~, welche in keiner Weise eine Einwirkung auf Stickstoff- substanzen erkennen liess;

eine Art e, welche Salpetersfiure auch unvedindert liess, abet Harn- stoff in Ammonsalz umsetzte;

zwei Schimmelpilze v und ~, welche eine Einwirkung auf Stickstoff- substanzen nicht erkennen liessen.

Es herrscht, wie aus Yorstehendem schon ersicht]ieh, unter den ver- schiedenen Arten yon Bacterien eine grosse Mannio'faltigkeit beziiglich ihrer Einwirkung auf die Substrate und iiberhaupt in Bezug auf die An- spriiche, welche sie an dieselben stellen. Nicht nur dass die eine-Bacterien- art sich in einem beliebigen Substrat ausserordenthch schnell, die andere nur sehr langsam oder gar nicht vermehrt, wir sehen auch, wie unter den Arten, welche sich vermehren, die einen erhebliche ~Iengen Stickstoff- substanzen verschlingen, wShrend andere derselben kaum zu bediirfen

Page 30: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

222 W. HEI~AEUS :

scheinen; hier sehen wir einen Aufbruch des Salpeters nnter gleiehzeitiger Bildung yon salpetriger Siiure, dort einen Aufbruch ohne Reduction der Salpeters'~iure. Mit keiner der in Arbeit genommenen Arten yon Bacterien war es mir indessen gelungen, eine oxydirende Wirkung zu erzielen, was deshalb auffallend war, weil sich zwei Arten )~ und t* unter ihnen befan- den, welche aus Erde stammten und in dieser in gr6sster .~nzahl vorhan- den gewesen waren. Ich vermuthete deshalb, dass e.-; lediglieh an der Ver- suchsauordnung liege, wenn durch diese keine 0xydation des .kmmoniaks hervorgerufen war und glaubte, dass vor Allem Verhaltnisse geschaffen werden mfissten, welche der Luft einen freieren Zutritt gestatteten. Ieh goss zu diesem Zwecke die sterilisirte N~thrlSsung in flache Schalen aus and impfte sie mit ~ uud it. Doch selbst nach dreitagigem Stehon im Brutschrank war noch nicht die geringste Verfinderung in derselben wahrzunehmen, keine Spur yon salpetriger S~iure nachzuweisen. Auch als ich die Schalen mit sterilisirtem Sand oder Bimsteinstfickchen ffillte und mit der geimpften NiihrlSsung durehtr~[nkte, trat kein Erfolg ein. Ebensowenig erreichte ich eine 0xydation des .kmmons, als ich die Zu- sammensetzung tier N~hrlSsung ~nderte, indem ich derselben start Zucker weinsaures Ammon zusetzte. Es war auf keine Weise mSglich, mit diesen beideu Arten fiberhaupt eine nachweisbare Umsetzung in den Substraten hervorzurufen.

Auf anderem Wege kam ich dann zu diesem Ziele. Ich hatte ein Becherglas und zwei Glaskolben mit je 50 ~ ' Gartenerde beschickt, mit 500 ~ Wasser fibergossen und dem Becherglas a und dem Kolben b je 1 ~m trockenen Ammoncarbonats zugeffigt." Nachdem ich h'hufig um- gesehfittelt und dann absetzen hatte lassen, bestimmte ich mit Indigo- 15sung die aus der Erde in LSsung fibergegangene ~enge Salpeters~ure.

a) gebrauchte 5 corn IndigolSsung auf 5 r tier L:;sung,

b) ,, 4 .2 ~"' ,, 1 " " '" " c) (tier Kolbeu ohne Ammoncar)onat) gebrauchte 4.6 "~ IndigolSsung,

in c gab Ness l e r ' s Reagens deutliche ~mmonreaction, in allen drei LO- sungen waren Spuren you salpetriger SSure vorhanden. Am nachsten Tage hatte die Menge der salpetrigen Sfiure ausserordentlich zugenommen, nach vier Tagen war sic in a und b verschwunden. Eine Prfifung mit Indigo ergab, dass auch keine Salpeters~ure in diesen LSsungen mehr vorhanden war, c nur noeh 2 ~om IndigolSsung zur Blaufi~rbung gebrauchte. Es hatte mithin auch hier Reduction der Salpetersfiure stattgefunden.

Nachdem diese LSsungen 14 Tage bei Zimmertemperatur gestanden, nahm ich eine neue Prfifuug derselben vor und gaben jetzt a und b wieder ausserordentlich starke Reaction mit Jodamylum, in c war dieselbe verschwunden.

Page 31: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER ])AS VEI~HALT]~N DER ]~CTERIEN I~I BRUNNENWASSER U. S.W. 223

Die Bestimmung mit Indigo ergab ffir: a) einen Verbrauch yon 26.5 ~o~ Indigo auf 5 ocm der LSsung, b) ,, ,, ,, 6" 5 ,, ,, ,, ,, ,, ,,

in c war Salpeters~iure nicht mehr vorhanden. Jetzt hatte ieh also eine Fliissigkeit vor mir, in weleher lebhafte

Oxydation stattfand, and es musste gelingen, die 5iikroorganismen zu finden, welche diese Wirkung ausfibten. Die Fliissigkeitsschicht sah voll- kommen klar aus, doch sah man mit blossem Auge auf der Oberfl~che derselben eine zarte, sehwach irrisirende Haut, welche, wie die mikro- skopisehe Prfifnng ergab, lediglieh aus dicht aneinander liegenden Baeterien besta:nd.

