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Ueber die Verbindung des Hamoglobiiis mit Sauers to ff .l Von Christian Bohr. (Aus dem physiologischen Laboratorium der Universitlit Kopenhagen.) Die Gesichtspunkte, welche mich in Bezug auf Art und vorllufige Weise der hier veroffentlichten Untersuchungen geleitet haben, sind in einer vorhergehenden Abhandlung (,,Studien uber die Kohlensilure- verbindungen des Blutes") dargestellt worden. Besonders habe ich die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen ver- schiedener Nodificationen des Oxyhamoglobins hinzuleiten. Diese Modi- ficat.ionen, die sich dadurch auszeichnen, dass die von ihnen gebundene Sauerstoffmenge fiir jede von verschiedener Grosse ist , werden im ersten Capitel dieser Abhandlung beschrieben, im zweiten Capitel wird darauf nachgewiesen, dass das auf gewohnliche Weise aus dem Blute dargestellte krystallinische Hamoglobin eine Mischung verschiedener einander verwandter Stoffe ist und dass die von demselben per Gramm gebundene Sauerstoffmenge nicht constant ist. Mit Rucksioht auf die bei den Versuchen angewendeten Methoden sind die Absorptiometrie2 und die HiimoglobindarstellungS in den vorhergehenden Abhandlungen besprochen worden, sowie auch d as Aus pum p en der Hamoglobinlosungen. Die Lu ftanaly sen sind theils nach Bunsen'scher Methode (Absorption von CO, mittels Kali- lauge, Bestimmung des Sauerstoffs durch Explosion mit Wasserstof€) in Eudiometern, theils nach Petterson'scher Methode,6 bei welcher Der Redaction zugegangen den 28. Mtirz !S91. Studien iiber die Kohlensaureverbindungen des Blutes. S. 50. a. a. 0. s. 51. ' Ueber Ln Samstoffgehdt der H&mogIobinkrystaUe. a Berzkhte d . Lnclschen chem. Qesellsch. 1889. S. 3324.

Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

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Page 1: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

Ueber die Verbindung des Hamoglobiiis mit Sauers to ff .l

Von

Christian Bohr.

(Aus dem physiologischen Laboratorium der Universitlit Kopenhagen.)

Die Gesichtspunkte, welche mich in Bezug auf Art und vorllufige Weise der hier veroffentlichten Untersuchungen geleitet haben, sind in einer vorhergehenden Abhandlung (,,Studien uber die Kohlensilure- verbindungen des Blutes") dargestellt worden.

Besonders habe ich die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen ver- schiedener Nodificationen des Oxyhamoglobins hinzuleiten. Diese Modi- ficat.ionen, die sich dadurch auszeichnen, dass die von ihnen gebundene Sauerstoffmenge fiir jede von verschiedener Grosse ist , werden im ersten Capitel dieser Abhandlung beschrieben, im zweiten Capitel wird darauf nachgewiesen, dass das auf gewohnliche Weise aus dem Blute dargestellte krystallinische Hamoglobin eine Mischung verschiedener einander verwandter Stoffe ist und dass die von demselben per Gramm gebundene Sauerstoffmenge nicht constant ist.

Mit Rucksioht auf die bei den Versuchen angewendeten Methoden sind die Absorptiometrie2 und die HiimoglobindarstellungS in den vorhergehenden Abhandlungen besprochen worden, sowie auch d as Aus pum p en der Hamoglobinlosungen. Die Lu f tanaly sen sind theils nach Bunsen'scher Methode (Absorption von CO, mittels Kali- lauge, Bestimmung des Sauerstoffs durch Explosion mit Wasserstof€) in Eudiometern, theils nach Petterson'scher Methode,6 bei welcher

Der Redaction zugegangen den 28. Mtirz !S91. Studien iiber die Kohlensaureverbindungen des Blutes. S . 50. a. a. 0. s. 51. ' Ueber L n Samstoffgehdt der H&mogIobinkrystaUe. a Berzkhte d. Lnclschen chem. Qesellsch. 1889. S. 3324.

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UEBER DIE VERBINDUNG DES HAMOGLOBINS NIT SAUEBSTOFF. 77

CO, von Kalilauge, der Sauerstoff von unterschwefligsaurem Natron in Gaspipetten absorbirt wurde, angestellt worden.

Der Petterson’sche Ayparat war unserem besonderen Zwecke gemass etwas modificirt worden, so dass eine geringere RIenge Luft leicht aus dem Eudiometer, in welchem sie durch Auspumpen ge- wonnen war, obne Verlust sich in das IIessrohr einfiillen und dort analysiren liess. Die Genauigkeit war bei der Petterson’schen und der Bunsen’schen Rlethode dieselbe.

Die quantitativen Spectralanalysen sind zum Theil mit Hulfe eines Glan’schen Apparates ausgefuhrt worden, in welchem die Licht- messung, wie bekannt, durch Drehen eines Nicol’schen Prismas ge- schieht ; bei den Bestimmungen sind alle diejenigen Vorsichtsmassregeln beobachtet, die des Nihern iron Hrn. Torup’ entwickelt sind, auf dessen Abhandlung ich verweise. Der Apparat giebt ganz besonders genaue Restimmungea , die Manipulation desselben verursacht jedoch einige Schwierigkeiten. Es wurde deshalb zu mehreren der Bestimmungen der Vierordt-Kriiss’sche Apparat angewendet , in welchem die Licht- messung mittels eiuer symmetrischen Verengerung der einen Spalten- halfte stattfindet. Das Instrument ist leicht zu behandeln und giebt gute Resultate, wenn man bei passender Verdiinnung der untersuchten Losungen dafiir sorgt, nicht zu starke Spaltverengerungen zu benutzen. Da die mit den beiden genannten Apparaten ausgefuhrten Bestimmungen nicht direct unter einander vergleichbar sind, ist im Folgenden den Bestimmungen bezw. ein Sp. Glan’s oder ein Sp. Vierordt-Kriiss’ beigefiigt, je nachdem dieselben mit Glan’schem oder Vierordt- Kriiss’schem Apparate ausgefiihrt worden sind.

Die Menge des Eisens ist auf gewohnliche W-eke durch Ein- bcherung, Reduction mittels Zink und Titrirung mit hypermangansaurem Kali, bestimmt. 81s technisches Detail ist hier zu bemerken, dass ,,reines Zink“ als Handelswaare nicht vBllig eisenfrei ist. Es ist deshalb der Eisengehalt des zur Reduction benutzten Zinks bestimmt worden, wie auch die bei jeder einzelnen Reduction benutzte Menge von Zink ge- wogen worden ist.

Die Best immungen der Moleculargewichte sind durch Untersuchung der Depression des Gefrierpunktes der betreffenden Losungen nach Raoult’s Methode ausgefiihrt. Da die in die Be- rechnungen der Moleculargewichte eingefiihrte Constante, die ver- schieden fiir verschiedene chemische Gruppen, in Bezug auf das H h o - globin unbekannt ist, ist die im Folgenden fiir das Moleculargewicht

Die KoMensiiurebindung d. Blutes. S. 70.

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78 CHRISTIAN BOHR:

angefuhrte Zahl (bezeichnet mit 41) nur relativ. Sie ist durch will- kiirliche Einfiihrun!: tler Constnnte 100 Iierausgekommen.

Erstes Capitel.

Das aus dcm Blute auf gewiihnliche Weise dargcstcllte Hamo- globin nimmt beim Sauerstoffdruckc der Atmosphke (ca. 150 mm) un- gefihr 1.5ccn1 Sauerstoff per Gramm auf. Bisweilen trifft man incles Oxyhamoglobine, welche, obgleich sie sich bei den gewijhnlichen Unter- suchungsmethoclen (der Spectralanalyse) in keiner augenfilligen Weise Ton dem gewiihnlichen Hiimoglobin unterscheiden , gleichwohl eine andere dissociable Sauerstoffmenge enthalten als dieses. Man findet auf diese Weise den lose gebundenen Sauerstoff bei 150 mm Sauerstoff- druck in einer Menge von ca. 3cc1n, ca. O-75ccm oder ca. 0.4ccm per Gramm. Diese verschiedenen Oxyhamoglobine bezeichnen wir mittels griechischer Buchstaben, so dass fur die niedrigste Sauerstoffverbindung (0.4 ccm per Gramm) die Bezeichnung des a-Oxyhlmoglobins und fur die ubrigen Modificationen nachsteigender Sauerstoffmenge bezw. des t9-, y-, GOxyhamoglobins gilt.

