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Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, 179, 1--21 (1959) Aus dem Max-Planck-Institut fiir Hirnforschung, Abteilung fiir Allgcmeine Neurologie, KSln-Merheim (Direktor: Prof. Dr. K. J. Z~LCH) ~ber die Skleroneuropathie, die Mitbeteiligung der peripheren Nerven bei der allgemeinen progressiven Sklerodermie* Mit Versuch einer pathogenetisehen Deutung Von K. J. ~I~LOH Mit 11 Textabbfldungen (Eingegangen am 2. Oktober 1958) Der Befall des peripheren Nervensystems bei manchen Kollagen- krankheiten (KLEMPERER, POLLACK U. BAEHI~ 1942) ist bekannt. Die alternierende Mononeuritis (monondvrite saltante) bei der Periarteriitis nodosa z. B. hat in den letzten Jahren ebenso sehr Interesse erregt wie die Schgdigung der periphersten Nervenenden bei der Dermatomyositis, die eine Differentialdiagnose gegen die Polyneuritis mit Guillain-Barr6- schem Syndrom so erschwert. Aber die Mitbeteiligung der peripheren Nerven bei Patienten mit Sklerodermie kennt man bisher praktisch nicht. Zwar klagen derartige Patienten sehr frfih fiber Symptome yon seiten der peripheren Nerven, wie fiber Paraesthesien und Ertaubungen der Haut (EHRMANI~ U. BRV~AUER 1931), doch wurden diese Beschwerden bisher gewShnlich durch die gleichzeitig bestehenden DurchblutungsstSrungen bzw. durch die Verfestigung der Haut mit Kompression der feinsten Nervenenden erklgrt (PFISTER 1957). Echte kollagene Neuropathien grol3er Nerven bei der Sklerodermie hingegen sind erstmalig bei TALBOTT U. FERNANDES 1955 zitiert, die auf den Fall yon RICHTER (1954), die einzige bisherige Beobachtung des Weltschrifttums mit Autopsiebefund, hinweisen. RICHTER konnte einen weiteren ~hnlichen Fall zwar klinisch beobachten, doch fehlt die morphologische Best~tigung der Veri~nderungen an den grol3en Nervenst~mmen, und die Klassifikation der Kollagen- krankheit auf Grund der Biopsie war nicht ganz eindeutig. Bisheriges Schrilttum DII~I~L]~R (1891) weist als einer der ersten auf eine ,,deutliche, wenn auch nicht sehr hochgradige Verdickung des Perineuriums und Endoneuriums der subcutanen Nerven" hin. Auch am Halssympathicus sah er eine ,,Zunahme des bindegewebigen * Herrn Professor Dr. H. PETTE ZU seinem 70. Geburtstag gewidmet. Dtsch. Z. l~ervenheilk., Bd. 179 1

Über die Skleroneuropathie, die Mitbeteiligung der peripheren Nerven bei der allgemeinen progressiven Sklerodermie

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Page 1: Über die Skleroneuropathie, die Mitbeteiligung der peripheren Nerven bei der allgemeinen progressiven Sklerodermie

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, 179, 1--21 (1959)

Aus dem Max-Planck-Institut fiir Hirnforschung, Abteilung fiir Allgcmeine Neurologie, KSln-Merheim (Direktor: Prof. Dr. K. J. Z~LCH)

~ber die Skleroneuropathie, die Mitbeteiligung der peripheren Nerven bei der allgemeinen progressiven Sklerodermie*

Mit Versuch einer pathogenetisehen Deutung

Von

K . J . ~I~LOH

Mit 11 Textabbfldungen

(Eingegangen am 2. Oktober 1958)

Der Befall des peripheren Nervensystems bei manchen Kollagen- krankheiten (KLEMPERER, POLLACK U. BAEHI~ 1942) ist bekannt. Die alternierende Mononeuritis (monondvrite saltante) bei der Periarteriitis nodosa z. B. hat in den letzten Jahren ebenso sehr Interesse erregt wie die Schgdigung der periphersten Nervenenden bei der Dermatomyositis, die eine Differentialdiagnose gegen die Polyneuritis mit Guillain-Barr6- schem Syndrom so erschwert. Aber die Mitbeteiligung der peripheren Nerven bei Patienten mit Sklerodermie kennt man bisher praktisch nicht. Zwar klagen derartige Patienten sehr frfih fiber Symptome yon seiten der peripheren Nerven, wie fiber Paraesthesien und Ertaubungen der Haut (EHRMANI~ U. BRV~AUER 1931), doch wurden diese Beschwerden bisher gewShnlich durch die gleichzeitig bestehenden DurchblutungsstSrungen bzw. durch die Verfestigung der Haut mit Kompression der feinsten Nervenenden erklgrt (PFISTER 1957). Echte kollagene Neuropathien grol3er Nerven bei der Sklerodermie hingegen sind erstmalig bei TALBOTT U. FERNANDES 1955 zitiert, die auf den Fall yon RICHTER (1954), die einzige bisherige Beobachtung des Weltschrifttums mit Autopsiebefund, hinweisen. RICHTER konnte einen weiteren ~hnlichen Fall zwar klinisch beobachten, doch fehlt die morphologische Best~tigung der Veri~nderungen an den grol3en Nervenst~mmen, und die Klassifikation der Kollagen- krankheit auf Grund der Biopsie war nicht ganz eindeutig.

Bisheriges Schrilttum DII~I~L]~R (1891) weist als einer der ersten auf eine ,,deutliche, wenn auch nicht

sehr hochgradige Verdickung des Perineuriums und Endoneuriums der subcutanen Nerven" hin. Auch am Halssympathicus sah er eine ,,Zunahme des bindegewebigen

* Herrn Professor Dr. H. PETTE ZU seinem 70. Geburtstag gewidmet.

Dtsch. Z. l~ervenheilk., Bd. 179 1

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2 K.J . ZiiLCtt:

Gerfistes". - - Auch NOTTHAFFT (1898) hatte von einer Verdickung des Perineuriums gesprochen, w~hrend LUITHLEN (1904) im MraSekschen Handbuch sich im wesent- lichen auf eine referierende Darstellung der bisherigen Autoren beschr~nkt hat. Dann land K~Aus (1924) an den Nerven eine m~chtige Verdickung des Zwischen- gewebes, das auf L~ngsschnitten in breiten Zfigen zwischen den atrophischen Nervenfaserbiindeln dahinzog. Weiter zeigten die Abbildungen 41 und 42 (S. 825) von EHRMAN~ U. BRUNAUER (1931) eine m~Big starke Verdickung der Nerven- scheiden in der Subcutis. Schlie61ich land sich bei yon KINTZEN (1952) in Abb. 2 eine Verdickung des Perineuriums abgebildet, w~hrend er yon negativen Befunden bei den gr56eren Nerven vom Typus des N. tibialis post. spricht.

Eigener Fall Bei der folgenden Krankengesehiehte eines 54j/~hrigen Pa t i en ten mit

Sklerodermie und kollagener U m m a u e r u n g der peripheren Nerven ist fiber die ausgesprochene Seltenheit des Vorkommens hinaus auch der Ablauf der Krankengeschiehte erw/ihnenswert, da die Diagnost ik zu Lebzei ten dureh das gleichzeitige Bestehen einer perniciSsen An/imie in eine falsche Rich tung gelenkt wurde, /~hnlich wie fibrigens auch in den Riehterschen F/~llen, wo eine (falsch-),,positive" Wassermannsche Re- akt ion lange Zeit den Verdacht des Bestehens einer Lues erregt hatte.

Die Krankengeschichte unseres 54j/ihrigen Pa t i en ten gliedert sich zeitlich und pathogenetisch nach 3 Abschni t t en : I m 1. Abschni t t kam der Pat ient , von einem In te rn i s t en mi t dem Befund einer perniciSsen An/~mie geschickt, zur neurologischen Untersuchung, nach der die Diagnose einer funicul/iren Myelopathie mi t Beteil igung auch der peripheren Nerven nahelag. Die An/tmie wurde behandel t un d die neurologischen Ausf/flle besserten sich.

Der 2. Abschni t t war dadurch gekennzeichnet, dab nunme hr der Blut- s ta tus vSllig normal geworden war, dab die neurologischen Befunde nach kurzer Besserung station/ir blieben, dab aber das skleroderme Krankhei t s - bild sich weiterentwickelte.