An Stellen, wo diese Haut etwas zerrissen war, zeigte sich unter dem Mikroskop ein ausserordentliehes Leben, indem bier AmSben, u und andere ihnen verwandte Arten der niederen 0rganismen in einer Zahl. wie ieh sie bis dahin noeh nicht wahrgenommen hatte, ihr Wesen trieben.

Es wurde vermittelst Plattenculturen die Reinziiehtung der diese Haut bildenden Bacterienarten vorgenommen und zwei Arten aus derselben ge- wonnen, welche ieh kurz charakterisiren will, da sie wahrscheinlieh in der Erde weitverbreitet vorkommen.

Weitaus am zahlreichsten bildeten sich in den Platten kleine runde Colonieen, dem blossen Auge, wenn sie in der Tiefe wuchsen, als un- scheinbare Pfinktchen sichtbar, wShrend sie an die Oberfl~tche gelangt, sich bis zur GrSsse eines Steeknadelknopfes ausbreiteten und wenig milehig getrfibt erschienen. Mit schwacher VergrSsserung unter dem )Iikroskop betrachtet boten diejenigen, welche die Oberfl~iche nieht erreieht hatten, das Aussehen kleiner matt-gelber, glatter, runder Scheiben. Als Rea- gensglasstichculturen wuchsen sie in tier Tiefe fast gar nieht, breiteten sich aber sehr langsam an der OberflSche der Gelatine, :~ihnlich wie Typhuscolonieen, aus. Diese Colonieen bestanden aus kleinen zarten Sthbehen, in Form und Gr5sse nieht wesentlieh unterschieden yon den F ink le r ' schen .

Neben diesen fiel eine zweite Gruppe yon Colonieen auf, welche, in der GrSsse kaum yon den ersteren untersehieden, sich dutch lebhafte weisse Farbe dem blossen Auge kenntlich machten. Mit sehwaeher Ver- grSsserung betrachtet, zeigten sie fast alle eine mehr ovale Form und batten eine mehr dunkelbraune Farbe. Als Reagensglasstieheulturen waren sie yon ersteren kaum zu unterscheiden.

Diese Colonieen bestanden aus kleinen Kokken , in Fltissigkeiten, z. B. Ham geziichtet, 15ngere Reihen bildend. Die erstere Art soll in Folgendem mit .o, die letztere mit ~ bezeiehnet werden.

Page 32: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

224 W. H~m~Evs:

WShrend ich noch mit der Darstellung dieser Reinculturen beschSftigt war, fand ich, dass auch Ham, welchen ich vet etwa drei Wochen in einem Becherglas aufo'estellt hatte, starke Reaction mit Jodamylum gab. Es hatte somit auch in diesem Oxydation yon Ammon zu salpetriger S~m'e stattgefunden, und schloss ich die Reinzfichtung tier in diesem enthaltenen ~[ikroorganismen gleich an. Es land sich yon Bacterien ausschliesslieh eine Art in demselben, welche in der Gelatineplatte zu kleinen, unter dem Mikroskop dunkelbraun gef~rbt aussehenden runden Colonieen auswuchs. Als Stichcultur bildete sie an der Oberflfiche einen dicken weissen Beleg, ~ihnlich wie Tetragonus. Es waren ebenfalls kleine zarte St~ibehen, welche ich mit ~p bezeichnete.

Ausserdem fand sich in dem ttarn eine Hefeart, die in der Gelatine fthnlich wie Schimmelpihe mit strahlenfSrmigen F~iden auswuchs und im Folgenden mit Z bezeichnet ist.

Um vorl~ufig, bis die Herstellung dieser Reinculturen beendet war, festzustellen, dass die Haut, welche den Erdaufguss an seiner Oberfli~che bedeekte, in der That die oxydirende Wirkung ansfibe, machte ich einige Vorversuehe in der Art, dass ich mit der PlatinSse kleine Theilchen dieser Haut auf andere Substrate fibertrug. Die Erw~gung, dass ein solcher Erdaufguss verhiiltnissmiissig arm sei an gelSsten Kohlenstoffverbindungen im Vergleieh zu den Mengen, welche unsere gewShnlichen N~hrsubstrate enthalten, dass aber auoh in diesem der nitrifieirenden Wirkung der Bacterien wiihrend der ersten Tage eine reducirende vorausgegangen war, die Nitrification erst begann, wenn in den kfinstlichen NiihrlSsungen bereits ein Stillstand in der nachweislichen Einwirhmg auf das Substrat begann, veranlasste mich, zwei Parallelversuche zu machen mit einer N~ihr- 15sung, welche nut Sahe, keine organischen Verbindungen enthielt und einer zweiten, welehe, wie die vorher angewandten, Traubenzucker enthielt.

Es wurden daher LSsungen hergestellt:

I. aus 10 c~" SalzlSsung, ,, 1 ,, ZuekerlSsung, ,, 1 , ~mmonearbonatlSsung,

auf 200 ~ mit destillirtem Wasser verdfinnt, so dass dieselbe im Liter enthielt:

0.05 ~" Kaliumphosphat, 0.01 ,, Nagnesiumsultht, 0.05 ,, Chlorcalcium, 1.0 ,, Traubenzucker, 1 . 0 ,, Ammoncarbomtt,

und IL eine ebensolche LSsung ohne Trauhenzueker.

Page 33: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

!~BER DAS VERHALTEN DEI~ BACTERIEN DI I~RUNNENWASSER U. S. \V. 2 0 5

Beide wurden auf je drei Bechergl~ser vertheilt, die Fliissigkeit durch Kochen sterilisirt und die Gl~ser in Glasglocken gestellt.

