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932 2. VOW& Uber elektrische Wellen in Systernen hoher KapaxitCit uwd Selbsthduktion; von L. Hermamn. I. Vorbemerkungen. AnlaB sur Untersuchung. Zu den nachfolgend mitgeteilten Versuchen bin ich durch eine seit 1872 von mir verfolgte und 1899 zum AbschluB ge- brachte Theorie der Nervenleitung gelangt, auf welche ich an dieser Stelle nicht naher eingehen werde, da ich die physio- logische Seite der Untersuchung an anderem Orte darzustellen beabsichtige. Es genugt, auf einige Literaturstellen zu ver- weisen l), und anzufuhren, da6 die Nervenfaser einerseits sich wie ein aus zwei koaxialen Schichten zusammengesetzter Strang verhalt , deren zylindrische Qrenzflache polarisierbar ist, und da6 andererseits aus dem Gesetze der elektrischeu Nerven- erregung und dem Gesetze der elektromotorischen U'irkung der Erregung (der sogenannten Aktionsstrome) sich ein der Selbst- induktion genau entsprechendes Verhalten gegen zugeleitete Strome herleiten la&. Bus diesen Grundlagen habe ich in der zuletzt angefuhrten Arbeit eine fur die Nervenfaser geltende partielle Differentialgleichung von folgender Form abgeleitet 3: Hierin bezeichiiet E das Erregungapotential an der Faserstelle x (die Baserachse als Abszissenachse gedacht) zur Zeit t; w, p und c sind Konstanten, samtlich fur die Langeneinlieit der Faser geltend, und zwar PV der Widerstand, p der Koeffizient der Selbstindaktion , endlich c die Kapazitat. Im Original 1) L. Hermann, Handbuch der Physiologie 1. 1. p. 256f.; 2. 1. p. 193 ff. Leipzig 1579; Archiv f. d. ges. Physiologie 75. p. 574 ff. 1S99. 2) Die Buchstaben der ursprunglich aufgestellten Gleichung sind hier in zweckentsprechender Weiae veriindert.

Über elektrische Wellen in Systemen von hoher Kapazität und Selbstinduktion

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2. VOW&

Uber elektrische Wellen in Systernen hoher KapaxitCit uwd Selbsthduktion;

von L. Hermamn.

I. Vorbemerkungen. AnlaB sur Untersuchung.

Zu den nachfolgend mitgeteilten Versuchen bin ich durch eine seit 1872 von mir verfolgte und 1899 zum AbschluB ge- brachte Theorie der Nervenleitung gelangt, auf welche ich an dieser Stelle nicht naher eingehen werde, da ich die physio- logische Seite der Untersuchung an anderem Orte darzustellen beabsichtige. Es genugt, auf einige Literaturstellen zu ver- weisen l), und anzufuhren, da6 die Nervenfaser einerseits sich wie ein aus zwei koaxialen Schichten zusammengesetzter Strang verhalt , deren zylindrische Qrenzflache polarisierbar ist, und da6 andererseits aus dem Gesetze der elektrischeu Nerven- erregung und dem Gesetze der elektromotorischen U'irkung der Erregung (der sogenannten Aktionsstrome) sich ein der Selbst- induktion genau entsprechendes Verhalten gegen zugeleitete Strome herleiten la&. Bus diesen Grundlagen habe ich in der zuletzt angefuhrten Arbeit eine fur die Nervenfaser geltende partielle Differentialgleichung von folgender Form abgeleitet 3:

Hierin bezeichiiet E das Erregungapotential an der Faserstelle x (die Baserachse als Abszissenachse gedacht) zur Zeit t ; w , p und c sind Konstanten, samtlich fur die Langeneinlieit der Faser geltend, und zwar PV der Widerstand, p der Koeffizient der Selbstindaktion , endlich c die Kapazitat. Im Original

1) L. Hermann, Handbuch der Physiologie 1. 1. p. 256f.; 2. 1. p. 193 ff. Leipzig 1579; Archiv f. d. ges. Physiologie 75. p. 574 ff. 1S99.

2) Die Buchstaben der ursprunglich aufgestellten Gleichung sind hier in zweckentsprechender Weiae veriindert.

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war It statt 1 / c gesetzt, und h als die Polarisationskonstante der Langeneinheit bezeichnet, in dem Sinne, daB die Polari- sation y durch die Stromstarke i, solange das Polarisations- maximum nicht erreicht ist, nach dem Gesetze wachst: a y / a t = h i ; setzt man hierfur c d y / a t = i, so ist an Stelle des Polarisations- vorganges die Ladung eines Kondensators von der Kapazitat c auf die Potentialdifferenz y gesetzt.

Die Gleichung (1) hat die bekannte Form der sogenannten Telegraphengleichung l), und laBt sich in verschiedener Weise, unter anderem nach R iemanns Methode, integrieren. Sie ergibt, daB der zur Zeit t = 0 vorhandene Zustand wellenartig nach beiden Richtungen mit der Geschwindigkeit v = 1 /fG iiber die Achse ablauft, seine GroBe aber dabei bestandig abnimmt (,,Dekrement") und an jeder Stelle ein streng ge- nommen erst nach unendlicher Zeit verschwindender Rest zuriickbleibt (,,Residuum"). Von der ursprunglichen GroSe des ablaufenden Vorganges ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit unabhangig. Ahnliche Gleichungen gelten auch fiir andere in dampfenden Medien ablaufende Wellen, z. B. fur Schall in Rohren bei Beriicksichtigung der Reibung.

Fur das Folgende ist es niitzlich, das Integral fur be- stimmte Anfangs bedingungen anzufiihren. ? Es sei fur t = 0

1) Fiir einen linearen bomogenen Leiter erhalt man Gleichung (1) sehr einfach, wenn 6 dss Potential und i die longitudinale StromstArke positiver Richtung an der Stelle 2 zur Zeit t iet, und die ubrigen Buch- stsben die im Texte angegebene Bedeutung bsben. Die Potentialdifferenz zwischen zwei unendlich benachbarten Punkten ist dsnn a &/as, so ds6 mit Beriicksichtigung der Selbstinduktion u, i + p 13 i / a t = - a e / a 5. Die Stelle 2 ladet sich ferner durch die Differenz von i in zwei benach- barten Elementen nach dem Gesetze e a & / a t = - a i ! a m Durch Eli- mination von i aus diesen beiden Gleichungen erhllt mun Gleichung (1). Indes ist diese Betracbtung nicht absolut streng; man sehe hieriiber H. W e b e r , Die partiellen Differentialgleichungen der matbematiscben Physik 2. p. 3?0, Anm. Brsunschweig 1901. - Bezuglich der Integrstions- methoden fur die Telegraphengleichung vgl. H. W e b e r , 1. c. p. 306 ff., 319ff., 322ff.

2) Ich verdanke dasselbe meinem Freunde H. Weber ; in dem Abdruck Arch. f. d. gee. Physiol. 76. p. 588. 1899 ist das Vorzeichen des dritten Gliedes in der Klammer infolge eines von mir herriihrenden Schreibfehlers + statt - gesetzt. In der hier folgenden Wiedergabe hnbe ich einige im Texte angegebene Vereinfachungen eingefiihrt.

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9 34 L. Hermann.

E = f ( z ) und I3 6 / I 3 t = ‘p (z), wobei es zweckmaBig ist, statt c/, ( x ) eine neue Funktion y ( x ) einzufiihren, dergestalt, daS Y ( x ) = 1/~.6’~(.r)/az, so daB also fur t=O i?E/at=)‘cp.dy,(x)/d.z. Ferner wird das Integral besonders ubersichtlich, wenn man die GroBe E nicht durch die seit dern Anfange verflossene Zeit t , sondern durch die von der Welle seit dem Anfange zuriickgelegte Strecke y = v t ausdruckt. Endlich kann man an Stelle der drei Konstanten w, p , c eine einzige einfuhren, indem man setzt:

Dann gelangt man zu dem Ausdruck:

E = 4 e - i. ( f ( X - Y) + f ( z + J/) - ?p (.z - y) + ‘II, (z + 9) I

Hierin ist die Funktion K (z ) aus einer Resselschen Funktion mit imaginarem Argument abgeleitet, namlich

worin -___

2 = ? , F ( e - z)3.

Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregungswelle im Nerven, welche Helmhol tz in einer klassischen Arbeit 1850 zuerst gemessen hat, betragt fiir den Frosch etwa 26, fur den Menschen etwa 43 m pro Sekunde, d. h. sie ist so gering, da6 ein riesenhaftes Geschopf, welches Hunderte von Kilometern lang ware, eine Beruhrung am FuBe nicht weseiitlich friiher empfinden wurde, als eine von dort abfahrende Schnellzug- maschine am Gehirn angelangt ware. Da nach der ange- deuteten Theorie die Erregung als elektrische Welle sich fort- pflanzt, und die bisher untersuchten wellenartig fortschreiten- den elektrischen Vorgange Geschwindigkeiten haben, welche der GroBenordnung nach an die Lichtgeschwindigkeit heran- reichen, schien das erste Erfordernis, zu ermitteln, ob sich

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elektrische Wellen von so geringen Geschwindigkeiten erzeugen und nachweisen lassen.

Ersteres erschien freilich von vornherein so gut wie sicher; da die Geschwindigkeit v der Quadratwurzel aus Kapazitat und Induktionskoeffizient umgekehrt proportional ist, und kein Grund vorliegt zu zweifeln, daB man diese beiden GroBen durch besondere Vorrichtungen beliebig erhijhen kann , ohne daB die Telegraphengleichung , welche freilich zunachst fur gewijhnliche Drahte und Kabel mit ihrer beschrankten Kapazitlt und Selbstinduktion aufgestellt ist, ihre wenigstens approximative Anwendbarkeit ver1iert.l) Allein Versuche dieser Art sind mir aus der Literatur nicht bekannt geworden, und ein hervor- ragender Physiker, den ich brieflich befragte, wuBte ebenfalls nichts von solchen.2) Es schien mir daher nicht ubertlussig, meine Versuche kurz mitzuteilen.

