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0ber Inclusions-Chromatographie und ein neues Retentionsprinzip fiir Benzolderivate G. Hesse / R. Hagel [ 1 ] Institut f/ir Organische Chemie der Universitiit Erlangen-Niirnberg. D-852 Erlangen, Henkestr. 42, Bundesrepublik Deutschland Summary Inclusion Chromatography and a New Retention Mechanism for Benzene Derivatives Cellulose can be acetylated so that the conformation and the mutual arrangement of the carbohydrate chains within their crystalline regions is maintained. This micro- crystalline acetyl cellulose in its swollen state is capable of specifically occluding a wide range of different molecules, and it can be used for chromatographic separations. Chiral compounds are partially, and in some cases completely, resolved into their antipodes. This ability, however, vanishes almost completely if the material is re-precipitated from organic solvents. The benzene ring shows a particularly high affinity for the microcrystalline acetyl cellulose when at least 3 adjacent positions are unsubstituted. The strength of sorption is more strongly influenced by steric factors than it is by the chemical nature of the substituents. Hence, the o~disubstituted benzene derivatives in particular can be separated on a preparative scale from the m- and p-isomers. Since the new method works best with hydrocarbons and other nonpolar molecules, it may be useful as a complementary technique to gas chromato- graphy for the separation and purification of unstable compounds. Zusammenfassung Cellulose Iglgt sich in der !;/eise acetylieren, dalg die Konfor- mation und die gegenseitige Anordnung der Kohlehydrat- bgnder in ihren krista/linen Bereichen erhalten bleibt. In gequollenem Zustand includiert diese mikrokristalline Ace- Wlcellu/ose organische Molekiile der verschiedensten Art stoffspezifisch und es lassen sich daran chromatographische Trennungen durchfiihren. Chirale Verbindungen werden da- bei teilweise, in einigen F~llen vollstgndig in die Antipoden gespalten. Diese Fghigkeiten verschwinden weitgehend, wenn das Material aus organischen L 6sungen umgefgllt wird. Eine besonders hohe A ffinitgt zu der mikrokristallinen A cetylcellulose hat der Benzolkern, wenn mindestens 3 be- nachbarte Stellen nicht substituiert sind. Die Haftfestig- keit wird vie/stgrker dutch sterische Faktoren als durch die chemische Natur der Substituenten beeinflu~t. Insbeson- dere /assert sich o-Disubstitutionsprodukte des Benzols prgparativ yon den m- und p-lsomeren trennen. Da die neue Methode besonders gut auf Kohlenwasserstoffe und andere unpolare Molekiile ansprieht, erggnzt sie die Gas-Chromato- graphie bei der Trennung und Reinigung labiler Verbin- dungen. Cellulose l~it~tsich unter Erhaltung der Faserstruktur voll- st~indig acetylieren, wenn sie in Benzol suspendiert und mit Eisessig/Acetanhydrid in Gegenwart yon einer Spur Per- chlorsaure behandelt wird [2]. An einem derartigen Pr~iparat gelangt uns die vollst~indige Racemattrennung der Tr6ger- schen Base durch Chromatographie mit 95proz. Athanol als Fliefimittel [3]. Diese F~ihigkeit geht verloren, wenn die Cellulose bei der Acetylierung in Lfsung geht oder wenn das fertige Triacetat gelOst und wieder eingetrocknet oder ausgefallt wird. Auch die Art der als Ausgangsmaterial ver- wendeten Cellulose spielt eine gewisse Rolle. Linters ist besser geeignet als Holzcellulose, beide werden abet tiber- troffen dutch sogenanntes mikrokristallines Cellulose- pulver (z. B. Avicel | Aus L6sungen urngef'fillte Cellulose gibt wechselnde Ergebnisse, was wahrscheinlich mit der mehr oder weniger guten Rekristallisation zusammenh~ingt. Solche in situ acetylierte Cellulose eignet sich autSer zur Spaltung yon Razematen auch for viele andere chromato- graphische Trennungen und zeigt dabei ungew6hnliche Spezifit~iten, die theoretisch und zum Teil auch pr~parativ Interesse verdienen. Quellungszustand Nur in gequollenem Zustand ist dieses Cellulosetriacetat fiir chromatograptfische Trennungen geeignet. Es gentigt nicht, daft man es bei Raumtemperatur unter dem Fliefimittel stehen l~il~t, sondern es rnut~ mit 95proz. Athanol ausgekocht werden und nimmt dabei um ca 40 % an Volumen zu. Ver- mutlich wird das bei der Acetylierung eingeschlossene Ben- zol erst durch diese Behandlung entfernt. UmgelBste Pr~i- parate quellen schneller und erreichen das gleiche oder ein etwas grOt~eres Endvolumen. Bei Verwendung eines anderen Fliet~mittels wird dieses mit A thanol gequollene Pr~iparat in dem betreffenden L6sungsmittel suspendiert und nach kurzem Stehen zur FtiUung der Trenns~iule benutzt; hier findet der L6sungsmittelaustausch schon bei Raumtempe- ratur statt. Als geeignete Fliet~mittel haben sich Wasser, niedere Alkohole und ~,ther sowie ihre Mischungen bew~ihrt. Eine S~iule kann wochenlang zu den verschiedensten Tren- nungen benutzt werden, ohne daft sich die Retentionswerte ~indern. Wenn Risse oder Gasblasen in der Packung auftreten oder die Durchl~issigkeit zu gering geworden ist, kann das gleiche Material nach erneutem Auskochen mit Athanol wieder zur FiiUung verwendet werden. Das Acetylgehalt bleibt auch nach wochenlangem Gebrauch und mehrfachem Regenerieren unver~indert. Benzol, das bevorzugte Fliet~mittel bei der Chromatographie an Cellulose-21/2-acetat [4], ist bier weniger geeignet, denn 62 Chromatographia, VoL 9, No. 2, February 1 9 7 6 Originals

Über Inclusions-Chromatographie und ein neues Retentionsprinzip für benzolderivate