I m 3. Abschni t t schliel~lich schri t t die Sklerodermie rasch fort, es entwickelte sich eine kardiovascul£re Insuffizienz erheblichen Ausmages und eine Kachexie. Die neurologischen Befunde verschlechterten sich e rneut und es t r a ten kurz vor dem Lebensende verschiedene lebens- bedrohliche Kompl ika t ionen (Ileus) auf, wobei schlieBlieh der Tod dureh kardiovascul/~res Versagen nicht mehr aufzuhal ten war.

Der 54j~hrige Patient wurde mir von einem Facharzt f/ir Innere Krankheiten zur Kl~rung fiberwiesen, weil er fiber zunehmende Schw~che in Armen und Beinen klagte. Es war bei ihm vor 12 Jahren eine Resektion des Magens nach Billroth II wegen eines Uleus durchgefiihrt worden. Das ,,Ergebnis" der Operation muB ,,besonders gut" gewesen sein, da der Patient mehrfach auf ]~rzteversammlungen mit dieser Beurteilung vorgestellt wurde.

Etwa 5 Jahre vor seinem Tod traten - - naeh einem angebliehen Unfall - - die ersten ,,L~hmungserscheinungen" auf, die aber erst vor 2 Jahren starker wurden und sich im Anfang des Jahres der Beobachtung noch weiter vermehrten. Besonders

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l~ber die Skleroneuropathie

auffgllig sei - - so gab der Patient an - - die Sehw/iehe an Armen und Beinen. Gleieh- zeitig sei eine Sehwellung der H£nde und des Gesiehtes sowie der Bauchdeeken und eine Verfestignng der Haut, etwas sparer aueh eine Br~unung aufgetreten. Auch habe er fiber Zungenbrennen zu klagen.

Bei der internistischen Untersuehung 1 war eine Myokardsehw/iche mit gleieh- zeitigem peripheren Kreislaufversagen festgestellt worden. R6ntgenologisch jedoeh waren Herz, Zwerehfell und Lungen o. B., ebenso der Magen-Darm-Trakt (auger den Befunden nach der Resektion naeh Billroth II). Aueh waren rSntgenologiseh Skelet, Muskulatur (keine Verkalkung) wie aueh Mediastinum o. B.

Laboratoriumsbe]unde. Blutserum: Weltmannsches Coagulationsband: Floekung yon 1 - - 7 . - Blut-]~iweig-Fraktionen: Leiehte y-Globulin~mie mit versehobenem Index (Albumin 54,6, al-Globulin 4,9, as-Globulin 8,4, g-Globulin 10,2, y-Globulin 21,8). Senkung: 55/110. H~moglobinwert 14,8 bei 2,9 Mill. Erythroeyten; weiges Blutbild normal (80O/o Segmentkernige, 20% Lymphoeyten bei Fehlen Mler Zwi- sehenformen). Blutdruek 95/60, bei anderen Untersuehungen aueh 85/60 und 80/55.

Bei der eigenen Untersuehung ersehien der Patient als ein zierlieher Mann in mggigem Ern~hrungszustand. Es fand sieh eine deutliche sMeroderme Verfestigung und gelblieh-br~unliehe Pigmentierung des Gesichtes und des ganzen K6rpers, deutlieh hervortretend fiber den H~nden. Besonders starke Ausbildung der Sklero- dermic fiber den dorsMen Handfl~ehen und fiber den Bauehdecken, unter denen aueh ein leiehtes 0dem zu liegen sehien.

Hirnnerven. Leiehter Nystagmus unter der Leuehtbrille naeh reehts. Re]lexe. PSR sehr lebhaft, ASR weniger lebhaft, beiderseits fraglieher Babinski-

reflex, Armsehnenreflexe m~gig lebhaft, Fingerbeugereflex beidcrseits pathologisch, alle Reflexe seitengleieh. Bei Ausl6sen der Hautreflexe hoehgradige hyperpathisehe Schmerzen.

Motorik. M~gige Parcse beider Arme, besonders deutlieh am Triceps und den Fingerbeugern (zugleich aueh meehanisehe Behinderung !), sehr erhebliehe Sehw~ehe auch der Obersehenkelstreeker, w~hrend die Dorsalflexoren der Ffige fast normal waren. Der Patient konnte noch gehen, ermfidete aber naeh einer Viertel- bis einer hMben Stunde.

Sensibilit~it. Epikritisehe Empfindung in der Peripherie handsehuh- und strumpf- fSrmig ausgefMlen, nach proximal zu vom Hand- bzw. Fuggelenk zunehmend besser, entspreehend aueh die Schmerzempfindung fiir Nadelstieh bei gleichzeitiger hoeh- gradiger Hyperpathie gegen Serienreize bzw. breitfl~ehig wirkende (Quetsehung) oder tiefe Druekreize.

Tonus. Nieht wesentlieh ver~ndert. Keine wesentliehen StSrungen der Koordi- nation.

Interner Be/und. Taehykardie, positiver Venenpuls, Blutdruck 85/65, Taehypnoe, auffi~llig rote, sehr glatte Zunge vom Typ der Huntcrschen Glossitis. Leber und Milz nicht zu tasten. Die Wassermannsche Reaktion war - - im Gegensatz zu den 2 Richtersehen Patienten, bei denen diese unspezifisch positiv war - - negativ.

Beurteilung. Auf Grund der Vorgeschichte (weitgehende Magenresektion !) und des Blutbildes wurde eine funikul~re Myelopathie mit ausgesprochencr Sch~digung auch der peripheren Nerven angenommen. Obwohl die Pigmentierung nicht ganz dem Pellagratyp entsprach (immerhin Betonung an den Handrfieken!), wurde sie am besten in diese Rubrik eingeordnet. Die Symptome liegcn am ehesten an eine ResorptionsstSrung mehrerer Vitamin B-Komponenten denken.

Behandlungsvorschlag. Massive Dosen yon Leber-Vitamin B-Pri~paratcn (Iloban), Nicotinsaureamid (Nicobion) und Vitamin B12 (Cytobion).

1 Herrn Dr. E. P~.TZOLD, KSln, bin ieh ffir die (~berweisung des Kranken und die ~berlassung seiner Befunde zu grogem Dank verpflichtet.

1"

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4 K . J . ZiYLC~:

Wiedervorstellung 3 Wochen sp/~ter: Unter dieser Behandlung ha t te sich das Blutbild bereits gebessert, die Zahl der Ery throeyten stieg auf 3,4 Mill. an, die Senkung war auf 16/43 gefallen! Wesentliehe Besserung der Lahmungen, Nach- lassen der H~rte und Verfestigung der Haut , Befinden im ganzen besser; der bisher amimiseh-maskenhaft wirkende Pat ient bekam wieder eine lebhaftere Mimik. Offensichtlich nach Angaben aueh 0demausschwemmung durch Harnflut. Pigmen- t ierung wie bisher. Zungenoberfl/~che objektiv wie bisher, jedoch Nachlassen des Zungenbrennens. Im neurologisehen Befund: Weitere Verstiirkung (!) aller Sehnen- reflexe, Pr~kloni an den ASR, wechselnde Neigung zum Auftreten von pathologi- schen Reflexen. Nachlassen der Hyperpathie.

Vorschlag: Fortsetzung der bisherigen Behandlung.

Der Pa t ien t war dann aus ~tuBeren Griinden 2 Monate lung i iberhaupt n ieht mehr in/~rztlicher Behandlung. Er stellte sich wesentlieh versehleehtert wieder vor, und zwar etwa im gleichen Allgemeinzustand wie bei der ersten Beobaehtung. J e t z t war aueh eine KoordinationsstSrung hinzugetreten: die Zielbewegungen der Beine waren beiderseits ataktisch. Weiter bestand beiderseits ein klassischer Babinski- reflex mit Fluchtreakt ion der Beine, rechts starker als links. Interessanterweise war das Blutbild inzwischen vSllig normalisiert ; der Pat ient war s tark abgemagert und appetitlos.

Der Versuch, itm ambulan t eiweil~reich zu ern/~hren, miltlang, die Kaehexie nahm weiter zu u n d e r muSte zur weiteren Behandlung und zum Ausschlult eines malignen Blastoms klinisch untersueht werden. Bei dieser Gelegenheit erneut vor- genommene Laboratoriumsuntersuchungen ergaben keine freie Magens~ure; der lumbale Liquor war ohne Besonderheiten.