Ich hatte also:

I. a / I1. a I b mit Zucker b ohne Zucker. C C

Nach dem Abkiihlen wurden I a und I I a mit dem reducirenden t geimpft,

I b und I I b m i t t und einer kleinen Menge der Bacterienhaut yon dem Erdaufguss,

I c und 1I c nut mit der Bacterienhaut. Am folgenden Tage waren die LSsungen I a und I b stark getriibt

and wurde deshalb schon jetzt eine Pr(ifung vorgenommen. Es wurde mit sterilisirten Pipetten jedem tier Bechergl~ser so viel Fl(issigkeit ent- nommen, wie zu einer Priifung mit Jodamylum eben nothwendig war.

In I a und I b, in welchen die Trt~bung eine starke Vermehrung an- zeigte, war keine 0xydation eingetreten;

in I c trat sofort auf Zusatz des Jodamylums starke Bl~uf~rbung ein; in I l a t ra t ganz schwache Bl~uung ein, in I I b und I I c sofort starke Reaction. Nach dreithgigem Stehen gaben s~mmtliche sechs LSsungen Reaction

mit Jodamylum: I a und I l a nur sehr unbedeutend, I1b und I I c weitaus st'~rker als die anderen. Nach sechst~igigem Stehen wurde eine Bestimmung mit Indigo vor-

genommen: I a gebrauchte - - eom Indigo, I I a gebrauchte - - eem lndigo,

3 ,, 0 .9 ,, ,, b ,, 1 .3 ,, ,, c ,, 0 .8 ,, , c ,, 1"6 ,, ,,

Nach abermaligem viertSgigem Stehen ergab eine Wiederholung der Bestimmung fiir:

l a __ c~m Indigo, I I a __ o~m Indigo, b 4-8 ,, ,, b 3.2 , , c 1.4 , , c 5 .5 , ,

Trfibung war nur in den BechergF~isern I a und I b eingetreten, wo eine Vermehrung des ~ in zuckerhaltiger LSsung stattgefunden hatte; in I b war die Trtibung schliesslich fast wieder verschwunden.

Die aaderen Flfissigkeiten blieben bis zum Schluss klar, nur an der 0berflfiche hatten ~ich ganze Lappen von'Bacterienhaut gebildet, die zum Theil zu Boden sanken.

Zeitschr. f. Hygiene. i. 15

Page 34: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

226 W. HER~.EUS :

Es warde hierauf s~mra~lichen Flfi~sigkeiten etwas sterilisirte Trauben- zuckerlSsung zugefilgt und nach zwei T~gen wieder auf salpetrige S~ure geprfift.

In I a und I Ia war die schwache Reaction verschwunden, ebenso in I c, in welchem starke Trfibung eingetreten war, so class auf Verunreinigung mit einer anderen Bacterienart geschlossen werden musste. Ill II5 trat nut noch schwache Reaction ein, dieselbe war auch am nSchsten Tage versehwunden, w~hrend sie in II cnoch gleich stark eintrat.

Weiter konnte der Versuch nicht fortgesetzt werden, da die Flfissig- keiten aufg'ebraucht waren.

husserordentlich aut'fallend war das Ergebniss 4ieses Versuches in tier Hinsicht, dass eine Vermehrung der Baeterien in einer FlCtssigkeit eingetreten war, welche keine organischen Verbindungen, sondern nur Salze enthielt. Ein unansehnliches, kaum sichtbares Pfinktchen yon BacterienzooglSen hatte sich im Verlaufe yon zehn Tagen so stark ver- mehrt, dass die ganze 0berfl~che der LSsung yon einer dicken Haut be- deckt war. Es gilt bekannthch ffir einen der wesentlichsten Grunds~tze der Pflanzenphysiolog'ie, class nut chlorophyllfiihrende Pfianzen Kohlen- sSure zu assimiliren vermSgen, alle anderen aber, wie also auch die chloro- phyllfreien Bacterienarten zu ihrer Fortpflanzung vorgebildeter organischer Substanzen bedClrfen. 0b und wie alas Ergebniss des geschilderten Ver- suohes mit dieser herrschenden Ansicht in Uebereinstimmung zu bringen sei, musste vorlSufig dahingestellt bleiben. Thatsache ist. dass die Ver- mehrung, soweit sie sich dutch die oxydirende Wirkung ausclr~ckte, eine weitaus stSrkere in den LSsungen war, welche keinen Traubenzucker ent- halten batten, a]s in denen, in welchen Zueker vorhanden war. Sie trat ebenso energisch in einer L6sung auf (Nr. I b), welche anfiinglieh Zucker enthalten hatte, nachdem dieser nachweislich sammtlich dureh die Bacterien- art t aufgebraucht war.

Das Resultt~t ctieses Versuches war f~r ~ns abet auch in anderer ~Veise wichtig. Wir sehen, dass die reducirende Baeterienart ~ in LS- sungen, welche keine Kohlenwasserstoffe enthalten, sich nieht zu vermehren vermag, dass sie aber in zuckerhaltigen NahrlOsnngen auch dann die Ueberhand gewinnt, wenn sie gleichzeitig mit oxydirenden Arten ein- geimpft ist, und dass sie dann den letzteren durch Aufbraueh tier Kohlen- wasserstoffe gleichsam das Terrain freimacht. Sobald neue 3Iengen Zucker zugesetzt wurden, gewann die reducirende Art wieder die Oberhand und recluoirte die gebildete SalpetersSure wieder zu Ammoniak. Wenn der Zucker yon t aufgebraucht war, so trot auch in den NahrlSsungen, in welchen nur t zugegen war, schwache salpetrige Saurereaction ein, doch blieb diese immer sehr schwach.