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0ber Inclusions-Chromatographie und ein neues Retentionsprinzip fiir Benzolderivate

G. Hesse / R. Hagel [ 1 ] Institut f/ir Organische Chemie der Universitiit Erlangen-Niirnberg. D-852 Erlangen, Henkestr. 42, Bundesrepublik Deutschland

Summary

�9 Inclusion Chromatography and a New Retention Mechanism for Benzene Derivatives

Cellulose can be acetylated so that the conformation and the mutual arrangement of the carbohydrate chains within their crystalline regions is maintained. This micro- crystalline acetyl cellulose in its swollen state is capable of specifically occluding a wide range of different molecules, and i t can be used for chromatographic separations. Chiral compounds are partially, and in some cases completely, resolved into their antipodes. This ability, however, vanishes almost completely i f the material is re-precipitated from organic solvents. The benzene ring shows a particularly high aff ini ty for the microcrystalline acetyl cellulose when at least 3 adjacent positions are unsubstituted. The strength o f sorption is more strongly influenced by steric factors than i t is by the chemical nature of the substituents. Hence, the o~disubstituted benzene derivatives in particular can be separated on a preparative scale from the m- and p-isomers. Since the new method works best with hydrocarbons and other nonpolar molecules, i t may be useful as a complementary technique to gas chromato- graphy for the separation and purification o f unstable compounds.

Zusammenfassung

Cellulose Iglgt sich in der !;/eise acetylieren, dalg die Konfor- mation und die gegenseitige Anordnung der Kohlehydrat- bgnder in ihren krista/linen Bereichen erhalten bleibt. In gequollenem Zustand includiert diese mikrokristalline Ace- Wlcellu/ose organische Molekiile der verschiedensten Ar t stoffspezifisch und es lassen sich daran chromatographische Trennungen durchfiihren. Chirale Verbindungen werden da- bei teilweise, in einigen F~llen vollstgndig in die Antipoden gespalten. Diese Fghigkeiten verschwinden weitgehend, wenn das Material aus organischen L 6sungen umgefgllt wird. Eine besonders hohe A ff initgt zu der mikrokristallinen A cetylcellulose hat der Benzolkern, wenn mindestens 3 be- nachbarte Stellen nicht substituiert sind. Die Haftfestig- keit wird vie/stgrker dutch sterische Faktoren als durch die chemische Natur der Substituenten beeinflu~t. Insbeson- dere /assert sich o-Disubstitutionsprodukte des Benzols prgparativ yon den m- und p-lsomeren trennen. Da die neue Methode besonders gut auf Kohlenwasserstoffe und andere unpolare Molekiile ansprieht, erggnzt sie die Gas-Chromato- graphie bei der Trennung und Reinigung labiler Verbin- dungen.

Cellulose l~it~t sich unter Erhaltung der Faserstruktur voll- st~indig acetylieren, wenn sie in Benzol suspendiert und mit Eisessig/Acetanhydrid in Gegenwart yon einer Spur Per- chlorsaure behandelt wird [2]. An einem derartigen Pr~iparat gelangt uns die vollst~indige Racemattrennung der Tr6ger- schen Base durch Chromatographie mit 95proz. Athanol als Fliefimittel [3]. Diese F~ihigkeit geht verloren, wenn die Cellulose bei der Acetylierung in Lfsung geht oder wenn das fertige Triacetat gelOst und wieder eingetrocknet oder ausgefallt wird. Auch die Art der als Ausgangsmaterial ver- wendeten Cellulose spielt eine gewisse Rolle. Linters ist besser geeignet als Holzcellulose, beide werden abet tiber- troffen dutch sogenanntes mikrokristallines Cellulose- pulver (z. B. Avicel | Aus L6sungen urngef'fillte Cellulose gibt wechselnde Ergebnisse, was wahrscheinlich mit der mehr oder weniger guten Rekristallisation zusammenh~ingt.

Solche in situ acetylierte Cellulose eignet sich autSer zur Spaltung yon Razematen auch for viele andere chromato- graphische Trennungen und zeigt dabei ungew6hnliche Spezifit~iten, die theoretisch und zum Teil auch pr~parativ Interesse verdienen.

Quellungszustand

Nur in gequollenem Zustand ist dieses Cellulosetriacetat fiir chromatograptfische Trennungen geeignet. Es gentigt nicht, daft man es bei Raumtemperatur unter dem Fliefimittel stehen l~il~t, sondern es rnut~ mit 95proz. Athanol ausgekocht werden und nimmt dabei um ca 40 % an Volumen zu. Ver- mutlich wird das bei der Acetylierung eingeschlossene Ben- zol erst durch diese Behandlung entfernt. UmgelBste Pr~i- parate quellen schneller und erreichen das gleiche oder ein

etwas grOt~eres Endvolumen. Bei Verwendung eines anderen Fliet~mittels wird dieses mit A thanol gequollene Pr~iparat in dem betreffenden L6sungsmittel suspendiert und nach kurzem Stehen zur FtiUung der Trenns~iule benutzt; hier findet der L6sungsmittelaustausch schon bei Raumtempe- ratur statt. Als geeignete Fliet~mittel haben sich Wasser, niedere Alkohole und ~,ther sowie ihre Mischungen bew~ihrt. Eine S~iule kann wochenlang zu den verschiedensten Tren- nungen benutzt werden, ohne daft sich die Retentionswerte ~indern. Wenn Risse oder Gasblasen in der Packung auftreten oder die Durchl~issigkeit zu gering geworden ist, kann das gleiche Material nach erneutem Auskochen mit Athanol wieder zur FiiUung verwendet werden. Das Acetylgehalt bleibt auch nach wochenlangem Gebrauch und mehrfachem Regenerieren unver~indert.