Da sammtliche Stoffe grosse Uebereinstimmung ihres GeprLges darbieten, ist die Moglichkeit nicht ausgeschlossen, dass das /?- und y-Oxyhamoglobin (das gewiihnliche Hilmoglobin), deren gebundene Sauer- stoffmenge zwischen der vom a- und 6-Oxyhamoglobin aufgenommenen liegt, Mischproducte der zwei letzteren seien. Indessen sind, obgleich Eines oder Anderes , besonders das recht bedeutende Wechseln der Sauerstoffmenge des y-Oxyhamoglobins dafur sprechen konne, meine Untersuchungen nicht weit genug, um auch diese Frage zu erliiuiutern, besonders fehlt in dieser Beziehung noch die quantitative Spectral- analyse des 6- und a-Oxyhlmoglobins. Wir werden deshalb die oben- genannten Oxyhamoglobine als vier Terschiedene Modificationen be- handeln und die Beschreibung derselben mit der y-Verbindung be- ginnen, uber welche die meisten Beobachtungen zu Gebote stehen.

D as y - 0 xy h am o g 1 o b in. Dieses Hilmoglobin wird aus dem Blute nach dem in einer vor-

hergehenden Abhancllung niiher beschriebenen Verfahren gewonneo, welches in seinen Hauptziigen in einem Reinwasohen der Blutkorper- chen in der Centrifuge mit diwauffolgendem Zusatze von Aether be- steht. Das Umkrystallisiren geschieht durch 'Abkuhlung der concen- trirten Losungen mit oder ohne gleichzeitigen Zusatz von Alkohol. In Bezug auf die Sauerstoffmenge, welche 1 g dieses Stoffes beim Sauer-

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UEBER DIE VERBINDTJNG DES HAYOGLOBINS MIT SAUERSTOFF. 79

stoffdrucke der Atmosphiire und bei Zimmertemperatur zu binden ver- mag, liegen mehrere Untersuchungen vor; von diesen sind die zahl- reichsten Ton Hufncr ' nusgefiihrt, es ist von ihm eine Stuerstoff- aufnahme von ungcfiihr 1 - 5

Zwischen den \-on verschiedenen Forschern in dieser E'rage an- gestellten Versuchen findet ubrigens keine grosse Uebereinstimmung statt. Was nls Ursache dessen, sowie der nicht minder einander wider- streitenden Angaben in der Litteratur iiber den Eisengehalt des Hiimo- globins anzusehen ist , wirtl im zweiten Capitel besprochen werden. Dahin ist auch am besten die Beschreibung der Versuche uber die spectralen Absorptionsverhlltnisse und das Moleculargewicht zu ver- weisen, die mir keine constanten Zahlen geliefert haben.

Eine vollstiindige Uebereinstimmung dagegen findet sich zwischen den Versuchen in Bezug auf die besonders hervortretenden Absorptions- streifen zwischen D und E. Die Mitte des ersten Streifens liegt bei 3, (der Wellenbreite) = 5775, die Mitte des zweiten Streifens bei A = 5395.

duf dieses Absorptionsspectrum , sowie auf die -4ufnahme von ca. 1 - 5 ccm Sauerstoff per Gramm muss sich daher rorliiufig unsere Definition des y-Oxyhamoglobins stutzen.

Besonders genau ist die Dissociation dieses Hiimoglbbins bei ge- wiihnlicher Temperatur untersucht worden. Einzelne wichtige Er- liiuterungen uber das Verhaltniss zwischen dem Sauerst,offdrucke und der lose gebundenen Sauerstoffmenge sind von H o l m g r e n a gegeben, welcher mit Blut arbeitete, und von W ~ r m - M i i l l e r , ~ der Hamoglobin- liisnngen anwendete. Der ganze Verlauf der Dissociationscurve, d. i. eine Curve mit den Sauerstoffdrucken als Abscissen und den auf- genommenen Sauerstoffmengen als Ordinaten hat P. Ber t4 mit Riick- sicht auf das Blut bestimmt. In Betreff des Oxyhlmoglobins habe ich ti in einer Versuchsreihe naher die hierhergehorenden Fragen unter- sucht. Weil meine Untersuchungen an einem nur schwer zuglng- lichen Orte veroffentlicht sind, fiihre ich hier die einzelnen Versuche an. Die Resultate sind auf absorptiometrischem Wege gewonnen. Die angegebenen Luftmengen sind hier, wie uberall in der Abhandlung, bei Oo und 160"" gemessen. ' Die einzelnen Versuche sind mit riimischer Zahl bezeichnet , p bedeutet den Sauerstoffdruck in Milli-

per Gramm Hlinoglobin gefunclen.

Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1878. Bd. I.

Worm-Miiller, Beriohte d. sachs. Besellsch. d. Wissensch. 1870.

Eaperim. Untersuchumgen .iiber Blutfarbstoff. Kopenhagen 1885.

* Sitxungsberichte d. Wiener Aknd. 1863.

' Pressions Barmetriques. Paris 1870.

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80 . CHRISTIAN BOHR:

metern, v der bei entsyrechendem Drucke per Gramm Hamoglobin aufgenommene Sauerstoff in Cubikcentimetern, t ist die Temperatur.

I. Liisung von 3-83 Procent.

p = 485.9 v = 1.54 t = 15.7

11. Losung von 3-74 Procent. p = 204.4 2’ = 1-46 1 = 16.0 11 = 111.4 w = 1.41 t = 14.8 p = 63.0 V = 1.38 t = 14.8 p = 36.3 V = 1.35 t = 14-8

111. Liisung vou 3.59 Procent. p = 35-9 v = 1.37 t = 16.0 p = 21.9 v = 1-36 t = 16.0

p = 6 - 3 71 = 1.01 t = 15.1

IV. Liisung von 1.75 Procent.

p = 13.4 v = 1.20 t = 15.0 p = 9.3 v = 1 - 0 8 t = 15.1

p = 379.8 v = 1.60 t = 11.5 p = 388.4 ‘1’ = 1.55 t = 20.4

V. Losung von 1.96 Procent.

p = 461.7 v = 1.56 t = 15.2

VI. Lasung von 1-94 Procent.

p = 339.0 2: = 1.54 t = 15.6

VII. Losung von 1 ~ 8 8 Procent. p = 308.2 v = 1.56 t = 15.0 p = 157.5 v = 1.52 t = 15.0 p = 12.2 V = 1-26 t = 15.0 p = 7.6 v = 1-17 t = 15.1 p = 2.0 v = 0.53 t = 15.0

VIII. Losung von 1-80 Procent. p = 138.5 v = 1-52 t = 15-3 p = 23.1 V = 1.35 t = 15.4 p = 12.8 V = 1.25 t = 15.4 p = 6.2 v = 1.15 2 = 15.4 p = 1.5 v = 0-50 t = 15.2

IX. LSsung von 0.87 Procent. p = 270.6 v = 1.69 t = 14.8 p = 133-4 v = 1.55 t = 15.1

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UEBER DIE VERBINDUNG DES HAMOGLOBINS MIT SAUERSTOFF. 81

X. Losung von 0.89 Procent. p = 2 . 6 v = 0 .73 t = 14.6 p = 2 . 0 v = 0.55 t = 14.9

XI. Losung von 0.90 Procent. 1) = 298.8 v = 1.70 t = 15 .4 p = 11.4 w = 1-07 t = 14 .6 p = 8 - 7 v = 1.02 t = 14.7 p = 2 . 3 v = 0 .60 t = 14.4

Die in diesen Versuchen als vom Hamoglobin absorbirt angegebenen Sauerstoffmengen sind gefunden als Differenz zwischen der thatsiichlich beobachteten totalen Absorption in der HLmoglobinlosung und dem Theil des Sauerstoffs, der proportional mit dem Drucke im Wasser aufgenommen ist. Der Absorptionscoefficient ist fur Hamoglobinlijsungen niedriger als fur Wasser (Experim. Untersuch. S. 37); derselbe muss je nach der verschiedenen Concentration der Hamoglobinlijsungen ver- schieden sein; bei Berechnung der Versuche musste man deshalb in den Fallen, in welchen die Concentration grosser gewesen ist, ge- ringere Mengen in Wasser aufgelosten Sauerstoffs in Abzug bringen. Indess ist wegen mangelnden genaueren Nachweises dieses Verhaltnisses iiberall derselbe Absorptionscoefficient benutzt worden. Dieses ist bei niedrigerem Drucke ganz ohne Bedeutung , indem die absolute Griisse des Absorptionscoefficienten des Sauorstoffs gering ist, und aus diesem Grunde wird auch der von der Anwendung eines nicht vollstlndig genauen Ahsorptionscoefficienten herruhrende Fehler in der Form der Curve nur geringfiigige Bedeutung haben.'