Page 35: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BEI~ DAS VERHALTEN DER BACTERIEN I)I BRUN~ENWASSER U. S.W. 227

Um den Einfluss des Zuckers fiir die Bacterienart t sioher zu stellen, gen~gte folgender einfache Versuch. Es wurde in der i~blichen Weise eine N~ihrlSsung mit Ammoncarbonat als Stickstoffsubstanz hergestellt und derselben im einen Falle a 1 corn ZuckerlSsung zugesetzt~ im andern Falle 5 10 ~ und beide L5sungen dann mit L geimpft. Nach drei Tagen gab Jodamylum in a schwache Reaction und es tiess sich mit Fehl ing ' scher LSsung leicht nachweisen~ dass kein Zucker mehr in derselben vorhanden sei. Es wurde wieder 1/2 r sterilisirte ZuckerlSsung zugesetzt, worauf am n~chsten Tage die Jodamylumreaction verschwunden war, um nach zwei Tagen auf's Neue aufzutreten. In 5 kom~te selbst nach achtt~gigem Stehen keine Spur yon salpetriger S:~iure nachoewiesen werden.

Es wurden nun die Versuche mit den Reinculturen, welehe aus dem Erdaufguss und aus dem oxydirten Ham gewonnen waren, in ~hnlicher Weise wiederholt. Ich impfte (~, 67 rf und Z in zuckerhaltige und zucker- freie N.ShrlSsungen und fund, dass es jetzt drei Tage dauerte~ bis eine deutliche salpetrige SSure-Reaction auf Zusatz yon Jodamylum eintrat. Nach sechs Tagen war dieselbe erheblich st'~irker, doch liess sich eine Bestimmung mit Indigo nicht ausfiihren. Ein Untersohied im Wachs- thum war nicht zu beohaohten, ob nun in zuckerhaltige oder zucker- fl'eie LSsungen geimpft wurde. Um sicher zu gehen, dass nicht beim Impfen der nicht zuckerhaltigen NShrlSsungen etwas yon der N~ihr- gelatine mit in die L5sungen fibertragen wurde, sowie auch, um yon einer mSglichst geringen Zahl yon Bacterien auszugehen, wurden zwei ~veithalsige Flaschen mit einer N~hrlSsung~ die aus 10 r176 tier SahlSsung, 1 ~c~ der AmmoncarbonatlSsung und 200 ~'~ desfillirten Wassers zusammen- gesetzt war, in der Weise geimpft~ dass ich zunSchst in zwei Fl'~schchen mit je 10 ~ sterilirten Wassers mit der Platinnadel mSglichst wenig yon den Culturen ,o und q~ flbertrug und nach krSftigem Umschfitteln yon dieser Flilssigkeit einen Tropfen in die NShrlSsung brachte. Es wurde direct nach tier Impfung dutch Plattenculturen constatirt, class im Ganzen yon e 28600 Kdme volI ~ 52800 Keime eingeimpft waren, was flit erstere 286 Keime ffir den C~hbikcentimeter fiir ~ 528 Keime {'fir den Cubikcentimeter ausmachte. Nach dreitSgigem Stehen im Brutschrank bei 30 0 gab in beiden LSsungen JodstSrke sofort deutliche Reaction, in der mit o geimpften Flasche etwas stSrker. Es wurde nun festgestellt, welcher Vermehmng der Bacterien diese Reaction entspreche. Nachdem die LOsung gut umgeschfittelt war, wurde ein Tropfen davon in 100 r sterilisirten Brunnenwassers gebracht, die Fl~ssigkeit durch starkes Bewegen ordentlich gemengt uad nun yon dieser mit je 1 ~m Plattenculturen an- gefertigt. Dieselben ergaben durchschnittlich 8000 Colonieen, die dem 1,:~o o Theft eines Tropfens entsprechen; ein Tropfen enthielt demuach

15"

Page 36: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

228 W. HERAEUS:

800000 Keime und ein Cubikcentimeter 20 Millionen. Es hatte mithin innerhalb zweier Tage eine Vermehrung yon 286 Keimen im Cubik- centimeter auf 20 i~fillionen stattgefunden. RTach sechs Tagen hatte die salpetrige Saure-Reaktion an St~irke erheblich zugenommen, ohne dass in- dessert eine Bestimmung mit IndigolSsung mSglich geweseu wSre, welche erst mit einem Verbrauch yon 0.8 his 0.1 o~m Resultate liefert. Ich fund jetzt im Cubikcentimeter nur noch zwei Millionen Bacterien.