Benzol, das bevorzugte Fliet~mittel bei der Chromatographie an Cellulose-21/2-acetat [4], ist bier weniger geeignet, denn

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es veriindert in kurzer Zeit die Kornstruktur der Siiulenffil- lung und gibt dann sehr dichte Packungen, die nut geringe Fliet~geschwindigkeiten edauben. Umgel6stes Cellulose- triacetat zeigt diese Erscheinung nicht. Beide vergr61~ern beim Quellen in Benzol ihr Bettvolumen um 48 %.

Versuchsanordnung

Da auch in dieser Arbeit gelegendich Racemattrennungen eine Rolle spielen, haben wir stets in pr~iparativem Mal~stab gearbeitet, um gegebenfalls die Drehwerte exakt bestimmen zu ktSnnen. Auf~erdem schien es uns notwendig, einen Beitrag zu diesem bisher unterentwickelten Anwendungsgebiet der Chromatographie zu leistcn. Die Versuchsanordnung ist in Lit. [3] beschrieben. Die Angaben in den folgenden Tabellen beziehen sich auf eine Glassiiule mit 3,1 cm lichter Weite und 40 cm Packungsh6he, die mit 150 g trockenem Cellulose- triacetat beschickt wird und mit 250 mg Substanz belastet werden kann. Die Fliefigeschwindigkeit wurde stets auf 300 c m 3 h - t einreguliert. Dies geschieht durch Heben oder Senken des Vorratsgeffil~es und n6tigenfalls dutch leichten Oberdruck (bis 0,3 atti) aus einer Stickstoffbombe mit Druckregler. H6here Drucke sind bei dem bisher verwen- deten Gel nicht m6glich. Fliet~mittel war stets 95proz. Athanol. Das Totvolumen Vo bestimmt man am einfachsten mit einem Athanolextrakt aus grtinen Bliittern (Brennessel), da die Blattfarbstoffe die Ausschlut~gr6t~e des Gels tiber- schreiten. Die Retentionsvolumina sind durch die Anzahl der F raktionen (25 cm 3) angegeben, nach deren Durchlauf die maximale Konzentration ira Fraktionssammler erscheint. Der Inertpeak kommt stets in der 5. Fraktion, also nach dem Austritt yon 100-125 cm 3 ~thanol. Eine genauere An- gabe ist nicht allgemein m6glich, weft der Quellungszustand des Gels etwas schwankt und beim Altern der Siiule zuriick- geht. Bei der Gr6t~e der Effekte, fiber die wit zu berichten haben, ist sie auch nicht n6tig. Wo die Einhaltung der Stan- dardbedingungen experimentell nicht m6glich war, wurden die Ergebnisse auf diese umgerechnet. Solche Werte sind in den Tabellen mit w gekennzeichnet.

Die Retention der aromatischen Kohlenwasserstoffe (TabeUe I)

Die auffallendste Eigenschaft des Cellulosetdacetatgels ist die starke Retention yon Benzol und anderen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Dutch Adsorption tiber van der Waals- Kriifte oder Wasserstoffbindungen ist sie nicht zu erkl~iren, sonst miJfiten die Derivate mit funktionellen Gruppen starker gebunden werden. Ebensowenig kann man eine Ver- teilung entsprechend der L6slichkeit in den beiden Phasen dafiir verantwortlich machen, denn das umgef'allte Gel hat bei gleichem Quellungszustand meist nut noch eine sehr ge- ringe Affinitiit zu Aromaten. Schon in der ersten Mittei- lung [3] haben wir die Vermutung ausgesprochen, dat~ die gel6sten Stoffe zwischen den bandf6rmig tibereinander- liegenden CeUuloseacetatketten in den mikrokristallinen Bereiehen der acetylierten Faser eingeklemmt werden. Die flache, scheibenf6rmige Gestalt dieser Stoffe setzt sie often- bar instand, in die durch die Quellung vergr6t~erten Zwischenriiume der geordnet iibereinanderliegenden Cellu- loseacetatbiinder einzudringen und sich darin zu verirren.

Tabelle 1. Nettoretentionsvolumina Vk = V R - V o und Kapazi- tiitsfaktoren k r = Vk/Vo bei aromatisehen Kohlenwasserstoffen an Cellulosetriacetat uuter Standardbedingungen (siehe Text). 95proz. Xthanol, 20 ~

mikrokxistallin umgel6st k' vk k'

Benzol 27 5,4 7 1,4 Toluol 21 4,2 7 1,4 Athylbenzol 10 2,0 6 1,2 Cumol 9 1,8 6 1,2 sek. Buthylbenzol 9 ~ 1,8 5 1,0 2-Phenylnorbornan 7 + 1,4 6* 1,2 2-Phenylnorbornen 10 + 2,0 5-Phenylnorbornen 8+ 1,6 6* 1,2 Xylol, ortho 15 3,0 6 1,2 Xylol, meta 9 1,8 6 1,2 Xylol, para 8 1,6 6 1,2 Mesitylen 6 1,2 6 1,2 Durol 7 1,4 6 1,2 Hexamethylbenzol 8 1,6 6 1,2 Diphenyl 22 4,4 10 2,0

1.2.3.4-Dibenzo- 25 5,0 10 2,0 eycloheptadien

3.4.5.6-Dibenzothia- 45 9,0 14 2,8 cycloheptadien

Naphthalin 42 8,4 9 1,8 1-Methylnaphthalin 17 3,4 8 1,6 2-Methylnaphthalin 15 3,0 7 1,4 Dinaphthyl 16" 3,2 8 1,6 2.2'-Dimethyldinaphthyl 7* 1,4 7 1,4 Anthracen 31 6,2 14 2,8 Phenanthren w 55 11,0 14 2,8 1.2.3.4-Dibenzoanthracen w 33 6,6 19 3,8 Rubren w 13 2,6 8 1,6

+ Beginnende Enantiomerentrennung w Versuche bei 40 ~ auf 20 ~ umgerechnet

Wir fassen das Gel als ein zweidimensional unbegrenztes Gegenstiick zu den Molekularsieben auf. Sogar so grol~e ebene MolekOle wie das Rubren (5.6.11,12-Tetraphenylnaphthacen) und 1.2.3.4-Dibenzo.anthracen werden keineswegs aus dem Gel ausgeschlossen, w~ihrend das durch seine nicht ebene Konformation dickere Cholesterin (V~t ~ 2) fast mit dem Inertpeak austritt. Das ebene Naphthalin wird doppelt so stark reteniert wie das Diphenyl, das nicht eben sein mul~, obwold sich beide am umgel6sten Gel kaum unterscheiden. Wird das Diphenyl durch eine zus~tzliche Briicke zwischen der 2- und 2'-Steilung in seiner Drehharkeit eingeschr~inkt, so nimmt das Retentionsvolumen zu.