11. Fruhere Versuche an sogenannten Kernleitern.

Eine von E. d u Bois -Reymond entdeckte Erscheinung am Nerven, der Eltktrotonus, besteht darin, daB ein durch

1) Bekanntlich fuhrt such die Maxwellsche Theorie des Elektro- mrtgnetismus fur die Fortpflanzung elektromagnetischer Vorgiinge in allen Medien, auBer dem freien Ather, auf eine der Tclegraphengleichung vollig entsprechende Gleichung, sobald nur eine Dimension in Betracht kommt, und auf eine Wellengeschwindigkeit von der GroSe u / G p , worin u die Lichtgeschwindigkeit, 7 die Dielektrizittitskoiistante und p die magne- tische Permeabilitiit des Mediums; wie in diese Gleichung die GrijSen Selbstinduktion und Kapazitiit behufs Anwendung auf Drahte eingefuhrt werden kannten, vergleiche man bei H. W e b e r , 1. c. 2. p. 320, Anm. 1901. Fur den freien Ather, wo 7 mid p = 1 zu setzen sind, ergibt sich ais Geschwindigkett die des Lichtes und zugleich fiillt das Dlimpfungs- glied fort.

2) Ich erwlihne hier, daE ich in einein Edelmannschen Apparat- verzeichnis ein von H. F. W e h e r in Ziiricah angegebenes, aus Konden- satoren hestehendes kiinstliches Kabel erwiihnt gefunden habe, her welches meinea Wissens sonst nichts veraffentlicht ist. Es scheint sich aber hier nicht um einen Apparat fur elektrische Wellen, sondern nur urn einen solchen Fur induktionslose Ladunp zu handeln, welche nach dem Gesetzc der Wiirrneaushreitung erfolgt, also vielleicht um Versuche zu dem Problem, welches man unter anderem in W i n k e l m a n n s Hand- buch der Physik von A n e r b a c h in ubersichtlicher Zusammenstellung hehandelt findet (2. Adage , 4. 1. p. 227-231. Leipzig 1903).

-~ ~

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eirie beschrankte Strecke BR eines Nerven A’N (Fig. I ) ge- leiteter konstanter Strom sich auffallend weit langs des Nerven ausbreitet, dergestalt, da6 zwei auf einer Seite der durch- flossenen Strecke gelegene Nervenstellen, z. B. ah oder c d ,

eine dem einwirkenden Strome gleichsinnige PotentialdiEerenz zeigen, welche mit zunehmendem Abstande rasch kleiner wird. Diese Ausbreitung beruht nicht

auf gewohnlichen Stromschleifen, denn sie erstreckt sich nicht iiber eine durch Zerquetschung abgetotete Nervenstelle hinaus und fehlt an abgestorbenen Nerven ganz.

Die vom Entdecker versuchte Erklarung kann hier un- besprochen bleiben, da sie wohl allgemein verlassen ist. Ein Verstandnis wurde durch Mat t eucc i angebahnt, welcher ein ganz ahnliches Verhalten an besponnenen Metalldrahten fand, deren Respinnung mit einer leitenden Fliissigkeit getrankt ist. Derselbe fand weiter , da6 die Erscheinung ausbleibt , wenn der Draht aus amalgamiertem Zink besteht und die Fliissigkeit eine Zinksulfatlosung ist.

Im Jahre 1872 vervollkommnete ich diese Versuche, indem ich den Metalldraht in Glasrohren axial ausspannte, welche mit Ansatzen zur Zu- und Ableitung versehen waren (vgl. das Schema Fig. 2). Die Erscheinungen konnten leicht aus dem

E

Fig. 1.

Fig. 2.

polarisatorischen Ubergangswiderstand zwischen Hiillenfliissig- keit und Kerndraht 0 P erklart werden, gegeniiber welchem die Langen der den Kern aufsuchenden Stromfaden ihren EinAuB auf deren relativen Widerstand fast verlieren miissen. Schon vorher hatte ich gefunden, daB in der Tat dio Nerven- faser, solange sie ihre Lebenseigenschaften bewahrt, eine sehr bedeutende Polarisierbarkeit zwischen ihrem Inhalt und ihrer HiZlle besitzt, und eine theoretische Untersuchung von H. We b e r ergab, daB auch dann, wenn der Kern kein dasjenige der Hiille

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sehr ubertreffendes Leitungsvermogen besitzt , die Stromaus- breitung prinzipiell dieselbe bleibt. Auch der oben erwiihnte Umstand, daB der Strom sich nicht uber eine abgetotete Stelle hinaus ausbreitet, erklarte sich leicht, weil an dieser Stelle die Grenzpolarisation ausbleibt , welche Bedingung der Aus- breitung ist. In der Tat geht an der in Fig. 2 schemati- sierten Vorrichtung die Ausbreitung des bei A R zugeleiteten Stromes nicht uber Stelien hinweg, an welchen entweder die Kontinuitiit der Flussigkeit oder diejenige des Drahtes unter- brochen ist, d. h. es erscheint keine Potentialdifferenz zwischen i und R, und ebenso wenig, wenn der Scldussel S geoffnet ist, zwischen a und b . Dagegen zeigte sich (was fdr das Folgende wichtig ist) , daS eine Kontinuitiit der Beriihrung zwischen Draht und Flussigkeit nicht erforderlich ist; d. h. es tritt in ih Wirkung ein, wenn der Schliissel 8’ geschlossen ist, und in a b bei SchlieSung von S. Leiter der bezeichneten Art habe ich Kernleiter zu nennen vorgeschlagen.

Bemerkt sei noch, daS es in mancher Beziehung einfacher ist, den Strom, wie in Fig. 3 dargestellt, dem Kerndraht und einem Punkt R der Hullen- fliissigkeit zuzuleiten , statt wie in Fig. 2 zwei Punkten der letz- teren; naturlich mu6 dann der P

zuleitende Draht in Ansatz R Fig. 3.

aus demselben Metal1 wie der Kerndraht sein. Diese Zuleitungsart kann man kurz als uni- polare bezeichnen. Der Kerndraht wird in diesem Falle in seiner ganzen Ausdehnung nur einsinnig polarisiert.

Die Polarisation kann sich an einer solchen Vorrichtung, wie eine einfache theoretische Betrachtung ergab, immer nur nach einer der Warmeglleichung entsprechenden Differential- gleichung ausbreiten l), da kein Grund ersichtlich ist, der Vor- richtung einen irgend erheblichen Grad von Selbstinduktion zuzuschreiben. Trotzdem fand ich im Jahre 1864 gemeinsam mit D. W. Samways an einer solchen Vorrichtung von betriicht- licher Lauge Andeutungen eines wellenartigen Vorganges. Als

1) Man erhiilt dieselbe, wenn man in der Ableitung oben p. 933, Anm. 1 das Induktionsglied p a i/ 8 t weglllbt.

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938 L. Ilermann.

namlich dem Anfangsteil ein iiiir momentaner Strom zugeleitet wurde, zeigte sich am Ende (inittels eines Rheotomverfahrens) die entsprechende elektrische Veranderung erst zu einer Zeit beginnend, wo am Anfang das M:iximum bereits voruher war. Ein iihnliches Ergebnis erhiclt' spiiter mit noch groBerer Be- stimmtheit H. Boru t t au . Obwolil ich weder in meinen eigerien noch in BoruttausVersuchen rille Fehlerquelle auffinden konnte, lagen doch wenigstens nieine Erpc.l)nisse so nahe an cler Grenze des Nachweisbaren, daB ich das e i . ~ iihiite theoretische Redenken iiicht fallen lassen konnte. Eiii *piiter von mir angefertigter Apparat, in welchem statt des eiiifachen Kerndrahtes ein mit besponnenem Kupferdraht dicht Iwwickelter Glasstab als Kern verwendet war, fiihrte nicht wescbiltlich weiter.

Erst a1s ich (in der angc.I'iiIlrten Arbeit von 1699) zu der eingangs erwahnten Erkenntmis g ~ l a a g t war, daB i m Nerven wirklich auBer der Polarisiei.l);ii.lic.it eirie der Selbstinduktion gleichwertige Eigenschaft m i t w I i ~ k t , Ring ich von neuem lnit besseren Mitteln an den Versurli. den Kernleiter mit erheb- licher Selbstinduktion zu begaheii. i i i i d zugleich seine Polarisation prompter zu gestalten. III tvttarer Hinsicht verwendete ich jetzt windungsreiche Ind~iklii~irssj,iilc?IL mit Lisenkern, welche in den Kerndraht eingeschaltet, wiii,ileii , verlegte dieselben aber, indem ich mir die Entbehi~li~~likt~ir der kontinuierlichen Be- netzung zu Nutze machte (vgl. I 111ei1). nrr/?erhaib der Flussigkeit. Ferner verwendete ich behu t i pi.iiiiipter Polarisation, und um eventuell den Vorgang direkt x u Iteubachten, das Prinzip des h-~piliarelektromcters.

