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208 Ueber die Untersuchung des 6esichtsl Ides bei amblyopischen Affectionen. ~v'on Dr. A. v. Graefe. Die objective Untersuchung des Auges im kranken Zu- stande ist durch die neuern ttrilfsmittel und Methodcn so vorgcschritten, dass die Beriicksichtigung der Fun- ctionsstSrungen in manchen Stricken an diagnosti- schemWerthe verloren hat; in anderer Beziehung aber hat dieselbe gegen friiher no('h bedeutend an Interesse gewonnen. Sofern n/imlich derAugenspiegel eine Con- trolle der materiellen Vedinderungen abgiebt, sind wit zu einer recht exakten, minutiiisen Efforschung tier Fune- tionsstSrungen aufgefordert; es ist mSglich geworden, ein Abh~ngigkeitsverh~iltniss der letztern yon den erstern zu finden, in dessen weiterm Studium zum grossen Theil die Zukunft eines prognostischen Wissens liegt. Ausser- dem bringt uns diese Beziehung viels in (]as Bereich noch oftener physiologischer Fragen. Urn beides zu veranschaulichen~ erinnere ich an die Geschichte der fixen Scotome, oder {iberhaupt der Beschr~inkungen und Unterbrechungen des Gesichtsfeldes. W~hrend diese frfiher der dunkle Ausdruck dunkler, zum Thcil imagi- n~rer Krankheiten waren, haben sic jetzt, wenigstens in den meisten F~illen, ihre saehgem/isse Begriindung in Texturvedinderungen der innern Membranen gefun- den, und wit beobaehten h~ufig genug den innigsten Zusammenhang zwischen dem Fortschreitcn resp. Rfick- gehea dleser Ver~indcrungeu, uud zwischen den Anoma-

Ueber die Untersuchung des Gesichtsfeldes bei amblyopischen Affectionen

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Ueber die Untersuchung des 6esichtsl Ides bei amblyopischen Affectionen.

~v'on

Dr. A. v. Graefe.

Die objective Untersuchung des Auges im kranken Zu- stande ist durch die neuern ttrilfsmittel und Methodcn so vorgcschritten, dass die Beriicksichtigung der Fun- c t i o n s s t S r u n g e n in manchen Stricken an diagnosti- schemWerthe verloren hat; in anderer Beziehung aber hat dieselbe gegen friiher no('h bedeutend an Interesse gewonnen. Sofern n/imlich derAugenspiegel eine Con- trolle der materiellen Vedinderungen abgiebt, sind wit zu einer recht exakten, minutiiisen Efforschung tier Fune- tionsstSrungen aufgefordert; es ist mSglich geworden, ein Abh~ngigkeitsverh~iltniss der letztern yon den erstern zu finden, in dessen weiterm Studium zum grossen Theil die Zukunft eines prognostischen Wissens liegt. Ausser- dem bringt uns diese Beziehung viels in (]as Bereich noch oftener physiologischer Fragen. Urn beides zu veranschaulichen~ erinnere ich an die Geschichte der fixen Scotome, oder {iberhaupt der Beschr~inkungen und Unterbrechungen des Gesichtsfeldes. W~hrend diese frfiher der dunkle Ausdruck dunkler, zum Thcil imagi- n~rer Krankheiten waren, haben sic jetzt, wenigstens in den meisten F~illen, ihre saehgem/isse Begriindung in Texturvedinderungen der innern Membranen gefun- den, und wit beobaehten h~ufig genug den innigsten Zusammenhang zwischen dem Fortschreitcn resp. Rfick- gehea dleser Ver~indcrungeu, uud zwischen den Anoma-

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lieen des Gesichtsfeldes. ~,Velche wichtige physiologische Aufschlfisse kann uns die Pathologic hier liefern, wenn sic den Umfang uad den Modus nachweist, in welchem be- stimmte materielle Ver~inderungen die Leitung der Netz- haut unterbrechen. Es wird dieser Einfluss auf die Physiologic noch bedeutend steigen, wenn wit durch reichlichere Ergebnisse seitens der pathologischen Histo- logic f'dr die f'einere Localisation der Texturver~inderun., gen bessere Anhaltspunkte werden gewonnen haben.

Ein weiteres Resultat des fraglichen Studiums wird darin liegen~ dass wir eben auf Grund des innigen Verh~iltnisses, welches zwischen Functionsst~rungen und ophthalmoscopischen Befunden stattfindet, die letzteren aus jenen beinahe mit Sicherheit erschliessen lernen. Es geht uns in dieser Beziehung mit dem Augcnspiegel ungef/ihr so, wie es dem ttistologen oder dem patho- ]ogischen Anatomen mit dem Mikroskope geht: Dinge, die er anfangs nur mit H(ilfe des Instruments entschei- den konnte, ergeben sich alhn~ihlig auch ohne dasselbe bei einer sehr rohen Untersuchungsweise, weil sich n~im. lich zwischen /iussern Qualit~ten und zwischen feinern Befunden in vielen Stricken ein so constantes Verh~ilt- niss hcrausstellt, dass ein RSckschluss erlaubt ist. Lei- der ist der Zusammenhang zwischen den ophthalmosco- pischen Befimden und Funktionsst~rungen nicht durch- g~ingig ein so bestimmter, dass wit allgemeinhin schon zu derlei Rilckschl~issen gekommen w~iren; dass aber dennoch f'dr die verschiedenartigsten Krankheitsgruppen einschl~gige Resultate erreicht sind, mag aus folgenden Beispielen hervorgehen. Wenn jemand, der immer schon myopisch war, in dem reis Lebensalter mehr und mehr kurzsichtig wird, so dass er sich endlich der allersch~irfsten G1}iser bedient, und wenn wir hierzu bei der Priifung seines Gesichtsfeldes finden, dass dessen blinder Fleck betr/ichtlich vergrSssert ist, so schliessen

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wir auf eine Ektasie des Bulbus nach hinten (Sclerotico-

Chorioiditis posterior), und wenn de~" Kranke nebenbei

fiber dunkle Figuren klagt, welche auf und ab schwe-

ben, so reiht sich der Schluss auf consecutive Glas-

k~irperopacit~iten an. Wenn ein Anderer beim Lesen periodisch durch Verdunkelungen gestiirt wird, welche in Form yon Wolken sieh in sein Gesichtsfeld herab- senken, und wenn er sich gegen diese Verdunkelung

dadurch hilft, dass er mit einer raschen, instinctiven Bewegung den Blick nach oben wirft, um ihn dann wieder auf die Schrift herabzusenken, worauf das Lesen

wieder eine Zeit lung miiglich wird, his die Verdun-

kelung aufs Neue eintritt u. s. L, so steht es beinahe un-

triiglich lest , class derselbe an Glask~irperopacit~iten

]aborirt. W e nn ein Drifter plStzlich yon ether vollst~in- digen Verdunkelung in den obern Absehnitten des Ge- sichtsfeldes befallen wird, welche allm~ihlig herabsteigt und ibm endlich den Gesichtskreis in ~ihnlicher Weise beengt wie der Schirm einer Mfitze~ und wenn er die Objekte dabei schief und gebrochen sieht, so bedarf es kaum noch der Hinzuziehung des Augenspiegels, um

zu wissen, dass sich eine NetzhautabRisung eingestellt babe. W e nn jemand lunge Jahre hindurch nacht- blind war, und der Gesichtskreis sich allm~ihlig dabei

concentrisch verengte , das eentrale Sehen abet verh~ilt-

nissmiissig scharfblieb*), so dass er schliesslich wie durch

*} Die relative Integrit~tt der centralen Sehschiirfo ist eine noth- wendige Bedingung fiir diesen diagaostisehen Sehluss, well sieh con- centrische Verengung des Gesichtsfeldes f'fir sich auch bet Anaesthesia retinae aus centralen Ursachenvor finder; in diesem Falle abet nimmt immer proportional zur Verengung des Gesichtsfeldes aueh die cen- tram Sehsch~trfo ab. Etwas ~ihnliehes kommt freilich im letzten Stadium der im Text beriihrten Chorioidealkrankheiten auch vor Zu dieser Zeit verliert auch der Riickschluss aus den bestehenden Funetionsstiirungen seine pathognomonischv Sicherheit.

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einen Tubus hindur<'hsieht, und mit diosem kloinon G+- sichtsfelde suchend in der Aussenwelt herum~astet, well er des Orientirungs-Vermiigons inhohem Grade beraubt ist, so wird immer eine und dieselbe trophische Ver~inde- rung an der innern Fl~iche der Chorioidea, auf welche wit sptiter zuriickkommen, vorhanden sein. n Es gewinnen diese Schlfisse vollends an Bedeutung, wenn die ophthal- moscopische Untersuchung des Augenhintergr-undes durch Trfibungen in den vordern Parthieen nnmGglieb gewor- den ist. Hat sieh z. B. nach einer Netzhautabliisunff ein weicher Corticalstaar als Consekudviibel entwiekelt, so kann, selbst wenn die Perception beinahe auf quan- titative Wahrnehmung reducirt ist, noch immer die Prfi- lung des 6esichtsfeldes die Diagnose begrllnden u. s. w. So sind die ciurch den Augenspiegel gewonnenen Resul- tare auch da entscheidend, wo wit denHebel unserer Kennt- nisse selbst nicht in Anwendung bringen kGnnen.

Ieh bin weir enffernt, reich fiber die Priifimg der FunctionsstGrungen im Ailgemeinen ergehen zu wollen; ich hege die vie1 weniger umfassende Absicht, auf einen Punkt aufmerksam zu machen, welcher, wie ich glaube, bisher nicht mit dem Eifer und der Strenge Fdr die Diagnostik benutzt worden ist, wie er es verdient: icb meine die P r f i f u n g des G e s i e h t s f e l d e s . - - K l a g t ein Patient fiber Abnahme der Sehkraft, so wendet man sieh gewGbnlich zun~ehst an die F e s t s t e l l u n g der Sehsch~i r fe . Man prfift, in wie fern die zum Er- kennen vorwaltend bestimmten eentralen Theile dcr Netz- haut ihre normale Pereeptionsth/ifigkeit erhalten oder verloren haben; man prGft dies dadureh, dass man das Minimum der BildgrGsse, welche zur Distinction erfor- derlieh ist, ermittelt. Es mfissen hierbei vorerst alle Fehlerquellen, die auf ungenauer Accommodation beruhen, sorgf~ltig ausgesehlossen werden. Ist dies gesehehen,

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so wird das fragliche Minimum der Bildgrfsse dadureh bestimmt, dass man Objekte, zu deren Erkennen eine Unterscheidung vieler nahestehender Detailtheile n~3thig ist, dem Patienten vorh/ilt, und die Bildgr~3sse allm~hlig bis auf ihren Grenzwerth verkleinert, sei es durch die Wahl homologer Objekte yon abgestuften Dimensionen, (SchriRproben), oder dadurch, dass man dasselbe Ob- jekt, stets innerhalb des Accommodationsbereiches, suc- cessive entfernt. Am besten eignet sich offenbar Druck- schrih zu diesen Prfifimgen, weil eben zu deren Erken- hen die genaue Auffassung tier Intervalle zwischen den einzelnen Lettern geh~Jrt, und well wir dies Erkennen selbst dutch die Angaben seitens des Kranken am ge- nauesten zu controlliren im Stande sind.*)