Die aus den obenstehenden Versuchen iiber die Dissociation des Hamoglobins bei 15O henuleitenden Resultate lassen sich in folgende drei Satze zusammenfassen:

1) Die Curve, welche die Relationen zwischen dem Sauerstoffdrucke und der aufgenommenen Sauerstohenge ausdriickt, ist eine regelmhsige Curve mit gleichmassigeni Verlauf und von einer in untenstehender Figur mit dem Zeichen y dargestellten Form. Die starkste Kriimmung derselben fillt ungefihr bei Druck von 10 mm; hiermit stimmen Holm- gren und Worm-Miiller iiberein, indem sie bezw. fiir Blut und Hiimoglobin gefunden haben, dass das Hamoglobin erst griissere Mengen von Sauerstoff abgiebt, wenn der Druck unter die Griisse von 20"" herabgesunken ist. Dass doch dieses auf keine Weise die Bedeutung eines plbtzlich eintretenden schroffen Abfalls der Curve habe, der als

Siehe Beitrage x. Lehre von d. Kohlensaureverbindwngm d. Blutes. S . 58. Skandin. Archiv. 111. 6

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82 CHRISTIAN BOIIR:

Ort, einer Dissociabionsgrenze aufzufassen sei, ging aus P. B e r t ’s Ver- suchen uber die Sauerstofiaufnahme des Blutes ausserhalb des Orga- nismus hervor. Es lasst sich nach den Versuchen dieses Forschers nicht bezweifelri, dass die Dissociationscurve des Oxyhamoglobins eine gleichmbsig oerlaufende Curve sein musse, die ihre Concavitat gegen die Sbscissenase kehre. Der formelle Beweis hierfiir ist durch die oben stehentlen Versuche geliefert worden, in denen ausserdem der Verlauf der Curve im Einzelnen mit griisserer Geniluigkeit festgesetzt worden ist, als es die P. Bert’sche Methodik erlaubte.

2) Die Versuche zeigen uns, dass das Oxyhamoglobin bei dem hijchsten der angemendeten Drucke nicht mit Sauerstoff gesattigt ist. Die Dissociationscurve ist bei steigendem Drucke stets, wenn auch zu- letzt nur sehr schwach steigend und scheint sich asymptotisch einer Sa t t igungsgrenze zu niihern. Dasselbe gilt, wie wir in einer fruheren Abhandlung gcsehen, beziiglich des Carbohamoglobins. Sowohl fur das Oxy- und das Carbohimoglobin erhiilt man das angegebene Resultat dildurch, dass die simmtliche, in der Himoglobinlijsuiig aufgenommene Gasmenge selbst bei den hochsten in Anwendung gebrachten Drucken nicht dem Henry’schen Gesetze folgt.2

Wenn bei P. B e r t 3 sich angefuhrt findet, days das Blut bei dem Drucke einer Atmosphlire mit dissociablen Sauerstoffe gesettigt sei und dass die Sauerstoffaufnahme desselben bei der Vermehrung des Druckes uber diese Grenze hinaus eine geradlinige Function des Druckes werde, ist solches nur auf‘s Ungefiire zu verstehen. Seine Versuche, die sich bis auf einen Druck von 18 Atmosphiiren erstreckt haben, kBnnen aus dem Grunde auch nicht v6llig genau sein, weil das Mariotte’sche und dann auch das Henry’sche Gesetx bei hohen Drucken nicht exact ist, welches Einfluss auf die Berechnung der aufgenommenen Luft erhglt. Vergleicht man die verschiedenen Versuche, die von P. B e r t an dem citirten Orte angefuhrt werden, wird man denn auch finden, dsss die- jenigen Sauerstoffmengen, die einfach nach dem Henry’schen Gesetze ab- sorbirt sollen sein, von 0 .3 bis auf 1 . 1 2 ccnl per Atmosphsre und ‘per 100 cem Blut variiren.

3) Es beeinflusst die Concentration die Dissociationscurve, nnd zwar in der Weise, dass bei gleichem Drucke je grosser die Concen- tration, desto kleiner die Sauerstoffaufnahme ist. Die Sattigungsgrenze liegt sodann fur die hohere Concentration niedriger, als fiir die schwachere Concentration. Dieses geht aus einem Vergleich mit den

a. a. 0. S. 687. Siehe hieriiber des Ntiheren in BeitrtXgt? L. Lehre von aha Kohlsnsawre-

a. a. 0. S. 697. verbindungen des Blutes. S . 58.

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UEBER DIE VERBINDUNG DES HAMOGLOBINS MIT SAUERSTOFF. 83

~

Sauerstoff- druck in mm

per Gr. Hiitnoglob. per Gr. Hfirnoglob. itufgen. Sauerstoff 1 aufgvn. Saucrstotf

iu ccrn ; 4 proc. ~ a s g . 1 in ccrn ; 2 proc. ~6sg .

* a. a. 0. S. 687 ff. 6'

20 1 . 2 4 40 1-37 60 1 . 4 2

150 1 . 4 4

1 . 3 2 1 . 4 4 1 .48 1 . 5 3

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84 CHRISTIAN BOHR:

liuterung des niiheren Details beziiglich dcr Form der Curven sind die P. Bert’schcn Versuche unzullnglich und dann namentlich zur Er- lauterung der Frage, inwiefern der Punkt der grossten Kriimmung der Curve bei I<iirpertemperatnr bei einem anderen Sauerstoffdrucke liegt, als bei der Curve fur 1 5 O , oder ob die beiden Curven in dieser Hinsicht einander gleich sind und sich, wie es der Fall beim Carbohamoglobin ist ,l durch die verschiedene Lage der Sitt,igungsgrenze unt’erscheiden.

Freilich ist P. B e r t der Meinung, aus seinen Versuchen die hier behaiidelte Frage entscheiden zu k6nnen. Es zeigt sich indess, dass der eine der fur die Form der Curve bei Korpertemperatur entscheidendsten Punkte, ngmlich der einem Sauerstoffdrucke von 38 nlm (190 mm Atmo- sphiirendruck) entsprechende, die Mittelzahl zweier Werthe bildet, die zu uinander in so distantem Verhiiltnisse stehen, dass die Lage des Punktes durchaus uiisicher wird; die zwei Werthe, aus denen dieselbe hervor- gegangen ist, sind im Versuche CCVIII und CCIX S. 695 zu finden und sind bezw. 16 .5 und 11.6, wenn die im Blute beim Drucke der Atmo- sphare enthaltene Luft gleich 20 gesetzt wird.

Das li-Oxyhamoglobin. Ah und zu trifft man eine Hamoglobinauflosung,, die per Gramm

Himoglobin ungefihr doppelt so vie1 Sauerstoff aufnimmt, als das Oxyhhoglobin. Dieses Himoglobin, das S-Oxyhamoglobin, willkiir- lich darstelleii zu konnen, ist mir noch nicht gegliickt. Die Ver- bindung ist in einprocentigen Losungen angetroffen worden, naehdem diese einige Zeit in zugeschmolzenen Kolben aufbewahrt worden sind ; zu gleicher Zeit eingeschmolzene concentrirtere Losungen des ent- sprechenden Hamoglobins zeigten diese Eigenthumlichkeit nicht. Es scheint, als ob in Jolin’s3 Versuchen mit Meerschweinhamoglobin eine ahnliche Verbindung durch lingere Einwirkung des Sauerstoffs auf eine einprocentige Losung sich gebildet habe; in diesem Falle wurde sowohl das Oxy- als das Carbohiimoglobin des Meerschweins sich leichter in verschiedene Modificat,ionen haben uberfiihren lassen, als es der Fall mit Hundehlmoglobin ist.

Das Spec t rum desselben zeigt Streifen von ganz gleicher Lage, mie das des y-Oxyhamoglobins. Die Lichtabsorption ist nicht quantitativ untersucht worden.

Die Dissociationscurve ist durch zwei hier folgende Versuche bestimmt worden. Die Bedeutung der Buchstaben ist dieselbe, wie bei den friiheren in dieser Abhandlung angefiihrten Versuchen.

Siehe Bohr, Beitr. x. Lehre von d. Kohlmaweverbind. d. Blutes. S. 59. P. Bert, a. a. 0. S. 691.

’ Jolin, Archiv f . Anat. u. Physiol. 1889. S. 284.

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UERER DIE VERRINDUNG DES HAMOGLOBINS MIT SAUERSTOFF. 85

Versuch I. Lasung von 0.892 Procent.

p = 13.1 D = 2.75 t = 14.8 p = 7 . 6 v = 2.73 t = 15.1 p = 4 . 9 v = 2.62 t = 15.2 p = 3 .0 v = 2-48 t = 1 5 - 2

Versuch 11. Lasung von 0.921 Procent.

p = 531.1 p = 392.3 p = 245.6 p = 125.6 p = 67.7 p = 37.4 p = 21.1

p = 4.7 p = 9 - 2

v = 3.04 17 = 2.70 v = 2 - 7 4 v .- 2.62 v = 2.49 w = 2.47 v = 2-55 v = 2.52 v = 2.29

t = 15.3 t = 15.3 t = 15.4 t = 1 5 . 3 t = 15.5 t = 14 .8 t = 14-9 t = 1 5 - 0 t = 15.1

Durch graphische Interpolation erhalt man hieraus eine Disso- ciationscurve von der in der Figur mit dem Zeichen 3' angegebenen Form. Die Uebereinstimmung der einzelnen Bestimmungen ist der schwachen Concentration wegen nicht vollig so gross, wie in den Ver- suchen mit dem y-Oxyhamoglobin , jedoch hinliinglich zur Sicherung einer ungefihr richtigen Lage der Curve. Es folgt hier eine Tabelle uber die bei vcrschiedenem Sauerstoffdrucke vom &Oxyhamoglobin auf- genommenen Sauerstohengen. Sauerstoff-Druck in mm . . . 5 10 20 40 60 150 Sauerstoff per Gr. IILmgl. in ccm 2-48 2 .60 2.68 2.69 2.70 2.80

D as /?- 0 x y h am o g lo bi n.

