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546 lJber Kohlenoxydwirkung ohne HXmoglobin und einige Eigenschaften des Atmungsferments. ~ Die Natur- [wissenschaften Uber Kohlenoxydwirkung ohne H/imoglobin und einige Eigenschaften des Atmungsferments'). Bis vor kurzem war man der lVfeinung, dab B:ohlen- oxyd nur auf h~moglobiniflhrende Organismen wirke. Hamoglobin (Hb) reagiert mit Kohlenoxyd nach der Gleichung: HbO 2 + CO ~ HbCO + O~. (I) Ich habe gefunden, dab t£ohlenoxyd nicht nur auf hgmoglobinffihrende Organismen wirkt, sondern all- gemein auf lebende Zetlen, yon denen ich untersuch~c habe : Hefen, Bakterien, Leberzellen, Netzhaut, Chorion. Kohlenoxyd hemmt die Atmung dieser Zellen reversibel und spezifisch. Andere Zellkatalysen, z. B. die Ggrun- gen, werden durch I~ohlenoxyd nicht beeinfluBt. Selbst in Kohlenoxyd yon 6o AtmosDh~,ren Druck fanden wir die GXrung yon I~efezellen nicht nachweisbar gehemmt. Die Substanz, die in der Zelle mit I(ohlenoxyd reagiert, ist nicht FI~moglobin, verh~lt sieh aber in auffallender Weise dem H~moglobin ghnlich. In I-I~mo- globinlOsungen, die Sauerstoff und Kohlenoxyd ent- halten, haben wir das Gleichgewicht I-IbO~ CO . . . . . k(onstant), (2) HbCO O 2 wo CO nnd O 2 die Konzentrationen an I(ohlenoxyd und Sauerstoff bedeuten. Dieselbe Gleichnng gilt nun nach meinen Versuchen fur die Atmung in Kohlen- oxyd, oder, nm es mehr chemisch anszudrficken, fiir die Verteilung des Atmungsferm.entes zwischen Sauer- stoff und Kohlenoxyd. Bezeichnen wir das Atmungs- ferment mit Fe, so haben wir, analog Gleichnng (2) FeO 2 CO = K(onstant) . (3) FeCO- " O~ Zwar kOnnen wir FeOe nnd FeCO nicht direkt bestimmen wie HbO~ nnd HbCO, wohl aber das Ver- FeO~ h~Itnis ~v~- durch 35essung der Atmungshemmung. Bedentet n~mlich in irgendeinem Sauerstoff-Kohlen- oxyd-Gemisch ~ den Bruchteil der normalen (unge- hemmten) Atmung, so ist FeO~. -- (4) FeCO I -- 0¢ und Gleiehung (3) geht fiber in CO K, (5) Diese Gleichnng stimmt sehr genau fiir Hefezellen, suspendiert in alkoholhaltiger Phosphatl6sung. Es folgt daraus, dab Kohlenoxyd mit dem Atmungsferment wie nach Gleichnng (I) reagiert: FeO~ + CO ~ FeCO + 0~: (6) Kohlenoxyd wirkt also auf die Atmung, indem es den Sauerstoff ans dem Atmnngsferment verdrgngt. Hier wie im Fall des Hgmoglobins ist die VVirknng des CO Biohlenoxyds bestimmt durch dad Verhgltnis -~%- Verdfinnen wir ein Sauerstoff-Kohlenoxydgemisch beliebig mit Stickstoff, so bleibt die \Virkung anf die Atmung, ebenso wie die Wirkung auf das Hgmoglobin, konstant. ~) Naeh einem am 12. Mat in der 7Royal Society in London gehalienen Vortrag. Ein lJnterschied besteht nur hinsichtlich der Zahlen- werte von k und 1i der Gleichungen (2) und (3). k der Gleichung (2) ist nach J. HALDANBYon der Gr6genord- nung Io- 2 wXhrend ich K der Gleichung (3) etwa gleich 8 finde. HXmoglobin binder also Kohlenoxyd fester als Sauerstoff, das Atmungsferment