Die drei Schemata Figg. 4. 5 . 6 zeigen am besten den Ubergang von dem urspriingliclieit Kernleiter zu der nunmehr

angewandten Vorrichtung. In Fig. 4 ist nichts weiter gegeii Fig. 3 verandert, a15 d i i B die auBerhalb ange-

s s s s brachten Induktionsspulen SS in den Kerndraht 0 P eingeschaltet sind. In Fig. 5

(in welcher die Induktionsspulen 8 S in Aufsicht dargestellt sind) ist die Kontinuitat der Flussigkeit aufgegeben, uod die nun getrennten Rohrabschnitte K i i , wie g und h in Fig. 2, sind nur

P

Fig. 4.

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durch den Praht M N miteinander verbunden. Endlich in Fig. 6 sind statt der in Fig. 5 noch vorhandenen polarisierbaren Leiterstellen die Kapillarelektrometer K K angebracht, welche auf der linken Seite mehr schematisch, auf der rechten, ebenso

S S S S

Fig. 5.

P

s s s Fig. 6.

wie die Induktionsspulen, mehr ihrer wirklichen Beschaffenheit entsprechend (vgl. unten) dargestellt sind. Es ist ubrigens vollig gleichgultig, ob man M N nls Reprasentanten der bis- herigen Kernleitung und 0 P als den der Hullenleitung ansehen will, oder umgekehrt.

In. Die Apparate und einige Vorversuche.

Der Apparat besteht aus 15 Gliedern der soeben an. gegebenen Art.

1. Die Induktionsspulen, von der Firma H. Boas in Berlin geliefert, haben jede etwa 5900 Windungen und etwa 250 52, und sind mit einem herausnehmbaren Drahtbundelkern ver- sehen. An einigen untersuchten Stichproben fand ich die GrOBerordnung des Selbstinduktionskoeftizienten mit Kern zu etwa 2 . lo9 cm, ohne Kern etwa 2 . lo8 cm. (Bruckenmethode ohne Repetition.)

2 . D ie . Kapillnrelektrometer. Rei der zarten und verander- lichen Natur und schwierigen Handhabung dieses Instrumentes

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940 L. Hermann.

in seiner gewohnlichen Form konnte ich an eine Untersuchung, bei welcher 15 Exemplare erforderlich waren, erst dann ernst- lich denken, als mir die Ostwaldsche, aus einem Stuck be- stehende Form bekannt wurde (skizziert in Fig. 6 rechts), welche von F r i t z K o h l e r in Leipzig sowohl mit rundem wie mit elliptischem Querschuitt des kapillaren Teiles hergestellt wird; ich verwendete die letztere Art. An einem zufallig zer- brochenen Exemplar wurde die elliptische Lichtung zu 0,083 mm2 bestimmt. Diese Elektrometer , mit reiiiem Quecksilber und reiner 30proz. Schwefelsaure beschickt, sind recht emptiiidlich nnd sclinell reagierend. Die einfachen Stative, welche je funf clerselben nebeneinander trugen, konnen unbeschrieben bleiben. Die Elektrometer wurden in der Regel nur mit Spannungen unter 1 Volt beansprucht. Wenn einmal durch hohere Be- anspruchung sich Gas entwickelt, kann man ungemein leicht dssselbe herausdrangen und den Meniskus erneuern, was auch ohne diesen AnlaB moglichst oft geschah. - fiber die ,,Kapa- zitat" dieser Elektrometer vgl. weiter unten.

Erteilt man den Punkten Jl und 0 (Fig. 6) durch SchlieBung des Schliissels C eine Potentialdifferenz von 0,4 bis 0,9 Volt'), so sieht man siimtliche Kapillarelektrometer einen Ausschlag machen, welchen man mit Hilfe eines oder mehrerer, an ver- schiebbaren Stativen befestigter Mikroskoptuben rnit Okular- mikrometer genauer beobachten und messen kann. Man er- kennt sofort, daB die Ausschlage um so kleiner werden, je weiter das betreffende Elektrometer von den Zuleitungspunkten cntfernt ist; indes sind die Unterschiede nicht sehr betracht- lich. Unterbricht man die Leitung B N oder O P an irgend einer Stelle, so bleibt die Ablenkung in allen jenseits dieser Stelle befindlichen Elektrometern aus. Fiihrt man zwischen je zwei Spulen SS, oder zwischen je zwei Abzweigungsstellen von iVfl einen groBen Widerstand ein (Bleistiftwiderstande von 0,l bis 0,2 Megohm, vgl. unten), so ist die Differenz der Ablenkungen sehr groB , und an den entfernteren Elektrometern kann bei

1) Die NebenschlieSung Y 0 ist hierbei unentbehrlich, weil ohue dieselbe bei offenem Schliissel C die Elektrometer sich nicht auf einen Nullpunkt einstellen wurden; w1 und w, sind WiderstLnde zur Variierung der Potentialdifferenz in M 0.

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maBiger Spannung die Ablenkung ganz ausbleiben. Diese Er- scheinungen entsprechen vollkommen den fruher erwiihnten am einfachen Kernleiter.

Schon ohne Zuschaltung von Widerstanden erkennt man ferner, daB die Ablenkungen um so langsamer sich vollziehen, j e entfernter das Elektrometer ist; mit den Widerstanden ist dieser Unterschied naturlich sehr viel betrachtlicher. Ganz ebenso verhalt sich das Zuruckgehen der Ablenkungen bei Offnung von C. Auch beobachtet man analoge Erscheinungen, wenn man statt eines konstanten Stromes einen Schliebungs- oder Offnungsinduktionsstrom bei M und 0 zufuhrt.

Die Erscheinungen sind ferner prinzipiell dieselben, wenn man einen Strom, anstatt den Enden beider Drahte, zwei Stellen desselben Drahtes zuleitet, wornit man sich mehr den in Figg. 1 und 2 dargestellten Versuchen anschliebt. Diese beiden Stellen wahlt man zweckmabiger in 0 P, z. B. zu beiden Seiten einer Spule, welche dann eine NebenschlieBung von etwa 250 52 darstellt, wahrend man bei Zuleitung zu zwei Punkten von M N hohere Spannungen verwenden mug, um uberhanpt Ablenkungen zu erhalten. Die Ablenkungen der Kapillarelektrometer nehmen dann auf beiden Seiten der Zu- leitungsstellen an GroBe und Geschwindigkeit ab. Ebenso ver- halten sich naturlich Galuanometerablenkungen, wenn man die Enden des Galvanometerbogens zu beiden Seiten einer Spule anlegt, und nun von Spule zu Spule fortschreitet. Auch diese Ablenkungen fehlen jenseits einer Unterbrechung der oberen oder unteren Leitung, wenn eine solche zwischen Zuleitungs- und Ableitungsstrecke vorgenommen wird.

Dagegen kann man uber den Moment des Beginnes der Elektrometerausschlage durch bloDe Beobachtung mit dem Mikroskop nichts feststellen. Hierzu ist. yraphische Darstellung unentbehrlich. Fur eine solche ist aber, da es sich urn sehr kleine Zeitdiflerenzen handelt, die Bewegung der verwendeten Elektrometer wegen ihrer relativ groBen Meniskenflache viel zu langsam. Es muBte also hierzu ein besonderes graphisches Kapillarelektrometer von schnellster Reaktion verwendet werden, welches ich lturz als Elektrograph bezeichnen werde.

3. Der Elektrograpli. Das hierzu verwendete lange gerade Rohr aus Jenaer Glas hat 5-6 mm lichten Durchmesser und

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ist unten in eine dickwandige, aber Buf3erst feine und stark konische l) Kapillare ausgezogen.2) Dies Ende ragt in einen ganz aus Glasplatten zusammengesetzten Schwefelsauretrog hinein, (lessen Vorderwand die Uiinne eines Deckglases hat, welchem die liapillare moglichst nahe anliegt (der Rahrteil uber der Kapillare ist hierzu entsprechend diinn). Dss den Appnrat tragende Stativ hat Triebvorrichtungen fur feine Einstellung und eine verstellbare Hulse fur einen Mikroskoptubus mit blo6em Ob- jektiv. Letzteres wirft in etwa 1 m Abstand ein stark ver- gro6ertes verkehrtes Bild der stark beleuchteten Kapillare auf den vertikalen Spalt der Registriervorrichtung. Die letztere besteht aus einem solide aufgestellten Schlitten, auf welchem sich ein Rahmen horizontal bewegt, durch ein fallendes Ge- wicht getrieben und durch ein Gegengewicht verlangsamt. In den Rahmen wird eine sehr empfindliche Trockenplatte (5,s : 9cm) eingeschoben und gut befestigt. Durch ein Gehause mit Uber- hiingtuch ist die Platte vor jedem fremden Lichte geschUtzt.*) 1st der Rahinen in seine Ausgangsstellung geschoben, und lost man seine Arretierung, so bewegt er sich mit zunehmender Geschwindigkeit durch seine Bahn, und gelangt, nachdem er eine Geschwindigkeit von etwa 0,3 m erreicht hat, in den Be- reich des Spaltes, bez. des in diesen fallenden Teiles des Kapillarbildes. Kurz nach dem Eintritt in diesen Bereich offnet der Rahmen einen Kontakt C (Figg. 6, 7 , 9, ll), wodurch der eigentliche Versuch eingeleitet wird.

4. Ber Zeitschreiber. Bei jedem Einzelversuch wird die Zeit mit verzeichnet, mittels eiiier elektromagnetischen Stimm- gabel von 100 Schwingungen pro Sekunde, an deren einer Zinke eine horizontale Nadel befestigt ist. Der Schatten der letzteren fallt in denjenigen Teil des Spaltes, tluf welchem

1) Man vergleiche L. Hermann u. M. Gildemeis ter , Arch. f. d. ges. Physiol. 81. p. 491. 1900.

2) Siimtliche von mir beiiutzten Kapillarrohren sind von Hrn. Dr. Gi ldemei s ter hergestellt, welcher mir auch sonst bei der Unter- suchung wesentliche Hilfe geleistet hat.