Trocknet man Oxyhiimoglobinkrystalle auf die in der vorhergehen- den Abhnndlung naherangegebenen Weise und lost man das getrocknete Pulver in Wasser auf, nimmt die Losung (das @Oxyhiimoglobin), welche iibrigens dasselbe Absorptionsspectrum darbietet , als das gew ohnliche Oxyhamoglobin, unter gleichen Verhaltnissen jedoch eine geringere Sauerstoffmenge als dieses auf.

Um dieses Verhaltniss nHher zu untersuchen, habe ich sowohl in einer Losung gewohnlichen Oxyhimoglobins (y-Hamoglobin), als in der aus denselben Krystallen durch Trocknung und wiederholte Lijsung dar- gestellten /?-Modification folgendes bestimmt: das Residuum (Trocken- ruckstand) die Eisenmenge, die re la t ive Molecularzahl, die Sauerstoffabsorption und sowohl eine Messung der Absorptions-

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86 CHRISTIAN IJoart:

streifenlage, als auch eine Bestimmung des spectralen Absorptions- verhaltnisses vorgenommen.

Die Versuche folgen unten ; zur Erliiuterung diene folgendes : Wenn die ron den Himoglobinliisungen aufgenommene Sauerstoffmenge bestimmt werden sollte, so wurden dieselben zuerst mit reiner atmo- sphirischer Luft geschuttelt, bis sie gesattigt waren. Von der durch Auspumpung gewonnenen Luft ist dasjenige Quantum in Abzug ge- bracht, melches sich als im Wasser aufgelost, berechnen lbst, eine Correction, die iibrigens hier nur eine geringe Rolle spielt. In Bezug auf die Bestimmung des spectralen Absorptionsrerhaltnisses (u,) ergiebt sich, wie bekannt, wenn der mit dem Spectrophotometer gefundene Exstinctionscoefficient E und die Concentration der Himoglobinlosung (Gewichtstheile des Hamoglobins in 100 ecm Flussigkeit) C genannt wird:

u, = hat unter der Voraussetzung, dass die Lichtabsorption ver- schiedener Hiimoglobinproben fur einen bestimmten Ort des Spectrums identisch ist, einen constanten Werth. Da diese Voraussetzung indess hinfillig zu sein scheint, benutzen wir umgekehrt die Variationen des u, als Maass fur die Unterschiede zwischen der Lichtabsorption der ver- schiedenen Arten von Hamoglobin; cc, ist dann proportional der einer Einheit der Lichtabsorption entsprechenderi Menge Hamoglobin bestimmt als Residuum in der Himoglobinlosung.

Man kann aber d a m in analoger Weise ebenfalls die einer Ein- heit der Lichtabsorption entsprechenden Menge Sauerstoff und Eisen bestimmen, indem man, wenn die Menge von Sauerstoff und Eisen in loocern Flussigkeit bezw. mit 0 und Fe bezeichnet wird, erhalt:

0 = uoc,,E und Fe = u,,E. Fe und uf, = - giebt uns in Verbindung mit a, einen Ueber- 0 E uo, = - E

blick iiber das VerhHltniss der Lichtabsorption zur Menge von Sauer- stoff, Eisen und dem Residuum in den Losungen der verschiedenen Arten von Hamoglobin.

Die Orte im Spectrum, an denen die Lichtabsorption gemessen worden ist, werden im Folgenden durch ihre Wellenliinge (A) bezeichnet. Die procentischen Angaben sind Volumenprocente so.: Gramm Stoff in 100ccm Losung. Die Luftarten sind bei Oo und 760"" gemessen.

C = u,E. c

Versuch I. Aus den feuchten und trockenen Krystallen wurden Ltisungen zubereitet, deren Untersuchung die unten in tabellarischer Form angefiihrten Resultate ergab. Das trockene Pulver enthielt vor der Auf- ltisung 15 Procent Wasser und 0.39 Procent Eisen:

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. . . . . . Volumenprocent Residuum Sauerstoff per l O O g Residuum . . Volumenprocent Eisen . . . . . Procent Eisen im Residuum . . . . . Sauerstoff per Gr. Eisen. . . . . . . ivIolecularzah1 . . . . . . . . . Die Mitte des 1. Absorptionsstreifens . u , (1 = 545). . . . . . . . . . . (1 , (1. = 538). . . . . . . . . . . no , (A = 545). . . . . . . . . . . a,, (A = 545). . . . . . . . . . .

. Die Mitte des 2. Absorptionsstreifens . .

I

7.30 14.47 ~ 54.5 130.2 0.06674 0.03329 0.461 0.456

282.3 119.6 15220 , 14600

1. = 577 I 1. = 577 1. = 540 1. = 540 0.1017 0.2019 0.1316 0.1867 0-1325 0.1101 0.00469 0.00921

Die Spectraluntersuchungen in obenstehendem Versuche sind mit dem Vierord t-Kriiss’schem Apparate ausgefuhrt. Ich fiige nooh zwei Versuche mit dem Glan’schen Spectrophotometer ausgefiihrte Ver- suche hinzu. Diese Versuche beschranken sich auf eine Feststellung des spectralen Absorptionsverhaltnisses fur zwei p-Oxyhhoglobin- losungen. Die dem y-Oxyhiimoglobin entsprechenden Absorptionsver-

Volumenprocent Residuum . . . . . . Sauerstoff per 1006 Residuum . . . . Volumenprocent Eisen . . . . . . . Procent Eisen im Residuum . . . . . Sauerstoff per Gr. F e . . . . . . . Relative Molecularzahl . . . . . . a, (A = 599). . . . . . . . . . . a,. (A = 578). . . . . . . . . . . ar (A = 545). . . . . . . . . . . a, (A = 543). . . . . . . . . . . a,, (1 = 545). . . . . . . . . . . a,. (A = 545). . . . . . . . . . .

13.22 1 5.56 131-2 78 * 25

0.05321 0 * 02659 0.403 0.480

5740 7120 0.2159 0.1885 0.08395 0.09774 0.09025 0-09667 0.09403 0.1004 0-1184 0.0756 0.003632 0.004622

325 * 9 163.7

Page 13: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

88 CHRISTIAN BOHIL:

haltnisse sind den Torup'schen Untersuchungenl mit dem Glan'schen Apparate entnommen.

Versuch 111. y-Oxyhamoglob. ,f-Osybamoglob.

. . . . . . . . . . . 0.3744 a', (1 = 563) 0.2022 n, (1. = 544) . . . . . . . . . . . 0.1275 0.3162

Versuch IV. n, (n = 544) . . . . . . . . . . . 0-1275 0.2554

Das a-Himoglobin hat per Gramm Residuum im Versuche I und I1 im Mittel 0.7 ccm Sauerstoff aufgenommen, wahrend das y-HB- moglobin 1 a 3 ecm aufgenommen hat.

Auch per Gramm Eisen hat das y-Hamoglobin ungefahr das Doppelte des Sauerstoffs beim ,9-Hamoglobin aufgenommen (im Ver- such I verhalten sich die per Gramm Fe aufgenommenen Sauerstoff- mengen wie 2.4 : 1, im Versuche I1 wie 2 : 1).

Der Eisengehalt ist im ,9-Hamoglobin hoch, auch wo er es im entsprechenden y-Hamoglobin (Versuch 11) nicht ist. Beziiglich der Variationen des Eisengehaltes im y-Hamoglobin siehe nachstes Capitel.

Das Moleculargewicht ist im Versuche I beim Uebergang vom y- zum /?-Hamoglobin unveriindert geblieben; im Versuche I1 findet sich fiir das /?-Hamoglobin eine etwas htihere Molecularzahl, doch ist der Unterschied zwischen den Molecularzahlen dieses Versuches nicht griisser als dws man, mit Riicksicht auf die verhiiltnissmassig schwachen Losungen, die man bei Bestimmung der Gefrierpunktsdepressionen hat anwenden miissen, wohl kaum demselben irgend eine Bedeutung bei- legen diirfe.

Die Spectraluntersuchungen zeigen, dass der Unterschied, der bei den Lichtabsorptionen desselben Hamoglobins in den versohiedenen Regionen des Spectrums sich ergiebt, verhaltnissmksig geringer in Bezug auf das /?- als das y-Oxyhlmoglobin ist. Ferner ist ersichtlich, dass a, stets grijsser fur das /?- als ftir das y-Oxyhamoglobin ist, welches be- deutet, dms das /?-Oxyhamoglobin unter gleichen Verhaltnissen weniger Licht als das y-Oxyhamoglobin absorbirt. In mehreren Fallen ist a, in

4 gleichem Verhaltnisse gestiegen, als die Sauerstoffaufnahme sich vermindert hat (ungefahr wie 1 : 2), hier wiirde eine Bestimmung der Lichtabsorption und Sauerstoffmenge uns die grosse Veriinderung nicht verrathen, welche das HImoglobin doch in der That erlitten hat. Im Versuche 11 ist wohl cr, griisser fiir das ,8- als das y-Hiimoglobin, aber bei weitem

a. a. 0. s. 98.