binder Sauerstoff fester als Kohlenoxyd. -- Im Jahre 1896 entdeckte Jot~N HALDANE, dab die Affinit~t zwisehen H~moglobin und I~ohlenoxyd ab- nimmt, wenn man belichtet. Die Affinitgt zwischen H~moglobin und Sauerstoff dagegen wird durch Be- ]ichtung nicht vergndert. Belichtet man also Hgmo- globin, das im Dnnkeln mit Sauerstoff und I¢ohlen- oxyd ins Oleichgewicht gebracht worden ist, so ver- schiebt sich das Gleichgewicht zugunsten des Sauer- stoffes (Reaktion yon rechts nach links in Gleichung 0).) Ebenso verh~lt sieh, wie ich gefunden babe, das At- mungsfermen). Seine Affinit~t zu Sauerstoff ist im Dun- keln lind im Licht gleich, seine Affinitgt zn Kohlenoxyd ist im Dunkeln gr613er als im Licht. Bringt man also Hefezellen mit Sanerstoff nnd Kohlenoxyd im Dun- keln ins Gteichgewicht und belichtet, so nimmt die atmungshemmende Wirkung des Kohlenoxydes ab und verschwindet bet geniigend starker Belichtung vollstandig. Die Wirkung des Lichtes kann man benutzen, nm die Eigensehaften des Atmungsfermentes n~her zu be- stimmen. Belichtet man Here in Kohlenoxyd mit ver- schiedenen Wellentgngen gteicher Intensitat, so wirkt blan am st~rksten, grfin und gelb schw~eher, rot gar nieht. Unter der sehr wahrscheintichen Annahme, dab die Unterschiede der Wirkungen wesentlich dutch Unterschiede in der Lichtabsorption bedingt sind, folgt, dab das Atmungsferment am st~rksten im blan absor- biert, schw~cher im grfin und gelb, gar nicht im rot. Das Atmungsferment ist also eine gef~rbte Substanz, wahrscheinlich yon roter Farbe. Fasse ich zusammen, so hat sich gezeigt, dab lebende Zellen ein dem H~moglobin verwandtes Pigment ent- halten, dessen Funktion in der Aufnahme und Akti- vierung des molekularen Sauerstoffes besteht. Ein dem H~moglobin verwandtes rotes Pigment ist vor knrzem yon KZlI~IN als weitverbreiteter Zellbestand- tell entdeckt worden. Da KEILINS Cytochrom in der Zellatmung als Katalysator eine Rolle spielt, so lag zungchst die Annahme nahe, das dnrch t{ohlenoxyd nachweisbare Pigment set identisch mit I{~ILINS Cytochrom. Dann mfiBte Kohlenoxyd das Spektrum des Cytochroms ~ndern. Das ist nicht der Tall. Letter man dutch eine Hefesuspension sanerstoffhaltiges Kohlenoxyd, so erscheint das Spektrum des redn- zieFcen Cytochroms und bleibt bestehen, t(ohlenoxyd verhindert also die Oxydation des Cytochroms, ohne mit ibm zu reagieren. Deshalb mi~ssen wir in iebenden Zellen mindestens zwei h~moglobinAhnliche Pigmente nnterscheiden, das dutch Kohlenoxyd nachweisbare Pigment und das K~;ILINsche Cytochrom. Beide Pigmente sind Atmungs- fermente, aber yon verschiedener Funktion. Das erste Pigment nimmt den moteknlaren Sauerstoif anf nnd aktiviert itih.'KEILINS Cytochrom --selbst ;aicht autoxy- dabel- abertrggt den aktivierten Saue~stoff auf die organischen Molekale. In der Sprache der Ferment- chemie ist das erste Pigment eine Oxydase, das zweite eine Peroxydase. OTTO WARBURG.

