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Fettchemische Umschau Neue Folge der Chemischen Umschan anf dem Gebiete der Fette, Ole, Wachse nnd Harze Herausgegeben durdz Wissenschaftliche Zentralstelle f Gr 01- und Fettforschang, e. V. (W i z b t f) Berlin Heft 6 Seite 113-140 Stnttgart, Jnni 193% 40. Jahrgang Ueber die Veranderungen des Leinols beim Erhitzen. I. Von H. WolR (unter Mitarbeit von L. Wallbanm), Berlin. (Eingegangen am 22.6. 33.) Die Vorgange bei der S t a n d o l b i l d u n g , d. h. bei der Verdickung der trocknenden Oele sind noch unbekannt. Zwar sind die verschiedensten Theorien und Hypothesen aufgestellt worden, doch beschrankt sich deren Begriindung auf theoretische Spekulationen oder indirekte Schlusse. Gerade deshalb glauben wir, daB jeder Beitrag nutzlich sein kann, da bei jedem ,,Indizienbeweis" auch diejenigen Glieder wichtig sind, die ailein noch nichts besagen wurden. Und auch des- halb scheint uns unser Beitrag von Nutzen, weil wir von einer ganz anderen Seite an dieses Problem heran- gegangen sind. Zu den bisherigen Untersuchungen sind fasC stets nur solche Oele (auSer dem unveranderten Leinol) herangezogen worden, bei denen der Grad der Viscosi- tats-Steigerung bereits recht hoch war. Das ist auch verstandlich, da die Viscositats-Steigerung der sicht- barste Ausdruck der Veranderungen ist und man erst bei deutlicher Viscositatsanderung auch eine starkere chemische Veranderung erwarten konnte. Bei unseren Untersuchungen uber den ,,kritischen Oelgehalt" von Leinol- und Leinolstandol-Farben sind wir nun zu der Ansicht gelangt, daB gerade zu Beginn der sichtbaren Veranderung ganz bestimmte Reaktionen verlaufen mussen. Um dies zu zeigen, mussen wir unter Ueber- gehen aller Einzelheiten unsere grundsatzlichen Be- funde uber die Viscositatsverhaltnisse der Oelfarben darlegen I). Die Viscositatsmessungen wurden mit dem ,,Turbo- viscosimeter" von W o 1 f f - H o e p k e ausgefuhrt, bei dem durch ein fallendes Gewicht ein Ruhrer betatigt wird, dessen Flugel in die Farbe eintauchen. Als MaB fur die Viscositat gilt dasjenige Gewicht, bei dem eine Fallzeit von 10 seclm ermittelt wird. Wir fanden nun, daS in einem gewissen Bereich der Oel- und Pigmentkonzentration die folgende Glei- chung (1) gut erfullt wird, in der V bzw. Vo die ,,Turboviscositat" der Farbe bzw. des Oeles bedeutet (gemessen in Hektogramm) und p den Pigmentgehalt in Volumenteilen (Volumen der angeriebenen Farbe = 1): (1 ) v-v, = c . p" c und n sind Ronstanten, die sowohl von der Be- schaffenheit des Pigmentes als auch von der des Oeles abh angen. 1) Die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchun- gen nach dieser Richtung hin sind zusammengefaat in einer vom ReichsausschuR fur Yetallschutz hcrausgegebenen Monographie: ,,Ueber den EinfluB des Oelgehaltes auf die Eigenschaften der Xnstrichfarben" (Berlin 1933). Durch eine komplizierte empirische Gleichung, deren Mitteilung an dieser Stelle uberflussig erscheint, konnten wir nun aus diesen Konstanten einen be- stimmten Oelgehalt berechnen, den wir als k r i t i - s c h e n 0 e 1 g e h a 1 t bezeichnen. Bei Leinol oder Leinolfirnis fallt dieser kritische Oelgehalt mit dem- jenigen zusammen, bei dem die Farbe gerade streich- fahig zu werden beginnt. Dieser Oelgehalt pragt sich bei Leinol ebenso wie bei Standolfarben auch in den Eigenschaften der Anstriche, sowohl in der Film- festigkeit als auch in anderen technologischen Eigen- schaften teilweise auBerst deutlich aus. Bei Standolen fanden wir nun die kritischen Oel- gehalte bei verschiedenen Pigmenten um so hoher, je hoher die Viscositat des Oeles war. Wenn aber die Er- hitzung nur ganz kurze Zeit durchgefuhrt und die Viscositat des Leinols nur auf den zwei- bis dreifachen Wert erhoht wurde, dann sank - trotz der hoheren Oelviscositat - der kritische Oelgehalt urn einen recht ansehnlichen Betrag, beispielsweise von 30% auf 23% bei einem Lithopone (s. A b b. 1). Die kritische Vis- Ahb. 1. rel. Viscositet Jodzahl (Wija) des Oeles (JZ.) ---- Hexabromidzahl der FettsPuren (HZ.) _._. Kritischer Oelgehalt (Lithopone) cositat, d. h. die Viscositat der Farbe beim kritischen Oelgehalt wurde dabei nur wenig verandert. Gleich GIreiche Farben wiesen mit dem nur wenig verdickten Oel eine geringere Viscositat auf als die Leinolfarben mit den gleichen Pigmenten. Der Kiirze halber nennen wir das Gebiet der geringen Viscositatserhohung, des- sen Mittelpunkt bei der etwa 2f achen Leinolviscositat liegt, das ,,V9-Gebiet" und ein ihm zugehoriges Oel ein , ,V?-Oel".