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Die Retention des Benzols trod seiner Alkylderivate �9 (Tabelle I)

Nach dem Eindringen der vielkernigen Aromaten in die Zwi- schenr~iume der Gelb~inder kann man sich wohl vorstellen, daft ihre Diffusion stark behindert ist. Bei dem kleinen Benzolmolek01 dtirfte das abet kaum der Fall sein. Oberdies l~il~t Tabelle I erkennen, daft die homologen Benzolkohlen- wasserstoffe wie Toluol , Cumol u.s .w, nicht sOrker, sondern weniger reteniert werden. Es mug also noch einen Bindungs-

mechanismus geben, der spezifisch auf die Gr6fte und Ge- stalt des einzelnen Benzolrings anspricht. Dies k6nnten Nischen oder Taschen in der Konformat ion der Cellulose- acetatb~inder sein, die einen Tell des Rings so fest um- schlieften, daft sich eine Ar t von Einschluftverbindung ergibt. Die Konformat ion der Cellulose in ihren kristallinen Be- reichen ist genau bekannt [5]. Nimmt man an, daft fie bei der Acetyl ierung in situ erhalten bleibt, was eigentlich die Voraussetzung ffir den For tbes tand der Fasers tmktur ist, so kann man ein Mode l /de r Acetylcel luloseket te in diesen

Bereichen aufbauen. Dabei ergibt sich an jeder Ringver- kniipfungsstelle eine r~iumliche Anordnung mit 3 Sauer- s toffatomen yon solchen Abst~inden, daft sich ein Benzol- kern unter gleichzeitiger Ausbildung you 3 Nebenvalenz- bindungen einpassen l~iftt, gewissermafien die eine H~ilfte eines Kronen~ithers. Im Rahmen der Drehbarkei t der Acetyl- gruppen k6nnen noch weitere Carbonylsauerstoffe sich an der Sorpt ion beteiligen (Fig. 1).

/~X~C I CH3 �9

0 ~ \CH a Fig. 1

Bindungsm6glichkeit des Benzolkerns an der maximal gestreckten Acetylcellulose, wie sie in den mikrokristallinen Bereichen vorliegt.

Possible attachment of benzene nuclei to acetyl cellulose at maximum stretch as in microcrystalline regions.

Bei dem Acetat , das einmal in Lfsung war, ist diese maxi- mal gestreckte Form der acetylierten Celluloseketten nur noch bei einem Bruchteil zu erwarten, womit die Ab- nahme der Retent ion erkl~rt werden kann.

Diese Vorstellung erkl~rt auch den langsamen Zerfall der ausgesiebten Triacetylcellulose unter Benzol zu einem staubfeinen Pulver. Die Benzolkerne, die sich in immer grft~erer Anzaht quer zur Faserrichtung orientieren, dr~ingen schliet~lich die Molekiilb~inder soweit auseinan- d e r , daft die von der urspffinglichen Cellulose tiber- kommene Ordnung zerf~illt. Umgefiillte Acetylcellulose besteht dagegen aus einem Haufwerk verbogener und in- einander verschlungener Bandmolektile und wird dadurch vor dem Zerfall bewahrt.

Eine Prtifung dieser Vorstellung und weitere Einblicke wurden yon der Untersuchung einfacher Benzolderivate erwartet.

Die Retention bei monosubstituierten Benzolderivaten (Tabelle II)

Aus r~iumlichen Gmnden setzt unsere Vorstellung voraus, dat~ mindestens 3 benachbarte Stellen des Benzolrings nicht substi tuiert sein diirfen. Auch bei den Mono-Deri- vaten ist das immer der Fall. Trotzdem muft man erwar- ten, daft das Sorptionsgleichgewicht stark zugunsten der

Tabelle II. Nettoretentionsvolumina Vk und Kapazit~itsfaktoren k' bei Benzolderivaten an Cellulosetriacetat unter Standardbe- dingungen (siehe Text). 95proz. )ithanol, 20 ~

mikrokristallin umgel6st Vk k' V~ k'

Anisol 18 3,6 8 1,6 Nitrobcnzol 16 3,2 12 2,4 Anilin 17 3,4 10 2,0 N-Methylanilin 15 3,0 9 1,8 N, N-Dimethylanilin 12 2,4 8 1,6 N, N-Di~ithylanilin 8 1,6 6 1,2 Benzaldehyd 20 4,0 9 1,8 Acetophenon 18 3,6 9 1,8 Benzophenon 26 5,2 13 2,6 Benzoes~iure 7 1,4 6 1,2 Phenylessigs~iure 9 1,8 6 1,2 Mandels~iure 7 + 1,4 6* 1,2 Atrolactins~iure 7 + 1,4 6 + 1,2 Mandels~iure~ithylest er 7 § 1,4 7 § 1,4 Fluorbenzol 19 3,8 7 1,4 Chlorbenzol 27 5,4 7 1,4 Bromhenzol 24 4,8 7 1,4 J odbenzol 19 3,8 7 1,4 Phenylendiamin, ortho oo oo 15 3,0 Phenylendiamin, meta oo oo 13 2,6 Phenylendiamin, para oo oo 13 2,6 Dihydroxy- ortho 17 3,4 7 1,4 benzol, meta 7 1,4 6 1,2