3) Zur Beleuchtung dient eine 16 amphrige Schuckertlarnpe mit Zeissscher optischer Bank.

4) Sclbstversthdlich werden die Versuche im Dunkelzimrner BUS-

gefuhrt; der Lichtschutz ist aber notig, weil die Beleuchtungsvorrichtung etwas diffuses Licht verbreitet.

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Elcktiische Wellen in Systemrit von hoher Kapazitat etc. 943

der durchsichtige (Schwefelsiiure enthaltende) Teil der Kapillare sich abbildet.

Eigent- lich miiBten, da der zeitlic*ltt: 1 hrchgang eines elektrischen Vorganges durch das Systtiiii etfolgt merden soll, rzoei, etwa am vorderen und hintereti Hiitlr angebrachte Elektrographen gleichzeitiy schreiben. L)a HIIC'I. tlieselben niemals absolut gleiche Eigenschaften haben wiirdeil, SO ist es sehr vie1 besser, und selbstverstkndlich aucli BUS ;itideren Grunden au8erst vorteil- haft, denselbna Elektrograplien alternierend vorn und hinten

5. Die Schahorrichtumj /ur den Elektrographen.

Fig. 7.

anzuschalten, was sehr bequem durch die in Fig. 7 schematisch dargestellte Anordnung gescliieht. Der Elektrograph P kommt als sechzehntes Kapillarelektrometer zu den 16 anderen ( K l bis K16) hinzul), und z w r wi1.d es erstdurchstromtes, wenn die Wippe W nach der Seite d liegt, und letztdurchstromtes, wenn sie nach B liegt. I)ie Spule Sl wird mit umgeschaltet, dergestalt, daS unter allert Urnstanden zwischen den unteren Enden zweier aufeinander folgenden Elektrometer je eine Spule angebracht ist.

Jeder Versuch besteht also aus zwei zusammengehorigen

1) In diesem nnd den folgenden Schematen sind die kleinen Elektro- meter K, bis K,,, an deren Srelle spjiter (vgl. unten, IV. F.) Kondensatoren treten, durch je zwei parallele Linien dargestellt. - An melcher Stelle des Drahtes Y N die Zuleitung L liegt, ist bei dcm geringen Widerstande dieses Drahtes gleichgiiltig.

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photographischen Aufnahmen bei Wippenlage d und B. Meist werden beide auf derselben Platte vereinigt (naturlich jede mit eigener Stimmgabelkurve); entweder sich im wesentlichen deckend, oder einander gegeniiber, indem die Platte zwischen beiden Versuchen umgekehrt wird.

IV. Die Versuche.

A. Das V e r h a l t e n b e i e i n f a c h e r O f f n u n g .

Der Schlittenkontakt C ist so eingeschaltet, daB der vor- beifahrende Rahmen die Kettenleitung c E d (Fig. 7) offnet, und somit die Potentialdifferenz zwischen c und d unter Belassung der unerlaBlichen NebenschlieUung c ?u2 d (vgl. oben) beseitigt. Bis zur Offnung von C unterhalt jene Potentialdifferenz eine konstante Ablenkung der Elektrometer und des Elektrographen, welche letztere den Spaltbereich nicht iiberschreiten darf.

Fig. 8 zeigt ein Beispiel eines solchen Versuches (Spannung 0,4 Volt).l) Man erkennt sofort, daB am Anfung des Systems

(Wippenlage A, Kurve A ) die vom Menislzus beschriebene Kurve mit scharfem Knick be- ginnt, und steil zur Nulllage abfAllt, wah- rend am Ende des Systems (Wippenlage B, Kurve B) die Bewegung erheblich spater und in S fiirmcqern Anfangsverla.uf beginnt und weit langsamer sich vollzieht. Bei A ist sie schon nach 'Iloo Sek. imwesentlichen beendet, bei B ist selbst a m Ende der ganzen, etwa 11, Sek. dauernden Expositionszeit wenig fiber die Halfte des Riickganges vollzogen.

Das Interval1 der beiden Bewegungsanfange wird stets so gemessen, daB der Abstand jedes Kurvenbeginnes von der

R

Fig. 8.

1 ) Wegen der Kostspieligkeit phototypischer Vervielfiiltiguogen be- sclirLnke ich mich auf Durchpausungen der Originalkurven ; aus der groSen Fulle gebe ich nur wenige Bcispiele, und von jeder Kurve nur das mesentlichere Anfangsstuck. Durchweg ist der unter der Kurve liegende Teil (in Fig. 8 schraffiert) der der Saure entsprechende, also auf den dargestellten Segativen dunkle; von den Stimmgabelkurven (suf den Plstten hell auf dunklem Grunde) gehort die mit a bezeichnete zu der Kurve A, b zu B. Die vertikale Grenzlinie links bezeichnet den Momeiit, in melchem dcr exponierte Teil der Platte das Spaltbild erreicht.

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Elektrische Mellen in Systemen von hoher Kapazitat etc. 945

linken vertikalen Grenzlinie mittels der zugehorigen Zeitkurve in Sekunden umgerechnet und die Differenz beider Zeiten ge- nommen wird. Leider laBt sich - und dies gilt auch fiir alle folgenden Versuchsarten - im Falle B der Beginn der Kurve wegen der S-Form nur unsicher, d. h. mit einer Fehler- breite, welche zuweilen bis fast l/lo,,o Sek. geht, bestimmen. Die QroBe des Intervalles der Kurvenanfange schwankte in zahl- reichen derartigen Versuchen zwischen 0,0045 und 0,0059 Sek.

Widerstand eines Punktkontaktes ist hierfur zu groB, namentlich fiir die spater anzuftihrenden Ver- suche mit sehr hohen Spannungen. Es wurde daher eine W h e a t -

a

stonesche Anordnung verwendet, f Af L deren eine Diagonalleitung a b (Fig. 9) die Kette E, einen Wider- stand w und einen Sicherungs- Q

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946 1;. Hermann.

eine derselben (ad) ist der Schlittenkontakt C eingeschaltet, dessen Offnung durch den Schlitten augenblicklich eine Poten-

tialdifferenz, uber deren GroBe man durch Kette und WiderstandsgroBen verfugt, auf das System wirken IaBt.

Die Ergebnisse (Beispiel, in Fig. 10, Spannung 0,5 Volt) entsprechen genau den- jenigen der Offnungsversuche. Wieder be-

und vollendet sich schnell, hinten (Kurve B) beginnt sie erheblich spater, S fdrmig, und vollzieht sich ungleich langsamer. Die Zeit-

differenz des Beginnes liegt nach zahlreichen Versuchen zwischen 0,0040 und 0,0061 Sek.

U ginnt vorn (Kurve A ) die Bewegung plotzlich

,55,K 5

Fig. 10.

C. Das Verhalten be i kurz dauernden e lektr ischen E i n - wirkungen. Wellenf6rrniger Ablauf.

Die bisherigen Versuche zeigen zwar, daB die Fortpflanzung einer elektrischen Veranderung durch dss System erhebliche Zeit braucht, aber nicht, ob diese Fortpflanzung wellenartig

erfolgt, d. h. so, daB der Vorgang temporar an einer entfernteren Stelle starker sein kann als an einer bereits durchlaufenen. Urn dies zu entscheiden, mu6ten rasch vorubergehende Vorgange ver- wendet werden, und zwar wurden wegen der leicht zu ubersehen- den Verhaltnisse Kondensator- entladuiungen gewahlt l), nach dem Schema der Fig. 11. Q ist ein

Edelmannscher Glimmerkondensator, in der Regel auf 1 Mikrof. gest6pselt. Bei geschlossener NebenschlieBung Uladet SchlieBung des Schlittenkontaktes C den Kondensator auf die Potential-

1) Eine Anzahl Versuche wurden. statt dessen mit Indukbionsstronzen angestellt, und ewar mit genau gleicbem Erfolge. Dies Verfahren hat jedoch den Nachteil, da6 man die SpannungshShe nicht leicht iibersehen kann, und daher leicht das fur die Kapillarelektrometer zuliissige Maxi- mum iiberschreitet.

Fig. 11.

_____-

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Elektrische Wellen in Systemen uon iioher Kaparitat etc. 947

differenz der Punkte c und d (in der Regel Volt); die La- dung bleibt bestehen, wenn jetzt U geoffnet wird. Offnet dann der Schlitten den Kontakt C, so entladet der Kondensator seine Elektrizitatsmenge durch das System, von dem wieder niir ein Teil angedeutet ist.

Von den sehr zahlreichen Versuchen dieser Art geben Figg. 13 und 13 Beispiele (beide mit Volt, 1 Mikrof.). Am vorderen Ende des Systems (A) entsteht ein plotzlich beginnen- der sehr steiler, ebenso steil verschwindender Ausschlag, dem ein kurzer entgegengesetzter Ausschlag folgt ; nach diesem wird die Abszissenachse abermals ein wenig uberschritten. Am hinteren Ende (B) erfolgt dagegen der Ausschlag weit spater,

IZOJ b 14 71 bL a a

Fig. 12. Fig. 13.

ist weit niedriger, beginnt nnd endet Sf6rmig und ist niemals von einer Unterschreitung der Abszissenachse gefolgt. Diese Ergebnisse zeigten sich an allen verwendeten Elektrographen; nur fehlte an einem derselben, dessen Beregung etwas lang- samer war, die Unterschreitnng der Achse bei der Kurve A, und beide Schenkel waren etwas weniger steil, die ganze Ex- kursion also etmas breiter (d. h. Ianger anhaltend).