Mit der Bestimmung der c e n t r a l e n Sehsch~ir fe , welche wir auf diese Weise erreichen, sind wit aber noch keineswegs fiber das Sehverm~3gen des Patien- ten im Reilien. Es beruht der zweite durchaus ebenso wichtige Theil der Untersuchung in der P r i i f u n g des G e s i c h t s f e l d e s , oder, wenn man will, in der Bestim- mung des Umfangs und der Modalitiit des excentrischen Sehens. Wiirde dieser Theil der Untersuchung ver- nachl~issigt, so k;3nnten hochgradige und prognostisch hfchst wichtige Sehstfrungen g~inzlich ~'~bersehen werden. Es giebt eine Reihe yon Krankheiten, die sich lange Zeit hindurch n u t d u r c h V e r ~ n d e r u n g e n des e x c e n - t r i s c h e n S e h e n s b e k u n d e n , und erst in ihrem letz- ten Stadium zu wachsender Undeutlichkeit des centralen Sehens f'tihren. Ja die Beschwerden der Kranken selbst

~) Aueh (tle Regelm~sigkeR der GrSsse ist sehr bequem, und wit k~nnen an dieselbe Berechnungen fiber die BildgrSsse gut an- knfipfen. Letztere sind freilich f'dr praktische Zwecke entbebrlich, da es sich hier vielmehr um ein comparatives Zusammenstellen der Sehsch~rfe, (~esunden und Kranken gegenfiber, als um absolute Zahlenverh~ilmisse handelt.

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wiirden uns oft unverst~indlichsein. Man findet Kranke, welche die grSsste Miihe haben, sich auf der Strasse zu f'dhren, abet die feinste Schrift lesen k(innen. Bei der Un- tersuchung erkl~irt sich dies so, dass sie eben das cen- trale Sehen beinahe in vollkommener Integrit~it besitzen, w~ihrend ihnen das excentrische Sehen in hohem Maasse beengt ist. Beispielsweise filhre ich hier einen Mensehen an, der als blinder Musikant auf den Strassen Berlins um- hergeht, auch wirklich ohne Fiihrer nicht fortzukommen im Stande ist, und dennoch die Schrift No. 4. der J ~i g erschen Schriftproben entziffert. Die Oeffnung seines Sehraumes

betr~igt bei ibm statt 174~ (horiz.) 160 ~ (vertic.) wie beim Gesunden

ungefilhr i0~ (horiz.} i0 ~ (vertic.)' oder um es anschaulicher zu sa-

gen, sein Gesichtsfeld in i ' l l Abstand gemessen, hat ungef~ihr die :doppelte GrSsse tines Handtellers. Will man sich die Lage eines solehen Mensehen ver- sinnlichen, so rolle man ein Blatt Papier in Form eines Tubus zusammen, und verenge denselben so welt, dass man beim Hindurehsehen in t % ' Entfernung eine Fl~iche yon der angegebenen GrSsse iibersieht. Man wird sieh dann iiberzeugen, wie sehwer eine Orientirung unter diesen Verh~iltnissen ist. So undeutlich auch die stark excentrischen Eindrficke sind, so mahnen sie uns doch an die Existenz grSsserer Objekte, und geben uns die Weisung, durch eine Wendung des Blickes uns yon diesen Objekten n~her zu hberzeugen. Ist das exeentrische Sehen aufgehobep, so entgehen aUe Ein- drlicke, die nicht genau in der Sehaxenrichtung liegen, es ist unmiiglich, Hindernisse beim Gehen genligend zu vermeiden etc. Bringen wir dann bei Anstellung der Sehprlifungen die Objekte nicht gerade in das kleine Gesichtsfeld hinein, so hat der Kranke gar keine Empfin- dung yon denselben, und wenn er nicht etwa durch

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andere Sinne, wie durchs Geh6r, auf die Oert- lichkeit hingelenkt wird, so fiingt er an planlos umher- zusuchen, ungeF~ihr so wie wit mit einer beschr~inkten Tastoberfl~iche im Du..keln nach 6inem Tastob.jekt suchen. Ferner erkennen Kranke mit beschr~inktem Gesichtsfeld enffernte Objekte h~iufig besser als nahe, und kleine besser als grosse. Der oben erw~ihnte Musikant z. B. liest kleine Sehrift in 8" Entfernung, ist aber nicht im Stande, in eben dieser Entfernung Finger mit Sicher- heit zu z~ihlen, dagegen kann er dies yon t ' ab, wenn er dabei noch leichte Verrfiekungen der Sehaxe, wie tastende Bewegungen, macht; vollkommen sicher und mit ruhigem Bliek z/ihlt er Finger erst nngef/ihr yon 3' ab. Das scheinbar R~ithselhafte dieser Thatsaehe er- kl~irt sich eben sehr natiirlich dadurch, dass grosse Objekte das Gesichtsfeld fiberragen; erst bei genfigen- der Abnahme des Gesichtswinkels geht das Bild in die kleine Oeffnung des Sehraumes hinein. Auch diese Verhiiltnisse kiinnen wit .-ehr gut durch den friiher er- wtihnten Versuch mit dem Tubus veranschaulichen. Aus denselben Grfinden ist es begreiflich, dass Convexgl~iser das Erkennungsverm6gen solcher Kranken in jeder Be- ziehung herabsetzen, denn einmal zwingen sie die Kran- ken, behufs richtiger Akkommodation die Objekte anzu- n~ihern, und sodann vergr~issern sie die Bilder dutch ein Abriicken der Knotenpunktsregion yon der Netzhaut. Umgekehrt k~Snnen Coneavgliiser zum Erkennen um Einiges dienlich sein.

Gehen wir im Normalzustand yon ein~r senkrechten Stellung der Sehaxe auf die Angesichtsfi~che aus, so kiinnen wit die Grenzen des Gesichtsfeldes nicht nach allen Seiten bin bestimmen, weil nach innen und nach oben der Nasenriicken und der Orbitalrand das Gesichts- faht beengen. Die iiussere (SchlMen) Grenze wird unge.

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f/ihr durch eine (tie Hornhautmitte tangirende Linie be- stimmt; allenfalls diirfte die Grenze um Einiges mehr nach vorn liegen, sich abet jedenfalls yon einem senk- rechten Verhalten zur Sehaxe nicht mehr als um L 3 ~ ,/50 entfernen. Nach unten ist das Gesichtsteld nicht ganz so ausgedehnt. Wit mfissen unsern Fuss schon ziemlich welt vorstrecken, damit er ffir die genannte Stellung der S~haxe land auf-rechte Haltung des K~irpers sichtbar wird. Es macht bier die Grenzlinie des excentrischen Sehens mit der Sehaxe nut ungeFJhr einen A yon 780 - - 82 ~ Um die obere Grenze zu bestimmen, m(issen wit die Sehaxe so welt nach uuten richten, class das excentrische Bild des Orbitalrandes verschwiadet, wobei es sich er- weist, dass die Verh~iltnisse ganz symmetrisch mit de- hen naeh unten sind. Ich liess ~n der verticalen Kante meines Ofens versehiedene Gesichtsobjekte anbringen und markirte die Stelhmg, bei welcher ein nach unten befindliches Obiekt sich an der unteren Grenze des Ge- sichtsfe]des befand, wenn ein naeh oben befindliehes Objekt fixirt wurde. Dies letztere befand sich allemal an der oberen Grenze des Gesichtsfeldes, wenn das untere Objekt in reciproquer Weise zur Fixation benutzt wurde. Die inhere Grenze ist am schwierigsten zu be- stimmen, weil wit die Sehaxe sehr stark nach aussen wenden milssen, damit der Nasenriicken verschwindet. Eine solche forcirte Wendung hat fiir den Sehakt etwas i)einliches und verringert die Deutlichkeit der excentri- schen Wahrnehmung, weshalb es wohl scheint~ als wenn die Tragweite des Gesichtsi'eldes naeh innen etwas gerin- ger w~ire als nach aussen. Abstrahiren wir yon diesem unerheblichen Untersehiede, so ist der senkrechte Durch- schnittdes normalen Sehraums etwas kleiner als der hori- zontale. Ersterer gibt eine Oeffnung im Mittel yon i60 ~ der letztere dagegen yon i74 ~ Als Ausgangspunkt Fdr dim Bestimmung der Oeffnung wurde der vordere Pol

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des Bulbus gew~ihlt, welchem man jedoch ohne Scha- den den Kreuzpunkt der Richtungsstrahlen substituiren kann, da die Entfernungen stets ziemlich gross waren.

Es w~ire ohnehin fiberflfissig, in praktischen Zwecken diesen Bestimmungen eine grosse Genauigkeit geben zu wollen, da die am Rande des Gesichtsfeldes zu Stande kommenden Eindriieke flir eine scharfe Feststellung zu unbestimmt sind, ausserdem namhafte individuelle Ver- schiedenheiten, vielleicht auch Verschiedenheiten nach dem Accommodationszustande obwalten. In letzterer Be- ziehung fiihre ich eine interessante Beobaehtung an, welche Dr. L i e b r e i c h angehiirt. Als ich die Grenzen seines Gesichtsfeldes bestimmen wollte, bemerkte er, dass sich dieselben nach alien Richtungen erweiterten, wena er Fdr die N';ihe accommodirte, wiihrend umgekehrt ein gewisses Grenzbereich excentrischer Wahrnehmun- gen wieder verschwand, so.wie er flit die Entfernung accommodirte. Mir selbst ist es nicht gelungen, diesen yon Dr. L i e b r e i c h vielfach wiederholten Versuch an meinen Augen zu best~tigen, wori'tber sich niemand wundern wird, der die grosse Verschiedenheit in der Deutlichkeit der peripherischen Gesichtseindriicke bei verschiedenen Individuen kennt. Es kiinnte diese Be- obachtung zu mannichf'achen Betrachmngen Anlass ge- ben, welche die neue Accommodationslehre beriihren.

Eine eigentliche M e t h o d e , die Grenzen des Ge- sichtsfeldes zu bestimmen, ist kaum erforderlich, es handelt sich lediglich um controlirende Versuche, aus denen man das Mittel zieht. Man l~isst z. B. ein beliebiges auf eine Tafel gezeichnetes Gesichtsob~ jekt markiren, und sorgt vor allem daFdr, dass diel Sehaxe unverrfckt auf dasselbe gerichtet bleibt. Als- dann entfernt man ein anderes Gesichtsobjekt allm'~ih- lig aus der Sehaxenrichtung gegen die Grenzen des Gesichtsfeldes hin~ macht dabei stets kleine seitliche Bewe-

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gungen, well sich hierbei die Eindrlleke mehr einpr~igen und l~isst die Stellung markiren, in welcher dasselbe unsichtbar wird. Um sich gegen Nachbilder, unverl~issliehe Angaben etc. zu schiitzen, l~isst man es in dieser Stellung wiederho- lentlich auftauchen und verschwinden, und die ~iusserste Stellung, in welcher hier(iber eine siehere Rechenschaft ge- geben wird, wird definitiv als die Grenzstellung verzeich- net. Das excentrische Gesichtsobjekt muss gross, gut beleuchtet, aber wo mSglich nicht gl~inzend und stark reflektirend sein.