para 6 1,2 6 1,2 Dichlorbenzol, ortho 21 4,2 7 1,4

meta 11 2,2 7 1,4 para 10 2,0 7 1,4

Nitrophenol, ortho 24 4,8 13 2,6 meta 8 1,6 8 1,6 para 7 1,4 7 1,4

"~ . ortho e19~50 @3,8e10,0 9 § 1,8 ~ / , ~ ii ,_ ~ meta 17 ~ 3,4 9 § 1,8

L para 15" 3,0 9 § 1,8

Benzyl-t.butyl-methyl- 3 + 0,6 3 0,6 phenylphosphonium- chlorid

Pyridin 7 1,4 7 1,4 Chinolin 10 2,0 6 1,2

, , ~ - / ; - J " - - - ~ c . , @19 ~45 @3,8 ~9,0 9 § 1,8

§ Beginnende oder vollst~indige Enantiomerentrennung

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L6sung verschoben wird, und zwar aus kinetischen Grtinden, weil nun nicht mehr 6 Auftreffrichtungen des Aromaten zu einer Bindung ftihren, sondern nur noch 3, Augerdem ist bei volumin6sen Substituenten mit ste- rischer Behinderung zu reehnen, wenn sic bei der Fest- legung durch unsymmetrischen Einbau in n~ichste N~ihe der Kohlehydratkette geraten. TabeUe II best~itigt alle diese Erwartungen. Toluol wird an der mikrokristaUinen Acetylcellulose wesentlich schlechter zuriickgehalten als Benzol, w~ihrend beide sich an der umgefallten gleich ver- halten. Beim )~thylbenzol tritt noch einmal eine starke Abnahme der Retention ein, die vom Cumol nicht mehr wesentlich tibertroffen wird, denn die Rotationskegel der ~,thyl- und Isopropylgruppe diarften den gleichen Raum beanspruchen. Sekund~irbutylbenzol und die drei Derivate mit dem Ringsystem des Norbornans haben sehr ~ihn- liche Retentionswerte, werden aber zus~itzlich teilweise in die optischen Antipoden gespalten. Beim Anilin und seinen am Stickstoff substituierten Derivaten zeigt die Retention den gleichen Gang wie in der Reilie der Kohlenwasserstoffe, doch wiederholt er sich hier abge- schwacht am umgefallten Celluloseacetat. R~itselhaft ist bisher das Verhalten der Halogenbenzole, die sich nur am mikrokristallinen Celluloseacetat unterscheiden.

Die Retention bei disubstituierten Aromaten

Das st~irkste Argument flit unsere Auffassung geben die zweifach substituierten Aromaten, bei denen die Reten- tion am mikrokristaUinen Gel entscheidend yon der gegenseitigen SteUung der beiden Substituenten abh~ingen mull Das ist tats~chlich der Fall (TabeUe Iund II). Die o-st~indigen Derivate haben 2 Auftreffrichtungen, die zur Bindung fiihren k6nnen, die m-Derivate nur eine und die p.Verbindungen passen nicht mehr in die Nischen hinein. Der grol~e Unterschied in der Retention der o-Disubstitu- tionsprodukte gegentiber den m- und p-Isomeren gibt eine bequeme pr~iparative M6glichkeit, die o-Derivate yon den bei der Synthese meist gleichzeitig gebildeten p-Verbindungen und den m-Isomeren zu trennen. An sehr wirksamen S~iulen dtirfte auch noch die Trennung der m- und p-Verbindungen m6glich sein. Zur Erl~ute- rung mag ein Chromatogramm yon technischem Xylol- gemisch (Fig. 2) dienen.

Die Retention des hSher substituierten Benzols

4-, 5- und 6-fach substituiertes Benzol kann nach dem Nischenprinzip nicht mehr gebunden werden. Mesitylen und Durol verhalten sich dementsprechend an beiden Formen des Cellulosetriacetats gleich. Hexamethylbenzol aber leitet bereits zum Verhalten der grotSen, mehrker- nigen Aromaten iJber, die offenbar ats flache Scheibchen zwischen die Celluloseacetatb~inder eindringen und dort durch zwischenmolekulare Kr~ifte zus~itzlieh gebunden werden k6nnen. Durch seine Methylgruppen ist es nicht mehr so diinn wie die annelierten Aromaten. Schon eine Methylgruppe behindert die Bindung sehr, wie man an den Methylnaphthalinen sieht (Tab. I).

Tr.

70%

Fig. 2 9 x 25cmJ

Xylole

20oc

71- 561wn

0

20 30

Chromatogramm yon technischem Xylolgemisch. Standatdbedin- gungen, nicht optimiert. 250 mg, 95proz. )~thanoi, 300 cm 3 h -1 , 20 ~ UV-Detektor.

Chromatogram of xylene mixture. Standard conditions, not optimised. 250 mg, 95 % ethanol, 300 cm s h -1 , 20 ~ UV detector.

Wird die Einebnung eines Molek'tils dutch Substitution aufgehoben wie beim 2.2'-Dimethyldinaphthyl, so ver- schwindet der Unterschied zwischen dem mikrokristal- linen und dem amorphen Gel weitgehend.

Stark polare Gruppen

Stark polare Gruppen, die mit dem Sorbens oder dem L6- sungsmittel Wasserstoffbindungen bilden k6nnen, ver- ~indern die Retention in drastischer Weise. Diesen Einflui~ findet man aber nicht nur beim mikrokristallinen Gel, sondern meist abgeschw~icht auch bei amorphen Pr~ipa- raten. Beispiele sind Nitrobenzol, die Nitrophenole und Phenylendiamine (Tab. II). Letztere lassen sich aus dem mikrokristallinen Gel iiberhaupt nicht mehr eluieren. Anderseits erniedrigt eine Carboxylgruppe V~ in allen Fallen, was vielleicht mit der Selbstdimerisierung der Carbons~iuren zusammenh~ingt.