Page 14: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

UEBER DIE VERBINUUNG DES HAMOGLOBINS MIT SAUERSTOFF. 89

nicht in so hohem Grade als die absorbirte Sauerstoffmenge geringer ist. Es zwingt uns also dieser Versuch, die Anschauung zu verlassen, welche uns durch die iibrigen Versuche nahe gelegt wird, dass sich eine einfache Abhlngigkeit der Lichtabeorption von der Sauerstoff- absorption fiinde.

In einer fruheren Ahhandlung' habe ich gezeigt, dass sich durch die gleichzeitige Einwirkung von Sauerstoff und Kohlensjiure auf das Hamoglobin haufig das Oxyhamoglobin bildet; in Uebereinstimmung mit diesem Resultat ist es, wenn Brouardel und Loye friiher ge- funden haben ,2 dass die respiratorische Capacitat des Blutes durch stundenlange Einwirkung der Kohlensaure auf die Halfte reducirt werden kann.

Das a-Oxyhiimoglobin. In einer vorhergehenden Abhandlung wurde nachgewiesen, dass

trockene Oxyhamoglobinkrystalle per Gramm Hamoglobin 0- 36 ccm

Sauerstoff enthielten. Am selben Orte wurde darauf aufmerksam ge- macht, dass hierdurch die Moglichkeit gegeben ware fiir das Tor- handensein einer hesonderen Art von Oxyhamoglobin mit dem ge- nannten niedrigen Sauerstoffgehalt per Gramm. Dass nun wirklich eine solche Modification (das a-Oxyhamoglobin) besteht, geht daraus hervor, dass man auf folgende Weise ein Hamoglobin darzustellen ver- mag, welches in gelostem Zustande ca. 0-4ccm Sauerstoff per Gramm zu binden im Stande ist.

Wir gewinnen das a-Hamoglobin aus dem &Hihoglobin durch das Auspumpen einer Losung letztgenannten Stoffes mit darauffolgen- dem Schutteln mit atmospharischer Luft. Das Spectrum ist beziiglich der Lage der Absorptionsstreifen dasselbe wie fur das y- und ,&Hlrno- globin. Die quantitative Licht4absorption ist noch nicht untersncht worden.

Beror mir des Niiheren die Versuche betrachten, welche mit dem ct-Hamoglohin angestellt worden sind , werden wir untersuchen , wie sich eine Losung des gewohnlichen Oxy hamoglobins (dm y-Hlmoglobin) verhalt , wenn dieselbe ausgepumpt wird. Wir werden dann finden, dass das y-Oxyhimoglobin sich bei dieser Behandlungsweise unver- iindert halt; es nimmt ziemlich genau ebenso vie1 Luft wie friiher (vielleicht ein wenig mehr) auf.

Archiv. S. 64. Beitriige zur Lehre von den Kohlensliureverbindungen dea Blutes. Dies

Compt. rend. ale la SOC. biolog. 1885. I) Bohr und Torup, Ueber den Sauerstoffgehalt &r Oxyhiimoglobinkrystalle.

Page 15: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

90 CHRISTIAN BOHR:

Dieses zeigen folgende Beispiele: Beispiel 1. Eine y-Oxyhamoglobinlosung von 13-52 Procent

gab durch Auspumpen per 100 g Hiimoglobin 126 cenl Sauerstoff ab. Das ausgepumpte Hamoglobin wurde mittels Wasser verdunnt, bis die Losung 9- 14 Procent enthielt. Diese Losung wurde mit atmospha- rischer Luft geschuttelt und es zeigte sick nun, dass diese Losung per 100 Gramm Hiimoglobin 127 ecm Sauerstoff enthielt.

Eine y-Osyhimoglobinlijsung von 8.63 Procent gab durch Auspumpen 118 ccm Sauerstoff per 100 g Hamoglobin ab. Das ausgepumpte Hamoglobin wurde auf 8.47 Procent verdunnt und mit atmosphiirischer Luft geschuttelt. Es gab, als es dann wieder aus- gepumpt wurde, 1 19

Ganz anders verhielt sich eine P-Oxyhamoglobinlosung; wie fol- gende Versuche zeigen, rerandert es sioh durch die Auspumpung.

Versuch 1. Eine P-Oxyhiimoglobinl6sung (1 0 * 2 Procent) wurde mit atmosphgrischer Luft geschiittelt und ausgepumpt ; die Losung gab per 100 g Hilmoglobin 78 ccnl SauerstoE ab. Das ausgepumpte Hiimoglobin wurde zum zweiten Male mit atmosphlirischer Luft geschuttelt und eine neue Auspumpung ergab nun per 100 g Hilmoglobin 42 * 8 cem Sauerstoff.

Beispiel 2.

Stluerstoff per 100 g Hamoglobin all.

m j0-r

Versuch 2. Eine Llisung des im Versuche 1 benutiten Hboglobins wurde im Absorptiometer ausgepumpt. Nachdem die 6.4 proc. Llisnng vollsthdig von aller Luft befreit worden war, wnrde die Menge des Sauer- stoffs bestimmt, welche dieselbe zu absorbiren im S h d e war. Man fand, dass l O O g H&moglobin 42 ecm Sauerstoff gebunden, welches mit dem auf

Page 16: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

UEBER DIE VERBINDUNG DEY HAMOGLORINS MIT SAUERSTOFF. 91

anderem Wege im Versuche 1 gewonnenen Resultate iibereinstimmte. folgt hier eine Tabelle uber die absorptiometrischen Bestimmungen: Sauerstoffdruck in mm . . . . . . 0 11.6 1 9 . 2 34.9 65.5 per Gr. Hiimogl. aufgen. Sauerstoff in ccm 0 0.363 0.405 0.421 0.421

Es

Temperatur . . . . . . . . . . - 1 7 . 4 1 6 . 9 17.0 17.1

Die dadurch gefundene Dissociationscurve ist in der Curventafel unter

Durch graphische Interpolation findet m8n folgende Uebersichtstafel dem Zeichen u wiedergegeben.

fur die Dissociation des u-Oxyhiimoglobins. Sauerstoffdruck in mm . . . . . . . 5 10 20 60 per Gr. H8mogl. aufgen. Sauerstoff in ccm 0 . 2 5 0 .35 0.40 0 . 4 2

In nebenstehender Curvenzeichnung sind die Abscissen Sauerstoffdruck in Millimeter, die Ordinaten die entsprechenden von 1 6 Hamoglobin auf- genommenen Sauerstoffmengen in Cubikcentimeter (bei 0 und 760 mm).

Die Buchstaben 13, y und a bezeichnen, dass die Dissociationscurven den gleichbenannten Hamoglobinmodificationen angehoren.

Zweites Capitel .

Wie mir gesehen, giebt es verschiedeiie Artec yon Oxyhimoglobin, welche durch Behandlungsweisen , die als nur wenig eingreifend zu betrachten sind, in cinannder ubergefiihrt werden kijnnen.

Es stellt sich nun die Frage ein, ob dasjenige Hamoglobin, welches wir auf krystallinischem Wege aus dem Blute darstellen (und welches oben in umkrystallisirtem Zustande y-Oxyhamoglobin genannt worden ist) ein gleichartig zusammengesetztes Product oder eine Mischung verschiedener Hiimoglobine ist. Zur naheren Priifung dieser Frage werden wir untersuchen 1) ob das Hamoglobin verschiedener Blub proben einer und derselben Thierart identisch ist, und 2) ob es mog- lich ist, im gewiihnlichen Hamoglobin Hlimoglobine verschiedenen Sauer- stoffgehaltes nachzuweisen.

T

1.

Insofern man aus dem Blute die ganze in demselben enthaltene Hamoglobinmenge in krystallisirtem Zustande soweit wie moglich aus- zuscheiden wunscht, und insofern man das Umkrystallisiren zu ver- meiden und doch ein reines Product zu gewinnen wiinscht, habe ich folgendes Verfahren zweckmLsig gefunden. Den eisgekiihlten in den Centrifugen reingewasohenen Blutkorpern wird eisgekiihlter Aether zu- gesetzt; nach Stehen in ca. zwolf Stunden in einer schwachen Kalte- mischung hat ungefahr alles Hamoglobin sich krystallinisch aus- geschieden. Durch Centrifugirung theilt sich der Inhalt des Glases

Page 17: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

92 CHRISTIAN BOHI~:

darauf in vier best.immt abgetrennte Theile: eine obere Schicht klaren Aethers, darunter eine gallertartige Schicht, melche wie ein Pfropfen das Glas schliesst und sich als ein zusammenhiingendes Gauzes ent- fernen lasst, darauf eine Schicht atherhaltiger nicht sehr concentrirter Lijsung von Hamoglobin in Wasser und endlich auf dem Boden des Glases eine Schicht von Krystallen. Diese letzteren zeigen sich bei der mikroskopischen Untersuchung ohne fremde Beimischung; sie werden in eiskaltem Wasser aufgeschlenimt und gleich darauf ab- centrifugirt, wortluf sie fertig zum Gebrauche sind. Das Stroma der Blutkorperchen findet man in der gallertigen Schicht, die unter dem Mikroskope als eine mit Krystallen gemischte Detritusmasse er- scheint.