4 Monate sp~ter t r a t eine akute Episode eines ileusartigen Krankheitsbildes auf, das die Verlegung in eine ehirurgisehe Klinik notwendig machte. Dort wurden die ent- spreehenden Untersuchungen durehgefiihrt, aber kein sicherer Anhal t fiir eine mecha- nisehe Ents tehung des Ileus gefunden. Die bereits vorher begonnene medikamentSse Behandlung mit Cortison wurde dann fortgesetzt. Da der Kreislauf sieh jetzt wesent- lich verschlechterte und sich erneut ein Verdacht auf ein Neoplasma (der Leber ?) ergab, wurde er noch einmal in eine interne Klinik verlegt. Wenige Wochen vor seinem Tode fund sich hier ein normaler Blut- und Urinstatus, die Senkung war jetzt nur noch 7/23, alle inneren Untersuchungen entsprachen der Norm. Es fund sich nur eine Dys- protein~mie mit einer Albuminverminderung und einer m~l~igen a 1- und as-, be- sonders aber mit einer s tarken ~-Globulinvermehrung. Das gesamte Serumeiweif3 aber war mit 5,6~) erniedrigt. Das E K G zeigte einen hochgradig pathologischen Kurvenver lauf mit wechselnder Frequenz und wurde als Ausdruck einer ausgedehn- ten Infarktnarbe angesehen. Ein Anhal t fiir ein Malignom der Leber konnte nicht gefunden werden; die mannigfachen Symptome, insbesondere der fortschreitenden Kachexie, das mumienhafte Aussehen, die Dysprotein/~mie, wurden als Ausdruck der bestehenden progressiven diffusen Sklerodermie aufgefaBt. Von jetzt an s tand die kardiovascul/~re Dekompensation im Vordergrund. Trotz laufender Strophan- th inbehandlung verschlechterte sich das Krankenbi ld weiter und der Pat ient s tarb 1 J ah r nach Beginn der Behandlung.

Der anatomische Be/und bei der Sektion (Prof. Dr. VOLLAND, Dr. GI~UETER) ergab eine allgemeine Sklerodermie, den Zustand naeh 1/~nger zuriiekliegender Magenteilresektion nach Billroth I I und naeh Appendektomie, Zustand nach spezi- fischer Vi taminbehandlung einer pernici6sen An/~mie, hochgradige H/imosiderose der Milzpulpa, Hi~mosiderose der Leber und der Nieren, h/~matopoetisches himbeer- farbenes Zellmark in den langen R6hrenknoehen, Arteriosklerose der Kranzarter ien

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]~ber die Skleroneuropathie

mit multiplen, z.T. gr61~eren 1Vfyokardschwielen, allgemeine Stauung der Organe, Melanose der Haut, besonders stark fiber den Handriicken, Marasmus.

Das Hirn und l~fickenmark wurden uns freundlicherweise vom Pathologischen Inst i tut der Universit/~t K61n zur weiteren Sektion fiberlassen.

Makroskopischer Be/und. Das Hirn zeigte bei Besiehtigung yon aul~en keine groben Abweichungen aul~er einer altersgem~l]en Atrophic der Frontalgebiete; die Basisarterien waren relativ zart. Auch nach Zerlegung des Hirns in Frontalscheiben

Abb, 1. A_us eincm Schnitt durch den M. rectus : Man erkennt den hochgradigen Zerfall bzw. die Quellung der Muskelfasern trod ihren Ersatz durch ko]lagenes Bindegewebe. In der Mitte liegen einige - - wahrscheinlich motorisehc - - Ncrvenkabel, die, ~hnlich wie der /~. ischia- dicus (Abb. 5), in kollagenc Schwartcn eingebettet sind. HE-Fhrb~mg, 40mal vergrSi~ert

sah man keine Abweichungen v o n d e r Norm. Die segmentweise Zerlegung des Riickenmarkes ergab keine mit dem bloBen Auge oder mit der Lupe erkennburen Ver/~nderungen, insbesondere fchlten auch makroskopische Zeichen einer funikul~ren Strangerkrankung. Auch waren die weichen H~ute am Riickenmark und der Cauda equina unvcr~ndert. Periphere Ncrven und vegetative Ganglien fiihlten sich hart an nnd waren gelblich gef/~rbt.

Es wurde eine grol~e Blockserie aus dem Hirn sowie repr/~sentative Segmente aus den verschiedencn HShen des Riickenmarkes, der Cauda equina und der peri- pheren Nerven (Ischiadicus, Ggl. stellatum) zur Untersuchung eingelegt.

.Mikroskoplscher Be/und. Haut. Die Untersuchung der Bauchhaut mit den ver- schiedenen F~,rbemethoden ergab die bei der Sklerodermie bekannte hochgradige Vermehrung des kollagenen Bindegewebes im Corium, gleichzeitig mit einer erheb- lichen Einlagerung yon elastischen Fasern. Die Epidermis zeigte eine besonders auf- f/~llige Einlagerung yon pigmentfiihrenden Zellen im Stratum germinativum, weniger auch in der subepidermalen Schicht. Die Gefi~Be im Corium und in den darunter- liegenden Schichten bis zur tiefsten Aponeurose waren m/£Big ver/~ndert; die Art

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6 K . J . Z ~ L c H :

ihrer Ver/~nderung wird sp/~ter a m per ipheren Ne rven noeh im einzelnen beschr ieben werden. Die pe r ipheren N e r v e n zu den B a u c h m u s k e l n u n d zur H a u t zeigten eine deut l iche bis erhebl iche E i n sche i dung u n d U m m a u e r u n g durch kollagenes Gewebe (Abb. 1), wie sie sp/~ter ebenfal ls ausff ihr l ich a m N e r v u s ischiadicus beschr ieben werden wird. Der Muskel (Museulus rectus) war hochgrad ig pa tho log isch ve r~nder t (Abb. 1 u. 2a). Die Mehrzah l der Muskel fasern war a t roph isch , m a n c h e waren

a b

Abb. 2. a VergrSBerung yon Abb. 1. I~ier wird besonders gut die Quellung und Auf- brSckelung der Mtmkelfasern sichtbar sowie die Einlagerung yon KalkspieBen (rechts oben). b Kollagene Ummauerung der Kubel des N. ischiadicus, van Gieson-F~rbung, Paraffin-

einbettung, 15mal vergr6Bert

coagul ier t , m a n c h e f~ rb ten sich k a u m m e h r an, die Hii l lkerne des Sa rko l emms waren z u m groflen Teil regress iv veri~ndert. Die Muske l fase rn ze ig ten Ne igung zur H o m o g e n i s i e r u n g u n d z u m Ver lus t der Quer faserung . E in grol3er Teil der Muskel- zellen war berei ts un t e rgegangen , die Hfi l lkerne hier zusammenger t i ek t . E in Tell der S a r k o l e m m k e r n e war vergrSBert , t r o t zdem sehr chromat in re ich , m a n e h e s ahen ge radezu m e h r k e r n i g aus , D a n e b e n fand sich die erste E in l age rung yon fe inen Kalk- spiel3en zwischen die Muske l fase rn (Abb. 2a).

Nervus ischiadicus. Berei ts m a k r o s k o p i s c h war der Ne rv e twas sehmi~chtig e r sch ienen u n d war bei der Zer legung des N e r v e n s y s t e m s nach F i x a t i o n derar t ig h a r t u n d gelblich verf/~rbt gewesen, dab fiir e inen Augenbl ick der Verdach t a u f k a m , m a n hi~tte s t a t t des N e r v e n eine Sehne en t fe rn t . D e m en t sp r ach das mikroskop i sehe Bild. Die Zahl der ne rven f i i h r enden K a b e l war zwar no rma l (Abb. 3 u. 5), ih r V o l u m e n war abe t deut l ieh verschmi~ehtigt , sie waren hochgrad ig kompr imie l~ (Abb. 3). Das zwisehen ihnen l iegende E p i n e u r i u m war e twas verbre i t e r t u n d i h m ange lager t lag ein grobes kol lagenes Bindegewebe, das die Kabe l e i n m a u e r t e

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~ b e r die Skleroneuropathie

(Abb. 2a u. 6a). Bei Markscheidenf/~rbung w~ren die Kabel an einigen Stellen ein wenig aufgehellt, jedoch waren noch keine sicheren Zeichen des Unterganges vor- handen (Abb. 3). Dem entsprach das Fehlen von FettkSrnchenzellen bei spezifischen F/~rbungen. Die Schwannschen Kerne waren nicht wesentlich vermehrt . Die Dar- stellung der Achsenzylinder nach BOI)IAN ergab das iibliche Kabelspekt rum eines markhal t igen Nerven mit dicken, mitteldicken und feinkalibrigen Axonen und mit

Abb. 3. Schnitt dutch den N. isehiadicus bei Markscheidonf~rbung tteidenhain-W61ke (Gefrierschnitt). Die Kabel sind kalml demyelinisiert, jedoch sehr stark komprimiert. 12mal

vcrgrSBert (vgl. Abb. 5)

entsprechender Myelinisierung. ])as Endoneur ium war bei Silber- und Bindegewebs- methoden etw~s verdickt. E in L/~ngsschnitt durch den Nerven best~tigte diese Befunde bei allen F~rbungen.