Eine Kerzenflamme zu w~ihlen, halte ich tilr weniger zweckm~issig, well es der grossen Lichtverbreimng wegen Vielen schwer wird, hier genau zwischen einer noch stattfin- denden qualitativen Empfindung des Gesichtsobjectes und einer quantitativen Erhellung, die auch durch die Sclera vermittelt wird, zuunterscheiden; wenigstens haben mich Ver- suche gelehrt, dass die Schwankungen der l~esultate grade bei der Benutzung der Kerzenflammen am gr(issten aus- fallen, huch sind die schwer zu vermeidenden Reflexe hier hinderlich, well sic noch von Bewegungen der Flamme Rechenschaft geben, wenn letziere bereits die Grenze des Gesichtsfeldes fiberschrltten hat. -- Endlich hat man sich auch vor Nachbildern zu hilten, yon deren Vorkommen bei ganz peripheren Eindriicken ieh reich bei dieser Gele- genheit iiberzeugt habe.

Sehr zweckm~issig ist es welter, zur Controle die Versuche in verschiedenen Enffernungen zu wiederho- len, wobei ich jedoch sehr geringe Abst~inde zu ver- meiden rathe. Es kSnnen auch versehiedene Stellun- g e n d e r Sehaxe benutzt werden, doch sind alle s ungel~iufigen Lagen zu vermeiden, well bei denselben das exeentrische Sehen, wahrscheinlich des Muskeldruk- kes wegen, an Deufliehkeit verliert. Bei den e r - heblichen Schwankungen im physiologischen Zustande diirfen wir, wie bereits erw~ihnt, Schllisse auf krankhaftes Verhalten nur da machen, wo namhafte Abweiehungen vor- kommen, und so]ehe zu eruiren, genligt eine.jede Untersu-

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chungsmethode. Ist die Beschdinkung hochgradig, so Mite man im Abstande einiger Fuss yon dem Kranken eine Tafel, in deren Mitte ein Gesichtsobjekt fixirt ist. Die Flilche der Tafel sei dutch zwei Systeme yon senkrecht sich kreuzenden Linien in viele kleine Quadrate abge- theilt, welche numerirt sind. W~ihrend nun der Patient das centrale Gesichtsob)ekt fixirt, bringt man ein Kreide- stlickchen successive dutch die verschiedenen Quadrate dutch gegen die Peripherie der Tafel hin, und notirt die Zahl des Quadrats, in welchem das Kreidestlick verschwin- det. In je mehr Richtungen bin dieser Versuch wieder- holt wird, desto gen~'mer ergiebt sich die Form des Ge- sichtsfeldes, und man kann dasselbe entweder gleich oder sp&iter verzeichnen. Um hieraus einen Schluss auf die Oeffnung des 6esiehtsfeldes zu machen, ist es nut noth- wendig, die Enffernung des Auges yon der Tafel zu no- tiren und miichte es am gerathensten sein, Fdr prakfische Zwecke hierbei eine Constante zu nehmen. Die meisten Gesichtsfelder, welche wit bei Amblyopieen verzeichnen, und deren ich einige beispielsweise habe beigeben las- sen, wurden bei einer Tafeldistanz yon tl/~ ' gemessen.

N~ichst der A u s d e h n u n g de s G e s i c h t s f e l d e s besch/iftigt uns die D e u t l i c h k e i t des e x c e n t r i - s c h e n S e h e n s . Es ist fXir die Annahme einer physio- logischen Leitung auf der Netzhaut nicht nur nothwen- dig, dass der Gesichtskreis einen normalen Umfang habe, sondern es muss auch die Deutlichkeit der Ein- driicke vom Centrum nach der Peripherie hin in de r g e s e t z m ~ i s s i g e n W e i s e abnehmen. Eine relativ zu grosse Undeutlichkeit m~issig excentrischer Einddicke ist ebenfalls ein pathognomonischesZeichen yon sehr grosser Wichtigkeit. Um diesem Theile der Untersuchung et- was Exactes zu geben, wiire es vor allen Dingen nli- thig, das Gesetz der excentrischen Gesichtssch~irfe zu finden, d. h. das Gesetz~ nach dem das Minimum des

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Distinctionswinkels veto Contrum nach der Peripherie hin zunimmt. Ein derartiges Gesetz exislirt z(,r Zeit noch nicht, und ich bezweifle sehr, dass man je zu einom solchen gelangen wird, wei[ n~mlich das excemrische Sehen einer jeden Uebung baar, sich unter physiologi- schen Verh~iltnissen, wenn man will, in ~ihnlicher Weise abstumpfl, wie ein zweit(,s Auge, welches nicht zum gemeinschaflichen Sehakt beitr/igt. Wit wissen, dass in diesem letztern Fall allm~ihlig eine Zunahme in dem Minimum des Distinctionswinkels einiritt, welche sich wieder zuriickbildet, wenn wit die Uebung des Organs einleiten. Dass es sich ganz ~ihnlich mit dem excen- trisehen Sehen verh~ilt, beweist die Pathologic. Wenn niimlich dureh eine umschriebene Krankheit die centra- len Theile der Netzhaut functionsunfiihig geworden sitid, wiihrend excentrische Theile fungiren, und wenn nun diese, wie fr0her jone, zur Fixation benutzt wer- den, so erreichen dieselben eine Distinetionsf~ihigkeit, welche die gleich excentrischen Theile im normalen Auge bedeutend ilbertrifft. So habe ich Individuen ge- sehen, die mit ihrer Sehaxe ungefiihr u m < t0o- -< 15 o am Gcsichtsobjekt vorbeischossen, und doch noch grosse Lettern, z. B. No. t4 der J i iger ' schen Schris er- kannten, w~ihrend ich bei einer ~ihnlichea Excentrieit~it nicht die geringsten Formenunterschiede tier Lettern mehr er- kenne. Es waren dies F/ille, we jeder Zweifel, dass etwa wegen Verilnderung der brechenden Medien trotz derSeh- achsenaberration doch ein centrales Sehen stattfinden k0nne, vollkommen auszuschliessen w a r . - - D a wir aus diesen Grfinden zu einem Gesetz fiber alas excen- trische Sehen kaum gelangen werden, so thun wit in der Praxis am besten, uns an ein rein compa- ratives Verfahren zu halten. Sehr h~iufig sehen wir bei Kranken, (lass, obwohl die Ausdehnung des Ge- sichtskreises urn nichts gelitten hat, eine auffalleade

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Undeutlichkeit der excentrischen Einddlcke nach ge- wissen Riehtungen hin waltet. Wit werden gewiihnlich sehon aufmerksam gemacht durch eine mit der Seh- sch/irfe disharmonirende Unf~ihigkeit tier Kranken in der Orientirung. Die erste Ueberzeugung hierin ge- warm ich bei einem Kranken, der auf dem einen Auge an Glaukoma v(illig erblindet war, und dessen anderes sieh in ,ienem unglficklichen Prodromalstadium der pe- riodisehen Obscurationen befand. Als ich in den freien Intervallen, wo Patient noch die feinste Schrift las, die Ausdehnung des Gesichtsfeldes in oben beschriebener Weise priifte, land ich sie normal, als ich aber auf einem ausgebreiteten Bogen Papier in der Mitre einen schwarzen Fleck fixiren liess, yon welchem nach8Riehtungen hin Li- nien ausstrahlten, welche in regelm/issigen kleinen Abstain- den sehwarze Punkte enthielten, zeigte sich die Erkrankung des excentrischen Sehens dadureh, dass Patient in gewis- sen Richtungen gleichzeitig den deuflichen Eindruek sehr vieler excentrischer Punkte hatte, wiihrend dies nach anderen, z. B. nach ausseu und oben, nieht der Fall war. Als ich den Kranken bei beginnender Verdun- kelung, welche sich dutch eintretende Stirnschmer- zeu aukiindigte, wieder pr[ifte, hatte sich die Be- schr~inkung des excentrischen Sehens bedeutend aus- gedehnt, und war der Mitte ganz nahe gerlickt. Die eigentliche Verdunkelung bestand darin, dass sie die Mitre fibersehritt, wobei natiirlich jede feinere Di- stinction aufh~rte. Fiir ein v~illiges Fehlen des excen- trisehen Sehens konnte ich den Zustand nieht anspre- chen, denn, wenn start der kleinen schwarzen Fleeke ein gr~isseres und gut beleuchtetes Gesichtsobjekt ge- w/ihlt wurde: z. B. ein Stiick Kreide, und namemlich wenn ein solches h in -und herbewegt wurde, so hatte der Kranke die Empfindung desselben, und zwar unge- flihr bis zur normalen Grenze des Gesichtsfeldes. Es

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unterscheidet sich also dieser Zustand wesentlich yon den oben angefi}hrten Beschr~inkungen des Gesichtsfel- des. Auch ist dieser Unterschied in prognostischer Hinsicht sehr wichtig, da Besserungen in der Deutlich- keit der excentrischen Eiadrilcke nicht gar selten, wirk- fiche Ausdehnungen eines beschr~iakten Gesichtsfeldes dagegen hiichst ausnahmsweise erzielt werden. Als Pr[ifungsmethode miichte ich am meisien die oben angeFdhrte mit dem Papierbogen und sternf'drmig ver- zeichneten schwarzen Fleckchen empfehlen. Da die Undeutlichkeit niemals eine gleichm~issige nach all~n Richtungen hin ist, so [tlegen uns hier die Kranken den Unterschied in der Wahrnehmung spontaa da- dutch anzugeben, dass sie keinen gleichm~issig aus- strahlenden Stern erblicken, sondern dass die Arme nach einer Richtung l~inger, nach der andern kfrzer erscheinen. Auch bringen uns viele Kranke schon Klagen entgegen, welche auf das Uebel hindeuten, n~imlich die, dass die Objekte ihnen nach einer Richtung hin deuflicher erscheinen als nach der an- dern, dass sie in der Orientirung sehr behindert seien u. s. w.