Ueber die Veränderungen des Leinöls beim Erhitzen. I

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Page 1: Ueber die Veränderungen des Leinöls beim Erhitzen. I

Fettchemische Umschau Neue Folge der Chemischen Umschan anf dem Gebiete

der Fette, Ole, Wachse nnd Harze Herausgegeben durdz Wissenschaftliche Zentralstelle f Gr 01- und Fettforschang, e. V.

(W i z b t f ) Berlin

Heft 6 Seite 113-140 Stnttgart, Jnni 193% 40. Jahrgang

Ueber die Veranderungen des Leinols beim Erhitzen. I.

Von H. WolR (unter Mitarbeit von L. Wallbanm), Berlin.

(Eingegangen am 22.6. 33.)

Die Vorgange bei der S t a n d o l b i l d u n g , d. h. bei der Verdickung der trocknenden Oele sind noch unbekannt. Zwar sind die verschiedensten Theorien und Hypothesen aufgestellt worden, doch beschrankt sich deren Begriindung auf theoretische Spekulationen oder indirekte Schlusse. Gerade deshalb glauben wir, daB jeder Beitrag nutzlich sein kann, da bei jedem ,,Indizienbeweis" auch diejenigen Glieder wichtig sind, die ailein noch nichts besagen wurden. Und auch des- halb scheint uns unser Beitrag von Nutzen, weil wir von einer ganz anderen Seite an dieses Problem heran- gegangen sind.

Zu den bisherigen Untersuchungen sind fasC stets nur solche Oele (auSer dem unveranderten Leinol) herangezogen worden, bei denen der Grad der Viscosi- tats-Steigerung bereits recht hoch war. Das ist auch verstandlich, da die Viscositats-Steigerung der sicht- barste Ausdruck der Veranderungen ist und man erst bei deutlicher Viscositatsanderung auch eine starkere chemische Veranderung erwarten konnte. Bei unseren Untersuchungen uber den ,,kritischen Oelgehalt" von Leinol- und Leinolstandol-Farben sind wir nun zu der Ansicht gelangt, daB gerade zu Beginn der sichtbaren Veranderung ganz bestimmte Reaktionen verlaufen mussen. Um dies zu zeigen, mussen wir unter Ueber- gehen aller Einzelheiten unsere grundsatzlichen Be- funde uber die Viscositatsverhaltnisse der Oelfarben darlegen I).

Die Viscositatsmessungen wurden mit dem ,,Turbo- viscosimeter" von W o 1 f f - H o e p k e ausgefuhrt, bei dem durch ein fallendes Gewicht ein Ruhrer betatigt wird, dessen Flugel in die Farbe eintauchen. Als MaB fur die Viscositat gilt dasjenige Gewicht, bei dem eine Fallzeit von 10 seclm ermittelt wird.

Wir fanden nun, daS in einem gewissen Bereich der Oel- und Pigmentkonzentration die folgende Glei- chung (1) gut erfullt wird, in der V bzw. Vo die ,,Turboviscositat" der Farbe bzw. des Oeles bedeutet (gemessen in Hektogramm) und p den Pigmentgehalt in Volumenteilen (Volumen der angeriebenen Farbe = 1): (1 ) v-v, = c . p"

c und n sind Ronstanten, die sowohl von der Be- schaffenheit des Pigmentes als auch von der des Oeles abh angen.