In einer Reihe auf diese Weise dargestellter Hamoglobine aus zufallig gewahlten Proben Hundeblutes, habe ich das Residuum, die Eisenmenge, sowie die von 1 g Hamoglobin beim Druoke der Atmosphare gebundene Sauerstoffmenge wie auch das spectrale Absorptionsverhalt- niss (a,, aye, cc,, siehe voriges Capitel) der Losung untersucht. Die Resultate finden sich in untenstehender Tabelle, aus welcher hervor- geht , dass die Verhaltnisse zwischen der absorbirten Sauerstoffmenge einerseits und dem Residuum, dem Eisen und der Lichtabsorption andererseits sehr variirende sind und dass der Eisengehalt und die Molecularzahl sich ebenso verhalten.

Bus nebenstehender Tabelle geht hervor, dass der Eisengehalt sioh zwischen 0.32-0.46 Proc. bewegt, die relative Moleoularzahl zwischen oa. 3000 und 15 000. Das niedrigste Moleculargewicht und den geringsten Eisengehalt findet man in der Nr. XIV und XVT, welche beide darin iibereinstimmen , dass das benutzte Hiimoglobin aus Blut dargestellt ist, welches ca. zwei Tage auf Eis gestanden hatte, wogegen die anderen Proben von Hamoglobin stets aus dem eben entleerten Blute dar- gestellt sind. Das die genannte Zeit auf Eis bewahrte Blut zeigte auoh nicht die mindeste Decomposition. Aus Nr. XVI geht hervor, dass das Moleculargewicht fiir Hamoglobin ziemlich genau das gleiche ist, ob das Losungsmittel 'la,, Proc. kohlensaurev Alkali oder Wasser. Die starken Variationen in dem Eisengehalt und dem Moleculargewioht beriihren selbstverstiindlioh nicht nothwendig den sauerstoff bindenden, eisenhal- tigen, gefirbten Kern des Hamoglobinmoleciils, sondern lassen sich ebensowohl herleiten aus den Variationen des anderen nioht gefirbten Theiles, des zmeiten der beiden Theile, aus denen, wie wir es uns vor- stellen, das Hhoglobinmoleoiil zusammengesetzt ist ; da, wie es in einer vorhergehenden Abhandlung naohgewiesen, sich annehmen l b t , dass dieser letztgenannte Theil die Eohlensaure bindet, die in variabler

Page 18: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

UEBER DIE VERBINDUNG DES HAMOGLOBINS MIT SAURHSTOPF. 93

0.461 - __

0.316

1 I 9.6 0.357 138 ' 385 0.1352

130 121 101 -

11 ~ 6.3 , 0.368 137 111 15.8 0.351 129 Iv 13.5 ' 0.359 ' 129

- 373 366 0.1199 360 0.1399 352 0.1073 350 0.1155 348 0.1100 343 0.1316 333 , 0.1293

- 332 326 0.0902 320 1 - 282 0.1017 - 1 0.1037

1 - - - -

~ijsudg in ~ a a

1. = 545

103 a,. 1 a,, -- ._ - ___ 0.4826 0.1860 - - ,

0.4207 I 0-1540 0.5023 0.1810 0.3938 0.1317 0.4178 0.1463 0 * 3978 0 * 1386 0.4999 0.1713 0.4704 0.1567 - -

I

I 1 -

0.3632 0.1184 -

0.4692 1 0.1325 - I 0.1250

- - * 3000, in Na&O,

Menge vom Himoglobin ilufgenommen wird, ware es nicht ohne Be- deutung gewesen, gleichzeitig mit dem Moleculargewicht auch die Ab- sorption der genannten Luftart zu bestimmeii, dazu fehlte mir jedoch die Gelegenheit.

Wovon nun die Veranderungen des Eisengehaltes und des Mo- leculargewichtes herriihren mogen, so geht es ferner aus dei Tabelle mit Sicherheit hervor, dass die Zusammensetzung des gefirbten Kernes im Hhoglobine ebenso wenig constant sein kann. Denn weder die per Gramm Eisen aufgenommene Sauerstoffmenge (Colonne IV), noch die per Lichteinheit aufgenommene Sauerstofhenge (Colonne VII) sind constant; ebenso wenig iibrigens wie die in den Colonnen V, VI und I11 enthaltenen Zahlen. Betrachten wir in den einzelnen Colonnen den Unterschied zwischen der niedrigsten und der hochsten Zahl, wenn dieser Unterschied in Procenten der letztgenannten ausgedriickt wird, erhalten wir in IV (0 per Gramm Fe) ca. 27 Procent, in VII (aw) ca. 36 Procent, in V (uI) ca. 36 Procent, in VI (u,J ca. 28 Pro- cent und in 111 (0 per Bramm Residuum) w. 27 Procent. Wir sahen

- im vorigen Capitel, dass der Fehler bei einer Doppeltbestimmung des Verhiiltnisses zwischen dem Residuum und dem Sauerstoff nicht ein Procent des Werthes ausmacht, selbst wenn die Bestimmungen in der

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94 CHRISTIAN BOHR:

Weise ilusgefiihrt werden, welche den hBchsten Anspruch auf Genauig- keit erhebt (s. S. 90 Beispiel 1 u. 2 dieser Abhandlung). Die Tabelle lehrt uns dann, dass ein aus verschiedenen Blutproben dar- gestelltes Hiimoglobin ein Product ist, welches von der Lage der Absorptionsstreifen abgeschen, in gar keinem wesentlichen Charakterzuge constant ist.

Wie ein Bliok nuf clic Variationen in den verschiedenen Chlonnen der Tabelle zeigen w i d , findet man keinen in die Augen fallenden Zusammenhang zwischen den Variationen der Lichtabsorption , der Sauerstoffabsorption und des Eisengehaltes, und lbs t sich dieses miig- licherweise daraus erklaren, dass dcr Stoff mit dem wir arbeiten, eine Mischung verschiedenartiger Hamoglobine ist, in denen die drei genannten Griissen verschieden und einander nicht proportional sind.

Die Variabilitat, welcher das HImoglobin unterworfen ist, scheint bei niiherer Betrachtung der Arbeiten anderer Forscher in keiner Weise unvereinbar mit den dort enthaltenen Resultaten.

Die grossen Unt'erschiede, welche die Angaben der verschiedenen Porscher darbieten, scheinen mir weit besser dadurch erklLt zu werden, dass man das Hamoglobin als einen nicht constanten Stoff betrachtet als durch die in der liege1 auftretende Annahme, dass sich in die Be- stimmungen ein bedeutenderer Pehler eingeschlichen habe, eine Er- kllrungsweise, die meiner Meinung nach eben bei biologischen Unter- suchungen am liebsten rnit grosser Vorsicht anzuwenden ist, es sei denn, dass in den angewendeten Methoden ganz bestimmte Fehler sich nachweisen lassen.

Besonders von friiheren Untersuchern liegt ein bedeutendes Ma- terial von Bestimmungen des Eisengehaltes im Hamoglobin und der Sauerstoffabsorption desselben bei Atmospharendruck vor.

Ich fiihre ohne Anspruch auf Vollstiindigkeit eine Zusammen- stellung derselben weiter unten an, indem ich mich doch, um den Vergleich mit meinen eigenen Versuchen zu ermoglichen, auf die Ver-

. suche mit aus Hunde- und Pferdeblut dargestelltem Hiimoglobin be- schriinke. Dieses letztere Blut ziehe ich mit heran, weil ich weiter unten einige von mir mit diesem Blute angestellte Versuche an- fiihren werde.

Ueber den Eisengehalt giebt die nebenstehende Tabelle Aufschluss. Die Variation im Eisengehalt des Hundehiimoglobins ist bei den

verschiedenen Untersuchern eine bedeutende. Die Werthe bewegen sich zwischen 0.33 und 0.45 Proc., ungefahr denselben Grenzen, die auch ich bei meinen Versuchen gefunden (0.32-0.46 Proc.). Mit Riicksicht auf das Hihoglobin des Pferdeblutes geben die verschie-

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UEBER DIE VERBINDENG DES HAMOGLORINS MIT SAUERSTOFF. 95

U n t e r s u c h e r

C. Schmidt, citirt nach Hoppe-Sey ler , Mod.- chem. Untersuchzmngen. s. 119 . . . . . .

Hoppe-Sey ler , Afed.-ehenl. C'nfcrstmcli. S. 189 . Jaquet , Zeitsclir. f. &s. Chernie. Bd. XII. S. 285 . R o s s e l , Zecitsr.hrifl f. physiol. Cheniie. Hd. 11.