Drittens haben wit die U n t e r b r e c h u n g e n des G e s i c h t s f e l d e s zu beriicksichtigen. Es bestehen diese darin, dass gewisse Stellen im Gesichtsfelde keine oder h/ichst unvollkommene Eindriick.e vermitteln, ohne dass der Umfang des Gesichtskreises verringert oder auch die Deutlichkcit dr excentrischen Eindriicke nach bestimmten Neizhautradien verloren hat. Es kiin- nen die betreffenden Netzhauttheile jeder Th~itigkeit beraubt sein: alsdaan stellt sich die Erscheinung unge- s so, wie der normale blinde Fleck dar, d. h. die Kranken sehen nicht etwa eiae dunkle Figur, sondern sie siud iiberhaupt an der betreffenden Stelle jeder

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Empfindung dos Sehens her~,ubt, leh habe reich aueh iiberzeugt, dass bei kleinern derartigen Defektcn und iibrigens normal funktionirender Netzhaut eine ~ilmliche AusFdllung der Ueberdeekung durch das Urtheil, wie bei dem Mariot te 'schen Fleck stattfindet. In der Regel aber ist die Th/itigkeit der Netzhaut nicht absohlt auf- gehoben, sondern es ist ein gewisser Grad yon subjek- tiver oder selbst yon objektiver Reizempf~inglichkeit in derselben erhalten. Demgem~ss erscheinen die Unter- brechungen bald wie helle, ibald wie dunkle Flecke, welche entweder gar keine Liehteindriicke vermitteln, oder welche wie eine Wolke oder wie Sonnennebel etc. die Bilder einhiillen. Die Form dieser Unterbrechun- gen ist eine ausserordentlich verschiedene~ abh~ingig yon den zu Grunde liegenden Krankheitsursachen. Oft sind es kleine runde Flecke, welche, wenn sie stark excentrisch liegen, yon den Kranken v•llig iibersehen werden, und auch unserer Untersuchung wahrscheinlich entgehen wiirden, wenn wit nicht dutch den Augen- spiegel vorher auf das Studium eines bestimmten Ab- schnittes des Gesichtsfeldes hingelenkt women w/iren. Zuweilen sind es Streifen, die quer durch das Gesichts- reid gehen, so dass sie dasselbe in eine obere und un- tere H~ilfte theilen. In andern F~illen bildet die Unter- brechung ein System yon Streifen, oder eine landkar- tenartige Figur, weJche sieh in so unregelm~issiger Weise durch die erhaltenen Theile des Gesichtsfeldes hindurch zieht, dass es den Patienten ausserordentlich schwer wird, diese letzteren zur Einstellung zu benutzen; bald gelingt es ihnen, das Gesichtsobjekt gllieklich zu erha- schen, wobei sie, wenn der entsprechende Netzhauttheil nicht allzu exeentrisch ist, noeh leidlich erkennen, bald gelingt dies nicht, und sie sind zu jeder Distinction un- f~_ig. Deshalb ergeben aueh die Sehpriifungen bei derartigen Kranken sehr auffallende S c h w a n k u n g e n . -

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Am interessantesten sind diejenigen Unterbrechungen des Gesichtsi'eldes, welche sich an bestimmte Punkte der Netzhaut yon besonderer physiologischer Dignit~it ankniipfen. Hierher gehSrt zun~ichst die c e n t r a l e U n t e r b r e c h u n g des G e s i c h t s f e l d e s . Ich habe wiederholentlich Kranke gesehen, die nach bedeutenden Anstrengungen des Gesichts (Beobachten einer Son- nenfinsterniss, Microskopiren, n~ichtliche Handarbeiten) plStzlich einen Nebelfleck in der Mitre ihres Gesichtsi'eldes bemerkten, der ihnen gerade des fixirte Objekt hinweg- nahm, oder dasselbe gekriimmt, entstellt, verschleiert erscheinen liess. War die Stelle klein, so dass sie z. B. beimLesen nut einenBuchstaben iiberdeckte, so hatte auch die Distinctionsf'~ihigkeit nur m~issig gelitten ; war sie etwas grtJsser, so verursachte sic natfirlieh eine sehr erhebliche Stiirung und in noch gdisserem Urafange centrale Seo- tome und centrale Amaurose. Die Kranken richten in diesem FaUe nicht mehr die Sehaxe auf des Ge- sichtsobjekt, sondern steilen die dem anaesthetischen Fleck benachbarten Netzhauttheile ein, und da diese rings herum oft eine aymmetrisehe Bereehtigung haben, so kommt es vor, class die Sehaxe bald naeh aussen bald nach innen vorbeisehiesst; zuweilen umkreisen die Kran. ken, wenn ich so sagen darf, mit der Sehaxe des Ge- sichtsobjekt, gewissermaassen probirend, welehe Stel- lung f'dr des Erkennen am geeignetsten sei. Diese een- tralen Unterbreehungen haben iibrigens nicht sel- ten bizarre Formen, f'dr welche noch jede physiolo- gische und anatomisehe Begrfindung fehlt. Ich be- sinne reich eines Mantles, der pl~itzlich nach congestiven Ursachen ein centrales Scotom, etwa in der Form eines ziemlieh breitarmigen Kreuzes, bekam. Das Centrum des Kreuzes verdeekte grade des Gesichtsobjekt und die vier Arme entspraehen den Hauptrichtungen. In deren Win- keln befanden sich die zum Erkennen verh~iltnissmfissig

&vc, htv fllv Ophthalmotogl~ Bd, I|. 2. | ~

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giinstigsten Stellen, weshalb aueh bei der Fixation die Sehachse in einer intermedi~iren Riehtung, gewiihnlieh nach aussen-unten, vorbeischoss.-- Den centralen Unter- breehungen sehliessen sich die.ienigen all, welehe zwar das Centrum selbst freilassen, aber ihrer Form nach in einer gewissen Beziehung zu dem letztern stehen. Ein hSchst merkwiirdiger Fall der Art ist in beistehender Fig.

Linkes Auge.

versinnlieht: das Centrum (X) ist frei und demgem~iss aueh die Sehseh~irfe durehaus intakt, Patient liest No. 1 der J f iger ' schen Schrit"tpr. in tl/4 ', No. 4 in 2', aber in einiger Enffernung yon dem Centrum befindet sieh eine ringf'6rmige Zone (A), innerhalb deren eine jede Leitung aufgehoben ist, jenseits derselben ist des exeentrisehe Sehen wieder vollkommen gut, nur durch den normal grossen Mar io t t e ' sehen Fleck unterbrochen. Wie man in der Figur sieht, ist zwisehen dem Mar io t t e ' s ehen Fleck (B) und der anaesthetisehen Zone noeh eine leitungs- f'~ihige Partie. - - Es sind dann weiter zu erw~ihnen die

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Reehtes Auge desselben Paiienten.

Unterbrechungen, welche sich an den Mariot te ' schen Fleck amschliessea, und im Falle volls~ndiger Aui'he. bung der Funktion sich als VergrSsserungen dieses Fleckes daramh~n. Dieselben sind sehr h~iufig und yon grosset Wich~igkeit, wenn sie auch bis zu einer gewissen Grenza bin hicht viel Stiirendes f'dr den Kran- ken darbieten. Ist die Vergrilsserung des blinden Flek- kes eine unbedeutende, so entgeht sie dem Kranken vollkommen, da das Urtheil den Defekt bier wie unter normalen Verh~iltnissen fiberdeckt; auch ist die Fest- stelhmg kleiner VergrSsserungen des blinden Fleekes durch die GrSssenschwankungen desselben im physio- logischen Zustande einigermaassen erschwert. Dehnt sich dagegen die Unterbrechung bedeutend aus, so be- merkt der Kranke beim einseitigeu Oeffnen, dass die excentrischea Objekte in einer gewissen nach aussen yore Fixirpunkt gelegenen Gegend unsicher oder mit einem Nebel verdeckt werden. Es ist dies besonders dann tier Fall, wenn sich die Unterbrechung yore blin- den Fleck aus gegen das Centrum hin entwickeh, wie es in der unendlichen M~hrzahl der F~ille sich ereignet.

18"

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l)iose Unterbrecl,ungen haben (sammt dora blinden Fleck) gewSbnlieh eine elliptisehe Gestalt, in WeiGher die hori- zontale Dimension vorherrscht, kS kann aber deren Ge- stalt auch hSehst unregelm/~ssig werden. So lange die Kranken mit beiden Augen sehen, fallen dieselben, wie alle exeentrisehen StSrungen, wenig auf, well die in dem einen Auge fehlendeu Stellen dureh die normal fungiren- den Netzhauttheile in dem andern Auge erg~nzt wer- den; es liegt aber in der Natur der zu Grunde liegenden Krankheitsprozesse, dass derartige Patienten gewShnlich sich keines gemeinsehattliehen Sehaktes erfreuen, und so ist es nieht zu verwundern, dass viele yon denselben uns die filr die VergrSsserung ihres blinden Flecks cha- rakteristischen Beschwerden sofort entgegentragen.

Was die D i a g n o s e der Unterbrechungen des Ge- siehtsfeldes anbetrifft, so ist dieselbe Fdr die eentralen Unterbrechungen leicht, und ergeht racist direkt aus den Beschwerden der Kranken; dagegen wird die Be- s t i m m u n g de r G r e n z e n und der A u s d e h n u n g h~iufig dadurch verwirrt, dass dig Kranken bald mehr, bald weniger mit tier Sehaxe vorbeischiessen. Es wird ihuen sogar, wenn die Leitung an der Macule lutea voll- kommen aufgehoben ist, unmSglich, die Sehaxe einzu- stellen; ist dieselbe nicht vollkommen aufgehoben, so dass des eentrale Gesiehtsobiekt blos durch einen Nebel verdeckt wird, s., kSnnen sic zuweilen noeh fixiren, indem sic die Aufmerksamkeit besonders auf des centrale Ge- siehtsobjekt hinleiten, und den verdeckenden Nebel mit ihrem Blick gewissermaassen zu durchdringen suchen. Am meisten fiir reeht genaue Bestimmungen eignen sich milssig exeentrisehe Unterbrechungen, z. B. eine vor- gerlickte Vergdisserung des blinden Flecks, well hierbei die Fixation erhalten ist, und doch die befallene Partie des Gesichtsfeldes noch nicht wegen allzugrosser Excen- tricit~it undeutlieh erscheint. Man kann hierzu wieder die

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Probe mit dem punktirten Papierbogen benutzen, und es ist fiir die Genauigkeit der Resultate besonders dienlich, di~ Pruben in verschiedonen Entfernungen zu wieder- helen.