Zwischen den yon kollagenen Schwarten eingemauerten Nervenkabeln lag ein lockeres Bindegewebe - - Epineur ium - - , das auch haupts/~chlich die Gef/~fle der verschiedenen Gr6Ben und Typen fiihrte (Abb. 5).

Das Gewebe wurde mi t den folgenden Methoden f/~rberisch und histochemisch untersucht : Anil infarbungen mi t metachromat ischem Kresylviolett , HE, El~stica- van Gieson, MASSON und GOLDNERS Trichrom-, dann Fibrinf/~rbung nach W~mER% BEsT-Karminf/~rbung, l~ucikarmin, Kongorot, Amyloidf/~rbung n~ch BENNHOLD, Astrablau-Phloxin- und Aldehydfuchsinfi~rbung, Chromh/~matoxylinf/~rbung nach GoMoRI, PAS-Reakt ion, Feulgenf~rbung, Lipoidf/~rbungen mit Scharlachrot und Sudan-Orange, Impr/~gnationen nach TIBO~ PAr (Gitterfasern) und BODIAN (Axone).

Die Ge]iifle. 3 Typen lassen sich aus der Vielzahl herausgliedern- kleine Arterien und Arteriolen, Gef~Be gleichen Kalibers, aber nicht gen~u bes t immbarer Provelfienz (Venen ?) und Capfllaren verschiedenen Baues.

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8 K . J . ZffLCH:

ZusammengefaBt ergab sich das folgende Bild: An den kleinen Arterien bestand eine Intimawucherung (Abb. 5, 7 u. 8), die in einzelnen F~llen das Lumen v611ig verschloB (Abb. 8). In den Intimabeeten waren neben kollagenen auch mit Re- sorcin-Fuchsin reichlich elastische Fasern dargestellt, auch f~rbten sich die Fasern mit Aldehydfuchsin und besonders mit Astrablau-Phloxin. Dann kam nach auBen

Abb. 4. Auf einem Schnitt. dutch die (!auda equina sieht man praktisch keine Vermehrung des Epi- und Perineuriums. 12total vergr6l]ert

eine Muscularis, die nut wenig verbreitert, aber ebenso etwas mit elastischen Fasern durchsetzt war. SchlieBlich folgte eine sehr schmale, aber dichte Elastinschicht

- - wieder mit allen Methoden gut sichtbar - - und ein lockeres, vorwiegend kollagenes Bindegewebe in der Adventitialzone, das wieder mit feinen elastischen Fasern durch- woben war.

Ein anderer Gef~Btyp gleiehen oder etwas kleineren Kalibers (Abb. 9) war v611ig inhomogen aufgebaut und bestand aus einer zellig-faserigen Wand, in der Silber- sowie sehr reichlich Elastinfasern nachweisbar waren. AuBerdem folgte eine sehr lockere, wieder Elastin fiihrende Faserschicht. Es k6nnte sich hier um um- gebaute Venolen handeln. Besonders hochgradig war der Umbau der Capillaren. Diese zeigten zum gr6Bten Teil eine Wandverbreiterung auf das Vielfache (Abb. 6, 7, 10 u. 11a). Hier war die Int ima verst~rkt durch viele Lagen eines faserigen Bindegewebes, das kaum Silberfasern, dagegen reichlich elastische Fasern enthielt, die sich mit Aldehydfuchsin und Astrablau besonders distinkt f~rbten. Ein groBer Teil dieser Fasern war auch mit Resorcinfuchsin bzw. der Weigert-Methode dar- gestellt. Auch die Gomori- und PAS-Methoden brachten bier positiven Ausfall. Bei manchen Capillaren aber war mit diesen F~rbungen nut ein sehr scharfes Intima- h~utchen unter dem Endothel und eine ~uBere, wieder sehr distinkte, Elastica ftihrende Grenzschicht dargestellt. Die Mittellage war frei davon und offensichtlich vorwiegend kollagen.

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~ber die Skleroneuropathie

Die meist mittelgroBen Gef/~Be vom Typ der Arteriolen und Venolen sowie manche siehere Venen waren bei der Fibrinmethode vollst~ndig negativ, zeigten dagegen eine Faserung mit Astrablau und Aldehydfuchsin. Nur im Ausnahmefall sah man auBer dem Intimah/~utehen aueh in der Gef/~Bwand fibringefi~rbte Faserung. Fibrinoide Substanzen spielten in dem ProzoB also keine wesentliehe Rolle.

Abb. 5. Eine Astrablau-Phloxin-Ffirbung zeigt die Vermehrung un4 Verschwartung des kollagenon Bindegewebes yon Epi- und Perineurium sowie auch die Ver~nderungen an den

Gef~fen sehr deutlich. 24mal vergrSf3ert

Immer jedoch lag um alle Gef~tBe ein lockeres Bindegewebe mit Metachromasie und leicht positiver Mucikarminfiirbung (Abb. 9 u. 10b). Dieses bestand nicht aus Silberfasern. Es f/~rbte sich mit allen erw~hnten histochemischen Methoden, beson- ders deutlich mit Aldehydfuchsin und Astrablau, mit Gomori- und PAS-Reaktion. Dagegen fehlte eine Elastinanf/irbung und auch die Fibrinf~trbung war negativ. In diesem Gewebe lagen einzelne Mastzellen, die sieh mit allen entsprechenden Methoden fiir die saueren Mueopolysacharide deutlieh tingierten. Negativ waren am Bindegewebe Fett- bzw. Lipoidfi~rbungen, F~rbungen auf Amyloid und Glykogen, ebenso die Reaktion nach FEULGEN, die nur die Kerne f/~rbte.

Das frfihere Perineurium jedes Nervenkabels war noeh deutlieh von dem jetzt vor- handenen breiten kollagenen Mantel zu unterscheiden (Abb. 6 a u. b). Es f~rbte sich in der innersten Lage eben mit Fibrinanf~rbungen, deutlich mit Aldehydfuchsin, Astra- blau, Gomori und mit PAS an, und zwar besonders stark offensichtlich an den Teilen, wo das Iqervenkabel einem lockeren Bindegewebe mit viel Gef~Ben (Abb. 5, 9b u. 10) anlag. Das Endoneurium selbst war deutlich vermehrt , aber mit keiner dieser Metho- den gef/~rbt, wohl aber mit Kollagenfarbungen, wie auch bei Gitterfasermethoden sichtbar. Die dann nach auBen folgende kollagene Schwarte bestand aus konzentri- schen Lagen (Abb. 6, 10b u. 11 a) deren Fasern jeweils durch elastische Fasern ge- t rennt wurden (Abb. 11 a). Niemals fand sich irgendwo eine zellige Infiltration oder ein 0dem, wie es z. B. im tiefen Bauchbindegewebe (Nebennieren !) vorkam. Herr

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10 K . J . Z~LCH:

Kollege GABRYEL - - Medizinische Akademi e P o s e n - P o z n a n - - ha t t e die Freundl ich- keit , die Schn i t t e f luorescenzmikroskopisch zu u n t e r s u c h e n . Das lockere Maschenwerk u m die Gef~i~e (Abb. 5, 9b u. 10) war opt i sch ]eer. I n n~chs te r U m g e b u n g der GefM3e sah m a n b r a u n f luorescierende Massen. Die groben kol lagenen Fase rn l euch te t en grfin.

b Abb. 6. a Obetl sieht m&n ein Nervenk&bet 1nil mgl~ig verbreitertem Perineurium, in der Mitte eiltige kleinere Gef~tBe mit lockerem Bindegew.pbe, unten die kollagene Rand- schwarte. Aldehydfuchsin-Ffi.rbung, 250mal vergr6~ert, b Ahnlich wie auf 6& sieht n~lan ein kleines Kabel mi t verdicktem Perineurium, der kollagenen Schwarte sowie einzelnen Ge- f•i]en verschiedcner Typen in einem lockcrcn Bindegewebe. Astrabl~u-Phloxin-F~irbung,

120mal vergrSBert

I n t e r e s s a n t war nun , im Vergleich mi t d e m per ipheren Nerven , die U n t e r s u c h u n g der intraduralen Teile, d. h. der a u s t r e t e n d e n Kabe l der Cauda equina (Abb. 4) u n d der hinteren u n d vorderen Wurze ln . An diesen fund m a n reichlich ~ - G r a n u l a yon REICH, die z .T. m e t a c h r o m a t i s c h gef~rb t waren, aber m a n sah k a u m auch n u r in den A n f ~ n g e n eine V e r m e h r u n g des kol lagenen ep ineura len Bindegewebes . Die L e p t o m e n i n x war n u r m~13ig u n d k a u m fiber altersgem~I~ vers t~rk t , insbesondere waren die Gef~Be des Rf i ckenmarks u n d der L e p t o m e n i n x wie auch die des Cauda- gebie tes b i sher k a u m ver~nder t .