Um zu prfifen, ob diese Bacterienarten in allen N~hrlSsungen oxy- dirende Wirkungen ausfiben, wurden dieselben in sterilisirten Ham (1:5) und in verdtinntes Fleischwasser 1:10 geimpff und zeigte sich, dass auch in diesen nach ein- bis zweit~igigem Stehen Jodamylum starke Reaction gab. Ihnen kamen demnach ausschliess]ich oxydirende Eigen- schaften zu, welcher Art auch das Substrat war, in welehem sie gezfichtet wurden. Die bekannten Bacterienarten Heubacillus, 5iicrococcus prodi- giosus, die Finkler 'schen Bacterien, sowie die pathogenen, wie 5iilzbrand, Typhus, Tetragonus etc., zeigten fast alle in den aus Nfihrsalzen und Zucker hergestellten LSsungen kein wahrnehmbares Wachsthum, so dass in sol- chert LSsungen eine Priifung derselben auf ihr Verhalten zu Stickstoff- substanzen nicht mSglich war. Als geeigneter erwies sich dazu mit der vierfachen )Ienge Wassers verdiinnter Ham. Einen Unterschied, ob ieh denselben neutralisirt oder schwach sauer anwandte, konnte ich nicht wahrnehmen. Der Harn wurde in sterilisirte 50 r162 F1fschchen gebracht und im Dampfapparat mehrere Tage hintereinander etwa 20 5:[inuten lung auf 100 ~ erhitzt, wobei derseIbe, wenn er lfieht neutralisirt wurde, in der Regel klar blieb, wShrend in1 anderen Falle meist eine Triibung erfolgte, in Folge der Ausscheidung yon phosphorsauren Salzen, die sich bei nachherigem Stehen rasch absetzten und eine klare Fliissig- keit hinterliessen.

Es wurden geimpft die Flaschen

1 und 2 mit 4 ,~ 5 , 7 , 8 ,,

10 , 11 ,, 13 ,, 14 , 16 ,, 17 , 19 ,, 20 ,,

22 ,, 23 ,,

Die Flaschen

Microc. prodigiosus Mil ler ' schen Bacterien wurzelfSrmigen Bacterien Kasespirillum Heubacillus Bacillen des griineu Eiters Pneumonie-Kokken Fin k 1 e r' schen Bacterien.

3, 6, 9, 12, 15, 18, 21 und 24 blieben zur Controle ungeimpft. Nach vierundzwanzigsttindigem Stehen im Brutschrank waren die geimpften Flaschen alle stark getrtibt, ausser 10, 11 und 22, 23,

Page 37: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~rBER DAB VERHALTEN DER BACTERIEN I~{ BRUNNENWASSER U. S.W. 229

die aueh nach sechstSgigem Stehen nur wenig getriibt erschienen. Die Controlflaschen waren his auf eine klar geblieben. Die Prfifung mit Jod- amylum hatte folgendes Resultat, wobei ich ffir eine starke Reaction zwei Kreuze, fi}r schwiichere ein Kreuz und flit negatives Resultat ein Minus- zeichen anwenden werde.

~[ioroc. prodigiosus I. + + ; 2. + + ~[ i l l e r ' s che Bacterien 4. + + ; 5. + + WurzelfSrmige Bacterien 7. + ; 8. + KSsespirillum 10. + + ; 11. + + Heubacillus 13. - - ; 14. -- Bacterien der griinen Eiters 16. -- ; 17. -- Pneumonie 19. + + ; 20. -- F i n k l e r ' s c h e Bacterien 22. + + ; 23. + + .

Die Resultate waren fibereinstimmend ausgefallen, ausser bei den mit Pneumouie geimpften.

Eine weitere Priifung ergab fiir

Pneumonie -- ; - - Heubaeillus - ; - - . Typhus + + ; + +. Milzbrand + + ; + + . B r i e g e r ' s c h e Bacterien -- ; - - Staphyl. citreus + + ; + + .

Da es oft schwierig ist, sich duroh die mikroskopische Prfifung allein zu fiberzeugen, dass man noch eine Reincultur der eingeimpften Art vor sieh hat, so wurde bei einem Weiteren Versuch yon anderen Reinculturen ausgegangen, welche zu folgendem Resultat ffihrten.

Tetragonus - - ; - - ; - - Staphylococcus aur. - ; - ; Microc. Prodigiosus + + ; + + ; + + . • Bacterien -- ; - - ; - - Pneumonie -- ; - - ; - -

+ 4 - . B r i e g e r ' s c h e Bacterien + + ; + + ;

Von den zur Untersuchung gelangten hatten demnach Micrococcus prodigiosus, WurzelfSrmiger, K~isespirillum, F i n k l e r ' s c h e Bacterien, Typhus, Mihbrand, Staphylococcus citr. zur Bildung yon salpetriger S~ure im Harn geffihrt.

Page 38: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

230 W. HEaA~VS:

Heubacillus, gr(~ner Eiter, Pneumonie, Staphylococcus aureus hutten starke Trfibung hervorgerufen, ohne salpetrige Siture zu bilden. Die Brieger ' schen und Miller 'schen Bacterien hatten bei Anwendung ver- sehiedener Culturen zu widersprechenden Resultaten gefi~hru Eine Wieder- holung des Versuches ergab ftir Miller 'sche Bacterien wieder ein nega- tives Resultat, wahrend die Brieger 'schen auch diesmal schwaeh oxydirten.

Es schien zwar yon Interesse, mSglichst flit alle bekannten Bacterien- arten festzustellen, welche Wirkungen sie auf die Stickstoffbestandtheile des Hams ausaben, doeh wfirde eine solehe eingehende Untersuehung nicht in den Rahmen dieser Arbeit passen, welche in erster Linie solehe Bacterienarten zu bert~cksichtigen hatte, die bei den Reinigungsprocessen, wie sie im Erdreich vor sich gehen, bei den Umsetzungen, welehe im Wasser noch stattfinden, eine Rolle spielen. Yon Wiehtigkeir schien es mir daher noch, solche Bacterienarten zu untersuchen, welche bei der freiwilligen Faulniss des Hams auftreten und dessen alkalische Reaction herbeiffihren. Dass es eine bestimmte Art sei, namentlich der in den meisten Bfiehern figurirende Micrococeus ureae, schien mir nicht wahrscheinlich, da ich bei der mikroskopisehen Untersuchung yon faulendem Ham fast ausschliess- lich immer St~bchenformen yon versehiedener OrSsse gefunden hatte.

