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46 S. Nametkin: 4. aber den Mcchaaisinus der Chamlleonwirkung anf nngesiittigte Verbindungen. von S. Nametkin. (Eingegangen am 8. November 1923.) Kach der Anschauung von A. Eltekoff lagern sich bei der Oxydation der ungesattigten Verbindungen entweder ein oder zwei Sauerstoffatome an die Doppelbindung an.l) Im ersten Falle bildet sich zungchst ein Oxyd, das bei der nach- einander folgenden Hydratation und Dehydratntion einen Al- dehyd oder ein Keton liefert. Im zweiten Falle zerfallt das Molekul an der Stelle der Doppelbindung; und zwar ist dies die Hauptrichtung der Reaktion. Eltekoffs Ansicht iiber den OxydationsprozeB schloB sich A. Say t z e f f auf Grund seiner umfangreichen Untersuchungen iiber die Oxydation der un- gesiittigten Siiuren an. z, Dies Reaktionsschema wnrde durch spatere Untersuchungen nicht bestatigt. Die von (3. Wagner3) angestellten Versuche zur Oxydation von Athylen, Isopropylathylen und Diallyl mittels einprozentiger Permanganatliisung zeigten , daB dabei keine Oxydbildung stattfindet. Dieses Resultat konnte nicht auf die darauffolgende Hydratation zuriickgefiihrt werden, denn die Oxyde dieser Kohlenwasserstoffe lassen sich durchweg nur schwer hydratisieren; somit konnen die Oxyde nicht als pri- mare Oxydationsprodukte betrachtet werden. Es mull ferner als ein groBes Verdienst von G. Wagner erachtet werden, l) Die Angaben iiber ~~olekularumlagerungen. Russ. Charkow 1884. Die friiheren Ansichten iiber diese Frage: 0. u. F. Zeidler, Ann. Chem. 197, 243 (1879); A. Butleroff, Journ. russ. chem. Ges. 9, 58 (1877); 14, 199 (1882); Tiemann, Rer. 11, 665 (1878). %) Dies. Journ. [2] 31, 541 (1885); 35, 300 (1886); 36, 369 (1887); 37, 282 (1888); ?9, 65, 334, 339; 40, 243 (1889). 3, Rer. 21, 1230, 3343, 3347, 3356 (1888).

Über den Mechanismus der Chamäleonwirkung auf ungesättigte Verbindungen

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46 S. Nametkin:

4. aber den Mcchaaisinus der Chamlleonwirkung anf nngesiittigte Verbindungen.

von

S. Nametkin. (Eingegangen am 8. November 1923.)

Kach der Anschauung von A. El tekoff lagern sich bei der Oxydation der ungesattigten Verbindungen entweder ein oder zwei Sauerstoffatome an die Doppelbindung an.l) Im ersten Falle bildet sich zungchst ein Oxyd, das bei der nach- einander folgenden Hydratation und Dehydratntion einen Al- dehyd oder ein Keton liefert. Im zweiten Falle zerfallt das Molekul an der Stelle der Doppelbindung; und zwar ist dies die Hauptrichtung der Reaktion. El tekoffs Ansicht iiber den OxydationsprozeB schloB sich A. Say t z e f f auf Grund seiner umfangreichen Untersuchungen iiber die Oxydation der un- gesiittigten Siiuren an. z,

Dies Reaktionsschema wnrde durch spatere Untersuchungen nicht bestatigt. Die von (3. Wagner3) angestellten Versuche zur Oxydation von Athylen, Isopropylathylen und Diallyl mittels einprozentiger Permanganatliisung zeigten , daB dabei keine Oxydbildung stattfindet. Dieses Resultat konnte nicht auf die darauffolgende Hydratation zuriickgefiihrt werden, denn die Oxyde dieser Kohlenwasserstoffe lassen sich durchweg nur schwer hydratisieren; somit konnen die Oxyde nicht als pri- mare Oxydationsprodukte betrachtet werden. Es mull ferner als ein groBes Verdienst von G. W a g n e r erachtet werden,

l) Die Angaben iiber ~~olekularumlagerungen. Russ. Charkow 1884. Die friiheren Ansichten iiber diese Frage: 0. u. F. Zeidler, Ann. Chem. 197, 243 (1879); A. But lerof f , Journ. russ. chem. Ges. 9, 58 (1877); 14, 199 (1882); Tiemann, Rer. 11, 665 (1878).