S.150.. . . . . . . . . . . . . . Otto. Pfli iger's Archiv. Bd. XXXI. S. 240. . Buche ler , citirt nach IIufner, Zei&srhr. f. p h y s .

Chemie. Bd. VIII. S. 361 . . . . . . . . Hufner, Zeitsehr. f. pkys. Chernie. Bd. VIII. S. 362 Zinoffsky, Zeitschr. f i phys. Cl~emie. Bd. X. S. 16

-. ______

0.43 0.42-0 .45

0 .33

0.47 0.45

0 . 4 7 0 .46-0 .47

0.33

___-

Hund llund H i d

Pferd Pferd

Pfcrtl l'ferd Pferil

denen Verfasser den procentigen Eisengehalt auf 0 -33-0.47 Proc. an ; auch ich finde in dem untenstehenden Versuche (siehe 11) grosse Ver- schiedenheiten des Eisengehalts dieses HOmoglohins.

Bemerkenswerth ist ferner, dass jede Verunreinigung der Hamo- globinkrystalle den Werth des Eisengehalts herabsetzen muss, nun findet man indess bei den neuesten Versuchen (Zinoffsky und Jaquet) , bei denen man darauf bedacht gewesen ist, durch wiederholte Krystalli- sation eine solche Verunreinigung zu vermeiden, eben die niedrigsten Zahlen; hierdurch wird es urn so wahrscheinlicher, dass die abwei- chenden Angaben nicht darauf beruhen, dass einige der Foncher mit unreinen Stoffen gearbeitet haben, sondern darauf, dass das Himoglobin kein constmter Stoff ist.

Mit Riicksicht auf die Menge des bei Atmosphiirendruck vom Hiirnoglobin absorbirten Sauerstoffs findet man in der Litteratur folgende Angaben; die angefiihrten Zahlen sind Cubikcentimeter Sauerstoff (bei Oo und 760"") pro lOOg Hlmoglohin.

Aus Hundeblu t dargestel l tes Hamoglobin. Hoppe-Seyler' findet in concentrirter Liisung 168 OCm.

Dybkowskie hat in einem Versuche 155- gefunden, in zwei anderen Versuchen bedeutend niedrigere Zahlen, aber er giebt an, dass diese Versuche besonderer Verhriltnisse wegen (Entwickelung von CO,) nicht zur Bestimmung des Sauerstoffgehaltes des Hiimoglobins dien- lich sind.

Preyer3 findet mittels absorptiometrischer Bestimmung 180, 172 und 162 "", er spricht von vielen missgluckten Versuchen.

Med.-chern. Untersolch. S. 191. Ebmdas. S. 117. De haemogl. obsers. st q e r i m m t . Bonn 1866.

Page 21: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

98 CHRISTIAN HOHR:

Worm-Muller’ findet 168 und 159ccu1. Hufner2 findet als Durchschnitt aus zehn Versuchen 145 ccnl. Die

einzelnen Bestimmnngen variiren zwischen 157 (in einer 5 procen- tigen Losung) und 131 cC1ll (in einer 2 procentigen Losung); es sind also die Unterschiede der Bestimmungen , oder die Differenz zwischen dem Maximum oder dem Minimum in Procenten des ersteren aus- gedriickt 18 Procent. Nach dem a. 0. S. 389 sind Correctionen ein- zufiihren, durch welche die Mittelzahl auf 159 ccm sich erhoht. Diese Correctionen sind ohne weiteren Einfluss auf die Abweichungen zwischen den einzelnen Bestimmungen.

Aus Pferdeblu t dargestel l tes Hamoglobin.

S t rassburg3 findet mittels Auspumpung die Wcrt,he: 118, 79 und 5gCcm; durch zahlreiche Versuche (a. a. 0. S. 460) werden stets Werthe gefunden, die sich zwischen den angefiihrten Grossen bewegen.

Setschenow4 findet in Uebereinstimmung mit S t rassburg eine bei weitem niedrigere Sauerstoffabsorption fur Pferde- als fur Hunde- himoglobin.

Hiifner findet durch Austreibung mittels CO als Mittelzahl 172 ccm, als Maximum 221 und als Minimum 145 ecnl, eine Abweichung also von 34 Proc. Durch Austreibung mittels NO fand er als Mittel- zahl von 14 Versuchen 183 ccln, Maximum 237, Minimum 167 ccm, eine Abweichung also von ca. 30 Proc.

Im Ganzen findeb man also in der Litteratur im hoohsten Grade wechselnde Angaben iiber die Sauerstoffabsorption des Hamoglobins. Fur unseren Zweck sind besonders die Untersuchungen uber das Pferde- hiimoglobin von Werth und unter ihnen besonders die von Hufner angefiihrten Versuche. Wenn ein geubter Untersucher, wie der ge- nannte Forscher , mittels guter anerkannter Methoden Abweichungen zwischen den einzelnen Bestimmungen antrifft, die ca. ein Drittel des ganzen Werthes betragen, ist hiermit so gut wie bewiesen, dass der Stoff, mit dem er gembeitet, keine constante Zusammensetzung gehabt hat. Die H5moglobinbestimmungen H ii f n e r’s sind mittels des . Speotrophotometers ausgefiihrt worden; seine Versuche sind deshdb mit den unter der Rubrik u,, in meiner Tabelle angefiihrten Resultaten

Berioht d. siichs. Gesellsch. d. Wissenseh. 1870. S. 351.

Pfliiger’s Archiu. Bd. IV. S. 454. Eberadas. Bd. XXII. S. 252. Zeitschr. f i physiol. Chemie. EM. VLU. S. 359.

’ Zeitschr. f i physiol. Chemie. Bd. I. S. 329.

Page 22: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

UEBER DIE VERBINDUNG DES HAMOGLOGINS MIT SAUERSTOFF. 97

z~ vergleichen; auch hier ist die Abweichung zwischen den einzelnen Vemuchen ca. ein Drittel (36 Proo.) des Werthes.

Mehrere Verfasser geben an, dass zahlreiche Venuche ihnen miss- gliickt seien. Durch Auslassung dieser Versuche sind einige der grossten Abweichungen von den Mittelzahlen entfernt. Es mag richtig sein, von solchen stark abweichenden Bestimmungen abzusehen, wenn man, wie es gewohnlich der Fall gewesen ist, das Hamoglobin fiir einen constanten, aber leicht decomponirbaren Stoff ansieht. Thatslchlich ist der Fall jedoch ein ganz anderer. Das Hamoglobin wird nicht leicht decomponirt, sobald es nicht einer langeren Erwkmung ausgesetzt wird, oder mit Sauren oder saurigen Dampfen in Beriihrung kommt. Wie meine Versuche erwiesen haben, ist es aber, was die Sauerstoffaufnahme betrifft, kein constanter Stoff.

II. Um zu priifen, ob das aus dem Blute in krystallinischem Zustande

dargestellte Hamoglobin eine Mischung verschiedenartiger Hamoglobine mit verschiedener Sauerstoffabsorption sei, habe ich einige durch frac- tionirte Liisung und durch wiederholte Krystallisation gewonnene Prii- parate untersucht, indem ich die Hohung hegte, dass Hiimoglobine verschiedenen Sauerstoffgehalts moglicherweise ebenfalls in ihren Los- barkeitsverhaltnissen Unterschiede darbieten wiirden.

Es liess sich freilich voraussehen, dass auf diesem Wege keine voll- standige Scheidung der einzelnen Hiimoglobinarten zu erreichen sei. Hochstens liess sich erwarten, dass in den einzelnen Priiparaten die eine oder die andere Modification in einer etwas verschiedenen Menge vorhanden sein wiirde. Sobald ich deshalb in einigen in der eben genannten Weise zubereiteten Proben constatirt hatte, dass die Menge des absorbirten Sauerstoffes sowohl in ihrem Verhlltnisse zum Re- siduum a1s zur Menge des Eisens in Prlparaten verschiedener Liislich- keit variirten, schloss ich vorliiufig diese Versuche ab. Durch die- selben glaube ich gezeigt zu haben, dass das Hiimoglobin ein Misch- product ist; ob dasselbe aus den im ersten Capitel beschriebenen Hamoglobinen oder aus anderen ahnlichen Modificationen zusammen- gesetzt ist, muss vorliiufig unentschieden bleiben.

Folgende Versuche sind mit Hiimoglobin ausgefiihrt. Versuch 1. Durch Untersuchung einer (1 3 - 2 procent.) Lbsung von

Hiimoglobinkrystallen fand man per l O O g Residuum (im Folgenden mit R bezeichnet) 131 - 2 - 0; per G r a m Fe war die Sauerstoffmenge 325.9. Der Eisengehalt war 0.403 Procent.