1) Die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchun- gen nach dieser Richtung hin sind zusammengefaat in einer vom R e i c h s a u s s c h u R f u r Y e t a l l s c h u t z hcrausgegebenen Monographie: ,,Ueber den EinfluB des Oelgehaltes auf die Eigenschaften der Xnstrichfarben" (Berlin 1933).

Durch eine komplizierte empirische Gleichung, deren Mitteilung an dieser Stelle uberflussig erscheint, konnten wir nun aus diesen Konstanten einen be- stimmten Oelgehalt berechnen, den wir als k r i t i - s c h e n 0 e 1 g e h a 1 t bezeichnen. Bei Leinol oder Leinolfirnis fallt dieser kritische Oelgehalt mit dem- jenigen zusammen, bei dem die Farbe gerade streich- fahig zu werden beginnt. Dieser Oelgehalt pragt sich bei Leinol ebenso wie bei Standolfarben auch in den Eigenschaften der Anstriche, sowohl in der Film- festigkeit als auch in anderen technologischen Eigen- schaften teilweise auBerst deutlich aus.

Bei Standolen fanden wir nun die kritischen Oel- gehalte bei verschiedenen Pigmenten um so hoher, je hoher die Viscositat des Oeles war. Wenn aber die Er- hitzung nur ganz kurze Zeit durchgefuhrt und die Viscositat des Leinols nur auf den zwei- bis dreifachen Wert erhoht wurde, dann sank - trotz der hoheren Oelviscositat - der kritische Oelgehalt urn einen recht ansehnlichen Betrag, beispielsweise von 30% auf 23% bei einem Lithopone (s. A b b. 1). Die kritische Vis-

Ahb. 1.

rel. Viscositet

Jodzahl (Wija) des Oeles (JZ.) - - - - Hexabromidzahl der FettsPuren (HZ.) _ . _ . Kritischer Oelgehalt (Lithopone)

cositat, d. h. die Viscositat der Farbe beim kritischen Oelgehalt wurde dabei nur wenig verandert. Gleich GIreiche Farben wiesen mit dem nur wenig verdickten Oel eine geringere Viscositat auf als die Leinolfarben mit den gleichen Pigmenten. Der Kiirze halber nennen wir das Gebiet der geringen Viscositatserhohung, des- sen Mittelpunkt bei der etwa 2f achen Leinolviscositat liegt, das ,,V9-Gebiet" und ein ihm zugehoriges Oel ein , ,V?-Oel".

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l l A Fettchem. Umschau 1933, Heft 6

Fur Leinolfarben und ebenso fur Farben mit solchen Va-Oelen ergab sich nun eine meistens recht gut zutreffende Beziehung zwischen der ,,k r i t i - s c h e n V i s c o s i t C t" (Vkrit.) und dem Exponenten n unserer Gleichung (1): (2) v*,it. = 3,35 fi

Bei eigentlichen Standolen aber bestand keine Be- ziehung der kritischen Viscositat zum Exponenten mehr. Diese war vielmehr der Quadratwurzel der S tandol-Viscositat proportional, und zwar nach fol- gender Gleichung: (3) vlrrir. = 3,35 l/v,

Es ergeben sich also drei verschiedene Gebiete: L e i n o l - , Va- und S t a n d o l g e b i e t . Lein6l- und Va-Gebiet sind vom Standolgebiet durch die Abhangig- keit der kritischen Viscositat vom Exponenten unserer Gleichung (1) unterschieden und untereinander durch die Hohe des kritischen Oelgehaltes. Die Viscositats- kurve des Oeles steigt mit der Erhitzungsdauer kon- tinuierlich, die Kurve der kritischen Gehalte (oder der Viscositaten von Farben mit gleichem Oelgehalt) hat im Va-Gebiet ein Minimum.