Vor sllem sieht man hier das Wellenartige des Ablaufes auf das deutlichste. Die Bewegung beginnt am Ende des Systems erst, nachdem sie am Anfang ihr Maximum schon erreicht oder iiberschritten hat, und erreicht am Ende ihren Gipfel zu einer Zeit, wo sie vorn liingst voruber ist; die Ver- anderung ist also temporar hinten starker als vorn, der sichere Nachweis wellenformigen Ablttufes.

Das Zeitintervall der Beginne vorn und hinten liegt zwischen 0,0037 und 0,0063 Sek. (die Oszillationsbreite ist nur

fin*

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948 L. Hermann.

wegen der gr6Beren Anzahl der Versuche grofier), d. h. es ist von demselben Betrage wie in den Offnungs- und SchlieBungs- versuchen. Weit groBer ist das Interval1 der Gipfelzeiten, weil in B der Anstieg langsamer erfolgt als in A. Ein Ein- fluB der SpannungsgraBe und (bei den Entladungsversuchen) der KapazitatsgroBe auf den Zeitverbrauch zeigte sich bei den bisher mitgeteilten Versuchen nirgends und ist auch vermut- lich, der Theorie entsprechend, nicht vorhanden.

Die Hohendzferenr beider Gipfel entspricht dem von der Theorie verlangten Uekrement der Welle bei ihrem bblauf. Unter gewohnlichen Umstanden verhielten sich beide Maximal- ordinaten meist wie 5-7 : 1. Auch die grofiere zeitliche Hinausziehuiig des ganzen Vorganges am Elide des Systems (B) en tspricht der Theorie vollkommen.

Die oszillatorische Erscheinuny Leim Abfall der d - Kurven (vgl. oben) beruht keineswegs auf Traglieitsschwingungen des Quecksilbers im Elektrographen , obwohl dasselbe auf Er- schiitterungen stark reagiert. Schon das Ausbleiben bei dein ebenso steilen Offnungsabfall (Fig. 8) beweist dies. Ich ver- mutete daher, daB es sich um eine elektrische Oszillation handelt, welche durch die verwendete Kapazitat und durch die Selbstinduktion der Spulen bewirkt wird. Zu beachten ist iibrigens, dab die vom Kapillarelektrometer beschriebene Kurve nicht direkt diejenige des einwirkenden Potentiales ist, sondern letztere erst durch ein Reduktionsverfahren abgeleitet werden mu8.l) So kann, selbst bei einem ziemlich schnell reagieren- den Elektrometer, eine doppelsinnige elektrische Veranderung durch einen einsinnigen Meniskusausschlag sich kundgeben, wie dies zweifellos auch bei dem p. 947 erwiihnten etwas trageren Elektrographen der Fall war. Man kann aber leicht durch Kondensatorentladungen am Elektrographen allein ganze Reihen vou elektrischen Oszillationen erhnlten, wenn man nur die Bedingung derselben verwirklicht, namlich w2 < 4 p / c macht. Da der Elektrograph niemals ohne NebenschlieBung mit dem Kondensator verbunden werden darf (vgl. oben), so

1) Uber diese Reduktion vgl. die Arbeiten VOD B u r c h , E int - h o v e n , Hermann, Hermann u. G i l d e m e i s t e r ; die einschliigige Literatur findet man in der letetgenannten Arbeit zueammengestellt, Arch. f. d. ges. Physiol. 81. p. 491. 1900.

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Elektrische Pellen in Systemen von hoher Kapnzitat etc. 949

kommt man am leichtesten zum Ziele, wenn man eine In - duktionsspirale als NebenschlieBung verwendet. Figg. 14-1 6 sind einige Beispiele solcher Versuche. In Fig. 14 ist die sekundare Spirale eines Schlitteriinduktoriums (ca. 600 Q) mit Eisenkern, in Fig. 15 dieselbe ohne Eisenkern a19 Neben-

Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16.

schlieBung zwischen dem auf Volt bei 1 Mikrof. geladenen Kondensator und dem Elektrographen eingeschaltet. l) Fig. 16 ist einer Versuchsreihe entnommen, welche Hr. Dr. Gi lde- meis t e r nnd ich zur Bestimmung von Induktionskoeffizienten mittels der Oszillationen am Kapillarelektrometer unternommen haben.2)

D. D e r Einf luS der Se lbst indukt ion, der Polar isat ion (Kapa- z i t a t ) und dee Widerstandes auf d ie Welle .

1. Herabsetzung bez. Beseiligung der Selbstinduhtion. Werden aus allen 15 Induktionsspulen die Eisenkerne herausgenommen, so ist bei allen bisher angefiihrten Versuchsweisen das Inter- vall zwischen dem Beginn am vorderen und am hinteren Ende des Systems so betrachtlich verkiirzt, daB es nicht mehr deut- lich nachweisbar ist. Fig. 17 ist ein Beispiel fur Offnung (0,4 Volt), Fig. 18 fiir SchlieBung (0,5 Volt), Fig. 19 fiir Kon- densatorentladung (E/Q Volt, 1 Mikrof.). Auch ist zuweilen der Sf6rmige Beginn der B-Kurven nicht mehr deutlich ausge- priigt, und die Unterschreitung der Nulllinie bei A fehlt stets.

1) Der Koeffizient der Selbstinduktion dieser Spirale ist mit Kern 8,4. loo cm, ohne Kern 1,70. lo8 cm.

2) Die Anordnung war hier eine andere ale die eben beschriebene; der Versuch sol1 nur zeigen, daS der Elektrograph such sehr frequente Oszillationen noch gut verzeichnet.

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950 L. Iiermann.

Die Versuche, in welchen nur aus der Halfte der Spulen die Kerne entfernt werden, sei es alternierend, sei es aus der vorderen oder aus der hinteren Halfte, zeigen ebenfalls eine entschiedene Verminderung des Intervalls, welches jedoch hier noch meBbar ist; es liegt zwischen 0,0016 und 0,0022 Sek.

15.5)

B

I

Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19.

Fig. 20 gibt ein Beispiel flir Kondensatorentladung Volt, 1 Mikrof.). Die Unterschreitung der Abszissenachse bei A ist hier noch vorhanden, wenn nur die sieben hinteren Kcrne beseitigt sind; in den beiden anderen angefiihrten Fallen fehlt sie.

R

‘.)I&- ,:-

Fig. 20. Fig. 21.

W erden endlich die Ioduktionsspulen ganz entfernt, d. h. durch kurze Drahte ersetzt, 80 ist der Sorgang vorn und hinten absolut identisch; die Kurven A und B decken sich, uber- einander registriert (Beispiel fur Entladung Fig. 21, Volt, 1 Mikrof.), so vollkommen, daS man annehmen konnte, es sei nur eine vorhanden, wenn nicht viele Versuche mit getrennter Registrierung voryagen. Der Vorgang ist relativ niedrig und

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h'lektrische Wellen in Systenien von hoher Kapazitat etc. 951

breit, also vorn erniedrigt, hinten erhoht im Vergleich zu dem Verhalten mit Spulen.

Aus allen diesen Versuchen ergibt sich, wie es auch der Theorie entspricht, daB die Welle sich urn so schneller fort- pflanzt, je kleiner der Induktionskoeffizient. Schon die Herab- setzung desselben auf etwa 'Ilo seiner GroBe (vgl. oben p. 939) reicht hin, um bei der Beschrankung um 15 Glieder die Fort- pflanzungszeit so kurz zu machen, daB sie undeutlich wird. Qanz ohne Induktion wiirde die Geschwindigkeit , wenn hier von einer solchen die Rede sein konnte, wie bei der Warme- leitung theoretisch als unendlich zu bezeichnen sein.

2. Partielle oder ganrliche Beseitigung der Polarisationen. Die vollstandige Beseitigung der Kapillarelektrometer Kl bis XI5 (Fig. Sff.) kann einfach dadurch geschehen, daS man die mit dem Drahte M N verbundenen in den langen Schenkeln stecken- den Platindrahte herauszieht. Die Versuche A und B unter- scheiden sich dann nur dadurch, daB bei B die 15 Spulen mit im Kreise sind, bei A nicht. Trotzdem sind die beiden Kurven dergestalt identisch, daB sie sich genau decken; dies gilt sowohl fur SchlieBungs- und Offnungs-, wie fur Entladungs- versuche; von letzteren stellt Fig. 22 ein Beispiel dar Volt, 0,05 Mikrof.). Zu be- merken ist noch, daB bei gleich starken Einwirkungen wie fruher, die Kurven so hoch sind, daB sie die Plattenhohe weit 07)

uberschreiten , offenbar weil der Elektro- graph keine Nebenschliehngen durch die Kapillarelektrometer hat.') I n Fig. 22 ist die Kapazitiit des Kondensators nur 0,05 Mikrof., die sich entladende Elektrizitatsmenge also nur 1/20 der in Fig. 12 einwirkenden (das Potential war in beiden Fallen dasselbe, e/oVolt). Ferner f d l t in die Augen, daf3 der Abfall weit weniger steil ist, als in den fruheren Versuchen, und ohne Unterschreitung der Nulllinie.

Wird nur die Halfte der Kapillarelektxometer durch AUS- ziehen ihrer Drahte beseitigt, was wieder alternierend, oder

L a

Fig. 22.

1) In den Entladungsversuchen miiB man daher dem Elektrographen etete eine NebenschlieSung geben (vgl. oben p. 940, Anm.); meist war dieeelbe 100000 R.