Wit wenden uns mm zu den U r s a c h e n der ver- schiedenen erlirterten Auomalieen des Gesichtsfeldes, woraus sich besonders ihre praktischen Bedeutungen er- geben. Was zuniichst die B e s c h r ~ i n k u n g e n des Ge- s i c h t s f e l d e s anbetrifft, so kommen dieselben vor bet Netzhautkrankheiten, bet Chorioidalkrankheiten und bet Paralyse des Opticus aus extraocularen Ursachen. In so fern eonstituirt dies Symptom schon einen diagnosti- schen Unterschied zwischen Triibung der brechenden Medien und den genannten Krankheitsgruppen. Selbst eine gereifie Katarakt zeigt bet Erleuchtungsversuchen ein Gesichlsfeld yon normalem Umfang. GlaskSrpertriibun- gen kSnnen allerdings einzelne Theile des Gesichtsfeldes, insonderheit den oberen Theil, umw~ilken, da sie abet niemals vollkommen undurchsichtig sind~ so werden sic aueh niemals ein Segment des normalen Gesichtskreises abschneiden. Es ist bet weir gediehenen Cataracten und bet Opacitiiten des Glask~rpers, welche die ophthal- moscopische Untersuchung des Augenhintergrundes ver- hindern, besonders wichtig, die Ausdehnung des Ge- sichtsfeldes zu bestimmen, um Complikationen mit Netz- haut- und Chorioidalleiden auszuschliessen. Ich habe schon frliher beispielsweise den Fall ether mit Netzhaut- ablSsung complicirten Cataract angefiihrt, und will an denselben noch einen anderen reihen. Es begegnet nicht gar selten, dass lndividuen pliStzlich yon ether vollst~indigen Verdunkelung des Sehvermiigens befallen werden, so dass sie beinahe auf quantitative Lichtem- pfindung reducirt sind. Die ophthalmoscopische Unter- suchuag zeigt den Glask~rp~r mit ether dunkelrothen

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haemorrhagischen Masse derartig getrilbt, dass yon einer Beurtheilung des Augenhintergrundes nieht die Rede sein kann. Dieser Zustand kommt gleichzeitig mit haemorrhagischer NetzhautablSsung und ohne die- selbe vor. Wir haben frfiher erSrtert, dass beide Krank- heiten, die Glaskilrpertrlibung und die NetzhautablSsung, in solchen F~illen dieselbe Ursaehe, n~imlich Chorioidal- blutung, haben und sind fiberzeugt~ dass die wenigen, die dies noch bezweifeln, unter Andern S te l lwag , bei Fortsetzung ihrer Beobachtungen zu einer ~hnlichen Ueberzeugung gelangen werden. Die diagnostische Frage kann hier nur dureh genaue Priifung des Ge- sichtsfeldes eatschieden werden. Ist nach oben kein Defekt in demselben, wird der Schein einer Lampe, welcher yon oben kommt, in derselben Weise erkaant, als wenn er yon unten kommt, so kSnnen wit das Vor- handensein einer NetzhautablSsung ausschliessen, und es gestaltet sich hiermit die Prognose unendlich gSnsti- ger. Wir werden Fdr diesen Fall, wean auch in l~inge- rein Termine (4, 8 Wochen und wenn sich die Blutun- gen wiederholen, noch welt dariiber) das Sehverm~igen mit Lichtung des Glask~irpers wieder eintreten sehen, w~ihrend flir den Fall einer gleichzeitigen Netzhautab- llisung die Aussichten im hilchsten Grade triibe sind.

Wenden wir uns nun zun~ichst zur Bedeutung der Gesichtsfeldbeschr~inkung bei N e t z h a u t k r a n k h e i t e n . Die N e t z h a u t a b l S s u n g gehSrt, wenn wit wollen, nur zur geringeren H~ilhe hierher, soiern die unter der Netz- haut liegende Fliissigkeit yon der Chorioidea stammt; doch mag dieselbe des Anschlusses an das eben erw~ihnte Beispiel wegen hier ihre Besprechung finden. Es hat die yon mir friiher hervorgehobene Thatsache, dass Netz- hautabliisungen in der unendlichen Mehrzahl der F~ille yon den unteren Partien ausgehen, ihre Richtigkeit als Regel vollkommen behalten, nut hllchst ausnahmsweise kommt

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es vor, dass sich die Grenze zwischen der abgellisten und der anliegendon Pattie yon ihrer hortzontalen oder schiefenl (meijt yon aussen-oben nach innen-unten ge- rieht~en) Lage zur senkreehten erhebL so dass z. B. die tuaaere NetzhauthfilRe abgelSst ist. Nach Traumen habe ieh dies etliche Mal, spontan aber nur 3 oder 4 Mal gesehen. F~ille, we die NetzhautablSsung nach oben lag, der untere Theil dagegen frei war, gehfren eben- falls zu den selteneren Ausnahmen, wenn wit wieder yon traumatischen Ursachen abstrahiren. Ich besinne mich nur vier derartiger F~ille (unter etlichen hunderten yon NetzhautablSsungen). Die Beschr~inkung des Gesichts- feldes wird den Verh~iltnissen der Netzhautabllisung im Allgemeinen entsprechen, zuweilen aber dehnt sich die- selbe erheblich weiter aus, als w i r e s aus dem Befunde vermuthen sollten, was zum Theil wohl auf feineren Ver~inderungen in den anliegenden Netzhauttheilen, zum Theil aut periodischem Ueberh~ingen der flottirenden Mem- bran fiber die Nachbarschaft beruht. Wir sehen diesen Excess yon Beschr~inkung spontan oder durch die Be- handlung h~iufig in der Weise zuriickgehen, dass nun ein genaues reciproques Verh~ihniss zu Stande kommt. Die der abgelSsten Netzhaut entsprechende Partie des Gesichtsfeldes, also in der Regel der obere Abschnitt, pflegt vollst~indig zu fehlen, so dass die Kranken kaum eine Sehempfindung in demselben haben. In Ausnah- mef~Ulen ist quantitative Perception in diesem Bereiche vorhanden, oder kehrt sp~iter, z. B. wenn die Netzhaut sich nach Resorption der Flfissigkeit wieder anlegt, zu- rllck, selbst mit einer Spur qualitativer Perception ge- paart, wie ich es zur Korrektion meiner ersten Mitthei- lungen fiber diesen Punkt bereits (s. A. s O. Bd.II. S.223) angefdhrt habe. Fiir solche F~ille ist eigentlich nicht yon einer Gesichtsfeldbeschrfinkung, sondern yon einer Undeuflichkeit des excentrischen Sehens die Rede. Wir

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§

haben hier beispielsweise ein Gesichtsfeld bei vorhaa- dener NetzhautablSsung abgebildet, Die obere schwarze H~lfte bis zum Grenzstrich fehlt dem Kranken voll- kommen~ die darunter liegende ist vorhandea; obwoh] die Grenze gerade durch den Fixirpunkt ( X ) , also ira Augenhintergrunde dutch die Macula lutea l~iuft, so dass der Kranke hiernach noch die letztere selbst oder dicht benachbarte Theile zur Fixation benutzen kSnnte: so ist doch eine mit der Grenze ziemlich parallel ver- laufende Netzhautzone in derWeise beeintr~chdgt, dass Patient dieselbe nicht zum Erkennen benutzt, sonderzl sieh mehr excentrischer Theile bedient. Dermit ~ be- zeichnete Punkt entspricht dem deutlichsten Sehen, w~h- rend die Sehaxe nach X, also nach oben yon demsel- ben, vorbeisehiesst. Die Sehsch~irfe ist natfirlich bei der nieht unerheblichen Excentricit~t des Punktes + bedeu- tend beeintr~ichtigt.- Beschr~inkungen des Gesichts- feldes werden i'erner bei Ret ini t i s apop l ec t i c a beob- achtet, bei welcher freilich noch 8i'ter Unterbreehungen ties Gesiehtsfeldes und Undeutlichkeiten des excentri- schen Sehens nach gewissen Richtungen hin stattfinden.

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Da die dieser Krankheit eigenthi)mlichen Ver~inderungen in einem gexvisaen Zusammenhang mit der Ausbreitung der Sehn~venfasern stehen, so bilden aueh die daraus entstahenden Beachrifnkungen meist sektorenf'drmige De- fekte+ dm,en Form sieh im Verlauf sehr ~indert, wenn die affieWelt Theile ihre Leitung wieder fibernelimen, reap. andere dleselbe verlieren. In tier beistehenden Figur ist das Gesiehtsfeld eines solehen Kranken abgebildet; man

denke sich die Grenzlinien unge/~ihr in der Riehtung, welche sie am Saume der Zeichnung haben, unbesfimmi verlfingert. Der gesammte schat':irte Theil bedeutet den ursprfinglichen l)efekt; der linke punktirte Abschnitt des- selben 5bernahm nach stattgefundener Behandlung wie- tier seine normale Leitung, so dass nut der nach rechts gelegene als Defekt zuriickblieb. -- Die chronisehe Ent - a r t u n g der N e t z h a u t hei morb. B r igh t i i schliesst sieh hier direkt an. Wir k6nnen in derselhen iiberhaupt nichts anderes als eine recidivirende und sich protra- hirende Retinitis apopleefica mit T,xturver~nderungen in den befallenen Theilen erblieken. Kombinirt sich die- selbe mit NetzhautablSsung, wie es zuweilen stattfindet,

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so wird diese eiuen neuen Ausschlag f'dr die Beschr~in- kung des Gesiehtsfeldes abgeben. Entartungen der Netz- haut mit kSrn igem Exsuda t bedingen h~iufiger Unter- breehungen, als Beschr~inkungen des Gesichtsfeldes.-

Die Ver~inderungen des Chorioidalgewebes fiihren seltener, als man es a priori glauben sollte, zu Besehrfin- kungen des Gesichtsfeldes. Bleiben sie auch in der Regel nieht ohne Einfluss auf die Perceptionsth~itigkeit der anliegenden Netzhauttheile, so fdhren pie doeh weit h~iufiger zu Unterbrechungen, Herabsetzung des excen- trischen Sehens etc., als zu Verringerung im Umfange den Gesichtskreises. Nur eine Krankheit spielt hier eine hSelut wichtige Rolle, auf welehe ich zur Verst~indigung noch einmal eingehen muss. Man sieht in der liquato- rialea Gegend dunkle Pigmentmassen, die auf der/nnen- fl~iche der Chorioidea lagern, strahleni~irmig'auslaufen, und zuweilen bizarre, knochenkSrper~ihnliehe Figuren darbieten, die dazwiaehen liegenden Intervalle sind frei, des Pigmentbelags ziemlich beraubt, ja die grossen Gr bieten sich So nackt dar, dass man glauben m~hte, auch die Chorio-capillaris sei zerstSrt oder atro- phirt. Diese Ver~inderung, ursprfing|ich auf die ~tclua- torialen Theile beschr~inkt, schreitet allm~ihlig gegen den hintern Pol des Bulbus fort, undes entwickeln sich gleichzeitig deutliche Zeichen yon Sehnervenatrophie. Die Papilla optici wird weiss, stark refiektirend, und die Centralgef~isse, insonderheit die Arterien, erlei- den eine progressive Verdiinnung. Auffallend ist es dass, w~ihrend sonst die massenhaftesten Ver/inder(mgen der Cl~orioidea (z. B. umschriebene Entziindungsheerde, welehe zur velligen Gewebsatroihie f'dhren) die Leitung in den anliegenden Netzhauttheilen nieht unbedingt auf- heben, gerade diese Veriinderung die betreffenden Theile entweder vollstfindig funktionsunf~ihig maeht, oder auf ein Minimum quantitativer Lichtempfindung herab-