Chromatographische Daten

Alle folgenden Angaben beziehen sich auf die Standard- s~iule mit mikrokristalliner AcetylceUulose der Sieb- fraktion 90 -56 #m in 95proz. ~4thanol. Es zeigte sich, dag die Mehrzahl der untersuchten Stoffe, im Gemisch aufgegeben, ihre Retentionswerte beibehalten und also voneinander getrennt werden k6nnen, wenn diese Werte verschieden genug sind. Dies ist eigentlich selbstver- st~indlich, aber es wurde im Gemisch aus Benzol (Vh ~ 27) und Naphthalin (Vh ~ 42) ein Gegenbeispiel gefunden. Es ergibt nur einen einzigen Peak mit Vh ~ 33, der beide Stoffe enth~ilt. Es sieht so aus, als h~itte Benzol das Naph- thalin mitgenommen.

An den Beispielen Phenylessigs~iure und DL-Mandels~ure wurde der Einflul~ verschiedener Arbeitsbedingungen untersucht (Tabelle III). Die Fliel~geschwindigkeit, die

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allerdings nur zwischen 100 und 400 cm 3 h -~ variiert werden konnte, hat keinen Einflut~ auf das Retentions- volumen V k und nur einen geringen auf die Trelmstufen- hOhe HTS. Sehr stark werden dagegen beide Werte durch die Temperatur beeinflut~t. Zwischen-10 ~ und 40 ~ geht V~ in beiden Fallen auf die Hiilfte zuriick. Die Trenn- stufenh6he sinkt bei Phenylessigsliure auf etwa den vierten Tell, bei DL-Mandelsiiure auf ein Zehntel. Der ausnehmend hohe Temperaturkoeffizient yon HTS bei dieser Verbindung h~ingt damit zusammen, daft die Racemattrennung bei tieferer Temperatur zunimmt. Die Aufspaltung in 2 Enantiomerenpeaks, die ~iufierlich noch nicht zu erkennen ist, bereitet sich vor. Sie erreicht bei 0 ~ ein Maximum der Aktivierung yon 5 % und geht bei -10 ~ wieder auf 4,6 % zuriick, was wohl auf der dras- tischen Abnahme der Trennstufenzahl beruht. Auch bei anderen Racematspaltungen wurde ein Temperaturop- timum beobachtet.

Die Belastung der Trennsiiule ist bis 250 mg ohne wesent- lichen Einflut~ auf die Ergebnisse, wird bei 500 mg spiir- bar und dann rasch zur Oberlastung. Mit kleineren Sieb- fraktionen kann man noch wesentlich bessere Ergeb- nisse erhalten. Da sie aber unstabile Sfiulen geben und kaum noch eine Variation der Fliet~geschwindigkeit zu- lassen, wurden sie bis jetzt nicht weiter verfolgt.

Bei einer Obersicht tiber alle untersuchten Stoffe kann man bezfiglich der Trennstufenh6he 3 Gruppen unter- scheiden. Die wenigen Stoffe mit Retentionsvolumina unter 3, die an der Grenze des Ausschlut~volumens stehen, haben bei 20 ~ ein HTS unter 2 mm. Anderer- seits haben Benzol, Toluol, die Halogenbenzole und o-Disubstitutionsprodukte, die nach dem Nischenprin- zip gebunden werden, Trennstufenh6hen fiber 10 mm. Alle iibrigen Verbindungen haben bei 20 ~ durchschnitt- lich 5,5 ram, bei 40 ~ im Durchschnitt 2,8 mm.

An umgel6stem CeUuloseacetat ist die durchschnitthche Trennstufenh6he bei 20 ~ ca 3 ram.

Diskussion der Ergebnisse

Unseren Beobachtungen liegt zweifellos die ,,Inclusion" organischer Verbindungen zugrunde, die Staudinger an der Cellulose entdeckt [6] und spater auch bei einer Reihe von anderen makromolekularen Stoffen festgestellt hat [7]. Sie besteht darin, dal~ L6sungsmittel oder andere Verbindungen mit niedrigem Molekulargewicht so fest gebunden werden, dal~ sie selbst durch tagelanges Trocknen im Hochvakuum bei erh6hter Temperatur nicht vollstSndig entfernt werden k6nnen. So wird Cyclohexan in Cellulose hartnackig festge- halten, tritt aber beim Einquellen yon Wasser bereits bei Raumtemperatur in mikroskopisch sichtb aren Tr6pfchen wieder aus [6].

Cellulosetriacetat wurde yon Staudinger nicht untersucht, abet er fand starke Inclusionen bei Cellulosenitraten. Eigene Versuche ergaben, dal~ Inclusionen bei Cellulosetriacetat zwar nachweisbar sind, eingeschlossene Kohlenwasserstoffe abet sehr viel leichter herausgetrocknet werden k6nnen als

bei den genannten Beispielen. Wahrscheinlich ist gerade diese lockere Bindung fiir die Eignung zur Chromatographie entscheidend.

Bei der chromatographischen Anwendung dieses Prinzips ist es wesentlich, dat~ Fliet~mittel so abzustimmen, dat~ die Inclusion bei der Arbeitstemperatur reversibel ist. Athanol mit 5 % Wasser, das hier ausschliel~lich benutzt wird, scheint eine grot~e Anwendungsbreite zu haben. Bei Ver- suchen mit DL-Mandelsaure hat sich aber bereits gezeigt, dal~ die mit der Chromatographie einhergehende Racemat- spaltung bei h6herem Wassergehalt bessere Ergebnisse bringt.

Viele Anzeichen sprechen dafiir, dat~ die Inclusions-Chro- matographie sich besonders fiir Kohlenwasserstoffe und an- dere unpolare Verbindungen eignet. Sie sind bis jetzt eine Dom~ine der Gas-Chromatographie. Hier er6ffnet sich die M6glichkeit, auch temperaturempfindliche Stoffe dieser Art wie Hydroperoxide, unbest~ndige Ringe oder Komplex- verbindungen in priiparativem Mat~stab zu trennen.