Diese auffallende Tatsache, die in zahlreichen Fal- len bestiitigt werden konnte, legt die Vermutung nahe, daB die Vorgange bei der Standolbildung diskontinu- ierlich sind und da13 gerade in dem Gebiet ganz ge- ringer Viscositats-Steigerung sich ein bestimmter chemischer Vorgang abspielt:

DaB bei Standolen der kritische Oelgehalt hoher ist, 1aBt sich auf Grund einer von uns ausgesprochenen Hypothese recht gut verstehen. Wir nehmen rnit an- deren Autoren an, daB die Pigmentteilchen von einer ,,Oelhulle" umgeben sind, die um so groger ist, je oberflachenaktiver das Pigment ist. Wir hatten nun bei Untersuchungen an feinstem Sand gefunden, daS bei diesem praktisch inaktiven Korper der kritische Oelgehalt unabhiingig von der KorngroSe ist und mit dem Porenvolumen bei kubischer Lagerung der Teil- chen ubereinstimmt. Wir stellten deshalb die Arbeits- hypothese auf, daB bei Pigmenten stets die gleiche Menge ,,freies Oel" (rund 473 Vo1.-%) vorhanden ist und daB der kritische Oelgehalt derjenige ist, bei dem sich die Oelhiillen der isodispers gedachten Teilchen in kubischer Packung beruhren (wahrend das freie Oel die Lucken ausfullt).

Nach dieser Hypothese muEte dann also die Hullen- dicke bei Standiilfarben groBer sein als bei Leinol- farben, und das 1aBt sich wohl gut vorstellen, wenn man die hohere MolekulargrGEe des Standoles hiermit in Beziehung bringt, gleichviel ob diese nun durch Polymerisation oder Aggregation bedingt sein mag.

Schwerer verstandlich ist die Verringerung des kri- tischen Oelgehaltes im Vz-Gebiet. Eine Verringerung der MolekulargroSe kann wohl auger Betracht ge- lassen werden. Die durch Erhohung der Saurezahl bei Handels-Standolen kenntlichen Spaltungen sind bei unseren Versuchen nicht eingetreten, jedenfalls nicht innerhalb des V?-Gebietes (s. u. Tabelle). Die Unter- suchung von Handels-Standolen zur Rlarung der grundsatzlichen Fragen mug iiberhaupt als nicht ein- wandfrei bezeichnet werden, da sich zweifellos Neben- reaktionen nicht in dem Grade vermeiden lassen, wie es bei systematischer Untersuchung notwendig ist. (Die praktisch vielleicht wichtige Bedeutung dieser Nebenreaktionen kann ja auch erst dann richtig ein- geschatzt werden, wenn die Hauptvorgange besser be- kannt sind, als es heute noch der Fall ist.)

Da man nun wohl vermuten darf, da6 die geringe- ren kritischen Oelgehalte der V?-Oelfarben ein Aus-

druck fur eine geringere Aktivitat dieser Oele sind, versuchten wir, das ,,Va-Gebiet" durch Jodzahl und Hexabromidzahl als den R e p r a s e n t a n t e n d e r c h e m i s c h e n A k t i v i t a t d e r O e l e zu kenn- zeichnen.

Der Versuch wurde bei 2000 ausgefuhrt; die Anheis periode betrug 20 Minuten bei ungefahr linearem Tein- peraturanstieg mit der Zeit. Die zu verschiedenen Zei- ten entnomnienen Proben wurden auf SZ., JZ., Hexa- bromidzahl und in einzelnen FHllen auch auf den kriti- schen Oelgehalt untersucht. Die Ergebnisse sind i n der T a b e l l e und zum Teil in der A b b i l d u n g 11) gra- phisch dargestellt. Die Oele werden durch ihre absolute Viscositat in CentiDoisen charakterisiert: die des Lein- 01s war~43 CP (180).-

Die Saurezahl wurde nach den ..Einheitsmethoden" (Wizoff, 1930) bestimmt, ebenso die Hexabromidzahl, wahrend die Jodzahl nach der Methode von W i j s er- mittelt wurde. Diese eignet sich gerade fu r Standole nach unserer Erfahrung besser, da m a n bei Innehaltung bestimmter Bedingungen gut reproduzierbare Werte er- hiilt, die die inaktivierten Doppelbindungen nicht an- geben, wahrend diese nach H a n u s bei normaler Be- stimmungsweise teilweise niit erfal3t werden und voll- standig erst nach sehr langer Reaktionszeit.