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setzt. Well nun, wie erSrtert, der Prozess yon den ~iquatorialen Theilen anf'tingt, so resultirt hieraus auch eine zunehmende Verengung des Gesichtsfeldes. Ich muss ferner aufs Neue hervorheben, dass trotz der aus- gesproehenen Ver~nderung im Opticus und in den Cen- tralgef'~issen, welehe einen wesentliehen Faktor des Be- tundes bildet, das eentrale Sehen lange Zeit hindureh gut erhalten bleibt. Bei keiner Krankheit finden wir wirklieh in der Mehrzahl der F/ille eine solehe Disharmonie zwi- schen der S e h s e h / i r f e und dem U m f a n g e des Ge-

si c h ts fe ld e s, wie hier. In obiger Figur ist das Gesichts- feld eines derartigen Kranken, der noch Sehrif~ No. I. las, repdisentirt. Da es auf 8" Entfernung verzeichnet ist und die wirkliche GrSsse darstellt, so entspricht es seiner Oeffnung nach ungef~ihr dem Gesichtsfeld des friiher angeFfihrten Musikanten. In der Regel ist die Verengung eine so regelm~issig concentrische, dass der Fixirpunkt grade in der Mitte des Gesichtsfeldes liegen bleibt; zuweilen aber finder dies nicht start, so dass der Fixirpunkt~ gegen den Rand des Gesichtsfeldes rlickt, und endlieh wohl gar nur noch excentrisches Sehen, dana na~rlleh mit bedeutender Bosehr~nkung der ~ h -

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sch~irfe, zt.lrlickb]eibt. Ueber die Natur dieser Krank- heir erwarten wit noch Aufschliisse yon der pathologi- schea Anatomie. Als einea entziindlichen Hergang k~innen wir diesclbe ihrem ganzen Verlaufe und dell zu Grunde liegenden Ver/inderungen gemtiss nicht auf- fassen, wie auch das h~iufige Vorhandensein erblicher Diathese mehr fiir eine anderweitige trophische Ver~in- derung spricht. Diese kurzen nosologischen Andeutun- gen werde ich iibrigens bei Gelegenheit, so weir es in meinea Kr~iften liegt, vervollst/indigen; hier hatte ich lediglich die Absicht, die in dem erw~ihnten Uebel statt- findende Beschrfinkung des Gesichtsl'eldes hervorzuheben.

Sehr interessant sind die Beschrfinkungen des Ge- sichtsfeldes bei Paralyse des Opticus aus c e n t r a l e n Ur s achen . Zuweilen finden wit bei Cerobrospinalleiden concentrische Verengungen, die aber niemals mit der Regelm~ssigkeit, wie bei dem zuletzt betrachteten Chori- oidalleiden, vor sich gehen. Die Figur des Gesichts- f'eldes wird in der Regel unregelmiissig, der Fixirpunkt pflegt auch excentrisch zu ]iegen; oft ist die Figur des Gesichtsfeldes hierbei Fdr beide Augen vollkommea iden- tisch. Wit haben in der beistehendea Figur das Gesichts-

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feld eines Cerebralkranken verzeichnet, welches in einer Entfernung yon �89 vermessen und (lessen Oeffnung daher

./13 o horiz, entspricht. Die Veren- einem Werthe yon ./10 o vertic.

gerungen bei Centraileiden unterscheiden sich iibrigens yon der bei jenem Chorioidalleiden beschriebenen auch dadurch, dass das centrale Sehen gleichzeitig bedeutend abnimmt. Wit werden deshalb niemals, selbst bei grSs- serer Oeffaung des Gesichtsfeldes, eine ~ihnliche Seh- sch~irfe finden, als bei dem Kranken, dem das Gesichts- reid S. 283 angehSrt. Es entspricht diese concentrische Verengung oder E i n e n g u n g des Gesichtsfeldes offenbar dem allm~ihlichen Absterben der Netzhaut; es erlSschen zuerst die ohnehin viel schwiicher innerviliten peripherischen Theile; auch ist die Grenze des Gesichtsfeldes hier nicht scharf, es pflegt ein gewisscs UebergangsbereiCh zu existi- ten, innerhalb dessen die Netzhautth~itigkeit auf ein Mini- mum quantitativer Perception gesunken ist. Ophthalmo- scopisch ist es nicht gelungen, die Grenze swischen den empfindenden und nicht empfindenden Theilen in solchen F~illen durch irgend welche Structurverschiedenheiten wahrzunehmen. Es pflegen nur die allgemeinen Zeichen der Sehnervenatrophie sich auszubilden.

Die Annahme, dass die weisse, gl~inzende F~irbung der Papilla sich auf fibriise Entartung des Opticus grilnde, hat sich aufs neue durch eine Obduction bestfitigt. Dieselbe betraf einen seit mehreren Jahren amaurotisch erblindeten Maaa, bei welchem, mit Ausnahme einiger Abnahme der Geistes- kr~fte, keine Zeichen eines Centralleidens vorhanden wa- ren. Der ophthalmoscopische Befhad hatte niehts erwie- sen, als eine sehnig-weisse Papille und verdiinnte Central- Gefiisse. Der Tod war dutch Tuberculose erfolgt. Die Obduction zeigte eine, wie es schien, auf die Thalami optiei und Corpora quadrigemina besehr~inkte Texturver- ~inderung. Die Sehnervenst'imme waren atrophisch, bis zum Chiasma schmutzig grau, gallertig erweieht, yon hier ~n dichte welsse Bindegewebsstr~4nge entartet, welche Be-

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schaffenheit sich bis zur Oberfl~che der Papille verfolgen |iess. Sie enthielton nut noch sp~irliche Nervenelemente. Der Netzhautbelhnd war wegen des Alters des Pdlparats nn- zurelehend. Die Dickendimension der Membran .war nicht erheblieh ver~indert.

Besonders lehrreich fdr die Sehnervenphysiologie sind die hemiopischen Beschrankungen bei Oere- bralleiden. Nicht selten ereignet es sich, das.~ aufbei- den Augen die eine HaIRe des Gesichtsfsldes fehlt, und zwar kommen zahlreiche Falle vor, wo auf dem rechten Auge die rechte, auf dem linken auch die rechte, oder

umgekehrt auf beiden Augen die linke fehlt, wahrend es nicht gar haufig vorkommt, dass auf dem rechten Auge die rechte HaiRs, auf dem linken Auge die linke HaIRe fehlt. Die erstere Form yon Hemiopie ist ceteris pad- bus weit stOrender Fdr den Kranken, bei ]etzterer dage- gen compensiren sich die beiden Gesichtsfelder. Wie sind diese sonderbaren und doch mit so grosset Regel- massigkeit hervortretenden Beschrankungen zu erklaren? Es tritt hier die Anasthesie tier Netzhaut .ienseits einer vsrticalen Trennungslinie so scharf hervor, wie die Anasthesie z. B. nach durchschnittenem Trigeminus ge- nau yon der Mittellinie anF~ingt. In den typischen Fal- len fehlt such sine jede Sehempfindung in dem anasthe- tisehen Theile. Es kann dies nut dutch die Vertheilung der Nervenelemente bedingt sein, und wenn wir die Falle genauer studiren, insoaderheit die fibrigen Krank- heitssymptome recht sorgfaltig aufnehmen, so finden wir in denselben allerdings einen sprechenden Beleg f'dr die durch die neuere Anatomie gut begrSndete

Lehre fdr die Semidecussation der Sehnerven. Es stellt sich nrJmlich heraus, dass fdr die erstere (gleichnamige) Form yon Hemiopie der Symptomcomplex f'dr ein halb- seitiges Gerebralleiden argumontirt. So finden wit z. B., wena jederseits die liake HalRe des Gesichtsfeldes

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fehh, sehr h~iufig Erseheinungen yon linkseitiger Hemi.- plegie. Setzen wir nun, um yon der Regel auszugehen, als Grund dieser Hemiplegie ein rechtseitiges Cerebral- leiden voraus, an welches sich eine L~hmung und Atro- phie des reehten Truneus opticus knfipft, so wfirde letz- tere in der Idee, dass der Fasciculus dexter des ge- l~hmten Truncus die SchlMenseite der reehten Netzhaut und der Fasciculus cruciatus die Nasenseite der linken Netzhaut versieht, die Hemiopie vollst~iudig erkl]iren. Ich weiss es sehr wohl, dass ich mit dieser Theorie und deren praktischer Anwendung nichts neues bringe, abet die Saehe ist noch zu wenig anerkannt, als dass ich nicht meine einschl~igigen Beobachtungen mit- theilen sollte, und wird dies, wenn ieh die entspre- chende Reihe yon Sectionsbefunden habe, noch aus- f'dhrlicher geschehen. Hier nur so viel, dass das gleichzeitige Vorkommen der genannten Hemiopie mit der dazugehllrigen Hemiplegie nicht etwa zu den Sel- tenheiten gehlirt, weshalb ich namentlich Hospital- iirzte auffordere, dasselbe zu beriicksichtigen. - - Bei der zweiterw~ihnten (gekreuzten) Form yon Hemiopie, bei welcher jederseits die innere Netzhauthiilfte an~tsthetisch ist, zeigen sich gewShnlich Symptome, welche Fdr einen Tumor oder irgend eine Druckursaehe an der Basis cranii spreehen. Wirkt eine solche yon der Mittellinie aus, so werden natiirlich die (sowohl vor als hinter dem Chiasma der Mittellinie nfiher gelegenen)Fasciculi eru- ciafi, und demnach auch die inneren Netzhauth~ilften, vorwaltend leiden. Diese Form yon Hemiopie sehnei- det iibrigens niemals so scharf in der Mittellinie ab, als die oben erw~ihnte. Es hesse sich auch mit der Contiguit~t der Strange kaum vereinen, dass eine Druck- ursache die Fasciculi cruciati g~inzlieh leitungsunfiihig maeht, ohne den Fasciculus dexter und sinister zu be- eintr~ichtigen. - - Nur ein einziges Mal habe ich aus

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centralen Ursaehen eine Hemiopie gesehen, bei welcher beiderseits die fiussere Netzhauthli~e paralysirt war. Ich weiss f'dr dieselbe weder eine anatomische Erkl~- rung, noch waren die iibrigen Symptome in dem ge- daehten Fall ausgepr~igt genug, um irgend eine Um- sehr~inkung der Diagnose zu motiviren.-- H~iufig zeigen sich bei Cerebralleiden h~iehst bizarre, unregelmfissige Beschr~inkungen des Gesichtsfeldes. Ich begniige micht dieselben hier anzudeuten, da zur Erkliirung noch alle annehmbaren Stiitzpunkte fehlen.