Das wichtigste Anwendungsgebiet d0rfte aber der Nachweis yon Chiralitat und die priiparative Racemattrennung werden, zumal bei Kohlenwasserstoffen. Da beim Cellulosetriacetat die Inclusion in einer asymmetrischen Umgebung erfolgt, tritt bei Racematen fast immer eine nachweisbare Tren- nung in die enantiomeren Formen auf. Dem bisher dafiir empfohlenen Cellulose-21/2-acetat [4] ist es in allen Ver- gleichsfiillen fiberlegen. In den Tabellen Iund II sind ,,Aktivierungen" mit einem + kennflich gemacht. Sie er- folgen an mikrokristallinen Priiparaten h~ufiger und sind dort stets h6her als an umgefiillten. Wir verwenden das Durchflul~polarimeter mit Schreiber bei allen Trennungen an Cellulosetfiacetat als Zweitdetektor. Es macht uns auf optisch aktive oder aktivierbare Gemischbestandteile auf- merksam und bei Stoffen ohne UV-Absorption (Steroide, Terpene) kann man mit ihm wenigstens die chiralen Kompo- nenten lokalisieren, meist auch wenn sie als Racemate vor- liegen.

Ein Sonderfall ist die spezifische Affinitiit des mikrokristal- linen Cellulosetriacetats fiir den Benzolring. Die oben wahr- scheinlich gemachte Fixierung einfacher und o-disubstituierter Benzolderivate an den Verknfipfungsstellen der veresterten Glucosereste hat nur wenige Freiheitsgrade. Ist ein Sub- stituent chiral, so wird er nicht nur in niichster N~he der asymmetfischen Umgebung festgehalten, sondern auch in einer bestimmten Orientierung, die fiir die Enantiomeren verschieden oder verschieden stabil sein wird. Der ,,Anker" Phenyl ersetzt die sonst iibliche Salzbildung oder Kom- plexierung mit einem optisch aktiven Partner. Es ist zu er- warten, dal~ hier besonders gtinstige Voraussetzungen fiir die Racemattrennung vorliegen. Ein Beispiel wurde im Phenyl-o-anisyl4ithan (Tab, II) bereits gefunden. 0to er weitere derartige F~ille soil demn~chst berichtet werden. Die Aussichten auf vollst~ndige Racemattrennungen an Cellulosetriacetat sind aber sicher nicht auf Stoffe be- schrankt, die eine ,,Nischenbindung" eingehen k6nnen. Das zeigt schon das Verhalten der Tr6gerschen Base (Tab. II). Es ist eher vergleichbar mit der Trennung des rac. ~-Phenyliithylamins durch Komplexbildung seiner e-Form

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mit 2.3.4.6-Tetraacetylglucose [8 ]. Auch in solchen Fallen wird die einheitliche Konformation des Glucoseesters in den mikrokristallinen Bereichen bessere Aussichten bieten als die Vielfiiltigkeit bei den amorphen Formen, was sich be- felts bei der Tr6gerschen Base gezeigt hat.

Ober das Wesen der Nischenbindung besteht noch keine

Klarheit. Wasserstoffbindungen der 3 Sauerstoffatome mit Wasserstoffatomen des Benzolkerns kann man diskutieren, abet es ist nicht unumstritten, wie welt aromatische H-Atome daffir in Frage kommen. Die L6slichkeit yon Wasser in Benzol, die 5mal gr6$er ist als die yon Cyclohexan, spricht immerhin daftir. Als Gegenargument kann man geltend machen, dab elektronisch so verschiedene Benzolderivate wie Anisol und Nitrobenzol fast die gleichen Retentions- zeiten haben. Man mut~ abet auch bedenken, dat~ sowohl p- wie m-standige Wasserstoffatome zur Verkniipfung beitragen und dafS der Substituenteneinflut~ auf diese beiden Stellun- gen kontrar ist. Es k6nnte auch sein, dal~ eine direkte Wechselwirkung zwischen der leicht deformierbaren Elektro- nenwolke des aromatischen Kerns und den Sauerstofforbi- talen besteht. Sie wiire vergleichbar mit der Einwirkung freier Elektronen auf stark ungesattigte Verbindungen im Elektroneneinfangdetektor der Gas-Chromatographie. Schliet~lich k6nnte es sein, da$ das includierte Benzol dureh die Brownsche Molekularbewegung der umgebenden Fliissig- keit in diese stillen Buchten hineingestoSen wird, in die es so gut hineinpafit.

Beschreibung der Versuehe

Cellulose-triacetat (in Anlehnung an Lit. [3]: 200 g mikro- kristallines Cellulosepulver, z.B. Avicel | 4dm 3 Benzol, 800 cm 3 Eisessig, 6 cm 3 60proz. Perchlorsaure und 800 cm 3 Acetanhydrid werden in der genannten Reihenfolge zu- sammengegeben und 3 Tage bei 35 ~ geriihrt. Die Suspension wird durchscheinend und farbt sich dunkel. Dann wird ab- zentrifugiert, in Methanol aufgesctfl~immt, wieder zentri- fugiert und bei 30 ~ getrocknet. Die heUbraunen, spr6den Klumpen (230 g) werden in einer elektrischen Kaffeemiihle mit Feineinstellung (Krups) gemahlen und die Korngr61~en- fraktion 90-56 tim ausgesiebt.

Eigenschaften: Das so erhaltene Celluloseacetat enthalt re- produzierbar 45 % Acetyl. Es ist ein hell-zimtfarbenes Pulver, das aus der Raumluft bis zu 3 % Wasser anzieht, die es im Exsikkator bei RT in 5 Stdn. wieder vollstandig ab- gibt. Organische L6sungsmittel werden starker includiert. Von Benzol waren nach dem Trocknen bei 50 ~ nach 24 Stdn. noch 3 %, nach 48 Stdn. noch 1,6 % vorhanden, bei Cyclohexan entsprechend 0,3 und 0 %.