Das Ri~ckenmark aber b rach te die a m me i s t en i iber raschenden Befunde : Berei ts a m Gefr ie rschni t t fehl te jede E i n l age rung yon Fe t tkb rnchenze l l en mi t en t sp rechen- den F ~ r b u n g e n (Sudan-Schar l achro t ) . E n t s p r e c h e n d waren bei Markscheidenf~r- b u n g e n mi t A u s n a h m e einer Que l lung der sp ina len R a n d z o n e (pos tmor ta l ?) - - was zu e n t s p r e c h e n d e n A u f h e l l u n g e n im Marksche idenb i ld ff ihrte - - keine Ausf~lle nachweisba r . A u c h in den ffir die B l u t v e r s o r g u n g kr i t i schen (ZiiLC}~ 1954) Seg- m e n t e n D 4 u n d L 1 b e s t a n d e n keine besonderen Verande rungen , wie sie e twa durch die K r e i s l a u f d e k o m p e n s a t i o n d e r le tz ten Tage vor dem Tode hervorgerufbn sein k b n n t e n (etwa ~hnl ieh der 0 d e m b i l d u n g im Bindegewebe der Nebennieren) .

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l~ber die Skleroneuropathie 11

Repr?isentative Gebiete der Groflhirnrinde und der Stammganglien, des Mittelhirns, Kleinhirns und der Briicke brachten keine wesentlichen Abweichungen yon der Norm und nur altersgem~l~e Verinderungen.

Die Untersuchung mehrerer vegetativer Ganglien (Abb. l l b ) ergab eine mil~ige Vacuolenbildung und schaumige AuflSsung der Ganglienzellen, offensichtlich durch Autolyse (spiter Sektionstermin !). Die austretenden R~mi albi zeigten eine geringe,

a b

Abb. 7 a u. b. Intimawucherungon in kleinen Arterien bzw. Arteriolen. Aueh die Media ist etwa8 verdickt, die Adventitia dentlich gewuchert. Sie geht in des umgebende Bindegewebe fiber. ~¢Veiter erkermt man umgewandelte Capillaren (Abb. 10 a). a Aldehydfuchsin, Orange- G,

120real vergrSflert, b Astrablau-Phloxin, 240real vergrSl~ert

wahrscheinlich autolytische Markscheidenschwellung. Des Bindegewebe der Gan- glien war hochgradig gewuchert, es war im wesentlichen kollagener Natur, doch waren dazwischen auch einzelne Strange mit gitterfaserigem Aufbau zu sehen. Die Gef~l~e waren nur selten in dem oben genauer beschriebenen Sinne ver~,ndert. (Die Wucherung des Bindegewebes entsprach iibrigens dem makroskopischen Befund eines ,,gelben" Aussehens der Schnittfl~che, die zunichst beffirchten liel~, dal~ start der Ganglien Lymphknoten herausgenommen worden waren !)

Die iibrigenOrgane werden yon GRUETER noch beschrieben werden. Es ergaben sich nur die - - makroskopisch bereits stichwortartig erwihnten - - Befunde an Leber und Milz. Die Nebenschilddriisen zeigten Lipoidschwund, waren aber sonst unverdichtig, nur ihre Kapsel verdickt und 5dematSs. Auch die Hypophyse, die mit den verschie- densten Methoden untersucht wurde, ergab keine groben Abweichungen yon der Norm. Leider war d~s spezifische Gewebe dutch Fiulnis leicht ver indert . Im Hinterlappen fend man eine Basophileninfiltration.

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1 2 K . J . Z f fLCH:

Zusammen/assung der mi]croslcopischen Be]unde : Grobe, kollagene Ver- schwartung um das perineurale Bindegewebe des peripheren Nerven, dessen eingemauerte Kabel durch ein lockeres, gef~13ffihrendes Binde- gewebe zusammengehalten werden. Fehlen dieser Ver£nderung im Gebiet

a b

Abb . 8~ u. b. A r t e r i o l c n m i t I n t . i n l~wuchcmmg b i s zu ~ol l sUhndigem Verschhl lL M a n c r k e n n t d ie z ah l r e i chen e l a s t i s chen F~sern , d ie h ie r ~uch i n der A d v e n t i t i a sehr r e i ch l i ch

v e r t r e t e n s ind . ~ u. b : A s t r a b l u u - P h l o x i n , 240m~1 v e r g r 6 ~ e r t

der Cauda equina und an den austretenden Rfickenmarkswurzeln. Kom- pression der Nervenkabel mit folgender leichter Atrophie. Grobe kollagene Hyperplasie des Bindegewebes der kleinen Arterien und Venen wie auch der Capillaren mit hochgradiger Einlagerung einer elastischen Faserung. Keine sichtbaren Ver~nderungen am Riickenmark, insbesondere keinerlei Anzeichen ffir eine funikul~re Myelopathie ; keine groben Veranderungen des Hirns; typische Sklerodermie mit Pigmentvermehrung; ausgeprggtes 0dem im lockeren -Bindegewebe der BauchhShle. Geringe Kapselver- dickung der Organe. Keine wesentlichen Ver/~nderungen an den endo- krinen Organen.

Pathogenese. Es wurde eingangs darauf hingewiesen, dab die Kombi- nation einer Sklerodermie mit einer kollagenen Verschwartung des Binde- gewebes der peripheren Nerven offensichtlich eine Rarit/~t ist, die bisher

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Ober die Skleroneuropathie 13

e r s t e i n m a l d u r c h a u t o p t i s c h e n B e f u n d g e s i c h e r t w u r d e , a b e r a u c h in de r

k l i n i s c h e n L i t e r a t u r b i she r n i c h t v e r m u t e t w u r d e .

Bei dem erw~hnten 48ji~hrigen Patienten RICHTERS handelt es sich um einen Griechen, der vor 3 Jahren mit Schwierigkeiten beim Gehen erkrankte, denen er

a b

Abb. 9 a u. b. Umwandlung eines kleineren GefhBt~ps (Venolen ?). Starke Verbreiterung der ~Vand, Durchsetzung mit elastischen Fasern, VergrSberung des Intimah~tutchens. Um die Gef~13e sieht man eirt lockeres feinXaseriges (dunkel gef~rbtes) Bindegewebe. Rechts unten ein I~abel des peripheren Nerven mit einer diinnen kollagenen Schwarte auf dem Perineurimn.

Astrablau-Ph]oxin, 240raal vergrSI3ert

aber ein Jahr lang keine Beachtung schenkte. Dann wurde sein Blut mltersucht und da sich anscheinend eine spezifisch syphilitische Reaktion ergab, wurde er von seinem Hausarzt mit Schwermetallen behandelt bis die Parese so stark wurde, dab er nicht mehr 1/~nger allein stehen konnte. Als dann die neurologischen Befunde auch auf die H~nde und Arme fibergriffen und sich 3 Monate vor der Krankenhaus- einweisung auch generalisierte Krampfanf/~lle einstellten, wurde er dem neurologi- schen Facharzt iiberwiesen. Er kam aber bereits in extremis ins Krankenhaus und starb am 12. Tage. Er hat te w~hrend dieser Zeit t~glich einen generalisierten Krampf- anfall mit folgender Bewul~tseinstr/ibung. In den letzten 4 Tagen seines Lebens kam es zu einem Verwirrtheitszustand.

Neurologisch ergab sich ein Befund, wie er bei einer schweren Polyneuritis aller 4 Extremit~tten in symmetrischer Ausdehnung zu sehen ist. Es bestand eine erheb- liche Atrophie aller Muskelgruppen, die Sehnenreflexe fehlten s~mtlich, .an den 4 Extremit/~ten waren handschuh- bzw. strumpffOrmige Ausf/~lle der Beriihrungs- und sonstigen Empfindungsqualiti~ten vorhanden; die Hirnnerven waren intakt.