I1 sz. L e i n G I , n i c h t e r h i t z t . . . D a s e r h i t z t e O e l

Viscos.: CP 69 ( lS@) . . 9, 97 (17,9O) . n 193 (L7,S0) .

n 1560 (17,s O) . 275 (17,SO) .

n 550 - . n 4900 - a

194 51,5 I 30,O

185 24,5 26,5 180,s 8,O 23,O 178,5 l,2 31,s

154 1 - 149 1 - I 3y 145 I - I 39,5

166 -

Beim Oel von 50 cP wurde sich aus der Hexabromid- abnahme (27%) eine hbnahme der JZ. urn 9 errechnen, also auf 185, wenn man annimmt, daR eine Doppelbin- dung der Linolensaure inaktiviert wird, sei es durch Polymerisation, sei es durch andere Reaktionen. Diese Jodzahl wurde auch gefunden.

Die weitere Verminderung der Herabromidausbeute beim Oel von 97 CP um 10,5% wurde einer JZ.-Senkung um 5,5 entsprechen, also auf 179,5. Gefunden wurde 180,5.

Beim Oel von 193 CP endlich wurde sich gegeniiber dem ursprunglichen Leinol aus der Verminclerung der Hexabromidausbeute um 50,3% eine JZ. 178 errechnen statt der gefundenen JZ. 178,5.

I n ahnlichem Verhaltnis stand Jodzahlabnahme und Hexabromidausbeute auch bei anderen Versuchen, z. B. an fabrikmaBig hergestellten StandGlen, die W i 1 b o r n und K r o l l im I n s t i t u t f u r L a c k f o r s c h u n g untersuchten 2). Sie fanden bei Hexabromidzahlab- nshme um 47% statt einer theoretischen Jodzahlab- nahme um 15 Einheiten eine solche von 20.

Man darf wohl sagen, diese Befunde sprechen dafiir, daB die L i n o 1 e n s a u r e derart verandert wird, daS eine Doppelbindung verschwindet. Diese I n a k t i v i e r u n g kann durch verschiedene Reak- tionen bewirkt werden: Erstens kommt dafiir die Polymerisation in Frage. Zweitens ware eine sterische Behinderung denkbar, wenn die Reaktion eine Stereo- isomerisation sein sollte. SchlieSlich kommt auch eine von S c h e i b e r 3, ausgesprochene Hypothese in Be- tracht, nach der mnachst eine Wanderung der Dop- pelbindungen in konjugierte Stellung stattfindet. Es

*) Mitteil. d. Inst. f. Laekforschung 1939. 3, J. S c h e i b e r, Farbe und Lack 1929, 585; 1930, 63.

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wiirde dann also ein Isomeres der Linolensaure auf- treten, das sich in seinen Eigenschaften der C 4 laostea- '. r imlure nahert, die ja auch bei normaler Jodzahl- bestimmung nur zwei ihrer Doppelbindungen erken- nen laDt und keine Hexabromidzahl gibt. Man miiBte wohl auch einen hoheren Schmelzpunkt dieser Saure crwarten, sowie einen hohen Breehungsexponenten.

DaE eine holier schmelzende Fettsaure im V2-Gebiet erscheint, glauben wir schon jetzt mit einiger Sicher- heit sagen zu konnen. Wahrend die Fettsauren des Leinols namlich bei Zimmertemperatur trotz der aus- kristallisierten gesattigten Fettsauren noch relativ leicht flieEen, erstarren die Fettsauren der V2-Oele zu einem Kristallbrei, der bei Zimmertemperatur nicht mehr fliellt. Erst bei weiterem Steigen der Viscositat nimmt die Menge der kristallisierenden Sauren wieder ersichtlich ab. Diese Erscheinung ist bei verschiedenen Versuchen bestatigt worden. Wir sind augenblicklich clamit beschaftigt, die beim Erhitzen neu entstandene Fettsaure zu isolieren.

Abbt 2.

- Jodzahl - - - Viscositiit in Centipoisen

Die V o r g a n g e bei d e r S t a n d o l b i l d u n g stellen sich jedenfalls jetzt etwas anders dar, als es bisher den Anschein hatte. Wir hatten friiher einmal gezeigt, daS zunachst die Jodzahl stark abnimmt, wahrend die Viscositat anfangs langsam ansteigt; dann erst erfolgt eine starke Steigerung der Viscositat bei nunmehr nur noch wenig sinkender Jodzahl. Dies wurde auch von anderen Autoren mehrmals bestatigt. A b b . 2 zeigt, daI3 das auch hier der Fall ist, wenn

man das enge V?-Gebiet iiberspringt. Tatsachlich ver- lauft der Vorgang aher so, daE zuerst eine srhnellere Senkung der Jodzahl um etwa 10 Einheiten statt- findet, darauf die J d z a h l bis zum volligen Verschwin- den der Hexabromidzahl langsam sinkt, um nun zu- ngchst wieder bei noch immer ma@ steigender Vis- cositat schnell zu fallen. Dann erst erfolgt der schnelle Viscositatsanstieg bei wenig fallender Jodzahl.