Die QueUung wurde mitje 150 g acetylierter Cellulose durch Ausmessen der Schiitth6he in einem Glasrohr 40 x 3,1 cm ermittelt:

I Avicel acetyliert und getrocknet II Linterspulver ftir Saulen (SS 123) acetyliert und ge-

trocknet III Chloroforml6sung yon II in Methanol eingegossen IV Chloroforml6sung yon II wieder eingetrocknet

I II III IV

Trocken eingefiillt 30,5 30,5 30,5 30,5 Athanol, kalt, 1 Stde. 35 36 37,5 36,5 Athanol, sieden, 10Min. 42 43 43 43 Athanol, sieden, 15 Min. 42,5 43 43 43 Benzol, kalt, 30 Min. 38 38 34 34 Benzol, sieden, 5 Min. 45 45 45 45

Obige Zahlen sind Mindestwerte; frische Fiillungen k6nnen etwas h6her sein, setzen sich aber nach 1-2 Tagen, vor al- lem bei Druckanwendung.

Packen der Trennsaule (40 x 3,1 cm): 150 g CeUulosetriacetat werden in 250 cm 3 95proz. )~thanol aufgekocht. Nach 15 Min. lal~t man erkalten und pipettiert iiberschiissiges L6sungsmittel mit etwas Trub ab. Das Gesamtvolumen soil dann etwa 350 cm 3 sein. Zu dicke Suspensionen reifien beim Eingiet~en in die Trennsaule spater nicht mehr entfernbare Luftblasen

Tabelle III. Einflufi von Fliel~geschwindigkeit, Temperatur und Be- lastung. Standardstiule, mikrokristaUine Acetylcellulose 90-56 pm. HTS Trermstufenh6he, ~. % mittlere Aktivierung in Prozent, n 1 Trennstufenzahl pro Meter.

Variabel Phenylessigs~iure DL-Mandelstiure Konstant

StriSmung V~ n I HTS V~ n t I-ITS A- % c m 3 h7 t (ram) (mm) 100 9 193 5,2 7 200 5 3,96 250 mg 200 9 184 5,4 7 197 5,1 3,80 20 ~ 300 9 184 5,4 7 197 5,1 3,85 400 9 184 5,4 7 197 5,1 3,83

Temperatur -10 ~ 14 70 14,3 10 60 16,7 4,60

0 ~ 12 98 10,2 9 120 8,3 5,00 + 10 ~ 10 142 7 8 155 6,5 4,45 + 20 o 9 184 5,4 7 197 5,1 3,85 + 30 ~ 8 224 4,5 6 424 2,4 3,60 + 40 ~ 7 290 3,4 5 635 1,6 3,40

250 mg 300 cm3h -l

Belastung (mg) 50 9 197 5,1 7 203 4,9 3,80

250 9 184 5,4 7 197 5,1 3,85 500 9 163 6,1 7 164 6,1 3,30

1000 8,5 104 9,6 6,5 127 7,9 2,50 2000 8 50 20 6 62 16,1 1,47

20 ~ 300 cm3h -1

mit, zu donne entmischen sich nach der Korngr61~e. Vor dem EingieSen evakuiert man kurz (1/2 Min.) an der Wasserstrahl- pumpe, um eingeschlossene Luft zu entfernen. Dann giet~t man den Brei ziigig ein, iiberschichtet mit dem L6sungsmittel, das aus einem aufgesetzten Tropftrichter nachgeliefert wird, und last die Saule tropfen. Dabei klopft man mit einem Korkring seitlich an die Saule und dreht sie einigemale ruck- artig um die Lfingsachse, um Luftblasen zum Aufsteigen zu bringen. Um eine Packungsh6he yon 40 cm zu erhalten, mul~ die Suspension etwa 50 cm hoch eingefiillt werden. N6tigensfalls steckt man beim Einfiillen ein Verlangerungs- stock auf, das spater entfernt wird. Wenn sich die Packung gesetzt hat, wiederholt man das Klopfen und Drehen unter Str6mung, die gegebenenfaUs durch N2 -Druck (bis 0,3 at~i) beschleunigt wird.

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Die Appara tur ist in Lit. [3] beschrieben. Das Aufgeben der

mfgl ichst konzentr ier ten Probelfsung erfolgt unmit te lbar auf den Kopf der Siiule, deren plane Oberfl~che nicht verschwemmt werden darf. Dann ftillt man den gesamten freien Raum mit dem Fliet~mittel und setzt das Vorratsge- f~it~ (Tropftr ichter) auf. Wenn bei erh6hter Temperatur ge- arbeitet werden soil, mul~ das Fliet~mittel vorher entgast werden.

Dank

Dem Verband der Chemischen Industrie (Fonds der Chemic) sei ftir die Unterstiitzung dieser Arbeit herzlich gedankt.

LReratur

[ 1 ] Teil der Dissertation yon R. Hagel, Universit~it Erlangen-Niirnberg 1976.

121 Houben.Weyl, Methoden der Organischen Chemie, 4. Aufl. Bd. 14/2, 875 (1963).

131 G. Hesse u. R. Hagel, Chromatographia 6, 277 (1973). [41 A. Liittringhaus, Anmerkung auf S. 73 in der deutschen Aus-

gabe yon E. L. Eliel, Stereochemie der Kohlenstoffverbin- dungen. Verlag Chemie, Weinheim/Bergstr., 1967.

[5] Obersichten in: R. Purnrnerer (Herausgeber), Chemische Textil- fasern, Filme und Folien; vergl, bes. S. 32/33. F. Enke, Stuttgart 1953. R. D. Guthrie u, J. Honeyman, An Introduction to The Chemistry of Carbohydrates, S. 110-118. Clarendon Press, Oxford 1964.

[6] H. Staudinger u. W. D6hle, L prakt. Chem. 161,149 (1952). 171 11. Staudinger, Angew. Chem. 64, 149 (1952). [81 B. Helferich u. tr Portz, Chem. Ber. 86, 1034 (1953).

Received: Oct. 24, 1975 Accepted: Nov. 12, 1975

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