%) Dies. Journ. [2] 31, 541 (1885); 35, 300 (1886); 36, 369 (1887); 37, 282 (1888); ?9, 65, 334, 339; 40, 243 (1889).

3, Rer. 21, 1230, 3343, 3347, 3356 (1888).

Mechanismus der Chamaleonwirkung. 47

daS er folgende Tatsachen feststellte: 1. a-Glykole sind die primaren Produkte der Permanganatwirkung auf ungesattigte Verbindungen, und 2. der Zerfall der ungesattigten Verbin- dungen an Stelle der Doppelbindung ist ein Resultat der weiteren Oxydation der entstandenen Glykole.

So iiberzeugend die von G. W a g n e r bei Einwirkung von Permanganat auf bthylen, seine Homologe und andere kom- pliziertere Verbindungen (Terpene usw.) gewonnenen Resultate auch sind, so kann doch nach Meinung anderer Autoren die Frage der Oxydbildung bei dieser Reaktion noch nicht in ver- neinendem Sinne entschieden werden. l) Jedoch verfiigen wir jetzt uber ein gro6es experimentelles Material, das die Frage grundlich und eridgiiltig zu entscheiden erlaubt. Ich spreche von den a-Glykoien, die man aus den ungesattigten Kohlen- wasserstoffen nach zwei verschiedenen Methoden gewinnen kann, namlich 1. bei der Hydratation der entsprechenden u-Oxyde, und 2. unmittelbar bei der Oxydation mittele Per- manganatlosung.

Bildet sich bei dieser Osydation als Zwischenprodukt ein a-Oxyd, so ist es klar, daB dabei dasselbe Glykol wie bei Hydratation des a-Oxyds gewonnen werden muB. Die Tabelle (S. 48) zeigt, da5 tatsachlich bei diesen Reaktionen zwei ver- sch iedene Glykole entstehen. Daraus ist ereichtlich, daB sich die Oxydation der ungesattigten Kohlenwasserstoffe oder uberhaupt der ungesattigten Verbindungen mittels Permanganat ohne Bildung des a-Oxyds als Zwischenprodukt vollzieht.

Unter I. sind in dieser Tabelle die Schmelzpunkte der aus den entsprechenden a- Oxyden erhaltenen Glykole an- gegeben; der Bildungsart nach sind dies offenbar die cis- Glykole.

Unter 11. sind die Schmelzpunkte der bei der Einwirkung von Permanganat auf ungesattigte Kohlenwasserstoffe unmittel- bar erhaltenen Glykole angefiihrt. I n denjenigen Fallen (Nummer 1-4), wo nur zwei stereoisomere Glykole von der

') Vgl. z. B.: Koiidakoff, dies. Journ. [2]59,287 (1899); A.Werner, Lebrbuch der Stereochemie S. 204; P. Pfe i f fer , Ph. Cb. 48, 54 (1904); N. Pri leschajeff , Organische Peroxyde und ihre Anwendung zur Oxy- dation der ungesattigten Verbindungen. Rusa. Warschau 1912, S. 64 bis 66 usw.

48 S. Nametkin:

_ _ _ ~ _ _

1,2-Cyclohexandiole . .~ 1,1,2-Methyl-cyclohexan-

diole . , . . . . . I

S c h m e l a p u n k t e d e r s t e r e o i s o m e r e n Glykole . ~~

- 104O

84O

Nomenklatur der Glykole / / I. Autoren 11* /I -

~ ~.