Nach Waschnng der Krystalle mit reichlicher Menge eiskalten Wassers gab die ebenfalls in einer 13.2procent. Lbsung vorgenommene Unter-

S k a n d h A r c h i ~ . ILL 7

Page 23: Ueber die Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff

9s CHRISTIAN Born:

suchung der zuruckgebliebenen Krystalle per 100s R: 131.2; per 1 Fe: 0 = 314.5; der Eisengehalt = 0-433 Procent.

Versuch 2. Die Mutterlauge (I) wurde nach der ersten krystalli- nischen Fillung des HImoglobins untersucht, darauf wurden die Himo- globinkrystnlle aufgelost und in Kilte auf's Neue krystallisirt. Dadurch gewonnen eine Mutterlauge (11) sowie Krystalle, die aufgelost wurden.

Man fand per 100 g Residuum in der Mutterlauge I (Concentration: 2.45 Procent) 0 = 100 .3 in der Mutterlauge I1 (8.63 Procent) 0 = 11 8 1 cc*ll; in der Krystalllosung (2 - 05 Procent) 0 = 1 10 - 3 cc*ll.

Versuch 3. Die Mutterlauge der ersten Fillung der Hiimoglobin- krystnlle wurde untersucht ; darauf wurden die Krystalle mit geringeren Mengen von 1/2,, proc. Na,CO,-Losung fractionirt behandelt. Dadurch be- kam man die Losungen I, 11, 111, von denen die erstere einen Ueberschuss der leichtesten, die letztere die am schwersten loslichen Krystalle enthalten musste ; zuletzt wurde Mischung siimmtlicher Proben (Losung IV) untersucht.

Die Mutterlauge (8.37 Procent) per 1 0 0 s R : 0 = 122.0 per 1 R Fe: 0

Losung I ( 1 4 . 7 2 Procent) per 100gR:O = 131.3 per 1 g F e : O = 347.

Losung I1 (16.04 Procent) per 100 g R : 0 = 133.7 per 1 g Fe: 0 = 337.

L6sung 111 (6-56 Procent) per 100 g R : 0 = 144.1. Losung IV (11.82 Procent) per l O O g R:O = 131.1.

Versuch 4. Die HImoglobinkrystalle wurden aufgelost und auf's Neue in Kiilte krystallisirt; man untersuchte die dadurch gewonnene Mutter- lauge sowie eine Losung der Krystalle und fand:

Man fand:

= 322.

Eisengehalt = 0.378 Procent.

Eisengehalt = 0.39 7 Procent.

Eisengehalt = 0.377 Procent.

Mutterlauge (8.44 Procent) per 1OOg R : 0 = 134.4 Krystalllosung (8-63 ,, ) ,, l O O g R:O = 132.1

In der Mutterlauge der ersten Fallung der Hamoglobinkrystalle sind in Folge obenstehenden Versuohes Hlmoglobine mit geringerer Sauerstofbbsorption im Ueberschuss. Bei einer weiteren Umkrystalli- sirung haben dagegen die ausgeschiedenen Krystalle eine geringere Sauer- stoffabsorption als die Mutterlauge. Dieses geht aus dem Versuche 2 hervor und lasst sioh auch im Versuche 4 spuren; hltte der Unter- schied daher geruhrt, dass die Krystalle reiner als die Mutterlauge gewesen, hltten die Krystalle dem Thatbestande widerstreitend eine grijssere Sauerstoffabsorption im Verhaltnisse zum Residuum als die Mutterlauge gehabt. Wahrscheinlich ware man durch eine lgngere Reihe von Umkrystallisirungen zu einer weitergehenden Scheidung ge- langt; hierzu hatte man indess Zusiitze von Alkohol statt einfaoher Ab- kiihlung anwenden mussen, welches ich zu vermeiden wiinschte.

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VEBER DIE VERBINDUNG DES HAMOGLOBINS MIT SAUERSTOFF. 99

Wegen der grossen Variabilitiit des Pferdehamoglobins (s. die &en angefuhrten Versuche von Strassburg, Setschenow und Hiifner) musste dasselbe besonders fur Versuche von der uns hier beschaftigenden Art geeigiiet erscheinen, um so mehr als Hoppe- Seyler I nachgewiesen hat, dass man bei der Darstellung desselben zwei Arten Krystalle verschiedener Grosse durcheinnnder gemischt er- hilt. Ich stellte deshalb untenstehende Versuche mit diesem HLmo- globin an; hierdurch war es mir moglich, das Vorhandensein zweier Arten con Krystallen zu constatiren; jedoch irgend eine Scheidung derselben zu erreichen, gluckte mir nicht; %us welchem Grunde ich mich darauf beschrinken musste, die Mutterlauge mit Krystallen, sowie die durch fractionirte Liisung gewonnenen Praparate zu ver- gleichen. Da die Mutterlauge bei Versuchen dieser Art kein Alkohol enthalten darf, das sich nicht wieder entfernen lisst, brachte ich zuerst in der von mir gewohnlich benutzten Weise eine Fallung von Kry- stallen mit Aether zu Wege und untersuchte die hierdurch gewonnene Mut terlauge.

Wegen der grossen Leichtloslichkeit des Pferdehamoglobins bekam ich indess hierbei nicht Krystalle genug zu den Loslichkeitsversuchen ; ioh fallte dann in einer zweilen Portion desselben Hiimoglobim die Krystalle mittels Alkohols und behandelte eine grosse Menge derselben mit einer verhiltnissmksig geringen Menge 'la,, procentiger kohlen- saurer Natronlosung in zwei Reprisen , dadurch wurden die Liisungen I und I1 gewonnen.

In untenstehender Tabelle haben die Bezeichnungen a,, a,, und cr,, die gleiche Bedeutung wie in der Tabelle iiber meine Versuche s. 93.

Versuch 5. Das Pferdeh&moglobin.

Mutterlauge . . . . KryshlllSsung I . . Krystalll6mng II . .

a 01

0.1694 0.1505 0 * 2002

Bei naherer Betrachtung dieses Versuches wird man leicht sehen, dass die Unterschiede der einzelnen Priiparate sich nicht dadurch er- klken lassen, dass einige derselben reiner als die anderen sind, welohe

zeitsohr. f i physwl. C h t k . Bd.II. S. 149. ?*

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100 CHR. BOHR: UEBER DIE VERB. DES HAMOGL. MIT SAUERST.

Annahme im Uebrigen auch keine Wahrscheinlichkeit hat, im Gegen- theil ist es nothwendiger Weise anzunehmen, dass man hier mit Stoffen verschiedener chemiseher Zusammensetzung zu thun gehabt.

Der Umstand, dass eine so wenig eingreifende Behandlung wie die fractionirte Liisung in ihrer Anwendung auf Hiimoglobinkrystalle als Resultat verschiedene Priiparate giebt, in Verbindung rnit der im vorigen Abschnitte nachgewiesenen grosseii Variabilitiit des aus verschie- denen Blutproben auf die moglichst gleichartige Weise dargestellten Hamoglobins scheint mir darzuthun, dass das gewiihnliche H l m o - g 1 obi n e i n e i?I i s c h u n g v e r s c h i e d en e r u n g 1 e i c h a r t i g e r H am o - globine ist.

Es eriibrigt nooh zu erwlhnen, dass Kriiger’ nachgewiesen, dass die wiederholt,e Umkrystallisirung nicht ohne Einfluss auf das durch das Photometer bestimmte Liohtabsorptionsverhiiltniss sei. Der Ver- fasser nimmt an, dass diese Veriinderung in einer durch die Krystalli- sation bewirkten Umbildung des Hamoglobins begundet sei , es ist dieses sehr gut mijglich, vielleicht aber werden auoh durch dieses Ver- fahren prafonnirte ungleichartige Hiimoglobine theilweise von einander getrennt. Betrachtet man die in Kruger’s grundlicher Arbeit fiir die Absorptionsverhaltnisse in den verschiedenen Krystallisationsproducten naohgewiesenen Unterschiede niiher, so wird es sich zeigen, dass ich auch in Bezug auf die Thatsachen der in diesem letzten Abschnitte beschriebenen Versuche mioh in guter Uebereinstimmung mit den Ar- beiten fruherer Forscher befinde.

Re sum6 e. 1) Es giebt verschiedene Hiimoglobine, die unter gleichen lusseren

Verhlltnissen eine versohiedene Menge Sauerstoff absorbiren, im Uebrigen aber hinsiohtlich des chemisohen Charakters einander nahe stehen. (Erstes Capitel.)

2) Das in gewohnlicher Weise aus dem Blute dargestellte kry- stallinisohe Hiimoglobin hat eine wechselnde Zusammensetzung selbst bei einer und derselben Thierart. (Zweites Capitel I.)

3) Es ist anzunehmen, dass das gewBhnliche Hiimoglobin . e h e Mischung von Hihoglobinen mit verschiedener Sauerstoffabsorption ist. (Zweites Capitel II.)

Zeitschr. f. Biologie. Bd. XXIV. S. 47.