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Da der L iquor v611ig unspezif iseh war u n d no rma le R e a k t i o n e n ergab, k o n n t e vor d e m Tode keine s ichere ~tiologische Diagnose gestel l t werden, auBer da6 eine Sklerodermie m i t s t a rke r P ig Inen t i e rung bes t and . Bei der Autops ie f and sich eine hochgrad ige Hype rp l a s i e des ko l lagenen Gewebes, die Ar ter io len u n d Venen h a t t e n shmt l i ch verd ick te W/~nde, die L y m p h k n o t e n waren kno t ig verdickt , die inne ren

a b Abb. 10a u. b. Man erkennt hier die starke Umwandlung der Capillaren, die konzentrisch geschichtete faserige ~V~nde haben. Das Gef~6 ist etwa auf das 5fache der Norm verbreitert. Um die Capillaren das in Abb. 9 erw~hnte feinfaserige lockere Bindegewebe. 1Rechts kolla- gene Schwarten mi t deutlich sichtbarer elastischer Zwischenfaserung. a u. b: Aldehyd-

fuchsin, Orange-G, 240mal vergr6~ert

Organe, insbesondere die Nieren u n d die Ure t e ren sowie die Aor ta und alle ihre Aste waren in e in diekes, re t roper i tonea les sklerot isehes Bindegewebe e ingemauer t , so dab m a n sofor t an eine a typ i sehe Amylo idose denken mul~te. Die Amylo idp robe fiel j edoch n e g a t i v aus. Makroskop isch waren H i r n u n d R i i c k e n m a r k o. B., ins- besondere waren keine Befunde nachweisba r , die a u f eine Syphil is des ZNS hin- gewiesen h~t ten . Der einzige wirkl ich aufschlu{~reiehe Be fund ergab sich an den pe r ipheren Nerven , wo a u f Langs - u n d Que r schn i t t en das kollagene endoneura le B indegewebe hoehgrad ig hype rp l a s t i s ch war . Das P e r i n e u r i u m u n d die Ar te r ien wa ren ebenfal ls s eh r verd ick t , die Ne rven fa se rn waren fas t to ta l v e r s c h w u n d e n u n d an ihrer Stelle s ah m a n n u r noch , ,LScher" . Ebenso waren a u f d e m Langs- s chn i t t n u t ganz wenige Marksche iden zu e rkennen . I m P e r i n e u r i u m waren einige wenige L y m p h o c y t e n bzw. a u c h gelegent l ich P lasmaze l l en zu e rkennen . Der I seh iad ieus war p r a k t i s c h vSllig demyel in is ier t . Es waren m e h r Achsenzy l inder e rha l t en als Marksche iden , jedoch ze igten die e rha l t enen pa thologische Ver~tnde- rungen . A m R i i e k e n m a r k f and sich eine a l lgemeine Marksche idenaufhe l lung in der Randzone .

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l~ber die Skleroneuropathie 15

Der zweite von RICHTER erw~thnte Fall einer 53j£hrigen Frau wird hier nicht zum Vergleich herangezogen werden, da zwar klinisch eine periphere Neuropathie wahrscheinlich gemacht werden konnte, aber der autoptische Befund fehlte und auch der bioptische Befund der Hau t keine sichere

a b

Abb. 11. a S tarke Vergr62erung der kol lagenen Schwar ten und einer Capillare. Man e rkenn t hier deut l ich die elastische ZwischenfaserLmg. Aldehydfuchsin , Orange-G, 480mal vergrSl~ert, b Sympa th icus -Gang l ion m i t s ta rker V e r m e h r u n g des kol lagenen Bindegewebes (oben). Die Ver~nderung der Ganglienzellen ist we i tgehend auf F•ulnis zuriickzufiihren.

Masson-Fi~rbung, 120ram vergrS~er t

nosologische Klassifikation, insbesondere keine sichere Unterscheidung zwischen einem Lupus erythematodes und einer Sklerodermie erlaubte.

Vergleicht man die Befunde im eigenen Falle mit denen RICttTERS, SO ist zuni~chst einmal der Befall der Organe (0rganwahl des Prozesses) durch die Skleropathie verschieden. Wi~hrend bei unserem Patienten Hau t und periphere Nerven einschliel31ich vegetativer Ganglien befallen waren und die Befunde an allen anderen Organen kaum fiber den ersten Beginn hinausgingen und insbesondere die schwere Verschwartung der Organk~pseln vSllig fehlte, war doch das Bild am peripheren Nervensystem sehr ~hnlich. Die Schwarten waren zwar nicht so dick, doch war die Zerst6rung des Nervengewebes im Falle RICItTERS schon sehr viel welter fortgeschritten. Es waren bei seinem Patienten die Nerven durch das kollagene Bindegewebe v611ig druckatrophisch und demyelilfisiert,

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entsprechend war das klinische Bild auch sehr viel starker ausgepr/~gt, es bestand bei ihm bei Lebensende eine v611ige Tetraplegie des Patienten. Deshalb war die Todesursache dort im wesentlichen durch das neuro- logische Bfld bestimmt, in unserem Falle hingegen durch die kardio- vasculare Dekompensation, die bereits 1 Jahr vor dem Tode meines Patienten deutlich zu erkennen war und schlielMich zu dem t6dlichen Kreislaufversagen ffihrte, das im Formenkreis der Sklerodermie nicht so selten die Todesursache bildet.

Interessant ist in meinem Falle, dab dieses Kreislaufversagen weder auf einen echten Coronarinfarkt zurfickging - - woffir die Anfangsbefunde der Klinik sprachen - - noch auf eine im Rahmen der Kollagenose ent- standene Erkrankung des Herzmuskels, sondern auf eine diffuse Myo- kardverschwielung, die bei Bestehen der Skleromatose der Kranzgefal3e als hamodynamische St6rung durch die festgestellte Neigung zu niedri- gem Blutdruck entstanden sein mag. Eigenartig war auch der Beginn der neurologischen St6rungen schon vor 5 Jahren, zu einer Zeit, wo yon einer Sklerodermie praktisch noch keine Rede war.

Vergleicht man nun bei meinem Patienten das khnische Bild mit dem autoptischen und insbesondere dem mikroskopischen Befund, so ist man zunachst besonders betroffen durch das vSllige Fehlen einer/unikul~ren Strangerkrankung, die auch nicht einmal in den Andeutungen erkennbar war. Klinisch war zwar die pernici6se Anamie frfiher hamatologisch ein- wandfrei n a c h w e i s b a r - sie war auch pathogenetisch als Folge einer Vitamin-B-Resorptionsst6rung nach ausgedehnter Magenresektion zu erklaren-- und autoptisch durch das Vorkommen von Himbeergeleemark belegt. Es land sich aber kein morphologisches Korrelat fiir die kliniseh mit Sicherheit vorhandenen Reflexsteigerungen und ffir die pathologi- schen Reflexe im letzten Jahr (Kloni, Babinskireflexe); diese k6nnten allenfalls als Folgen einer hamodynamischen Durchblutungsst6rung des Rfiekenmarks bei niedrigem Blutdruck erklart werden. Es ware dann zwar zu Funktionsst6rungen, nicht aber zu Strukturveranderungen im Sinne yon SCHNEIDER und OPITZ in den entsprechenden Rfickenmarks- anteilen gekommen. Das Fehlen morphologiseher Veranderungen ware damit - - wenn auch sehr kompliziert - - erklart.