I 1 $9-100 O Bruncl *)

67O 1~ S. Nametlrin u. A. Jarzeff*)

38-39 O 'I 1 , 0. Wallach 3), N. Prileschajeff4), I / 0. Wallach 6,

S. Nametkin u. N. Iwanoff")

S. Nsmetkin u. L. B~iissoff 7

S. Nametkin u. 11. Briissoff $), 0. Wallachg)

76-77 1 S. Nametkin U. L. Brussoff lo), 1) 0. Wallach l1)

betreffenden Struktur (cis- und trans-) theoretisch mijglich sind, mu6 dann offenbar das stereoisomere Glykol der Kolumne I1 als trans - Glykol betrachtet werden. In den komplizierter liegenden Fallen (5-7) kann man sich fur jede cis- und trans- Konfiguration nicht nur eine sondern zwei stereoisomere Formen vorstellen. I n diesen Fallen kann die Frage nach der Eonfiguration der Glykole, die bei der Behandlung der ungesiittigten Kohlenwasserstoffe mit Permanganat erhalten werden, nur nach Analogie mit den einfacheren Fallen (1-4) entschieden werden. Wir nehmen also an, daB alle Glykole, deren Schmelzpunkte unter I1 angegeben sind trans - Gly- kole sind.12)

Aber dieselbe Angabe der Kolumne I1 werfen einiges Licht auf eine andere Seite der in Frage stehenden Reaktion,

I) Ann. chim. phys. [8] 6, 245 282 (1905). 9, Ber. 66, 1803 (1923). $1 Ann. Chem. 359, 299 (1908). 4, Jouro. russ. chem. Ges. 42, 1411 (1910). 5, Ann. Chem. 396, 264 (1913).

Ber. 66, 1805 (1923). Unverijffentlichte Beobachtungen.

O) Ann. Chem. 396, 265 (1913). l") Unverijffentlichte Beobachtungen. 11) Ann. Chem. 396, 281 (1913). '3 Vgl. aber J. B a e s e k e n , Ber. 66, 2409 (1923).

3 Ber. 56, 1807 (1923).

Mechanismus der Chamaleonwirkung. 49 namlich auf die ersten Stadien der Chamaleonwirkung auf un- gesattigte Verbindungen, die sich bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nach der Liisung durch das Ekperiment entziehen.

Lwoffl) war der erste, der auf diese wichtige Frage auf- merksam machte und ein Schema der Permanganatwirkung auf ungesattigte Verbindungen vorschlug. Dieses Schema wurde bald darauf von G. Wagnera) wesentlich verbessert. Ohne auf Einzelheiten genauer einzugehen, begniigen wir uns damit zu betonen, daB diese beiden Schemata auf die ganz richtige Voraussetzung gegriindet sind, dafi als erste Stufe der erwviihnten Reaktion die Bildung einer additionellen Verbindung des Oxydationsmittels (KMnO,) mit dem ungesattigten Stoffe (2. B. Athylen usw.) anzunehmen ist. Diese erste Phase der Reaktion verlauft nach G. W a g n e r entsprechend der Gleichung:

Das Additionsprodukt wandelt sich nachher in eiu Gly- kolat um, welch letzteres mit Wasser ein Glykol gibt:

CX,-OK CH,,-OX

H,-OH I

CH,--0Mn0, ---t A

Aber auch dieses Schema der oxydierenden Wirkung des Permanganats auf ungeeattigte Verbindungen kann heutzutage nicht mehr aufrecht erhalten werden. Nehmen wir auch die unwahrscheinliche Bildung des zusammengesetzten hetero- cyclischen Systems nach Q. Wagner in Kauf, so fallt uns doch eine Eigenheit dieses Schemas auf: es ist klar, dafi in- folge der weiteren , oben formulierten Umwandlungen hierbei nur ein plansymmetrisches oder cis-Glykol erhalten werden kBnnte. Wir beobachten aber, daB bei der Oxydation eines Kohlenwasserstoffes xnit einer alicyclischen Doppelbindung mittels Permanganat ein trans- und nicht ein cis-Glykol ge- wonnen wird; dtts Schema dieser Reaktion mu6 also ab- geandert werden.

1) Journ. rays. Chem. Gee. 21, 350 (1889). Journ. russ. Chem. Ges. 27, 219 (1895).