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952 L. Hermann.

in der vorderen oder hinteren Halfte geschehen kann, so sind die Wellenerscheinungen wie fruher , aber das Interval1 der Beginne von d und B vermindert, z. B. auf 0,0025 Sek., d. h. die Geschwindigkeit erhtiht. Ferner ist bei Entladungsver- suchen (Beispiel mit alternierend beseitigten Elektrometern Fig. 23, Volt, 1 Mikrof.) das Dekrement der Welle sehr

vermindert (etwa auf 2-3 : 1). Dies letztere entspricht vollkommen der Theorie; bezieht man namlich, wie ich es in Gleichung (3) getan habe, die GriiBe des Vorganges auf die zuriick- gelegte Strecke y, welche in allen verglichenen Fallen dieselbe bleibt, so druckt der Faktor e-)- Y das Dekrement am, und dasselbe ist um

( so groBer, j e groBer A, welches aber nach Glei- chung (2) der Wurzel aus der Kapazitat pro- portional ist. I n dem zuletzt besprochenen

Versuchsfall ist aber die Kapszitat der Langeneinheit vermindert, weil jetzt zwei Glieder zusammen nur die Kapazitat eines einzigen Kapillarelektrometers haben. Allerdings erscheint die Herab- setzung des Dekrementes von im Mittel G : 1 auf im Mittel 2,5 : 1 etwas zu betrachtlich, da h in beiden verglichenen Fiillen sich nur im Verhaltnis von 1/2: 1 Bndert; aber es ist zu beachten, daB 1. auch in dem Integralglied der Gleichung (3) als Faktor von z eine Rolle spielt, deren GroBeneinflu6 indes nicht leicht zu tibersehen ist.

A uch folgender Umstand darf nicht unterdruckt werden. Wie man aus Gleichung (2) ersieht, hat p den umgekehrten EintluB auf h, also auf das Dekrement, wie c. Man konnte also erwarten, daB Herabsetzung der Induktionskoeffizienten, z. B. durch Herausnahme der Spulenkerne, das Dekrement vermehrt. Hiervon konnte ich jedoch in den Versuchen nichts feststellen. Ubrigens muB bei all diesen Fragen im Auge be- halten werden, da6 die Deformation der Potentialkurve durch das schreibende Kapillarelektrometer (vgl. oben p. 948) auch auf die Hohe der Kurve EinfluB hat, und daB dieser EintluB vom zeitlichen Verlauf der Potentialiinderung abhiingt.

3. Einfiihrung groper W’iderstande. Hierzu dienten 15 Rlei- stiftwiderstiinde (Bleistiftlinien auf Mattglas, durch Schellack- iiherzug geschutzt), deren jeder zwischen 0,l und 0,2 Megohm betrug, und welche ofters revidiert wurden.

Fig. 23.

IS21 mk b

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Elektrische Wellen in Systemen von hoher Kapazitat etc. 953

Zunachst mogen Versuche erwahnt werden , in welchen die 15 Elektrometer Kl bis K15 durch je einen solchen Rider- stand ersetzt wurden. Hier ergaben Kondensatorentladungen am vorderen Ende des Systems (Wippenlage A) einen relativ zur Elektrizitatsmenge sehr hohen und langsam abfallenden Ausschlag, am hinteren Ende (B) dagegen iiberhaupt keine Wirkung. Die nebenschlie6ende Wirkung auf den Elektro- graphen, welche die die Leitungen M N und 0 P verbindenden 15 Widerstande austiben, ist in den Fallen A und B voll- kommen gleich, dagegen befinden sich die 15 Spulen fur den Elektrographen bei A in der Nebenleitung, bei B in der Haupt- leitung. In diesem Umstande allein kann aber das (durch zahlreiche Versuche festgestellte) Ausbleiben des Ausschlages bei B nicht begrlindet sein, da, wenn die Elektrometer Kl bis Kl, ohne Ersatz entfernt sind (vgl. oben p. 951), im Falle B derselbe Effekt wie in A auftritt, obgleich hier ebenfalls bei B die Spulen in der Zuleitung zum Elektrographen sind. E s kann sich also nur um eine vereinte Wirkung der Neben- schlieBungen und der Induktionen handeln, welche ich vorder- hand nicht aufiukliren vermag.

Schaltet man parallel zu jedem der Elektrometer Kl bis K , , j e einen Bleistiftwiderstand, so erscheint die Welle am hinteren Ende wie gewohnlich, und in gleichem Zeitintervall wie sonst; nur ist der Abfall in A ohne Unterschreitung der Nulllinie.

Wird neben jedem Elektrometer h; bis K15, oder neben jeder Spule S1 bis S,,, je ein Bleistiftwiderstrtnd eingeschaltet, so erreicht die Welle das hintere Ende des Systems nicht mehr, d. h. in Lage B bleibt jeder Effekt aus. Vorn (A) ist der Ausschlag relativ zur Elektrizitatsmenge sehr hoch und lang- sam ahfalleud. DaB das Dekrement der Welle hier sehr gr06 sein mu6, entspricht der Theorie, da il in linearem Verhaltnis mit w wachst.

E. Die Fort p f 1 an zungsg e s ch w i n d ig k e i t d er Wel l e.

Oben sind die Zeiten arigegeben worden, welche die Welle braucht, um das System vom Anfang bis zum Ende zu durch- laden. Eine riach Wegliingen zu bemessende Fortpflanzungs- geschwindigkeit la6t sich naturlich hieraus nicht ableiten, da wir keinen homogenen Leiter vor uns hsben; wohl aber laBt

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954 L. Hermann.

sich die fur jedes der 15 Glieder des Systems verbrauchte FortpHanzungszeit angeben und mit dem Ergebnis der Theorie vergleichen, indem wir in der letzteren die GroDen c und p nicht fur die Langeneinheit, sondern fur je ein Glied in Rech- nung stellen. Da die Fortpflanzungsgeschwindigkeit u = 1 /l/cp ist, so ist die fiir die Langeneitiheit verbrauchte Zeit gleich YG, wenn c und p fur die LBngeneinheit angegeben ist, sie ist also ebenfalls fur jedes Glied gleich VG, wenn c die Kapa- zitat und p den Induktionskoeffizienten je eines Gliedes bedeutet. p ist in diesem Sinne bereits oben (p. 939) fur jede Spule mit Kern zu ungefahr 2 . lo8 cm, ohne Kern zu 2 . lo8 cm ange- geben. Es bleibt also nur noch die Kapazitat der Kapillar- elektrometer zu bestimmen.

Diese Aufgabe laBt sich aber leider bei Kapillarelektro- metern von so gro6er Meniskusflache wie die verwendeten, nur sehr unvollkommen erfullen. Denn die erste Voraussetzung ist, daB das Elektrometer sich genau wie ein Kondensator verhalt, d. h. den durchgeleiteten Strom vollstandig kompen- siert, wie es in der Tat so feine Kapillarelektrometer wie die als Elelrtrographen verwendeten tun. An einem der letzteren mit sehr feiner Kapillare betrug z. B. die Kapazitat 0,025 Mikrof.; an einem anderen mit erheblich weiterer Kapillare fast genau 0,l Mikrof. Die Bestimmung geschah so, daB das Elektro- meter mit einer gegebenen Potentialdifferenz geladen wurde; nach vollstandiger Riickkehr des im Kreise befindlichen bal- listischen Galvanometers auf seinen Nullpunkt wurde der bei Offnung jenseits der NebenschlieBung entstehende Ausschlag beobachtet, und mit dem in einem ahnlichen Versuch, in welchem ein Kondensator die Stelle dea Elektrometers einnahm, entstehenden Ausschlage verglichen. Die gefundenen Kapa- zitaten der beiden angefiihrten Elektrometer (mit welchen die meisten der oben beschriebenen graphischen Versuche ange- stellt sind) stimmten gut zu dem Umstande, daB das erste eine etwa zweimal so hohe Quecksilbersaule trug als das zweite, also annahernd den halben Uurchmesser oder der Meniskenflache des zweiten hatte; in erster Annaherung miissen aber die Kapazi- taten den polarisierbaren Quecksilberflachen proportional sein.

Die kleinen Elektrometer kompensieren dagegen die zu- geleiteten Strome erstens nicht ganz vollstandig, zweitens

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Elektrische Wellen in Systemen von hoher Kapazitat etc. 955

waren die in der angefiihrten Weise gemessenen Kapazitaten ziemlich inkonstant; vor allem waren sie bei beiden Strom- richtungen verschieden , namlich hei den Meniskus zuriick- treibenden Stromen kleiner als bei vortreibenden ; ferner waren sie bei hoheren Spannungen klciner als bei niedrigeren. I) Die Beobachtungen (iiur an einzelnen Exemplaren durchgefuhrt) fiihrten zu Werten zwischen 9 und 13 Mikrof. Nine ungefahre Bestimmung aus der Hohe der getragenen Quecksilbersaule (32-38 mm) fuhrt, da das oben erwiihnte Elektrometer von 0,l Mikrof. eine Saule von 298 mm trug, zu Werten von 6-9 Mikrof. Immerhin kann man die Gro@zordnuny der Kapa- zitat der kleinen Elektrometer zu etwa 10 Mikrof. annehmen.2)

Bei dieser Annahme ware also fdr jedes Elektrometer c = 10.10-15 sek2/cm, und da p (mit Ken]) gleich 2 . lo8 cm ist, so ergibt sicli c . p zu 2 . 10-6 sek2, also mii8te die fur jedes Glied verbrauchte Zeit gleich l/OFUm2 Sek. = 0,00447 Sek. sein, also fur alle 15 Glieder 0,OG6 Sek. Die wirklich fur das System verbrauchte Zeit erreichte aber im hfaximum nur 'Ilo dieser GroBe. - Ohne Kerne ist p nur 2 . l o s cm, woraus sich die Zeit fur das System zu 0,021 Sek. ergeben wurde; in den Versuchen war in diesem Falle das Interval1 nicht sicher zu bestimmen, jedenfalls aber weniger als *Ilo dieser GroSe.