Die Veranderungen an den peripheren Nerven aber, die sieh insbeson- dere auch durch den klinisehen Befund der Absehwaehung der peripheren Reflexe an den langen Reflexb6gen und durch die besonders hochgradige Hyperpathie bei dem Patienten erwarten he6en, gingen nun ebenfalls nieht auf Veranderungen im Rahmen der pernici6sen Anamie (s. GREEn- FIELD U. CA~MICHAEL 1935, zit. beiBODECHTEL u. SCHRADER) zurfiek; sie werden aber durch die Sklerose des peripheren Nerven ausreiehend erklart. Die klinisehe Fehldiagnose dfirfte entschuldbar sein, da der massive Befall des peripheren Nervensystems bei der Sklerodermie

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~ber die Skleroneuropathie 17

bisher erst in einem Fall beschrieben worden war, also praktiseh als unbekannt gelten konnte. Die Paresen werden zum Tell wohl auch musku- l~r bedingt gewesen sein (s. den lV[uskeffaserzerfall, Abb. 1 u. 2a). Die Fehldeutung der Pigmentierung aber - - die ja sehr oft bei der Sklero- dermie vorkommt - - als ein ,,peUagroides" Symptom ist vieUeicht eben- falls verzeihlieh, worm man aus der Literatur entnimmt (TALBOTT U. FERN~DES), dal~ in einem grol3en Teil der F~lle yon beginnender Sklero- dermie f~lschlich ein Addisonsches Syndrom diagnostiziert wird. Auch dies ist wieder erkl~rlieh aus der fortschreitenden Kachexie, Adynamie und den sonstigen Ver~nderungen der Sklerodermiekranken. Auch war in unserem Falle tats~chlieh eine Verst'arkung der Pigmentierung an den Handriieken, also den ,,starker beliehteten" Stellen vorhanden (aus- drfieklieh im Sektionsbefund erw~hnt). Der Liquor bot in beiden bisher bekannten F~llen keinerlei Hinweis auf das Bestehen einer Erkrankung, wie ja auch die Ver£nderungen ira wesentlichen auBerhalb der Liquor- r~ume lagen.

Die Pathogenese Es erhebt sich nun 1. die Frage nach der Pathogenese der Kollagenose

lnit Befall der Haut und anderen Organen, d. h. der Skleropathie, und 2. die naeh dem Gesetz der Auswahl der befallenen Organe. Aus den Handbfichern (LuITHLE~ und E H R ~ U. BRV~AU~R) und dem ]~ber- bliek yon P~IsTv,~ (1957) fiber die Sklerodermie gibt es 4 Theorien fiber ihre Entstehung: 1. dureh primate Ver~nderung der ~uBersten nervSsen Peripherie, 2. dureh funktionelle DurchblutungsstSrungen, 3. durch inner- sekretorisehe StSrungen oder 4. dutch infektiSs-toxisch-allergische Fak- toren. Von diesen dfirfte heute die innersekretorische Theorie am wenig- sten zu stfitzen sein und nach den Arbeiten der letzten Jahrzehnte be- sonders die infektiSs.toxisch-allergisehe Hypothese Beachtung verdienen. I)ie tats~ehlieh bestehenden funktionellen DurchblutungsstSrungen bzw. funktionellen L~sionen der nervSsen Peripherie wiirden diesem Geschehen erst sekund~r folgen. Im einzelnen werden folgende Vorstellungen ver- treten :

Nach EMM~RIC~I soll der Sklerodermie eine hyperergisch bedingte Dyspro- tein~mie vorausgehen. Er glaubt an eine prim~re Vermehrung der Serumglobuline, erst der a- und fl-, sp~ter besonders der ~-Globuline, unter zunehmender Verminde- rung der Serumalbumine. Tats~chlich bestand auch in unserem FaUe zu einer Zeit, wo die Sklerodermie noch in ihrem Beginn war, eine derartige ])ysprotein~tmie.

Weiter wird auch die MSglichkeit yon StoffwechselstSrungen beim Aufbau des Bindegewebes, insbesondere bei der Bildung der sauren Mucopolysacharide disku- tiert. JAUSION glaubt z.B. an eine fermentative Depolimerisation der Kollagen- fasern durch Hyaluronidasen. Auch EGER vermutet, da~ eine StSrung im Hyaluro- nidase-Hyalurons~ture-System bestehen kSnnte, yon der aus sich dann Ver~nde- rungen am Bindegewebe und der Gef~Bintima ergeben wiirden. Hingegen konnten PFISTER selbst, wie auch B),HR, SCHi)Rr~ANN U, GRI~SELIUS bei progressiver

Dt~ch. Z. Nervenheilk., Bd. 179 2

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Sklerodermie elektronenoptisch keine Differenz zu den Normalbefunden erkennen, die ~uf eine Kol!agendegeneration schlieBen lieBen. Die Kollagenfibrille zeigte vielmehr normale Struktur°

Auf Grund der neuesten Untersuchungsergebnisse hat man in der Definition der ,,Fasern" und ,,Fibrillen" (ScHWARZ 1957), basiert auf elektronenoptischen Bildern, Schwierigkeiten. Es wurde bisher angenommen, dab die kollagene Faser aus meh- reren ,,Gitterfasern" (argyrophilen Fasern) aufgebaut sei, die dutch eine Kitt- substanz zusammengehalten wfirden (s. z. B. BAHRMA~N). Hingegen gibt Sc~wA~z z. B. an, dab elektronenoptisch koll~gene ,,Fibritlen" die Grundeinheit darstellen, erkennbar an ihrer charakteristischen Querstreifung, und dab die ,,argyrophile Faser aus kollagenen Fibrillen und einer ffir Reticulin char~kteristischen Kitt- substanz aufgebaut sei". Daneben wird dann die elastische Faser untersehieden. Hier soll auf diese Definitionsschwierigkeiten nicht eingegangen werden, sondern es wird an der konventionellen Namensgebung festgehalten.

Versucht m a n die Befunde unseres Fa l les un t e r diesen Ges ich tspunk- t en zu deuten , so muB m a n feststel len, daB die h is tochemischen Reak- t ionen ffir eine Bi ldung yon Fase rmassen sprechen, die den Mucoprote inen bzw. dem E la s t i n nahes tehen, die sich d a n n ers t sparer in Kol l agen um- wandeln , wobei zwischen 2 kol lagenen Fase rn immer eine elast ische als Verb indung bes tehen b le ib t (s. Abb. 10b u. l l a ) . Versucht m a n diese seienen Befunde pa thogene t i sch zu deuten, so k5nn te m a n sich vor- teglen, dab es dureh eine pr im~re D y s p r o t e i n a m i e bei g le iehzei t iger Schrankens tSrung a m Gef~Bbindegewebe (Dysor ie im Sinne S c n ~ - M A ~ S ) zum Aus t r e t en n ich t gewebsf~hig gemach te r groBmolekularer EiwelBe aus den Gef~Ben k~me. W o diese Massen mi t dem or tss t~ndigen kol lagienen Fase r sys t em in Berf ihrung kommen, erfolgt ein Niederschlag. E in Teil d ieser Massen wfirde also berei ts beim Durch t r e t en dureh die Gef~Bwand un te r dem EinfluB der ko l lagenen Fase rn in den verschiede- nen Sehichten faserig umgewande l t und e ingebaut , wodureh die Wuche- rungszone des Gef£Bes en ts teh t . Es k~me also 1. zu Gef~Bwandver~nde- rungen. W~hrend nun ein Tell der Massen un te r dem EinfluB des Gef/~B- b indegewebes bere i ts do r t , , ve rbrauch t wi rd" , wfirde ein anderer Tell zu- n~chs t durch die Gef~Be du rch t r e t en und jensei ts der Gef~$e als ein , ,metachromat i sches Mate r i a l " (Mucoproteine) im E p ine u r ium in F o r m einer lockeren , ,Masse" angesammel t , die dann 2. un t e r dem EinfluB des nKchst l iegenden kol lagenen Bindegewebes, d . h . des Per ineur iums, als , ,Organ i sa to r" gleieh Jahres r ingen um die Nervenkabe l ge lager t werden wfirde. Dieser Vorgang st~nde in einer gewissen Para l le le zu den ers ten Versuehen DOLJANSKIS, aus eiweiBreichem 0 d e m eine Gi t ter - faserung un te r dem EinfluB yon F i b r o b l a s t e n auszubi lden. Es wfirde also zwei , ,Reak t ionszonen" geben, 1. die Gef~Bwand selbst und 2. das Peri- neu r ium der Nervenkabe l . Die R e a k t i o n wfirde sich nach unseren Be- funden nur in ger ingem MaBe auch bis in das E n d o n e u r i u m hinein ers t reeken, dessen si lberfaserige Netze sehr s t a rk vergrSber t s ind und eben beginnen, auch kol lagen zu werden. ~hn l i ch wfirde man sich die

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Verh/~ltnisse f/Jr die kol lagen-e las t i sche F a s e r p r o d u k t i o n im Corium und an den Organkapse ln , d . h . / iberal l im kol lagenen Bindegewebe, vor- stel len, wo die Sk le ropa th ie sich auswirk t . Eine solche Auffassung wfirde auch in Para l le le zu den Vors te l lungen E~MRm~s stehen, der bei den Sk le ropa th ien ganz a l lgemein 2 S tad ien ab laufen sieht, 1. die ges te iger te Permeabil i t /~t bzw. Exsuda t i on , 2. d ie Pro l i fe ra t ion bzw. Sklerose.