Journal f. prakt. Chernie [ a ] Bd. 108. 4

50 S. Narnetkin:

Nehmen wir an, daB auf ein Molekiil der ungesattigten Verbindung gleichzeitig nicht ein, sondern zwei Molekiile KMnO, wirken. Ohne die Frage nach dem sterischen Mechanismus dieser Rertktion zu beriihren, ist es leicht einzusehen, dab nunmehr die Molekule des Oxydationsmittels entweder die cis-(A) oder die trans-(B)-Lage einnehmen kiinnen und wir er- halten etwa folgende additionelle Verbindungen:

-CH-OMn0,OK -CH-OMn0,OK 1 B. I

A. - H-OMnO*OK KO0,MnO -CH-

Durch die Einwirkung von Wasser spaltet sich jedes dieser Produkte in saures Kaliummanganat und Glykol ; zum Beispiel:

-CH-OMn0,OK -CH-OH

-CH-OMUO,OK - b H-OH + 2Mn04HK I +2H,O =

Aus der Farbenveranderung der wa6rigen Losung kann man schlieEen, daB in der Tat bei der Oxydation organischer Verbindungen in alkalischer Lijsung ein Salz der Mangansaure entsteht. Dank der gro6en Unbestiindigkeit der Liisungen dieses Salzes erfolgt jedoch bald ein sekundiirer ProzeB, der zur Abscheidung von Mangandioxyd fiihrt:

3Mn0,HK = 2Mn0,K + MnO, + H,O I- KOH . Dies von uns vorgeschlagene Schema des Mechanismus

der Chamaleonwirkung kann ebensogut zur Erklkung der cis-, wie der trans-Anlagerungen der Hydroxyle angewendet werden. Darin liegt der wesentliche Unterschied und der Vorzug vor dem W agnerschen Schema; beweisen doch die Tatsachen, da% die Anlagerung an die Doppelbindung bei dieser Reaktion in beiden Richtungen stattfinden kann, d. h. sowohl in cis-Rich- tung (bei dem klassischen Beispiel der Fumar- und Malein- s%ureoxydation), wie auch in trans-Richtung (der obenermahnten Oxydation der Naphtylene mittels PermanganatlBsung).

Es eriibrigt nur noch einige Worte zur Aufklarung der Frage vom Standpunkte der Stereochemie aus hinzuzufiigen.

Sieht man daron ab, wie die einzelnen Phasen der Oxy- dation der unges5ttigten Verbindungen mittels Permanganat rerlaufen, so kann als festgestellt gelten, daB die erste faB-

Mechanismus der Chamiileonwirkung. 51

bare Phase dieser Reaktion - die Bildung der a-Glykole - a l s ein Resultat der Anlagerung zweier Hydroxyle an die Doppelbindung zu betrachten ist. Bei den ungesattigten ali- cyclischen Kohlenwasserstoffen fuhrt diese Anlagerung, wie wir wissen, zur trans-Glykolbildung und mu6 darum nach dem I’ypus der trans-Anlagerungen verlaufen. Wir haben also eine neue Gruppe der Anlagerungsreaktionen, die in die klassische Stereochemie von v a n ’ t H o f f und J. Wis l icenus nicht hineinpassen, worauf schon vor 3 5 Jahren A. Mi ch a e 1 auf- merksam gemacht hat. I)

Unser Beispiel der trans-Anlagerung ist deshalb von so groBem Interesse , weil die Reaktion hier unter solchen Be- dingungen verlauft, die jede sekundare Umlagerung ausschlieBen; sie kann daher nur erklart werden, wenn man die Grundlagen der klassischen Stereochemie aufgibt. Die einfachste Erkltrung des stereochemischen Mechanismus dieser Reaktion, wie auch anderer Fiille von trans-Anlagerung, gibt das stereochemische System von A. Werner .

l) Dies. Journ. [8] 88, 1 (1888); 40, 29 (1889); 46, 209, 381 (1892); V2, 289 (1895); 76, 112 (1907).

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