In einem Harn, tier mehrere Wochen in einer mit Baumwollepfropf Versehenen Kochflasche gestanden hatte, und rothes Lakmuspapier stark bl~ute, ,aber noch keine salpetrige Saure enthielt, fand ich zwei Arten yon Bacillen, yon welchen die einen die Gelatine mit grfiner Farbe verflfissig- ten, die anderen eine farb]ose Verflfissigung'herbeifiihrten. Beide wurden in sterilisirten Ham geimpft und bewirkten nun auch in diesem sehnell eine Umsetzung des Harnstoffs in Ammoncarbonat.

In einem anderen Ham, der ebenfalls stark alkahsch geworden war, und mit Jodamylum starke Reaction auf salpetrige S~ure gab, fand ich ebenfalls eine Stgbehenart, welche die Gelatine verflfissigte, die aber in sterilisirten Ham geimpft, in diesem sa]petrige Siiure erzeugte. Es ist wohl nicht ausgeschlossen, dass es manchmal auch Kokken sein kSnnen, welche den Zerfall des Harnstoffs in Ammoncarbonat bewirken, doch di~rfte dies eher eine Seltenheit, als die Regel sein.

Aueh der Ansicht, welche SchlSsing und Mfintz aussprechen, dass sich in der Luft Bacterien mit nitrificirenden Eigenschaften nicht fiinden, muss entgegengetreten werden.

Wenn wir ein Becherglas mit stark verdfinntem sterilisirtem Ham (etwa 1:50) often aufstellen, wird derselbe stets nach etwa acht Tagen salpetrige S~ure und Salpetershure enthalten. Es werden sich dann Bacterienarten in demselben finden, welchen ebensolche nitrificirende

Page 39: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BEIr DAS VEllHALTEN DI~R BACTERIEN ISI BRUNNENWASSER U, S. W. 231

Eigenschaften zukommen, wie der Art, welche SchlSsing und Mfintz in tier Erde gefunden hubert.

Die Frage, wenn oxydirende oder nitriiicirende Vorgiinge, und wenn reducirende Processe in tier Natur dutch die Bacterien hervorgerufen werden, finder nun leicht ihre Beantwortung. Dass Pasteurs Anaerobium in dieser Hinsieht unhaltbar ist, geht schon daraus hervor, dass man den Bacillus ~ z. B. in flachen Schalen in zuckerhaltiger LSsung ziflchten darf, er wird doch stets Salpeters~iure zu Ammoniak reduciren, hie abet Am- moniak zu Salpeters:~iure oxydiren. Es giebt .~rten yon Bacterien, welchen reducirende, und Arten, welchen oxydirende Eigenschaften zukommen. Wenn beide nun, wie es in der Natur in der Regel der Fall sein wird, zusammen in irgend ein Substrat gelangen, so wird es yon der Beschaffen- heir desselben abhfingen, wetche yon den beiden Arten die 0berhan(t ge- winnt. Ueberall d~, wo die Bacterien einen guten X~ihrboden finden, ill concentrirtem oder nicht zu stark verdiinntem Ham, in zuckerhaltigen Fliissigkeiten, in Fleischshften, iiberhaupt iiberall da, wo grSssere 5[engen organischer Substanzen sind, werden die reducirendell Bacterien iiberhand nehmen, und nur da, wo letztere nicht mehr einen hinreichend gtinstigen N~hrboden finden, um sich rasch vermehren zu k5nnen, werden die oxy- direnden Bacterien die Oberhand gewinnen. ]~'olgende Versuche mSgen zum Beweise dienen.

Es wurde Ham mit tier 5fachen 5Ienge, mit tier 25fachen 5Ienge und mit der 100fachen ~Ienge Wassers verdiinnt, und in offenen Becher- gl~isern aufgestellt; ebenso Ham, welcher zuvor schwach alkalisch gemacht war, in denselben Verdtinnungen. N'ach drei Tagen gaben die Verdiin- niingen 1 : 100 mit Jodamylum starke Reaction auf salpetrige S~iure, die anderen Fliissigkeiten waren stark getriibt und gaben keine Reaction. Nach sechs Tagen trat auch in dem mit tier 25 fachen ~enge Wassers verdiinnten Harn Reaction ein, welche nun rasch e~'heblich zunahm; in tier am wenigsten verdtinnten Fliissigkeit war naeh zwSlf Tagen die erste Spur yon salpetriger Sgture nachweisbar. Es wurde einem Harn, welcher lhngere Zeit gestanden butte und ~'osse Mengen yon salpetriger Srture enthielt, eine geringe Quantitst frischen sterilisirten Hams zugefiigt, einer anderen Probe etwas ZuekerlOsung, einer dr~ten etwas Fleischinfus, in allen Fallen war am nSchsten Tage keine salpetrige S:~ure mehr vorhanden.

Ganz ebenso verhielt sich Fleisehinfus, als ic5 es in verschiedenen Verdiinnungen often aufstellte.

Es wurde fernel" Harn a 1:5~ b 1:25 und c 1:125 mit einer Spur Erde geimpft, welche stark nitrificirende Eigenschaften gezeigt hatte. Nach dreit[tgigem Stehen bei einer Temperatur you 8 his 14 o C. waren a und b ziemlich stark, c kaum getriibt, in a und b gab Jodamylum deutliche.