Dit dieses Ergebnis wenig befriedigend ist, entschloB ich mich, die gauze Versuchsreihe mit besser ubersehbaren Kapa- zitaten zu wiederholen, indem ich statt der Kapillarelektro- meter Kondensatoren verwandte. 3, Freilich muBte ich mich, da 15 Glimmerkondensatoren von auch nur je 1 Mikrof. un- gemein kostspielig gewesen waren, mit den weit mangelhafteren I'apierkondensatoren hegntigen. _ _ _

1) Andere bei diesen Verauchen gemachte Erfahrungen k6nnen hier ubergangen werden, da sie sich zu wait von dor vorliegenden Aufglrbe entfernen.

2) Eine konstante Kupazitgt kann bei einem Kapillarelektrometer schon deswegen nicht existieren, weil bei jeder Einstellung die Menisken- fliiehe wegen der Konizitgt der Kapillare eine anderc GroBe hat.

3) Statt der Kapillarelektrometer k6nnte man aueh W o l l a s t o n - sche Spitzen verwenden, welche im Prinzip ahnliche Eigenschaften be- sitzen; sie kompensiercn, wenu sic mit ausgekochter Schwefelsaure luft- dicht eingesehmolzen sind, zugefuhrte Spannungen recht gut ; ihre Kapa- zitlit ist jedoch sehr gering (z. B. 1/40 Mikrof.).

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F. V e r s u c h e m i t Kondcnsatoren .

Die 15 verwendeten Papierkondensatoren von je 1 Mikrof. sind in einem Kasten vereinigt und zu beliebiger Schaltung eingerichtet. l) Je eine Endklemme derselben murdc mit einem der Leitung M N in Fig. 7ff. entsprechenden Drahte verbunden, die andere zwischen je zwei Spulen geschaltet, so da6 die Kon- densatoren die Stellen Kl bis K15 des Schemas einnahmen.

Mit dieser Anordnung wurden nun alle bisher angefulirten Versuchsart>en ausgefiihrt; jedoch ist hier fur die Entladungs- versuche durchgangig eine NebenschlieBung zum Elektro- graphen erforderlich, weil derselbe sich sonst in oilenem Kreise befinden wiirde. Legt man keinen Wert auf moglichst schnellen

Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26.

Ruckgang der Ausschlage so wird man der NebenschlieBung einen moglichst gro6en Widerstand geben (z. B. 100000 fi); mit nur 1000 fi ist der Ruckgang schnell, aber die Ausschlage merklich verkleinert.

Die Ergebnisse entsprechen nun in jeder Hinsicht gennu den mit den Kapillarelektrometern erhaltenen, nur sind die Zeitintervalle zwischen dem Beginn vorn und hinten bei den jetzigen Versuchen erhellich griiper. Es geniigt eiiiige Bei- spiele vorzufiihren, zunachst solche mit vollem Apparat (d. h. die Spulen samtlich mit Eisenkern). Fig. 24 ist ein Offnungs- versuch (1 Volt, NebenschlieBung zum Elektrographen wie in allen folgenden Reispielen 1000 G)l Fig. 25 ein SchlieBungs- versuch (ebenfalls 1 Volt), Fig. 26 ein Entladungsversuch

1) Der Apparat ist von H. B o a s in Berlin geliefert; wie alle Papier- kondensatoren haben die Kondensatoren keinen sehr gro6eri Isolntions- widerstand; derselbe betriigt pro Mkrofarad etwa 45-50 Megohm.

- - ~

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Blehtrische Mkllen in Systemen von holier Ahpazitat etc. 957

(8/9Volt, 1 Mikrof.). Das Interval1 zwischen rl und B ergab sich hier zu 0,011 his 0,014 Sek., das Dekrement in den Ent- ladungsversuchen hochstens wie 2 : 1.

Beispiele von Versuchen mit Beseitigun.9 der Eisenheme geben Figg. 27-29, und zwar Fig. 27 for Offnung, Fig. 28 fiir SchlieBung (beide bei 1 Volt), Fig. 29 fiir Entladung Volt, 1 Mikrof.). Wiederum zeigt sich das lntervall zwischen A und B durch die Verminderung der Selbstinduktion erheblich ver- kleinert, hier aber, im Gegensatz zu den entsprechendcn Ver- suchen mit den Elektrometern, noch gut me8bar. Es liegt zwischen 0,003 und 0,006 Sek.; die kleineren Werte wurden bei Entladurigsversuchen gefunden.

I Fig. 21. Fig. 28. Fig. 29.

Die theoretische Berechnung ergibt hier folgendes: 1. Mit Kernen: c = 10-'5 sek2/cm, p = 2 . log cm, also Zeitverbrauch pro Glied v2.10-6 Sek., fur 15 Glieder 0,8212 Sek.; beobach- teter Verbrauch 0,011-0,014 Sek. 2. Ohne Kerne: p = 2 . lo*, also Zeitverbrauch proGlied v2.10-7, fur 15 Glieder 0,0067Sek., beobachteter Verbrauch 0,003-0,006 Sek.

Wie man sieht, ist die UbeIeinstimmung der Ergebnisse mit der Theorie bei den Versuchen mit Kondensatoren un- vergleichlich befriedigender als bei den fruheren rnit Kapillar- elektrometern, und in den Versuchen ohne Spulenkerne sognr fast vollstandig. DaB mit den Kapillarelektrometern die Uber- einstimmung mangelhaft war, durfte damit zusammenhangen, daB dieselben, wie oben erwahnt, die Eigenschaften eines Kon- densators nur in unvollkommenem Grade besitzen, und die Kapazitat, mit welcher sie zur Geltung kommen, nur an- nahernd bekannt ist. Auch bei den Kondensatoren durfte ein

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Teil der Abweichung mit dem Umstande zusammenhangen, da6 ihr Isolationswiderstand nicht unendlich ist. Ferner muB fiir die Beurteilung der Bedeutung der Abweichungen erwogen werden, daS die verbrauchten Zeiten wegen deu S formigen Beginnes der B-Kurven wenig genau gemessen werden konnten. Aber in den Versuchen mit Eisenkernen ist die Divergenz (fast 1:2) zu gro6, um in diesen Urnstanden allein begrundet sein zu konnen. Da aber bekanntlich der Induktionskoeffizient bei Anwesenheit eines Kernes keine konstante GroBe, sondern von der Stromstarke abhangig ist, da ferner wegen der Zeit, welche die Magnetisierung braucht, maglicherweise nicht der volle Induktionskoeffizient zur Wirkung kommt I), ist auch hier die Abweichung kein Grund, eine Nichtbestatigung der Theorie anzunehmen. Vielmehr sind nicht allein die elektrischen Wellen der in Redo stehenden Art zweifcllos festgestellt, sondern auch die GroBenordnung ihrer Fortpflanzungsgeschwindigkeit im wesentlichen der Theorie entsprechend.

G. V e r s u c h e m i t s e h r h o h e n S p a n n u n g e n .

Oben p. 948 ist erwahnt, da6 innerhalb der fur die Kapillar- elektrometer zulassigen Spanniingswerte (p. 940) die Gro6e der Spannung keinen EinfluB auf die Fortpflanzungszeiten der Welle hat, wie es auch der Theorie entspricht. Letztere gilt aber nur fur den Fall, daB das Polarisationsmaximum niemals von der einwirkenden Spsnnung iiberschritten wird, denn nur dann gilt die Grundgleichung c . a q / d t = i. Es war anzu- nehmen, dat3 wesentlich hohere Spannungen als 1 Volt ent- weder keine Welle geben oder die Fortpfianzungszeiten sehr vermindern wurden; letzteres erschien leicht moglich, weil die volle Spannung in der Regel nur auf die ersten Elektrometer wirken, von einer gewissen Stelle ab also moglicherweise das normale Verhalten Plstz greifen wird. Eine experimentelle Prufung erschien namentlich in Hinsicht auf gewisse den Nerven betreffende Pragen von Interesse.

1) Diese letztere Frsge wird sich entscheiden Iassen, wenn ein Pbysiker die Mittel hat, ihnliche Versuche mit einer genugenden Anzahl von Glimmerkondensatoren hoher Rapazitst auszufuhren.

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Elektrische Wellen in Systemen von holier Kupazitat etc. 959

Versuche dieser Art konnten nur mit SchlieSungen oder Entladungen angestellt werden , weil die Gasentwickelung den Strom unterbricht, also ein brauchbarer Dauerzustand, dessen Offnung zum Versuche dienen konnte, nicht herstellbar ist. Nach jedem Einzelversuch rniissen selbstverstandlich dieMenisken samtlicher Kapillarelektrometer und des Elektrographen er- neuert werden, was diese Versuche etwas miihsam und zeit- raubend macht. Bei weitem die meisten habe ich mit ScblieBungen (W h e a t s t o n e - Anordnung) ausgef'uhrt; die ver- wendeten Spannungen gingen von 1 bis 45 Volt, in den Ent- ladungsversuchen bis 94 Volt.

Die Vermutung, daB die Gasentwickelung nur bis zu einer gewissen Stelle des Systems reichen wurde, wenn die Span- - nung nicht gar zu grog ist, bestatigte sich sofort. Schon an den kleinen Elektrometern selbst beobachtet man, daB die letzten der Reihe oft keine Spur eines Gasblas- chens zeigen. Vor allem aber zeigt der Elektrograph selbst bei den hijchsten verwen- deten Spannungen im FalleB, d. h. wenn er letztes Elektro-

Fig. 30.