Besonders interessant und als allergisches Ph/~nomen eindeutig ist die Beob- achtung yon ScuBIE, wo bei einem 25j/~hrigen Mann durch eine Tetanusantitoxin- gabe nach 8 Tagen eine iibliche Serumkrankheit auftrat, die zu einer Versteifung der Gelenke und Schw~ehe der Beine fiihrte. Diese akute Attaeke verschwand nach einigen Tagen. Es blieb fibrig eine Steifheit in allen Gelenken. 14 Tage nach der Seruminjektion trat eine Schw/~che yon Armen und Beinen auf und in den folgenden Monaten atrophierten die Muskeln des Schultergfirtels und Armansatzes. Naeh 6 Monaten kam es zu einem Geffihl der K/~lte in H/~nden und Ffil~en, die Haut der Extremit~tenenden wurde zart und schwitzte. 8 Monate danach war die Haut fiber dem Rumpf steif, 6demat6s und unelastisch. Nach 11/2 Jahren zeigte eine Biopsie der Haut bereits eine deutliche Sklerodermie. Es entstanden also nach der Serum- injektion eine l~adiculitis, Polyneuritis und eine skleropathische Hautver~nderung.

I n diesen Erkl/~rungen spielen , , f ibr inoide" Ver/~nderungen keine Rolle, die in frf iheren H y p o t h e s e n auf G r u n d der Befunde MAsuGIs im Vorder- g rund s tanden . I n unserer B e o b a c h t u n g feh l ten diese Ver / inderungen p rak t i s ch vSllig bzw. waren sie ganz unbedeu tend . Der Fa l l MAsuGIs schein t doch ein Sonderfa l l gewesen zu sein, bei dem sich zum mindes ten 6r t l ieh der Befund der f ibr inoiden bzw. F i b r i n m a s s e n da raus erkl/~rt, dab der Verfasser sein Gewebe aus der N/~he eines Decubi ta lu lcus e n t n o m m e n und v e r a r b e i t e t ha t , wo nat f i r l ieh entzf indl iche Ver/~nderungen dieser A r t le ieht zu erklKren w~ren. MASUGI selbst s te l l t fest, dab in frf iheren Beobach tungen n iemals F i b r i n gefunden wurde, sie s ind aueh sp/i ter k a u m je beschr ieben worden. Doeh spiel t bei seiner Erk l£ rung die f ibr inoide L/ision eine ff ihrende Rolle, da sie dem Gewebsbi ld ein besonderes Gepr/~ge ver le iht .

Obwohl bei K o l l a g e n k r a n k h e i t e n alle S tad ien der F i b r i n o i d b i l d u n g beobach t e t u n d h is tochemisch ges icher t werden konn t en (MovAT und MORE), spielen sie in unserem Fa l l e also s icher keine Rolle. Auch die j i ings ten Arbe i t en lieBen ein F i b r i n o i d vermissen, es wurde do r t nur H y a l i n gefunden (Mo~TGO~R~ U. MUIRHEAD). Man muff nach Durchsicht der Be/unde der Literatur wohl eine Verallgemeinerung der Masugischen Be/unde und Anschauungen /iir das Gesamtbild der Sklero- dermie ablehnen und die Fibrinoidtheorie und Parallelisierung mit anderen /ibrinoiden Erkrankungen /iir die Sklerodermie ad acta legen.

Als 2. P rob lem muB j e t z t d i sku t i e r t werden, wie es zu der e igenar t igen und in den F/~llen der L i t e r a t u r jeweils so verschiedenen Organwahl des pa tho log i schen Prozesses, d. h. der Skleropa th ie , k o m m t . I n l e tz te r Zei t h a t besonders - - worauf EMMRICH hinweis t - - aueh die franzSsische Sehule sich m i t dieser versch iedenen Organman i fe s t a t ion des Prozesses

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befal3t. Wie es in unserem Falle zu dieser starken ProzeBbildung am Nervenbindegewebe kam, ist vSllig unklar. Gegen eine sklerosierende Zweitphase einer primer serSsen allergischen Entzfindung spricht die Verteilung, denn man h~tte hier eine Mitbeteiligung der spinalen Wurzeln bzw. Spinalganglien erwarten mfissen. Diese Aussage kann man nach den bisherigen Befunden bei der experimentell-allergischen Polyneuritis (im Sinne yon WAKSMAN u. ADAMS) aufstellen. Es kann also nicht das Myelin des peripheren Nerven oder ein sonstiges yore peripheren Nerven - - jenseits des Rfickenmarks - - ausgehendes Antigen eine Rolle gespielt haben. Cauda equina und Wurzeln blieben frei und der ProzeB begann erst jenseits der Dura. Man kann diesen Befund auch nicht erkliiren durch einen geringeren Gehalt des Nerven an Bindegewebe in den intraduralen Anteilen. Die Prozeflverteilung der Skleropathie bleibt also weiterhin v511ig unklar.

Interessant ist hier ein Vergleich mit einigen eigenen F~llen von ~lteren trauma- tischen Neuromen (dutch Kriegsverletzung), wo sich eine ~hnliche Schwartenbildung aus kollagenem Bindegewebe um die Nervenkabel finder. Allerdings sahen wir diese nur in einem Falle so organisch aufgebaut und so konzentrisch gelagert wie in unserm Fall. H~ufig hingegen erschien die Narbe als ein grob- oder zartbalkiges Faserwerk in wirrer Anordnung. Ver~nderungen an den Gef~flen - - und das scheint mir ausschlaggebend zu sein - - hingegen fehlten vSllig. Immer war eine sehr erheb- fiche Wucherung Schwannscher Zellen zu Biingnerschen B~ndern vorhanden, die sich wirr durchflochten. Diese Wucherung der Schwannschen Zellen wiederum fehlte vSllig im Falle der Skleroneuropathie.

RICHTER zieht einen Vergleich zwischen seinen Befunden und der yon KR~CKE beschriebenen mucoiden Entziindung des Nerven. Aus den Be- funden unseres Falles ergibt sich keine MSglichkeit einer pathogenetischen Diskussion in dieser Richtung. Auch alle andersartigen StSrungen, wie etwa Prozesse ~hnlich den Paraamyloidosen oder Glykogenerkrankungen, lassen sich nach unseren spezifischen F~rbungen ausschliel3en.

Therapie

Die therapeutisehe Situation und die iirztliche Problematik der an einer Sklerodermie leidenden Patienten hat kiirzlich LERI CHW dramatiseh geschildert, der auch die verschiedensten Versuche gemacht hat, sympto- matisch durch Sympathektomie und Thymektomie eine Besserung zu erzielen. Es hat sich kein sicherer Erfolg ergeben. Die Cortisonbehandlung hat aus den oben entwickelten Vorstellungen heraus einen gewissen Sinn. Sie bewirkt ja tats~chlich auch in vielen Fallen ein Station~rbleiben. Darfiber hinaus ergeben sich bisher noeh keine neuen Gesichtspunkte.

Z u s a m m e n f a s s u n g

Es wird der Fall eines 54j~hrigen Mannes mit einer allgemeinen Sklero- pathie (Sklerodermie und sklerotiseher Einmauerung der peripheren Nerven ---- Skleroneuropathie) besehrieben. Klinisch wurde der Befund

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infolge des gleichzeitigen Bestehens einer schweren perniciSsen An£mie als eine funikul~re S t r ange rk rankung mi t besonderer Affektion auch der peripheren Nerven fehlgedeutet. Die au topt i schen Befunde, insbesondere die Ver~nderungen der per ipheren Nerven, werden im einzelnen auch mi t histochemischen Methoden beschrieben u n d die MSglichkeit einer Deu- t ung als Dysprotein~mie mi t Schrankens tSrung an den Gef~Ben u n d folgender Reak t ion mi t der kollagenen Faser der Gef~Be u n d Gewebe disku- tiert . Die kausale Pathogenese u n d die Prozel3verteflung allerdings bleiben weiter vSllig unklar . Es wird als nosologische Bezeichnung fiir die Erkran- kung der per ipheren Nerven, parallel dem Begriff der Sklero, ,dermie" der Name , ,Skleroneuropathie" vorgeschlagen.

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Professor Dr. K. J. Zi~LCH, KSln-Merheim, Max-Planek-Institut ftir Hiruforschung, Abteilung ffir Allgemeine ~qeurologie