Page 40: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

232 W. H:ER2~EUS :

Reaction, in c nur ganz schwache. Am n~chsten Tage aber schon war in a und 5 die salpetrige S~iure vollstiindig versehwunden, wiihrend sie in c zugenommen hatte. Da mit der Erde eine sehr grosse Zahl yon oxydirenden Bacterien in die Fliissigkeiten gekommen war, hatte es bei der niederen Temperatur drei Tage gedauert, bis die reducirenden die Oberhand ge~vannen. R'ach acht Tagen war in a noch keine Spur yon salpetriger S'~ure, in b etwas und in c sehr viel.

Dasselbe Resultat erhielt ich, als ich Fleischwasser, welchem ich etwas Ammoncarbonat zusetzte, in den Verdfinnungen 1 : 10 und 1 : 100, sowie eine N~hrsahlSsung, im einen Falle mit 1 ocm ZuckerlSsung, im anderen mit 10 c~ ZuckerlSsung mit derselben Erde impfte.

In der eoncentrirteren FleischwasserlSsung und in der stark zucker- haltigen NfihrlSsung war nach acht Tagen keine Oxydation des Ammons zu salpetriger S'~ure eingetreten, in den verdfiunterenLSsungen dagegeu starke.

Anders verhSlt es sich dahingegen, wenn keine andere Stickstoff- substanz als Salpetersiiure zugegen ist, so dass die Bacterien gezwungen sind, ihren Stickstoff dieser zu entnehmen. Dass dieses dann auch unter Bil- dung yon salpetriger Shure geschieht, muss immerhin auffallend erscheinen.

Ebenso wird durch die oxydirenden Bacterien alle gebildete Salpeter- s~iure rasch wieder reducirt, wenn wir den Zutritt der Luft verhindern.

Legea wir uns nun die Frage yon Neuem vor, yon welcher wir bei unserer Betrachtung ausgegangen waren, wie wit es uns zu erklfiren haben, dass beim Stehen stark verunreinigten Wassers der Gehalt yon salpetriger Siiure in demselben zunachst ausserordentlich zunimmt, schliesshch aber wieder abnimmt und ganz verschwindet, so werden g'ir dieselbe dahin beantworten mfissen: Anfangs, so lange das Wasser reich ist an organischen Substanzen, tritt unter Assimilirung des Ammons theilweise Reduction der Salpeter- sSure zu salpetriger Saure ein, nach einigen Tagen beginnt dann Oxy- dation, welche die salpetrige Siiure wieder in Salpeters~ure fiberffikrt. Hierin wfirde zuo-leich der Grund liegen, wenn wit im Wasser, welches einige Wochen gestanden hat, andere Bacterienarten finden als anfangs. Vermehrt man die organische Substanz in dem Wasser duroh Zuffigen yon wenig Traubenzucker oder Fleischwasser, so wird siimmtliche Salpeter- sSure reducirt.

Welche Nutzanwendung ffir die Praxis kSnnen wit nun aus den vor- stehenden Untersuchungen ziehen?

Man hSrt yon Laien nur gar zu hSufig das Urtheil, warum soll ein Wasser, welches grSssere Mengen Salze enthiilt, sch~dhch sein, oder was sollen ein paar Bacterien mehr oder weniger schaden, nimmt man doch bekanntlich in der sauren Milch und anderen Speisen deren eine ungleich ~Sssere 5ienge zu sich.

Page 41: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~BER DAS VERHALTEN DER BACTERIEN I~[ B~Uh'XEXW.%SSER u. s . w . 233

Gerade die Stadt Eanau, die kaum einen einzigen 5ffentlichen Brunnen besitzt, den man mit gutem Gewissen unbeanstandet lassen kSnnte, w~h- rend die grSsste Zahl derselben die ffir Trinkwasser festgesetzten Grenz- zahlen weitaus fiberschreitet, ohne dass hier ein anderer Grund als die u mit Stadtlauge vorl~ige, hat sich stets sehr renitent gegen alle Bestrebungen fi~r eine bessere Wasserversorgung verhalten. Ist doch statistisch festgestellt, dass in ttanau nur in grossen Intervallen Krank- heiten epidemisch aufgetreten sind, und sieht man doch, dass St~tdte, welche mit vorzi~glichen Wasserleitungen versehen sind, deshalb nieht yon Epidemieen verschont bleiben.

Die Hygiene ist im Verlaufe der wenigen Jahre, w~hrend welcher sie sich mit Erfolg entwickeln konnte, noch nieht so welt gediehen, dass sie alle Einw~nde, die in dieser Hinsieht gemacht werden kSnnen, mit Thatsachen zu widerlegen im Stande w~re. Wenn aueh das Studium der epidemischen Krankheiten noch nicht za dem Ziele geffihrt hat, dass wir uns fiber ihre Entstehung und Verbreitung vollauf Rechenschaft zu geben vermSchten, so sollten wir doeh in der Praxis gleichen Sehritt halten mit den Fortschritten, welohe die Hygiene auf diesem Gebiet macht.

Es ist in Vorstehendem wiederholt darauf hingewiesen, und es kann diese Anschauung kaum einem Zweifel begegnen, dass ein sehlechtes Wasser ein weitaus besseres Substrat ffir Bacterien alogiebt, als ein gutes, sahen wir doch, dass sieh in stark verunreinigten W'~ssern beim Stehen noch Vorghnge abspielten, die wit mit unseren chemischen Reagentien zu verfolgen im Stande waren, w~hrend dieses bei gutem Wasser nicht der Fall ist. Wenn nun auch thats~chlieh das Wasser ffir pathogene Bacterien ein so schlechtes Substrat abgiebt, dass wires hundert Mal mit solehen Bacterien impfen kSnnen, ohne dass eine Vermehrung stattfindet, so kann doch im 101. Falle eine Vermehrung eintreten, und sie wird um so leichter eintreten, je mehr N~hrmaterial ein Wasser enth~lt.