Wit verlassen nun die Beschr~nkungen des Gesichts- feldes, um uns zu der zweiten Reihe yon Erscheinungen zu wenden, welche U n d e u t l i c h k e i t des e x c e n t r i ~ s c h e n S e h e ns nach bestimmten Richtungen hin betrifft. Eine scharfe Abgriiuzung beider Reihen ist fibrigens nicht mSglich; es ist vielmehr sch0n dadurch ein nat[ir- rlicher Uebergang gegeben, dass zuweilen das excen- trische Sehen zum Theil bis a~f quantitative Lichtempfin- dung reducirt ist, oder dadurch, dass zwischen den vor- handenen Theilen und den fehlenden peripheren Theilen des Gesichtsfeldes sich ein Bereich befindet, in dem das excentrische Sehen auf ein Minimum reducirt ist. - - Was zunilchst T r f i b u n g e n de r b r e c h e n d e n M e - d i e n anbetrifft, so kSnnen dieselben allerdings bier- her geh6rige Erscheinungen begr[inden. Es kann durch Hornhautverdunkelung, partielle Linsenverdunke. lung, oder auch durch GlaskSrperopacit~iten das Licht, welches nach gewissen Richtungslinien einfiillt, ausseror- dentlich abgeschw~icht werden. Ob dies im konkreten Falle die Funktionsst6rungen erkl~ire, muss durch die genauere Diagnose entschieden werden. Zur Erl~iute- rung diene folgendes Beispiel: Ein Kranker hat eine eentrale Hornhautnarbe, allenfalls auch noch eine cert. trale Cataracta, so aber, dass ein gewisser peripherer

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Theil der Pupille und ein entsprochender Theil des Seh- kreises auf der Hornhaut fiir das Licht v6llig durch- g~ingig ist. Bei der Priifung des Gesichtsfeldes zeigt sich, dass die tier innern Netzhauth';ilfte angeh~irigen excentrischen Eindriicke unendlich deutlicher sind, als die symmetrisch der ~iusseren Netzhauthiilfte angehih.i- gen, ja sogar, dass jene fiber das centrale Sehen vorherrschend sind, so class zum Erkennen eine Aberr- ation der Sehaxe und die Einstellung eines nach innen gelegenen Netzhauttheils gew~ihlt wird. Dies ist durch die supponirten TrSbungen der brechenden Medien nicht zu erkl~iren; so lange ein)germaassen regelm~issig ge- brochenes Lieht zur Macula~utea dringen kann, wird letz- tere, wenn die Leitung in der Netzhaut normal ist, zur Ein- stellung benutzt werden; es kann 5berhaupt die Ungleich- m~issigkeit des excentrischen Sehens durch die erw~hnten Triibungen auf keine Weise begr~indet werden. Wenn dagegen jemand ein Leucom hat, welches den Seh- kreis auf der Hornhaut (f'dr centralen Lichteiniall) bei- nahe vollkommen verdeckt, nur nach der einen Seite hin einen schmalen Grenztheil desselben frei l~isst, w~ih- rend es nach andern Seiten bin dessen Grenzen bedeu- tend {iberschreitet, so wird das excentrische Sehen auch nach tier einen Seite der Netzhaut ausserordentlieh un- deutlich, etwa auf quantitative Lichtempfindung reducirt sein, w~ihrend es nach einer andern Seite hin, yon wo das Licht mehr neben dem Leucom eindringt, an Deutlichkeit zunimmt. Verdeckt das Leucom den gan- zen Sehkreis, so k6nnen excentrische Eindr[icke zuwei- len allein noch qualitative Perception vermitteln, weshalb Aberration der Sehaxe eingeleitet wird. F~',r derartige F~ille w~irden also die Ver/inderungen der brechenden Medien flit eine solehe Aberration erkl'iirend sein. Dies Beispiel habe ich deshalb gew~hlt, well man gerade unter den angefiihrten Umst~inden h~iufig genugIrrschl(isse hiirt.

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Das Vorbeischiessen der Sehaxe bei centralen Horn- hauttrfibungen, Central-Kapsclstaar, oder unvollkomme- nen Linsentrfibungen aus der ersten Lebensperiode, hat seinen Grand nicht in den Trfibungen, sondern in einer StSrung der Leitung auf dcr Netzhaut, durch welche die excentrisch nach aussen gelegenen und die centra- lea Theile funktionsuaF~ihig werden. Es ist dies ganz dieselbe Form der Amblyopia amaurotica, wie nach veraltetem monolateralem Schielen (s. A. f. O. Bd. I. i. S. 87), welches letztere auch dann h~iufig mit den er- wahnten Tr[ibungea co~xistirt. In der UngleichmSssig- keit des excentrisehen Sehens liegt zugleieh ein Unter- scheidungsmerkmal gegen die einfache, aus Nichtgebrauch entstehende Schwachsichtigkeit, als deren Hauptsymptom wir die Integrit~it der Leitung auf der Netzhaut ange- geben haben. Die Unterscheidung ist praktisch urn so wichtiger, als diese lctzte heilbar, jene nut einer

�9 unbedeutenden Besserung fShig ist. - - Bei K r a n k h ei t e n d er N etzh au t, Retinitis apoplectica, Brightischer Entar- tung, bei verschiedenartigen Exsudativprozessen, ist Un- gleichm~issigkeit des excentrischen Sehens noch h~iufiger, als wirkliche Besehr~inkung des Gesichtsfeldes, und bei- nahe immer mit derselben verbunden. Dass bei Netz- hautablSsungen Undeutlichkeit des excentrischen Sehens innerhalb eines den abgelSsten Partieen benachbarten Bereiches entsteht, babe ich oben erw~ihnt, ebenso, (lass ausnahmsweise die AblSsung selbst keine Aufhebung, sondern nur eine Reduktion der excentrischen Eindriicke auf quantitative Empfindung bedingt. KSrnige Exsuda- tionen im Sehnerven sind gewShalich mit der gedaehten Anomalie verbunden, in der Regel aber sind dana gleieh- zeitig intraeranielle Erkrankungen zugegen, welche sich vielleicht vorwaltend betheiligen, wenigstens entspricht den ophthahnoscopisehwahrnehmbaren Veranderungen, selbst der volikommenenRfickbildung derselben auf der Papille,

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oft nicht die geringste Schwank(mg im Gesichtsfelde. Cy- sficercuss~icke und die daran gebundenen Gewebsver~in- derungen k0nnen bei excentrischer Lage ebenfalls das gedachte Symptom hervorrufen. Eine sehr wichtige Rolle spielen V e r ~ i n d e r u n g e n in der C h o r i o i d e a . Wie schon oben erwiihnt, bedingen dieselben bei weitem h~iufiger Undeutlichkeit des peripherischen Sehens in den anliegenden Netzhauttheilen, als vollst~ndige Auf- hebung in der Leimng. Die n~ihere Form der Anomalie dependirt yon der Vertheilung der Krankheitsprodukte; da diese meist gruppenweise, gefleckt, inselfdrmig au f treten, pfiegen auch die Stih'ungen des excentrischen Sehens ~ihnliche Formen zu bekleiden, welche bald in den Bereich der hier in Rede stehenden Kategorie, bald in dio Unterbrechungen des Gesichtsfeldes f a l l e n . - Die aller- griisste diagnostische Dignit~it erreicht die fragliche Ano- malie offenbar beim c h r o n i s c h e n G l a u c o m und bei jenen dense]ben sehr nahe stehenden Formen yon Amau- rose, die wir bei alten Leuten mit sehr rigiden Arterien fin. den. Zur Zeit, wo die Sehsch~irfe noch ziemlich normal ist und yon dem ganzen Uebel vielleicht ausser einer ver- d~ichtigen Form der Sehnervenpapille noch keine An-

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zeiehen vorhanden sin(l, weist uns eben die Undeut- lichkeit des exeentrisehen Sehens naeh gewissen Rieh- tungen auf das bevorstehende Leiden hin. Auch hier ist die Grenzlinie, welche die behafleten Theile ab- seheidet, meist gar keinen Gesetzen unterworfen; in der Regel l~uft sie diagonal dureh das Gesichtsfeld, so dass z. B. der ~iussere-obere oder innere-untere Theil dessel. ben nur unvollkommen empfindet, wie in rlickstehender Figur veransehaulieht ist.

U n t e r b r e c h u n g e n d e s G e s i c h t s f e l d e s w e r d e n unter gewilhnlichen Verh~iltnissen der Beleuchtung und der Accommodation nieht leicht durch H o r n h a u t - und L insenopac i t~ i t en bedingt. Dass diese Thatsache sich bei homocentrischer Beleuchmng und pervertirten Ac commodationsverhiiltnissen umdreht, begriindet bekannt- lich das Wesen der entoptischen Untersuchung. Unter gewiihnlichen Verhiiltnissen werden diese Triibungen nichts anderes thun, wenn wir yon allen Effekten der Lichtdiffusion absehen, als einen Theil des einfallenden Liehtes abschneiden, und somit die Beleuchtungsinten- sit,it auf der Netzhaut um eine gewisse Quote verrin- gem. Diese Verringerung der Beleuchtungsintensitiit wird fi.eilich ffir verschieden-excentrische Netzhaut- bilder verschieden ausfallen, je nachdem die Triibung die den wechselnden Richtungslinien entsprechenden Sehkreise auf der (Hornhaut, resp. in einer Linsenschicht) mehr oder weniger occupirt, Unterschiede, die sich um so mehr geltend machen, je griisser der Abstand der Triibung yon der Pupillarebene (gleichviel nach vorn oder hinten) ist. Eine solche anomale Vertheilung der Beleuchtungsintensit~it wird aber keine hierher geh~irigen Stiirungen veranlassen. Dennoch kiinnen ausnahms- weise auch unter gew~hnlichen Verh~ltnissen aus den gedachten Opacit~iten Interruptionen des Gesichtsfeldes

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entstehen. Went: z. B. eine Hornhautopacifflt so aus- gedehnt und so gelcgen ist, class der ganze dem cen- tralen Sehen dienende Sehkreis auf der Hornhaut, abet auch nur dieser, oceupirt wird, so wird natiirlich der cen- trale Netzhauteindruck abgesehnitten, wShrend excen- trisch gelegene Obiekte ihr Licht zwisehen der Grenze der Triibung und dem Pupillarrande einwergen und Netzhautbilder veranlassen, deren relative Beleuchtungs- intensitSt mit wachsender Excentricit~t steigt. Fiir Horn- hauttriibungen kommen solche Conjuncturen, hSchst selten vor; etwas h~iufiger f~ir Trfibungen in den hin- teren Linsenpartieen. Ganz in analoger Weise, wie centrale Unterbrechungen, kSnnen in Ausnahmef~illen excentrische Unterbreehungen entstehen, wena der eiaer bestimmten Richtungslinie entsprechende Sehkreis yon einer Triibung vollst~ndig eingenommen wird. Alle durch Opaeit~iten bedingten Unterbrechungen sind iibri- gens unvollkommen, da die Tr~:bungen hie vollst:indig undurchsichtig sind. - - G l a s k S r p e r o p a c i t ~ i t e n be- dingen um so eher Unterbrechungen, .ie grSsser sie sind und je n~iher sie der Netzhaut liegen. Diese Unterbrechungen unterscheiden sieh yon allen iibrigen durch ihren wandelbaren Ort im Gesichtsfelde, und dureh die Gesetzm~issigkeit, mit welcher sieh die Verschiebungen zu den Bewegungen des Auges ver- halten. Befinden sich die Opaeit~iten im vorderen Theil des GlaskSrpers, so werden sic, besonders wenn sie sehr zahlreieh sind, mehr dutch Herabsetzung der Beleuchtung und Liehtdiffusion, als dutch Unter- breehungen des Gesichtsfeldes stSren. - - Krankhei- ten der N e t z h a u t rufen sehr hfiufig Unterbreehungen in Form fixer Scotome u. s. w. hervor; es sind diese bei Retinitis apoplectica, Brightiseher Entartung u. s. w. mit Unterbreehung des Gesiehtsfeldes und Undeutlieh- keit dens exeentrisehen Sehens gepaart, wie [iberhaupt