~ C

Fig. 31.

meter ist, niemals Gasentwickelung. I m Falie A beginnt dagegen die Gasentwickelung momentan und gibt zu einer eigentiimlichen Erscheinung auf den Photogrammen AnlaB, welche in Fig. 30 schematisch dargestellt ist. Das Qas ist namlich in der Kapillare weniger lichtdurchlassig als die Saure; das Gas treibt jedesmal das Quecksilber sofort zuriick (Anstieg a b), gleichzeitig aber fur einen ganz kurzen Moment (1/10no-1/20n Sek.) die Skure etwas vor (Einschnitt a c 4, welche dann ebenfalls zuruckgeht, indem sie dem Quecksilber in einem dnrch weitere Gasentwickelung l) zunehmenden Abstand nach- folgt; schlieBlich erfolgt ein ganz unregelmiBiges Hin- und Herwogen. Fig. 31 ist die Wiedergabe eines wirklichen Ver- suches (SchlieBung bei 18 Volt Spannung); die Buchstaben abce,

1) Die Gasentwickelung unterbricht also die Leitung nicht vollstiindig.

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960 5. Hermann.

entsprechend dem Schema Fig. 30, gehoren dem Versuch A an, f y iet der Anstieg fur B, wiederum mit Sformigem An- fang. Alle derartigen Versuche ergaben eine entschiedene Perkiirzuny der Fortpflanzungszeit, aber selbst bei den hochsten Spannungeii kein Verschwinden derselben. - Ubrigens fand ich unerwarteterweise auch in analogen Versuchen mit Kon- densatoren statt der Kapillarelektroineter bei sehr hohen Span- nungen eine geringe Abnahme der FortpHanzungszeit.

H. E i n i g e w e i t e r e Versuche. SchluBbemerkungen.

Sowohl die Zuleitung der elektrisclien Einwirkung als auch die Ableitung zum Elektrographen kann, gegenuber den bisher mitgeteilten Versuchen, in mannigfacher Art abgeandert werden. Nameiitlich kann die Zuleitung oder die Ableitung

Fig. 32.

oder beides, statt wie bisher nuf die Leitungen J f i V uud O P verteilt, an einer dieser beiden Leitungen geschehen. Aus den vielen yon mir ausgefuhrten Versuchsweisen will ich nur eine kurz beruhren, weil sie den in der Physiologie wohlbekannten Versuchen iiber ,,phasische AktionsstrGme" des Nerven im Prinzip und im Ergebnis entspricht. Sie besteht dariii, den Elektrographen, statt wie bisher alternierend zwischen ilz und 0 und zwischen N und P. zwischen zwei moglichst distanten Stellen der Leitung 0 P, z. R. (vgl. das Schema') Fig. 32) zwischen R und P einzuschalten. Das dem Punkte 0 voriiber- gehend erteilte Potential wird dann den Punkt 3 friiher er- reichen als P, und wenn es in P anlangt, in B schon ganz oder groBtenteils verschwunden sein. Die auf den Elektro-

1) Die Zuleitung zum Koddensator Q, welche so ist wie iu Fig. 11,

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ist hier weggelassen.

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Elektrkche Wellen in Systemen eon holier Lapazi tat etc. 961

graphen wirksnde Potentialdifferenz wird also ihr Vorzeichen wechseln, d. h. aus zwei teilweise superponierten entgegen- gesetzten Phasen von ungleicher GroBe bestehen. Dies be- statigt sich nun vollkommen. Es ist bekannt und schon oben p. 948 erwahnt, daB doppelsinnige Potentinlschwankungen sich am Kapillarelektrometer sehr gewohnlich nur durch eiiien einsinnigen Ausschlag zu erkennen geben, der erst durch ana- lytische Reduktion die Doppelsinnigkeit der Schwankung er- gibt; noch einfacher zeigt sich aber die Superposition zweier entgegengesetzter Phasen , wenn man die zweite zum Wegfdl bringt, was leicht geschehen kann, indem man die Leitung irgendwo zwischen R und P, z. B. in So, unterbricht. Der Ausschlag hat dann etwas groBere Hohe und einen vie1 weniger steilen Abfall. Man sieht dies in dem Versuchsbeispiel Fig. 33l), in welchem C die zweiphasische Schwankung, D die durch die oben erwahnte Unterbrechung einsinnig gewordene Schwankung darstellt. Die Ninwirkung bestand hier in einem Offnungs- induktionsstrom, geliefert von einem gewohn- lichen Schlitteninduktorium ohne Eisenkern bei einem Rollenabstand von 100 mm und einer Nebenschliehg von 100 9 zur sekundaren Spirale (primare Kette 2 Volt rnit 10 fi Zusatzwiderstand).

Soch vollkommener als mit dem Elektrographen wiirden sich ubrigens die beiden Phasen in diesem Falle mit dem Galvanometer nachweisen lassen, wenn man eine strobo- skopische Vorrichtung (Berns t e ins Differentialrheotom, meinen Rheotachygraphen) zu Hilfe nahme.

do,

Fig. 33.

Dns Ergebnis der (lurch die Versuche bestiitigten Theorie laBt sich dahin zusammenfassen, daB an einem System der hicr

1) Die beiden Stimmgabelkurven zu C und D sinil durch ein Ver- sehen n i c k mjt abgepaust worden. Wie im Texte gesagt, handelt es sich hier ausnabmsweise um eine induktive Entladung, d. h. man hat sich fur dieaen Versuch im Schema Fig. 32 statt des Kondensators Q cine sekundgre Spirale zu denken. Der Versuch gehiirt zu den mit Kapillar- elektrometern (Kl bis K,& angeetellten.

Aonalen der Pbgslk. IV. Folge. 12 61

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062 L. liermann.

1)eliandelten Art jede vorubergehend oder rlauernd gesetztc Potentialverteilung sich in Gestalt einer gedlmpften Welle iiber das System fortpflanzt und da6 im letzteren Falle schlie8- licli eine stationire Potentialverteilung entstelit. Wie schon eingangs angedeutet , kann man eine solche Vorrichtung in lmchranktem Sinne als ein Model1 eiiier Nervenfaser betrachten; sie zeigt den Elektrotonus und die wellenfijrmige Fortpflanzung (Airier lokalen elektrischen Verhderung, wie sie z. H. mit der Erregung rerbunden ist, und cine Fortpflanzungsgeschwindig- lieit von niederer GroBenordnung. Man kann auch mit der Vorrichtung den Grundversuch nachahmen , durch welchen H e l m h o l t z die Leitungsgeschwindigkeit des Nerven bestimmte: er reizte einen mit einem Muskel verbundenen Nerven einmal :ti1 einer dem Muskel nahen, einmal an einer entfernten Ytelle, nntl verzeichnete beide Male die Zuckung graphisch ; die Zuckung begann iin letzteren Falle spater als im ersteren; die Yerspiitung ist die Leitungszeit , welche der Differenz der zuruckgelegten Kervenstrecken entspricht. Denselben Versuch Ir;ibe ich mit dem kiinstlichen Leiter sngestellt, indem ich ganz einfach an Stelle des Elektrographen in Fig. 'i das unterste Werven- elide eines Froschmuskels l) brachte, welcher seine Verkiirzung auf dem d u 13 o i s schen Federmyographion 2, aufzeichnete. Als elektrische Einwirkung wurde eine Kondensatorentladung 12 Volt, 1 Mikrof.) nach dem in Fig. 11 dargestellten Schema benutzt; sie muBte so stark sein, dainit auch bei Wippenlage B trotz des Dekrementes noch maximale Zuckung stattfindet, \veil sonst der Zeitabstand der beiden Zuckungskurven nicht exxkt mel3bar ist. Auf das schonste zeigte sich, da6 bei Lage B die Zuckung etwa 1/2,,o Sek. spater beginnt als bei Lage A, also ganz entsprechend dem Resultat p. 947.

1) Mau liiitte natiirlich ebensogut den Muskel direkt reizen kbnen , c4 ware aber dann, einem bekannten physiologischen Satze entsprechcnd, cin erheblich stiirkerer Reiz, d. h. hohere Spannung oder hohere Kapa- zitiit, erforderlicli gewesen.

2) Es ist dies cine Schlitte~ivorrichtung, welche eine beruBte Glasplatte mittels gcspannter Feder durch eine horizontale Bahn schleudert ; eine St.immgabel verzeichnet die Zeit; an eincr bestimmten Sfclle cler Bahn wird ein Kontakt geoffnet, der diesclbe Rollc spielt wie C in den Schcmatcn Yigfi. 7, 9, 11. Ein am Muskel hiingender Schreibhebel streift tnit seiner Spitze auf der Glnsplatte.

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h’iektrische IVeiien in Systemen von hoher KaparitZt etc. 963

Ich mu6 aber, um MiBverstandnisse zu verhiiten, aus- driicklich hervorheben , daB uiisere Vorrichtung , obwohl sie Elektrotonus uiid Erreguiigsleitung nachahmt, durchaus nicht als ein voilkommenes Modell der Nervenfaser gelten darf; denn es fehlt ihr die fundamentale Eigenschaft der Erregbarkeit. Die erregte Nervenstelle hat stets ein negatives Potential gegen den Rest der Faser ; dies Potential entsteht durch mechanische, chemische, elektrische Reize. Das Modell zeigt nur, wie es - einmal entstanden - fortgeleitet wird, bietet aber kein Analogon zu seiner Entstehung, d. h. zur Erregung, nicht ein- ma1 zur elektrischen. Diese Bemerkung mu6 an dieser Stelle geniigen.

Konigsberg i. Pr., Physiol. Iristitut, 29. Juli 1903.

(Eingegangen 31. August 1903.)

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