Unter vielen Versuchen, die ich in dieser Kinsicht mit Typhusbacillen anstellte, die fast alle ein negatives Resultat ergeben batten, waren einige, bei welchen eine Vermehrung der eingeimpften Keime zweifellos erschien.

In einem Fa]le waren zwei durch halbsti~ndiges Erhitzen auf 150 o sterilisirte Flaschen mit je 40 ~cm eines Brunnenwassers aus dem Hofe des hygienischen Instituts beschiekt und dieses nach dem Sterilisiren mit nicht sporenhaltigen Typhusbacillen geim, pft worden, indem ich yon einer Strichcultur mit einer Platinnadel mSglichst wenig yon der Baeterien- schicht abhob und dieses an der inneren Wand der Flaschen abstrieh.

Nach 16 tfigigem Stehen im Brutsehrank bei einer Temperatur von 370 C. nahm ich eine Untersuchung vor. Die Flfissigkeiten sahen voll- kommen klar aus. Doeh hatte sich dutch das l'~ngere Erhitzen des

Page 42: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

234 W. HERAEUS: ~BER DAS VEI~HALTEN DER BACTERIEN U. S W.

Wassers beim Sterilisiren in beiden Flaschen ein 5usserst zarter Boden- satz gebildet. Die directe mikroskopische Priifung liess im oberen Theft der Fltissigkeiten keine Bacterien finden, wohl aber fanden sich in dem Bodensatz tier einen Flasche zahlreiehe ZooglSen yon St~behenformen, die zum grossen Theft an einer Seite wenig verdickt waren und durch starkere Lichtbrechung, sowie durch das Nichtannehmen yon Farbe sich als Sporen zu erkennen gaben. In der anderen Flasche fanden sich keine Bacterien.

Es wurden zwei Platten a und 5 mit je icem v0n der oberen Fliissig- keit, zwei Platten c und d mit je 1 ecru yore Boden und eine Platte e mit einem Tropfen vom Boden der ersteren Flasche angefertigt.

Auf den zwei Platten a und 5 bildete sich keine Colonie, auf den drei fibrigen waren zahllose Colonieen entstanden, so dass ein SchStzen der Anzahl fiberhaupt unmSglich war. Es wurden yon diesen Strich- culturen gemacht, sowie kleine Theilchen auf sterilisirte Kartoffeln fiber- tragen, und liess sieh ein Unterschied mit den gleichzeitig angefertigten entsprechenden Typhusculturen nicht wahrnehmen. Da ieh zur Zeit noch mit diesen Yersuchen besch:~iftigt bin und diese]ben noch nicht als ab- geschlossen betrachten kann, so will ich hier nur noch bemerken, dass ich einmal noCh in unfiltrirtem Spreewasser w~hrend zweit~igigen Stehens bei 370 eine Zunakme yon fiinf Millionen eingeimpfter Keime auf 160 Mft- lionen constatirte, in einem anderen Falle w'~hrend zweit~gigen Stehens bei 12 o eine Zunahme yon 12000 auf 87000 Keime, dass abet diesen wenigen positiven Resultaten zahlreiche negative gegeniiber stehen.

Indessen nicht nur in dieser Hinsicht bieten stark verunreinigte Brunnenwasser eine grSssere Gefahr fiir Inficirung mit Krankheitsstoffen gegentiber Wasserleitungen und sogenannten Tiefbrunnen, sondern auch deshalb, weft bei ihnen die Beeinflussung durch Gruben, yon welehen in der Regel die Inficirung ausgehen wird, weitaus am gr6ssten ist.

In neuerer Zeit fiingt man an, sich aus diesen Riicksichten mehr dem System der Tief- oder RShrenbrunnen zuzuwenden, welche in hygieniseher Beziehung die grSssten Vortheile vor den Kesselbrunnen zu bieten scheinen.

Wie weit dieselben allen den Anforderungen, welche die Praxis stellen muss, zu geniigen im Stande sind, 15sst sich zur Zeit noch kaum beur- theften, da die Zahl solcher Brunnen zumal in Sttidten noch eine vet- schwindend kleine ist.

Page 43: Ueber das Verhalten der Bacterien im Brunnenwasser, sowie über reducirende und oxydirende Eigenschaften der Bacterien

~ilsc

h)'it

'l fiir

llyl

ie~t

(,, 1(

l.[.

SKiz

z~

D. S

'r.~T

HANAL"

ztlsailu

n,~n~

estelI

ten L

'l)ersi

~htsp

Ial,

./

i,l•• -I" j

•.-1

) .

J f/

/'

..

l

{y

/ "%

.

: '~

'

"~

2 ,

~#~/

. -~--. -:~

U .

. \

~o

,~,~

'/

/~--

-"

~.,~ =

/ ,o i

-/

.~

, !1

I

~l'k

<M

'~

J i ~.

\

'7 S

, ,\ q'>

-..

....

..

~ 2

5-,

>~

.7

""

.u-'

~>

L:_

-a

./o

"

_~

> .' >

,/

,

,>

D B

rulm

eu

<h'r

('L D

'ehu

l/ ,'~

; ~

H{qz

: IH

. '

ZiTe

r IW

x~v.

r be

ln~4

1

..

..

..

..

.

BW

15

# ..

....

. =

......

...

. ..

.