Über Kohlenoxydwirkung ohne Hämoglobin und einige Eigenschaften des Atmungsferments

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546 lJber Kohlenoxydwirkung ohne HXmoglobin und einige Eigenschaften des Atmungsferments. ~ Die Natur- [wissenschaften

Uber Kohlenoxydwirkung ohne H/imoglobin und einige Eigenschaften des Atmungsferments').

Bis vor kurzem war man der lVfeinung, dab B:ohlen- oxyd nur auf h~moglobiniflhrende Organismen wirke. Hamoglobin (Hb) reagiert mit Kohlenoxyd nach der Gleichung:

HbO 2 + CO ~ HbCO + O~. (I)

Ich habe gefunden, dab t£ohlenoxyd nicht nur auf hgmoglobinffihrende Organismen wirkt, sondern all- gemein auf lebende Zetlen, yon denen ich untersuch~c habe : Hefen, Bakterien, Leberzellen, Netzhaut, Chorion. Kohlenoxyd hemmt die Atmung dieser Zellen reversibel und spezifisch. Andere Zellkatalysen, z. B. die Ggrun- gen, werden durch I~ohlenoxyd nicht beeinfluBt. Selbst in Kohlenoxyd yon 6o AtmosDh~,ren Druck fanden wir die GXrung yon I~efezellen nicht nachweisbar gehemmt.

Die Substanz, die in der Zelle mit I(ohlenoxyd reagiert, is t nicht FI~moglobin, verh~lt sieh aber in auffallender Weise dem H~moglobin ghnlich. In I-I~mo- globinlOsungen, die Sauerstoff und Kohlenoxyd ent- halten, haben wir das Gleichgewicht

I-IbO~ CO . . . . . k(onstant) , (2) HbCO O 2

wo CO nnd O 2 die Konzentrationen an I(ohlenoxyd und Sauerstoff bedeuten. Dieselbe Gleichnng gilt nun nach meinen Versuchen fur die Atmung in Kohlen- oxyd, oder, nm es mehr chemisch anszudrficken, fiir die Verteilung des Atmungsferm.entes zwischen Sauer- stoff und Kohlenoxyd. Bezeichnen wir das Atmungs- ferment mit Fe, so haben wir, analog Gleichnng (2)

FeO 2 CO = K(onstant) . (3)

FeCO- " O~

Zwar kOnnen w i r FeOe nnd FeCO nicht direkt best immen wie HbO~ nnd HbCO, wohl aber das Ver-

FeO~ h~Itnis ~v~- durch 35essung der Atmungshemmung.

Bedentet n~mlich in irgendeinem Sauerstoff-Kohlen- oxyd-Gemisch ~ den Bruchteil der normalen (unge- hemmten) Atmung, so ist

FeO~. -- (4)

FeCO I -- 0¢

und Gleiehung (3) geht fiber in

CO K, (5)

Diese Gleichnng s t immt sehr genau fiir Hefezellen, suspendiert in alkoholhaltiger Phosphatl6sung. Es folgt daraus, dab Kohlenoxyd mit dem Atmungsferment wie nach Gleichnng (I) reagiert:

FeO~ + CO ~ FeCO + 0~: (6)

Kohlenoxyd wirkt also auf die Atmung, indem es den Sauerstoff ans dem Atmnngsferment verdrgngt. Hier wie im Fall des Hgmoglobins ist die VVirknng des

CO Biohlenoxyds best immt durch dad Verhgltnis -~%-

Verdfinnen wir ein Sauerstoff-Kohlenoxydgemisch beliebig mit Stickstoff, so bleibt die \Virkung anf die Atmung, ebenso wie die Wirkung auf das Hgmoglobin, konstant.

~) Naeh einem am 12. Mat in der 7Royal Society in London gehalienen Vortrag.