Man kann also vorlaufig wolil annehmen, daE die Standolbildung in zwei vollig getrennten Abschnitten vor sich geht (wie dies auch schon friiher von einigen Autoren angenommen wurde): Im ersten Teile (dem auch durch die Viscositatsverhaltnisse und den Abfall des kritischen Oelgehaltes gekennzeichneten ,,VZ-Ge- biet" 4, findet eine Veranderung der Linolensaure statt (Polymerisationf - Stereoisomerisation? - Wande- rung der Doppelbindungen?). Dann beginnt erst die eigentliche Standolbildung, bei der es nun aufier- ordentlich zahlreiche MSglichkeiten gibt, da weitere Veranderungen der neu gebildeten ,,VZ - S a u r err ein- treten konnen und die Linolsaure, schliefllich auch die Oelsaure in die Veranderung einbezogen werden kann, ganz abgeselien von den vielleicht erfolgenden Umesterungen.

Z u s a m m e n f a s s u ng. Eswird gezeigt,daPrlie E r h i t z u n g u o n L e i n -

6 1 zzinachst zu Oelen der etwn doppelten Viscositat fiihrt, bei denen der k r i t i s c h e O e l g e h n l t der rnit ihnen nngeriebenen Oelfnrben niedriger liegt nls bei den entsprechenden Leindfnrben. Die k r i t i s c' h e V i s c o s i t i i t ist dnbei ebenso wie bei den Leinol- tnrben abhangig %tom Expojienten zinsercr Viscositats- qleichzing. Dnnn erst erfolgt die eigentliche S t a n d - b. 1 b i 1 d zi n g , die sich dndiirch chnrnkterisieren l a B t , daO die kritische Viscositat nicht nzehr ?ion n abhangt, sondern nzir noch von der Oelviscositat. Chemisch charakterisiert sich das Antnngsgebiet dzirch schnelle Abnnhme der Hexnbrornidznhl ztnd eine Abnnhme der Jodznhl, die dent Verschwinden orler der Innktivie- rung einer Doppelbindiing der Linolensaure ent- sprechen wiirde. Dnbei entsteht offenbnr eine deR- rsierte, hbher schmelzende Fettsazire. Die chemischen Veranderungen stehen in Einklang mit zinserer Hypo- fhme vom Wesen des kritischen Oelgehaltes uls eineT bestimmten Anordnzing der von Oelhiillen zimgebenen Pigmentteilchen (Beriihrmg der Oelhiillen bei kubi- scher Packzing de-r isodispers zind kugelig gedachten Teilchen), wobei die Erniedrigung des ,,kritischen Punktes" der Innlotivierung von Doppel bindzcngen entspricht, wuhrend bei der Erhohzing im eigentlichen Standolgebiet del' EinflitB der illolekiil- oder Aggregat- vetgrolerung iiberwiegt.

4, Wir machen darauf aufmerksam, daR die Verwen- dung dieser ,,V,-Oele" fur Anstrichzwecke zum Patent angemeldet ist.

Ueber die VerBndernngen des Leinols beim Erhifzen. 11.

Von H. Wolff und J. Rabinowicz, Berlin. (Eingegangen am 22.5.33.)

In der vorhergehenden Mitteilung konnten wir zei- Verminderung der Hexabromide entsprieht. Voraus- gen, daI3 zu Beginn der Verdickung beim Erhitzen von setzung war die Annahme, dal3 beide Kennzahlen Leino1 auf 290° sich ein chemischer ProzeE abspielt, durch Inaktivierung einer Doppelbindung der Lino- bei dem die Hexabromidzahl bis auf 0 sinkt und die lensaure verandert werden. tJodzahl urn einen Betrag verringert wird, der dieser Unsere weiteren Vntersuchungen zeigen jedoch, daB