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eine strenge Unterscheidung aller dieser Zust~nde un- mSglich ist. Wenn z. B. das excentrische Sehen nach einer Richtung hin nicht kontinuirlieh, sondern in wech- selnden Often unglcichm~ssig herabgesetzt ist, so kann dieser Zustand auch als multiple, unvollkommene Un- terbrechung des Gesichtsfeldes aufgefasst werden. Die sektorenFdrmige Beschr~nkung des Gesichtsfi.ldes bei Retinitis apoplectica I (siehe S. 28t) kann auch al~ Unterbrechung angesehen werden etc. J e nach der Lage der Netzhautver$1nderungen finden wit centrale oder excentrische Beschr~inkung. Zu beiden gibt auch Cysticercus in der[Retina zuweilen Veranlassung. Chori- o i d a l v e r i i n d e r u n g e n bringen wegen ihrer fleckf'dr- migen Vertheilung ausserordentlich h~utlg Unterbrechun- gen des Gesichtss welche jedoch meist unvollkom- men sind, weil die Leitung in den anliegenden Netz- hauttheilen nicht ganz erlischt. Es ist wirklich auffallend, welche massenhafte und dutch den ganzen Augenhinter- grund diffundirte Chorioidalver~inderungen vorkommen, bei denen doch eigentlich kein Theil des Gesichtsfeldes vollkommen s Besonders lehrreich ist das Studium der Unterbrechung bei Sc l e ro t i co -Chor io id i t i s po- s t e r i o r. Die Verh~ltnisse variiren hier a~imlich ausseror- dentlich, je nach dem Grade und dem Stadium der Krank- heit. Am Anfange pflegt dieLeitung in der yon Chorioidea (zum grSssten Theil) entblSssten Netzhautpartie nur um weniges herabgesetzt zu sein, was viclleicht nur auf Ueberblendung dieses Theils zu schieben ist. Es l~sst sich dann eine VergrSsserung des blinden Flecks in keiner Weise nachweisen. Spiiter iindert sich, wahr- scheinlich durch hinzutretende Veriinderungen der ent- blSssten Netzhaut, dies Verhalten dahin, dass allerdings eine VergrSsserung des blinden Flecks eintritt, welche jedoch dem Umfange der weissen Stelle im Augenhin- tergrunde nieht entspricht, sondern kleiner ist. Der

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dem Defekt angrenzende Theil im Gesichtsfelde, welcher seiuerLage nach noch innerhalb derProiection derweissen Stelle f~illt, pflegt allerdings undeutlichere Eindrficke zu vermitteln, und die Grenze dieses Undeutlichsehens stimmt allm~hlig mit dem Umfange der weissen Stelle fiberein. Nut in seltenen F';illen habe ich beobachtet, dass die gauze Netzhautpartie jeder Funktion verlustig geht. Solche F~lle sind physiologiseh h~;chst interessant, weil sie beweisen, dass ein Netzhautabschnitt die F~ihigkeit durch eigene Erregung Wahrnehmungen hervorzurufen verlieren und dabei doch die F~higkeit behalten kann, Eindrficke, die yon anderen Theilen stammen, zum Sensoriurn zu leiten. Wahrscheinlich liegt die Erkl~- rung darin, dass bei sclerotieo-chorioiditis die ~nsseren Netzhautschiehten mehr als die inneren leiden. Dass iiberhaupt se(.und~re Netzhautver~inderungen eingeleitet werden, ist dutch Seetionen bewiesen uud auch der Contiguit~it wegen a priori annehmbar, selbst wenn wir yon dem wahrscheinlieh stattfindenden Verhiiltniss der Choriocapilaris zur Nutrition der ~ussern Netzhautlagen abstrahirt. C e n t r a l e L e i d e n bringen welt seltener Un- terbrechungen des Gesiehtsfeldes als Besehr~inkungen desselben und Ungieiehm~ssigkeit des excentrischen Se- hens, dagegen gibt es noch manehe Unterbrechungen, Fdr welche zur Zeit jede Erkl~irung fehlt. Dies gilt z. B. yon dell oben erw~ihnten ganz umschriebenen centralen Unterbreehungen, welehe nach anstrengenden Arbeiten, Einfluss hellen Lichtes etc. entstehen, sich durch das Fehlen oder Verzerrtsehen des fixirten Buehstahen etc. bekunden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass minuti~se Veriinderungen oder Unordnungen in der Lage der Netzhautelemente in und an der Macula lutea hier zu- gegen sind, doch gelang es bisher nicht, dieselben aufzufinden. Ffir dis S. 274 u. 275 verzeichnete Beschr~in- kung war ebenfalls kein gent}gender Grund im Auge.

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Was den p r o g n o s t i s c h e n W e r t h der Gesichts- feld-Anomalieen anbetrifft, so ist derselbe nicht hoch genug anzuschlagen. Umfangreiche Besserungen in der Sehschiirfe werden selbst bei langdauernden station~iren Uebeln ausserordentlich hiiufig erreicht, w~ihrend Ver- ~inderungen in] Gesichtsfeld im Allgemeinen nur m~issi- gen Umfangs und in der Mehrzahl der F~lle gar nicht erzielt werden. Das N~here h~ngt natiirlich yon den zu Grunde liegenden Ursachen ab. Am allerhartn~ickig- sten sind durch.schnittlich die B e s c h r ~ i n k u n g e n des Gesichtsfeldes. R[ihren dieselben yon NetzhautablSsun- gen her, so gewinnen wir allenfalls eine schmale Grenz- pattie, und auch dieser Gewinn ist leider meist ein tem- por~rer. Die sektorenFdrmigen Defekte im Gesichtsfelde bei Retinitis apoplecti%~ sehen wir, wie aus S. 28t hervor- geht, nicht selten sich bessern, in manchen F~illen sind diese Besserungen aber ebenfalls nut vorlibergehend. Die Einengungen des Gesichtsfeldes bei der oben er- w~ihnten trophischen Chorioidalkrankheit sind so gut als indelebil, sicher kommen keine namhaften Schwan- kungen zujn Besseren vor. - - U n d e u t l i c h k e i t des e x c e n t r i s c h e n S e h e n s ist verh~iltnissm~ssig der grSss- ten Besserungen, und besonders wenn sie yon Entziin- dungsprozessen abh~ngt, f~hig. Riihrt dieselbe yon chro- nischem Glaucom oder seniler Amaurose mit Arterien-Athe- rom her, so beobachten wit sehr selten eine Verbesserung, in derMehrzahl derF~ille allm~ihligeVerschlechterung. Die Asymmetrie des excentrischen Sehens bei veraltetem monolateralem Schielen mit oder ohne Hornhauttriibun- gen, Linsenopacit~ten etc. habe ieh, nach Beseitigung des Schielens resp. der Cataract, (:lurch methodische Uebung des Auges sich einige Mal etwas bessern, nie ausgleichen sehen. Umschriebene U n t e r b r e c h u n g e n im Centrum des Gesiehtsfeldes ohne nachweisbare Ur- sachen sieht man, nur wenn sie ganz frisch waren,

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zurllckgehen, sonst aber stets unver~indert fortbestehen. Die yon Cysticercus in Retina abh~ingige Unterbrechung ist keiner Heilung F~ihig. Einzelne Unterbreehungen bei Retinitis apopleetica gehen wohl zur(ick, doch gibt die Krankheit bei ihrer Disposition zu Recidiven durch- sehnittlich eine ungiinstige Prognose. Alle Unterbre- chungen, die von Chorioidalkrankheiten abhiingen, sind, da sie erst in spiiteren Stadien hinzutreten, in der Regel in- delebil, und nur deshalb weniger feindlich~ weil sie meist unvollkommen sind, und die Natur der Uebel selbst keine perniciSse zu sein pflegt. Endlich habe ich in allen yon Cen- tralleiden abhilngigen Gesichtsfeld-Anomalieen trotz nam- halter Schwankungen in der Sehsch~irfe nur iiusserst selten, und dann bei frischen Uebeln, z. B. Hemiopie durch Liih- mung eines Truncus opticus nach Apoplexia cerebri, we- sentliche Verbesserungen im Gesichtsfelde beobachtet.

Es geht aus dieser Uebersieht hervor, dass die Anomalieen des Gesichtsfeldes im Allgemeinen eine sehr 5ble prognostische Bedeutung geben, sofern es sich anders nm die Riickbildung derselben handelt. Freilieh werden dieselben nach ihrer Excentricitiit un~t Ausdeh- nung eine sehr verschiedene Bedeutung fiir den Sehakt in sieh tragen. Im Allgemeinen geben amaurofische Affek- tionen~ bei denen die centrale SehscMrfe ausserordentlich gesunken, aber die Leitung aug der Netzhaut intact besteht, eine welt bessere Prognose, als solche, bei welehen unter verh~iltnism~issig besserer Sehsch~irfe das Gesichtsfeld stark anomalisirt ist. Bei den erstern ist sieher keine grSssere materielle Erkrankung in der Netz- haut und dem Sehnerven vorhanden, sondern nur eine auf gehinderter ]nnervation oder NichtSbung beruhende Stumpfheit in der sensoriellen Th~itigkeit, bei den er- steren hingegen handelt es sich um partielle Aufhebung der Funktionen. Bei Netzhautleiden ist insonderheit fSr die Prognose die Priifung des Gesiehtsfeldes im eigent-

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lichsten Sinne bestimmend, weil hier gewissermaassen die geographisehe Ausbreitung der Ver~inderungen den Endesausgang entscheidet. Haben wit z. B. bei Retinitis apoplectica oder Brighfischer Retinifis eine centrale abet wenig ausgedehnte Unterbrechung mit sehr starker Depression der Sehsch~irfe, und ist dabei das exeen- trische Sehen vollkommen erhalten~ so f~illt die Prognose unendlieh giinstiger aus als in einem andern Fall, in wel- ehem die Sehsch~irfe weniger gelitten, abet hochgradige Anomalieen des Gesiehtskreises sich herausstellen.

Therapeutische Rathschllisse lassen sich natfirlich an die Form der Gesiehtsfeldver~inderung nicht anknfi- pfen. Wit diirfen es nieht vergessen, dass es sich hier lediglich um ein S3,mptom handelt, welches den gr6ssten Einfiuss f'dr die Diagnose und Prognose in sich tr~igt, aber fiir sich das Wesen der Krankheit nicht umschreibt.