Ein lJnterschied besteht nur hinsichtlich der Zahlen- werte von k und 1i der Gleichungen (2) und (3). k der Gleichung (2) ist nach J. HALDANB Yon der Gr6genord- nung I o - 2 wXhrend ich K der Gleichung (3) etwa gleich 8 finde. HXmoglobin binder also Kohlenoxyd fester als Sauerstoff, das Atmungsferment binder Sauerstoff fester als Kohlenoxyd. - -

Im Jahre 1896 entdeckte Jot~N HALDANE, dab die Affinit~t zwisehen H~moglobin und I~ohlenoxyd ab- nimmt, wenn man belichtet. Die Affinitgt zwischen H~moglobin und Sauerstoff dagegen wird durch Be- ]ichtung nicht vergndert. Belichtet man also Hgmo- globin, das im Dnnkeln mit Sauerstoff und I¢ohlen- oxyd ins Oleichgewicht gebracht worden ist, so ver- schiebt sich das Gleichgewicht zugunsten des Sauer- stoffes (Reaktion yon rechts nach links in Gleichung 0).)

Ebenso verh~lt sieh, wie ich gefunden babe, das At- mungsfermen). Seine Affinit~t zu Sauerstoff ist im Dun- keln lind im Licht gleich, seine Affinitgt zn Kohlenoxyd ist im Dunkeln gr613er als im Licht. Bringt man also Hefezellen mit Sanerstoff nnd Kohlenoxyd im Dun- keln ins Gteichgewicht und belichtet, so n immt die atmungshemmende Wirkung des Kohlenoxydes ab und verschwindet bet geniigend starker Belichtung vollstandig.

Die Wirkung des Lichtes kann man benutzen, nm die Eigensehaften des Atmungsfermentes n~her zu be- stimmen. Belichtet man Here in Kohlenoxyd mit ver- schiedenen Wellentgngen gteicher Intensitat , so wirkt blan am st~rksten, grfin und gelb schw~eher, rot gar nieht. Unter der sehr wahrscheintichen Annahme, dab die Unterschiede der Wirkungen wesentlich dutch Unterschiede in der Lichtabsorption bedingt sind, folgt, dab das Atmungsferment am st~rksten im blan absor- biert, schw~cher im grfin und gelb, gar nicht im rot. Das Atmungsferment ist also eine gef~rbte Substanz, wahrscheinlich yon roter Farbe.

Fasse ich zusammen, so hat sich gezeigt, dab lebende Zellen ein dem H~moglobin verwandtes Pigment ent- halten, dessen Funktion in der Aufnahme und Akti- vierung des molekularen Sauerstoffes besteht. Ein dem H~moglobin verwandtes rotes Pigment ist vor knrzem yon KZlI~IN als weitverbreiteter Zellbestand- tell entdeckt worden. Da KEILINS Cytochrom in der Zellatmung als Katalysator eine Rolle spielt, so lag zungchst die Annahme nahe, das dnrch t{ohlenoxyd nachweisbare Pigment set identisch mit I{~ILINS Cytochrom. Dann mfiBte Kohlenoxyd das Spektrum des Cytochroms ~ndern. Das ist nicht der Tall. Letter man dutch eine Hefesuspension sanerstoffhaltiges Kohlenoxyd, so erscheint das Spektrum des redn- zieFcen Cytochroms und bleibt bestehen, t(ohlenoxyd verhindert also die Oxydat ion des Cytochroms, ohne mit ibm zu reagieren.

Deshalb mi~ssen wir in iebenden Zellen mindestens zwei h~moglobinAhnliche Pigmente nnterscheiden, das dutch Kohlenoxyd nachweisbare Pigment und das K~;ILINsche Cytochrom. Beide Pigmente sind Atmungs- fermente, aber yon verschiedener Funktion. Das erste Pigment nimmt den moteknlaren Sauerstoif anf nnd aktiviert itih.'KEILINS Cytochrom - -se lbs t ;aicht autoxy- d a b e l - abertrggt den aktivierten Saue~stoff auf die organischen Molekale. In der Sprache der Ferment- chemie ist das erste Pigment eine Oxydase, das zweite eine Peroxydase. OTTO WARBURG.